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Abteilung V

E-6552/2016

 

 

 

 

 


Sachverhalt:

A.
Der Beschwerdeführer suchte am 28. August 2016 in der Schweiz um Asyl nach. Am 29. August 2016 wurde ihm mitgeteilt, dass er per Zufallsprinzip der Testphase des Verfahrenszentrums Zürich zugewiesen worden sei. Am 2. September 2016 wurde er zu seinen Personalien befragt (nachfolgend Erstbefragung). Am 7. September 2016 fand das beratende Vorgespräch und am 4. Oktober 2016 die Anhörung (nachfolgend Zweitbefragung) in Anwesenheit der zugewiesenen Rechtsvertretung statt. Hierbei machte er im Wesentlichen geltend, er habe im Dezember 2011 an einem Wettbewerb im Radio mitgemacht, wo er sich für einen neuen, ehrlichen Präsidenten Russlands ausgesprochen habe. Hierauf sei es seit Frühjahr 2012 zu seltsamen Anrufen gekommen, er sei auch nachts von Hinten auf den Kopf geschlagen worden. Im Jahr 2012 oder 2013 sei er von der Polizei festgenommen worden, wobei er mit Hilfe eines Bekannten beim Innenministerium wieder freigelassen worden sei. Im März 2016 sei er zum letzten Mal von einem Unbekannten angegriffen worden, woraufhin er im Mai 2016 legal mit seinem Reisepass und einem Touristenvisum ausgereist sei. Nach seiner Rückkehr sei er im Juni 2016 von Polizisten festgenommen worden, habe jedoch der Polizei entkommen können und sich daraufhin bei Bekannten versteckt, bevor er über Weissrussland erneut ausgereist sei.

B.
Am 11. Oktober 2016 gab die Vorinstanz dem Beschwerdeführer Gelegenheit, sich zum Entscheidentwurf zu äussern. Mit Schreiben vom 11. Oktober 2016 reichte dieser über seine Rechtsvertretung die Stellungnahme ein und führte aus, er akzeptiere den Entscheidentwurf nicht. Es möge sein, dass seine Geschichte für Schweizer Ohren unplausibel klinge, er habe jedoch die vollumfängliche Wahrheit gesagt.

C.
Mit Verfügung vom 13. Oktober 2016 stellte das SEM fest, der Beschwerdeführer erfülle die Flüchtlingseigenschaft nicht, lehnte das Asylgesuch ab, verfügte die Wegweisung aus der Schweiz und ordnete deren Vollzug an.

D.
Am 13. Oktober 2016 erklärte die Rechtsvertretung des Beschwerdeführers, sie habe das Mandat niedergelegt.

E.
Mit Eingabe vom 24. Oktober 2016 reichte der Beschwerdeführer unter Beilage einer Passkopie einer Schweizerin beim Bundesverwaltungsgericht Beschwerde ein und beantragte, es sei der Vollzug gestützt auf Art. 8
EMRK zu sistieren und die Sache dem Migrationsamt des Kantons Zürich zu überweisen. In prozessualer Hinsicht sei auf die Erhebung eines Kostenvorschusses zu verzichten und die unentgeltliche Prozessführung zu gewähren.

 

Das Bundesverwaltungsgericht zieht in Erwägung:

1.  

1.1 Gemäss Art. 31 VGG ist das Bundesverwaltungsgericht zur Beurteilung von Beschwerden gegen Verfügungen nach Art. 5 VwVG zuständig und entscheidet auf dem Gebiet des Asyls in der Regel - wie auch vorliegend - endgültig (vgl. Art. 83 Bst d Ziff. 1 BGG; Art. 105 AsylG [SR 142.31]).

1.2 Aufgrund der Zuweisung des Beschwerdeführers in die Testphase des Verfahrenszentrums Zürich kommt die Verordnung vom 4. September 2013 über die Durchführung von Testphasen zu den Beschleunigungsmassnahmen im Asylbereich (TestV, SR 142.318.1) zur Anwendung (Art. 1 und Art. 4 Abs. 1 TestV).

1.3 Der Beschwerdeführer ist als Verfügungsadressat zur Beschwerdeführung legitimiert (Art. 48 VwVG). Auf die frist- und formgerecht eingereichte Beschwerde ist insoweit einzutreten (Art. 112 Abs. 3 AsylG i.V.m. Art. 38 TestV und Art. 52 Abs. 1 VwVG).

