Bundesverwaltungsgericht
Tribunal administratif fédéral
Tribunale amministrativo
federale
Tribunal administrativ federal
Abteilung V
E-3263/2010{T 0/2}
Urteil
vom 30. Juli 2010
Besetzung
Richterin Regula Schenker Senn (Vorsitz), Richter Walter
Stöckli, Richter Jean-Pierre Monnet,
Gerichtsschreiberin Anna Poschung.
Parteien
A._______,
Kolumbien,
Beschwerdeführer,
gegen
Bundesamt
für Migration (BFM),
Quellenweg 6, 3003 Bern,
Vorinstanz.
Gegenstand
Asyl
und Einreisebewilligung;
Verfügung des BFM vom 10. März 2010 / N (...).
Sachverhalt:
A.
Der
Beschwerdeführer, gemäss Akten geboren in B._______ (Valle, Kolumbien) mit aktuellem Wohnsitz
in C._______ (Bogotá), ersuchte mit an die schweizerische Vertretung in Bogotá gerichtetem
spanischsprachigem Schreiben vom 12. März 2007 um Asylgewährung für sich und seine Familie
und sinngemäss um Bewilligung der Einreise in die Schweiz.
Zur Begründung machte
er im Wesentlichen Folgendes geltend: Sein Leben und das seiner Familie sei in Kolumbien in grosser Gefahr.
Im Oktober 2002 sei er von den Fuerzas Armadas Revolucionarias de Colombia (FARC) aus seinem Haus in
D._______ (Meta) vertrieben und seines Eigentums beraubt worden. Er sei von den FARC beschuldigt worden,
Informant der Armee zu sein, worauf er sich nach E._______ begeben habe. Zur zweiten Vertreibung sei
es kurz nach der dortigen Ankunft gekommen. Er sei von Milizsoldaten mit dem Tod bedroht und gezwungen
worden, die Stadt zu verlassen. Er habe sich daraufhin in F._______ niedergelassen, wo er nach fünfjährigem
Aufenthalt nun wiederum von bewaffneten Gruppen verfolgt werde; namentlich sei er am 6. März 2007
auf dem Weg zur Arbeit in der Nähe von seinem Wohnsitz von bewaffneten Milizen der FARC angehalten
worden, welche ihm mitgeteilt hätten, dass sie ihn identifiziert hätten und dass er zu seinem
Wohl das Quartier verlassen und andernfalls mit den Konsequenzen rechnen müsse, weshalb er und seine
Familie sehr verängstigt seien. Er habe bei verschiedenen staatlichen Institutionen Strafanzeige
eingereicht sowie Schutz beantragt, aber bisher keine Unterstützung erhalten. Sein Leben sei in
Gefahr und deshalb bitte er um Asyl für sich und seine Familie.
B.
Mit Schreiben
vom 3. April 2007 überwies die schweizerische Vertretung in Bogotá das vom Beschwerdeführer
eingereichte Asylgesuch zuständigkeitshalber an das BFM. Das Begleitschreiben der Vertretung hielt
stichwortartig fest, die Beilage enthalte das Gesuch um politisches Asyl des Beschwerdeführers und
sechs Familienmitgliedern. Die Beschwerdeführer hätten angegeben, von der FARC verfolgt zu
werden. Zu diesem Gesuch sei kein Fragebogen versandt worden. Der Sendung lagen das erwähnte schriftliche
Asylgesuch bei sowie in Kopie eine bei der Staatsanwaltschaft (Fiscalía General de la Nación)
eingereichte Strafanzeige vom (...), mehrere Bestätigungsschreiben die interne Vertreibung betreffend,
ein Schreiben, welches die Zugehörigkeit des Beschwerdeführers zur Asociación de Afrocolombianos
Desplazados AFRODES bestätigt sowie Kopien seiner Identitätskarte, derjenigen seiner Frau und
der Kinder.
C.
