Das
Bundesverwaltungsgericht zieht in Erwägung:
1. Prozessvoraussetzungen
1.1 Die
Verfügung der Vorinstanz vom 18. Oktober 2010 ist eine Verfügung im Sinne von Art. 5 Abs. 1
des Verwaltungsverfahrensgesetzes vom 20. Dezember 1968 (VwVG, SR 172.021). Das Bundesverwaltungsgericht,
das gemäss Art. 31 des Verwaltungsgerichtsgesetzes vom 17. Juni 2005 (VGG, SR 173.32) als Beschwerdeinstanz
Beschwerden gegen Verfügungen nach Art. 5 VwVG beurteilt, ist nach Art. 33 Bst. f VGG für
die Behandlung der vorliegenden Streitsache zuständig, zumal keine Ausnahme nach Art. 32 VGG greift.
1.2 Die
Beschwerdeführerin hat am Verfahren vor der Vorinstanz teilgenommen und ist durch die angefochtene
Verfügung besonders berührt. Sie hat zudem ein als schutzwürdig anzuerkennendes Interesse
an deren Aufhebung oder Änderung, weshalb sie zur Beschwerde legitimiert ist (Art. 48 Abs. 1 VwVG).
Ihre Vertreter haben sich rechtsgenüglich durch Vollmacht ausgewiesen (Art. 11 Abs. 2 VwVG). Die
Eingabefrist sowie die Anforderungen an Form und Inhalt der Beschwerdeschrift sind gewahrt (Art. 50 und
52 Abs. 1 VwVG). Der Kostenvorschuss wurde fristgemäss bezahlt (Art. 63 Abs. 4 VwVG).
Auf die Beschwerde ist somit einzutreten.
2. Zulässigkeit
der Beschwerde bei Vorliegen einer Selbstanzeige
Im Zusammenhang mit der von der Beschwerdeführerin eingereichten Selbstanzeige ist das Folgende
festzuhalten:
a)
Vorbringen der Vorinstanz
2.1 Die
Vorinstanz wertet die nachträglich zur Selbstanzeige eingereichte Beschwerde als widersprüchliches
Verhalten der Beschwerdeführerin. Sie macht geltend, die Beschwerdeführerin bestreite in ihrer
Beschwerde nicht nur ihre Beteiligung an einer unzulässigen Wettbewerbsabrede im Sinne von Art.
5 Abs. 3 des Bundesgesetzes über Kartelle und andere Wettbewerbsbeschränkungen vom 6. Oktober
1995 (Kartellgesetz, KG, SR 251), sondern überhaupt das Vorliegen einer Abrede im Sinne von Art.
4 Abs. 1 KG. Dies stehe im Widerspruch zur Tatsache, dass die Beschwerdeführerin eine Selbstanzeige
eingereicht und damit zumindest zum Ausdruck gebracht habe, dass sie an einer unzulässigen Wettbewerbsabrede
beteiligt gewesen sei. Dass die Beschwerdeführerin nun sogar das Vorliegen einer - hinsichtlich
der wettbewerbsrechtlichen Zulässigkeit nichts aussagenden - Wettbewerbsabrede im Sinne von
Art. 4 Abs. 1 KG vehement bestreite, sei als venire contra factum proprium
zu werten und komme einem nachträglichen Rückzug ihrer Selbstanzeige gleich. Folglich müsse
der Beschwerdeführerin infolge Wegfalls der entsprechenden Voraussetzung im Rahmen des Beschwerdeverfahrens
die gewährte Sanktionsreduktion von 20% vollständig entzogen werden (vgl. Vernehmlassung Rz.
7 ff.).
b)
Vorbringen der Beschwerdeführerin
2.2 Demgegenüber
macht die Beschwerdeführerin im Wesentlichen geltend, für eine Reduktion einer Sanktion gestützt
auf die Bonusregelung sei entscheidend, dass ein Unternehmen freiwillig mit den Behörden zusammenarbeite
und an der Aufklärung des Sachverhalts mitwirke, indem es die notwendigen Informationen und Beweismittel
liefere. Die im Rahmen der Kooperation gemachten Angaben würden sich lediglich auf die Erhebung
des Sachverhalts beziehen und nicht auf dessen rechtliche Würdigung. Eine Sanktionsreduktion auf
der Basis der Kooperation setze kein Schuldeingeständnis voraus, und die Tatsache, dass ein Unternehmen
kooperiere, stelle kein Schuldeingeständnis dar (vgl. Replik Rz. 6 ff.). So habe sie in ihrer Kooperationsanzeige
ausdrücklich darauf hingewiesen, dass ihre Ausführungen nicht als Schuldeingeständnis
zu verstehen seien, und dass mit der Kooperationsanzeige keine rechtliche Würdigung des Sachverhalts
erfolge (vgl. act. 181).
