Bundesverwaltungsgericht
Tribunal administratif fédéral
Tribunale amministrativo
federale
Tribunal administrativ federal
Abteilung IV
D-6797/2006{T 0/2}
Urteil
vom 15. Januar 2010
Besetzung
Richter Thomas Wespi (Vorsitz),
Richter Robert Galliker,
Richter Walter Lang,
Gerichtsschreiber Stefan Weber.
Partei
A._______, geboren X._______,
Algerien,
Gesuchsteller,
gegen
Bundesamt für Migration (BFM), Quellenweg
6, 3003 Bern.
Gegenstand
Revision; Urteil der Schweizerischen Asylrekurskommission (ARK)
vom 9. Oktober 2003 / N_______.
Sachverhalt:
A.
Der Gesuchsteller stellte
am 12. Februar 2003 ein Asylgesuch in der Schweiz. Das Bundesamt für Flüchtlinge (BFF; neu:
Bundesamt für Migration [BFM]) trat mit Verfügung vom 2. Mai 2003 auf das Asylgesuch nicht
ein und ordnete die sofortige Wegweisung aus der Schweiz an. Gegen diese Verfügung liess der Gesuchsteller
mit Eingabe vom 26. Mai 2003 bei der damals zuständigen Schweizerischen Asylrekurskommission (ARK)
Beschwerde einreichen. Mit Urteil vom 9. Oktober 2003 wies die ARK die Beschwerde bezüglich des
Nichteintretens und der Anordnung der Wegweisung ab. Hinsichtlich des Wegweisungsvollzugs wurde die Beschwerde
gutgeheissen und die Dispositivziffern 3 und 4 der Verfügung des BFF vom 2. Mai 2003 wurden aufgehoben;
die Sache wurde an das BFF zur Neubeurteilung der Frage des Wegweisungsvollzugs zurückgewiesen.
Verfahrenskosten wurden keine auferlegt und dem Gesuchsteller wurde keine Parteientschädigung entrichtet.
B.
Mit
Eingabe vom 22. Oktober 2003 an die ARK machte der Gesuchsteller im Wesentlichen geltend, unter Bezugnahme
auf das Urteil der ARK vom 9. Oktober 2003 werde ersucht, formlos auf Punkt 6 des Dispositivs des Urteils
(keine Entrichtung der Parteientschädigung) zurückzukommen und die volle Parteientschädigung
zu entrichten. Gemäss Erwägung 7b des genannten Urteils gehe die ARK davon aus, dass ihm keine
notwendigen und verhältnismässig hohen Kosten erwachsen seien, da er durch die ihm vom Aufenthaltskanton
zur Seite gestellte Vertrauensperson vertreten worden sei. Diese Annahme beruhe auf einer falschen Vorstellung
der Dauer der amtlichen Beiordnung durch das B._______. Gemäss der Vereinbarung zwischen dem B._______
und D._______ zur Sicherstellung einer rechtskundigen Person für unbegleitete minderjährige
Asylsuchende während des erstinstanzlichen Asylverfahrens im Kanton F._______ werde die D._______
- wie der Titel der Vereinbarung schon bedeute - nur für die Dauer des erstinstanzlichen Verfahrens
mit der Aufgabe der amtlichen Rechtsvertretung betraut, die Aufwendungen mithin nur während des
erstinstanzlichen Verfahrens entsprechend entschädigt. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens habe
dagegen der Gesuchsteller selbst zu tragen. In der Beschwerde vom 26. Mai 2003 sei denn auch eine private
Vollmacht zu den Akten gereicht worden. Andernfalls hätte ein Verweis auf die amtliche Beiordnung
durch das B._______ genügt. Die ARK habe in ihrem Urteil vom 9. Oktober 2003 mithin eine aktenkundige
Tatsache übersehen. Im Weiteren sei die Beschwerde mit dem vorerwähnten Urteil zwar nur teilweise
- bezüglich des Wegweisungsvollzugs - gutgeheissen worden, während sie bezüglich des Nichteintretens
und der Anordnung der Wegweisung abgewiesen worden sei. Gemäss Erwägung 3b des vorerwähnten
Urteils sei dieses Resultat jedoch lediglich auf die Praxisänderung vom 19. September 2003 zurückzuführen,
gemäss welcher das BFF zu Recht einen Nichteintretensentscheid habe erlassen dürfen. Vor dieser
Praxisänderung wäre die Beschwerde jedoch auch in diesem Punkt gutgeheissen worden. Korrekterweise
hätte die ARK dem Gesuchsteller mit Verweis auf die Praxisänderung das rechtliche Gehör
gewähren müssen, um so Gelegenheit für den Rückzug dieses Rechtsantrags zu bieten,
was vorliegend jedoch nicht geschehen sei. Bei dieser Sachlage rechtfertige sich die Entrichtung der
vollen Parteientschädigung. Auf die als Beweismittel eingereichten Dokumente wird in den Erwägungen
eingegangen.
