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Abteilung V

E-6880/2014

 

 

 

 

 

Urteil vom 29. November 2017

Besetzung

 

Richterin Gabriela Freihofer (Vorsitz),

Richter Daniele Cattaneo, Richterin Esther Marti,

Richter François Badoud, Richterin Regula Schenker Senn;  

Gerichtsschreiber Arthur Brunner.

 

 

 

Parteien

 

A._______, geboren (...),

Eritrea,

vertreten durch lic. iur. Ariane Burkhardt,

(...)

Beschwerdeführerin,

 

 

 

gegen

 

 

Staatssekretariat für Migration (SEM;

zuvor Bundesamt für Migration, BFM),

Quellenweg 6, 3003 Bern,

Vorinstanz.

 

 

 

Gegenstand

 

Familienzusammenführung (Asyl)

zugunsten von B._______, geboren (...);

Verfügung des BFM vom 21. Oktober 2014 / N (...).

 

 

 


Sachverhalt:

A. 
Die Beschwerdeführerin suchte am 20. Juni 2012 in der Schweiz um Asyl nach. Mit Verfügung vom 11. Oktober 2013 anerkannte das SEM ihre Flüchtlingseigenschaft und gewährte ihr Asyl.

 

B.   

B.a  B._______, angabegemäss der Ehemann der Beschwerdeführerin, suchte am 17. Februar 2014 in der Schweiz um Asyl nach. In der Befragung zur Person (BzP) vom 24. Februar 2014 gab er zu Protokoll, er sei 2007 aus Eritrea geflüchtet, weshalb der Kontakt zu seiner mutmasslich in der Schweiz wohnhaften Ehefrau abgebrochen sei. Im Jahr 2009 sei er nach Italien gelangt und habe dort eine Aufenthaltsbewilligung erhalten. Eine Nachfrage des SEM bei den italienischen Behörden ergab, dass er in Italien als Flüchtling anerkannt ist und deshalb dort über ein Aufenthaltsrecht verfügt.

Mit Verfügung vom 21. Oktober 2014 trat das BFM gestützt auf Art. 31a Abs. 1 Bst. a AsylG (SR 142.31) auf sein Asylgesuch nicht ein, wies ihn aus der Schweiz weg und ordnete den Wegweisungsvollzug nach Italien an. Zur Begründung führte das BFM im Wesentlichen aus, B._______ sei in Italien bereits als Flüchtling anerkannt.

B.b  Gegen diesen Entscheid erhob B._______ mit Eingabe vom 29. Oktober 2014 beim Bundesverwaltungsgericht Beschwerde (Beschwerdeverfahren E-6321/2014). Mit Zwischenverfügung vom 17. Dezember 2014 hielt die Instruktionsrichterin unter anderem fest, das Verfahren werde aufgrund des engen sachlichen und persönlichen Zusammenhangs mit dem vorliegenden Beschwerdeverfahren insoweit koordiniert, als beide Verfahren parallel geführt würden und soweit möglich über beide Verfahren gleichzeitig entschieden werde.

C.   

C.a  Am 18. August 2015 heiratete B._______ die Beschwerdeführerin, die in der Schweiz als anerkannter Flüchtling mit Aufenthaltsbewilligung B grundsätzlich über ein gefestigtes Anwesenheitsrecht verfügt. Nach Aufforderung durch die Instruktionsrichterin des Beschwerdeverfahrens
E-6321/2014 stellte B._______ am 29. September 2015 bei der zuständigen kantonalen Behörde ein Gesuch um Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung. Diesem Gesuch wurde mit Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung B am 15. Februar 2016 entsprochen.

Nachdem die Beschwerde vom 29. Oktober 2014 hierdurch in den Punkten der Wegweisung und des Wegweisungsvollzugs gegenstandslos geworden war, zog B._______ sie auf entsprechende Anfrage des Bundesverwaltungsgerichts mit schriftlicher Erklärung vom 16. März 2016 zurück. Das Bundesverwaltungsgericht schrieb das Beschwerdeverfahren deshalb mit Entscheid E-6321/2014 vom 22. März 2016 als gegenstandslos geworden ab.
 

C.b  Mit Eingabe vom 4. März 2014 ersuchte die Beschwerdeführerin die Vorinstanz um Einbezug von B._______ in ihre Flüchtlingseigenschaft im Sinne von Art. 51 Abs. 1 AsylG.

