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Abteilung IV

D-5221/2016
lan

 

 

 

 

 

Urteil vom 31. Oktober 2018

Besetzung

 

Richter Thomas Wespi (Vorsitz),

Richter Fulvio Haefeli, Richter Hans Schürch,

Richter Jean-Pierre Monnet,

Richterin Nina Spälti Giannakitsas,  

Gerichtsschreiber Daniel Widmer.

 

 

 

Parteien

 

A._______, geboren am (...),

sowie deren Kinder

B._______, geboren am (...), und

C._______, geboren am (...),

Afghanistan,  

alle vertreten durch Urs Jehle, ass. iur., Caritas Schweiz,

(...),

Beschwerdeführerinnen,

 

 

 

gegen

 

 

Staatssekretariat für Migration (SEM),

Quellenweg 6, 3003 Bern,

Vorinstanz.

 

 

 

Gegenstand

 

Nichteintreten auf Asylgesuch und Wegweisung

(Dublin-Verfahren);

Verfügung des SEM vom 10. August 2016 / N (...).

 


Sachverhalt:

A. 
A._______ (nachstehend: Beschwerdeführerin) suchte am (...) 2016 für sich und ihre beiden Kinder in der Schweiz um Asyl nach.

Ein Abgleich mit der europäischen Fingerabdruck-Datenbank (Zentraleinheit Eurodac) ergab, dass sie am (...) Juni 2016 in Bulgarien sowie am (...) 2016 in D._______ um Asyl ersucht hatte, wobei sie am (...) 2016 in D._______ aufgegriffen worden war.

B. 
Am 14. Juli 2016 wurde die Beschwerdeführerin im Empfangs- und Verfahrenszentrum (EVZ) E._______ zu ihrer Person und zum Reiseweg befragt (sogenannte Befragung zur Person, BzP). Dabei erklärte sie insbesondere, dass sie zusammen mit ihrem (Verwandter) und dessen Familie (vgl. N [...] bzw. D-.) von Afghanistan in die Schweiz gereist sei.

Anlässlich der BzP wurde der Beschwerdeführerin das rechtliche Gehör zu einem allfälligen Nichteintretensentscheid und der Möglichkeit einer Überstellung nach Bulgarien gewährt, welcher Staat gemäss Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen   oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist (nachfolgend: Dublin-III-VO) grundsätzlich für die Behandlung ihres Asylgesuchs zuständig sei. Zudem wurde ihr das rechtliche Gehör zum medizinischen Sachverhalt gewährt. Diesbezüglich gab sie zu Protokoll, dass die bulgarischen Behörden mit ihr und ihren beiden Kindern sehr schlecht umgegangen seien. Sie habe nicht beabsichtigt, dort Asyl zu beantragen, sei aber dazu gezwungen worden. Seit (...) Jahren bekomme sie, wenn sie psychisch unter Druck gerate, plötzlich starke Kopfschmerzen, würden ihre (...) und (...), wobei sie auch in Bulgarien, als die Beamten ihren (Verwandten) geschlagen und zum Durchsuchen ausgezogen hätten, und in D._______ je einen solchen Anfall erlitten habe. In Afghanistan habe sie nichts dagegen unternommen. In Bulgarien und D._______ seien ihr jedoch anlässlich von (...)stündigen Spitalaufenthalten Spritzen verabreicht und Elektrokardiogramme (EKG) gemacht worden. Zum Zeitpunkt der BzP in der Schweiz sei sie nicht medikamentös behandelt worden.

C. 
Am 28. Juli 2016 ersuchte das SEM die bulgarischen Behörden um Übernahme der Beschwerdeführerinnen im Sinne von Art. 18 Abs. 1 Bst. b Dublin-III-VO. Am 9. August 2016 stimmten die bulgarischen Behörden dem Gesuch um Übernahme zu.

D. 
Mit Verfügung vom 10. August 2016 - eröffnet am 25. August 2016 - trat das SEM in Anwendung von Art. 31a Abs. 1 Bst. b AsylG (SR 142.31) auf die Asylgesuche der Beschwerdeführerinnen nicht ein und ordnete die Wegweisung aus der Schweiz nach Bulgarien an. Gleichzeitig verfügte das SEM die Aushändigung der editionspflichtigen Akten gemäss Aktenverzeichnis an die Beschwerdeführerinnen und stellte fest, einer allfälligen Beschwerde gegen den Entscheid komme keine aufschiebende Wirkung zu.

E. 
Mit Beschwerde vom 29. August 2016 (Poststempel; Eingabe datiert vom 26. August 2016) an das Bundesverwaltungsgericht liessen die Beschwerdeführerinnen beantragen, die vorinstanzliche Verfügung sei aufzuheben,  die Zuständigkeit der Schweiz sei festzustellen und die Asylgesuche seien materiell zu prüfen. Eventualiter sei das Verfahren zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen.

In prozessualer Hinsicht wurde um Erteilung der aufschiebenden Wirkung der Beschwerde, um Anweisung der Vollzugsbehörden, im Rahmen einer vorsorglichen Massnahme bis zum Entscheid über die Erteilung der aufschiebenden Wirkung von Vollzugshandlungen abzusehen, um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege sowie um Beiordnung eines Rechtsbeistandes ersucht.