2.  

2.1 Mit Beschwerde kann die Verletzung von Bundesrecht sowie die unrichtige oder unvollständige Feststellung des rechtserheblichen Sachverhalts gerügt werden (Art. 106 Abs. 1 AsylG).

2.2 Die Beschwerde erweist sich als offensichtlich unbegründet und ist im Verfahren einzelrichterlicher Zuständigkeit mit Zustimmung eines zweiten Richters (Art. 111 Bst. e AsylG), ohne Weiterungen und mit summarischer Begründung zu behandeln (Art. 111a Abs. 1 und 2 AsylG).

2.3 Die Beschwerde beantragt die Sistierung und Überweisung des Verfahrens. Aus nachstehenden Gründen ist eine Aussetzung nicht angezeigt (Art. 4 VwVG i.V.m. Art. 6 BZP) und eine Überweisung scheidet aus, weil das kantonale Migrationsamt für das Asylverfahren nicht zuständig ist. Die prozessualen Anträge sind abzuweisen.

3.  

3.1 Gemäss Art. 2 Abs. 1 AsylG gewährt die Schweiz Flüchtlingen grundsätzlich Asyl. Flüchtlinge sind Personen, die in ihrem Heimatstaat oder im Land, in dem sie zuletzt wohnten, wegen ihrer Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen ihrer politischen Anschauungen ernsthaften Nachteilen ausgesetzt sind oder begründete Furcht haben, solchen Nachteilen ausgesetzt zu werden. Als ernsthafte Nachteile gelten namentlich die Gefährdung des Leibes, des Lebens oder der Freiheit sowie Massnahmen, die einen unerträglichen psychischen Druck bewirken (Art. 3 AsylG).

3.2 Die Flüchtlingseigenschaft muss nachweisen oder zumindest glaubhaft machen, wer um Asyl nachsucht (Art. 7 AsylG). Glaubhaft gemacht ist die Flüchtlingseigenschaft, wenn die Behörde ihr Vorhandensein mit überwiegender Wahrscheinlichkeit für gegeben hält. Unglaubhaft sind insbesondere Vorbringen, die in wesentlichen Punkten zu wenig begründet oder in sich widersprüchlich sind, den Tatsachen nicht entsprechen oder massgeblich auf gefälschte oder verfälschte Beweismittel abgestützt werden (Art. 7 AsylG). Das Bundesverwaltungsgericht hat die Anforderungen an das Glaubhaftmachen der Vorbringen in einem publizierten Entscheid dargelegt und folgt dabei ständiger Praxis. Darauf kann hier verwiesen werden (BVGE 2010/57 E. 2.2 und 2.3).

4.
Die Vorinstanz kommt zutreffend zum Schluss, der Beschwerdeführer erfülle die Flüchtlingseigenschaft nicht. Indem dieser auf Beschwerdeebene hiergegen nichts einwendet, bestätigt er selbst die Richtigkeit dieser Schlussfolgerung. So hat die Vorinstanz den Massstab des Glaubhaftmachens auch nicht verkannt und auf den vorliegenden Fall korrekt angewendet. Ihre Schlussfolgerungen sind weder in tatsächlicher noch in rechtlicher Hinsicht zu beanstanden. In der angefochtenen Verfügung wird einlässlich begründet, weshalb die Vorbringen widersprüchlich und unglaubhaft ausgefallen sind. Um Wiederholungen zu vermeiden, ist auf diese zu verweisen. Hinzu kommt, dass es bereits an einem zeitlichen Kausalzusammenhang zwischen dem Ursprung der Probleme im Dezember 2011 und den Ausreisen im Jahr 2016 fehlt, womit den Vorbringen ohnehin der Boden entzogen ist. Das Asylgesuch wurde zu Recht abgelehnt. 

5.
Gemäss Art. 44 AsylG verfügt das Staatssekretariat in der Regel die Wegweisung aus der Schweiz, wenn es das Asylgesuch ablehnt oder darauf nicht eintritt; es berücksichtig dabei den Grundsatz der Einheit der Familie.