C.
Mit Schreiben vom 27. Oktober 2003 teilte die ARK dem Gesuchsteller mit,
auf seine Eingabe werde nach Eingang der Akten zurückgekommen.
D.
Mit Verfügung
vom 1. Juli 2005 lehnte das BFM das Asylgesuch des Gesuchstellers ab und ordnete die Wegweisung und deren
Vollzug an. Diese Verfügung erwuchs unangefochten in Rechtskraft.
E.
Mit Schreiben
vom 30. November 2006 wurde dem Gesuchsteller mitgeteilt, dass die ARK per 31. Dezember 2006 durch das
Bundesverwaltungsgericht ersetzt und die bis dahin nicht abgeschlossenen Verfahren weiterführen
werde.
F.
Mit Schreiben vom 7. Dezember 2006 liess die Rechtsvertreterin mitteilen, sie
habe das Mandat am Y._______ zufolge Volljährigkeit des Gesuchstellers niedergelegt.
Das
Bundesverwaltungsgericht zieht in Erwägung:
1.
1.1 Mit dem 1. Januar 2007 hat das
Bundesverwaltungsgericht seine Tätigkeit aufgenommen. Dessen Zuständigkeit ergibt sich in Bezug
auf Beschwerdeverfahren im Bereich des Asylrechts aus Art. 105
des Asylgesetzes vom 26. Juni 1998 (AsylG,
SR 142.31), wonach das Bundesverwaltungsgericht abschliessend über Beschwerden gegen Verfügungen
des Bundesamtes entscheidet. Gemäss Art. 37
des Verwaltungsgerichtsgesetzes vom 17. Juni 2005 (VGG,
SR 173.32) richtet sich das dabei anzuwendende Verfahren nach dem Bundesgesetz vom 20. Dezember 1968
über das Verwaltungsverfahren (VwVG,
SR 172.021), soweit das VGG nichts anderes bestimmt. Aus den
Übergangsbestimmungen von Art. 53 Abs. 2
VGG ergibt sich ferner, dass das Bundesverwaltungsgericht
zuständigkeitsgemäss die vormals bei der ARK hängigen Beschwerdeverfahren übernommen
hat. In diesen Fällen erfolgt die Beurteilung nach neuem Verfahrensrecht.
1.2 Demgegenüber
sind in den relevanten gesetzlichen Grundlagen die Zuständigkeit des Gerichts in Revisionsverfahren
sowie die Frage des in solchen Verfahren anwendbaren Rechts betreffend weniger eindeutig geregelt. Das
Bundesverwaltungsgericht hat in seiner jüngsten Rechtsprechung die sich dabei stellenden drei möglichen
Konstellationen wiefolgt entschieden (vgl.
BVGE 2007/11 E. 3 f. S. 117 ff.,
BVGE 2007/21 E. 5 S. 246):
1.2.1
Richtet sich ein Revisionsverfahren gegen einen Entscheid des Bundesverwaltungsgerichts, so gelten gemäss
Art. 45
VGG die entsprechenden Art. 121
-128
des Bundesgerichtsgesetzes vom 17. Juni 2005 (BGG,
SR 173.110)
sinngemäss.
1.2.2 Hat - wie vorliegend - das Bundesverwaltungsgericht ein Revisionsverfahren
zu beurteilen, das bereits bei einer seiner Vorgängerorganisationen eingeleitet wurde, so richtet
sich das Verfahren gemäss Art. 37
VGG i.V.m. Art. 45
VGG nach den entsprechenden Art. 66 ff
. VwVG.
1.2.3
Ist ein Revisionsverfahren zu beurteilen, das beim Bundesverwaltungsgericht eingeleitet wurde, aber einen
Entscheid einer seiner Vorgängerorganisationen betrifft, so richtet sich das Verfahren gemäss
Art. 37
VGG i.V.m. Art. 45
VGG ebenfalls nach Art. 66 ff
. VwVG.
1.3 Das Bundesverwaltungsgericht
entscheidet in der Besetzung mit drei Richtern oder Richterinnen (Art. 21 Abs. 2
VGG), sofern das Revisionsgesuch
nicht in die Zuständigkeit des Einzelrichters beziehungsweise der Einzelrichterin fällt (vgl.
Art. 23
VGG).
1.4 Mit dem ausserordentlichen Rechtsmittel der Revision wird die Unabänderlichkeit
und Massgeblichkeit eines rechtskräftigen Beschwerdeentscheides angefochten, im Hinblick darauf,
dass die Rechtskraft beseitigt wird und über die Sache neu entschieden werden kann (vgl. Fritz Gygi,
Bundesverwaltungsrechtspflege, 2. Aufl., Bern 1983, S. 229 f.; ALFRED KÖLZ/ISABELLE HÄNER,
Verwaltungsverfahren und Verwaltungsrechtspflege des Bundes, 2. Aufl., Zürich 1998, S. 258, Rz.
734).
1.5 Der Gesuchsteller hat ein schutzwürdiges Interesse an der Aufhebung oder Änderung
des Beschwerdeurteils und ist daher zur Einreichung eines Revisionsgesuches legitimiert (Art. 48 Abs.
1 Bst. c
VwVG in analogiam; vgl. Ursina Beerli-Bonorand, Die ausserordentlichen Rechtsmittel in der Verwaltungsrechtspflege
des Bundes und der Kantone, Zürich 1985, S. 65 ff.).
1.6 In der Revisionseingabe wird
das Vorliegen des Revisionsgrundes von Art. 66 Abs. 2 Bst. b
VwVG (Übersehen von aktenkundigen erheblichen
Tatsachen oder bestimmten Begehren) und der Verletzung des rechtlichen Gehörs (Art. 66 Abs. 2 Bst.
c
VwVG) behauptet.
Gemäss Art. 67 Abs. 1
VwVG ist das Revisionsbegehren innert 90 Tagen
seit Entdeckung des Revisionsgrundes, spätestens aber innert zehn Jahren seit Eröffnung des
Beschwerdeentscheides schriftlich einzureichen. Das Revisionsgesuch vom 22. Oktober 2003 wurde fristgerecht
eingereicht, zumal vom Zeitpunkt der Eröffnung des angefochtenen Urteils vom 9. Oktober 2003 das
behauptete Übersehen einer aktenkundigen erheblichen Tatsache innert der Frist von 90 Tagen geltend
gemacht wurde.
Somit ist auf das Revisionsgesuch einzutreten.
2.
2.1 An die
Begründung ausserordentlicher Rechtsmittel sind strenge Anforderungen zu stellen. Aus der Rechtsschrift
muss der angerufene Revisionsgrund ersichtlich sein. Es muss dargelegt werden, weshalb die Voraussetzungen
erfüllt sind, um gerade diesen Rechtsmittelgrund anzurufen. Im Revisionsgesuch ist deshalb anzugeben,
welcher gesetzliche Revisionstatbestand angerufen und welche Änderung des früheren Entscheides
beantragt wird (vgl. Gygi, a.a.O., S. 198). Für die Zulässigkeit eines Revisionsbegehrens ist
nicht erforderlich, dass die Revisionsgründe wirklich bestehen, sondern es genügt, wenn der
Revisionsführer deren Vorliegen behauptet und hinreichend begründet (vgl. BEERLI-BONORAND,
a.a.O., S. 148 f.).
2.2 Mit einem Revisionsgesuch können nur ganz bestimmte Rügen
angebracht werden; die in Art. 66 Abs. 1
und 2
VwVG enthaltene Aufzählung der Revisionsgründe
ist abschliessend (vgl. KÖLZ/HÄNER, a.a.O., S. 259, Rz. 737). Revisionsrechtlich ist die Nichtberücksichtigung
erheblicher Tatsachen nur dann von Bedeutung, wenn diese der Beschwerdeinstanz aus den Akten bekannt
sein mussten (vgl. BEERLI-BONORAND, a.a.0., S. 132). Tatsachen im Sinne von Art. 66 Abs. 2 Bst. b
VwVG
sind somit nur Elemente, welche die tatsächliche Grundlage für das angefochten Urteil bildeten,
wie Erklärungen und Bestreitungen der Parteien, der objektive Inhalt von vorgelegten Dokumenten,
Korrespondenzen usw. (vgl. BEERLI-BONORAND, a.a.0., S. 131). Eine in den Akten des ordentlichen Beschwerdeverfahrens
liegende erhebliche Tatsache ist revisionsrechtlich nur dann übersehen worden, wenn die Beschwerdeinstanz
es im ordentlichen Beschwerdeverfahren versehentlich unterlassen hat, ein zum Dossier eingereichtes Aktenstück
in Betracht zu ziehen, oder wenn sie ein solches Aktenstück unrichtig gelesen hat und so aus Versehen
von seinem wirklichen Wortsinn abgewichen ist (vgl. BEERLI-BONORAND, a.a.0., S. 133). Das Übersehen
muss versehentlich erfolgt sein, das heisst ohne Willen der Beschwerdeinstanz. Beweismittel fallen unter
das Übersehen von Tatsachen, wenn deren objektiver Inhalt der Beschwerdeinstanz entgangen ist. Das
Übersehen bezieht sich auf einen Irrtum in der Wahrnehmung und Erkenntnis, nicht auf eine allfällige
unrichtige Würdigung (vgl. Entscheidungen und Mitteilungen der Schweizerischen Asylrekurskommission
[
EMARK] 1999 Nr. 4 E. 5a S. 24 f.). Beweismittel und Tatsachen werden deshalb nicht übersehen, wenn
die Beschwerdeinstanz einem Beweismittel ausdrücklich oder mittelbar in der Begründung ihres
Urteils keinen Beweiswert zuerkennt. Zudem sind eine Tatsache beziehungsweise ein Beweismittel nur dann
erheblich, falls diese zu einem für die Partei günstigeren Entscheid geführt hätten,
wenn sie von der Beschwerdeinstanz im ordentlichen Verfahren berücksichtigt worden wären.
2.3
In E. 7b des angefochtenen Urteils hielt die ARK fest, da der Gesuchsteller durch die ihm vom Aufenthaltskanton
zur Seite gestellte Vertrauensperson vertreten worden sei, sei nicht davon auszugehen, es seien ihm durch
diese Rechtsvertretung im Beschwerdeverfahren notwendige und verhältnismässig hohe Kosten erwachsen,
weshalb keine Parteientschädigung zu entrichten sei. In der Revisionseingabe wird gerügt, die
ARK habe übersehen, dass eine private Vollmacht für das Beschwerdeverfahren eingereicht worden
sei.
2.3.1 Zufolge der damaligen Minderjährigkeit des unbegleiteten Gesuchstellers wurde auf
Antrag des B._______ C._______, D._______, mit der Rechtsvertretung (mit Substitutionsrecht) beauftragt
(vgl. A8/2). Gemäss der mit dem Revisionsgesuch eingereichten "Vereinbarung zur Sicherstellung
der Beiordnung einer rechtskundigen Person für unbegleitete minderjährige Asylsuchende während
des erstinstanzlichen Asylverfahrens im Kanton F._______" stellt D._______ für unbegleitete
minderjährige Asylsuchende eine juristisch qualifizierte Rechtsvertretung für die Dauer des
erstinstanzlichen Verfahrens sicher. Die erwähnte Rechtsvertreterin nahm an der kantonalen Anhörung
vom 18. März 2003 teil und ist auf dem Rubrum der BFF-Verfügung vom 2. Mai 2003 auch aufgeführt.
Im Urteil der ARK wird der Umstand, dass der Kanton für den Gesuchsteller C._______ als rechtskundige
Vertrauensperson ernannte, im Sachverhalt aufgeführt (Bst. A).
Im Beschwerdeverfahren
war der Gesuchsteller ebenfalls durch eine für D._______ tätige Mitarbeiterin, G._______, vertreten.
Sie wies sich durch eine vom Gesuchsteller unterzeichnete Vollmacht vom 13. Mai 2003 aus. Im Rubrum,
in der Zusammenfassung des Sachverhalts (Bst. D) und im Verteiler des angefochtenen Urteils wird aufgrund
dieser Vollmacht davon ausgegangen, G._______ sei die aktuelle Rechtsvertreterin.
2.3.2 Offensichtlich
ging die ARK fälschlicherweise davon aus, die Ernennung einer Vertrauensperson durch den Kanton
gelte auch für das Beschwerdeverfahren. Die im Revisionsverfahren eingereichte Vereinbarung zwischen
den Behörden des Kantons F._______ und D._______, aufgrund welcher die Ernennung einer Vertrauensperson
klarerweise nur für das erstinstanzliche Verfahren Gültigkeit hat, ist weder in den vorinstanzlichen
noch in den Beschwerdeakten enthalten. Zur Einschätzung, dass die Vertrauensperson auch zur Weiterführung
des Mandats im Beschwerdeverfahren befugt sei, mag der Umstand beigetragen haben, dass G._______ mit
Schreiben vom 6. Mai 2003 - d.h. nach Ergehen der vorinstanzlichen Verfügung vom 2. Mai 2003, welche
am 5. Mai 2003 eröffnet wurde - um Akteneinsicht ersuchte und dem BFF gleichzeitig mitteilte, sie
habe die Nachfolge von C._______ angetreten und nehme die rechtliche Vertretung im Asylverfahren des
Gesuchstellers wahr (vgl. A13/1).
Indessen ist zu berücksichtigen, dass mit der belegten
Ernennung einer Vertrauensperson durch die zuständigen Behörden nicht erforderlich ist, dass
die ernannte Person zusätzlich eine Vollmacht des betroffenen unbegleiteten minderjährigen
Asylsuchenden vorzulegen hat. Würde diese Ernennung auch für das Beschwerdeverfahren gelten,
müsste entsprechend keine Vollmacht eingereicht oder könnte darauf verzichtet werden, eine
solche zu verlangen. Vorliegend reichte G._______ jedoch mit der Beschwerde eine vom 13. Mai 2003 datierende
Vollmacht ein, in welcher der Gesuchsteller als Auftraggeber aufgeführt ist. Mit Eingabe an die
ARK vom 7. Juli 2003 wurde ohne Kommentar zudem die Kopie eines von D._______ verfassten, an das Vormundschaftssekretariat
der Wohnortsgemeinde des Gesuchstellers gerichteten Schreibens vom 4. Juli 2003 eingereicht, wonach die
Gemeinde um Vornahme vormundschaftlicher Massnahmen ersucht wird. In der darin enthaltenen Darstellung
des Sachverhalts wurde darauf hingewiesen, D._______ habe gestützt auf die mit dem B._______ getroffene
Vereinbarung für unbegleitete minderjährige Asylsuchende die rechtliche Vertretung des Gesuchstellers
"während des erstinstanzlichen Verfahrens" wahrgenommen.
2.3.3 Aufgrund dieser Sachlage
ergibt sich, dass die ARK damals zum Dossier gereichte Aktenstücke unrichtig gelesen hat und so
aus Versehen von ihrem wirklichen Wortsinn abgewichen ist, indem sie davon ausging, der Gesuchsteller
werde im Beschwerdeverfahren durch eine ihm vom Aufenthaltskanton beigegebene Vertrauensperson vertreten.
Dem objektiven Inhalt der Vollmacht ist indessen zu entnehmen, dass der Gesuchsteller und nicht B._______
als Auftraggeber für die Führung des Mandats im Beschwerdeverfahren auftritt. In Anbetracht
dieses Umstandes hätte dem Gesuchsteller zufolge des - bezüglich des Wegweisungsvollzuges -
teilweisen Obsiegens eine reduzierte Parteientschädigung entrichtet werden müssen (vgl. Art.
64 Abs. 1
VwVG), woraus sich ergibt, dass die versehentliche Nichtberücksichtigung eine erhebliche
Tatsache betrifft. Der Revisionsgrund von Art. 66 Abs. 2 Bst. b
VwVG ist somit erfüllt. Ziffer 6
des Dispositivs des revisionsweise angefochtenen Urteils der ARK vom 9. Oktober 2003 ist demnach aufzuheben.
2.4
2.4.1
In Berücksichtigung der Ausführungen unter E. 2.3.3 ergibt sich, dass dem Gesuchsteller zufolge
seines Obsiegens betreffend den Wegweisungsvollzug zumindest eine teilweise Parteientschädigung
zuzusprechen ist. Nachfolgend ist zu prüfen, ob dem Gesuchsteller aus den von ihm geltend gemachten
Gründen eine vollumfängliche Parteientschädigung zu entrichten ist.
2.4.2 Der Gesuchsteller
rügt eine Verletzung des rechtlichen Gehörs, weil ihm die Beschwerdeinstanz keine Kenntnis
von einer Praxisänderung betreffend den Nichteintretensentscheid und damit die Gelegenheit zum Rückzug
des diesbezüglichen Beschwerdeantrags gegeben habe, weshalb eine volle Parteientschädigung
gerechtfertigt sei.
2.4.3 Ein Beschwerdeentscheid wird in Revision gezogen, wenn die Partei nachweist,
dass die Beschwerdeinstanz die Bestimmungen der Art. 29
- 33
VwVG über das rechtliche Gehör
verletzt hat (Art. 66 Abs. 2 Bst. c
VwVG). Der Grundsatz des rechtlichen Gehörs umfasst neben dem
Recht des Anspruchsberechtigten auf Äusserung zum Sachverhalt, zum Beweisergebnis und zu den Rechtsfragen
auch ein Recht auf Orientierung und gewisse Prüfungspflichten der Behörden (vgl. BEERLI-BONORAND,
a.a.0., S. 129).
2.4.4 Gemäss bundesgerichtlicher Rechtsprechung ist eine neue Praxis grundsätzlich
sofort und in allen hängigen Verfahren anzuwenden. Eine Einschränkung dieses Grundsatzes kann
sich bei einer Klarstellung der bisherigen Rechtsprechung aus dem Grundsatz des Vertrauensschutzes ergeben
(vgl. Art. 9
der Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 [BV,
SR 101]).
In einem solchen Fall darf die neue Praxis nicht ohne vorgängige Ankündigung Anwendung finden
(vgl. BGE
132 II 159 E. 5.1).
2.4.5 Der Gesuchsteller durfte zum Zeitpunkt der Beschwerdeeinreichung
davon ausgehen, dass aufgrund der damaligen Praxis in Bezug auf den weiten Verfolgungsbegriff seinen
Beschwerdebegehren zu entsprechen gewesen wäre. Selbst die Beschwerdeinstanz ging davon aus, in
der ursprünglichen Verfahrenskonstellation hätte die angefochtene Verfügung des Bundesamtes
kassiert werden müssen (vgl. angefochtenes ARK-Urteil E. 3b S. 7). Im Grundsatzurteil vom 19. September
2003 (publiziert in
EMARK 2003 Nr. 18) wurde indessen der weite Verfolgungsbegriff insoweit eingeschränkt,
als darunter nicht sämtliche Wegweisungsvollzughindernisse fallen, sondern nur solche erlittene
oder befürchtete Nachteile, die von Menschenhand zugefügt werden. Im Urteil vom 9. Oktober
2003 wurde denn auch gestützt auf diese neue Praxis erwogen, das Alter und die damalige Minderjährigkeit
des Gesuchstellers seien nicht mehr unter den weiten Verfolgungsbegriff zu subsumieren, weshalb die Beschwerde
in Bezug auf das Nichteintreten abgewiesen wurde. Aus Gründen des Vertrauensschutzes wäre es
deshalb vorliegend geboten gewesen, dem Gesuchsteller unter Hinweis auf die vorgenommene Praxisänderung,
die in der vorgelegenen Konstellation zu seinem Nachteil führte, das rechtliche Gehör zu gewähren
und ihm Gelegenheit zu gewähren, die Beschwerde allenfalls teilweise zurückzuziehen. Indem
dies die ARK unterliess, verletzte sie das rechtliche Gehör. Ob in jedem Fall einer Praxisänderung
und unter welchen Umständen das rechtliche Gehör zu gewähren ist, kann offen bleiben.
2.4.6
Ohne die zwischenzeitlich eingetretene Praxisänderung wäre die BFF-Verfügung ursprünglich
zu kassieren gewesen. Damit hätte dem Hauptantrag des Gesuchstellers auf Aufhebung der angefochtenen
Verfügung entsprochen werden müssen. Indessen wurde die Beschwerde in Bezug auf das Nichteintreten
aufgrund der nachträglichen Praxisänderung abgewiesen. Diese Konstellation ist im Kostenpunkt
entsprechend zu berücksichtigen (vgl.
BVGE 2007/9 E. 7.2 S. 109,
EMARK 2003 Nr. 5), indem nicht
nur eine reduzierte (vgl. oben E. 2.3.3), sondern eine ganze Parteientschädigung zu entrichten ist
(Art. 64 Abs. 1
VwVG).
3.
Zusammenfassend ist festzustellen, dass es dem Gesuchsteller
gelingt, Revisionsgründe im Sinne von Art. 66 Abs. 2
Bstn. b und c VwVG darzutun. Das Revisionsgesuch
ist somit gutzuheissen. Ziffer 6 des Dispositivs des ARK-Urteils vom 9. Oktober 2003 ist aufzuheben und
dem Gesuchsteller ist eine - im Rahmen der gesetzlichen Bestimmungen liegende - ganze Parteientschädigung
zuzusprechen.
4.
Der Gesuchsteller reichte ein Kostennote für das Beschwerdeverfahren
im Umfang von Fr. 774.70 (inklusive Auslagen und Mehrwertsteuer) ein, welche als angemessen zu erachten
ist (vgl. Art. 8
der Verordnung über Kosten und Entschädigungen im Verwaltungsverfahren (KostenV,
SR 172.041.0). Das BFM ist somit anzuweisen, dem Gesuchsteller für das Beschwerdeverfahren eine
Parteientschädigung von Fr. 774.70 auszurichten.
5.
5.1 Bei diesem Ausgang des Revisionsverfahrens
sind keine Verfahrenskosten aufzuerlegen (Art. 63 Abs. 1
VwVG i.V.m. Art. 68 Abs. 2
VwVG).
5.2
Obsiegende Parteien haben Anspruch auf eine Parteientschädigung für die ihnen erwachsenen notwendigen
Kosten (Art. 64 Abs. 1
VwVG i.V.m. Art. 68 Abs. 2
VwVG, Art. 7 Abs. 1
des Reglements vom 21. Februar
2008 über die Kosten und Entschädigungen vor dem Bundesverwaltungsgericht [VGKE,
SR 173.320.2]).
Seitens der damaligen Rechtsvertretung wurde keine Kostennote für das Revisionsverfahren eingereicht.
Auf die Nachforderung einer solchen kann indes verzichtet werden, da im vorliegenden Verfahren der Aufwand
für den Gesuchsteller zuverlässig abgeschätzt werden kann. Die vom Bundesverwaltungsgericht
zu entrichtende Parteientschädigung ist von Amtes wegen und in Berücksichtigung der massgeblichen
Bemessungsfaktoren (vgl. Art. 8 ff
.
VGKE) auf Fr. 300.-- (inkl. allfällige Spesen und Mehrwertsteuer)
festzusetzen.
(Dispositiv nächste Seite)
Demnach erkennt das Bundesverwaltungsgericht:
1.
Das
Revisionsgesuch wird gutgeheissen.
2.
Das ARK-Urteil vom 9. Oktober 2003 wird hinsichtlich
der Frage der Parteientschädigung (Ziff. 6 des Urteilsdispositivs) aufgehoben.
3.
Das
BFM wird angewiesen, dem Gesuchsteller für das Beschwerdeverfahren eine Parteientschädigung
von Fr. 774.70 auszurichten.
4.
Für das Revisionsverfahren werden keine Kosten auferlegt.
5.
Dem
Gesuchsteller wird vom Bundesverwaltungsgericht für das Revisionsverfahren eine Parteientschädigung
von Fr. 300.-- ausgerichtet.
6.
Dieses Urteil geht an:
den Gesuchsteller (Einschreiben;
Beilage: Formular Zahladresse)
das BFM, Abteilung Aufenthalt, mit den Akten Ref.-Nr. N_______ (per
Kurier; in Kopie)
B._______ (in Kopie)
Der vorsitzende Richter: Der Gerichtsschreiber:
Thomas
Wespi Stefan Weber
Versand: