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Abteilung IV

D-5961/2017
mel

 

 

 

 

 

Urteil vom 27. Februar 2018

Besetzung

 

Richter Hans Schürch (Vorsitz),

Richter David R. Wenger, Richter Gérard Scherrer,  

Gerichtsschreiberin Regula Aeschimann.

 

 

 

Parteien

 

A._______, geboren am (...),

Iran, 

vertreten durch MLaw Michèle Künzi,

Berner Rechtsberatungsstelle für Menschen in Not,

Beschwerdeführer,

 

 

 

gegen

 

 

Staatssekretariat für Migration (SEM),

Quellenweg 6, 3003 Bern,

Vorinstanz.

 

 

 

Gegenstand

 

Asyl und Wegweisung;

Verfügung des SEM vom 22. September 2017 / N (...).

 

 

 


Sachverhalt:

A. 
Der Beschwerdeführer, ein iranischer Staatsangehöriger mit letztem Wohnsitz in B._______, verliess seinen Heimatstaat eigenen Angaben zufolge ungefähr im November 2014 in Richtung Türkei. Dort hielt er sich nahezu ein Jahr lang auf, bevor er über Griechenland und die sogenannte Balkanroute am 17. Oktober 2015 in die Schweiz gelangte. Gleichentags stellte er im Empfangs- und Verfahrenszentrum (EVZ) C._______ ein Asylgesuch. Am 22. Oktober 2015 wurde er zu seiner Person, seinem Reiseweg sowie summarisch zu seinen Asylgründen befragt (Befragung zur Person [BzP]). Die ausführliche Anhörung zu den Asylgründen erfolgte am 18. Oktober 2016.

B.   

B.a  Anlässlich der Befragungen machte der Beschwerdeführer im Wesentlichen geltend, er sei homosexuell und habe dies im Iran stets verheimlichen müssen. Während des Militärdienstes habe er mit einem anderen Mann in einem Badezimmer Geschlechtsverkehr gehabt, was einer seiner Dienstkameraden durch ein Fenster beobachtet und gemeldet habe. Als Strafe hätten er und sein Partner einen zusätzlichen Monat Dienst leisten müssen. Da es aber um das Ansehen der Diensteinheit gegangen sei, sei er deswegen nicht weiter verfolgt und Ende Dezember 2013 ordentlich aus dem Militärdienst entlassen worden. Er habe seine Homosexualität jedoch nie nach aussen zeigen können, weil dies von der iranischen Gesellschaft, den Leuten dort sowie seiner Familie nicht toleriert worden wäre. Deshalb habe er in dieser Hinsicht immer alle um sich herum und auch sich selbst belogen. Schliesslich habe er dies nicht mehr tun können respektive tun wollen und sich entschlossen, seinen Heimatstaat zu verlassen. Zuerst sei er in die Türkei gegangen, habe aber feststellen müssen, dass die Situation für ihn dort noch schlimmer sei als im Iran. Daraufhin habe er sich, nach einem Jahr Aufenthalt in der Türkei, entschieden, in die Schweiz weiterzureisen.

B.b  Als Beweismittel reichte der Beschwerdeführer Kopien seines Passes, seiner Geburtsurkunde (Shenasnameh) sowie seiner Entlassungsurkunde aus dem Militär zu den Akten.

C. 
Mit Verfügung vom 22. September 2017 - eröffnet am 25. September 2017 - stellte das SEM fest, der Beschwerdeführer erfülle die Flüchtlingseigenschaft nicht, lehnte sein Asylgesuch ab, verfügte die Wegweisung aus der Schweiz und ordnete deren Vollzug an.

D.   

D.a  Mit Eingabe vom 19. Oktober 2017 erhob der Beschwerdeführer durch seine Rechtsvertreterin Beschwerde gegen diesen Entscheid und beantragte, er sei als Flüchtling anzuerkennen und es sei ihm Asyl zu gewähren. Eventualiter sei er als Flüchtling anzuerkennen und vorläufig aufzunehmen, subeventualiter sei die angefochtene Verfügung aufzuheben und zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen. In prozessualer Hinsicht liess der Beschwerdeführer beantragen, es sei ihm die unentgeltliche Prozessführung zu gewähren, insbesondere sei ihm die unterzeichnende Juristin als amtliche Rechtsbeiständin beizuordnen sowie von der Erhebung eines Kostenvorschusses abzusehen.

D.b  Als Beschwerdebeilagen wurden - neben einer Vollmacht, der angefochtenen Verfügung, einer Fürsorgebestätigung sowie einer Kostennote - drei ausgedruckte E-Mail-Nachrichten vom 26. September 2017 (mit Übersetzung) und der iranische Führerschein des Beschwerdeführers im Original eingereicht.

E. 
Mit Zwischenverfügung vom 1. November 2017 stellte der Instruktionsrichter fest, der Beschwerdeführer könne den Ausgang des Verfahrens in der Schweiz abwarten. Er hiess die Gesuche um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege sowie um Bestellung einer amtlichen Rechtsbeiständin gut, verzichtete auf die Erhebung eines Kostenvorschusses und ordnete dem Beschwerdeführer MLaw Michèle Künzi als amtliche Rechtsbeiständin bei.

F. 
Das SEM reichte mit Schreiben vom 8. Dezember 2017 eine Vernehmlassung zur Beschwerde vom 19. Oktober 2017 ein. Der Beschwerdeführer liess daraufhin mit Eingabe vom 12. Januar 2018 eine Replik einreichen.


Das Bundesverwaltungsgericht zieht in Erwägung:

1.   

1.1  Gemäss Art. 31 VGG beurteilt das Bundesverwaltungsgericht Beschwerden gegen Verfügungen nach Art. 5 VwVG. Das SEM gehört zu den Behörden nach Art. 33 VGG und ist daher eine Vorinstanz des Bundesverwaltungsgerichts. Eine das Sachgebiet betreffende Ausnahme im Sinne von Art. 32 VGG liegt nicht vor. Das Bundesverwaltungsgericht ist daher zuständig für die Beurteilung der vorliegenden Beschwerde und entscheidet auf dem Gebiet des Asyls endgültig, ausser bei Vorliegen eines Auslieferungsersuchens des Staates, vor welchem die beschwerdeführende Person Schutz sucht (Art. 105 AsylG [SR 142.31]; Art. 83 Bst. d Ziff. 1 BGG). Eine solche Ausnahme im Sinne von Art. 83 Bst. d Ziff. 1 BGG liegt nicht vor, weshalb das Bundesverwaltungsgericht endgültig entscheidet.

1.2  Das Verfahren richtet sich nach dem VwVG, dem VGG und dem BGG, soweit das AsylG nichts anderes bestimmt (Art. 37 VGG und Art. 6 AsylG).

1.3  Die Beschwerde ist frist- und formgerecht eingereicht. Der Beschwerdeführer hat am Verfahren vor der Vorinstanz teilgenommen, ist durch die angefochtene Verfügung besonders berührt und hat ein schutzwürdiges Interesse an deren Aufhebung beziehungsweise Änderung; er ist daher zur Einreichung der Beschwerde legitimiert (Art. 105 und 108 Abs. 1 AsylG; Art. 48 Abs. 1 sowie Art. 52 Abs. 1 VwVG). Auf die Beschwerde ist einzutreten.

2. 
Die Kognition des Bundesverwaltungsgerichts und die zulässigen Rügen richten sich im Asylbereich nach Art. 106 Abs. 1 AsylG und im Bereich des Ausländerrechts nach Art. 49 VwVG (vgl. BVGE 2014/26 E. 5).

3.   