2.3 Entgegen
der Auffassung der Vorinstanz sei ihr Verhalten nicht widersprüchlich. Sie habe ihre Beteiligung
an einer horizontalen Preisabrede betreffend den Materialteuerungszuschlag bereits anlässlich des
vorinstanzlichen Verfahrens bestritten (vgl. act. 265 Rz. 36-38, Rz. 43 ff. und Rz.
65 ff., Rz. 79 f.). Die Vorinstanz habe darin keinen Rückzug der Kooperationsbereitschaft gesehen.
Die Beschwerdeschrift enthalte zudem keine neuen Bestreitungen.
2.4 Die
Vorinstanz stelle in ihrer Verfügung vielmehr zu Recht fest, dass sie die Voraussetzungen für
eine Sanktionsreduktion gestützt auf Art. 12 der Verordnung über die Sanktionen bei unzulässigen
Wettbewerbsbeschränkungen vom 12. März 2004 (KG-Sanktionsverordnung, SVKG, SR 251.5) erfülle.
Die Vorinstanz bestätige damit, dass die von ihr eingereichten Beweismittel "zu einem besseren
Gesamtüberblick des Sachverhalts verhalfen" (Verfügung Rz. 473). Im Rahmen des Beschwerdeverfahrens
übe sie nun lediglich ihre Verteidigungsrechte aus. Es könne weder von einem widersprüchlichen
Verhalten oder von einer missbräuchlichen Inanspruchnahme der Bonusregelung noch von einem impliziten
Rückzug der Kooperationsanzeige die Rede sein.
c)
Würdigung des Gerichts
2.5 Im
vorliegenden Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass im Umstand, dass eine Verfahrenspartei im Rahmen
einer Selbstanzeige mit der Vorinstanz kooperiert und anschliessend die rechtliche Würdigung des
Sachverhalts mit einer Beschwerde bestreitet, grundsätzlich kein widersprüchliches Verhalten
zu sehen ist. Würde nämlich das Verhalten der Beschwerdeführerin als nachträglicher
Rückzug der Selbstanzeige gewertet werden, so müsste im vorliegenden Verfahren überdies
der Frage Beachtung geschenkt werden, ob der Wegfall der Grundlage für eine Sanktionsreduktion auch
einen Einfluss auf die ungehinderte Verwertbarkeit der anlässlich der Selbstanzeige erlangten Informationen
und eingereichten Beweismittel haben könnte.
2.6 Nach
Ansicht der Vorinstanz müsste der Beschwerdeführerin die ursprünglich gewährte Sanktionsreduktion
bei der Sanktionsbemessung aufgrund des Wegfalls der Grundlage entzogen werden. Dennoch stützt sie
sich im weiteren Verlauf dieses Verfahrens auf die Selbstanzeigen der Untersuchungsadressaten und qualifiziert
diese folglich als taugliche Beweismittel. Insbesondere im Zusammenhang mit dem Beweiswert der Fragebogen
weist sie darauf hin, dass die Fragebogen im Sinne einer Plausibilitätsprüfung anzusehen seien
und die Würdigung des Sachverhalts sich auch auf weitere Beweismittel stütze, u.a. auf die
eingereichten Selbstanzeigen. Dass die Vorinstanz den Selbstanzeigen sowohl der Beschwerdeführerin
als auch der übrigen Untersuchungsadressaten keineswegs eine nur untergeordnete Bedeutung bei der
Beweiswürdigung beimisst, wird auch aufgrund ihrer Ausführungen zum Untersuchungsgrundsatz
in ihrer Duplik vom 11. Juli 2011 ersichtlich. Als die Beschwerdeführerin in ihrer Replik im Zusammenhang
mit der Befragung der Fensterverarbeiter u.a. vorbringt, die Vorinstanz könne nicht begründen,
inwiefern es unverhältnismässig gewesen wäre, mehrere Fensterverarbeiter als 55 zu befragen
(vgl. Replik Rz. 90), nachdem im Fall Hors-Liste-Medikamente ca. 850 Marktteilnehmer befragt worden seien
(vgl. RPW 2010/4, S. 649 ff.), weist die Vorinstanz in ihrer Duplik diesbezüglich präzisierend
darauf hin, dass im Fall Hors-Liste-Medikamente keine Selbstanzeigen vorgelegen hätten. Damit sei
klar, dass der Ermittlungsaufwand viel grösser gewesen sei als im vorliegenden Verfahren, in welchem
drei Selbstanzeigen vorliegen würden. Selbstanzeigende Unternehmen seien dazu verpflichtet, bei
der Aufdeckung unzulässiger Wettbewerbsabreden unaufgefordert und uneingeschränkt mitzuwirken.
Deshalb könne und dürfe sich die Vorinstanz bis zu einem gewissen Grad auf die Informationen,
die von den selbstanzeigenden Unternehmen eingereicht worden seien, verlassen (vgl. Duplik Rz. 28 und
die Ausführungen unter Ziff. 8.3 hiernach
2.7 Diese
Vorgehensweise der Vorinstanz wirft die Frage auf, ob darin dann ein inkonsistentes Verhalten erblickt
werden könnte, wenn die Selbstanzeige als Grundlage im Zusammenhang mit der Gewährung einer
Sanktionsreduktion als weggefallen gewertet wird, in der Folge aber gleichwohl ohne Einschränkung
Eingang in die Beweiswürdigung findet.
2.8 Das
Gericht erachtet es grundsätzlich als zulässig, wenn eine Verfahrenspartei im Rahmen einer
Selbstanzeige mit der Vorinstanz kooperiert und anschliessend die rechtliche Würdigung des Sachverhalts
mit einer Beschwerde bestreitet. Folglich besteht in solchen Fällen kein Anlass, die Frage der Zulässigkeit
der Verwertung einer von der Vorinstanz als nachträglich zurückgezogen qualifizierten Selbstanzeige
im Rahmen der Beweiswürdigung zu verneinen. Die Kooperationsbereitschaft einer Partei darf nicht
per se als Schuldeingeständnis gewertet werden, und das Einreichen einer Selbstanzeige hat auf die
Verteidigungsrechte der Partei grundsätzlich keinen Einfluss. Die im Rahmen der Selbstanzeige der
Wettbewerbsbehörde gelieferten Informationen und Beweismittel beziehen sich vielmehr lediglich auf
den Sachverhalt. Die rechtliche Würdigung eines angezeigten Sachverhalts ist deshalb nicht Gegenstand
der anlässlich der Selbstanzeige gemachten Sachverhaltsdarstellung. Denn mit dem Anspruch auf rechtliches
Gehör und der Rechtsweggarantie nicht vereinbar wäre der Verzicht auf die Einlegung eines Rechtsmittels
vor Erlass der in Frage stehenden Verfügung. "Mitwirken" im Sinne von Art. 49a Abs.
2 KG darf daher nicht ausschliessen, dass zu einem späteren Zeitpunkt des Verfahrens eine divergierende
Rechtsauffassung vertreten wird. Folglich kann die rechtliche Bewertung mittels Beschwerde angefochten
werden.
3.
Formelle Rügen
In formeller Hinsicht rügt die Beschwerdeführerin Verletzungen ihres Anspruchs auf rechtliches
Gehör und des Untersuchungsgrundsatzes.
3.1
Rüge der Verletzung des rechtlichen Gehörs
a)
Vorbringen der Vorinstanz
3.1.1 Die
Vorinstanz macht geltend, sie habe sich genügend mit den Vorbringen der Beschwerdeführerin
auseinandergesetzt. Sie habe die Vorbringen gehört, in der Entscheidfindung berücksichtigt
und in der Verfügung substantiiert abgehandelt (vgl. Vernehmlassung Rz. 50 ff.). Anlässlich
der Erörterung des rechtserheblichen Sachverhalts habe sie ausführlich und detailliert die
Marktteilnehmer (vgl. Verfügung Rz. 3-9), deren Tätigkeiten wie auch die Marktstruktur (vgl.
Verfügung Rz. 10-20) dargelegt. Für die Beschwerdeführerin sei daher von Beginn an nachvollziehbar
gewesen, von welcher Grundlage die Vorinstanz bei der Beurteilung der in Frage stehenden wettbewerbsrechtlichen
Sachverhalte ausgegangen sei. Die diesbezüglichen Einwände der Beschwerdeführerin seien
bei der Beurteilung der Frage des Vorliegens einer Wettbewerbsabrede gebührend berücksichtigt
worden (vgl. Verfügung Rz. 186-190). Damit sei für die Beschwerdeführerin auch nachvollziehbar
gewesen, weshalb ihre Vorbringen von der Vorinstanz nicht berücksichtigt worden seien. Die Vorinstanz
habe dargelegt, weshalb sie die Vorbringen der Beschwerdeführerin als unbeachtlich qualifiziert
habe. Der Beschwerdeführerin sei es nicht gelungen, ihre Behauptungen zu untermauern, obwohl sie
anlässlich der Anträge des Sekretariats (act. 223 und act. 283) zweimal schriftlich die Möglichkeit
dazu gehabt habe und von der Vorinstanz mündlich angehört worden sei (act. 339).