Als Beweismittel wurden eine Fürsorgebestätigung und sowie eine Kopie des Urteils des Bundesverwaltungsgerichts E-1191/2016 vom 25. April 2016 eingereicht.

F. 
Mit Instruktionsverfügung vom 31. August 2016 setzte der Instruktionsrichter den Vollzug der Überstellung der Beschwerdeführerinnen gestützt auf Art. 56 VwVG per sofort einstweilen aus.

G. 
Mit am 15. Mai 2017 beim Bundesverwaltungsgericht eingegangenem Schreiben vom 11. Mai 2017 fragte das Amt für Migration des Kantons F._______ bezüglich Stand des Verfahrens an.

Diese Anfrage wurde am 17. Mai 2017 beantwortet.

H. 
Mit Zwischenverfügung vom 10. Juli 2017 hiess der zuständige Instruktionsrichter das Gesuch um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege im Sinne von Art. 65 Abs. 1 VwVG gut und verzichtete auf die Erhebung eines Kostenvorschusses. Zudem wurde das Gesuch um Gewährung der unentgeltlichen Verbeiständung gemäss Art. 65 Abs. 2 VwVG abgewiesen.

I. 
Die Vorinstanz hielt in ihrer Stellungnahme vom 26. Juli 2017 vollumfänglich an ihren Erwägungen fest und beantragte die Abweisung der Beschwerde.

J. 
Die vorinstanzliche Stellungnahme wurde den Beschwerdeführerinnen am 27. Juli 2017 unter Ansetzen einer Frist zu allfälligen Gegenäusserungen (Replik) zur Kenntnis gebracht.

Die Beschwerdeführerinnen liessen am 4. August 2017 (Poststempel; Eingabe datiert vom 3. August 2017) fristgereicht ihre Replik zu den Akten reichen und an ihren Anträgen festhalten. Mit der Eingabe wurden ein Quellenverzeichnis bezüglich Berichten zur Situation Asylsuchender und von Dublin-Rückkehrern in Bulgarien, eine Abschrift des Urteils (...) des Verwaltungsgerichts (Ausland) vom (...) und ein ärztlicher Bericht vom (...) 2017 der Ärztin der Beschwerdeführerin zu den Akten gereicht.

K. 
Mit am 28. August 2017 beim Bundesverwaltungsgericht eingegangenem Schreiben vom 24. August 2017 ersuchte das Amt für Migration des Kantons F._______ um ein baldiges Urteil/beförderliche Behandlung des Verfahrens.

L. 
Am 28. Mai 2018 lud das Gericht die Vorinstanz zu einer weiteren Vernehmlassung ein.

M. 
In der Vernehmlassung vom 18. Juni 2018 äusserte sich die Vorinstanz zur Beschwerde.

 

Das Bundesverwaltungsgericht zieht in Erwägung:

1.   

1.1  Gemäss Art. 31 VGG beurteilt das Bundesverwaltungsgericht Beschwerden gegen Verfügungen nach Art. 5 VwVG. Das SEM gehört zu den Behörden nach Art. 33 VGG und ist daher eine Vorinstanz des Bundesverwaltungsgerichts. Eine das Sachgebiet betreffende Ausnahme im Sinne von Art. 32 VGG liegt nicht vor. Das Bundesverwaltungsgericht ist daher zuständig für die Beurteilung der vorliegenden Beschwerde und entscheidet auf dem Gebiet des Asyls in der Regel - und so auch vorliegend - endgültig (Art. 105 AsylG; Art. 83 Bst. d Ziff. 1 BGG). Das Verfahren richtet sich nach dem VwVG, dem VGG und dem BGG, soweit das AsylG nichts anderes bestimmt (Art. 37 VGG und Art. 6 AsylG).

1.2  Die Beschwerde ist frist- und formgerecht eingereicht. Die Beschwerdeführerinnen haben am Verfahren vor der Vorinstanz teilgenommen, sind durch die angefochtene Verfügung besonders berührt und haben ein schutzwürdiges Interesse an deren Aufhebung beziehungsweise Änderung. Sie sind daher zur Einreichung der Beschwerde legitimiert (Art. 105 und 108 Abs. 2 AsylG; Art. 48 Abs. 1 sowie Art. 52 VwVG). Auf die Beschwerde ist einzutreten.

1.3  Die Vernehmlassung des SEM vom 18. Juni 2018 (siehe oben Bst. M.) wurde den Beschwerdeführerinnen bisher nicht zugestellt. Aus Gründen der Transparenz ist ihnen dieses Dokument in Kopie als Beilage zum vorliegenden Urteil zuzustellen.

2.   

2.1  Mit Beschwerde kann im Asylbereich die Verletzung von Bundesrecht, einschliesslich Missbrauch und Überschreiten des Ermessens, sowie die unrichtige oder unvollständige Feststellung des rechtserheblichen Sachverhalts gerügt werden (Art. 106 Abs. 1 AsylG).

2.2  Bei Beschwerden gegen Nichteintretensentscheide, mit denen es das SEM ablehnt, das Asylgesuch auf seine Begründetheit hin zu überprüfen (Art. 31a Abs. 1-3 AsylG), ist die Beurteilungskompetenz der Beschwerdeinstanz grundsätzlich auf die Frage beschränkt, ob die Vorinstanz zu Recht auf das Asylgesuch nicht eingetreten ist (vgl. BVGE 2012/4 E. 2.2 m.w.H.).