3.1  Gemäss Art. 2 Abs. 1 AsylG gewährt die Schweiz Flüchtlingen grundsätzlich Asyl. Flüchtlinge sind Personen, die in ihrem Heimatstaat oder im Land, in dem sie zuletzt wohnten, wegen ihrer Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen ihrer politischen Anschauungen ernsthaften Nachteilen ausgesetzt sind oder begründete Furcht haben, solchen Nachteilen ausgesetzt zu werden (Art. 3 Abs. 1 AsylG). Als ernsthafte Nachteile gelten namentlich die Gefährdung des Leibes, des Lebens oder der Freiheit sowie Massnahmen, die einen unerträglichen psychischen Druck bewirken (Art. 3 Abs. 2 AsylG).

3.2  Wer um Asyl nachsucht, muss die Flüchtlingseigenschaft nachweisen oder zumindest glaubhaft machen. Diese ist glaubhaft gemacht, wenn die Behörde ihr Vorhandensein mit überwiegender Wahrscheinlichkeit für gegeben hält. Unglaubhaft sind insbesondere Vorbringen, die in wesentlichen Punkten zu wenig begründet oder in sich widersprüchlich sind, den Tatsachen nicht entsprechen oder massgeblich auf gefälschte oder verfälschte Beweismittel abgestützt werden (Art. 7 AsylG). Das Bundesverwaltungsgericht hat die Anforderungen an das Glaubhaftmachen der Vorbringen in einem Leitentscheid (BVGE 2010/57 E. 2.2 und 2.3) dargelegt und folgt dabei ständiger Praxis; darauf kann hier verwiesen werden.

4.   

4.1  Das SEM begründete seine ablehnende Verfügung im Wesentlichen damit, dass es dem Beschwerdeführer nicht gelungen sei, seine Homosexualität glaubhaft zu machen. Seine diesbezüglichen Vorbringen wiesen zahlreiche Widersprüche und Unstimmigkeiten auf. An der BzP habe er angegeben, im Iran eine homosexuelle Liebesbeziehung und auch Geschlechtsverkehr mit einem Freund gehabt zu haben. Er sei aber nicht homosexuell, die Sache sei einfach passiert. Demgegenüber habe anlässlich der Anhörung ausgesagt, er habe bereits im Alter von 18 Jahren gemerkt, dass er homosexuell sei. Er habe aber stets sich selbst, seine Familie und die Gesellschaft belogen und versucht, seine Homosexualität zu "heilen". Ansonsten habe er im Iran keine Probleme wegen seiner sexuellen Orientierung gehabt. Seine Angaben zum Zeitpunkt, als er seine homosexuelle Veranlagung entdeckt habe und wie er damit umgegangen sei, seien jedoch vage und inkonsistent ausgefallen. Überhaupt seien seine Vorbringen wenig konkret, detailarm und es fehle ihnen an Realkennzeichen. Des Weiteren würden zentrale Elemente seiner Aussage der Logik des Handelns widersprechen. So sei es angesichts der rechtlichen Situation von Homosexuellen im Iran und der weitverbreiteten Intoleranz diesen gegenüber nicht nachvollziehbar, dass der Beschwerdeführer im Militärdienst in einem durch ein Fenster einsehbaren Badezimmer Geschlechtsverkehr gehabt haben soll. Dasselbe gelte auch für sein mangelndes Interesse an Online-Plattformen, Lebensweisen und Treffpunkten von schwulen Männern im Iran sowie seine fehlenden Kenntnisse diesbezüglich.

Sodann gebe es weitere Umstände, welche die Glaubhaftigkeit der Angaben des Beschwerdeführers in Zweifel ziehen. So habe er in Bezug auf seine Ausreise an der BzP gesagt, er habe den Iran vor 21 - 23 Tagen verlassen und sei illegal in die Türkei eingereist. Bei der Anhörung dagegen habe er erklärt, er sei mit seinem Pass legal in die Türkei gereist und habe dort ein Jahr lang gelebt. Ebenso habe er sich im Verlauf des Verfahrens widersprüchlich zu seinem Pass geäussert. Da er ausserdem nur Kopien von seinen Dokumenten eingereicht habe, obwohl er über Originale verfüge, sei er seiner Mitwirkungspflicht nicht ausreichend nachgekommen und seine Identität stehe bis heute nicht zweifelsfrei fest.

Die Vorinstanz führte weiter aus, selbst wenn die sexuelle Orientierung des Beschwerdeführers trotz aller Unstimmigkeiten der Wahrheit entsprechen würde, wäre sie nicht asylrelevant. Im Iran liege gemäss der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts keine Kollektivverfolgung von Homosexuellen vor, weshalb im Einzelfall zu prüfen sei, ob jemand einer asylrelevanten Verfolgung ausgesetzt sei oder eine solche zu befürchten habe. Vorliegend gebe es keine Hinweise darauf, dass dies der Fall wäre, nachdem der Beschwerdeführer erklärt habe, im Iran nie Probleme mit seiner sexuellen Orientierung gehabt zu haben. Weder habe jemand von seiner Homosexualität gewusst noch habe er aufgrund des Vorfalls im Militär konkrete Befürchtungen gehabt. Ausserdem gebe es keine Anzeichen dafür, dass das Nichtausleben der Homosexualität zu einem unerträglichen psychischen Druck geführt hätte, welcher ein menschenwürdiges Leben verunmöglicht hätte.

Im Zusammenhang mit dem Wegweisungsvollzug hielt die Vorinstanz fest, dass weder die politische Situation im Heimatstaat des Beschwerdeführers noch andere Gründe gegen seine Rückkehr sprechen würden. Aus den Akten seien auch keine individuellen Umstände ersichtlich, welche den Vollzug der Wegweisung in den Iran als unzumutbar erscheinen liessen. Der Beschwerdeführer verfüge sowohl über ein tragfähiges soziales Netz als auch über eine solide Ausbildung und Berufserfahrung.

4.2  In der Beschwerdeschrift wurde dem entgegengehalten, dass sich die Situation im Heimatstaat des Beschwerdeführers in der Zwischenzeit zugespitzt habe. Die Familie des Mannes, mit dem er im Militärdienst Geschlechtsverkehr gehabt habe - sein Name sei D._______ (phon.) - habe Anzeige wegen Vergewaltigung erstattet. Aufgrund der Anzeige könne er keinen Kontakt mehr mit seinen Eltern aufnehmen. Sein ebenfalls in B._______ lebender Cousin habe ihm am 26. September 2017 per E-Mail mitgeteilt, dass er von der Polizei gesucht werde und dass sein Vater bereits für Befragungen auf den Polizeiposten habe gehen müssen. Der Cousin habe ihn ausserdem gefragt, ob während des Wehrdienstes etwas vorgefallen sei, das die Familie von D._______ dazu gebracht habe, sich über ihn zu beschweren. Aus diesen E-Mails gehe hervor, dass sich die Verfolgung im Heimatstaat intensiviert habe. In der Schweiz habe er sich dagegen ausserordentlich schnell integriert und nehme regelmässig an Treffen für Homosexuelle teil. Vor einigen Monaten habe er auch seinen Schweizer Partner kennengelernt.

