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Abteilung V

E-3160/2022

 

 

 

 

 

Urteil vom 23. August 2022

Besetzung

 

Einzelrichter David R. Wenger,

mit Zustimmung von Richterin Chiara Piras;

Gerichtsschreiber Matthias Neumann.

 

 

 

Parteien

 

A._______, geboren am (...),

Pakistan,

DZ Fridau, (...),

Beschwerdeführer,

 

 

 

gegen

 

 

Staatssekretariat für Migration (SEM),

Quellenweg 6, 3003 Bern,

Vorinstanz.

 

 

 

Gegenstand

 

Verweigerung vorübergehender Schutz;

Verfügung des SEM vom 17. Juni 2022 / N (...).

 

 

 


Sachverhalt:

A. 
Der Beschwerdeführer, ein pakistanischer Staatsangehöriger, ersuchte die Schweiz am 19. Mai 2022 um Gewährung des vorübergehenden Schutzes. Das SEM befragte ihn am 20. Mai 2022 kurz (Kurzbefragung).

Dabei machte er geltend, er habe Pakistan im März 2021 verlassen und sei in die Ukraine gereist. Dort habe er in einem Restaurant gearbeitet und er verfüge über einen temporären Aufenthaltsstatus im Land. Im Februar 2022 habe er eine ukrainische Staatsangehörige geheiratet und in der Folge eine unbefristete Aufenthaltsbewilligung in der Ukraine beantragt. Sie hätten gemeinsam in der Stadt B._______ gelebt. Der Eheschein befinde sich bei den zuständigen ukrainischen Behörden. Nach Kriegsausbruch sei er unverzüglich aus dem Land ausgereist, ohne seiner Ehefrau Bescheid zu sagen, da sich die Situation verschlechterte und er sie über das Mobiltelefon nicht habe kontaktieren können. Er wisse nicht, ob sich seine Ehefrau aktuell noch in der Ukraine befinde. Ausserdem könne er aufgrund eines Streits mit Verwandten um Ländereien im Moment nicht zurück nach Pakistan. Es laufe noch ein Gerichtsverfahren in dieser Sache und das Problem sei noch nicht gelöst. Seine Eltern und seine Schwester würden weiterhin in Pakistan leben und er sei weiterhin in Kontakt mit seinem Vater. Wenn alles wieder gut sei, möchte er zurück in die Ukraine.

B. 
Mit Verfügung vom 17. Juni 2022 - eröffnet am 22. Juni 2022 - lehnte das SEM das Gesuch um vorübergehenden Schutz ab, verfügte die Wegweisung aus der Schweiz und beauftragte den zuständigen Kanton mit dem Vollzug der Wegweisung.

C. 
Mit Eingabe vom 20. Juli 2022 erhob der Beschwerdeführer beim Bundesverwaltungsgericht Beschwerde gegen diese Verfügung und beantragt, die angefochtene Verfügung sei aufzuheben und ihm sei der vorübergehende Schutzstatus zu gewähren. Eventualiter sei die angefochtene Verfügung aufzuheben und die Sache zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen. Subeventualiter sei die angefochtene Verfügung aufzuheben, die Unzulässigkeit beziehungsweise Unzumutbarkeit der Wegweisung festzustellen und ihm die vorläufige Aufnahme zu gewähren. In prozessualer Hinsicht beantragt er die Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege einschliesslich Verzicht auf die Erhebung eines Kostenvorschusses sowie die Bestellung eines amtlichen Rechtsbeistands seiner Wahl.

Der Beschwerdeführer reichte mit der Beschwerde die angefochtene Verfügung (in Kopie), eine Strafanzeige gegen ihn bei den pakistanischen Polizeibehörden (in Kopie; in Urdu, inklusive deutscher Übersetzung) sowie ein Schreiben an die kantonale Behörde, in dem er um Ausstellung einer Fürsorgeabhängigkeitsbestätigung ersucht (in Kopie), als Beweismittel zu den Akten.

D. 
Am 22. Juli 2022 bestätigte der Instruktionsrichter dem Beschwerdeführer den Eingang der Beschwerde

 

Das Bundesverwaltungsgericht zieht in Erwägung:

1.   

1.1  Gemäss Art. 31 VGG beurteilt das Bundesverwaltungsgericht Beschwerden gegen Verfügungen nach Art. 5 VwVG. Das SEM gehört zu den Behörden nach Art. 33 VGG und ist daher eine Vorinstanz des Bundesverwaltungsgerichts. Eine das Sachgebiet betreffende Ausnahme im Sinne von Art. 32 VGG liegt nicht vor. Das Bundesverwaltungsgericht ist daher zuständig für die Beurteilung der vorliegenden Beschwerde und entscheidet auf dem Gebiet des Asyls endgültig, ausser bei Vorliegen eines Auslieferungsersuchens des Staates, vor welchem die beschwerdeführende Person Schutz sucht (Art. 105 AsylG [SR 142.31]; Art. 83 Bst. d Ziff. 1 BGG). Eine solche Ausnahme im Sinne von Art. 83 Bst. d Ziff. 1 BGG liegt nicht vor, weshalb das Bundesverwaltungsgericht endgültig entscheidet.

1.2  Das Verfahren richtet sich nach dem VwVG, dem VGG und dem BGG, soweit das AsylG nichts anderes bestimmt (Art. 37 VGG und Art. 6 AsylG).

1.3  Die Beschwerde ist frist- und formgerecht eingereicht worden. Der Beschwerdeführer hat am Verfahren vor der Vorinstanz teilgenommen, ist durch die angefochtene Verfügung besonders berührt und hat ein schutzwürdiges Interesse an deren Aufhebung beziehungsweise Änderung; er ist daher zur Einreichung der Beschwerde legitimiert (Art. 72 i.V.m. Art. 105 und Art. 108 Abs. 6 AsylG; Art. 48 Abs. 1 sowie Art. 52 Abs. 1 VwVG). Auf die Beschwerde ist einzutreten.

 

2. 
Die Kognition des Bundesverwaltungsgerichts und die zulässigen Rügen richten sich im Asylbereich nach Art. 106 Abs. 1 AsylG, im Bereich des Ausländerrechts nach Art. 49 VwVG (vgl. BVGE 2014/26 E. 5).

3. 
Über offensichtlich unbegründete Beschwerden wird in einzelrichterlicher Zuständigkeit mit Zustimmung eines zweiten Richters beziehungsweise einer zweiten Richterin entschieden (Art. 72 i.V.m. Art. 111 Bst. e AsylG). Wie nachfolgend aufgezeigt, handelt es sich um eine solche, weshalb das Urteil nur summarisch zu begründen ist (Art. 72 i.V.m. Art. 111a Abs. 2 AsylG).

Gestützt auf Art. 72 i.V.m. Art. 111a Abs. 1 AsylG wurde auf die Durchführung eines Schriftenwechsels verzichtet.

4.   

4.1  Der Beschwerdeführer erhebt in der Beschwerde verschiedene formelle Rügen. Diese sind vorab zu beurteilen, da sie gegebenenfalls geeignet sind, eine Kassation der angefochtenen Verfügung zu bewirken.

4.2   

4.2.1  Der Beschwerdeführer rügt, die Vorinstanz habe sein Vorbringen, wonach er mit einer ukrainischen Staatsangehörigen verheiratet sei und mit dieser und ihrem Stiefsohn in einem gemeinsamen Haushalt gelebt habe, gänzlich unerwähnt gelassen und sich in ihrem Entscheid nicht mit diesem Umstand auseinandergesetzt. Er habe in der Kurzbefragung ausdrücklich darauf hingewiesen, dass er seine Frau seit Kriegsausbruch nicht mehr kontaktieren könne und es seither auch nicht möglich gewesen sei, entsprechende Belege, namentlich für die Hochzeit sowie das in der Ukraine eingeleitete Verfahren um Ausstellung einer unbefristeten Aufenthaltsbewilligung zu besorgen. Die Vorinstanz wäre deshalb auch verpflichtet gewesen, ihm zu diesem Punkt Gelegenheit zur Stellungnahme und die Ansetzung einer angemessenen Frist zur Einreichung der verlangten Belege gewähren müssen.

4.2.2  Gemäss Art. 29 VwVG haben die Parteien Anspruch auf rechtliches Gehör, welcher als Mitwirkungsrecht alle Befugnisse umfasst, die einer Partei einzuräumen sind, damit sie in einem Verfahren ihren Standpunkt wirksam zur Geltung bringen kann (vgl. BGE 144 I 11 E. 5.3; BVGE 2009/35 E. 6.4.1 m.w.H.). Mit dem Gehörsanspruch korreliert die Pflicht der Behörden, die Vorbringen tatsächlich zu hören, ernsthaft zu prüfen und in ihrer Entscheidfindung angemessen zu berücksichtigen. Nicht erforderlich ist, dass sich die Begründung mit allen Parteistandpunkten einlässlich auseinandersetzt und jedes einzelne Vorbringen ausdrücklich widerlegt (vgl. BGE 143 III 65 E. 5.2).

4.2.3  Die Vorinstanz hat in der angefochtenen Verfügung - wenn auch mit relativ kurzer Begründung - nachvollziehbar aufgezeigt, weshalb der Beschwerdeführer aus ihrer Sicht nicht unter eine der drei vom Bundesrat in seiner Allgemeinverfügung zur Gewährung des vorübergehenden Schutzes im Zusammenhang mit der Situation in der Ukraine (BBI 2022 586; fortan: Allgemeinverfügung) definierten Personenkategorien fällt. Dabei stellte die Vorinstanz gestützt auf die Akten als entscheidwesentlichen Grund fest, der Beschwerdeführer verfüge nicht über eine gültige Aufenthaltsbewilligung in der Ukraine. Es ist nicht zu beanstanden, wenn die Vorinstanz sich dabei nicht ausdrücklich zum Vorbringen der (angeblichen) Heirat mit einer ukrainischen Staatsangehörigen äussert. Mit Blick auf die Aktenlage bestand für die Vorinstanz kein Grund, die weiteren Personenkategorien gemäss der Allgemeinverfügung zu prüfen, da der Beschwerdeführer unbestritten nicht über die ukrainische Staatsbürgerschaft verfügt und auch keinen Schutzstatus in der Ukraine hat. Ferner war die Vorinstanz entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers auch nicht verpflichtet, ihm eine Frist zur Einreichung entsprechender Belege (namentlich Bestätigung über die Eheschliessung, Wohnsitzbestätigung) zu gewähren. Wie er in der Beschwerde selbst festhält, hat die Vorinstanz ihn im Rahmen der Kurzbefragung darauf hingewiesen, diesbezügliche Dokumente möglichst bald einzureichen (vgl. SEM-eAkten, [...], F19). Zwischen der Kurzbefragung und dem Erlass der angefochtenen Verfügung standen ihm hierzu rund vier Wochen zur Verfügung, was grundsätzlich als ausreichend zu erachten ist. Für die Vorinstanz gab es denn auch keine Anhaltspunkte dafür, dass die Einreichung dieser Dokumente naheliegt beziehungsweise in Kürze erfolgen könnte, da der Beschwerdeführer durchgehend vorbrachte, derzeit keine Möglichkeit zu einer Kontaktaufnahme mit seiner Ehefrau zu haben (vgl. SEM-eAkten, [...], F15 und F19). Schliesslich ist auch zu berücksichtigen, dass die Einreichung entscheidrelevanter Beweismittel im Sinne der gesetzlichen Mitwirkungspflicht in der Regel dem Beschwerdeführer als Gesuchsteller obliegt (Art. 8 AsylG).

Diese formelle Rüge (der Verletzung des rechtlichen Gehörs) ist somit unbegründet.

 

4.3   

4.3.1  Der Beschwerdeführer macht sprachliche Verständigungsschwierigkeiten geltend und rügt, die Kurzbefragung habe in Englisch stattgefunden, da kein Dolmetscher in seiner Muttersprache verfügbar gewesen sei. Er spreche zwar Englisch, jedoch nicht so gut, dass er sich vollständig ausdrücken und die Gegenseite ihn immer ganz verstehen könnte.

 

4.3.2  Im Rahmen der Gesuchstellung hat der Beschwerdeführer auf dem Personalienblatt für Asylsuchende unter der Rubrik Muttersprache (Interviewsprache) «Urdu / English» angegeben (vgl. SEM-eAkten, [...], S. 3). Die Kurzbefragung fand in der Folge in Englisch und Urdu statt, wobei gemäss Protokoll der anwesende Dolmetscher über wenige Kenntnisse in Urdu verfügte und ausdrücklich für Unklarheiten da war (vgl. SEM-eAkten, [...], S. 1). Dem Protokoll ist nicht zu entnehmen, dass es im Verlauf der Kurbefragung zu Unklarheiten gekommen ist, der Beschwerdeführer sich nicht verständlich ausdrücken konnte oder die Vorinstanz ihn nicht genau verstanden habe. Der Beschwerdeführer hat mit seiner Unterschrift zudem bestätigt, dass ihm das Protokoll in eine ihm verständliche Sprache übersetzt worden sei, vollständig sei und seinen freien Äusserungen entspreche. Ferner ist festzustellen, dass ein Vertreter des Leistungserbringers Rechtsschutz der Kurzbefragung beiwohnte und keine Einwendungen gegen die konkrete Durchführung der Befragung geltend machte.

 

Demgemäss erweist sich auch diese formelle Rüge als unbegründet.

 

4.4  Nach dem Gesagten besteht keine Veranlassung, die angefochtene Verfügung aus formellen Gründen aufzuheben und an die Vorinstanz zurückzuweisen. Der entsprechende (Eventual-)Antrag ist abzuweisen.

 

5.   

5.1  Gestützt auf Art. 4 AsylG kann die Schweiz Schutzbedürftigen für die Dauer einer schweren allgemeinen Gefährdung, insbesondere während
eines Krieges oder Bürgerkrieges sowie in Situationen allgemeiner Gewalt, vorübergehenden Schutz gewähren. Der Bundesrat entscheidet, ob und nach welchen Kriterien Gruppen von Schutzbedürftigen vorübergehender Schutz gewährt wird (Art. 66 Abs. 1 AsylG). Ehegatten von Schutzbedürftigen und ihren minderjährigen Kindern wird gemäss Art. 71 Abs. 1 AsylG vorübergehender Schutz gewährt, wenn sie gemeinsam um Schutz nachsuchen und keine Ausschlussgründe nach Art. 73 AsylG vorliegen (Bst. a) oder wenn die Familie durch Ereignisse nach Art. 4 AsylG getrennt wurde, sich in der Schweiz vereinigen will und keine besonderen Gründe dagegensprechen (Bst. b).

5.2  Am 11. März 2022 hat der Bundesrat gestützt auf Art. 66 Abs. 1 AsylG eine Allgemeinverfügung zur Gewährung des vorübergehenden Schutzes im Zusammenhang mit der Situation in der Ukraine erlassen (BBI 2022 586). Gemäss Ziff. I der Allgemeinverfügung gilt der Schutzstatus S für folgende Personenkategorien:

a)     schutzsuchende ukrainische Staatsbürgerinnen und -bürger und ihre Familienangehörige (Partnerinnen und Partner, minderjährige Kinder und andere enge Verwandte, welche zum Zeitpunkt der Flucht ganz oder teilweise unterstützt wurden), welche vor dem 24. Februar 2022 in der Ukraine wohnhaft waren;

b)     schutzsuchenden Personen anderer Nationalitäten und Staatenlosen gemäss Definition in Buchstabe a, welche vor dem 24. Februar 2022 einen internationalen oder nationalen Schutzstatus in der Ukraine hatten;

c)     Schutzsuchenden anderer Nationalität und Staatenlosen sowie ihren Familienangehörigen gemäss Definition in Buchstabe a, welche mit einer gültigen Kurzaufenthalts- oder Aufenthaltsbewilligung belegen können, dass sie über eine gültige Aufenthaltsberechtigung in der Ukraine verfügen und nicht in Sicherheit und dauerhaft in ihre Heimatländer zurückkehren können.

6.   

6.1  Die Vorinstanz führt zur Begründung ihrer Verfügung aus, ihre Abklärungen hätten ergeben, dass der Beschwerdeführer nicht zu der vom Bundesrat definierten Gruppe der schutzberechtigten Personen gehöre. Er sei nicht im Besitz einer gültigen Aufenthaltsbewilligung in der Ukraine und es seien auch keine Hinweise zu erkennen, die gegen eine sichere und dauerhafte Rückkehr in sein Heimatland Pakistan sprechen würden.

6.2  Der Beschwerdeführer entgegnet dem in seiner Beschwerde, aus der Allgemeinverfügung des Bundesrats gehe hervor, dass auch Familienangehörige ohne ukrainische Staatsangehörigkeit umfasst werden sollen. Er sei mit einer ukrainischen Staatsbürgerin verheiratet und habe mit ihr und dem Stiefsohn in einem gemeinsamen Haushalt gelebt. Er falle somit unter die Kategorie gemäss litera a der Allgemeinverfügung. Dementsprechend sei ihm als Familienangehöriger der Schutzstatus S zu gewähren. Weiter halte die Vorinstanz fest, dass er nicht im Besitz einer gültigen Aufenthaltsbewilligung sei. Er habe jedoch zu Protokoll gegeben, dass ihm aufgrund der Heirat eine unbefristete Aufenthaltsbewilligung ausgestellt werde, dies jedoch aufgrund des Kriegsausbruch noch nicht erfolgt sei.

7.   

7.1  Zunächst ist festzustellen, dass der Beschwerdeführer nicht ukrainischer Staatsangehöriger ist. Weiter kann offengelassen werden, ob die geltend gemachte Heirat mit einer ukrainischen Staatsangehörigen - trotz fehlender Dokumentation - als glaubhaft erachtet werden kann. Seine (behauptete) ukrainische Ehefrau hat in der Schweiz in jedem Fall kein Gesuch um Gewährung vorübergehenden Schutzes gestellt. Damit fällt die Anwendung von Buchstabe a der Allgemeinverfügung ausser Betracht. Sodann verfügt er nicht über einen Schutzstatus in der Ukraine, was auch die Anwendung von Buchstabe b der Allgemeinverfügung ausschliesst.

 

7.2  Zu prüfen bleibt, ob der Beschwerdeführer unter die Kategorie von Buchstabe c der Allgemeinverfügung fällt. Dies setzt unter anderem voraus, dass er nicht in Sicherheit und dauerhaft nach Pakistan zurückkehren könnte. Wie nachfolgend aufgezeigt (vgl. nachfolgend Ziffer 9), ist dies vorliegend nicht der Fall, weshalb auch eine Anwendung von Buchstabe c der Allgemeinverfügung zu verneinen ist.

 

7.3  Zusammenfassend ist festzuhalten, dass der Beschwerdeführer die Voraussetzungen der Gewährung des vorübergehenden Schutzes offensichtlich nicht erfüllt und die Vorinstanz das entsprechende Gesuch zu Recht abgelehnt hat.

 

8. 
Die Ablehnung des Gesuchs um Gewährung des vorübergehenden Schutzes hat in der Regel die Wegweisung aus der Schweiz zur Folge. Da dem Beschwerdeführer vorliegend keine Aufenthaltsbewilligung erteilt wurde und zudem kein Anspruch auf Erteilung einer solchen besteht (vgl. BVGE 2013/37 E. 4.4; 2009/50 E. 9, je m.w.H.), steht die verfügte Wegweisung im Einklang mit den gesetzlichen Bestimmungen und wurde demnach von der Vorinstanz ebenfalls zu Recht angeordnet.

9.   

9.1  Ist der Vollzug der Wegweisung nicht zulässig, nicht zumutbar oder nicht möglich, so regelt das SEM das Anwesenheitsverhältnis nach den gesetzlichen Bestimmungen über die vorläufige Aufnahme (Art. 83 Abs. 1 AIG [SR 142.20]; vgl. Urteil des BVGer D-2832/2022 vom 7. Juli 2022).

Beim Geltendmachen von Wegweisungsvollzugshindernissen gilt gemäss Praxis des Bundesverwaltungsgerichts der gleiche Beweisstandard wie bei der Prüfung der Flüchtlingseigenschaft; das heisst, sie sind zu beweisen, wenn der strikte Beweis möglich ist, und andernfalls wenigstens glaubhaft zu machen (vgl. BVGE 2011/24 E. 10.2 m.w.H.).

9.2   

9.2.1  Der Vollzug ist nicht zulässig, wenn völkerrechtliche Verpflichtungen der Schweiz einer Weiterreise der Ausländerin oder des Ausländers in den Heimat-, Herkunfts- oder einen Drittstaat entgegenstehen (Art. 83 Abs. 3 AIG).

9.2.2  Der Beschwerdeführer hat in der Schweiz kein Asylgesuch gestellt und auch den Akten sind keine Hinweise auf eine Verletzung des flüchtlingsrechtlichen Refoulement-Verbots (Art. 5 Abs. 1 AsylG; vgl. ebenso Art. 33 Abs. 1 des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge [FK, SR 0.142.30]) zu entnehmen. Sodann ergeben sich weder aus den Aussagen des Beschwerdeführers noch aus den Akten Anhaltspunkte dafür, dass er für den Fall einer Ausschaffung in den Heimatstaat dort mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit einer nach Art. 3 EMRK oder Art. 1 FoK verbotenen Strafe oder Behandlung ausgesetzt wäre. Gemäss Praxis des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR) sowie jener des UN-Anti-Folterausschusses müsste der Beschwerdeführer eine konkrete Gefahr ("real risk") nachweisen oder glaubhaft machen, dass ihm im Fall einer Rückschiebung Folter oder unmenschliche Behandlung drohen würde (vgl. Urteil des EGMR Saadi gegen Italien 28. Februar 2008, Grosse Kammer 37201/06, §§ 124-127 m.w.H.).

 

Dies ist dem Beschwerdeführer vorliegend nicht gelungen. Bei den geltend gemachten Problemen im Heimatland handelt es sich um einen privaten Familienstreit um Ländereien. Der Beschwerdeführer gab im Rahmen der Kurzbefragung denn auch zu Protokoll, in Pakistan nie Probleme mit den Behörden, der Polizei, dem Militär - mithin staatlichen Institutionen - und auch sonst nie mit anderen Privatpersonen ausserhalb der Familie oder Privatorganisationen gehabt zu haben. Seine Befürchtung, bei einer Rückkehr in Haft genommen zu werden und kein faires Verfahren zu erhalten, ist rein hypothetischer und abstrakter Natur. Betreffend das auf Beschwerdeebene eingereichte Dokument ist - ohne Beurteilung von dessen Echtheit - festzustellen, dass es sich offenbar lediglich um eine Strafanzeige gegen den Beschwerdeführer handelt. Es ist im aktuellen Zeitpunkt unklar, ob die zuständigen Behörden überhaupt ein Strafverfahren gegen ihn eingeleitet haben, zumal die fragliche Strafanzeige vom November 2020 datiert und er auch nicht geltend macht, dass die Behörden seither irgendwelche Massnahmen (namentlich Haftbefehl oder Ausschreibung) gegen ihn eingeleitet haben. Im Übrigen kann die Einleitung eines Strafverfahrens durch die Behörden im Heimatstaat nicht von vornherein und ohne Darlegung weiterer Umstände per se als illegitim qualifiziert werden.

 

Der Vollzug der Wegweisung erweist sich somit als zulässig.

 

9.3   

9.3.1  Gemäss Art. 83 Abs. 4 AIG kann der Vollzug für Ausländerinnen und Ausländer unzumutbar sein, wenn sie im Heimat- oder Herkunftsstaat aufgrund von Situationen wie Krieg, Bürgerkrieg, allgemeiner Gewalt und medizinischer Notlage konkret gefährdet sind. Wird eine konkrete Gefährdung festgestellt, ist - unter Vorbehalt von Art. 83 Abs. 7 AIG - die vorläufige Aufnahme zu gewähren.

9.3.2  In Pakistan herrscht weder Krieg oder Bürgerkrieg noch eine Situation allgemeiner Gewalt, aufgrund derer eine Rückkehr generell unzumutbar wäre. Darüber hinaus sind - mit vollumfänglichem Verweis auf die zutreffenden Ausführungen der Vorinstanz - keine individuellen Gründe ersichtlich, die gegen einen Wegweisungsvollzug sprechen.

Der Vollzug der Wegweisung erweist sich somit auch als zumutbar.

 

9.4  Schliesslich verfügt der Beschwerdeführer über einen gültigen Reisepass, weshalb der Vollzug der Wegweisung auch als möglich zu bezeichnen ist (Art. 83 Abs. 2 AIG).

 

9.5  Zusammenfassend hat die Vorinstanz den Wegweisungsvollzug zu Recht als zulässig, zumutbar und möglich bezeichnet. Eine Anordnung der vorläufigen Aufnahme fällt somit ausser Betracht und der entsprechende Antrag ist abzuweisen (Art. 83 Abs. 1-4 AIG).

10. 
Aus diesen Erwägungen ergibt sich, dass die angefochtene Verfügung Bundesrecht nicht verletzt, und auch sonst nicht zu beanstanden ist (Art. 106 Abs. 1 AsylG). Die Beschwerde ist abzuweisen, soweit darauf einzutreten ist.

11.   

11.1  Der Antrag auf Verzicht auf die Erhebung eines Kostenvorschusses erweist sich mit vorliegendem Urteil als gegenstandslos.

11.2  Nach Prüfung der Akten haben sich die gestellten Rechtsbegehren als aussichtslos erwiesen, weshalb die Gesuche um unentgeltliche Prozessführung und um amtliche Rechtsverbeiständung gemäss Art. 65 Abs. 1 VwVG und Art. 72 i.V.m. Art. 102m AsylG unbesehen der finanziellen Verhältnisse des Beschwerdeführers abzuweisen sind.

11.3  Bei diesem Ausgang des Verfahrens sind die Kosten dem Beschwerdeführer aufzuerlegen (Art. 63 Abs. 1 VwVG) und insgesamt auf Fr. 750.- festzusetzen (Art. 1-3 des Reglements vom 21. Februar 2008 über die Kosten und Entschädigungen vor dem Bundesverwaltungsgericht [VGKE, SR 173.320.2]).

 

 

(Dispositiv nächste Seite)


Demnach erkennt das Bundesverwaltungsgericht:

1. 
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2. 
Die Gesuche um Gewährung der unentgeltlichen Prozessführung und der amtlichen Rechtsverbeiständung werden abgewiesen.

3. 
Die Verfahrenskosten von Fr. 750.- werden dem Beschwerdeführer auferlegt. Dieser Betrag ist innert 30 Tagen ab Versand des Urteils zugunsten der Gerichtskasse zu überweisen.

4. 
Dieses Urteil geht an den Beschwerdeführer, das SEM und die zuständige kantonale Behörde.

 

Der Einzelrichter:

Der Gerichtsschreiber:

 

 

David R. Wenger

Matthias Neumann

 

 

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