Das Bundesverwaltungsgericht hebt die vom SEM angeordnete Wegweisung auf, wenn eine vorfrageweise Prüfung ergibt, dass die betreffende Person einen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung gestützt auf Art. 8 EMRK hat, sie bei der zuständigen kantonalen Migrationsbehörde ein Gesuch um Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung gestellt hat und dieses Gesuch noch hängig ist (vgl. BVGE 2013/37 E. 4.4.2.2 mit Hinweis auf EMARK 2001 Nr. 21 E. 11a S. 177).

Der Beschwerdeführer macht geltend, er beabsichtige eine Schweizerin zu heiraten. Als Beleg legt er eine Passkopie einer Schweizerin der Beschwerde bei. Indes vermag das Ehevorbereitungsverfahren gemäss Praxis (Urteil des BVGer E-2398/2015 vom 29. April 2015 E. 5 und
D-4347/2014 vom 16. September 2014, mit Verweisen) keinen Anspruch auf Verbleib in der Schweiz zu begründen. Der Beschwerdeführer verfügt somit weder über eine ausländerrechtliche Aufenthaltsbewilligung noch über einen Anspruch auf Erteilung einer solchen. Die Wegweisung wurde zu Recht angeordnet.

6.  

6.1 Ist der Vollzug der Wegweisung nicht zulässig, nicht zumutbar oder nicht möglich, so regelt das Staatssekretariat das Anwesenheitsverhältnis nach den gesetzlichen Bestimmungen über die vorläufige Aufnahme von Ausländern (Art. 44 Abs. 2 AsylG; Art. 83 Abs. 1 AuG [SR 142.20]).

6.2  

6.2.1 Nach Art. 83 Abs. 3 AuG ist der Vollzug nicht zulässig, wenn völkerrechtliche Verpflichtungen der Schweiz einer Weiterreise der Ausländerin oder des Ausländers in den Heimat-, Herkunfts- oder einen Drittstaat entgegenstehen. Da der Beschwerdeführer die Flüchtlingseigenschaft nicht erfüllt, ist das flüchtlingsrechtliche Rückschiebungsverbot von Art. 33 Abs. 1 des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (FK, SR 0.142.30) und Art. 5 AsylG nicht anwendbar. Die Zulässigkeit des Vollzuges beurteilt sich vielmehr nach den allgemeinen verfassungs- und völkerrechtlichen Bestimmungen (Art. 25 Abs. 3 BV; Art. 3 des Übereinkommens vom 10. Dezember 1984 gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe [FoK, SR 0.105]; Art. 3 EMRK).

Weder aus den Akten noch aus der Beschwerde ergeben sich Anhaltspunkte dafür, dass der Beschwerdeführer für den Fall einer Ausschaffung nach Russland dort mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit einer nach Art. 3 EMRK oder Art. 1 FoK verbotenen Strafe oder Behandlung ausgesetzt wäre. Der Vollzug der Wegweisung ist zulässig.

6.2.2 Der Beschwerdeführer beruft sich in der Rechtsmitteleingabe auf Art. 8 EMRK und führt aus, er lebe seit 6. Juli 2016 in einer festen Beziehung mit einer Schweizerin.

Nach der Rechtsprechung schützt Art. 8 EMRK im Zusammenhang mit der Bewilligung des Aufenthalts in erster Linie die Kernfamilie, d.h. die Gemeinschaft der Ehegatten mit ihren minderjährigen Kindern (BGE 135 I 143 E. 1.3.2 mit Hinweisen). In den Schutzbereich von Art. 8 EMRK fallen aber auch nicht rechtlich begründete familiäre Verhältnisse, sofern eine genügend nahe, echte und tatsächlich gelebte Beziehung besteht (BGE 135 I 143 E. 3.1).