Bei der Prüfung der Glaubhaftigkeit der homosexuellen Ausrichtung eines Asylsuchenden sei - dies gehe auch aus der diesbezüglichen Rechtsprechung des EuGH hervor - die individuelle und persönliche Situation des Betroffenen zu berücksichtigen. Es handle sich um äusserst sensible Informationen, welche die persönliche Sphäre und die Sexualität betreffen. Vorliegend sei das Aussageverhalten des Beschwerdeführers durchaus nachvollziehbar. Aufgrund von kulturell bedingten Hemmungen habe er insbesondere an der BzP nicht frei und offen über seine Probleme sprechen können. Im Iran würden Kinder schon früh mit religiösen Werten und Lehren konfrontiert und Homosexualität werde bis heute als Krankheit betrachtet. Auch der Beschwerdeführer habe anfänglich versucht, sich mithilfe von Ratschlägen aus dem Internet zu "heilen". Vor diesem Hintergrund sei das anfängliche Zögern, seine Homosexualität preiszugeben, verständlich. Sodann treffe die Feststellung der Vorinstanz, dass er aufgrund seiner sexuellen Orientierung nie Probleme gehabt habe, nicht zu. Er habe die entsprechende Frage mit "Nein, es ist nichts vorgefallen, ich habe immer gelogen" beantwortet. Dass es zu keinen Problemen gekommen sei, sei folglich auf sein eigenes Verhalten zurückzuführen. Dem Vorwurf, er habe den Zeitpunkt der Entdeckung seiner Homosexualität vage beschrieben, sei entgegenzuhalten, dass dies angesichts der Umstände im Iran nachvollziehbar sei. Er habe lange versucht, seine Neigung zu unterbinden und vor sich selbst nicht zuzugeben. Weiter sei es verständlich, dass er nicht auf Anhieb korrekte Angaben zu seiner Ausreise aus dem Iran sowie seinem Aufenthalt in der Türkei gemacht habe, weil er befürchtet habe, in die Türkei abgeschoben zu werden. Im Zusammenhang mit den Identitätsdokumenten sei es dem Beschwerdeführer in der Zwischenzeit mithilfe seines Cousins aus B._______ gelungen, seinen Führerschein im Original erhältlich zu machen, welcher nun auf Beschwerdeebene nachgereicht werde. Es handle sich dabei zwar nicht um ein offizielles Identitätsdokument, dennoch vermöge dieser die Identitätsangaben des Beschwerdeführers zu stützen. Die Vorinstanz habe keine Gesamtbeurteilung der Glaubhaftigkeitselemente vorgenommen, sondern einzig jene Indizien berücksichtigt, die gegen die Glaubhaftigkeit sprächen. Bei einer Gesamtwürdigung würden die Elemente, welche für die Glaubhaftigkeit seiner Aussagen sprächen, überwiegen.

Im Iran werde Homosexualität nicht nur gesellschaftlich geächtet, sondern auch strafrechtlich verfolgt, wobei unter Umständen sogar die Todesstrafe drohe. Es gebe verschiedene Berichte von ausgeführten Hinrichtungen. Da der Beschwerdeführer habe glaubhaft machen können, dass er homosexuell sei, drohe ihm in seiner Heimat eine asylrelevante Verfolgung. Das Argument der Vorinstanz, dass er seine Homosexualität im Iran "einfach nicht ausleben" könne, stehe jeglicher Menschenwürde entgegen, da es sich dabei um einen grundlegenden Aspekt der menschlichen Identität handle.

Falls das Gericht davon ausgehen würde, dass dem Beschwerdeführer kein Asyl gewährt werden könne, so wäre er zumindest aufgrund von subjektiven Nachfluchtgründen vorläufig aufzunehmen. Er besitze mittlerweile in der Schweiz eine eindeutig homosexuelle Identität und wäre somit bei einer Rückkehr in den Iran konkret gefährdet. Er befinde sich in einer gefestigten Beziehung und treffe sich mit anderen Homosexuellen im öffentlichen Raum. Wenn auch die Flüchtlingseigenschaft nicht anerkannt werden könnte, so lägen doch ernsthafte Gründe für die Annahme vor, dass ihm im Iran ein reales Risiko einer unmenschlichen Behandlung oder Bestrafung drohe. Der Vollzug der Wegweisung wäre folglich nicht zumutbar, weil eine Verletzung von Art. 3 EMRK drohen würde.

4.3  In seiner Vernehmlassung hielt das SEM an seiner Verfügung und den dortigen Erwägungen fest. Ergänzend führte es aus, dass die geltend gemachte verschärfte Verfolgungssituation in keiner Weise glaubhaft gemacht werden konnte. Den eingereichten E-Mails komme kein Beweiswert zu, da diese von einer beliebigen Person mit beliebigem Inhalt und aus reiner Gefälligkeit erstellt und versendet werden könnten, ohne dass deren Autor oder Inhalt überprüft werden könne. Der Umstand, dass die E-Mails am Tag nach der Aushändigung des negativen Entscheides - rund vier Jahre nach dem Vorfall während des Militärdienstes - zugesandt worden seien, lasse erhebliche Zweifel an der Glaubhaftigkeit ihres Inhaltes aufkommen. Es sei kein Interesse von Seiten der Familie von D._______ oder von ihm selber ersichtlich, nun Anzeige zu erstatten und den Fall damit neu aufzurollen. Vielmehr würde ihnen dabei drohen, mit der im Iran als "Schande" stigmatisierten Homosexualität in Verbindung gebracht zu werden. Selbst wenn von einem solchen Interesse auszugehen wäre, so hätten die Beteiligten wohl kaum vier Jahre gewartet, bevor sie eine Anzeige eingereicht hätten. Falls es früher zu den geltend gemachten Anschuldigungen gekommen wäre, so wäre der Beschwerdeführer sicherlich darüber informiert worden und hätte nicht erst nach Erhalt der Verfügung davon erfahren. Der Zeitpunkt der E-Mails - genau einen Tag nach Eröffnung des Asylentscheids - deute vielmehr darauf hin, dass er versuche, nachträglich und in missbräuchlicher Weise eine asylrelevante Gefährdung zu konstruieren. Es sei nicht ersichtlich, dass sich der Beschwerdeführer darum bemüht hätte, in diesem Zusammenhang Beweismittel für die Verhaftungen oder die Anzeige zu beschaffen; er stütze sich lediglich auf die nicht überprüfbaren E-Mails ab.

Sodann hätten auch die vorgebrachten regelmässigen Besuche eines institutionalisierten Treffens für Homosexuelle in E._______ und die neue Partnerschaft mit einem Schweizer einen äusserst geringen Beweiswert und könnten die im angefochtenen Entscheid dargelegten Zweifel und Ungereimtheiten im Zusammenhang mit der sexuellen Orientierung nicht ausräumen. Sie seien kaum nachweisbar und in keiner Weise belegt.

Im Weiteren gelte es festzuhalten, dass die Zweifel an der geltend gemachten sexuellen Orientierung auf Widersprüchen beruhten, welche zentrale Aussageelemente betreffen und sich nicht durch kulturelle Hemmungen erklären liessen. Der Beschwerdeführer habe an der Anhörung eingeräumt, gewisse anlässlich der BzP gemachten Angaben würden nicht den Tatsachen entsprechen respektive seien eine reine Erfindung. Dies stelle seine persönliche Glaubwürdigkeit erheblich in Frage. Auch habe er nicht in konsistenter und substantiierter Weise über die Entdeckung und den Umgang mit seiner Homosexualität berichten können.

Der Beschwerdeführer habe den Iran nicht wegen einer konkreten Gefährdung aufgrund des Vorfalls im Militär, sondern wegen der allgemeinen Lebensbedingungen verlassen. Die in der Beschwerdeschrift gerügte Formulierung, der Beschwerdeführer könne seine Homosexualität im Heimatstaat "einfach nicht ausleben", komme in der angefochtenen Verfügung nicht vor. Vielmehr werde auf die Praxis des Bundesverwaltungsgerichtes verwiesen, welche festhalte, dass nicht von einer kollektiven Verfolgung von Homosexuellen im Iran auszugehen sei.

4.4  In der Replik führte der Beschwerdeführer aus, dass es für ein solch persönliches Merkmal wie die sexuelle Orientierung keine Beweismittel gebe. Er lebe seine Homosexualität hierzulande öffentlich aus, gehe regelmässig zu Treffen mit anderen Homosexuellen und lebe in einer Partnerschaft. Es sei nicht nachvollziehbar, dass die Vorinstanz diesem eindeutigen Verhalten als Homosexueller einen "äusserst geringen Beweiswert" beimesse. Bei einer Rückkehr in den Iran bestehe ein reelles Risiko, dass er aufgrund seiner sexuellen Orientierung einer unmenschlichen Behandlung ausgesetzt sei, da seit einiger Zeit regelmässig Hinrichtungen von homosexuellen Männer bekannt geworden seien. Auf die Unterstützung seiner Familie könne er nicht mehr zählen, seit mit der Anzeige von D._______ öffentlich bekannt geworden sei, dass er homosexuelle Handlungen vorgenommen habe. Aufgrund des Vorfalls im Militärdienst habe er sodann nicht nur länger Dienst leisten müssen, er und D._______ seien auch weiteren Repressalien sowie sexueller Gewalt ausgeliefert gewesen. Sie hätten sich dagegen aber nicht wehren können, weil sonst die gleichgeschlechtliche Beziehung ans Tageslicht gekommen wäre und sie eine Verfolgung von Seiten ihrer Familien sowie der iranischen Behörden zu befürchten gehabt hätten. Es sei eine Abmachung zwischen ihm und D._______ gewesen, dass letzterer die Anzeige gegen ihn erst einreichen würde, sobald er habe fliehen können.

Entgegen der Ansicht der Vorinstanz treffe es nicht zu, dass der Erhalt der E-Mails des Cousins am Tag nach der Eröffnung des Asylentscheids Zweifel an deren Inhalt aufkommen lasse. Der Beschwerdeführer habe erst zu diesem Zeitpunkt das erste Mal versucht, Kontakt mit seiner Familie aufzunehmen, und zwar aus Angst um sein Leben, wenn er tatsächlich in den Iran zurückmüsste. Nachdem der Beschwerdeführer seine Homosexualität vor seiner Familie verborgen hatte, sei diese sichtlich enttäuscht gewesen, als sie von dem Vorfall im Militär erfahren habe. Weil er sich wegen seiner sexuellen Orientierung geschämt habe, seine Familie aber nicht länger habe anlügen können und wollen, sei es naheliegend gewesen, den Kontakt ganz abzubrechen. Somit sei es verständlich, dass er seine Familie erst kontaktiert habe, als bekannt wurde, dass ihm eine Rückkehr in den Iran drohe. Seine Eltern hätten seine Telefonanrufe aber nicht beantwortet; einzig sein Cousin, zu dem er früher ein gutes Verhältnis gepflegt habe, habe ihm per E-Mail geantwortet.

D._______ habe die Anzeige im Übrigen nicht erst vier Jahre später eingeleitet, vielmehr habe der Beschwerdeführer die entsprechende Information erst hier in der Schweiz - durch seinen Cousin - erhalten. Dessen Familie habe sehr wohl ein vernünftiges Interesse an einer Anzeige wegen Vergewaltigung, da sich D._______ in diesem Fall vom Vorwurf der eigenen Homosexualität befreien könne. Weil es dem Beschwerdeführer nicht möglich sei, über seine Familie oder sonst jemanden Dokumente bezüglich des Vorfalls im Militär oder der Strafanzeige zu beschaffen, sei eine Botschaftsabklärung die einzige Möglichkeit, Klarheit in diese Angelegenheit zu bringen.

Der Beschwerdeführer habe aufgrund seiner Homosexualität bereits ernsthafte Nachteile durch die Militärbehörden erlitten. Er hätte wegen dieses Vorfalls sowie seiner sexuellen Orientierung bei einer Rückkehr in den Iran mit einer Gefahr für Leib und Leben zu rechnen. Auch wenn nicht von einer Kollektivverfolgung von Homosexuellen ausgegangen werden könne, bestehe ein erhebliches Risiko für eine drohende Verfolgung. Angesichts der individuellen Umstände des Beschwerdeführers sei seine Furcht vor einer Verfolgung im Sinne von Art. 3 AsylG begründet.

5.   

5.1  Das im Jahr 2013 in Kraft gesetzte iranische Strafgesetzbuch bedroht Homosexualität mit erheblichen Strafen. Der homosexuelle Geschlechtsverkehr kann unter bestimmten Umständen die Todesstrafe nach sich ziehen oder, wie auch andere sexuelle Handlungen unter gleichgeschlechtlichen Partnern, mit bis zu 100 Peitschenhieben bestraft werden. Es gibt immer wieder Berichte sowohl von Verurteilungen als auch von Exekutionen aufgrund dieser Strafbestimmungen, wobei genaue Zahlen aber kaum erhältlich sind (vgl. zum Ganzen Urteil des Bundesverwaltungsgerichts
D-891/2013 vom 17. Januar 2014 E. 4.1 ff.).

5.2  Die Anforderungen an die Feststellung einer Kollektivverfolgung sind sehr hoch. Von einer solchen ist nur auszugehen, wenn eine relativ grosse Anzahl Personen eines bestimmten Kollektivs einer flüchtlingsrelevanten Verfolgung ausgesetzt sind. Eine solche setzt als erstes, unbestrittenes Erfordernis voraus, dass Betroffene die Zugehörigkeit zum entsprechenden Kollektiv nachweisen müssen. Sodann müssen die flüchtlingsrechtlich zu beurteilenden Massnahmen in gezielter Art und Weise gegen das Kollektiv gerichtet sein, eine gewisse Intensität aufweisen und über das hinausgehen, was andere Teile der Bevölkerung an Nachteilen und Übergriffen hinzunehmen haben. Aus der Verfolgung einzelner, zum Kollektiv gehörenden Personen kann dabei nicht ohne weiteres auf die Verfolgung des Kollektivs geschlossen werden. Die gezielten und intensiven Nachteile müssen vielmehr zum Ziel haben, möglichst alle Mitglieder des Kollektivs zu treffen, und sie müssen in Relation zur Grösse des Kollektivs eine bestimmte Dichte aufweisen, so dass der Einzelne aus der erheblichen Wahrscheinlichkeit heraus, selbst verfolgt zu werden, objektiv begründete Furcht hat. Erheblich ist eine solche Wahrscheinlichkeit vor Verfolgung dann, wenn in der Vergangenheit ein beträchtlicher Anteil des Kollektivs tatsächlich ernsthafte Nachteile zu erleiden hatte.

5.3  Im vorgenannten Urteil D-891/2013 prüfte das Bundesverwaltungsgericht das Vorliegen einer Kollektivverfolgung von Homosexuellen im Iran. Dabei kam es zum Schluss, dass die hohen Anforderungen an eine Kollektivverfolgung nicht erfüllt seien (vgl. a.a.O. E. 5.1). Es sei festzuhalten, dass im Iran Homosexuellen erhebliche Strafen bis hin zur Todesstrafe drohen könnten. Die asylrechtlich relevante Motivation, die Gezieltheit und die Intensität solcher Verfolgung werde dabei nicht in Abrede gestellt. Inwiefern und wie oft die Todesstrafe oder andere gravierende Strafen aber tatsächlich (einzig) wegen Homosexualität verhängt würden, lasse sich aber kaum feststellen. Die strengen Anforderungen an eine Kollektivverfolgung in dem Sinne, dass jeder Homosexuelle im Iran wegen seiner sexuellen Ausrichtung mit erheblicher Wahrscheinlichkeit ernsthafte Nachteile zu gewärtigen hat, erschienen nicht als erfüllt. Obwohl es auch zu Verurteilungen wegen homosexueller Handlungen gekommen sei, könne - trotz Schwierigkeiten bei der Quantifizierung - nicht davon ausgegangen werden, dass ein beträchtlicher Anteil des Kollektivs tatsächlich ernsthafte Nachteile zu erleiden hatte. Vielmehr sei in Anbetracht der repressiven Lage vor Ort die Homosexualität eines iranischen Beschwerdeführers als erhebliches Risiko für eine möglicherweise drohende Verfolgung zu werten. Ob diese im Falle der Rückkehr des Betroffenen mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit tatsächlich eintreten werde, sei im Einzelfall sorgfältig zu prüfen (vgl. a.a.O. E. 5.3).