b)
Vorbringen der Beschwerdeführerin
3.1.2
Die Beschwerdeführerin macht demgegenüber im Wesentlichen geltend, die Verfügung
der Vorinstanz greife stark in ihre individuellen Rechte ein, weshalb sehr hohe Anforderungen an die
Prüfungs- und Begründungsdichte des Entscheids zu stellen seien. Da die Verfügung der
Vorinstanz sich mit den rechtserheblichen Vorbringen der Beschwerdeführerin nicht hinreichend auseinandergesetzt
habe, genüge sie diesen Anforderungen nicht. Die Beschwerdeführerin bringt vor, sie habe während
des Verfahrens vor der Vorinstanz mehrmals Ungenauigkeiten betreffend den festgestellten Sachverhalt
gerügt (act. 231, act. 265 Rz. 24 ff., sowie act. 337). Sie habe die Vorinstanz und ihr
Sekretariat insbesondere mehrmals auf ihre Marktposition hingewiesen und wiederholt darauf aufmerksam
gemacht, dass sie weder auf der gleichen Marktstufe der Hersteller noch auf der Marktstufe ihrer schweizerischen
Vertriebsgesellschaften tätig sei (vgl. Beschwerde Rz. 41 ff.). Die Vorinstanz habe diese
rechtserheblichen Argumente jedoch nicht berücksichtigt oder mit vagen Sachverhaltsannahmen (wie
z.B.: "mehrere der Untersuchungsadressaten sind [...] der Ansicht, dass alle am Treffen vom
22. September 2006 anwesenden Unternehmen ähnliche Interessen gehabt hätten [Verfügung
Rz. 105]") verworfen. Die richtige Feststellung der Marktverhältnisse und der Rolle der
Beschwerdeführerin als reine Zwischenhändlerin sei aber von wesentlicher Bedeutung, um ihre
allfälligen Beteiligungen an vermeintlichen Abreden zu prüfen. Aufgrund der mangelnden Auseinandersetzung
mit ihren Vorbringen habe die Vorinstanz insbesondere übersehen, dass die Beschwerdeführerin
an einer vermeintlichen horizontalen Abrede zwischen den Herstellern bzw. deren schweizerischen Vertriebsgesellschaften
bereits aufgrund ihrer Marktposition nicht habe teilnehmen können (vgl. Beschwerde Rz. 14 ff.).
c)
Würdigung des Gerichts
3.1.3
Der Anspruch auf rechtliches Gehör ergibt sich aus Art. 29 Abs. 2 der Bundesverfassung der
Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 (BV; SR 101) und verleiht den von einem zu treffenden
Entscheid Betroffenen verschiedene Mitwirkungsrechte. Das rechtliche Gehör umfasst insbesondere
den Anspruch auf Orientierung, das Recht auf Akteneinsicht (Art. 26 ff. VwVG), auf vorgängige Stellungnahme
und Anhörung (Art. 30 VwVG), auf Mitwirkung bei der Feststellung des Sachverhalts (Art. 12 ff. VwVG),
sowie auf ernsthafte Prüfung der Vorbringen durch die Behörde und deren Berücksichtigung
bei der Entscheidfindung (Art. 32 VwVG; vgl. u.a. BGE 135 II 286, E. 5.1; Urteil des Bundesverwaltungsgerichts
B-2050/2007 vom 24. Februar 2010, Swisscom, E. 6.1; ALFRED
KÖLZ/ISABELLE HÄNER/MARTIN
BERTSCHI, Verwaltungsverfahren und Verwaltungsrechtspflege
des Bundes, Zürich/Basel/Genf 2013, S. 173 ff.; André
Moser/Michael Beusch/Lorenz Kneubühler, Prozessieren vor dem Bundesverwaltungsgericht, Handbücher
für die Anwaltspraxis, Band X, 2. Aufl., Basel 2013, Rn. 3.80 ff.;
René Rhinow/Heinrich Koller/Christina Kiss-Peter/Daniela Thurnherr/Denise Brühl-Moser,
Öffentliches Prozessrecht, 3. Aufl., Basel 2014, Rn. 309 ff.; Thierry
Tanquerel, Manuel de droit administratif, Genève/Zurich/Bâle 2011, Rn. 1526 ff.; Daniela
Thurnherr, Verfahrensgrundrechte und Verwaltungshandeln, Die verfassungsrechtlichen Mindestgarantien
prozeduraler Gerechtigkeit unter den Bedingungen der Diversität administrativer Handlungsmodalitäten,
Zürich/St. Gallen 2013, Rn. 317 ff., 402 ff.). Um den Betroffenen eine Stellungnahme vor Erlass
der Verfügung zu ermöglichen, muss ihnen die Verwaltungsbehörde den voraussichtlichen
Inhalt der Verfügung, zumindest ihre wesentlichen Elemente, bekannt geben (vgl. ULRICH
HÄFELIN/GEORG MÜLLER/FELIX
UHLMANN, Allgemeines Verwaltungsrecht, 6. Aufl., Zürich/St.