3.   

3.1  Auf Asylgesuche wird in der Regel nicht eingetreten, wenn Asylsuchende in einen Drittstaat ausreisen können, der für die Durchführung des Asyl- und Wegweisungsverfahrens staatsvertraglich zuständig ist (Art. 31a Abs. 1 Bst. b AsylG). Zur Bestimmung des staatsvertraglich zuständigen Staates prüft das SEM die Zuständigkeitskriterien gemäss Dublin-III-VO. Führt diese Prüfung zur Feststellung, dass ein anderer Mitgliedstaat für die Prüfung des Asylgesuchs zuständig ist, tritt das SEM, nachdem der betreffende Mitgliedstaat einer Überstellung oder Rücküberstellung zugestimmt hat, auf das Asylgesuch nicht ein.

3.2  Gemäss Art. 3 Abs. 1 Dublin-III-VO wird jeder Asylantrag von einem einzigen Mitgliedstaat geprüft, der nach den Kriterien des Kapitels III (Art. 8-15 Dublin-III-VO) als zuständiger Staat bestimmt wird. Jedes dieser Kriterien wird nur angewendet, wenn das vorangehende Kriterium im spezifischen Fall nicht anwendbar ist (Prinzip der Hierarchie der Zuständigkeitskriterien; vgl. Art. 7 Abs. 1 Dublin-III-VO).

Erweist es sich als unmöglich, einen Antragsteller in den eigentlich zuständigen Mitgliedstaat zu überstellen, weil es wesentliche Gründe für die Annahme gibt, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Antragsteller in jenem Mitgliedstaat systemische Schwachstellen aufweisen, die eine Gefahr einer unmenschlichen oder entwürdigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (2012/C 326/02, nachfolgend: EU-Grundrechtecharta) mit sich bringen, ist zu prüfen, ob aufgrund dieser Kriterien ein anderer Mitgliedstaat als zuständig bestimmt werden kann. Kann kein anderer Mitgliedstaat als zuständig bestimmt werden, wird der die Zuständigkeit prüfende Mitgliedstaat zum zuständigen Mitgliedstaat (Art. 3 Abs. 2 Dublin-III-VO).

3.3  Der nach dieser Verordnung zuständige Mitgliedstaat ist verpflichtet, einen Antragsteller, der während der Prüfung seines Antrags in einem anderen Mitgliedstaat einen Antrag gestellt hat oder der sich im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats ohne Aufenthaltstitel aufhält, nach Maßgabe der Artikel 23, 24, 25 und 29 wieder aufzunehmen (Art. 18 Abs. 1 Bst. b Dublin-III-VO).

3.4  Jeder Mitgliedstaat kann abweichend von Art. 3 Abs. 1 Dublin-III-VO beschliessen, einen bei ihm von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen gestellten Antrag auf internationalen Schutz zu prüfen, auch wenn er nach den in dieser Verordnung festgelegten Kriterien nicht für die Prüfung zuständig ist (Art. 17 Abs. 1 Satz 1 Dublin-III-VO; sog. Selbsteintrittsrecht).

4.   

4.1  Ein Abgleich der Fingerabdrücke der Beschwerdeführerin mit der «Eurodac»-Datenbank ergab, dass sie am (...) Juni 2016 in Bulgarien um Asyl nachgesucht hatte. Das SEM ersuchte deshalb die bulgarischen Behörden am 28. Juli 2016 um Übernahme der Beschwerdeführerinnen gestützt auf Art. 18 Abs. 1 Bst. b Dublin-III-VO. Die bulgarischen Behörden stimmten dem Übernahmeersuchen am 10. August 2016 zu, womit sie die Zuständigkeit Bulgariens explizit anerkannten.

Die grundsätzliche Zuständigkeit Bulgariens ist somit gegeben, was von den Beschwerdeführerinnen nicht bestritten wird.

4.2  In seiner Verfügung vom 10. August 2016 führte das SEM insbesondere aus, der von der Beschwerdeführerin geäusserte Wunsch nach einem weiteren Verbleib in der Schweiz habe keinen Einfluss auf die Zuständigkeit für das Asyl- und Wegweisungsverfahren, da es grundsätzlich nicht Sache der betroffenen Person sei, den für ihr Asylverfahren zuständigen Staat selber zu bestimmen, sondern die Bestimmung des für sie zuständigen Staates alleine den beteiligten Dublin-Vertragsstaaten obliege. Im Weiteren habe Bulgarien die Richtlinien 2013/32/EU (Verfahrensrichtlinie), 2011/95/EU (Qualifikationsrichtlinie) und 2013/33/EU (Aufnahmerichtlinie) umgesetzt. Im Rahmen des rechtlichen Gehörs habe die Beschwerdeführerin angegeben, sie und ihre Kinder seien in Bulgarien sehr schlecht behandelt worden. Indes - so das SEM - sei Bulgarien ein Rechtsstaat mit funktionierendem Justizsystem, weshalb sie sich dort gegebenenfalls mit einer Beschwerde an die zuständigen Stellen wenden könnte. Bulgarien sei sowohl Signatarstaat des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (FK, SR 0.142.30) als auch der EMRK und es lägen keine konkreten Anhaltspunkte dafür vor, dass sich Bulgarien nicht an seine völkerrechtliche Verpflichtungen halten und das Asyl- und Wegweisungsverfahren nicht korrekt durchführen würde. Somit sei nicht davon auszugehen, dass die Beschwerdeführerinnen bei einer Überstellung nach Bulgarien im Sinne von Art. 3 Abs. 2 Dublin-III-VO und Art. 3 EMRK gravierenden Menschenrechtsverletzungen ausgesetzt würden, in eine existenzielle Notlage geraten oder ohne Prüfung ihres Asylgesuchs und unter Verletzung des Non-Refoulement-Gebots in ihren Heimat- beziehungsweise Herkunftsstaat überstellt würden. Zudem lägen keine systemischen Mängel in Bulgariens Asyl- und Aufnahmesystem vor. Ferner lägen auch keine Gründe gemäss Art. 16 Abs. 1 Dublin-III-VO vor, die die Schweiz verpflichten würden, die Asylgesuche zu prüfen, zumal es sich beim (Verwandten) der Beschwerdeführerin in der Schweiz nicht um einen Familienangehörigen im Sinne von Art. 2 Bst. g Dublin-III-VO handle. Anlässlich des rechtlichen Gehörs habe die Beschwerdeführerin geltend gemacht, dass sie manchmal in Ohnmacht falle, wenn sie psychisch unter Druck stehe, und auch in Bulgarien solche Anfälle gehabt habe. Dazu sei festzuhalten, dass Bulgarien über eine ausreichende medizinische Infrastruktur verfüge und gemäss Art. 19 Abs. 1 Aufnahmerichtlinie verpflichtet sei, der Beschwerdeführerin die erforderliche medizinische Versorgung, welche zumindest die Notversorgung und die unbedingt erforderliche Behandlung von Krankheiten und schweren psychischen Störungen umfasse, zu gewähren. Im Rahmen des Dublin-Systems sei davon auszugehen, dass der zuständige Dublin-Staat angemessene medizinische Versorgungsleistungen erbringen könne und den Zugang zu notwendiger medizinischer Behandlung gewährleiste. Es lägen keine Hinweise vor, wonach Bulgarien der Beschwerdeführerin eine medizinische Behandlung verweigert hätte oder zukünftig verweigern würde. Sie habe angegeben, dass sie in Bulgarien nach einem Anfall im Spital gewesen und behandelt worden sei. Zudem hätten Abklärungen bei der ihr zugewiesenen Unterkunft ergeben, dass sie gegenwärtig nicht in medizinischer Behandlung sei. Somit ergäben sich keine Gründe, die die Anwendung der Souveränitätsklausel im Sinne von Art. 29a Abs. 3 der Asylverordnung 1 vom 11. August 1999 (AsylV 1, SR 142.311) anzeigen würden. In Würdigung der Aktenlage und der von der Beschwerdeführerin geltend gemachten Umstände lägen keine Gründe vor, die die Anwendung der Souveränitätsklausel der Schweiz rechtfertigen würden.

4.3  Auf Beschwerdeebene wurde im Wesentlichen eingewendet, dass die Beschwerdeführerin anlässlich der BzP ihre Erlebnisse in Bulgarien nur teilweise geschildert habe, da sie durch diese sehr eingeschüchtert in die Schweiz gekommen sei und hier erst allmählich wieder habe Vertrauen fassen können. Insbesondere sei sie in Bulgarien von Polizeikräften geschlagen und während ihres dortigen Aufenthalts zusammen mit ihren beiden Kindern unter hygienisch misslichen Umständen inhaftiert worden. Dabei seien die Kinder vom Sicherheitspersonal auch körperlich gezüchtigt worden und ihre Unterbringung sei keinesfalls kindergerecht gewesen. Sinngemäss wurden systemische Mängel im bulgarischen Asylsystem geltend gemacht und namentlich weiter eingewendet, in der angefochtenen Verfügung fehle jeglicher Hinweis darauf, dass die Beschwerdeführerin zusammen mit ihren beiden minderjährigen Kindern nach Bulgarien überstellt würde und es sich bei ihnen - unter Bezugnahme auf das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts E-1191/2016 vom 25. April 2016 - um besonders vulnerable Personen handle, bei denen eine spezielle Einzelfallabklärung einschliesslich Einholung von Garantien bezüglich einer kindergerechten Unterbringung und Betreuung vorzunehmen sei. Demgegenüber habe sich das SEM mit der Situation der Familie und ihren Bedürfnissen in Bulgarien nicht auseinandergesetzt. Dabei sei auch sicherzustellen, dass die Mutter der Kinder bei einer Rückkehr nicht (erneut) inhaftiert würde, sie nicht getrennt würden und die Beschwerdeführerin eine ausreichende medizinische Versorgung erhalte, umso mehr, als sie nach Erhalt der angefochtenen Verfügung erneut bewusstlos geworden sei und medizinisch habe behandelt werden müssen.

Im Weiteren sei die Prüfung des Selbsteintritts aus humanitären Gründen unzureichend. So habe sich die Vorinstanz in der angefochtenen Verfügung zwar mit der medizinischen Situation der Beschwerdeführerin auseinandergesetzt, sei aber mit keinem Wort auf die bekannten systemischen Schwachstellen im bulgarischen Asylwesen eingegangen und habe eine Prüfung der Situation der erst (...)- und (...)jährigen (Kinder) der Beschwerdeführerin unterlassen. Es werde nicht berücksichtigt, dass es sich bei der Beschwerdeführerin um eine alleinerziehende Mutter mit zwei minderjährigen Kindern handle, welche als besonders schutzbedürftige Personen gälten. Gerade in solchen Fällen sei die zuständige Behörde angehalten, jeden Einzelfall genau zu prüfen. Angesichts dessen hätte das SEM prüfen müssen, ob die Souveränitätsklausel aus humanitären Gründen auszuüben sei. Indem es die Frage des Selbsteintritts mit der textbausteinartigen, gehaltlosen Formulierung "in Würdigung der Aktenlage liegen keine Gründe vor, die einen Selbsteintritt rechtfertigen" verneint habe, sei es dieser Pflicht zur Ermessensausübung nicht nachgekommen und habe mithin sein Ermessen unterschritten. Vielmehr hätte es in nachvollziehbarer Weise detailliert prüfen müssen, ob es in Würdigung der konkreten Umstände tatsächlich angezeigt sei, auf einen Selbsteintritt zu verzichten (Hinweis auf die Urteile des BVGer E-4487/2015 vom 12. Oktober 2015 E. 5.3 und E-641/2014 vom 13. März 2015 E. 7 und 8 [nachmals als BVGE 2015/9 publiziert], in E-4487/2015 zitiert).

Schliesslich wurde für den Fall, dass das Bundesverwaltungsgericht nicht den Selbsteintritt anordne, die Rückweisung an die Vorinstanz beantragt, da der entscheiderhebliche Sachverhalt mangelnd berücksichtigt worden sei und die Abklärungen bezüglich der individuellen Unterbringung und Betreuungssituation in Bulgarien unzureichend seien.

4.4  Die Vorinstanz führte in ihrer Vernehmlassung vom 26. Juli 2017 aus, in der Beschwerdeschrift sei im Wesentlichen geltend gemacht worden, dass die Aufnahmebedingungen in Bulgarien sehr schlecht gewesen seien und die Familie nicht kindgerecht untergebracht worden sei. Zudem seien verschiedene Berichte zitiert worden, welche die Aufnahme- und Unterbringungssituation in Bulgarien ebenfalls kritisierten. Das SEM sei gehalten, im Sinne der Ausführungen des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR) im Fall Tarakhel gegen die Schweiz (Urteil vom 4. November 2014, Nr. 292117/12) von den bulgarischen Behörden Garantien einzufordern, welche eine kindgerechte Unterbringung bestätigten, zumal es sich bei den Beschwerdeführerinnen um vulnerable Personen handle. Zudem bestehe die Gefahr, dass die Beschwerdeführerin mit ihren Kindern in Haft genommen oder gar von ihnen getrennt inhaftiert werden könnte. Indes - so das SEM - bestünden, selbst unter Berücksichtigung einer allfällig angespannten Situation in Bulgarien, keine genügend konkreten Hinweise dafür, dass die Beschwerdeführerin in diesem Land nicht Zugang zu einem rechtsstaatlichen Verfahren im Sinne des Dublin-Systems hätte, wobei es auf das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts D-2652/2017 vom 22. Mai 2017 verwies. Zudem vertrete auch das Bundesverwaltungsgericht in konstanter Rechtsprechung (Hinweis auf die Urteile des BVGer E-1487/2015 vom 1. Juli 2015 E. 5.4.1, D-4751/2014 vom 12. November 2014,
D-4800/2015 vom 12. August 2015 und D-7940/2015 vom 14. Januar 2016) die Auffassung, dass es keine wesentlichen Gründe für die Annahme gebe, das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Antragsteller in Bulgarien würden systemische Schwachstellen aufweisen. Auch sähen die Bestimmungen von Art. 31 und 32 Dublin-III-VO nicht vor, dass die Schweiz im zuständigen Staat weitergehende Abklärungen zur genauen Unterbringung, Betreuung und konkreten medizinischen Behandlung vornehme, zumal davon auszugehen sei, dass Bulgarien die Aufnahmerichtlinie einhalte. Es liege auch nicht in der Verantwortung der schweizerischen Asylbehörden auszumachen, ob die Beschwerdeführerin und ihre Kinder nach einer Überstellung nach Bulgarien zufriedenstellende Lebensbedingungen vorfänden. Die Beschwerdeführerin sei gehalten, ihre spezifische Situation zunächst bei den zuständigen Behörden vorzubringen und den Rechtsweg zu beschreiten, sollten die vorgefundenen Bedingungen nicht ihren Bedürfnissen entsprechen. Das erwähnte Urteil des EGMR vom 4. November 2014 beziehe sich auf die Wegweisung einer Familie im Dublin-Verfahren nach Italien und komme zum Schluss, dass die Überstellung ohne vorgängige Garantien im Einzelfall seitens der italienischen Behörden für eine altersgerechte Aufnahme von Kindern sowie die Wahrung der Einheit der Familie gemäss Art. 3 EMRK verstossen würde. Das Urteil beziehe sich auf die Situation in Italien und sei nicht analog auf andere Mitgliedstaaten auszuweiten, so dass es für das vorliegende Beschwerdeverfahren aktuell keine weitergehende Bewandtnis habe. Für das weitere Dublin-Verfahren sei einzig die Reisefähigkeit ausschlaggebend. Diese werde erst kurz vor der Überstellung definitiv beurteilt. Zudem trage das SEM dem aktuellen Gesundheitszustand der Beschwerdeführerin bei der Organisation der Überstellung nach Bulgarien Rechnung, indem es die bulgarischen Behörden im Sinne von Art. 31 und 32 Dublin-III-VO gegebenenfalls vor der Überstellung über ihren Gesundheitszustand und die notwendige medizinische Behandlung informiere. Nach dem Gesagten lägen keine Gründe vor, welche einen Selbsteintritt der Schweiz im Sinne von Art. 29a Abs. 3 AsylV 1 in Verbindung mit Art. 17 Abs. 1 Dublin-III-VO rechtfertigen würden.

4.5  In der Replik argumentierten die Beschwerdeführerinnen insbesondere, sie hätten ausser ihren glaubhaften Aussagen keine Möglichkeit, die Misshandlungen in Bulgarien nachzuweisen. Sie hätten die Situation weder filmen noch fotografieren können, da ihnen alle Wertgegenstände vor Eintritt ins Camp abgenommen worden seien. Die Vorinstanz wäre somit gehalten gewesen, wenigstens eine Prüfung der Glaubhaftigkeit der Aussagen vorzunehmen, da den Beschwerdeführerinnen ansonsten jede Möglichkeit genommen werde, die erlebten Übergriffe darzulegen. Diese seien angesichts der bereits in der Beschwerdeschrift genannten Berichte internationaler Organisationen plausibel, zumal sich die Angaben mit denen vieler anderer Augenzeugen deckten. Auch neuste Medienberichte zeigten diese Situation auf, wobei auf das gleichzeitig eingereichte Quellenverzeichnis verwiesen wurde. Sodann verwiesen sie auf das Urteil des Verwaltungsgerichts (Ausland) (...) vom (...), demzufolge in Bulgarien systemische Mängel des Asylverfahrens vorlägen, wobei namentlich gegen Art. 28 Abs. 2 Asylverfahrensrichtlinie verstossen werde. Zudem habe das Verwaltungsgericht (Ausland) mit Urteil (...) vom (...) entschieden, dass ein (...)-jähriger Beschwerdeführer nicht nach Bulgarien auszuschaffen sei, weil nach Auffassung der Einzelrichterin international Schutzberechtigten in Bulgarien die Obdachlosigkeit drohe und faktisch der Zugang zum Arbeitsmarkt und zu staatlichen Sozialleistungen fehle, weshalb eine Abschiebung seine Existenz bedrohen und zu einer unmenschlichen und erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 3 EMRK führen würde. Im Weiteren wurde unter Beilage eines ärztlichen Berichts vom (...) 2017 ausgeführt, dass sich die Beschwerdeführerin seit dem (...) 2016 in dauerhafter ärztlicher Behandlung befinde, wobei es sich nicht um eine lebensbedrohliche Erkrankung handle, der zuständige Arzt jedoch einen Abbruch der Behandlung als verantwortungslos erachte. Schliesslich wurde hinsichtlich der Prüfung des Selbsteintritts gemäss Art. 29a Abs. 3 AsylV 1 in Verbindung mit Art. 17 Abs. 1 Dublin-III-VO ausgeführt, dass die Vorinstanz keinerlei Würdigung der persönlichen Situation der Familie vorgenommen habe. So sei sie mit keinem Wort auf die minderjährigen Kinder und deren besondere Bedürfnisse eingegangen. Damit habe sie die Anforderungen der Rechtsprechung gemäss BVGE 2015/9 nicht erfüllt. Gemäss diesem Urteil übe das SEM sein Ermessen gesetzeskonform aus, wenn es - bei von der gesuchstellenden Person geltend gemachten Umständen, die eine Überstellung aufgrund ihrer individuellen Situation oder der Verhältnisse im zuständigen Staat problematisch erscheinen lassen - in nachvollziehbarer Weise prüfe, ob es angezeigt sei, die Souveränitätsklausel aus humanitären Gründen auszuüben. Dazu müsse die Vorinstanz in ihrer Verfügung wiedergeben, aus welchen Gründen sie auf einen Selbsteintritt aus humanitären Gründen verzichte. Tue sie dies nicht, liege eine Ermessensunterschreitung vor. Vorliegend habe sich die Vorinstanz auf den Hinweis bezüglich der Vernehmlassung vorausgegangener (allgemeiner) Ausführungen beschränkt, lasse aber eine Auseinandersetzung mit dem Kindeswohl, der Unterbringung der Kinder und der erlebten Ereignisse in Bulgarien (keine besondere Unterbringung der Kinder, keine Spielmöglichkeiten, sondern Haft in einer grossen Zelle mit allen anderen Asylsuchenden) gänzlich vermissen.

5.   

5.1  Es trifft zu, dass sich das Bundesverwaltungsgericht in seinem Urteil
E-1191/2016 vom 25. April 2016, welchem ein ähnlicher Sachverhalt zugrunde lag (Dublin-Verfahren betreffend Überstellung von vulnerablen Personen beziehungsweise einer Familie mit drei Kleinkindern nach Bulgarien), zunächst auf das Tarakhel-Urteil des EGMR bezog und in der Folge ausführte, das SEM habe keine im Sinne der vom Amt des Hohen Flüchtlingskommissars der Vereinten Nationen (UNHCR) geforderte Einzelfallprüfung vorgenommen und im Hinblick auf die offensichtlich besonderen Bedürfnisse der Beschwerdeführenden keine Garantien von Bulgarien eingeholt. Dazu ist zunächst festzuhalten, dass es sich beim Urteil
E-1191/2016 um einen Einzelfall handelt. Sodann hielt das Bundesverwaltungsgericht in seinem Urteil BVGE 2017 VI/10 fest, dass die im Urteil Tarakhel betreffend die Einholung individueller Garantien festgehaltenen Grundsätze für die Überstellung von Familien mit Kindern nach Italien nicht auf andere Kategorien besonderer Verletzlichkeit (insbesondere Krankheit) zu übertragen sind (vgl. a.a.O. E. 5).

5.2  Hinsichtlich der Frage des Vorliegens von systemischen Mängeln im Zielstaat, welche die Gefahr einer unmenschlichen oder entwürdigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 EU-Grundrechtecharta mit sich bringen würden, ist den Erwägungen der Vorinstanz insofern beizupflichten, als das Bundesverwaltungsgericht in Bezug auf Bulgarien bislang in konstanter Rechtsprechung das Vorliegen von Gründen für die Annahme von systemischen Schwachstellen verneinte (vgl. Urteil E-305/2017 vom 5. September 2017), wenngleich es bereits im Urteil E-3034/2016 vom 27. Juni 2016 anerkannte, dass das Asylwesen in Bulgarien gewisse Mängel aufweise. Auf die Frage ob diese Rechtsprechung auch angesichts der aktuellen Situation und Berichte aufrecht gehalten werden kann ist unter Hinweis auf die nachstehende Erwägung E. 6 nicht abschliessend einzugehen.

 

6.   

6.1  Gemäss der Ermessensklausel von Art. 17 Abs. 1 Dublin-III-VO kann jeder Mitgliedstaat abweichend von Art. 3 Abs. 1 Dublin-III-VO beschliessen, einen bei ihm von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen gestellten Antrag auf internationalen Schutz zu prüfen, auch wenn er nach den in dieser Verordnung festgelegten Kriterien nicht für die Prüfung zuständig ist. Diese Bestimmung ist jedoch im Beschwerdeverfahren nicht direkt anwendbar und kann nur in Verbindung mit einer anderen Norm des nationalen oder internationalen Rechts angerufen werden (vgl. BVGE 2010/45 E. 5).

6.2  Art. 17 Abs. 1 Dublin-III-VO wird im schweizerischen Recht durch Art. 29a Abs. 3 AsylV 1 umgesetzt und konkretisiert. Wie das Bundesverwaltungsgericht in seinem Urteil D-3305/2017 vom 11. September 2017 in Anwendung von BVGE 2015/9 festhielt, verfügt das SEM bezüglich der Anwendung der Souveränitätsklausel aus humanitären Gründen gestützt auf Art. 29a Abs. 3 AsylV 1 über einen Ermessenspielraum, der es ihm erlaubt zu ermitteln, ob humanitäre Gründe vorliegen, welche einen Selbsteintritt der Schweiz rechtfertigen. Aufgrund der Kognitionsbeschränkung des Bundesverwaltungsgerichts infolge der Aufhebung von Art. 106 Abs. 1 Bst. c AsylG muss dieses den genannten Ermessenspielraum der
Vorinstanz respektieren. Das Gericht führte in seinem Urteil weiter aus, dass es jedoch nach wie vor überprüfen könne und müsse, ob die
Vorinstanz ihr Ermessen gesetzeskonform ausgeübt habe, was nur dann zutreffe, wenn sie bei den von der gesuchstellenden Person geltend gemachten Umständen, welche eine Überstellung aufgrund ihrer individuellen Situation oder der Verhältnisse im zuständigen Staat problematisch erscheinen liessen, die Anwendung der Souveränitätsklausel aus humanitären Gründen in nachvollziehbarer Weise prüfe. Erforderlich sei eine Wiedergabe der Gründe, welche zu einem Verzicht auf einen Selbsteintritt geführt hätten, ansonsten eine Ermessensunterschreitung vorliege.

6.3  Bezüglich Anwendung der Souveränitätsklausel aus humanitären Gründen beschränkten sich die Erwägungen in der angefochtenen Verfügung auf die von der Beschwerdeführerin vorgebrachten Ohnmachtsanfälle, wobei die Vorinstanz auf die Aufnahmerichtlinie verwies und ausführte, es lägen keine Hinweise vor, wonach ihr Bulgarien eine medizinische Behandlung verweigert hätte oder zukünftig verweigern würde, sei sie doch nach einem solchen Anfall im Spital gewesen und dort behandelt worden; in Würdigung der Aktenlage und der von der Beschwerdeführerin geltend gemachten Umstände lägen keine Gründe vor, die die Anwendung der Souveränitätsklausel der Schweiz rechtfertigen würden (vgl. vorstehend E. 4.2). Auf das Vorbringen der Beschwerdeführerin, sie und ihre Kinder seien in Bulgarien sehr schlecht behandelt worden, ging die Vorinstanz lediglich unter dem Aspekt eines zwingenden Selbsteintritts im Sinne von Art. 3 Abs. 2 Dublin-III-VO ein, wobei sich die Erwägungen mit einer textbausteinartigen Formulierung begnügen (vgl. a.a.O.). Sodann beschränkte sich das SEM in seinen Ausführungen in der Vernehmlassung vom 26. Juli 2017 auf eine sinngemässe Wiederholung der Erwägungen der angefochtenen Verfügung (vgl. E. 4.4). Namentlich unterblieb hinsichtlich der Frage einer allfälligen Anwendung der Souveränitätsklausel aus humanitären Gründen - mit Ausnahme der gesundheitlichen Probleme - weiterhin eine Auseinandersetzung mit den Vorbringen der Beschwerdeführerin und ihrer beiden Kindern als vulnerable Personen, wobei das SEM verkannte, dass es sich bei seinen Ausführungen um die Prüfung eines staatsvertraglichen Kriteriums zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaates (Art. 16 Dublin-III-VO) sowie eine Schutzgarantie hinsichtlich systemischer Voraussetzungen im Zielland (Art. 3 Abs. 2 Satz 2 Dublin-III-VO) und nicht um Kriterien, welche an sich gegen einen allfälligen Selbsteintritt aus humanitären Gründen sprechen, handelte. Indes hätte die Vorinstanz in nachvollziehbarer Weise sowie unter Darlegung der einschlägigen Kriterien prüfen müssen, ob es angezeigt sei, die Souveränitätsklausel aus humanitären Gründen anzuwenden. Die diesbezügliche textbausteinartige Formulierung "in Würdigung der Aktenlage und der von Ihnen geltend gemachten Umstände, liegen keine Gründe vor, die die Anwendung der Souveränitätsklausel der Schweiz rechtfertigen" vermag im Hinblick auf die von der Beschwerdeführerin mehrfach vorgebrachten Umstände, welche unter dem Gesichtspunkt der humanitären Gründe zu prüfen seien, den Anforderungen an eine rechtsgenügliche Begründung für eine Ermessensprüfung nicht zu genügen. Das SEM ist mithin seiner Pflicht zur gesetzeskonformen Ermessensausübung nicht nachgekommen und hat sein Ermessen unterschritten, womit eine Rechtsverletzung vorliegt.

6.4  In der Beschwerde und der Replik wird somit zu Recht darauf hingewiesen, dass es das SEM in der angefochtenen Verfügung unterlassen hat, in substantiierter Weise zu begründen, inwiefern es auch in Berücksichtigung der oben genannten familiären Umstände nicht angezeigt erscheint, die Souveränitätsklausel aus humanitären Gründen auszuüben. Die Beschwerde ist im Sinne der Erwägungen gutzuheissen. Die angefochtene Verfügung ist aufzuheben und die Sache ist zur erneuten Prüfung an die Vorinstanz zurückzuweisen. Dabei obliegt es dem SEM, sein Ermessen bezüglich der Souveränitätsklausel aus humanitären Gründen gesetzeskonform auszuüben und dabei die jüngsten Berichte zur Situation von Asylsuchenden in Bulgarien in seine Überlegungen miteinzubeziehen. Letztere dürften auch bei der Prüfung unter dem Aspekt der systemischen Mängel und einer Verletzung von Art. 3 EMRK Beachtung finden müssen.

7.   

7.1  Bei diesem Ausgang des Verfahrens sind keine Verfahrenskosten zu erheben (Art. 63 Abs. 1 und 2 VwVG). Das Gesuch um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege ist gegenstandslos geworden. Ebenfalls gegenstandslos geworden ist der Antrag auf Erteilung der aufschiebenden Wirkung.

7.2  Den vertretenen Beschwerdeführerinnen ist angesichts ihres Obsiegens in Anwendung von Art. 64 VwVG und Art. 7 Abs. 1 des Reglements vom 21. Februar 2008 über die Kosten und Entschädigungen vor dem Bundesverwaltungsgericht (VGKE, SR 173.320.2) eine Entschädigung für die ihnen notwendigerweise erwachsenen Parteikosten zuzusprechen. Der Rechtsvertreter reichte keine Kostennote ein. Auf die Nachforderung einer solchen wird verzichtet, da sich der Aufwand zuverlässig abschätzen lässt (Art. 14 Abs. 2 VGKE). Unter Berücksichtigung der in Betracht zu ziehenden Bemessungsfaktoren (Art. 9-13 VGKE) und des Umstands, dass die wesentliche Argumentation mit derjenigen im Beschwerdeverfahren
D-5407/2016 übereinstimmt, ist den Beschwerdeführerinnen zulasten des SEM eine Parteientschädigung von insgesamt Fr. 1000.- zuzusprechen.

 

(Dispositiv nächste Seite)

 

 


Demnach erkennt das Bundesverwaltungsgericht:

1. 
Die Beschwerde wird im Sinne der Erwägungen gutgeheissen.

2. 
Die Verfügung vom 10. August 2016 wird aufgehoben und die Sache zur erneuten Prüfung im Sinne der Erwägungen an die Vorinstanz zurückgewiesen.

3. 
Es werden keine Verfahrenskosten erhoben.

4. 
Das SEM wird angewiesen, den Beschwerdeführerinnen für das Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht eine Parteientschädigung von insgesamt Fr. 1000.- auszurichten.

5. 
Dieses Urteil geht an die Beschwerdeführerinnen, das SEM und die kantonale Migrationsbehörde.

 

Der vorsitzende Richter:

 

 

Der Gerichtsschreiber:

 

 

Thomas Wespi

Daniel Widmer

 

 

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