Mit Zwischenverfügung vom 16. Dezember 2009 teilte das BFM dem Beschwerdeführer
mit, es erachte den entscheidrelevanten Sachverhalt aufgrund der schriftlichen Begründung des Asylgesuchs
und der beigelegten ausführlichen Dokumentation als erstellt, weshalb sich eine Anhörung auf
der Botschaft als nicht notwendig erweise. Im Weiteren erwäge es unter Berücksichtigung der
konkreten Umstände - namentlich Fragen bezüglich Beziehungsnähe zur Schweiz und hiesige
Assimilationsmöglichkeiten, aktuelle Gefährdung im Heimatstaat, Möglichkeit der Schutzsuche
in einem anderen Staat, öffentliches Interesse der Schweiz - und aufgrund der vorliegenden Akten,
das Asylgesuch abzulehnen und die Einreise zu verweigern. Insbesondere erachte es die Möglichkeit
anderweitiger Schutzsuche als gegeben. Das BFM räumte dem Beschwerdeführer Gelegenheit ein,
sich dazu innert dreissig Tagen zu äussern und allfällige neue Gründe, die seit der Einreichung
des Einreise- und Asylgesuchs eingetreten seien, darzulegen, verbunden mit dem Hinweis, dass bei ungenutzter
Frist aufgrund der bestehenden Aktenlage entschieden werde.
D.
Mit Schreiben vom 19.
Februar 2010 teilte die schweizerische Vertretung in Bogotá dem BFM mit, dass der Beschwerdeführer
von der Gelegenheit zur Stellungnahme zur Zwischenverfügung vom 16 . Dezember 2009 innert Frist
keinen Gebrauch gemacht habe.
E.
Mit Verfügung vom 10. März 2010 - eröffnet
am 4. April 2010 - verweigerte das BFM dem Beschwerdeführer die Einreise in die Schweiz und lehnte
dessen Asylgesuch ab.
Zur Begründung führte das BFM im Wesentlichen aus, die Voraussetzungen
für ein Absehen von einer Anhörung des Beschwerdeführers seien gegeben und er habe mit
Schreiben vom 16. Dezember 2009 die - zwar ungenutzte - Möglichkeit erhalten, sich dazu zu äussern.
Die Gefährdungssituation könne aufgrund seiner Eingabe und der Aktenlage abschliessend beurteilt
werden. Übergriffe durch Dritte oder Befürchtungen, künftig solchen ausgesetzt zu sein,
seien nur einreiserelevant, wenn der Staat seiner Schutzpflicht nicht nachkomme oder nicht in der Lage
sei, Schutz zu gewähren. Weiter seien gemäss dem Subsidiaritätsprinzip Personen mit einer
innerstaatlichen Fluchtalternative nicht auf den Schutz eines Drittstaates angewiesen. Bezüglich
der im Asylgesuch geltend gemachten Bedrohung durch die FARC sei festzuhalten, dass der kolumbianische
Staat grundsätzlich über eine funktionierende und effiziente Schutzstruktur verfüge und
die Schutzwilligkeit als gegeben erachtet werden könne. Im Weiteren gelinge es keinem Staat, die
absolute Sicherheit aller seiner Bürger jederzeit und überall zu garantieren. Da es sich beim
Beschwerdeführer und seiner Familie nicht um landesweit bekannte Persönlichkeiten handle, sei
nicht davon auszugehen, dass ihre Verfolger sie an jedem beliebigen Ort in Kolumbien ausfindig machen
könnten. Er mache zwar geltend, von den FARC Drohungen in mehreren Orten erhalten zu haben, aus
seinen Ausführungen sei jedoch nicht ersichtlich, welches Interesse die FARC hätten, ihn an
drei verschiedenen Orten aufzusuchen und zu bedrohen. Auch bleibe unklar, ob er von den FARC drei Mal
aus dem gleichen Grund vertrieben worden sei oder ob es sich um drei unabhängige Vorfälle gehandelt
habe. Es sei für ihn zumutbar, sich in eine andere Region innerhalb Kolumbiens zu begeben, wo er
nicht so leicht ausfindig gemacht werden könne. Demzufolge sei er keiner unmittelbaren Gefahr im
Sinne des Asylgesetzes ausgesetzt und bedürfe dementsprechend nicht des Schutzes der Schweiz. Im
Übrigen sei das Asylgesuch auch gestützt auf Art. 52 Abs. 2
des Asylgesetzes vom 26. Juni 1998
(AsylG,
SR 142.31) abzulehnen. Diese Gesetzesbestimmung eröffne der Behörde einen grossen
Spielraum bei der Prüfung eines im Ausland eingereichten Asylgesuchs. Das Vorhandensein enger Bindungen
zur Schweiz stelle eines der Kriterien dar, aufgrund derer einer im Ausland weilenden Person die Einreise
in die Schweiz bewilligt werden könne. Die Asylbehörden müssten indessen in der Lage sein,
konkret aufzuzeigen, in welchen Drittstaat die asylsuchende Person ausreisen könne und ob sie dort
auch tatsächlich Schutz erhalte. Der Beschwerdeführer mache keine nahen Beziehungen zur Schweiz
geltend und es sei ihm zuzumuten, in einem Nachbarstaat Kolumbiens um Asyl nachzusuchen, hätten
doch die meisten Nachbarstaaten Kolumbiens die Flüchtlingskonvention ratifiziert. Für die praktische
Möglichkeit und die Zumutbarkeit der anderweitigen Schutzsuche spreche sodann die Möglichkeit
der visumfreien Einreise in sämtliche umliegenden Länder Kolumbiens sowie der Umstand, dass
jährlich mehrere Tausend kolumbianische Staatsangehörige in den Nachbarländern um Asyl
ersucht und zu einem beträchtlichen Teil auch erhalten hätten. Diese Staaten würden auch
aus geografischen, sprachlichen und kulturellen Gründen als offensichtlich näher liegend erscheinen.
An diesen Erwägungen vermöchten auch die eingereichten Dokumente nichts zu ändern. Da
der Beschwerdeführer damit nicht schutzbedürftig im Sinne des Asylgesetzes sei (Art. 3
und
7
AsylG), und auch die Anforderungen an eine Aufnahme in der Schweiz nicht erfüllt seien (Art. 52
Abs. 2
AsylG), sei die Einreise zu verweigern und das Asylgesuch abzulehnen.
F.
Mit am
19. April 2010 bei der schweizerischen Vertretung in Bogotá und am 7. Mai 2010 beim Bundesverwaltungsgericht
eingetroffener spanischsprachiger Beschwerdeschrift vom 17. April 2010 ersuchte der Beschwerdeführer
sinngemäss um Aufhebung der vorinstanzlichen Verfügung und um Bewilligung der Einreise in die
Schweiz sowie um Gewährung des Asyls.
Zur Begründung brachte er im Wesentlichen
vor, er sei in Kolumbien nicht sicher und die Regierung könne weder ihm noch seiner Familie Sicherheit
garantieren. Er beantragte, dass sich das Gericht in Verbindung setze mit einem gewissen Beamten des
Departamento Administrativo de Seguridad, welcher die durch die Staatsanwaltschaft angeordnete Untersuchung
zu seiner Sicherheitslage durchführe.
G.
Mit Zwischenverfügung vom 15. Juni
2010 lud das Bundesverwaltungsgericht das BFM zur Vernehmlassung ein und erwog im Wesentlichen (Zitat:),
"dass
gemäss Art. 19 Abs. 1
AsylG [...] ein Asylgesuch im Ausland bei einer schweizerischen Vertretung
gestellt werden kann, welche es mit einem Bericht an das Bundesamt überweist (Art. 20 Abs. 1
AsylG),
wobei die schweizerische Vertretung mit der asylsuchenden Person in der Regel eine Befragung durchführt
(Art. 10 Abs. 1
der Asylverordnung 1 vom 11. August 1999 über Verfahrensfragen [AsylV 1,
SR 142.311]),
dass,
wenn eine Befragung nicht möglich ist, die asylsuchende Person von der Vertretung aufgefordert wird,
ihre Asylgründe schriftlich festzuhalten (Art. 10 Abs. 2
AsylV 1),
dass gemäss Praxis
im Auslandverfahren von einer Befragung der asylsuchenden Person nur abgewichen werden kann, wenn eine
Befragung faktisch oder aus organisatorischen oder kapazitätsmässigen Gründen unmöglich
ist (vgl.
BVGE 2007/30 E. 5 S. 362 ff.),
dass, wenn die Befragung nicht durchgeführt
werden kann, die gesuchstellende Person - soweit möglich und notwendig - mittels eines individualisierten
und konkretisierten Schreibens aufgefordert werden muss, ihre Gründe für das Asylgesuch schriftlich
einzureichen und sie dabei auf die allfällige Konsequenz eines negativen Entscheids infolge Verletzung
ihrer Mitwirkungspflicht aufmerksam zu machen ist,
dass sich eine persönliche Befragung
ebenfalls erübrigen kann, wenn der Sachverhalt schon aufgrund des eingereichten Asylgesuchs entscheidreif
erstellt ist,
dass der asylsuchenden Person das rechtliche Gehör zu gewähren ist,
wenn sich ein negativer Entscheid abzeichnet,
dass das Bundesamt gehalten ist, den Verzicht
auf eine Befragung im Ausland in der Verfügung zu begründen (vgl.
BVGE 2007/30 E. 5.6 und
5.7 S. 366 ff.),
dass die Vorinstanz mit Zwischenverfügung vom 16. Dezember 2009 den
entscheidrelevanten Sachverhalt als erstellt und eine Befragung auf der Botschaft daher als nicht notwendig
erachtete sowie erwog, das Asylgesuch abzulehnen und die Einreisebewilligung zu verweigern,
dass
der Beschwerdeführer die ihm gewährte 30-tägige Frist zur Stellungnahme gemäss Akten
ungenutzt verstreichen liess,
dass die Vorinstanz in der angefochtenen Verfügung vom
10. März 2010 feststellte, die Gefährdungslage des Beschwerdeführers könne gestützt
auf seine Eingabe sowie die derzeitige Aktenlage abschliessend beurteilt werden,
dass die
Vorinstanz hingegen in der oben genannten Verfügung gleichzeitig indirekt Unklarheiten des Sachverhalts
einräumte,
dass in der angefochtenen Verfügung insbesondere aufgeführt wird,
aus den Ausführungen des Beschwerdeführers werde nicht ersichtlich, welches Interesse die Fuerzas
Armadas Revolucionarias de Colombia (FARC) hätten, ihn an drei verschiedenen Orten immer wieder
aufzusuchen und zu bedrohen und unklar bleibe, ob er von den FARC drei Mal aus dem gleichen Grund vertrieben
wurde oder ob es sich um drei unabhängige Vorfälle gehandelt habe (Erwägung II S. 3),
dass
demnach das schriftliche Asylgesuch des Beschwerdeführers nicht alle entscheidrelevanten Informationen
enthält und sich eine Befragung durch die schweizerische Vertretung gemäss Art. 10 Abs. 1
AsylV 1 aufgedrängt hätte oder die offenen Punkte zumindest mittels schriftlich formulierten,
konkreten Fragen zu klären gewesen wären,
dass den Akten keine Hinweise auf Umstände
zu entnehmen sind, die eine Befragung als nicht möglich hätten erscheinen lassen,
dass
die Vorinstanz auf eine Begründung für den Verzicht auf die Befragung im Ausland gänzlich
verzichtet und somit den Anspruch des Beschwerdeführenden auf rechtliches Gehör verletzt hat,
dass
im Weiteren eine Auseinandersetzung mit den vom Beschwerdeführer eingebrachten Beweismitteln fehlt".
H.
In
seiner Vernehmlassung vom 18. Juni 2010 beantragte das BFM die Abweisung der Beschwerde, da die Beschwerdeschrift
keine neuen erheblichen Tatsachen oder Beweismittel enthalte. Weiter wurde festgehalten, in der Verfügung
vom 10. März 2010 seien keinerlei Unklarheiten bezüglich des Sachverhalts eingeräumt worden.
Die Unklarheiten würden sich nicht auf den Sachverhalt an und für sich beziehen, sondern aufzeigen,
dass der Beschwerdeführer eine asylrelevante Verfolgung nicht überzeugend habe darlegen können.
Im Weiteren habe er es unterlassen, im Rahmen des rechtlichen Gehörs weitere Angaben zur geltend
gemachten Verfolgung zu machen. Die Vernehmlassung wurde dem Beschwerdeführer bisher noch nicht
zur Kenntnis gebracht, wird jedoch diesem Urteil beigelegt.
Das Bundesverwaltungsgericht zieht
in Erwägung:
1.
1.1 Gemäss Art. 31
des Verwaltungsgerichtsgesetzes vom 17.
Juni 2005 (VGG,
SR 173.32) beurteilt das Bundesverwaltungsgericht Beschwerden gegen Verfügungen
nach Art. 5
des Verwaltungsverfahrensgesetzes vom 20. Dezember 1968 (VwVG,
SR 172.021). Das BFM gehört
zu den Behörden nach Art. 33
VGG und ist daher eine Vorinstanz des Bundesverwaltungsgerichts. Eine
das Sachgebiet betreffende Ausnahme im Sinne von Art. 32
VGG liegt nicht vor. Das Bundesverwaltungsgericht
ist daher zuständig für die Beurteilung der vorliegenden Beschwerde; es entscheidet auf dem
Gebiet des Asyls endgültig (Art. 105
AsylG; Art. 83 Bst. d Ziff. 1
des Bundesgerichtsgesetzes vom
17. Juni 2005 [BGG,
SR 173.110]).
1.2 Das Verfahren richtet sich nach dem VwVG, dem VGG und
dem BGG, soweit das AsylG nichts anderes bestimmt (Art. 6
AsylG).
1.3 Die Beschwerde ist
frist- und formgerecht eingereicht; der Beschwerdeführer hat am Verfahren vor der Vorinstanz teilgenommen,
ist durch die angefochtene Verfügung besonders berührt, hat ein schutzwürdiges Interesse
an deren Aufhebung beziehungsweise Änderung und ist daher zur Einreichung der Beschwerde legitimiert
(Art. 108
und Art. 105
AsylG i.V.m. Art. 37
VGG und Art. 48 Abs. 1
und Art. 52
VwVG). Auf die Beschwerde
ist einzutreten.
1.4 Die Beschwerde ist nicht in einer Amtssprache des Bundes verfasst (vgl.
dazu Art. 70 Abs. 1
der Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 [BV,
SR 101]). Die in Spanisch verfasste Beschwerde ist dem Bundesverwaltungsgericht aber verständlich,
so dass auf eine Übersetzung verzichtet und ohne Weiteres darüber befunden werden kann (Art.
33a Abs. 4
VwVG i.V.m. Art. 6
AsylG). Der vorliegende Entscheid ergeht indessen in deutscher Sprache
(Art. 33a Abs. 2
VwVG i.V.m. Art. 6
AsylG).
2.
Mit Beschwerde kann die Verletzung von
Bundesrecht, die unrichtige oder unvollständige Feststellung des rechtserheblichen Sachverhalts
und die Unangemessenheit gerügt werden (Art. 106
AsylG).
3.
Gemäss Art. 19
Abs. 1
AsylG kann ein Asylgesuch im Ausland bei einer schweizerischen Vertretung gestellt werden, welche
es mit einem Bericht an das Bundesamt überweist (Art. 20 Abs. 1
AsylG). Die schweizerische Vertretung
führt mit der asylsuchenden Person in der Regel eine Befragung durch (Art. 10 Abs. 1
AsylV 1). Ist
dies nicht möglich, so wird die asylsuchende Person von der Vertretung aufgefordert, ihre Asylgründe
schriftlich festzuhalten (Art. 10 Abs. 2
AsylV 1). Die schweizerische Vertretung überweist dem Bundesamt
das Befragungsprotokoll oder das schriftliche Asylgesuch sowie weitere zweckdienliche Unterlagen und
einen ergänzenden Bericht, der ihre Beurteilung des Asylgesuchs enthält (Art. 10 Abs. 3
AsylV
1).
Das Bundesamt kann ein im Ausland gestelltes Asylgesuch ablehnen, wenn die asylsuchenden
Personen keine Verfolgung glaubhaft machen können oder ihnen die Aufnahme in einem Drittstaat zugemutet
werden kann (vgl. Art. 3
, Art. 7
und Art. 52 Abs. 2
AsylG). Gemäss Art. 20 Abs. 2
AsylG bewilligt
das Bundesamt Asylsuchenden die Einreise zur Abklärung des Sachverhaltes, wenn ihnen nicht zugemutet
werden kann, im Wohnsitz- oder Aufenthaltsstaat zu bleiben oder in ein anderes Land auszureisen. Gestützt
auf Art. 20 Abs. 3
AsylG kann das Eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement (EJPD) schweizerische
Vertretungen ermächtigen, Asylsuchenden die Einreise zu bewilligen, die glaubhaft machen, dass eine
unmittelbare Gefahr für Leib und Leben oder für die Freiheit aus einem Grund nach Art. 3 Abs.
1
AsylG bestehe.
4.
4.1 Gemäss Praxis ist im Auslandverfahren die asylsuchende
Person in der Regel zu befragen. Davon kann nur abgewichen werden, wenn eine Befragung faktisch oder
aus organisatorischen oder kapazitätsmässigen Gründen unmöglich ist. Falls die Befragung
nicht durchgeführt werden kann, muss die gesuchsstellende Person - soweit möglich und notwendig
- mittels eines individualisierten und konkretisierten Schreibens aufgefordert werden, ihre Gründe
für das Asylgesuch schriftlich darzulegen. Dabei ist sie auf die allfälligen negativen Konsequenzen
im Unterlassungsfall aufmerksam zu machen. Ist der Sachverhalt schon aufgrund des eingereichten Asylgesuchs
entscheidreif erstellt, kann sich eine persönliche Befragung ebenfalls erübrigen; zeichnet
sich ein negativer Entscheid ab, ist der asylsuchenden Person diesbezüglich das rechtliche Gehör
zu gewähren. Das Bundesamt ist gehalten, den Verzicht auf eine Befragung in der Verfügung zu
begründen (vgl.
BVGE 2007/30 E. 5).
4.2 Im vorliegenden Fall wurde der Beschwerdeführer
weder von der Botschaft zu seinem Asylgesuch persönlich befragt noch wurde er zu einer weiteren
Konkretisierung seiner Asylgründe in einer auf das eingereichte Asylgesuch angemessenen Art und
Weise aufgefordert.
4.3 Gemäss Praxis kann in denjenigen wenigen Fällen auf eine
Befragung verzichtet werden, in denen bei Einreichung eines schriftlichen Asylgesuchs auf den ersten
Blick klar wird, dass die asylsuchende Person die Bedingungen für eine Einreise in die Schweiz erfüllt.
Auf eine schriftliche Nachbefragung oder die Gewährung des rechtlichen Gehörs kann in diesen
Fällen verzichtet werden. Der Sachverhalt kann ebenfalls als erstellt betrachtet werden, sofern
im schriftlichen Asylgesuch alle entscheidrelevanten Informationen (insbesondere in Bezug auf allfällige
Verfolger, innerstaatliche Schutzsuche, Aktualität und Intensität der Vorfälle, Bezug
zu Schweiz) enthalten oder diese aus anderen Quellen erschliessbar sind (beispielsweise schon durchlaufenes
Asylverfahren in der Schweiz) und daraus eindeutig geschlossen werden kann, dass das Asylgesuch als aussichtslos
betrachtet werden muss. Der asylsuchenden Person ist aber im Sinne des rechtlichen Gehörs die Gelegenheit
zu geben, sich zum abzusehenden negativen Entscheid zumindest schriftlich zu äussern. Der Verzicht
auf die Befragung muss vom BFM auch in diesen Fällen in der anfechtbaren Verfügung begründet
werden (vgl. BVGE a.a.O. E. 5.7).
4.4 Die angefochtene Verfügung hielt einleitend fest,
die Gefährdungssituation des Beschwerdeführers könne aufgrund der Aktenlage abschliessend
beurteilt werden. Dieser Ansicht kann - wie bereits in der Zwischenverfügung vom 15. Juni 2010 erwogen
- nicht gefolgt werden. Aus dem schriftlichen Asylgesuch des Beschwerdeführers geht zwar hervor,
dass er eine Verfolgung und Vertreibungen durch die FARC geltend macht, hingegen kann nach Einschätzung
des Bundesverwaltungsgerichts nicht davon ausgegangen werden, dass das Asylgesuch alle entscheidrelevanten
Informationen enthält, zumal die Vorinstanz in ihrer Verfügung indirekt Unklarheiten im Sachverhalt
eingeräumt hat, wobei zur Vermeidung von Wiederholungen auf die einlässlichen Erwägungen
in der oben zitierten Zwischenverfügung vom 15. Juni 2010 zu verweisen ist. Im Weiteren enthält
das Asylgesuch keine Angaben zu einem eventuellen Bezug zur Schweiz, was von der Vorinstanz in der angefochtenen
Verfügung zu Lasten des Beschwerdeführers dahingehend ausgelegt wird, dass er keine besonders
nahen Beziehungen zur Schweiz geltend mache. Hierzu ist festzuhalten, dass vom rechtsunkundigen Beschwerdeführer
nicht erwartet werden kann, allfällige Bezüge zur Schweiz aus eigener Initiative darzulegen.