5.4  Dies steht im Ergebnis auch in Übereinstimmung mit der jüngeren Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) vom 7. November 2013 (C-199/12, C-200/12, C-201/12). Darin wurde festgehalten, homosexuelle Asylsuchende könnten eine bestimmte soziale Gruppe bilden, die der Verfolgung wegen ihrer sexuellen Ausrichtung ausgesetzt sei. So sei die sexuelle Orientierung ein bedeutendes Merkmal der Identität, weshalb von einem Asylsuchenden nicht erwartet werden könne, dass er seine Homosexualität geheim halte oder sich beim Ausleben dieser sexuellen Ausrichtung zurückhalte, um eine Verfolgung zu vermeiden. Ein strafrechtliches Verbot der Homosexualität beziehungsweise eine Freiheitsstrafe für homosexuelle Handlungen stelle aber nur dann einen genügend schwerwiegenden Eingriff in die Grundrechte des Betroffenen dar, wenn die Strafen in der Praxis auch verhängt würden. Entsprechend müssten die nationalen Gerichte künftig herausfinden, wie oft eine Freiheitsstrafe tatsächlich ausgesprochen werde.

6.   

6.1  Das SEM hielt es vorliegend nicht für glaubhaft, dass der Beschwerdeführer homosexuell sei. Dies wurde namentlich damit begründet, dass seine Angaben widersprüchlich und unsubstanziiert seien sowie kaum Realkennzeichen enthielten. Dem hielt der Beschwerdeführer entgegen, es sei angesichts seines kulturellen Hintergrundes verständlich, dass er sich nicht von Anfang an habe frei und offen äussern können.

Es ist nicht von der Hand zu weisen, dass die Angaben des Beschwerdeführers teilweise erheblich voneinander abweichen. So nannte er anlässlich der BzP als Grund für seine Flucht, dass er eine Liebesbeziehung mit einem gleichgeschlechtlichen Partner gehabt habe. Gleichzeitig erklärte er explizit, er sei nicht homosexuell, dies sei einfach passiert (vgl. A7, Ziff. 7.01 f.). Bei der Anhörung führte er demgegenüber aus, er habe schon im Alter von 18 Jahren gemerkt, dass er homosexuell veranlagt sei. Er habe das vorher nicht gesagt, weil er stets seine Familie, die Gesellschaft und auch sich selbst belogen habe. Als er in die Türkei gegangen sei, habe er gedacht, er könne nun in einem freien Land leben. Dann habe sich jedoch herausgestellt, dass die Situation für ihn dort noch schlimmer sei als im Iran. Als er in der Folge in die Schweiz gekommen sei, habe er nicht gewusst, was er erzählen solle; er habe nicht gewusst ob er homosexuell sein wolle oder nicht (vgl. A15, F45). Es ist der Vorinstanz zuzustimmen, dass es seltsam erscheint, dass der Beschwerdeführer zwar von Anfang an als Fluchtgrund eine homosexuelle Beziehung angibt, gleichzeitig aber erklärt, nicht homosexuell zu sein, nur um später geltend zu machen, dies sei eben doch der Fall. Dieses Aussageverhalten ist auch mit kulturell bedingten Hemmungen nur schwer nachvollziehbar, da der Beschwerdeführer eine homosexuelle Beziehung als Fluchtmotiv bereits zu Beginn und von sich aus in den Raum gestellt hat. Ebenso machte er geltend, er sei in die Türkei gegangen, weil er es nicht mehr ausgehalten habe, seine Familie und sich selbst in Bezug auf seine sexuelle Orientierung anzulügen (A15, F49 und F124). Es erscheint fragwürdig, dass der Beschwerdeführer zwar seine Heimat verlassen haben will, weil er es nicht mehr aushält, seine Homosexualität zu verbergen, gleichzeitig aber angibt, sich bei seiner - rund ein Jahr späteren - Ankunft in der Schweiz nicht im Klaren darüber zu sein, ob er homosexuell "sein wolle oder nicht". Sodann trifft es auch zu, dass der Beschwerdeführer auf die Fragen nach der Entdeckung seiner Homosexualität und wie er damit umgegangen sei, nur sehr vage und wenig detaillierte Antworten gibt (vgl. A15, F69 ff.). Andrerseits ist auch zu berücksichtigen, dass es sich bei der sexuellen Orientierung um eine sehr persönliche Angelegenheit handelt und es - gerade für Personen aus einem Kulturkreis, der Homosexualität pönalisiert und gesellschaftlich ächtet - durchaus schwer fallen kann, sich offen darüber zu äussern und detailliert zu beschreiben, wie sich die sexuelle Identität entwickelt hat. Die diesbezüglichen Angaben des Beschwerdeführers sind zwar eher knapp, jedoch mehrheitlich konsistent. Er macht sodann geltend, in der Schweiz regelmässig Treffen von Homosexuellen zu besuchen und sich in einer partnerschaftlichen Beziehung zu befinden. Zwar führt die Vorinstanz zu Recht aus, dies werde bloss behauptet und nicht belegt. Es trifft aber auch zu, dass die sexuelle Orientierung einer Person schlicht nicht mit objektiven Beweismitteln nachgewiesen werden kann. Wie nachfolgend aufzuzeigen ist, kann die Frage nach der Homosexualität des Beschwerdeführers vorliegend aber offen gelassen werden.

6.2  Entscheidend ist nicht, ob der Beschwerdeführer tatsächlich homosexuell ist, sondern welche Auswirkungen dies auf sein Leben im Iran hatte respektive bei einer Rückkehr haben würde. In diesem Zusammenhang machte der Beschwerdeführer geltend, dass er in erster Linie aufgrund des Vorfalls im Militärdienst und der späteren Anzeige der Familie von D._______ mit einer (intensivierten) Verfolgung rechnen müsste. Hierzu ist vorab festzuhalten, dass er bei den Befragungen erklärte, die einzige Konsequenz dieses Vorfalls sei es gewesen, dass er einen Monat länger habe Dienst leisten müssen. Weil es um das Ansehen der Einheit gegangen sei, sei der Fall nicht bekannt gemacht worden (A15, F61). Nun wird auf Beschwerdeebene respektive in der Replik geltend gemacht, dass der Beschwerdeführer mit D._______ vereinbart habe, dass dieser erst nach seiner Ausreise Anzeige erstatten werde. D._______ beziehungsweise dessen Familie hätten entgegen der Ansicht der Vorinstanz ein Interesse an einer Anzeige, weil sich dieser damit dem Vorwurf der Homosexualität entziehen könne. Dies erscheint vor dem Hintergrund, dass der Vorfall im Militär gar nicht bekannt gemacht wurde, wenig überzeugend. Es ist nicht ersichtlich, warum die Familie von D._______ überhaupt davon erfahren haben sollte. Falls sie tatsächlich davon Kenntnis erlangt hätte, würde sich die Frage stellen, warum sie mit einer Anzeige hätten zuwarten sollen.

