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Abteilung V

E-2324/2011

 

 

 


Sachverhalt:

A.
Mit Verfügung vom 27. November 2009 stellte das BFM fest, der Beschwerdeführer erfülle die Flüchtlingseigenschaft, lehnte sein Asylgesuch jedoch wegen Vorliegens subjektiver Nachfluchtgründe ab, wies ihn aus der Schweiz weg und schob den Wegweisungsvollzug wegen Unzulässigkeit zu Gunsten einer vorläufigen Aufnahme auf. Diese Verfügung erwuchs unangefochten in Rechtskraft.

B.
Mit Eingabe vom 21. Februar 2011 ersuchte der Beschwerdeführer das BFM, den Kantonen (...) und (...) ein Gesuch um Zustimmung zu einem Kantonswechsel zu unterbreiten; er habe die Möglichkeit, in (...) in einem Spezialitätenrestaurant (vollzeitlich) arbeiten zu können. Dem Gesuch lag eine Kopie des abgeschlossenen Arbeitsvertrages bei.

C.
In der Folge unterbreitete das BFM das Gesuch des Beschwerdeführers den betroffenen Kantonen zur Stellungnahme. Während der Kanton (...) mit Schreiben vom 1. März 2011 seine Zustimmung erteilte, wurde diese vom Kanton (...) mit Schreiben vom 9. März 2011 verweigert. Dem Beschwerdeführer wurde dazu vom Bundesamt das rechtliche Gehör gewährt, worauf er am 24. März 2011 seine Stellungnahme einreichte.

D.
Mit Verfügung vom 30. März 2011 lehnte das BFM das Gesuch des Beschwerdeführers um Kantonswechsel ab.

Zur Begründung führte das Bundesamt aus, gemäss Artikel 22 Abs. 2 der Asylverordnung 1 vom 11. August 1999 über Verfahrensfragen (AsylV 1, SR 142.311) i.V.m. Art. 27 Abs. 3 des Asylgesetzes vom 26. Juni 1998 (AsylG, SR 142.31) und Art. 21 der Verordnung vom 11. August 1999 über den Vollzug der Weg- und Ausweisung von ausländischen Personen (VVWA, SR 142.281) verfüge das BFM einen Kantonswechsel auf Gesuch einer vorläufig aufgenommenen Person bei Anspruch auf Einheit der Familie oder schwerwiegender Gefährdung. Würden andere Gründe geltend gemacht, setze ein Kantonswechsel die Zustimmung der beteiligten Kantone voraus. Der Entscheid über den Kantonswechsel könne gemäss Art. 85 Abs. 4 des Bundesgesetzes vom 16. Dezember 2005 über die Ausländerinnen und Ausländer (AuG, SR 142.20) nur mit der Begründung angefochten werden, er verletze den Grundsatz der Einheit der Familie.

Vorliegend handle es sich nicht um ein Gesuch um Kantonswechsel gestützt auf Art. 22 Abs. 2 AsylV1 respektive es werde kein Anspruch auf Familieneinheit geltend gemacht; ein Kantonswechsel setze daher die Zustimmung der beteiligten Kantone voraus. Das Migrationsamt des Kantons (...) verweigere den Kantonswechsel, weil vorliegend weder ein Anspruch auf Einheit der Familie noch eine schwerwiegende Gefährdung gemäss Art. 22 Abs. 2 AsylV1 bestehen würden. Der Vertrag für eine Arbeitsstelle auf dem Gebiet des Kantons (...) sei keine genügende Begründung für einen Kantonswechsel.

Der Beschwerdeführer verkenne mit seinem Einwand in der Stellungnahme vom 24. März 2011, eine als Flüchtling anerkannte ausländische Person habe das Recht, den Ort ihres Aufenthaltes frei zu wählen und sich frei zu bewegen, dass sich Art. 37 Abs. 3 AuG auf Personen mit einer Niederlassungsbewilligung und nicht auf Personen mit einem Ausweis F beziehe. Vorläufig aufgenommenen Flüchtlingen stünden nur die Rechte zu, die sich aus dem Abkommen vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (FK, SR 0.142.30) ergeben würden. Die FK sehe in Bezug auf den Aufenthalt keine Privilegierung vor, weshalb vorläufig aufgenommene Flüchtlinge diesbezüglich den übrigen vorläufig aufgenommenen ausländischen Personen gleichgestellt seien.

Aufgrund der ablehnenden Haltung des Migrationsamtes des Kantons (...) müsse der Antrag auf Kantonswechsel abgelehnt werden.

E.
Mit Rechtsmitteleingabe vom 20. April 2011 beantragte der Beschwerdeführer durch seinen Rechtsvertreter in materieller Hinsicht - unter Kosten- und Entschädigungsfolge - die Aufhebung der vorinstanzlichen Verfügung, die Gutheissung des Kantonswechselgesuchs vom 21. Februar 2011 und die Bewilligung der Wohnsitznahme im Kanton (...). In prozessualer Hinsicht beantragte er die Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege und den Verzicht auf die Erhebung eines Kostenvorschusses.

Zur Begründung der Beschwerde führte der Beschwerdeführer aus, er könne sich als vorläufig aufgenommener Flüchtling auf Art. 26 FK berufen, und diese als "self-executing" einzustufende völkerrechtliche Bestimmung gehe nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung Art. 85 Abs. 3 und 4 AuG vor. Eine korrekte Auslegung von Art. 26 FK ergebe, dass Flüchtlinge im gleichen Umfang einen Anspruch auf Kantonswechsel hätten, wie er Niedergelassenen nach Art. 37 Abs. 3 AuG zustehe. Vorliegend seien die Voraussetzungen für die Bewilligung des Kantonswechsels erfüllt, weil er sich seit seiner Einreise in die Schweiz im August 2008 nichts habe zuschulden kommen lassen. Zwar sei er seither Sozialhilfeempfänger, weshalb im vorliegenden Fall allenfalls der in Art. 63 AuG statuierte Widerrufsgrund der dauerhaften und erheblichen Abhängigkeit von Sozialhilfe in Frage käme. Indessen habe er als Alleinstehender nicht hohe finanzielle Unterstützungsleistungen erhalten. Zudem habe er sich um Arbeit bemüht und nun eine Arbeitsstelle zu hundert Prozent im Kanton (...) gefunden, womit er bei einer Bewilligung des Kantonswechsels unabhängig von Sozialhilfeleistungen wäre. Die vom Bundesgericht entwickelten Voraussetzungen für die Anwendbarkeit des Widerrufsgrundes von Art. 63 Abs. 1 Bst. c AuG seien deshalb vorliegend nicht erfüllt. Für den Inhalt der weiteren Begründung wird auf die Akten verwiesen und, soweit für den Entscheid wesentlich, auf die nachstehenden Erwägungen.

F.
Mit Zwischenverfügung vom 3. Mai 2011 hiess der Instruktionsrichter das Gesuch um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege im Sinne von Art. 65 Abs. 1 des Bundesgesetzes vom 20. Dezember 1968 über das Verwaltungsverfahren (VwVG, SR 172.021) gut, verzichtete auf die Erhebung eines Kostenvorschusses und lud die Vorinstanz ein, sich innert Frist zur Beschwerde vernehmen zu lassen. Innert der angesetzten Frist ging keine entsprechende Stellungnahme beim Gericht ein.

G.
Mit Eingabe vom 29. Dezember 2011 reichte der Rechtsvertreter ein Schreiben des Geschäftsführers des Restaurants B._______ in (...) vom 20. Dezember 2011, gemäss welchem die Stelle im Restaurant für den Beschwerdeführer nach wie vor offen sei, zu den Akten. Gleichzeitig ersuchte er angesichts der unsicheren Situation seines Mandanten hinsichtlich des Kantonswechsels und einer Arbeitsaufnahme im Kanton (...) um prioritäre Behandlung der Beschwerde.

H.
Am 23. Januar 2012 reichte der Rechtsvertreter seine Kostennote zu den Akten.


Das Bundesverwaltungsgericht zieht in Erwägung:

1.  

1.1. Gemäss Art. 31 des Verwaltungsgerichtsgesetzes vom 17. Juni 2005 (VGG, SR 173.32) beurteilt das Bundesverwaltungsgericht Beschwerden gegen Verfügungen nach Art. 5 VwVG. Das BFM gehört zu den Behörden nach Art. 33 VGG und ist daher eine Vorinstanz des Bundesverwaltungsgerichts. Eine das Sachgebiet betreffende Ausnahme im Sinne von Art. 32 VGG liegt nicht vor. Das Bundesverwaltungsgericht ist daher zuständig für die Beurteilung der vorliegenden Beschwerde und entscheidet im Bereich des Ausländerrechts betreffend den Kantonswechsel endgültig (Art. 83 Bst. c Ziff. 6 des Bundesgerichtsgesetzes vom 17. Juni 2005 [BGG, SR 173.110]).

1.2. Die Beschwerde ist frist- und formgerecht eingereicht (Art. 112 Abs. 1 AuG i.V.m. Art. 50 und Art. 52 VwVG).

2.  

2.1. Gemäss Art. 85 Abs. 3 AuG ist das Gesuch um Kantonswechsel von vorläufig aufgenommenen Personen beim BFM einzureichen, wobei dieses nach Anhörung der beteiligten Kantone grundsätzlich endgültig entscheidet. Vorbehalten bleibt gemäss Art. 85 Abs. 4 AuG die Anfechtung dieses Entscheides mit der Begründung, er verletze den Grundsatz der Einheit der Familie.

2.2. Im Folgenden ist zu prüfen, ob Art. 85 Abs. 4 AuG auch für vorläufig aufgenommene Flüchtlinge gilt. Bejahendenfalls wäre aufgrund der eingeschränkten Kognition des Gerichts auf die Beschwerde nicht einzutreten, zumal diese nicht - auch nicht sinngemäss - mit der Verletzung des Grundsatzes der Einheit der Familie, sondern mit der Verletzung des sich für Flüchtlinge aus Art. 26 FK ergebenden Anspruchs auf Freizügigkeit begründet wird.

3.  

3.1. Das Bundesverwaltungsgericht schliesst sich der höchstrichterlichen Auslegungsmethodik an, welche gemäss BVGE 2009/8 wie folgt (zusammengefasst) zitiert sei: Das Gesetz muss in erster Linie aus sich selbst heraus, das heisst nach Wortlaut, Sinn und Zweck und den ihm zugrunde liegenden Wertungen auf der Basis einer teleologischen Verständnismethode ausgelegt werden. Auszurichten ist die Auslegung auf die ratio legis, die zu ermitteln dem Gericht allerdings nicht nach seinen eigenen, subjektiven Wertvorstellungen, sondern nach den Vorgaben des Gesetzgebers aufgegeben ist. Die Auslegung des Gesetzes hat zwar nicht entscheidend historisch zu erfolgen, ist im Grundsatz aber dennoch auf die Regelungsabsicht des Gesetzgebers und die damit erkennbar getroffenen Wertentscheidungen auszurichten, da sich die Zweckbezogenheit des rechtsstaatlichen Normverständnisses nicht aus sich selbst begründen lässt, sondern aus den Absichten des Gesetzgebers abzuleiten ist, die es mit Hilfe der herkömmlichen Auslegungselemente zu ermitteln gilt. Die Gesetzesauslegung hat sich vom Gedanken leiten zu lassen, dass nicht schon der Wortlaut die Rechtsnorm darstellt, sondern erst das an Sachverhalten verstandene und konkretisierte Gesetz. Gefordert ist die sachlich richtige Entscheidung im normativen Gefüge, ausgerichtet auf ein befriedigendes Ergebnis aus der ratio legis. Dabei befolgt das Bundesgericht einen pragmatischen Methodenpluralismus und lehnt es namentlich ab, die einzelnen Auslegungselemente einer hierarchischen Prioritätenordnung zu unterstellen (vgl. dazu BGE 131 III 35 E. 2, BGE 130 II 211 f. E. 5.1, BGE 119 II 186 E. 4b/aa; BVGE 2007/7 E. 4.1, BVGE 2007/24 E. 2.3, BVGE 2008/9 E. 6; Ulrich Häfelin/Walter Haller/Helen Keller, Schweizerisches Bundesstaatsrecht, 7. Aufl., Zürich u.a. 2008, Rz 80 ff.).

3.2.  

3.2.1. Das Ausländergesetz verwendet immer dann, wenn es von den in der Schweiz vorläufig aufgenommenen Menschen spricht, einerseits den Begriff der "vorläufig aufgenommenen Personen" und anderseits denjenigen der "vorläufig aufgenommenen Flüchtlinge". Mit diesen beiden, teilweise im gleichen Artikel verwendeten Begriffen macht die Gesetzessprache klar, dass dabei zwei Kategorien derselben Begriffsstufe (vorläufig Aufgenommene ohne Flüchtlingseigenschaft und vorläufig Aufgenommene mit Flüchtlingseigenschaft) gemeint sind. Beispiele im Ausländergesetz: Art. 83 Abs. 8, Art. 85 Abs. 1-6 einerseits und Abs. 7 anderseits, Art. 86 Abs. 1 und 2, Art. 87 Abs. 1 Bst. a einerseits und Bst. b anderseits; s. auch Art. 59 und Art. 61 AsylG. Nur gerade im Art. 84 Abs. 5 AuG (Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung) wird in der deutschen Fassung der Begriff der "vorläufig aufgenommenen Ausländerinnen und Ausländern" verwendet; der Inhalt (Überprüfung der Zumutbarkeit) macht indessen klar, dass hierbei "vorläufig aufgenommene Personen" gemeint sind [vgl. auch die französische Fassung, wo durchgehend von "l'étranger admis à titre provisoirement" die Rede ist, mit Ausnahme der Art. 83 Abs. 8 sowie Art. 85 Abs. 7 AuG und Art. 59 sowie Art. 61 AsylG, wo jeweils die vorläufig aufgenommenen Flüchtlinge angesprochen sind].

Im vorliegend interessierenden Art. 85 AuG ist die Unterscheidung der Wortwahl zwischen den Abs. 1, 2, 3, 5 und 6 ("vorläufig aufgenommene Personen") und dem Abs. 7, welcher beide Begriffe verwendet (gleiche Rechtsfolge für die "vorläufig aufgenommenen Personen" und "die vorläufig aufgenommenen Flüchtlinge") so klar und konsequent vorgenommen worden, dass die gesetzgeberische Absicht, mit der Regelung in den Absätzen 1-6 (Abs. 4 bezieht sich eindeutig auf den Abs. 3 und mithin auf die gleiche Kategorie) nur die vorläufig Aufgenommenen ohne Flüchtlingseigenschaft zu meinen, nicht in Frage gestellt werden kann.

Zusammenfassend ergibt sowohl die grammatikalische als auch die systematische Auslegung von Art. 85 Abs. 4 i.V.m. Abs. 3 AuG, dass es sich beim Begriff "vorläufig aufgenommene Personen" nicht um einen Oberbegriff handelt, sondern dieser sich auf derselben Begriffsstufe wie "vorläufig aufgenommene Flüchtlinge" befindet. Der Anwendungsbereich von Art. 85 Abs. 4 AuG bezieht und beschränkt sich mithin auf die vorläufig aufgenommenen Personen ohne Flüchtlingseigenschaft. Dieses Verständnis ergibt sich aus der Verwendung der beiden Begriffe in den Bestimmungen des AuG, wo namentlich mit der Formulierung der Art. 85 Abs. 7, Art. 86 Abs. 1 und Art. 87 Abs. 1 Bst. a und b neben den vorläufig aufgenommenen Personen explizit die vorläufig aufgenommenen Flüchtlinge erwähnt und separat geregelt werden.

3.2.2. Im Weiteren gewährt Art. 58 AsylG den Flüchtlingen ausdrücklich alle Rechte, wie sie für Ausländerinnen und Ausländer im Allgemeinen gelten (vgl. etwa Art. 37 AuG: Kantonswechsel ist bewilligungspflichtig und die Verweigerung ist beschwerdefähig), und verweist auf die ihnen nach Gesetz und Flüchtlingskonvention zusätzlich zustehenden Rechte. Zu den Rechten gemäss den besonderen Bestimmungen der FK gehören explizit das Recht auf Freizügigkeit (Art. 26 FK: freie Wohnsitzwahl; Einschränkungen sind nur möglich, soweit sie "unter den gleichen Umständen für Ausländer im Allgemeinen gelten") und das Recht auf freien Zugang zu den Gerichten (Art. 16 FK: wie Schweizer). Dafür, dass der Gesetzgeber bei Art. 85 Abs. 4 AuG bewusst einen Konflikt mit der FK in Kauf nehmen wollte, gibt es - im Unterschied zur damaligen parlamentarischen Diskussion und zum Vernehmlassungsverfahren betreffend Art. 85 Abs. 7 AuG - in den Materialien keinen Hinweis.

3.2.3. Mit diesen Auslegungen nach dem Wortlaut und der Systematik des Gesetzes sowie nach dem Text und Sinn der FK ist gewährleistet, dass die Gesetzesanwendung völkerrechtskonform und auch verfassungskonform (vgl. namentlich: Rechtsweggarantie gemäss Art. 29a der Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 [BV, SR 101], von welcher nur im Ausnahmefall mit einer ausdrücklichen gesetzlichen Regelung abgewichen werden darf), erfolgt.

Damit ist die in Art. 85 Abs. 4 AuG für vorläufig aufgenommene Personen vorgesehene Kognitionsbeschränkung nicht anwendbar für vorläufig aufgenommene Flüchtlinge; diese können die Verletzung von Art. 26 FK und von Art. 37 AuG, welche Bestimmung den Wechsel des Wohnorts in einen anderen Kanton für ausländische Personen regelt, vor dem Bundesverwaltungsgericht rügen.

4.
Aufgrund der vorstehenden Erwägungen ergibt sich, dass der Beschwerdeführer, der am Verfahren vor der Vorinstanz teilgenommen hat, durch die angefochtene Verfügung besonders berührt ist und ein schutzwürdiges Interesse an deren Aufhebung beziehungsweise Änderung hat, zur Einreichung der Beschwerde legitimiert ist (Art. 112 Abs. 1 AuG i.V.m. Art. 48 Abs. 1 VwVG), weil sich die Rüge, sein sich aus Art. 26 FK ergebender Anspruch auf Freizügigkeit sei verletzt, als zulässig erweist. Auf die Beschwerde ist somit einzutreten.

5.  

5.1. Mit Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht können die Verletzung von Bundesrecht - einschliesslich Überschreitung oder Missbrauch des Ermessens (Art. 49 Bst. a VwVG) -, die unrichtige beziehungsweise unvollständige Feststellung des rechtserheblichen Sachverhalts (Art. 49 Bst. b VwVG) und die Unangemessenheit der vorinstanzlichen Verfügung (Art. 49 Bst. c VwVG) gerügt werden. Zum Bundesrecht in diesem Sinn gehören auch die Normen des für die Schweiz verbindlichen Staatsvertragsrechts (anstelle vieler: BGE 132 II 81 E. 1.3). Vorausgesetzt ist jedoch, dass die staatsvertragliche Bestimmung, deren Verletzung gerügt wird, direkt anwendbar (self-executing) ist. Dies trifft zu, wenn die Bestimmung inhaltlich hinreichend bestimmt und klar ist, um im Einzelfall Grundlage eines Entscheides zu bilden. Die Norm muss justiziabel sein, das heisst, die Rechte und Pflichten des Einzelnen müssen umschrieben und der Adressat der Norm die rechtsanwendenden Behörden sein. Wie es sich damit verhält, ist von den rechtsanwendenden Behörden zu bestimmen (anstelle vieler: BGE 133 I 286 E. 3.2). Die Frage des self-executing-Charakters beziehungsweise der Justiziabilität der Norm ist dabei für jede einzelne Bestimmung in einem Staatsvertrag gesondert zu prüfen (anstelle vieler: Urteile des Bundesverwaltungsgerichts A-6668/2010 vom 6. Dezember 2010 E. 3.1, A-4013/2010 vom 15. Juli 2010 E. 1.2; André Moser/Michael Beusch/Lorenz Kneubühler, Prozessieren vor dem Bundesverwaltungsgericht, Basel 2008, Rz 2.168).

5.2.  

5.2.1. Art. 26 FK statuiert, dass jeder vertragsschliessende Staat den Flüchtlingen, die sich rechtmässig auf seinem Gebiet aufhalten, das Recht einräumt, dort ihren Aufenthaltsort zu wählen und sich frei zu bewegen, vorbehältlich der Bestimmungen, die unter den gleichen Umständen für Ausländer im Allgemeinen gelten. Hinsichtlich dieses Vorbehaltes stellt sich die Frage, was unter dem Begriff "unter den gleichen Umständen für Ausländer im Allgemeinen" zu verstehen ist.

5.2.2. Sinn und Zweck von Art. 26 FK ist es, die Stellung von Flüchtlingen derjenigen von anderen ausländischen Personen anzugleichen. Flüchtlinge sollen nur denjenigen Einschränkungen in Bezug auf die selbst bestimmte Wahl des Aufenthaltsortes und auf die Bewegungsfreiheit unterworfen sein, die auch für andere Nichtbürger gelten (Andreas Zimmermann, The 1951 Convention Relating to the Status of Refugees and its 1967 Protocol - A Commentary, Oxford 2011, S. 1149 Rz 2). Die Bestimmung von Art. 26 FK scheint deshalb inhaltlich hinreichend bestimmt und klar zu sein, weil die selbst bestimmte Wahl des Aufenthaltsortes und die Bewegungsfreiheit normalerweise allen ausländischen Personen gewährt wird, wobei Einschränkungen in gewissen Fällen möglich sind, wie etwa speziell erforderliche Bewilligungen für ausländische Personen, um sich an bestimmten überbevölkerten Orten oder in Sperrgebieten aufzuhalten (Zimmermann, a.a.O. S. 1160 Rz 55). In der Botschaft des Bundesrates an die Bundesversammlung zum Beschlussentwurf über die Genehmigung der FK (BBl 1954 II S. 80) wird festgehalten, Art. 26 FK könne die Vertragsstaaten nicht daran hindern, die in Art. 9 FK vorgesehenen provisorischen Massnahmen zu ergreifen, womit in Wirklichkeit die Freizügigkeit der Flüchtlinge eingeschränkt werde. Diese Bestimmung könne auch nicht etwa gegen eine Internierungsmassnahme angerufen werden, womit die Bewegungsmöglichkeit des Flüchtlings beschränkt werde, sofern die Massnahme auch gegenüber einem anderen Ausländer, der nicht dem Flüchtlingsstatut unterstehe, hätte ergriffen werden können. Art. 14 Abs. 2 des (inzwischen durch das AuG ersetzten) Bundesgesetzes vom 26. März 1931 über Aufenthalt und Niederlassung der Ausländer (ANAG, BS 1 121) werde somit von dieser Bestimmung des Abkommens nicht berührt.

Vor diesem Hintergrund ergibt sich, dass Art. 26 FK darauf abzielt, die Einschränkungen der freien Wahl des Aufenthaltsortes und der Bewegungsfreiheit für Flüchtlinge auf ein Minimum zu beschränken, auf Fälle etwa, wo eine freie Ortswahl von Ausländern die Sicherheit des Landes tangieren würde. Der für den Vorbehalt verwendete Referenzbegriff "vorbehältlich der Bestimmungen, die unter den gleichen Umständen für Ausländer im Allgemeinen gelten" ist dergestalt auszulegen, dass nur solche einschränkende Bestimmungen zulässig sind, die für sämtliche Kategorien von Ausländern gelten. Entsprechend ist auf diejenigen Einschränkungen abzustellen, die auch auf Ausländer mit einer Niederlassungsbewilligung anwendbar sind, weil der Vorbehalt sonst nicht, wie von Art. 26 FK verlangt, auf ausländische Personen im Allgemeinen angewendet würde. Es widerspräche folglich dem Sinn und Wortlaut von Art. 26 FK, wenn lediglich auf die Kategorie der vorläufig aufgenommenen Personen ohne Flüchtlingsstatus abgestellt würde, welche die stärksten Einschränkungen der Bewegungsfreiheit in Kauf zu nehmen hat.

Auch der in Art. 6 FK definierte Begriff "unter den gleichen Umständen" erlaubt keine ausschliessliche Verbindung zu vorläufig aufgenommenen Personen ohne Flüchtlingsstatus. Art. 6 FK bezieht sich darauf, dass gewisse Rechte nur Personen gewährt werden, die bestimmte Kriterien erfüllen oder die bestimmte Qualifikationen aufweisen. Einschränkende Bestimmungen sind nur zulässig, wenn davon ausländische Personen im Allgemeinen (alle Kategorien von Ausländern, einschliesslich niedergelassene Personen) betroffen sind.

5.2.3. Aufgrund der vorstehenden Erwägungen ergibt sich, dass die Bestimmung von Art. 26 FK inhaltlich hinreichend bestimmt und klar (self-executing) ist, um innerstaatlich unmittelbar zur Anwendung zu gelangen. Sie ist auch justiziabel, da sie die Rechte und Pflichten des Einzelnen umschreibt und der Adressat der Norm die rechtsanwendenden Behörden sind. Art. 26 FK begründet für vorläufig aufgenommene Flüchtlinge einen Anspruch auf Kantonswechsel im gleichen Umfang, wie er einer niedergelassenen Person gestützt auf Art. 37 Abs. 3 AuG zusteht.

6.  

6.1. Gemäss Art. 37 Abs. 3 AuG haben Personen mit einer Niederlassungsbewilligung Anspruch auf den Kantonswechsel, wenn keine Widerrufsgründe nach Art. 63 AuG vorliegen. Art. 63 AuG statuiert, dass die Niederlassungsbewilligung nur widerrufen werden kann, wenn die Voraussetzungen nach Art. 62 Bst. a oder b erfüllt sind (Bst. a), die Ausländerin oder der Ausländer in schwerwiegender Weise gegen die öffentliche Sicherheit und Ordnung in der Schweiz oder im Ausland verstossen hat oder diese gefährdet oder die innere oder die äussere Sicherheit gefährdet (Bst. b), oder die Ausländerin oder der Ausländer oder eine Person, für die sie oder er zu sorgen hat, dauerhaft und in erheblichem Mass auf Sozialhilfe angewiesen ist (Bst. c).

6.2. In Bezug auf den von der Sozialhilfe abhängigen Beschwerdeführer ist festzustellen, dass sich dieser - soweit aktenkundig - seit seiner am 11. August 2008 erfolgten Einreise in die Schweiz nichts hat zuschulden lassen kommen, weshalb sinngemäss einzig der Widerrufsgrund von Art. 63 Bst. c AuG in Frage käme. Gemäss ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichts ist der erwähnte Widerrufsgrund erfüllt, wenn konkret die Gefahr einer fortgesetzten und erheblichen Fürsorgeabhängigkeit besteht. Blosse finanzielle Bedenken genügen nicht. Neben den bisherigen und den aktuellen Verhältnissen ist auch die wahrscheinliche finanzielle Entwicklung auf längere Sicht abzuwägen. Ein Widerruf soll in Betracht kommen, wenn eine Person hohe finanzielle Unterstützungsleistungen erhalten hat und nicht damit gerechnet werden kann, dass sie in Zukunft für ihren Lebensunterhalt sorgen wird (vgl. etwa Urteil des Bundesgerichts 2C_74/2010 E.3.4 vom 10. Juni 2010, mit weiteren Hinweisen).

Diese Voraussetzungen sind vorliegend nicht erfüllt, da der Beschwerdeführer seit seiner Einreise in die Schweiz keine unverhältnismässig hohen finanziellen Unterstützungsleistungen erhalten hat. Zudem kann angesichts des zu den Akten gereichten Arbeitsvertrages sowie der letztmals am 20. Dezember 2011 erfolgten Zusicherung seines zukünftigen Arbeitgebers im Kanton (...), dem Beschwerdeführer die angebotene Stelle weiterhin zur Verfügung zu halten, damit gerechnet werden, dass er in Zukunft für seinen Lebensunterhalt aufkommen kann.

7.
Aus diesen Erwägungen ergibt sich, dass die angefochtene Verfügung Bundesrecht verletzt (Art. 49 Bst. a VwVG). Die Beschwerde ist demnach gutzuheissen und die Verfügung vom 30. März 2011 aufzuheben. Das BFM ist anzuweisen, das Kantonswechselgesuch gutzuheissen und den Beschwerdeführer dem Kanton (...) zuzuweisen.

8.  

8.1. Bei diesem Ausgang des Verfahrens sind keine Kosten aufzuerlegen (Art. 63 Abs. 1 VwVG), womit die mit Zwischenverfügung vom 3. Mai 2011 gewährte unentgeltliche Rechtspflege (Art. 65 Abs. 1 VwVG) gegen-standslos wird.

8.2. Dem Beschwerdeführer ist angesichts des Obsiegens im Beschwerdeverfahren für die Kosten der Vertretung und allfällige weitere notwendige Auslagen eine Parteientschädigung zuzusprechen (Art. 64 Abs. 1 VwVG i.V.m. Art. 37 VGG, Art. 7 des Reglements vom 21. Februar 2008 über die Kosten und Entschädigungen vor dem Bundesverwaltungsgericht [VGKE, SR 173.320.2]). In der eingereichten Kostennote vom 23. Januar 2012 wird ein Arbeitsaufwand von 7,9 Stunden zu einem Stundenansatz von Fr. 220.- ausgewiesen, der unter Berücksichtigung von Umfang und Schwierigkeit des vorliegenden Verfahrens angemessen erscheint. Dem Beschwerdeführer ist eine insgesamt auf Fr. 1738.- (gemäss Angaben des Rechtsvertreters ist die BAS Beratungsstelle für Asylsuchende der Region Basel nicht mehrwertsteuerpflichtig) festzusetzende, von der Vorinstanz zu entrichtende Parteientschädigung zuzusprechen (vgl. Art. 10 und Art. 14 Abs. 2 VGKE).

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kanton
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person
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abkommen über die rechtsstellung der flüchtlinge
beschwerdeführer
entscheid
flüchtling
bundesrecht
bundesverwaltungsgericht
bundesamt für migration
bundesgericht
schweiz
gesuch an eine behörde
begriff
beschwerde an das bundesverwaltungsgericht
bewilligung oder genehmigung(allgemein)
vorinstanz
gesetz
niederlassungsbewilligung
begründung des entscheids
self-executing
norm
richterliche behörde
flüchtlingseigenschaft
einheit der familie
frage
beschränkung(allgemein)
schweizer bürgerrecht
subjektives recht
kategorie
begründung der eingabe
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auslegung
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