C.c  Sie führte in ihrer Stellungnahme vom 2. September 2014 im Zusammenhang mit dem beantragten Familienasyl aus, B._______ und sie hätten am 1. Januar 2006 in Eritrea religiös geheiratet. Ihr Ehemann sei nach seiner Flucht aus Eritrea während drei Jahren in Libyen inhaftiert gewesen, bis ihm im Jahr 2010 die Flucht nach Italien gelungen sei. In Italien sei er als Flüchtling anerkannt worden. Im Januar 2014 habe er über Bekannte erfahren, dass sie in der Schweiz lebe. Am 16. Februar 2014 sei er in die Schweiz eingereist und lebe seit dem 21. April 2014 mit ihr zusammen in einer gemeinsamen Wohnung. Sollte das BFM nicht vom Bestand einer Ehe ausgehen, müsse zumindest das Vorliegen eines Konkubinats festgestellt werden.

Zur Stützung ihrer Vorbringen legte sie zwei Hochzeitsfotos (in Kopie) bei.

C.d  Die Vorinstanz lehnte mit am 22. Oktober 2014 eröffneter Verfügung vom 21. Oktober 2014 das Gesuch um Gewährung von Familienasyl gemäss Art. 51 Abs. 1 AsylG ab.

C.e  Die Beschwerdeführerin erhob mit Eingabe ihrer Rechtsvertreterin vom 20. November 2014 gegen diesen Entscheid beim Bundesverwaltungsgericht Beschwerde und beantragte in materieller Hinsicht die Aufhebung der angefochtenen Verfügung und den Einbezug von B._______ in ihre Flüchtlingseigenschaft. In verfahrensrechtlicher Hinsicht beantragte sie, es sei ihr unter Verzicht auf die Erhebung eines Kostenvorschusses die unentgeltliche Prozessführung zu gewähren und in der Person ihrer Rechtsvertreterin eine amtliche Rechtsbeiständin beizuordnen.

Zur Stützung ihrer Vorbringen legte sie ein Schreiben der C._______ vom 28. Oktober 2014, ein ärztliches Schreiben vom 29. Oktober 2014,  eine Terminvereinbarung mit dem (...)spital (...) vom 12. November 2014 und je eine Fürsorgebestätigung der C._______ vom 4. November für sich und für B._______ bei.

C.f  Mit Eingabe vom 25. November 2014 reichte die Rechtsvertreterin ihre Honorarnote nach.
 

C.g  Die Instruktionsrichterin hiess mit Verfügung vom 17. Dezember 2014 das Gesuch um Gewährung der unentgeltlichen Prozessführung gut und verzichtete auf die Erhebung eines Kostenvorschusses. Das Gesuch um amtliche Rechtsverbeiständung wies sie ab und lud die Vorinstanz ein, sich zur Beschwerde vernehmen zu lassen.

C.h  Das SEM teilte innert erstreckter Frist mit Vernehmlassung vom 6. Januar 2015 mit, es halte am angefochtenen Entscheid sowie den darin enthaltenen Erwägungen fest und beantrage die Abweisung der Beschwerde. Die Vernehmlassung wurde der Rechtsvertreterin am 13. Januar 2015 zur Kenntnis gebracht.

 

Das Bundesverwaltungsgericht zieht in Erwägung:

1.   

1.1  Gemäss Art. 31 VGG beurteilt das Bundesverwaltungsgericht Beschwerden gegen Verfügungen nach Art. 5 VwVG. Das SEM gehört zu den Behörden nach Art. 33 VGG und ist daher eine Vorinstanz des Bundesverwaltungsgerichts. Eine das Sachgebiet betreffende Ausnahme im Sinne von Art. 32 VGG liegt nicht vor. Das Bundesverwaltungsgericht ist daher zuständig für die Beurteilung der vorliegenden Beschwerde und entscheidet auf dem Gebiet des Asyls endgültig, ausser bei Vorliegen eines Auslieferungsersuchens des Staates, vor welchem die beschwerdeführende Person Schutz sucht (Art. 105 AsylG [SR 142.31]; Art. 83 Bst. d Ziff. 1 BGG). Eine solche Ausnahme im Sinne von Art. 83 Bst. d Ziff. 1 BGG liegt nicht vor, weshalb das Bundesverwaltungsgericht endgültig entscheidet.

1.2  Das Verfahren richtet sich nach dem VwVG, dem VGG und dem BGG, soweit das AsylG nichts anderes bestimmt (Art. 37 VGG und Art. 6 AsylG).

1.3  Die Beschwerde ist frist- und formgerecht eingereicht. Die Beschwer-deführerin hat am Verfahren vor der Vorinstanz teilgenommen, ist durch die angefochtene Verfügung besonders berührt und hat ein schutzwürdiges Interesse an deren Aufhebung beziehungsweise Änderung. Sie ist daher zur Einreichung der Beschwerde legitimiert (Art. 105 und 108 Abs. 1 AsylG; Art. 48 Abs. 1 sowie Art. 52 Abs. 1 VwVG). Auf die Beschwerde ist einzutreten.

1.4  Dieses Urteil ergeht in Anwendung von Art. 21 und Art. 25 VGG i.V.m. Art. 32 Abs. 2 und 3 des Geschäftsreglements vom 17. April 2008 für das Bundesverwaltungsgericht (VGR, SR 173.320.1) in Besetzung mit fünf Richterinnen beziehungsweise Richtern.

2. 
Mit Beschwerde im Asylbereich kann die Verletzung von Bundesrecht (einschliesslich Missbrauch und Überschreiten des Ermessens) sowie die unrichtige und unvollständige Feststellung des rechtserheblichen Sachverhalts gerügt werden (Art. 106 Abs. 1 AsylG).

3.   

Nach Art. 51 Abs. 1 AsylG werden - unter dem Titel Familienasyl - namentlich die Ehegatten und die minderjährigen Kinder von Flüchtlingen ihrerseits als Flüchtlinge anerkannt und erhalten Asyl in der Schweiz, wenn keine besonderen Umstände dagegen sprechen.

3.1  Die Vorinstanz führte zur Begründung ihrer Verfügung in erster Linie aus, die Beschwerdeführerin mache eine Ehegemeinschaft geltend, welche sie im Januar 2006 in Eritrea geschlossen hätte. Ein Nachweis dieser Eheschliessung sei jedoch nicht beigebracht worden. Weder liege eine als echt zu qualifizierende Heiratsurkunde im Original vor noch könne den später nachgereichten Kopien von Hochzeitsfotos ausreichende Identifizierungs- und Beweiskraft zuerkannt werden.

Aufgrund der unsubstanziierten Vorbringen  und widersprüchlichen Aussagen der Beschwerdeführerin und B._______ zum Ort der Heirat beziehungweise zum Ort des Ehelebens könne die Eheschliessung in Eritrea auch nicht als glaubhaft gemacht gelten. Es könne weiter nicht angehen, alternativ von einer eheähnlichen Gemeinschaft beziehungsweise von einem Konkubinat auszugehen, wie sie dies in ihrer Stellungnahme vom 2. September 2014 vorgeschlagen habe.

Selbst bei tatsächlichem Vorliegen einer in Eritrea geschlossenen und nach der Flucht wieder aufgenommenen Ehegemeinschaft könnte kein Familienasyl nach Art. 51 Abs. 1 AsylG gewährt werden. Mit Blick auf das B._______ in Italien gewährte Asyl sei das Leben einer Ehegemeinschaft beziehungsweise ein Familiennachzug auch in Italien möglich und zumutbar, so dass sich eine Familienvereinigung in der Schweiz nicht als unabdingbar erweise. Damit würden im Sinne der Rechtsprechung besondere Umstände vorliegen, welche gegen die Gewährung von Familienasyl sprechen würden.

Aus dem angerufenen Art. 8 Abs. 1 EMRK ergebe sich weder ein Recht auf Aufenthalt in einem bestimmten Staat noch auf Wahl des für das Familienleben am geeignetsten erscheinenden Orts. Zudem schütze diese Bestimmung bestehende beziehungsweise gelebte Familienbeziehungen. Eine solche sei nicht hinreichend dargetan. Da die Voraussetzungen für die Gewährung von Familienasyl gemäss Art. 51 AsylG nicht gegeben seien, könne Art. 8 EMRK ohnehin nicht ergänzend angewendet werden.

3.2  In ihrer Rechtsmitteleingabe rekapitulierte die Beschwerdeführerin den Sachverhalt und wies ergänzend darauf hin, ihr Ehemann sei im Jahr 1999 zum Militärdienst gezwungen worden. Er habe das Militär im Oktober 2007 ohne Erlaubnis verlassen und sei illegal in den Sudan ausgereist. Der Kontakt zu ihm sei unmittelbar nach seiner Ausreise aus Eritrea abgerissen. Sie sei ihrerseits im Jahr 2008 inhaftiert und in den Militärdienst eingezogen worden, im Juni 2010 sei sie in den Sudan geflüchtet, wo sie sich während zwei Jahren aufgehalten habe. Es sei bis im Januar 2014 nicht gelungen, mit ihrem Ehemann Kontakt aufzunehmen.

Die Vorinstanz erachte den Eheabschluss in Eritrea einzig wegen unterschiedlicher Angaben betreffend die Orte der Eheschliessung und des anschliessenden Zusammenlebens als unglaubhaft, obwohl zahlreiche Elemente für die Glaubhaftigkeit sprechen würden. So hätten sie und ihr Ehemann übereinstimmende Angaben zu ihren gegenseitigen Personalien, zur Schilderung der unfreiwilligen Trennung und zu ihren Geschwistern gemacht. Auch habe die zuständige Sozialarbeiterin ihre Beziehung als eng und liebevoll wahrgenommen und hege keinen Zweifel daran, dass diese bereits im Heimatland bestanden habe.

Ihr Ehemann habe anlässlich der BzP lediglich auf die Fragen geantwortet und nicht von sich aus nähere Angaben zu ihr gemacht, was ihm nun nicht vorgehalten werden könne. Es wäre Sache der befragenden Person gewesen, mit gezielten Fragen abzuklären, ob er seine Eheschliessung glaubhaft darzulegen vermöge. Die angeblichen Widersprüche seien zudem erklärbar.

Ein weiteres Indiz für die Ehe sei der Kinderwunsch von ihr und ihrem Ehemann. Es bestehe aufgrund einer medizinischen Abklärung aber der Verdacht, dass sie an einem (...) leiden könnte und ihr Kinderwunsch aus diesem Grund unerfüllt geblieben sei. Für den Fortbestand der in Eritrea erfolgten Ehschliessung spreche auch der Umstand, dass sie und ihr Ehemann ein Ehevorbereitungsverfahren nach Schweizer Recht eingeleitet hätten.

Anders als von der Vorinstanz wiedergegeben, spreche der Bundesrat in der Botschaft zur Totalrevision des Asylgesetzes vom 4. Dezember 1995 bei Fällen, in denen Familienmitglieder in unterschiedlichen Ländern als Flüchtlinge anerkannt worden seien, nur von einer möglichen Verweigerung der Familienvereinigung in der Schweiz, wenn die Mehrheit der Familie bereits in einem Drittstaat Asyl erhalten habe und dort die Möglichkeit zur Familienzusammenführung bestehe. Für Fälle, wie den vorliegenden, in dem beide Ehepartner in je einem anderen Land über eine Flüchtlings-anerkennung verfügen würden und keine weiteren Familienmitglieder vorhanden seien, lasse sich nichts ableiten.

Soweit die Vorinstanz anführe, sie könnten auch in Italien als Familie zusammenleben, sei entgegenzuhalten, dass im Rahmen des bei den italienischen Behörden eingereichten Rücknahmegesuchs ausschliesslich ihr Ehemann erwähnt worden sei.

Es bestehe zudem zwischen ihr und ihrem Ehemann eine schützenswerte Familienbeziehung gemäss Art. 8 EMRK, woraus sich ein Aufenthaltsanspruch ihres Ehemannes ergebe.

3.3  Vorliegend ist aktenkundig, dass die Beschwerdeführerin in der Schweiz als Flüchtling anerkannt wurde und Asyl erhalten hat. Zu prüfen ist nachfolgend, ob eine Eheschliessung zwischen ihr und B._______ als glaubhaft gemacht zu erachten ist und keine besonderen Umstände gegen das Familienasyl im Sinne von Art. 51 Abs. 1 AsylG sprechen.

3.4  Die Beschwerdeführerin hat anlässlich ihrer BzP am 9. Juli 2012 (vgl. SEM Akten N (...), A3/12 S. 1 ff.) B._______ als ihren Ehepartner namentlich genannt. Sie erwähnte zudem sein Geburtsdatum und vermochte die Einheit anzugeben, in welcher er Militärdienst geleistet hatte. Sie erwähnte ihren Ehemann auch in der Anhörung vom 26. Juli 2013 (vgl. A9/15 S.1 ff.) im Zusammenhang mit ihren Asylvorbringen mehrmals. B._______ gab in seiner BzP am 24. Februar 2014 (vgl. B3/12 S. 1 ff.) ebenfalls das Geburtsdatum der Beschwerdeführerin an und konnte deren Geburtsort nennen, wobei hervorzuheben ist und für die Glaubhaftigkeit seiner Angaben spricht, dass dieser mit dem späteren Wohnort der Beschwerdeführerin nicht identisch ist. Er konnte zudem von den acht Geschwistern der Beschwerdeführerin sieben namentlich nennen und fügte bei, er glaube, sie habe auch noch Halbgeschwister väterlicherseits. Auch diese Angabe deckt sich mit den Aussagen der Beschwerdeführerin.

Das Gericht erachtet die Aussagen der Beschwerdeführerin und von B._______, wonach die (religiöse) Eheschliessung am 1. Januar 2006 beziehungsweise im Januar 2006 erfolgt sei, als übereinstimmend. Im Umstand, dass B._______ sich hierbei auf die Angabe von Monat und Jahr beschränkt hat - wie er dies übrigens auch bei der Zeitangabe zum Ende des Zusammenlebens infolge seiner Flucht (10. Oktober 2007 beziehungsweise Oktober 2007) gemacht hat - ist eine blosse Ungenauigkeit, jedoch keine Abweichung zu erkennen. Den Akten ist sodann zu entnehmen, dass die Beschwerdeführerin angab, sie hätten in D._______ geheiratet, wogegen B._______ vorbrachte, in E._______, innerhalb von F._______, geheiratet zu haben. Das Gericht erachtet diese Differenz nicht als ausschlaggebend, zumal die Erklärung in der Beschwerdeschrift, es hätten zwei verschiedene Hochzeitsfeiern, je im Hause ihrer Eltern, stattgefunden, nicht abwegig ist. Vielmehr fällt ins Gewicht, dass beide übereinstimmend angegeben haben, nach der Heirat jeweils während des Heimurlaubs vom Militärdienst zusammen in D._______ gelebt zu haben; entgegen dem Vorhalt der Vorinstanz hat dies auch B._______ zu Protokoll gegeben: "Nach der Heirat lebten wir in D._______" (vgl. B3/12 S. 3). Vor diesem Hintergrund kann aus dem Umstand, dass er wenige Fragen später ausgeführt hat, sein letzter Wohnort sei F._______ gewesen (a.a.O. S. 4), nichts zu seinen Ungunsten abgeleitet werden, zumal die Vorinstanz ihm keine Möglichkeit geboten hat, seine Angaben durch entsprechende Nachfrage zu erläutern. Von wesentlicher Bedeutung ist weiter der Umstand, dass das BFM der Beschwerdeführerin, deren Asylgründe sich - zwar nicht ausschliesslich, aber doch zu einem wesentlichen Teil - auf eine Reflexverfolgung wegen des Verschwindens ihres Ehemannes stützen, Asyl gewährte. Vor diesem Hintergrund ist nicht nachvollziehbar, dass die Vorinstanz vorliegend nicht von einer Eheschliessung ausgeht. Schliesslich ist darauf hinzuweisen, dass die Beschwerdeführerin und B._______ seit April 2014 zusammenleben, Vorbereitungen zur Eheschliessung nach Schweizer Recht getroffen haben (Anmerkung BVGer: gemäss im Verfahren E-6321/2014 eingereichtem Auszug aus dem Eheregister erfolgte die Heirat nach Schweizer Recht am (...) 2015) und mit den ins Recht gelegten ärztlichen Schreiben ihren Kinderwunsch glaubhaft dargelegt haben. Sie geben damit zu erkennen, dass sie trotz ihrer mehrjährigen Trennung eine dauernde Gemeinschaft leben und dies auch dauerhaft tun wollen, was die Nachhaltigkeit ihrer in Eritrea geschlossenen Verbindung bekräftigt.   

3.5  Das Gericht erachtet die religiöse Eheschliessung aufgrund des Gesagten als glaubhaft gemacht. Ein Nachweis der Verheiratung ist - wie die Vorinstanz zutreffend erkannt hat - nicht erforderlich. Es erübrigen sich damit Ausführungen zu der im abgeschlossenen Beschwerdeverfahren
E-6321/2014 eingereichten "Heiratsurkunde". Folglich kann auch offen bleiben, ob die "Heiratsurkunde" im vorliegenden Verfahren als Beweis überhaupt herangezogen werden könnte. Der Vollständigkeit halber ist allerdings festzuhalten, dass die vom SEM im Beschwerdeverfahren
E-6321/2014 vorgebrachten Zweifel an der Echtheit des Dokuments, welche insbesondere mit dem Hinweis auf andere dem SEM vorliegende Heiratsurkunden begründet werden, nicht genügend substanziiert erscheinen, um die vorstehenden Erwägungen und die gezogene Folgerung in Frage zu stellen.

4.   

4.1  Die Vorinstanz vertritt unter Hinweis auf die Materialien weiter die Auffassung, es lägen besondere Umstände im Sinne von Art. 51 Abs. 1 AsylG vor, weil B._______ bereits in Italien Schutz vor Verfolgung gewährt worden sei. Auch bei Vorliegen einer in Eritrea geschlossenen Ehegemeinschaft könne daher kein Familienasyl in der Schweiz gewährt werden.

 

4.2  Die Beschwerdeführerin hält dem entgegen, aus der Entstehungsgeschichte von Art. 51 Abs. 1 AsylG könnten keine unmittelbaren Schlüsse auf die vorliegende Konstellation gezogen werden. Die Vorinstanz habe nicht nachvollziehbar dargetan, welche besonderen Umstände dem Einbezug von B._______ in die Flüchtlingseigenschaft der Beschwerdeführerin entgegenstehen würden.

 

4.3  Zu klären ist im vorliegenden Verfahren also die Frage, ob besondere Umstände im Sinne von Art. 51 Abs. 1 AsylG anzunehmen sind, wenn die einzubeziehende Person in einem sicheren Drittstaat bereits als Flüchtling im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention (FK, SR 0.142.30) anerkannt worden ist und daher dort Schutz geniesst (offengelassen im Urteil des BVGer E-1520/2014 vom 28. Mai 2014 E. 10). Die Bejahung dieser Frage würde dazu führen, dass kein Anspruch auf Familienasyl bestünde (vgl. zum Gesetzestext oben E. 3).

 

4.3.1  Das Institut des Familienasyls (Art. 51 Abs. 1 AsylG) verfolgt zwei Ziele: Einerseits trägt es dem Recht auf Familienleben Rechnung (Art. 8 EMRK), indem eine Familienzusammenführung ermöglicht wird (vgl. zuletzt Urteil des BVGer D-3175/2016 vom 17. August 2017 E. 3.1 [Grundsatzurteil, zur Publikation vorgesehen]). Anderseits dient es aber gemäss den Materialien auch dem Schutz von Familienmitgliedern eines Flüchtlings, zumal - unabhängig von der Erfüllung der Flüchtlingseigenschaft in eigener Person - davon ausgegangen wird, dass sie unter der Verfolgung des als Flüchtling anerkannten Familienmitglieds im Heimatstaat mitgelitten haben oder selbst der Gefahr der Verfolgung ausgesetzt waren (vgl. dazu die Botschaft zur Totalrevision des Asylgesetzes sowie zur Änderung des Bundesgesetzes über Aufenthalt und Niederlassung der Ausländer vom 4. Dezember 1995, BBl 1996 II 1 ff., insbesondere S. 68).

In der Rechtsprechung kommt diese Doppelfunktion nicht immer zum Ausdruck (vgl. BVGE 2012/5 E. 4.5.5; BVGE 2015/29 E. 4.2.1; BVGE 2015/40 E. 3.4.4.3 und 3.6.2, je mit weiteren Hinweisen), in der Literatur ist sie jedoch soweit ersichtlich nicht bestritten (vgl. statt vieler Caroni/Grasdorf-Meyer/Ott/Scheiber, Migrationsrecht, 3. Aufl. 2014, S. 286 sowie Nguyen, Ziff. 5-11 zu Art. 51 AsylG, in: Amarelle/Nguyen [Hrsg.], Code annoté de droit des migrations, Vol. IV: Loi sur l`asile, Bern 2015). Insbesondere aufgrund des Schutzbedürfnisses vor Reflexverfolgung von Familienangehörigen von Flüchtlingen unterscheidet die schweizerische Asylgesetzgebung denn auch lediglich im Hinblick auf die Entstehung des Flüchtlingsstatus zwischen originärer und derivativer Flüchtlingseigenschaft, nicht jedoch in Bezug auf die Rechtsstellung (vgl. EMARK 2003 Nr. 11 E. 8c).

 

4.3.2  Der Schutzgedanke, der Art. 51 Abs. 1 AsylG zumindest auch zugrunde liegt (vgl. soeben E. 4.3.1), liefe ins Leere, wenn einer schutzsuchenden Person Familienasyl gewährt würde, obwohl sie bereits in einem sicheren Drittstaat als Flüchtling anerkannt ist und dort Schutz geniesst. Dies lässt sich gut anhand des vorliegenden Falls veranschaulichen: B._______ verfügt in Italien bereits seit einigen Jahren über internationalen Schutz. Er ist insofern nicht auf den Schutz angewiesen, welcher ihm durch Anerkennung der Flüchtlingseigenschaft - die er ja bereits besitzt -und Gewährung von Familienasyl gestützt auf Art. 51 Abs. 1 AsylG in der Schweiz zuteilwürde.

Die oben aufgeworfene Frage (vgl. E. 4.3) ist daher dahingehend zu beantworten, dass besondere, die Gewährung von Familienasyl ausschliessende Gründe vorliegen, wenn eine asylsuchende Person in einem sicheren Drittstaat wie Italien über internationalen Schutz verfügt (im Ergebnis gleich Urteile des BVGer D-4916/2014 vom 5. Dezember 2014 E. 6.4 und E-2011/2017 vom 29. September 2017 E. 6.2).             

Weiter ist darauf hinzuweisen, dass es B._______ als in Italien anerkanntem Flüchtling offensteht, nach einem zweijährigen ununterbrochenen und ordnungsgemässen Aufenthalt in der Schweiz Zweitasyl zu beantragen (Art. 50 AsylG).

 

Lediglich im Sinne einer Ergänzung ist darauf hinzuweisen, dass Art. 8 EMRK im Hinblick auf die Prüfung eines Anspruchs auf Familienasyl keine eigenständige Tragweite zukommt (vgl. BVGE 2015/29 E. 4.2.4 sowie das Urteil des BVGer D-7465/2016 vom 19. Dezember 2016 E. 4.4). Die Frage nach dem Anspruch von B._______, als Ehemann beziehungsweise Vater hier aufenthaltsberechtigter Personen einen Aufenthaltstitel in der Schweiz zu erhalten, ist von der zuständigen kantonalen Migrationsbehörde im Rahmen der Beurteilung des vom Beschwerdeführer gestützt auf Art. 44 AuG anhängig gemachten Gesuchs bereits geprüft und bejaht worden (vgl. EMARK 2002 Nr. 6 E. 5 S. 44 f.).
 

4.4  Nach dem Gesagten hat die Vorinstanz zumindest im Ergebnis das Gesuch um (asylrechtliche) Familienvereinigung zu Recht abgelehnt.

5. 
Aus diesen Erwägungen ergibt sich, dass die angefochtene Verfügung Bundesrecht nicht verletzt und den rechtserheblichen Sachverhalt richtig und vollständig feststellt (Art. 106 Abs. 1 AsylG).

Die Beschwerde ist abzuweisen.

6. 
Bei diesem Ausgang des Verfahrens wären die Kosten der Beschwerdeführerin aufzuerlegen (Art. 63 Abs. 1 VwVG). Nachdem die Instruktionsrichter ihr Gesuch um Gewährung der unentgeltlichen Prozessführung gemäss Art. 65 Abs. 1 VwVG mit Zwischenverfügung vom 17. Dezember 2014 gutgeheissen hat und den Akten keine Hinweise auf eine Veränderung ihrer finanziellen Verhältnisse zu entnehmen sind, ist von einer Kostenauflage abzusehen.

(Dispositiv nächste Seite)

Demnach erkennt das Bundesverwaltungsgericht:

1. 
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2. 
Es werden keine Verfahrenskosten erhoben.

3. 
Dieses Urteil geht an die Beschwerdeführerin, das SEM und die kantonale Migrationsbehörde.

 

Die vorsitzende Richterin:

Der Gerichtsschreiber:

 

 

Gabriela Freihofer

Arthur Brunner

 

 

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