Gallen 2010, Rn. 1681). Im Kartellverwaltungsverfahren wird der Anspruch auf rechtliches Gehör durch
Art. 30 Abs. 2 KG insofern erweitert, als die Verfahrensbeteiligten schriftlich zum Antrag des Sekretariats
Stellung nehmen können, bevor die Wettbewerbskommission ihren Entscheid trifft (vgl. Urteil des
Bundesgerichts 2A.492/2002 vom 17. Juni 2003, Elektra Baselland,
E. 3.4). Wie das Bundesgericht festgestellt hat, beschränkt sich der Gehörsanspruch dabei auf
rechtserhebliche Sachfragen (vgl. Urteil des Bundesgerichts 2A.492/2002
vom 17. Juni 2003, Elektra Baselland, E. 3.2.3).
3.1.4
Des Weiteren soll gewährleistet werden, dass ein Entscheid auf alle wesentlichen Elemente
abgestützt und entsprechend nachvollziehbar begründet wird (vgl. Entscheid der REKO/WEF FB/2004-4
vom 4. Mai 2006, 20 Minuten, E. 4.1, veröffentlicht in: RPW
2006/2, S. 347 ff., bestätigt im Urteil des Bundesgerichts 2A.327/2006 vom 22. Februar 2007, 20
Minuten; Rhinow/Koller/Kiss-Peter/Thurnherr/Brühl-Moser,
a.a.O., Rn. 343 ff.; Thurnherr, a.a.O., Rn. 412 f.). Die
Begründung eines Entscheids darf sich auf diejenigen Aspekte beschränken, welche die Behörde
willkürfrei als wesentlich betrachtet. Sie muss aber darlegen, weshalb sie vorgebrachte Parteistandpunkte
für nicht erheblich, unrichtig oder allenfalls unzulässig hält (vgl. Urteil des Bundesverwaltungsgerichts
B-2612/2011 vom 2. Juli 2013, E. 4.3.1; Entscheid der REKO/WEF FB/1999-7 vom 4. November 1999, Cablecom-Headends,
E. 4.3, veröffentlicht in: RPW 1999/4, S. 618 ff.; Michele
Albertini, Der verfassungsmässige Anspruch auf rechtliches Gehör im Verwaltungsverfahren
des modernen Staates, Bern 2000, S. 369, 404).
Je grösser der Spielraum ist, welcher der Behörde infolge Ermessens oder unbestimmter
Rechtsbegriffe eingeräumt wird, und je stärker der Entscheid in die individuellen Rechte einer
Partei eingreift, desto höhere Anforderungen sind an die Prüfungs- und Begründungsdichte
zu stellen (vgl. BGE 112 Ia 107, E. 2b S. 110).
3.1.5 Mit
Schreiben vom 10. Mai 2010 reichte die Beschwerdeführerin ihre Stellungnahme zum ersten Verfügungsentwurf
des Sekretariats vom 11. Februar 2010 ein. Zum überarbeiteten Verfügungsantrag des Sekretariats
vom 14. Juli 2010 nahm die Beschwerdeführerin mit Schreiben vom 24. August 2010 Stellung. Am 20.
September 2010 wurde die Beschwerdeführerin von der Vorinstanz angehört. Mit Blick auch auf
die von der Beschwerdeführerin eingereichte Selbstanzeige (vgl. act. 62, act. 80 und act. 181) ist
vorliegend folglich festzuhalten, dass die Beschwerdeführerin hinreichend Gelegenheit hatte, ihre
Vorbringen vor der Vorinstanz geltend zu machen.