Sodann will der Beschwerdeführer erst nach dem negativen Asylentscheid von der Anzeige erfahren haben. Sein Cousin habe ihm dies per E-Mail am 26. September 2017 - am Tag nach der Eröffnung der angefochtenen Verfügung - mitgeteilt. Hierzu ist festzuhalten, dass der Einwand der Vorinstanz, dass ein E-Mail jederzeit von einer beliebigen Person mit beliebigem Inhalt versendet werden kann, ohne dass diesbezüglich Überprüfungen möglich wären, zweifellos berechtigt ist. Dies wird auch deutlich durch die Angabe in der Beschwerdeschrift, dass der Cousin - angeblich aus Sicherheitsgründen - nicht seine eigene E-Mailadresse verwendet habe. Eine Prüfung des Absenders und erst recht eine solche des Inhalts der E-Mail-Nachrichten fallen offensichtlich ausser Betracht. Auch im Kontext der gesamten Ausführungen des Beschwerdeführers sind erhebliche Zweifel an diesen Nachrichten angebracht. So begründete er den Umstand, dass er die Information, es laufe gegen ihn im Iran ein Strafverfahren, erst nach dem Asylentscheid erhalten habe, damit, dass er zuvor den Kontakt zu seiner Familie abgebrochen habe. Dies sei für ihn naheliegend gewesen, weil er sich für seine sexuelle Orientierung geschämt habe und seine Familie nicht länger habe anlügen wollen. Anlässlich der Anhörung im Oktober 2016 gab er aber noch an, er stehe in telefonischem Kontakt mit seinen Eltern (vgl. A15, F19 f.). Es ist kaum denkbar, dass diese ihn nicht über ein allfälliges gegen ihn laufendes Strafverfahren informiert hätten. Der angebliche Vorfall im Militärdienst fand jedoch im Oktober 2013 statt. Aus welchem Grund D._______ oder dessen Familie rund drei Jahre danach noch hätte Anzeige erstatten sollen, ist nicht nachvollziehbar. Es muss der Vorinstanz zugestimmt werden, dass kein Interesse an einer solchen Anzeige ersichtlich ist. Selbst eine allfällige Abmachung zwischen dem Beschwerdeführer und D._______, die Anzeige erst einzureichen, nachdem ersterer das Land verlassen hatte, vermag diesen Sachverhalt nicht ausreichend zu erklären. Im Zeitpunkt der Anhörung hatte der Beschwerdeführer seine Heimat schon seit ungefähr zwei Jahren verlassen und eine entsprechende Anzeige hätte schon längst gemacht werden können.

Nach dem Gesagten vermag der Beschwerdeführer nicht glaubhaft zu machen, dass er am Tag nach der Eröffnung des negativen Asylentscheides darüber informiert worden sein soll, dass in seinem Heimatstaat ein Strafverfahren gegen ihn laufe und sein Vater deswegen bereits mehrmals festgenommen und befragt worden sei. Nicht nachvollziehbar ist die Erklärung, dass er erst nach der ablehnenden Verfügung und angesichts seiner drohenden Rückkehr in den Iran mit seiner Familie in Kontakt getreten sei. Er stand bereits zuvor in telefonischem Kontakt mit seinen Eltern und es geht aus den Ausführungen des Beschwerdeführers nicht hervor, wann und aus welchem konkreten Anlass der Kontakt abgebrochen worden sein soll.

Hinzu kommt, dass der Beschwerdeführer den Vorfall im Militärdienst nur vage beschrieb und seine diesbezügliche Schilderung kaum Realkennzeichen enthält. Es würde sich bei einer derartigen Angelegenheit keineswegs um eine Bagatelle handeln. Wie er selbst zutreffend ausführte, hätte ihm ein Strafverfahren und mithin sogar die Todesstrafe drohen können, wenn die Sache zur Anzeige gebracht worden wäre. Trotz des Umstands, dass es sich um ein einschneidendes Ereignis gehandelt haben müsste, beschränken sich seine Angaben hierzu auf wenige Sätze. Auch auf Nachfrage vermag er kaum präzisierende Ausführungen zu machen. Sodann schildert er die angeblich erlittene Verfolgung nicht konstant, sondern stellt sie als immer gravierender dar. So führte er bei den Befragungen noch aus, dass der Vorfall abgesehen von der Verlängerung des Dienstes keine Folgen nach sich gezogen habe (vgl. A15, F61 und F95). In der Beschwerde machte er geltend, er habe soeben erfahren, dass deswegen gegen ihn Anzeige erstattet worden sei. Schliesslich brachte er auf Replikebene vor, er sei nach dem Vorfall im Militärdienst weiteren Repressalien und auch sexueller Gewalt ausgesetzt gewesen. Die Erklärungen für dieses Aussageverhalten, namentlich der fehlende Kontakt mit seiner Familie und Hemmungen, über die Thematik zu sprechen, vermögen jedoch nicht zu überzeugen. Des Weiteren räumte der Beschwerdeführer ein, in Bezug auf verschiedene Sachverhaltselemente - die angebliche Verfolgung seines Freundes im Iran, den Zeitpunkt seiner Ausreise in die Türkei sowie seinen Pass - teilweise wissentlich zuerst falsche Angaben gemacht zu haben (vgl. A15, F7 ff., F43, F152). Es trifft zwar zu, dass er einzelne Punkte von sich aus korrigiert hat. Im gesamten Kontext seiner Vorbringen, die teils widersprüchlich und unsubstanziiert ausgefallen sind und kaum Realkennzeichen enthalten, sind diese unrichtigen Angaben aber ein Indiz für die fehlende persönliche Glaubwürdigkeit des Beschwerdeführers.

Zusammenfassend ist in Übereinstimmung mit der Vorinstanz festzustellen, dass es dem Beschwerdeführer nicht gelungen ist, eine Verfolgung im Iran glaubhaft zu machen, weil er homosexuell sei. Weder ist es glaubhaft, dass er im Militärdienst beim Sex mit einem anderen Mann ertappt worden sei, noch dass in der Folge eine Strafanzeige gegen ihn eingereicht wurde und er nun gar mit einer intensivierten Verfolgung zu rechnen hätte. Vor diesem Hintergrund erscheint auch die in der Replik erwähnte Botschaftsabklärung nicht erforderlich. Einerseits ist es fraglich, ob mit einer solchen Abklärung das Vorliegen einer blossen Anzeige respektive eines laufenden Strafverfahrens festgestellt werden könnte. Andrerseits erscheinen die Umstände rund um dieses angebliche Verfahren derart vage und konstruiert, dass eine Botschaftsabklärung nicht zielführend erscheint, um neue Erkenntnisse zu gewinnen. Der Beschwerdeführer stand im Zeitpunkt der Anhörung noch telefonisch in Kontakt mit seiner Familie, welche ihm offenbar nichts von einem laufenden Strafverfahren erzählte. Es erscheint höchst unwahrscheinlich, dass erst danach, mithin rund drei Jahre nach dem behaupteten Vorfall, noch eine Anzeige eingereicht worden wäre. Nachdem nicht nur die Umstände, wie der Beschwerdeführer von der Anzeige erfahren haben will, zweifelhaft sind, sondern auch der Vorfall selbst nicht als glaubhaft angesehen werden kann, ist von einer diesbezüglichen Botschaftsabklärung abzusehen.

6.3  Auf Beschwerdeebene wurde geltend gemacht, die sexuelle Orientierung gehöre zu den grundlegenden Merkmalen der menschlichen Identität. Die Abweisung eines Asylgesuchs, das sich auf entsprechende Vorbringen stütze, dürfe demnach nicht damit begründet werden, eine Person könne sich einer Verfolgung entziehen, wenn sie einen weniger auffälligen Lebensstil pflegen würde. Somit erfülle der Beschwerdeführer, der eine Verfolgung aufgrund seiner Homosexualität habe glaubhaft machen können, die Anforderungen an Art. 3 AsylG und sei als Flüchtling anzuerkennen. Tatsächlich sind Homosexuelle im Iran aufgrund der gesellschaftlichen und strafrechtlichen Bedingungen dazu gezwungen, ihre sexuelle Orientierung nicht öffentlich bekannt zu machen. Ebenso sehen sie sich in Bezug auf ihr Privatleben mit erheblichen Einschränkungen konfrontiert. Diese stellen gemäss der Rechtsprechung aber für sich noch keinen ernsthaften Nachteil im Sinne von Art. 3 AsylG dar. Deren Vorliegen setzt eine gewisse Intensität der Eingriffe voraus, wobei grundsätzlich hohe Anforderungen an solche Verfolgungsmassnahmen zu stellen sind. Sie müssen derart ernsthaft und intensiv sein, dass damit dem Betroffenen ein menschenwürdiges Leben verunmöglicht wird (vgl. Walter Stöckli, Asyl, in: Uebersax/Rudin/Hugi Yar/Geiser [Hrsg.], Ausländerrecht, 2009, Rz. 11.13 ff.). Diese Anforderungen sind beim Beschwerdeführer nicht erfüllt. Er erklärte anlässlich der Anhörung, dass im Iran niemand von seiner Homosexualität gewusst habe und dass er deswegen nie verfolgt worden sei (A15, F50 und F98). Sollten seine Angaben zutreffen, dass er sich im Alter von 18 Jahren seiner sexuellen Orientierung bewusst geworden ist, so hätte er danach bis zu seiner Ausreise noch rund fünf Jahre im Heimatstaat gelebt, ohne dabei einer Verfolgung ausgesetzt gewesen zu sein. Der geltend gemachte Vorfall im Militär sowie die darauf folgenden Konsequenzen konnten nicht glaubhaft gemacht werden. Es ist deshalb davon auszugehen, dass zu keinem Zeitpunkt die konkrete Gefahr einer Verfolgung aufgrund der geltend gemachten Homosexualität bestanden hat. Die weiteren vom Beschwerdeführer vorgebrachten Nachteile - er habe es nicht mehr ausgehalten, seine Familie, die Gesellschaft und sich selbst zu belügen - sind nicht als genügend intensiv einzustufen. Es kann nicht davon ausgegangen werden, dass im Zeitpunkt seiner Ausreise eine konkrete Gefahr bestanden hat, dass seine angebliche Homosexualität mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit entdeckt und in asylrelevanter Weise geahndet werde. Aus den in der Beschwerdeschrift zitierten Berichten zur allgemeinen Situation von Homosexuellen im Iran kann der Beschwerdeführer keine begründete Furcht vor Verfolgung ableiten.

7.   

7.1  Wer sich darauf beruft, dass durch sein Verhalten nach der Ausreise aus dem Heimat- oder Herkunftsstaat - etwa durch ein illegales Verlassen des Landes - eine Gefährdungssituation erst geschaffen worden ist, macht sogenannte subjektive Nachfluchtgründe im Sinne von Art. 54 AsylG geltend. Subjektive Nachfluchtgründe begründen zwar die Flüchtlingseigenschaft im Sinne von Art. 3 AsylG, führen jedoch gemäss Art. 54 AsylG zum Ausschluss des Asyls, unabhängig davon, ob sie missbräuchlich oder nicht missbräuchlich gesetzt wurden. Stattdessen werden Personen, welche subjektive Nachfluchtgründe nachweisen oder glaubhaft machen können, als Flüchtlinge vorläufig aufgenommen (vgl. BVGE 2009/28 E. 7.1). Im Folgenden ist zu prüfen, ob der Beschwerdeführer durch sein Verhalten nach der Ausreise eine zukünftige Verfolgung durch die iranischen Behörden zu befürchten hat und aus diesem Grund die Flüchtlingseigenschaft erfüllt.

7.2  Der Beschwerdeführer macht geltend, er verfüge in der Zwischenzeit in der Schweiz über eine "eindeutig homosexuelle Identität" und müsste bei einer Rückkehr mit einer Gefahr für Leib und Leben rechnen. Angesichts der Strafen, welche der Iran für Homosexualität vorsehe, bestehe beim Beschwerdeführer allein aufgrund des Umstandes, dass er homosexuell sei, bereits ein reales Risiko, dass er in seinem Heimatstaat unmenschlich behandelt oder bestraft werde.

7.3  Es ist festzuhalten, dass es dem Beschwerdeführer - selbst wenn seine Homosexualität vorliegend als glaubhaft anzusehen wäre - nicht gelungen ist, eine konkrete Verfolgung nachzuweisen oder glaubhaft zu machen. Vielmehr führte er bei der Anhörung noch explizit aus, im Iran wisse niemand von seiner Homosexualität. Ausserdem ist er weder politisch aktiv noch hatte er jemals Probleme mit den Behörden seines Heimatstaates. Auch wenn er hierzulande seine geltend gemachte sexuelle Orientierung in der Öffentlichkeit auslebt, besteht kein Grund zur Annahme, dass dies den iranischen Behörden zur Kenntnis gelangte und sie ihn deswegen verfolgen würden. Der Beschwerdeführer hat sich nie in irgendeiner Form exponiert und es sind keine Gründe ersichtlich, weshalb er ein besonderes Profil aufweisen sollte, welches die Aufmerksamkeit der iranischen Sicherheitskräfte auf sich ziehen könnte. Somit ist auch bei einer allfälligen Überprüfung des Beschwerdeführers im Zuge einer Wiedereinreise nicht davon auszugehen, dass er, allein aufgrund des Umstandes, dass er homosexuell sei, mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit strafrechtlich belangt respektive einer konkreten Gefahr für Leib und Leben ausgesetzt würde. Vor diesem Hintergrund kann die Frage, ob die Homosexualität des Beschwerdeführers glaubhaft ist, offen gelassen werden. Er erfüllt die Voraussetzungen für die Anerkennung der Flüchtlingseigenschaft selbst dann nicht, wenn diese glaubhaft gemacht wäre.

8. 
Zusammenfassend ist es dem Beschwerdeführer nicht gelungen, eine im Zeitpunkt seiner Ausreise bestehende oder unmittelbar drohende asylrechtliche Verfolgung nachzuweisen oder glaubhaft zu machen. Auch für den heutigen Zeitpunkt kann ihm keine begründete Furcht vor asylrelevanter Verfolgung im Heimatstaat zuerkannt werden. Das SEM hat somit zu Recht die Flüchtlingseigenschaft verneint und das Asylgesuch abgelehnt.

9.   

9.1  Lehnt das Staatssekretariat das Asylgesuch ab oder tritt es darauf nicht ein, so verfügt es in der Regel die Wegweisung aus der Schweiz und ordnet den Vollzug an; es berücksichtigt dabei den Grundsatz der Einheit der Familie (Art. 44 AsylG).

9.2  Der Beschwerdeführer verfügt weder über eine ausländerrechtliche Aufenthaltsbewilligung noch über einen Anspruch auf Erteilung einer solchen. Die Wegweisung wurde demnach zu Recht angeordnet (Art. 44 AsylG; vgl. BVGE 2013/37 E 4.4; 2009/50 E. 9, je m.w.H.).

10.   

10.1  Ist der Vollzug der Wegweisung nicht zulässig, nicht zumutbar oder nicht möglich, so regelt das Staatssekretariat das Anwesenheitsverhältnis nach den gesetzlichen Bestimmungen über die vorläufige Aufnahme (Art. 44 AsylG; Art. 83 Abs. 1 AuG [SR 142.20]).

Beim Geltendmachen von Wegweisungsvollzugshindernissen gilt gemäss Praxis des Bundesverwaltungsgerichts der gleiche Beweisstandard wie bei der Prüfung der Flüchtlingseigenschaft; das heisst, sie sind zu beweisen, wenn der strikte Beweis möglich ist, und andernfalls wenigstens glaubhaft zu machen (vgl. BVGE 2011/24 E. 10.2 m.w.H.).

10.2  Der Vollzug ist nicht zulässig, wenn völkerrechtliche Verpflichtungen der Schweiz einer Weiterreise der Ausländerin oder des Ausländers in den Heimat-, Herkunfts- oder einen Drittstaat entgegenstehen (Art. 83 Abs. 3 AuG).

So darf keine Person in irgendeiner Form zur Ausreise in ein Land gezwungen werden, in dem ihr Leib, ihr Leben oder ihre Freiheit aus einem Grund nach Art. 3 Abs. 1 AsylG gefährdet ist oder in dem sie Gefahr läuft, zur Ausreise in ein solches Land gezwungen zu werden (Art. 5 Abs. 1 AsylG; vgl. ebenso Art. 33 Abs. 1 des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge [FK, SR 0.142.30]).

Gemäss Art. 25 Abs. 3 BV, Art. 3 des Übereinkommens vom 10. Dezember 1984 gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe (FoK, SR 0.105) und der Praxis zu Art. 3 EMRK darf niemand der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen werden.

10.3  Die Vorinstanz wies in ihrer angefochtenen Verfügung zutreffend darauf hin, dass das Prinzip des flüchtlingsrechtlichen Non-Refoulements nur Personen schützt, welche die Flüchtlingseigenschaft erfüllen. Da es dem Beschwerdeführer nicht gelungen ist, eine asylrechtlich erhebliche Gefährdung nachzuweisen oder glaubhaft zu machen, kann der in Art. 5 AsylG verankerte Grundsatz der Nichtrückschiebung im vorliegenden Verfahren keine Anwendung finden. Eine Rückkehr des Beschwerdeführers in den Heimatstaat ist demnach unter dem Aspekt von Art. 5 AsylG rechtmässig.

Sodann ergeben sich weder aus den Aussagen des Beschwerdeführers noch aus den Akten Anhaltspunkte dafür, dass er für den Fall einer Ausschaffung in den Heimatstaat dort mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit einer nach Art. 3 EMRK oder Art. 1 FoK verbotenen Strafe oder Behandlung ausgesetzt wäre. Gemäss der Praxis des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR) sowie jener des UN-Anti-Folterausschusses müsste der Beschwerdeführer eine konkrete Gefahr («real risk») nachweisen oder glaubhaft machen, dass ihm im Fall einer Rückschiebung Folter oder unmenschliche Behandlung drohen würde (vgl. Urteil des EGMR Saadi gegen Italien vom 28. Februar 2008, Grosse Kammer 37201/06, §§ 124-127 m.w.H.). Auch die allgemeine Menschenrechtssituation im Iran lässt den Wegweisungsvollzug zum heutigen Zeitpunkt nicht als unzulässig erscheinen. Nach dem Gesagten ist der Vollzug der Wegweisung sowohl im Sinne der asyl- als auch der völkerrechtlichen Bestimmungen zulässig.

10.4  Gemäss Art. 83 Abs. 4 AuG kann der Vollzug für Ausländerinnen und Ausländer unzumutbar sein, wenn sie im Heimat- oder Herkunftsstaat aufgrund von Situationen wie Krieg, Bürgerkrieg, allgemeiner Gewalt und medizinischer Notlage konkret gefährdet sind. Wird eine konkrete Gefährdung festgestellt, ist - unter Vorbehalt von Art. 83 Abs. 7 AuG - die vorläufige Aufnahme zu gewähren.

10.5  Im Iran besteht keine Situation allgemeiner Gewalt, die sich über das ganze Staatsgebiet oder weite Teile desselben erstrecken würde. Eine gänzlich unsichere, von bewaffneten Konflikten oder permanent drohenden Unruhen dominierte Lage, aufgrund derer der Beschwerdeführer sich bei einer Rückkehr unvermeidlich einer konkreten Gefährdung ausgesetzt sehen würde, liegt nicht vor. Aufgrund der Aktenlage besteht auch kein Grund zur Annahme, er gerate im Falle einer Rückkehr in den Iran aus individuellen Gründen wirtschaftlicher, sozialer oder medizinischer Natur in eine existenzbedrohende Situation, die den Vollzug der Wegweisung als unzumutbar erscheinen liesse. Der Beschwerdeführer ist grundsätzlich gesund und verfügt über eine elfjährige Schulbildung sowie Arbeitserfahrung als selbständiger (...). Seine Eltern sowie drei Brüder - die alle erwerbstätig sind - leben noch in B._______. Die Eltern arbeiten zwar nicht, erhalten aber Mieteinnahmen aus einem Laden sowie einem Haus (vgl. A15, F22 ff.). Somit verfügt der Beschwerdeführer in seiner Heimat über ein solides Beziehungsnetz, auf das er bei Bedarf zurückgreifen könnte. Es erscheint nicht glaubhaft, dass er den Kontakt zu seiner Familie, den er bis zur Anhörung hin gemäss eigenen Angaben problemlos aufrechterhalten konnte, in der Zwischenzeit abgebrochen hat. Nach dem Gesagten erweist sich der Vollzug der Wegweisung auch als zumutbar.

10.6  Schliesslich obliegt es dem Beschwerdeführer, sich bei der zuständigen Vertretung des Heimatstaates die für eine Rückkehr notwendigen Reisedokumente zu beschaffen (vgl. Art. 8 Abs. 4 AsylG und dazu auch BVGE 2008/34 E. 12), weshalb der Vollzug der Wegweisung auch als möglich zu bezeichnen ist (Art. 83 Abs. 2 AuG).

10.7  Zusammenfassend hat die Vorinstanz den Wegweisungsvollzug zu Recht als zulässig, zumutbar und möglich bezeichnet. Eine Anordnung der vorläufigen Aufnahme fällt somit ausser Betracht (Art. 83 Abs. 1-4 AuG).

11. 
In der Beschwerdeschrift wird subeventualiter beantragt, die angefochtene Verfügung sei aufzuheben und die Sache zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen. Nach Auffassung des Gerichts ist der Sachverhalt vorliegend rechtsgenüglich erstellt und es gibt keinen Grund, die Sache zur neuen Beurteilung an das SEM zurückzuweisen. Sodann ergibt sich aus den vorstehenden Erwägungen, dass die angefochtene Verfügung Bundesrecht nicht verletzt und - soweit diesbezüglich überprüfbar - angemessen ist. Die Beschwerde ist abzuweisen.

12.   

12.1  Bei diesem Ausgang des Verfahrens wären die Kosten grundsätzlich dem Beschwerdeführer aufzuerlegen (Art. 63 Abs. 1 VwVG). Nachdem ihm mit Zwischenverfügung vom 1. November 2017 die unentgeltliche Rechtspflege gewährt wurde und sich die finanziellen Verhältnisse gemäss Aktenlage bisher nicht verändert haben, sind keine Verfahrenskosten zu erheben.

12.2  Ebenfalls mit Zwischenverfügung vom 1. November 2017 wurde dem Beschwerdeführer MLaw Michèle Künzi als amtliche Rechtsbeiständin im Sinne von Art. 110a Abs. 1 AsylG beigeordnet. Folglich ist ihr ein amtliches Honorar zu entrichten (vgl. für die Grundsätze der Bemessung der Parteientschädigung Art. 7 ff. des Reglements über die Kosten und Entschädigungen vor dem Bundesverwaltungsgericht vom 21. Februar 2008 [VGKE, SR 173.320.2]). Mit Eingabe vom 12. Januar 2018 reichte die Rechtsvertreterin eine aktualisierte Kostennote mit einem Gesamtbetrag von Fr. 3'257.60 zu den Akten. Darin wies sie einen Aufwand von 16.5 Stunden à Fr. 180.- (zuzüglich Mehrwertsteuer) sowie Barauslagen im Umfang von Fr. 50.- aus. Das Gericht legt bei nicht-anwaltlichen Rechtsbeiständen den Stundenansatz für das amtliche Honorar praxisgemäss bei Fr. 100.- bis Fr. 150.- fest. Der Stundenansatz ist vorliegend übersetzt und auf Fr. 150.- zu reduzieren. Auch der in der Kostennote veranschlage Zeitaufwand erscheint im Vergleich zu ähnlichen Fällen und angesichts des eher geringen Aktenumfangs überhöht und ist zu reduzieren. Das Honorar wird deshalb pauschal und einschliesslich aller Auslagen auf Fr. 1'650.- festgesetzt.

(Dispositiv nächste Seite)

Demnach erkennt das Bundesverwaltungsgericht:

1. 
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2. 
Es werden keine Verfahrenskosten erhoben.

3. 
Die als amtliche Rechtsbeiständin eingesetzte Rechtsvertreterin wird mit einem Honorar von Fr. 1'650.- entschädigt.

4. 
Dieses Urteil geht an den Beschwerdeführer, das SEM und die zuständige kantonale Behörde.

 

Der vorsitzende Richter:

Die Gerichtsschreiberin:

 

 

Hans Schürch

Regula Aeschimann

 

 

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