Der Beschwerdeführer ist seit 28. August 2016 im schweizerischen Asylverfahren und nach eigenen Angaben zwei Monate zuvor in die Schweiz eingereist. Anlässlich des rechtlichen Gehörs vom 7. September 2016 zu einer allfälligen Wegweisung aus der Schweiz, erwähnte er die Schweizerin mit keinem Wort und sagte nur, er wolle gerne in der Schweiz bleiben (SEM-Akten, A15, S. 2). In der Erstbefragung gab er an, keine Bezugspersonen in der Schweiz zu haben und nannte auch hier die Schweizerin nicht (SEM-Akten, A11, S. 3 und S. 5). Sodann erwähnte er die Schweizerin selbst am 4. Oktober 2016 (Zweitbefragung) nicht und verneinte auf explizite Nachfrage Verwandte oder Freunde ausserhalb Russlands zu haben (SEM-Akten, A25, S. 4). Hinzu kommt, dass er gemäss Akten erst im Oktober an die Adresse der Schweizerin gezogen ist (SEM-Akten, A31, S. 10, A32 und A33). Bei dieser Sachlage kann offensichtlich nicht von einer tatsächlich gelebten Beziehung im Sinne der Rechtsprechung ausgegangen werden. Sodann stellt der Vollzug der Wegweisung auch keinen unzulässigen Eingriff in das Recht auf Eheschliessung (Art. 12 EMRK) dar. Die Weiterführung des Ehevorbereitungsverfahrens setzt nicht zwingend die Anwesenheit des Beschwerdeführers in der Schweiz voraus (Art. 62 ff. der Zivilstandsverordnung vom 28. April 2004 [ZStV, SR 211.112.2]). Der Beschwerdeführer kann demnach das Ehevorbereitungsverfahren im Ausland abwarten und sich zwecks Eheschliessung an die zuständigen kantonalen Behörden wenden, die allenfalls eine entsprechende Bewilligung zur Einreise in die Schweiz und zum Aufenthalt zwecks Eheschliessung gewähren können. Der Vollzug der Wegweisung ist zulässig.

6.3 Nach Art. 83 Abs. 4 AuG kann der Vollzug für Ausländerinnen und Ausländer unzumutbar sein, wenn sie im Heimat- oder Herkunftsstaat auf Grund von Situationen wie Krieg, Bürgerkrieg, allgemeiner Gewalt und medizinischer Notlage konkret gefährdet sind.

In Russland herrscht keine Situation allgemeiner Gewalt. Auch sprechen keine individuellen Gründe gegen die Zumutbarkeit des Wegweisungsvollzugs. Die ältere Schädelfraktur sowie die Kopf- und Rückenschmerzen vermögen an der Zumutbarkeit des Wegweisungsvollzugs nichts zu ändern (z. B. SEM-Akten, A28, S. 2).

6.4 Nach Art. 83 Abs. 2 AuG ist der Vollzug auch als möglich zu bezeichnen, weil es dem Beschwerdeführer obliegt, sich die für eine Rückkehr notwendigen Reisedokumente bei der zuständigen Vertretung seines Heimatstaats zu beschaffen (Art. 8 Abs. 4 AsylG und dazu BVGE 2008/34 E. 12). Der Vollzug der Wegweisung ist möglich.

6.5 Zusammenfassend hat die Vorinstanz den Wegweisungsvollzug zu Recht als zulässig, zumutbar und möglich bezeichnet. Eine Anordnung der vorläufigen Aufnahme fällt somit ausser Betracht (Art. 83 Abs. 1-4 AuG).

7.
Aus diesen Erwägungen ergibt sich, dass die angefochtene Verfügung Bundesrecht nicht verletzt und auch sonst nicht zu beanstanden ist (Art. 106 AsylG und Art. 49 VwVG). Die Beschwerde ist abzuweisen.

8.  

8.1 Der Beschwerdeführer beantragt die Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege gemäss Art. 65 Abs. 1 VwVG. Aufgrund der vorstehenden Erwägungen ergibt sich, dass seine Begehren als aussichtslos zu gelten haben. Damit ist eine der kumulativ zu erfüllenden Voraussetzungen nicht gegeben, weshalb dem Gesuch nicht stattzugeben ist.

8.2 Bei diesem Ausgang des Verfahrens sind die Kosten von Fr. 600.- (Art. 1-3 des Reglements vom 21. Februar 2008 über die Kosten und Entschädigungen vor dem Bundesverwaltungsgericht [VGKE], SR 173.320.2) dem Beschwerdeführer aufzuerlegen (Art. 63 Abs. 1 VwVG). Mit dem vorliegenden Urteil ist der Antrag auf Verzicht der Erhebung eines Kostenvorschusses gegenstandslos geworden.

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