Vielmehr wäre es der Vorinstanz aufgrund des Untersuchungsgrundsatzes gemäss Art. 12
VwVG oblegen,
derartige Sachverhaltselemente während einer Befragung oder allenfalls anhand schriftlicher, konkretisierter
Fragen zu klären. Weiter sind aus den Akten keine Umstände ersichtlich, die eine Befragung
faktisch oder aus organisatorischen oder kapazitätsmässigen Gründen verunmöglicht
hätten, so dass - auch angesichts der langen Verfahrensdauer - davon auszugehen ist, dass eine Befragung
grundsätzlich möglich gewesen wäre.
Im Übrigen wären die eingereichten
Beweismittel zumindest summarisch zu würdigen gewesen. Die angefochtene Verfügung führt
dazu aber nur aus, die eingereichten Dokumente vermöchten an den Erwägungen nichts zu ändern,
wobei nicht erwähnt wird, um was für Dokumente es sich handelt. Die eingereichten Beweismittel
enthalten aber beispielsweise ein Schreiben, welches die Zugehörigkeit des Beschwerdeführers
zur Asociación de Afrocolombianos Desplazados AFRODES bescheinigt und nicht von vornherein ungeeignet
ist, den Ausgang eines Asylverfahrens zu beeinflussen, zumal Angehörige der afrokolumbianischen
Minderheit in Kolumbien einem besonderen Risiko ausgesetzt sind, Opfer einer flüchtlingsrechtlich
relevanten Verfolgung zu werden.
4.5 Zusammenfassend folgt, dass wesentliche Sachverhaltsteile
des vorliegenden Falles nicht rechtsgenüglich festgestellt worden sind. Mithin ist eine Verletzung
des Untersuchungsgrundsatzes gemäss Art. 12
VwVG festzustellen; es fehlt der angefochtenen Verfügung
an der erforderlichen Entscheidungsreife. Eine Heilung dieses verfahrensrechtlichen Mangels fällt
ausser Betracht, da es nicht Sinn und Zweck des Beschwerdeverfahrens vor dem Bundesverwaltungsgericht
ist, den Sachverhalt rechtsgenüglich festzustellen.
5.
Die Vorinstanz hat den Untersuchungsgrundsatz
nach Art. 12
VwVG und somit Bundesrecht verletzt und den rechtserheblichen Sachverhalt unvollständig
festgestellt (Art. 106 Abs. 1
und 2
AsylG). Nach dem Gesagten ist die Beschwerde gutzuheissen, die vorinstanzliche
Verfügung aufzuheben und die Vorinstanz anzuweisen, den rechtserheblichen Sachverhalt ergänzend
vollständig und praxiskonform festzustellen, dem Beschwerdeführer gegebenenfalls das rechtliche
Gehör zu gewähren und in der Sache neu zu entscheiden.
6.
6.1 Bei diesem Ausgang
des Verfahrens sind keine Kosten aufzuerlegen (Art. 63 Abs. 1
und 2
VwVG).
6.2 Da der Beschwerdeführer
im Verfahren nicht anwaltlich vertreten ist, ist nicht davon auszugehen, ihm seien durch die Beschwerdeführung
grössere Kosten erwachsen. Daher ist keine Parteientschädigung zuzusprechen (vgl. Art. 64 Abs.
1
VwVG sowie Art. 7 ff
. des Reglements vom 21. Februar 2008 über die Kosten und Entschädigungen
vor dem Bundesverwaltungsgericht [VGKE,
SR 173.320.2]).
(Dispositiv nächste Seite)
Demnach
erkennt das Bundesverwaltungsgericht:
1.
Die Beschwerde wird im Sinne der Erwägungen
gutgeheissen.
2.
Die Verfügung des BFM vom 10. März 2010 wird aufgehoben und
die Akten werden der Vorinstanz im Sinne der Erwägungen zur Neubeurteilung überwiesen.
3.
Es
werden keine Verfahrenskosten auferlegt.
4.
Es wird keine Parteientschädigung entrichtet.
5.
Dieses
Urteil geht an den Beschwerdeführer, das BFM und die (...).
Die vorsitzende Richterin:
Die Gerichtsschreiberin:
Regula Schenker Senn Anna Poschung
Versand: