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Abteilung IV

D-285/2016

 

 

 

 

 

Urteil vom 27. April 2017

Besetzung

 

Richterin Daniela Brüschweiler (Vorsitz),

Richterin Regula Schenker Senn,

Richterin Claudia Cotting-Schalch, 

Gerichtsschreiberin Sandra Sturzenegger.

 

 

 

Parteien

 

A._______, geboren am (...),

Türkei, 

vertreten durch Edith Hofmann, Freiplatzaktion Zürich,

Beschwerdeführer,

 

 

 

gegen

 

 

Staatssekretariat für Migration (SEM),

Quellenweg 6, 3003 Bern,

Vorinstanz.

 

 

 

Gegenstand

 

Asyl und Wegweisung;

Verfügung des SEM vom 11. Dezember 2015 / N (...).

 

 

 


A. 
Der Beschwerdeführer gelangte eigenen Angaben zufolge am 6. August 2013 in die Schweiz, wo er am 8. August 2013 im Empfangs- und Verfahrenszentrum (EVZ) B._______ um Asyl nachsuchte.

B. 
Am 22. August 2013 fand die Befragung zur Person (BzP) und am 15. November 2013 die (erste) Anhörung zu den Asylgründen statt.

C. 
Mit Schreiben vom 22. November 2013, vom 20. Juni 2015 sowie vom 3. und 6. Juli 2015 reichte der Beschwerdeführer durch seine Rechtsvertreterin Beweismittel zu den Akten oder antwortete auf Instruktionsschreiben des SEM.

D. 
Am 24. November 2015 fand sodann eine ergänzende Anhörung statt.

E.   

E.a  Zur Begründung seines Asylgesuchs machte der Beschwerdeführer im Wesentlichen geltend, er sei türkischer Staatsangehöriger kurdischer Ethnie und sei in C._______ zur Welt gekommen. Seit etwa (...) lebe er im Stadtteil D._______ in E._______. Von 2007 bis ungefähr im Mai 2010 habe er für die Stadtverwaltung (...) ([...]) gearbeitet. Dort habe er eines Tages eine verbale Auseinandersetzung mit einem Polizisten gehabt. Anschliessend sei er wegen seiner Herkunft aus C._______ festgenommen und erst am nächsten Tag wieder aus der Untersuchungshaft entlassen worden. Sein Arbeitgeber habe ihm daraufhin aufgrund seiner kurdischen Ethnie gekündigt. Ein Gericht habe ihm nach der Kündigung Schadenersatz zugesprochen. Diesen habe er jedoch noch nicht erhalten, weil die Gegenpartei gegen das Gerichtsurteil Berufung eingelegt habe und das Verfahren noch hängig sei.

Er habe dann im Kebab-Imbiss seiner Familie in F._______ gearbeitet. Mit dieser Arbeit habe er allerdings nach vier Monaten wieder aufgehört, nachdem Unbekannte im Imbissladen wegen der kurdischen Ethnie seiner Familie, respektive weil er für im Krieg gefallene türkische Soldaten keine Fahne aufgehängt habe, alles kaputt gemacht hätten. Danach habe er im Restaurant seiner Familie in D._______ gearbeitet.

Im Jahr 2011 habe er an einer illegalen Demonstration teilgenommen, an welcher gegen Angriffe der Polizei auf kurdische Politiker in C._______ protestiert worden sei. Aufgrund seiner Demonstrationsteilnahme habe die Polizei - unter ihnen der Polizist G._______ - ihn zuhause festgenommen. Nach ungefähr drei Tagen sei er dank Bestechung freigekommen. Seit dieser Festnahme leide er an Asthma.

Am (...) 2012 hätten Polizisten das Restaurant seiner Familie angegriffen. Davor hätten Polizisten - unter ihnen G._______ - von seiner Familie immer wieder Bestechungsgelder sowie kostenlose Verpflegung erhalten. Er habe zwei oder drei Monate vor dem Vorfall aufgehört, G._______ gratis Essen zu geben. Am Abend des genannten Tages seien er und sein Onkel H._______ im Familienrestaurant mit dem Polizisten G._______ in einen Streit geraten. Daraufhin seien sie von den Polizisten bewusstlos geschlagen worden und einer der anwesenden Polizisten respektive G._______ habe per Funk Verstärkung angefordert. Es seien Gasbomben geworfen, Sachschaden angerichtet und zahlreiche Mitglieder seiner Familie sowie Angestellte des Restaurants festgenommen worden. Er selbst sei ebenfalls festgenommen worden. Während der rund dreitägigen Polizeihaft habe man ihn gefoltert und zu zwingen versucht, ein Geständnis zu unterschreiben, was er verweigert habe. Er sei gegen Bestechung aus der Haft entlassen worden. Nach diesem Vorfall hätten er und seine Familie gegen mehrere Polizisten Anzeige erstattet. Da die Polizisten für den Fall des Obsiegens seiner Familie den Verlust ihrer Arbeitsstellen befürchtet hätten, hätten sie Druck auf ihn und seine Familie ausgeübt. Die Polizisten hätten unter anderem gedroht, das Restaurant erneut anzugreifen. Sie - insbesondere G._______ - hätten ihn auch provoziert und eingeschüchtert: Immer, wenn sie ihn auf der Strasse gesehen hätten, habe er ins Polizeiauto einsteigen müssen, wo sie ihm Geld abgenommen und ihn beschimpft oder geohrfeigt hätten.

Im Juni 2013 habe er sich an den Gezi-Park-Protesten beteiligt und die Demonstranten mit Wasser und Essen aus dem Restaurant versorgt. Am 1. oder 2. Juni 2013 sei er von einem Polizisten an der Hand mit einem Messer verletzt worden. Zwei Wochen später respektive Ende Juni 2013 sei er während der Proteste von zwei Kugeln beziehungsweise von einem Gummigeschoss getroffen und von drei respektive einem Polizisten gepackt und beinahe festgenommen worden. Er habe sich allerdings aus dem Griff des/der Polizisten befreien können. Bei einem Blick zurück habe er G._______ erkannt. Dieser habe ihm hinterher gerufen, dass er ihn nicht in Ruhe lassen würde. Am Abend nach diesem Vorfall respektive Mitte Juli 2013 habe G._______ eine Hausdurchsuchung bei ihm zuhause sowie im Restaurant seiner Familie durchgeführt und dabei seinen Laptop und die Harddisk seines Computers, seinen Reisepass sowie weitere persönliche Gegenstände mitgenommen. Er selbst sei nach der misslungenen Festnahme bei den Gezi-Park-Protesten weder nach Hause noch ins Familienrestaurant gegangen, sondern habe sich bis zu seiner Ausreise im Quartier I._______ bei einem Onkel und dann in J._______ bei einer Tante aufgehalten. In den rund eineinhalb Monaten bis zu seiner Ausreise habe G._______ respektive die Polizei drei Mal bei ihm zuhause nach ihm gesucht. Er und seine Familie hätten befürchtet, G._______ könne anhand des beschlagnahmten Reisepasses eine Anschuldigung gegen ihn konstruieren.

Er sei schliesslich am (...) 2013 ausgereist. Seine Familie werde weiterhin von der Polizei bedroht und auch nach ihm gefragt. Anfangs Juni 2015 sei zudem sein Bruder von Polizisten verprügelt worden. 

E.b  Zur Untermauerung seiner Vorbringen reichte der Beschwerdeführer im vorinstanzlichen Verfahren folgende Beweismittel zu den Akten: seinen Nüfus, einen Auszug aus dem Personenstandsregister (in Kopie), eine Kopie von Bankkarten sowie einer Karte des öffentlichen Verkehrs in E._______, seinen Mitarbeiterausweis des (...), die Adresse des Familienanwaltes (K._______), ein Urteil eines Arbeitsgerichts in E._______ vom (...) 2013 (bei welchem er durch Anwalt L._______ vertreten war; in Kopie), diverse Beweismittel im Zusammenhang mit dem Vorfall vom (...) 2012 (unter anderem eine vom Familienanwalt verfasste Anzeige und eine DVD mit Videoaufnahmen (...) des Polizei-Grosseinsatzes im Restaurant), ein Schreiben des Familienanwaltes (mit deutschsprachiger Übersetzung) und ein ärztliches Zeugnis von Dr. med. M._______ vom 1. Juli 2015 (in Kopie).

F.   

F.a  Mit Verfügung vom 11. Dezember 2015 - eröffnet am 14. Dezember 2015 - lehnte das SEM das Asylgesuch des Beschwerdeführers ab und ordnete die Wegweisung aus der Schweiz sowie den Wegweisungsvollzug an.

F.b   

F.b.a  Das SEM ging im Begründungsteil zunächst auf die Vorbringen des Beschwerdeführers im Zusammenhang mit den Gezi-Park-Protesten ein und führte dazu zusammengefasst aus, an diesen Vorbringen würden aus verschiedenen Gründen Zweifel bestehen. So habe der Beschwerdeführer für die zentralen Ereignisse (die versuchte Festnahme bei den Protesten und die Durchsuchungen zuhause sowie im Restaurant) drei verschiedene Datumsangaben gemacht. Sodann habe er an der Anhörung angegeben, er sei in den eineinhalb Monaten, in denen er nicht mehr nach Hause gegangen sei, drei Mal von G._______ zuhause gesucht worden. Als man ihn an der ergänzenden Anhörung gefragt habe, ob seine Familie nach der Haus- und Restaurantsdurchsuchung noch mit G._______ zu tun gehabt habe, habe er gemeint, er würde sich nicht erinnern. Er habe an der ergänzenden Anhörung häufig darauf hingewiesen, dass er sich an Dinge nicht mehr erinnern könne und habe dies mit der Einnahme von Medikamenten (N._______ und O._______) begründet; zudem verwechsle er manchmal Traum und Wirklichkeit und habe während seines Aufenthaltes in der Schweiz immer wieder versucht, die Türkei zu vergessen. Es sei durchaus möglich, dass er sich zwei bis zweieinhalb Jahre nach seiner Ausreise aus der Türkei nicht mehr an sämtliche Einzelheiten erinnere. Seine oft wiederholte Aussage, er könne sich nicht mehr erinnern, sei jedoch als Schutzbehauptung zu werten. Den Beipackzetteln der genannten Medikamente und öffentlich zugänglichen Erfahrungsberichten im Internet seien zwar zahlreiche Nebenwirkungen zu entnehmen. Symptome wie Vergesslichkeit oder ein eingeschränktes Erinnerungsvermögen würden jedoch nicht genannt. Auch müsse der Behauptung des Beschwerdeführers, die dreimalige Suche durch G._______ sei ein Detail, widersprochen werden. Da seiner Schilderung zufolge die erste Durchsuchung bei ihm zuhause und im Restaurant massgeblich für sein Untertauchen und seine spätere Ausreise gewesen sei, dürfe davon ausgegangen werden, dass er sich an mögliche weitere Handlungen von G._______ - oder der Polizei allgemein - und insbesondere an eine wiederholte Suche bei ihm zuhause erinnern würde. Bezüglich der versuchten Verhaftung bei den Gezi-Park-Protesten sei zwar anzuerkennen, dass die Schilderung des Beschwerdeführers an der ergänzenden Anhörung einige Übereinstimmungen mit der entsprechenden Schilderung bei der Anhörung aufweise. Zugleich würden aber auch Abweichungen in zentralen Punkten bestehen. So habe der Beschwerdeführer an der Anhörung zunächst von drei Polizisten gesprochen, die ihn hätten festnehmen wollen. Bei der detaillierten Schilderung des Vorgangs habe er von zwei Polizisten gesprochen, von denen einer G._______ gewesen sei. An der ergänzenden Anhörung habe er lediglich einen Polizisten (G._______) erwähnt, der ihn habe festnehmen wollen. Weitere namhafte Unterschiede in den beiden Schilderungen würden zum Beispiel die Rolle der Demonstranten bei seiner Befreiung und die Anzahl der Gummigeschosse, die ihn getroffen hätten, betreffen. Etwas überraschend sei auch, dass er nicht mehr gewusst habe, ob er am Abend nach der versuchten Festnahme zu seinem Onkel oder seiner Tante gegangen sei; gemäss seiner Aussage an der Anhörung habe er nach diesem Vorfall zunächst zwei Wochen bei seinem Onkel verbracht. Sodann laufe es angesichts der Aussagen des Beschwerdeführers, wonach G._______ und die weiteren Polizisten aufgrund des Vorfalls vom (...) 2012 mit grosser Wahrscheinlichkeit mit einer Verurteilung rechnen müssten und bei einer Verurteilung ihre Stelle verlieren würden, der allgemeinen Erfahrung und der Logik des Handelns zuwider, dass G._______ weitere Delikte riskiert habe. Es sei namentlich unwahrscheinlich, dass G._______ in Kenntnis der gegen ihn laufenden Ermittlungen ohne Durchsuchungsbefehl eine Durchsuchung - oder allenfalls mehrere Durchsuchungen - der Wohnung und des Restaurants der Familie des Beschwerdeführers durchgeführt habe. Bezeichnend sei ferner, dass die Haus- und Restaurantsdurchsuchungen sowie die weiteren Suchen von G._______ in dem Schreiben des Anwaltes des Beschwerdeführers nicht genannt würden. Aus diesen Gründen werde nicht geglaubt, dass der Polizist G._______ den Beschwerdeführer bei den Protesten im Gezi-Park beinahe festgenommen und anschliessend die Wohnung und das Restaurant seiner Familie durchsucht habe.

F.b.b  Das SEM ging sodann auf die vom Beschwerdeführer geltend gemachte Festnahme im Jahr 2011 und den Angriff auf das Restaurant seiner Familie im (...) 2012 ein. Dazu führte es zusammengefasst aus, es werde nicht in Abrede gestellt, dass die Polizei am (...) 2012 das Restaurant der Familie des Beschwerdeführers gestürmt habe. Indessen werde die Rolle bezweifelt, die dem Beschwerdeführer bei diesem Vorfall zugekommen sei. Zweifelhaft würden namentlich die Umstände seiner Verhaftung, die dreitägige Polizeihaft und die in dieser Zeit vorgefallene Misshandlung erscheinen. So figuriere er in der von ihm eingereichten Anzeige an die Oberstaatsanwaltschaft unter den Klägern an (...) und somit an (...) Stelle. In der relativ ausführlichen Beschreibung des Tathergangs werde er hingegen an keiner Stelle erwähnt. Es erstaune angesichts der eher detaillierten Schilderung der Ereignisse, in der einige betroffene Angehörige seiner Familie namentlich genannt würden, dass seine dreitägige Polizeihaft und die Misshandlungen in der Anzeige keinen Niederschlag gefunden hätten. Seine Erklärung zum Fehlen entsprechender Angaben in der Anzeigeschrift, er habe keine Beweise gehabt beziehungsweise die Beamten hätten aufgrund der schweren Misshandlung die medizinische Untersuchung am Ende der Haft verhindert, überzeuge nicht. Es wäre ihm durchaus möglich gewesen, die Misshandlungen anhand einer ärztlichen Untersuchung nach Entlassung aus der Haft zu dokumentieren. Angesichts der Schwere der Misshandlungen wäre auch zu erwarten gewesen, dass er nach der Haftentlassung einen Arzt aufgesucht hätte. Ausserdem sei nicht ersichtlich, über welche Beweismittel die übrigen in der Anzeige aufgeführten Familienangehörigen, wie zum Beispiel seine Onkel, im Gegensatz zu ihm verfügt hätten. Dem Schreiben des Anwaltes sei lediglich zu entnehmen, dass auch der Beschwerdeführer am (...) 2012 (recte: [...] 2012) gegen (...) Uhr verhaftet worden sei, dass man ihn aber freigelassen habe, ohne seine Aussagen zu Protokoll zu nehmen. Auch hier überrasche, dass das eigens für ihn verfasste Schreiben die von ihm vorgebrachten Sachverhaltselemente nicht nenne, zumal der Anwalt dem Beschwerdeführer zufolge gewusst habe, dass das Schreiben für die Schweizer Asylbehörden bestimmt gewesen sei.

Für die geltend gemachten Festnahmen in den Jahren 2011 und 2012 habe der Beschwerdeführer - ausser der Anzeigeschrift - keine Beweismittel eingereicht. Dies überrasche angesichts der Tatsache, dass er über einen Anwalt verfüge, der ihm bei anderen Streitigkeiten zu seinem Recht verholfen habe. Nennenswert in diesem Zusammenhang sei das von ihm gewonnene Gerichtsverfahren im Anschluss an seine Kündigung 2010 beim (...), zu welchem er das Urteil eines Arbeitsgerichts habe einreichen können.

Mit Schreiben vom 6. Juli 2015 habe der Beschwerdeführer über seine Rechtsvertretung ein Arztzeugnis eingereicht. Darin sei unter anderem der Verdacht auf eine posttraumatische Belastungsstörung (PTBS) geäussert worden. Abgesehen davon, dass an diesem Dokument Vorbehalte bestehen würden, werde darauf hingewiesen, dass gemäss bundesverwaltungsgerichtlicher Rechtsprechung die Diagnose einer PTBS für sich allein keinen Beweis für eine behauptete Misshandlung bilde. Die auf klinischer Beobachtung beruhende Einschätzung eines Facharztes könne in Bezug auf die Plausibilität von Vorkommnissen oder Ereignissen, die als Ursache für die diagnostizierte PTBS in Betracht fallen würden, ein Indiz bilden, welches bei der Beurteilung der Glaubhaftigkeit von Verfolgungsvorbringen im Rahmen der Beweiswürdigung zu berücksichtigen sei. Gemäss Zeugnis beruhe die Diagnose des Arztes offenbar einzig auf den Aussagen seines Patienten, die naturgemäss keiner Glaubhaftigkeitsprüfung unterzogen würden. Das Zeugnis werde daher nicht als ausreichend betrachtet, um die übrigen Unglaubhaftigkeitselemente zu entkräften.

Aus diesen Gründen werde die vom Beschwerdeführer geltend gemachte dreitägige Haft und die Misshandlung in Haft im (...) 2012 nicht geglaubt. Eine Verhaftung mit anschliessender Freilassung - wie im Schreiben des Anwaltes genannt - werde nicht ausgeschlossen. An der geltend gemachten dreitägigen Haft im Jahr 2011 und insbesondere an den angeblichen Umständen dieser Verhaftung (Festnahme zuhause) würden zumindest Zweifel bestehen.

F.b.c  Weiter ging das SEM auf die vom Beschwerdeführer geschilderten Probleme ein, die er (oder seine Familie) aufgrund der kurdischen Ethnie gehabt hätten. Dazu führte es aus, weder die Entlassung des Beschwerdeführers von seiner Stelle bei (...) im Jahr 2010 noch die spätere Zerstörung der Imbissbude seiner Familie in F._______, noch die behauptete Festnahme im Jahr 2011 seien kausal für seine Ausreise im Jahr 2013 gewesen. Eigenen Angaben zufolge hätte er die Türkei nicht verlassen, wenn der Vorfall bei den Gezi-Park-Protesten und die anschliessenden Hausdurchsuchungen beziehungsweise die Suche nach ihm nicht stattgefunden hätten. Im Übrigen sei fraglich, ob - wie behauptet - die Entlassung von (...) und die Zerstörung der Imbissbude mit seiner kurdischen Abstammung zu tun gehabt hätten.

F.b.d  Sodann ging das SEM auf das Vorbringen des Beschwerdeführers ein, wonach G._______ und weitere Polizisten ihn seit dem Vorfall im (...) 2012 schikanieren, provozieren und bedrohen würden, womit sie eine Verurteilung und möglicherweise den Verlust der Arbeitsstelle würden verhindern wollen. Diesbezüglich hielt es zusammengefasst fest, die angeblich zentrale Rolle des Beschwerdeführers im Vorfall vom (...) 2012 sei - wie bereits argumentiert - stark zu relativieren. Es sei daher nicht ersichtlich, wieso gerade er mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit und in absehbarer Zukunft mit ernsthaften Nachteilen zu rechnen habe, während Familienangehörige, die gemäss Anzeige an die Oberstaatsanwaltschaft stärker in den Vorfall involviert seien und sich mit ihren Aussagen gegenüber den Ermittlungsbehörden mehr exponiert hätten, in der Türkei verblieben seien. Auch hier treffe ferner zu, dass er seinen Aussagen zufolge die Türkei ohne die geltend gemachten Vorfälle im Zusammenhang mit den Gezi-Park-Protesten nicht verlassen hätte.

F.b.e  Schliesslich wies das SEM darauf hin, dass der Beschwerdeführer bei den Fragen nach seinen Befürchtungen im Zeitpunkt der Ausreise oder bei einer möglichen Rückkehr in die Türkei ziemlich vage und unterschiedliche Angaben gemacht habe. So habe er an der Anhörung unter anderem angegeben, er wisse nicht, was nun mit den Verfahren passiere, von denen er erzählt habe; aber er wisse, dass er nicht mehr dort leben könnte, wenn er "türkisiert" würde; er würde umgebracht. An der ergänzenden Anhörung habe er angegeben, er habe Angst gehabt, dass G._______ ihm nach der vereitelten Verhaftung und nach den Durchsuchungen bei ihm zuhause und im Restaurant etwas in die Schuhe schieben könnte. Die versuchte Verhaftung und die Durchsuchungen seien allerdings - wie dargelegt - unglaubhaft.

F.b.f  Das SEM kam zum Schluss, es sei nicht ersichtlich, wieso der Beschwerdeführer im Zeitpunkt seiner Ausreise - oder bei einer möglichen Rückkehr in die Türkei heute - eine begründete Furcht vor staatlicher oder nicht-staatlicher Verfolgung haben müsste. Seine Vorbringen würden den Anforderungen an die Glaubhaftigkeit gemäss Art. 7 AsylG (SR 142.31)
oder denjenigen an die Asylrelevanz gemäss Art. 3 AsylG nicht standhalten. Eine Würdigung der übrigen eingereichten Beweismittel führe zu keinem anderen Ergebnis.

F.b.g  Den Wegweisungsvollzug erachtete das SEM als zulässig, zumutbar und möglich, wobei es zur Zumutbarkeit ausführte, der Beschwerdeführer leide seinen Aussagen zufolge seit 2011 an Asthma. Ferner habe er ein ärztliches Zeugnis vom 1. Juli 2015 eingereicht, in dem der Verdacht auf eine posttraumatische Belastungsstörung geäussert werde. Gemäss Urteil des Bundesverwaltungsgerichts D-1062/2012 vom 10. Januar 2013 würden indes psychische Probleme, einschliesslich einer PTBS, keine Wegweisungshindernisse darstellen, da in der Türkei eine adäquate Behandlung dafür erhältlich sei.

G. 
Gegen diesen Entscheid liess der Beschwerdeführer mit Eingabe vom 13. Januar 2016 beim Bundesverwaltungsgericht Beschwerde erheben und dabei in materieller Hinsicht beantragen, die angefochtene Verfügung sei aufzuheben und es sei ihm in der Schweiz Asyl zu gewähren, im Falle der Bestätigung des negativen Asylentscheids sei die angefochtene Verfügung betreffend die Wegweisung zu überprüfen und es sei festzustellen, dass jetzt und in naher Zukunft seine Wegweisung weder zulässig noch zumutbar sei, weshalb die Wegweisung zu sistieren respektive ihm die vorläufige Aufnahme zu gewähren sei. In verfahrensrechtlicher Hinsicht ersuchte er um Erlass der Verfahrenskosten und insbesondere um Verzicht auf die Erhebung eines Kostenvorschusses.

Mit der Beschwerdeschrift wurden eine "Anordnung betreffend fürsorgerische Unterbringung" des Beschwerdeführers, ein fremdsprachiges Schreiben seines türkischen Anwaltes L._______ vom 28. Dezember 2015 (als Printscreen; inkl. deutscher Übersetzung) und ein türkischer Internetartikel (inkl. deutscher Übersetzung) zu den Akten gereicht.

Auf die Begründung der Beschwerdebegehren und die eingereichten Beweismittel wird - soweit für den Entscheid wesentlich - in den nachfolgenden Erwägungen eingegangen.

H. 
Mit Schreiben vom 15. Januar 2016 bestätigte das Bundesverwaltungsgericht den Eingang der Beschwerde.

I. 
Mit Eingabe vom 2. Februar 2016 liess der Beschwerdeführer eine Fürsorgebestätigung, ein deutschsprachiges Erklärungsschreiben von Familienangehörigen vom 25. Dezember 2015 sowie das Original des bereits mit der Beschwerdeschrift als Printscreen eingereichten fremdsprachigen Schreibens seines türkischen Anwaltes L._______ vom 28. Dezember 2015 (inkl. einer weiteren deutschen Übersetzung) zu den Akten reichen.

J. 
Mit Eingabe vom 12. Februar 2016 reichte der Beschwerdeführer einen "Austrittsbericht" des (...) vom 1. Februar 2016 zu den Akten.

K. 
Mit Eingabe vom 22. März 2016 liess er sodann um Herausgabe seines Nüfus zur Ehevorbereitung ersuchen. Diese Eingabe wurde vom Bundesverwaltungsgericht mit Schreiben vom 24. März 2016 beantwortet.

 

Das Bundesverwaltungsgericht zieht in Erwägung:

1.   

1.1  Gemäss Art. 31 VGG beurteilt das Bundesverwaltungsgericht Beschwerden gegen Verfügungen nach Art. 5 VwVG. Das SEM gehört zu den Behörden nach Art. 33 VGG und ist daher eine Vorinstanz des Bundesverwaltungsgerichts. Eine das Sachgebiet betreffende Ausnahme im Sinne von Art. 32 VGG liegt nicht vor. Das Bundesverwaltungsgericht ist daher zuständig für die Beurteilung der vorliegenden Beschwerde und entscheidet auf dem Gebiet des Asyls endgültig, ausser bei Vorliegen eines Auslieferungsersuchens des Staates, vor welchem die beschwerdeführende Person Schutz sucht (Art. 105 AsylG; Art. 83 Bst. d Ziff. 1 BGG). Eine solche Ausnahme im Sinne von Art. 83 Bst. d Ziff. 1 BGG liegt nicht vor, weshalb das Bundesverwaltungsgericht endgültig entscheidet.

1.2  Das Verfahren richtet sich nach dem VwVG, dem VGG und dem BGG, soweit das AsylG nichts anderes bestimmt (Art. 37 VGG und Art. 6 AsylG).

1.3  Die Beschwerde ist frist- und formgerecht eingereicht. Der Beschwerdeführer hat am Verfahren vor der Vorinstanz teilgenommen, ist durch die angefochtene Verfügung besonders berührt und hat ein schutzwürdiges Interesse an deren Aufhebung beziehungsweise Änderung. Er ist daher zur Einreichung der Beschwerde legitimiert (Art. 105 und 108 Abs. 1 AsylG; Art. 48 Abs. 1 sowie Art. 52 Abs. 1 VwVG). Auf die Beschwerde ist einzutreten.

2. 
Die Kognition des Bundesverwaltungsgerichts und die zulässigen Rügen richten sich im Asylbereich nach Art. 106 Abs. 1 AsylG, im Bereich des Ausländerrechts nach Art. 49 VwVG (vgl. BVGE 2014/26 E. 5).

3. 
Gestützt auf Art. 111a Abs. 1 AsylG wurde vorliegend auf die Durchführung eines Schriftenwechsels verzichtet.

4.   

4.1  Gemäss Art. 2 Abs. 1 AsylG gewährt die Schweiz Flüchtlingen grundsätzlich Asyl. Flüchtlinge sind Personen, die in ihrem Heimatstaat oder im Land, in dem sie zuletzt wohnten, wegen ihrer Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen ihrer politischen Anschauungen ernsthaften Nachteilen ausgesetzt sind oder begründete Furcht haben, solchen Nachteilen ausgesetzt zu werden (Art. 3 Abs. 1 AsylG). Als ernsthafte Nachteile gelten namentlich die Gefährdung des Leibes, des Lebens oder der Freiheit sowie Massnahmen, die einen unerträglichen psychischen Druck bewirken (Art. 3 Abs. 2 AsylG).

4.2  Wer um Asyl nachsucht, muss die Flüchtlingseigenschaft nachweisen oder zumindest glaubhaft machen. Diese ist glaubhaft gemacht, wenn die Behörde ihr Vorhandensein mit überwiegender Wahrscheinlichkeit für gegeben hält. Unglaubhaft sind insbesondere Vorbringen, die in wesentlichen Punkten zu wenig begründet oder in sich widersprüchlich sind, den Tatsachen nicht entsprechen oder massgeblich auf gefälschte oder verfälschte Beweismittel abgestützt werden (Art. 7 AsylG).

5.   

5.1  Der Beschwerdeführer nannte als ausreisebegründendes Ereignis die versuchte Festnahme an den Gezi-Park-Protesten und die anschliessende Suche nach ihm durch G._______ respektive die Polizei (vgl. Akten SEM A 8 S. 6 und A 40 F123). Dieses Vorbringen hält allerdings - nach Prüfung der Akten durch das Gericht und in Übereinstimmung mit dem SEM - den Anforderungen an die Glaubhaftigkeit gemäss Art. 7 AsylG nicht stand. Zur Vermeidung von unnötigen Wiederholungen kann - unter Vorbehalt der nachfolgenden Erwägungen - vollumfänglich auf die entsprechenden Ausführungen in der angefochtenen Verfügung (vgl. Bst. F.b.a vorstehend) verwiesen werden.

5.2  Das SEM sprach darin zunächst zu Recht die drei verschiedenen Datumsangaben des Beschwerdeführers an. Die diesbezüglichen Beschwerdevorbringen sind nicht stichhaltig. Selbst wenn es sich - wie in der Beschwerdeschrift vorgebracht - bei einer der Datumsangaben um ein Versehen handelt, ist festzuhalten, dass der Beschwerdeführer das Ereignis an der BzP noch auf Ende Juni 2013 (vgl. A 8 S. 7), an der zeitnahen ersten Anhörung dagegen auf Mitte Juni 2013 datierte (vgl. A 22 F52 f.). Abgesehen davon, dass diese Angaben - was in der Beschwerde verkannt wird - offensichtlich auseinanderfallen, ist nicht nachvollziehbar, dass der Beschwerdeführer für ein so bedeutendes respektive das ausreisebegründende Ereignis an keiner Stelle ein auch nur annähernd genaues Datum nannte.

5.3   

5.3.1  Das SEM führte in der angefochtenen Verfügung sodann zu Recht (weitere) Widersprüche zwischen den Schilderungen des Beschwerdeführers anlässlich der ersten und der ergänzenden Anhörung (betreffend Anzahl der Polizisten, Rolle der Demonstranten, Anzahl der Gummigeschosse und Häufigkeit der Suche nach ihm) an. Dabei teilt das Bundesverwaltungsgericht die Auffassung der Vorinstanz, dass die vom Beschwerdeführer an der ergänzenden Anhörung oft wiederholte Aussage, er könne sich nicht mehr erinnern, als Schutzbehauptung zu werten sei. Zwar ist die Erwägung der Vorinstanz, wonach in den Beipackzetteln der ihm verschriebenen Medikamente N._______ und O._______ keine Symptome wie Vergesslichkeit oder ein eingeschränktes Erinnerungsvermögen genannt würden, insofern zu berichtigen, als gemäss dem Beipackzettel von N._______ bei Patienten als Nebenwirkung gelegentlich Gedächtnisstörungen auftreten. Dieser Hinweis im Beipackzettel allein stellt allerdings offensichtlich keinen Beleg für eine Gedächtnisstörung bei einem Patienten dar und ist - in dieser unsubstanziierten Form - schon gar nicht geeignet, die vom SEM aufgezeigten Widersprüche in den Aussagen des Beschwerdeführers plausibel zu erklären.

5.3.2   

5.3.2.1  In der Beschwerdeschrift werden die Widersprüche in den Schilderungen des Beschwerdeführers respektive sein Unvermögen, sich an Dinge zu erinnern, damit erklärt, dass bis zur ergänzenden Anhörung eine lange Zeitspanne vergangen sei. Die Hilfswerksvertretung habe auf dem Unterschriftenblatt denn auch angemerkt, dass der abnehmende Detailreichtum durch den Verarbeitungsprozess sowie die zwischenzeitliche Warteperiode erklärbar sei. Es sei zudem davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer aufgrund seiner Erfahrungen an einer posttraumatischen Belastungsstörung leide und er - was bereits an der ergänzenden Anhörung geltend gemacht worden sei (vgl. Anmerkung der Hilfswerksvertretung auf dem Unterschriftenblatt) - die Erlebnisse durch Verdrängung und Albträume, welche Wirklichkeit und Traum vermischen könnten, vergessen habe.

5.3.2.2  Es ist völlig nachvollziehbar, dass im Laufe der Zeit gewisse Details vergessen gehen oder nur ungenau erinnert werden. Trotzdem vermag das Argument des Zeitablaufs die vom SEM aufgezeigten Widersprüche nicht zu erklären, zumal diese Kernelemente des ausreisebegründenden Ereignisses betreffen. Es darf zudem erwartet werden, dass sich eine Person, die an einer Demonstration von Gummigeschossen getroffen wurde und sich aus den Händen der Polizei befreien konnte, auch zweieinhalb Jahre nach dem Vorfall noch an die Anzahl der Gummigeschosse und - auch wenn einer der Polizisten eine besondere Rolle spielte - an die Anzahl der beteiligten Polizisten erinnern kann. Das Gleiche gilt für eine gesuchte Person hinsichtlich der Häufigkeit der behördlichen Suche.

5.3.2.3  Bezüglich des psychischen Zustandes des Beschwerdeführers ist festzuhalten, dass - soweit aus den Akten ersichtlich - bis zum heutigen Zeitpunkt keine posttraumatische Belastungsstörung diagnostiziert wurde. Im eingereichten "Austrittsbericht" vom 1. Februar 2016 wird - entgegen dem Vorbringen der Rechtsvertreterin in der Eingabe vom 12. Februar 2016 - lediglich ein entsprechender Verdacht festgehalten. Obwohl der Beschwerdeführer offenbar "weiterhin in Behandlung" war, wurde bis zum heutigen Zeitpunkt - trotz Mitwirkungspflicht (vgl. Art. 8 AsylG) - kein weiteres ärztliches Zeugnis einer psychiatrischen Fachperson nachgereicht, gemäss welchem sich der Verdacht auf PTBS erhärtet hätte. Allein die Diagnose einer PTBS wäre sodann ohnehin nicht geeignet, die vom Beschwerdeführer geltend gemachten "Erinnerungslücken" an der ergänzenden Anhörung plausibel zu erklären. Es gilt zu beachten, dass er vor allem an der ersten Anhörung ohne Umschweife und offenbar ohne sichtbare
oder merkbare Gemütsbewegungen über die versuchte Festnahme während den Gezi-Park-Protesten berichtete (vgl. insb. A 22 F66) und weder der Befrager noch die anwesende Hilfswerksvertretung merkliche Verhaltensauffälligkeiten bei ihm feststellten oder sich jedenfalls nicht veranlasst sahen, diesbezügliche Feststellungen im Protokoll respektive auf dem Unterschriftenblatt anzumerken. Angesichts dessen zielt auch die Einschätzung der Rechtsvertreterin, es habe sich bei der versuchten Festnahme um ein traumatisches Erlebnis gehandelt, an das sich der Beschwerdeführer an der ergänzenden Anhörung wegen Verdrängung nicht mehr genau habe erinnern können, ins Leere. Die Erklärung, der Beschwerdeführer habe Albträume, welche Wirklichkeit und Traum vermischen könnten, überzeugt sodann bereits deshalb nicht, weil im Arztzeugnis des Hausarztes des Beschwerdeführers vom 1. Juli 2015 nur Albträume und eine latente Suizidalität, nicht jedoch (durch Albträume bedingte) Gedächtnisprobleme beziehungsweise Erinnerungsschwierigkeiten genannt werden.

5.3.2.4  Betreffend die (sinngemässe) Anmerkung der Hilfswerksvertretung auf dem Unterschriftenblatt, der abnehmende Detailreichtum sei durch eine allfällige Traumatisierung, den Verarbeitungsprozess sowie die zwischenzeitliche Warteperiode erklärbar, ist festzuhalten, dass es sich dabei um eine persönliche Einschätzung der Hilfswerksvertretung hinsichtlich der Glaubhaftigkeit der Vorbringen des Beschwerdeführers handelt. Eine solche Einschätzung wird allerdings vom gesetzlichen Auftrag und Kompetenzumfang nach Art. 30 Abs. 4 AsylG nicht erfasst, sondern ist Aufgabe der Vorinstanz und letztlich des Gerichts (vgl. Urteil des BVGer
D-3777/2014 vom 17. August 2015 E. 4.2).

5.3.3  Zusammenfassend ist festzuhalten, dass sich der Beschwerdeführer auf seinen widersprüchlichen Aussagen im Zusammenhang mit der versuchten Festnahme bei den Gezi-Park-Protesten behaften lassen muss.

5.4  Sodann ist festzustellen, dass - wie bereits in der angefochtenen Verfügung erwähnt - die Haus- und Restaurantsdurchsuchungen sowie die weiteren Suchen von G._______ nach dem Beschwerdeführer im Schreiben von Anwalt K._______ nicht genannt werden. Ebenfalls nicht erwähnt wird darin die angebliche versuchte Festnahme des Beschwerdeführers durch G._______ anlässlich der Gezi-Park-Proteste.

5.5  Nach dem Gesagten kann dem Beschwerdeführer die versuchte Festnahme während der Gezi-Park-Proteste und die anschliessende Suche nach ihm durch G._______ nicht geglaubt werden. Es kann daher offengelassen werden, ob das SEM das Verhalten von G._______ respektive der Polizei (Durchsuchung der Wohnung des Beschwerdeführers und des Familienrestaurants ohne Durchsuchungsbefehl in Kenntnis der laufenden Ermittlungen) zu Recht als unwahrscheinlich bezeichnete. Folglich erübrigt sich eine Auseinandersetzung mit den diesbezüglichen Beschwerdevorbringen.

5.6  Da die geltend gemachte Hausdurchsuchung durch G._______ respektive die Polizei nicht geglaubt werden kann, ist auch dem Vorbringen des Beschwerdeführers, er befürchte, dass G._______ mit dem anlässlich der Hausdurchsuchung beschlagnahmten Reisepass ihm etwas in die Schuhe schieben respektive eine Straftat erfinden könne (vgl. etwa A 40 F84), die Grundlage entzogen. Dasselbe gilt für das erstmals auf Beschwerdeebene konkret geäusserte Vorbringen, auch sein Tagebuch, in welchem er unter anderem jedes ihm von Polizisten zugefügte Unrecht festgehalten habe, sei bei der Hausdurchsuchung beschlagnahmt worden. Es ist daher nicht weiter auf die entsprechenden Ausführungen in der Beschwerdeschrift einzugehen.

5.7  Im Zusammenhang mit den Gezi-Park-Protesten ist abschliessend festzuhalten, dass sowohl die nicht weiter definierte Beteiligung des Beschwerdeführers daran (vgl. A 22 F56) als auch der Umstand, dass er Demonstranten mit Essen und Trinken versorgt haben soll, keine (glaubhaft gemachten) Verfolgungsmassnahmen nach sich zogen. Eine Glaubhaftigkeitsprüfung dieser Vorbringen erübrigt sich daher. Mangels (glaubhaft gemachter) Verfolgungsmassnahmen hat das SEM - entgegen der Anregung der an der ergänzenden Anhörung anwesenden Hilfswerksvertretung auf dem Unterschriftenblatt - auch zu Recht keine weiteren Abklärungen bezüglich der Intensität der Beteiligung des Beschwerdeführers an den Gezi-Park-Protesten vorgenommen.

6.   

6.1  Im Folgenden sind die weiteren vom Beschwerdeführer geschilderten Probleme auf deren Glaubhaftigkeit respektive Asylrelevanz hin zu überprüfen.

6.2   

6.2.1  Dabei ist zunächst auf den Vorfall vom (...) 2012 einzugehen. Dieser an sich wird auch vom Bundesverwaltungsgericht nicht in Abrede gestellt. Allerdings erachtet es - wie das SEM (vgl. Bst. F.b.b vorstehend) -  die vom Beschwerdeführer geschilderte Rolle bei diesem Vorfall und insbesondere - obwohl der Beschwerdeführer einiges darüber berichten konnte (vgl. A 22 F78) - seine dreitägige Haft und die während der Inhaftierung angeblich erlittene Folter als unglaubhaft. Abgesehen davon, dass die entsprechenden Schilderungen des Beschwerdeführers letztlich zu oberflächlich ausgefallen sind, spricht vor allem der bereits in der angefochtenen Verfügung erwähnte Umstand, dass die vom Beschwerdeführer vorgebrachten Sachverhaltselemente weder in der Anzeige an die Oberstaatsanwaltschaft noch im Anwaltsschreiben genannt wurden, gegen die Glaubhaftigkeit dieser Vorbringens. Es ist nicht ersichtlich, inwiefern das Fehlen eines Arztberichtes den Familienanwalt davon hätte abhalten sollen, die vom Beschwerdeführer angeblich erlittenen Misshandlungen während der Haft in der Anzeige an die Oberstaatsanwaltschaft und in seinem Schreiben zu erwähnen. Das Beschwerdevorbringen, der Anwalt K._______ vertrete die ganze Familie und nicht spezifisch den Beschwerdeführer, weshalb er "wahrscheinlich" nicht speziell für ihn geschrieben und lediglich den Verfahrensstand genannt habe, zielt bereits angesichts des Betreffs ("Betrifft") des Schreibens ins Leere. Wie schon das SEM in der angefochtenen Verfügung anführte, wusste der Familienanwalt dem Beschwerdeführer zufolge denn auch, dass das Schreiben für die Schweizer Asylbehörden bestimmt war (vgl. A 40 F118). Im Übrigen reichte der Beschwerdeführer auch sonst keine Beweismittel betreffend Haft und Misshandlungen (wie beispielsweise Fotografien) zu den Akten. Jedenfalls vermag das Arztzeugnis vom 1. Juli 2015, in welchem der Verdacht auf eine PTBS geäussert wurde, keinen Beweis für die behauptete Misshandlung darzustellen, wobei diesbezüglich auf die entsprechenden Erwägungen in der angefochtenen Verfügung verwiesen werden kann (vgl. Bst. F.b.b vorstehend). Dasselbe gilt sinngemäss auch für den "Austrittsbericht" des (...) vom 1. Februar 2016.

6.2.2  Der (glaubhafte) Vorfall vom (...) 2012 selbst war sodann weder genügend intensiv noch kausal für die Ausreise des Beschwerdeführers aus der Türkei. Dieser allein vermag demzufolge keine Asylrelevanz zu entfalten.

6.2.3   

6.2.3.1  Was die vom Beschwerdeführer geschilderten Bedrohungen und Schikanen durch die Polizei nach der Anzeigeerhebung betrifft, die gegenüber seiner Familie andauern würden (vgl. A 22 F 35 ff.; Schreiben vom 20. Juni 2015 [A 30]; A 40 F32 und 40), ist Folgendes festzuhalten: Abgesehen davon, dass die persönliche Glaubwürdigkeit des Beschwerdeführers nach dem bisher Ausgeführten erheblich beeinträchtigt ist, ist festzuhalten, dass seine diesbezüglichen Angaben - insbesondere in zeitlicher Hinsicht - unsubstanziiert und damit unglaubhaft ausgefallen sind (vgl. A 22 F39 ff.). Gegen die Glaubhaftigkeit dieser Vorbringen spricht auch, dass sie im Schreiben von Anwalt K._______ nicht erwähnt werden.

6.2.3.2  Es ist sodann darauf hinzuweisen, dass der Beschwerdeführer an der ergänzenden Anhörung keine ihm von seiner Familie zugetragenen Neuigkeiten zu nennen vermochte. Seine Erklärung für das angebliche Zurückhalten von Informationen seitens seiner Familie, diese sage ihm nichts, auch wenn es etwas Neues gebe, da sie ihn nicht belasten wolle (vgl. A 40 F22 f., 42, 47 ff., 55), vermag angesichts der Wichtigkeit entsprechender Informationen für sein Asylverfahren nicht zu überzeugen. Das Argument, die Familie wolle aus Angst nicht darüber sprechen, weil das Telefon abgehört werde (vgl. A 40 F52 ff.) und sie ihr luxuriöses Leben nicht verlieren wolle (siehe Beschwerdeschrift S. 10), erscheint sodann bereits deshalb nicht plausibel, weil "heikle" Informationen dem Beschwerdeführer beispielsweise über den Anwalt hätten mitgeteilt werden können.

6.2.3.3  Im auf Beschwerdeebene eingereichten Schreiben von Familienangehörigen des Beschwerdeführers vom 25. Dezember 2015 wird zwar angeführt, dass immer wieder Polizisten ins Geschäft sowie in die Wohnung kommen und nach dem Beschwerdeführer fragen würden, seit dieser in der Schweiz ein Asylgesuch eingereicht habe. Dieses Vorbringen ist allerdings - wie auch die weiteren Ausführungen in diesem Schreiben - unsubstanziiert ausgefallen. Zudem sind aufgrund der Verwandtschaft respektive Bekanntschaft zwischen dem Beschwerdeführer und den Unterzeichnern des Schreibens vom 25. Dezember 2015 (u.a. sein Vater, sein Onkel und seine Cousine) Gefälligkeitsaussagen nicht von der Hand zu weisen. Das Schreiben vermag demnach die angebliche Gefährdung des Beschwerdeführers in der Türkei nicht glaubhaft zu machen.

6.3  Hinsichtlich der weiteren Vorfälle ist festzuhalten, dass der Beschwerdeführer weder für die Zerstörung der Imbiss-Bude in F._______ noch für die angebliche Inhaftierung im Jahr 2011 Beweismittel zu den Akten reichte, weshalb - insbesondere unter Berücksichtigung seiner bereits reduzierten persönlichen Glaubwürdigkeit - auch an der Glaubhaftigkeit dieser Vorbringen erhebliche Zweifel bestehen. Eine eingehende Glaubhaftigkeitsprüfung erübrigt sich allerdings, da diese Sachverhaltselemente ohnehin nicht asylrelevant wären. So hat das SEM in der angefochtenen Verfügung zutreffend erwogen, dass weder die Zerstörung der Imbissbude noch die Festnahme des Beschwerdeführers im Jahr 2011 kausal für seine Ausreise im Jahr 2013 gewesen seien (vgl. Bst. F.b.c vorstehend). Das Gleiche gilt auch für seine Entlassung bei (...). Dieses Sachverhaltselement vermag deshalb (und im Übrigen wie auch die anderen Vorfälle mangels Intensität) - unabhängig davon, ob er tatsächlich wegen seiner kurdischen Ethnie entlassen wurde - keine Asylrelevanz zu entfalten.

6.4  Da die Entlassung des Beschwerdeführers bei (...) und die Stürmung des Familienrestaurants durch die Polizei im (...) 2012 sowie - bei Annahme der Glaubhaftigkeit - die Festnahme des Beschwerdeführers im Jahr 2011 und die Zerstörung der Imbissbude für dessen Ausreise nicht kausal waren, vermögen sie auch nicht mit den weiteren in der Beschwerdeschrift geschilderten Ungerechtigkeiten, die zeitlich noch weiter zurückliegen, Asylrelevanz zu entfalten. Es erübrigt sich daher, auf die behaupteten Probleme des Beschwerdeführers in der Schule und die Beschwerdevorbringen im Zusammenhang mit der Flucht seiner Familie aus C._______ einzugehen. Festzuhalten ist immerhin, dass dem Beschwerdeführer seine Geburt in C._______ angesichts des auf seinem Nüfus eingetragenen Geburtsortes (D._______), den er auch auf dem Personalienblatt des EVZ als Geburtsort angab (vgl. A 1), nicht geglaubt werden kann.

7.   

7.1  In der Beschwerdeschrift wird erstmals die Befürchtung geäussert, es sei sehr wahrscheinlich, dass der Beschwerdeführer aufgrund seiner Probleme mit der Polizei fichiert worden sei. Die Begründung dieser Befürchtung überzeugt allerdings bereits deshalb nicht, weil das Vorbringen zur versuchten Festnahme des Beschwerdeführers durch G._______ an den Gezi-Park-Protesten unglaubhaft ist und somit nicht als Argument für eine Fichierung herhalten kann. Im Übrigen erwähnte der Beschwerdeführer die Vorwürfe, seine Familie gebe Mitgliedern der HDP (Halklarin Demokratik Partisi; Demokratische Partei der Völker) gratis zu essen und würde Leute organisieren, die sie nach Kandil (zur PKK [Partiya Karkerên Kurdistanê; Arbeiterpartei Kurdistans]) schicke, im vorinstanzlichen Verfahren - wenn überhaupt - nur am Rande (vgl. A 22 F78). Sollten tatsächlich derartige Vorwürfe gegen seine Familie erhoben worden sein, ist nicht ersichtlich, weshalb gerade der Beschwerdeführer - und nicht beispielsweise sein in der Türkei verbliebener Onkel, dem das Restaurant gehört - deswegen in den Fokus der Behörden geraten sein soll. Nach dem Gesagten kann die Frage, ob Personen wie der Beschwerdeführer, gegen die in der Türkei noch nie ein Strafverfahren wegen eines politischen Delikts eröffnet wurde (vgl. dazu BVGE 2010/9 E. 5.3.1 f.), überhaupt fichiert werden, offengelassen werden.

7.2  Hinsichtlich der im vorinstanzlichen Verfahren lediglich am Rande erwähnten (vgl. A 40 F136) und erst auf Beschwerdeebene etwas ausführlicher begründeten Befürchtung des Beschwerdeführers, er würde bei einer Rückkehr in die Türkei festgenommen und ins Militär geschickt werden, ist Folgendes festzuhalten: Abgesehen davon, dass nicht mit Sicherheit feststeht, ob der Beschwerdeführer überhaupt als diensttauglich eingestuft würde, ist es das legitime Recht eines Staates, seine Bürger zum Militärdienst einzuberufen. Die militärische Inpflichtnahme in der Türkei erfolgt zudem einzig aufgrund der Staatsangehörigkeit und des Jahrgangs des Betroffenen. Es ist auch nicht bekannt, dass Kurden speziell gegen Angehörige der eigenen Ethnie eingesetzt würden (vgl. etwa Urteil des BVGer E-3873/2014 vom 1. Oktober 2015 E. 6.5). Strafrechtliche oder disziplinarische Massnahmen bei Pflichtverletzungen im Zusammenhang mit der Militärdienstpflicht sind daher grundsätzlich nicht als politisch motivierte oder menschenrechtswidrige Verfolgungsmassnahmen zu betrachten. Ausnahmen bleiben vorbehalten, beispielsweise wenn der Wehrpflichtige aus einem Grund nach Art. 3 AsylG mit einer schweren Strafe zu rechnen hat oder wenn das Strafmass für ihn höher ausfällt, als für Deserteure und Refraktäre ohne diesen spezifischen Hintergrund, oder wenn der Wehrpflichtige aus denselben Gründen während des Dienstes schwersten Übergriffen und Misshandlungen durch Kameraden und Vorgesetzte ausgesetzt wäre, wofür vorliegend keine konkreten Anhaltspunkte vorhanden sind. Bei der vom Beschwerdeführer an der ergänzenden Anhörung geschilderten Befürchtung, er werde aufgrund seiner Herkunft aus C._______ und seiner Asylgesuchstellung im Ausland "irgendwohin" versetzt, wo er "möglicherweise" von einem Kommandanten umgebracht werde (vgl. A 40 F136), handelt es sich um eine reine Spekulation. Seine Ausreisegründe wurden sodann vom SEM und vom Gericht in weiten Teilen als unglaubhaft erachtet, weshalb auch das Beschwerdevorbringen, er würde im Militärdienst aufgrund seiner Vorgeschichte einer äusserst schlechten Behandlung ausgesetzt, ins Leere zielt.

8. 
Zusammenfassend ist festzustellen, dass das SEM die Flüchtlingseigenschaft des Beschwerdeführers zu Recht verneint und dessen Asylgesuch abgelehnt hat. An dieser Einschätzung vermögen weder die weiteren Ausführungen in der Beschwerdeschrift noch die übrigen Beweismittel etwas zu ändern.

9.   

9.1  Lehnt das SEM das Asylgesuch ab oder tritt es darauf nicht ein, so verfügt es in der Regel die Wegweisung aus der Schweiz und ordnet den Vollzug an; es berücksichtigt dabei den Grundsatz der Einheit der Familie (Art. 44 AsylG).

9.2  Der Beschwerdeführer verfügt weder über eine ausländerrechtliche Aufenthaltsbewilligung noch über einen Anspruch auf Erteilung einer solchen. Zwar sprach er - nach Erlass der vorinstanzlichen Verfügung - beim Zivilstandsamt P._______ zwecks Vorbereitung der Eheschliessung mit einer Schweizer Bürgerin vor (vgl. Bst. K vorstehend). Allerdings konnte respektive durfte die Ehe - soweit aus den Akten ersichtlich - (bisher) nicht geschlossen werden. Der Beschwerdeführer kann sich daher nicht auf Art. 42 Abs. 1 AuG (SR 142.20) berufen. Die vom SEM angeordnete Wegweisung ist daher zu bestätigen (Art. 44 AsylG; vgl. BVGE 2013/37 E. 4.4; 2009/50 E. 9, je m.w.H.).

10.   

10.1  Ist der Vollzug der Wegweisung nicht zulässig, nicht zumutbar oder nicht möglich, so regelt das Staatssekretariat das Anwesenheitsverhältnis nach den gesetzlichen Bestimmungen über die vorläufige Aufnahme (Art. 44 AsylG; Art. 83 Abs. 1 AuG).

Beim Geltendmachen von Wegweisungsvollzugshindernissen gilt gemäss Praxis des Bundesverwaltungsgerichts der gleiche Beweisstandard wie bei der Prüfung der Flüchtlingseigenschaft; das heisst, sie sind zu beweisen, wenn der strikte Beweis möglich ist, und andernfalls wenigstens glaubhaft zu machen (vgl. BVGE 2011/24 E. 10.2 m.w.H.).

10.2   

10.2.1  Der Vollzug ist nicht zulässig, wenn völkerrechtliche Verpflichtungen der Schweiz einer Weiterreise der Ausländerin oder des Ausländers in den Heimat-, Herkunfts- oder einen Drittstaat entgegenstehen (Art. 83 Abs. 3 AuG). So darf keine Person in irgendeiner Form zur Ausreise in ein Land gezwungen werden, in dem ihr Leib, ihr Leben oder ihre Freiheit aus einem Grund nach Art. 3 Abs. 1 AsylG gefährdet ist oder in dem sie Gefahr läuft, zur Ausreise in ein solches Land gezwungen zu werden (Art. 5 Abs. 1 AsylG; vgl. ebenso Art. 33 Abs. 1 des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge [FK, SR 0.142.30]). Gemäss Art. 25 Abs. 3 BV, Art. 3 des Übereinkommens vom 10. Dezember 1984 gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe (FoK, SR 0.105) und der Praxis zu Art. 3 EMRK darf niemand der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen werden.

10.2.2  Die Vorinstanz wies in ihrer angefochtenen Verfügung zutreffend darauf hin, dass das Prinzip des flüchtlingsrechtlichen Non-Refoulement nur Personen schützt, die die Flüchtlingseigenschaft erfüllen. Da es dem Beschwerdeführer nicht gelungen ist, eine asylrechtlich erhebliche Gefährdung nachzuweisen oder glaubhaft zu machen, kann der in Art. 5 AsylG verankerte Grundsatz der Nichtrückschiebung im vorliegenden Verfahren keine Anwendung finden. Eine Rückkehr des Beschwerdeführers in die Türkei ist demnach unter dem Aspekt von Art. 5 AsylG rechtmässig.

Sodann ergeben sich weder aus den Aussagen des Beschwerdeführers noch aus den Akten Anhaltspunkte dafür, dass er für den Fall einer Ausschaffung in die Türkei dort mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit einer nach Art. 3 EMRK oder Art. 1 FoK verbotenen Strafe oder Behandlung ausgesetzt wäre. Gemäss Praxis des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR) sowie jener des UN-Anti-Folterausschusses müsste der Beschwerdeführer eine konkrete Gefahr ("real risk") nachweisen oder glaubhaft machen, dass ihm im Fall einer Rückschiebung Folter oder unmenschliche Behandlung drohen würde (vgl. Urteil des EGMR Saadi gegen Italien vom 28. Februar 2008, Grosse Kammer 37201/06, §§ 124-127 m.w.H.). Dies ist ihm nach den vorstehenden Erwägungen nicht gelungen. Auch die allgemeine Menschenrechtssituation in der Türkei lässt - in Berücksichtigung der jüngsten Ereignisse - den Wegweisungsvollzug zum heutigen Zeitpunkt nicht als unzulässig erscheinen. Nach dem Gesagten ist der Vollzug der Wegweisung sowohl im Sinne der asyl- als auch der völkerrechtlichen Bestimmungen zulässig.

 

10.3   

10.3.1  Gemäss Art. 83 Abs. 4 AuG kann der Vollzug für Ausländerinnen und Ausländer unzumutbar sein, wenn sie im Heimat- oder Herkunftsstaat aufgrund von Situationen wie Krieg, Bürgerkrieg, allgemeiner Gewalt und medizinischer Notlage konkret gefährdet sind. Wird eine konkrete Gefährdung festgestellt, ist - unter Vorbehalt von Art. 83 Abs. 7 AuG - die vorläufige Aufnahme zu gewähren.

10.3.2   

10.3.2.1  Es ist vorab festzuhalten, dass die allgemeine Lage in der Türkei - namentlich in E._______ - nicht auf eine konkrete Gefährdung des Beschwerdeführers im Falle einer Rückkehr dorthin schliessen lässt (vgl. zu den türkischen Provinzen, in denen eine Situation allgemeiner Gewalt angenommen wird: BVGE 2013/2). Daran ändert auch seine angebliche Erkennbarkeit als Kurde nichts. Den Akten sind zudem keine Anhaltspunkte dafür zu entnehmen, dass er bei einer Rückkehr aus individuellen Gründen wirtschaftlicher oder sozialer Natur in eine existenzbedrohende Situation geraten würde, zumal er in der Türkei über zahlreiche Verwandte und somit über ein tragfähiges Beziehungsnetz verfügt.

10.3.2.2  Es stellt sich die Frage, ob der gesundheitliche Zustand des Beschwerdeführers ein Vollzugshindernis bildet. Diesbezüglich ist darauf hinzuweisen, dass aufgrund gesundheitlicher Probleme nur dann auf Unzumutbarkeit des Wegweisungsvollzuges geschlossen werden kann, wenn eine notwendige medizinische Behandlung im Heimatland nicht zur Verfügung steht und die Rückkehr zu einer raschen und lebensgefährdenden Beeinträchtigung des Gesundheitszustandes der betroffenen Person führt (vgl. BVGE 2009/2 E. 9.3.2; 2011/50 E. 8.3).

Aus dem im Beschwerdeverfahren eingereichten "Austrittsbericht" vom 1. Februar 2016 geht hervor, dass der Beschwerdeführer an einer Anpassungsstörung leidet und zudem der Verdacht auf eine posttraumatische Belastungsstörung besteht. Diese Diagnose - wie auch das lediglich behauptete Asthma (vgl. A 22 F113) - vermag indessen - auch unter Berücksichtigung einer allfälligen Verstärkung der Problematik bei einer Rückkehr in die Türkei (vgl. ärztliches Zeugnis des Hausarztes des Beschwerdeführers vom 1. Juli 2015) - nicht die Unzumutbarkeit des Wegweisungsvollzugs zu begründen. Es kann auf die entsprechenden Ausführungen des SEM in der angefochtenen Verfügung verwiesen werden (vgl. Bst. F.b.g vorstehend), denen auf Beschwerdeebene nichts entgegengehalten wird. In Bezug auf eine allfällige Suizidgefahr (vgl. "Anordnung betreffend Fürsorgerische Unterbringung") ist auf die Möglichkeit stabilisierender Massnahmen bei der Rückkehr hinzuweisen. Überdies kann der Beschwerdeführer bei der Vorinstanz medizinische Rückkehrhilfe beantragen (Art. 93 Abs. 1 Bst. d AsylG i.V.m. Art. 75 der Asylverordnung 2 vom 11. August 1999 über Finanzierungsfragen [AsylV 2, SR 142.312]), womit er in einer ersten Phase nach seiner Rückkehr hinsichtlich der Organisation der medizinischen Behandlung nicht vor unüberwindbare Schwierigkeiten gestellt ist. Damit liegen keine Hindernisse medizinischer Art vor, welche dem Vollzug der Wegweisung entgegenstehen. Die Vollzugsbehörden sind indes anzuweisen, beim Vollzug der Wegweisung der gesundheitlichen Situation des Beschwerdeführers gebührend Rechnung zu tragen.

Nach dem Gesagten erweist sich der Vollzug der Wegweisung auch als zumutbar.

10.4  Schliesslich obliegt es - soweit erforderlich - dem Beschwerdeführer, sich bei der zuständigen Vertretung des Heimatstaates die für eine Rückkehr notwendigen Reisedokumente zu beschaffen (vgl. Art. 8 Abs. 4 AsylG und dazu auch BVGE 2008/34 E. 12), weshalb der Vollzug der Wegweisung auch als möglich zu bezeichnen ist (Art. 83 Abs. 2 AuG).

10.5  Zusammenfassend hat die Vorinstanz den Wegweisungsvollzug zu Recht als zulässig, zumutbar und möglich bezeichnet. Eine Anordnung der vorläufigen Aufnahme fällt somit ausser Betracht (Art. 83 Abs. 1-4 AuG).

11. 
Aus diesen Erwägungen ergibt sich, dass die angefochtene Verfügung Bundesrecht nicht verletzt und auch sonst nicht zu beanstanden ist (Art. 106 Abs. 1 AsylG). Die Beschwerde ist abzuweisen.

12.   

12.1  Mit dem vorliegenden Entscheid in der Hauptsache ist das Gesuch um Erlass des Kostenvorschusses gegenstandslos geworden.

12.2  Bei diesem Ausgang des Verfahrens wären die Kosten dem Beschwerdeführer aufzuerlegen (Art. 63 Abs. 1 VwVG). Dieser ersuchte jedoch um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege im Sinne von Art. 65 Abs. 1 VwVG. Danach kann die Beschwerdeinstanz eine bedürftige Partei, deren Begehren nicht aussichtslos erscheinen, auf Gesuch davon befreien, Verfahrenskosten zu bezahlen.

Vorliegend ist aufgrund der eingereichten Fürsorgebestätigung von der Bedürftigkeit des Beschwerdeführers auszugehen. Auch können die Beschwerdebegehren nicht als aussichtslos bezeichnet werden. Das Gesuch um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege ist somit gutzuheissen, weshalb keine Verfahrenskosten aufzuerlegen sind.

 

(Dispositiv nächste Seite)


Demnach erkennt das Bundesverwaltungsgericht:

1. 
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2. 
Die Vollzugsbehörden werden angewiesen, beim Vollzug der Wegweisung der gesundheitlichen Situation des Beschwerdeführers gebührend Rechnung zu tragen.

3. 
Das Gesuch um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege im Sinne von Art. 65 Abs. 1 VwVG wird gutgeheissen.

4. 
Es werden keine Verfahrenskosten auferlegt.

5. 
Dieses Urteil geht an den Beschwerdeführer, das SEM und die kantonale Migrationsbehörde.

 

Die vorsitzende Richterin:

Die Gerichtsschreiberin:

 

 

Daniela Brüschweiler

Sandra Sturzenegger

 

 

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