3.1.6
Des Weiteren ist festzustellen, dass die Rügen der Beschwerdeführerin, die Vorinstanz
habe ihre Vorbringen nicht berücksichtigt oder sich nicht objektiv
und ernsthaft mit ihnen befasst, in der Hauptsache die rechtliche Würdigung der Sache durch
die Vorinstanz beschlagen. Diese mag zu einem anderen als dem von der Beschwerdeführerin beantragten
Ergebnis geführt haben. Die Rechtmässigkeit dieser abweichenden Rechtsauffassung stellt jedoch
keine Frage des Gehörsanspruchs dar. Vielmehr geht es dabei um die im Folgenden zu behandelnden
materiellen Fragen.
3.1.7 Folglich
ist die Rüge der Verletzung des rechtlichen Gehörs abzuweisen.
3.2 Rüge
der Verletzung des Untersuchungsgrundsatzes
3.2.1 Angesichts
des engen Bezugs der Rügen zum Inhalt der angefochtenen Verfügung sind die Rügen der Beschwerdeführerin
mit Bezug auf die Verletzung der Untersuchungsmaxime ebenfalls als materielle Fragestellungen im Zusammenhang
mit der Rechtmässigkeit der Verfügung zu prüfen (vgl. Entscheid der REKO/WEF FB/2004-4,
a.a.O., E. 4.3, bestätigt im Urteil des Bundesgerichts 2A.327/2006, a.a.O., veröffentlicht
in: RPW 2007/2, S. 331 ff.).
3.2.2 Dem
Untersuchungsgrundsatz kommt überdies zentrale Bedeutung im Zusammenhang mit der Frage nach dem
erfoderlichen Beweismass bei Vorliegen einer Selbstanzeige zu (vgl. unten E. 5).
4. Persönlicher
Anwendungsbereich
4.1 Das
Kartellgesetz bezweckt, volkswirtschaftlich oder sozial schädliche Auswirkungen von Kartellen und
anderen Wettbewerbsbeschränkungen zu verhindern und damit den Wettbewerb im Interesse einer freiheitlichen
marktwirtschaftlichen Ordnung zu fördern (Art. 1 KG).
4.2 Das
Kartellgesetz gilt für Unternehmen des privaten und des öffentlichen Rechts, die Kartell- oder
andere Wettbewerbsabreden treffen, Marktmacht ausüben oder sich an Unternehmenszusammenschlüssen
beteiligen (Art. 2 Abs. 1 KG). Als Unternehmen gelten sämtliche Nachfrager oder Anbieter von Gütern
und Dienstleistungen im Wirtschaftsprozess, unabhängig von ihrer Rechts- oder Organisationsform
(Art. 2 Abs. 1bis KG). Es werden alle Formen
unternehmerischer Tätigkeiten erfasst, soweit sich daraus eine Wettbewerbsbeschränkung ergeben
kann (vgl. Urteil des Bundesverwaltungsgerichts B-420/2008 vom 1. Juni 2010, E.3).
4.3 Die
Beschwerdeführerin ist eine schweizerische Aktiengesellschaft und bildet zusammen mit der Eugen
Koch AG und der KWB Beschläge AG die Koch-Gruppe. Folglich ist die Beschwerdeführerin als Unternehmen
im kartellrechtlichen Sinne gemäss Art. 2 Abs. 1bis
KG zu qualifizieren.
5. Das
Beweisrecht im kartellrechtlichen Sanktionsverfahren
5.1 Geltung
des Untersuchungsgrundsatzes
5.1.1 Mit
Bezug auf die Beweisführung ist festzuhalten, dass ein Verstoss gegen das Kartellgesetz gemäss
der auch im Kartellverfahren anwendbaren Untersuchungsmaxime grundsätzlich durch die Behörden
zu untersuchen ist (Art. 39 f. KG i.V.m. Art. 12 VwVG; Entscheid der REKO/WEF FB/2005-4 vom 11. Juli
2006, Buchpreisbindung, E. 6.1, veröffentlicht in: RPW 2006/3,
S. 548 ff.). Dies bedeutet, dass die Wettbewerbsbehörde für die Beschaffung der Entscheidungsgrundlagen
verantwortlich ist, allen relevanten Tatsachen nachzugehen hat und dass sie sich nicht auf die Aussagen,
Informationen und Beweismittel von Verfahrensbeteiligten beschränken darf. Sie muss vielmehr aus
eigener Initiative erforderliche Sachverhaltselemente aufklären. Dies gilt sowohl für den Nachweis
von unzulässigen Wettbewerbsbeschränkungen als auch für Elemente, welche deren Rechtfertigung
ermöglichen (Art. 5 Abs. 2 bis 4 KG). Sie hat die Pflicht, den rechtserheblichen Sachverhalt von
Amtes wegen richtig und vollständig abzuklären, wobei die Parteien gestützt auf Art. 13
VwVG eine Mitwirkungspflicht trifft. Als rechtserheblich gelten alle Tatsachen, welche den Ausgang der
Entscheidung beeinflussen können (vgl. BGE 117 V 282, E. 4a; Entscheid der REKO/WEF FB/2004-1 vom
27. September 2005, Ticketcorner, E. 5.1, veröffentlicht
in: RPW 2005/4, S. 672 ff.).
5.2 Freie
Beweiswürdigung
5.2.1 Die
Bestandsaufnahme der rechtserheblichen Tatsachen ist in einem ersten Schritt auf deren Überzeugungskraft
hin zu prüfen. Dabei gilt auch im Kartellverwaltungsverfahren der Grundsatz der freien Beweiswürdigung
(Art. 39 KG i.V.m. Art. 19 VwVG und Art. 40 Bundesgesetz über den Bundeszivilprozess, BZP; SR 273).
Demnach zieht der Richter aus dem Beweisergebnis nach freier Überzeugung die Schlüsse darüber,
was er als bewiesen erachtet.
5.2.2 Frei
ist die Beweiswürdigung vor allem darin, dass sie nicht an bestimmte starre Beweisregeln gebunden
ist, die dem Richter genau vorschreiben würden, wie ein gültiger Beweis zustande kommt. Für
das Beschwerdeverfahren bedeutet dies, dass der Richter alle Beweismittel unabhängig davon, von
wem sie stammen, objektiv zu prüfen und danach zu entscheiden hat, ob die verfügbaren Unterlagen
eine zuverlässige Beurteilung des streitigen Rechtsanspruchs gestatten (vgl. BGE 125 V 351, E. 3a).
Der Beweis ist erbracht, wenn der Richter gestützt auf die Beweiswürdigung zur Überzeugung
gelangt, dass sich der rechtserhebliche Sachumstand verwirklicht hat (vgl. Entscheid der REKO/WEF FB/2005-4
vom 11. Juli 2006, Buchpreisbindung, E. 6.2, veröffentlicht
in: RPW 2006/3, S. 548 ff.).
5.3 Beweismass
des Vollbeweises
5.3.1 In
einem zweiten Schritt ist zu entscheiden, ob die gewürdigten Tatsachen den erforderlichen Grad des
Beweismasses und damit der Überzeugung erreichen.
5.3.2 Sowohl
im ordentlichen Verwaltungsverfahrensrecht und als auch im Kartellrecht gilt grundsätzlich das Beweismass
des Vollbeweises, mithin der Gewissheit (vgl. Urteil des Bundesverwaltungsgerichts B-506/2010 vom 19.
Dezember 2013, Gaba, E. 5). Dabei stellt sich jedoch die Frage,
ob auch bei Vorliegen einer Selbstanzeige im kartellrechtlichen Sanktionsverfahren die gleichen Anforderungen
an das Beweismass zu stellen sind.
5.3.3 Nach
dem Regelbeweismass des Vollbeweises ist für den Nachweis erforderlich, dass der Richter nach objektiven
Gesichtspunkten von der Verwirklichung der Tatsache überzeugt ist (vgl. Moser/Beusch/Kneubühler,
a.a.O., Rn. 3.141; Rhinow/Koller/Kiss-Peter/Thurnherr/Brühl-Moser,
a.a.O., Rn. 999). Die Verwirklichung der Tatsache braucht indessen nicht mit Sicherheit festzustehen,
sondern es genügt, wenn allfällige Zweifel unerheblich erscheinen (vgl. BGE 130 III 321, E.
3.2; Max Berger/Roman Nogler, Beweisrecht
die Last mit dem Beweis(en), recht 2012, S. 171; Stefan Bilger,
Das Verwaltungsverfahren zur Untersuchung von Wettbewerbsbeschränkungen, Diss., Fribourg 2002, S.
305; Fritz Gygi, Bundesverwaltungsrechtspflege, 2. Aufl.,
Bern 1983, S. 279).
5.3.4 Vom
Regelbeweismass des Vollbeweises zu unterscheiden sind die Beweismasse einerseits der Glaubhaftmachung
und andererseits der hohen bzw. überwiegenden Wahrscheinlichkeit: Das Glaubhaftmachen stellt das
tiefste Beweismass dar, welches mehr ist als ein Behaupten, aber weniger als der strikte Beweis. Ein
Glaubhaftmachen erfordert somit lediglich - aber immerhin - eine begründete, plausible
Behauptung, die mindestens punktuell durch Beweismittel erhärtet ist (vgl. Roger
Groner, Beweisrecht, Bern 2011, S. 195 f.). Dieses tiefe Beweismass stellt eine Ausnahme dar und
ist auch für das ordentliche Verfahren im Kartellrecht irrelevant. Das Beweismass der hohen Wahrscheinlichkeit
bzw. in der Terminologie des Bundesgerichts und eines
Teils der Lehre der überwiegenden Wahrscheinlichkeit
ist demgegenüber höher als bei der Glaubhaftmachung und gilt dann als erbracht, wenn für
die Richtigkeit der Sachbehauptung nach objektiven Gesichtspunkten derart wichtige Gründe sprechen,
dass andere denkbare Möglichkeiten vernünftigerweise nicht massgeblich in Betracht fallen (vgl.
Berger/Nogler, a.a.O., S. 171). Auch das Beweismass der
hohen bzw. überwiegenden Wahrscheinlichkeit stellt zwar eine Ausnahme zum sog. Regelbeweismass dar,
ergibt sich aber einerseits aus gesetzlichen Bestimmungen selbst und andererseits in gewissen durch die
Rechtsprechung gebildeten Fällen, wo kein strikter Beweis möglich erscheint. Den Ausnahmen
liegt die Überlegung zu Grunde, dass die Rechtsdurchsetzung nicht an Beweisschwierigkeiten scheitern
darf, die typischerweise bei bestimmten Sachverhalten auftreten (vgl. Groner,
a.a.O., S. 184).
5.3.5 Bei
der Bestimmung des erforderlichen Beweismasses im schweizerischen Kartellrecht gilt es insbesondere danach
zu unterscheiden, ob die beweisrechtlichen Anforderungen bereits vor Einführung der direkten Sanktionen
galten oder erst danach statuiert wurden.
5.3.6 Vor
Einführung der direkten Sanktionen wurde hinsichtlich des kartellrechtlichen Verwaltungsverfahrens
von der REKO/WEF festgehalten, dass der Beweis erbracht sei, wenn der Richter gestützt auf die Beweiswürdigung
zur Überzeugung gelangt ist, dass sich der rechtserhebliche Sachverhalt verwirklicht habe. Es brauche
dabei nicht absolute Gewissheit und unter Umständen genüge der Beweisgrad der überwiegenden
Wahrscheinlichkeit (vgl. Entscheid der REKO/WEF FB/2002-1 vom 22. Dezember 2004, Betosan,
E. 8, veröffentlicht in: RPW 2005/1, S. 183 ff.). Dies erscheine im wettbewerbsrechtlichen Zusammenhang
als besonders angezeigt, zumal ökonomische Erkenntnisse immer mit einer gewissen Unsicherheit behaftet
seien (vgl. Entscheid der REKO/WEF FB/2005-4 vom 11. Juli 2006, Buchpreisbindung,
E. 6.2, veröffentlicht in: RPW 2006/3, S. 548 ff.). Das Bundesgericht hielt im Entscheid "Buchpreisbindung"
fest, der bundesrechtliche Regelbeweis gelte als erbracht, wenn das Gericht nach objektiven Gesichtspunkten
von der Richtigkeit einer Sachbehauptung überzeugt sei, wobei angesichts der Komplexität kartellrechtlicher
Sachverhalte keine übertriebenen Ansprüche an das Beweismass gestellt werden dürften (Urteil
des Bundesgerichts 2A.430/2006, RPW 2007/1, S. 129 ff., E. 10.4; ähnlich BVGE 2009/35, E. 7.4; vgl.
Paul Richli, Kartellverwaltungsverfahren, in: SIWR V/2,
S. 454; Hans-Ueli Vogt, Auf dem Weg zu einem Kartellverwaltungsverfahrensrecht,
AJP 1999, S. 844). Im Schrifttum wird das Beweismass der überwiegenden bzw. hohen Wahrscheinlichkeit
einerseits befürwortet (vgl. Bilger,
a.a.O., S. 306), wobei aber der Vollbeweis dann für einschlägig gehalten wird, wenn
die kartellrechtliche Rechtsfolge besonders schwer ist (vgl. Marc
Amstutz/Stefan Keller/Mani Reinert, "Si unus cum una...", Vom Beweismass im Kartellrecht,
in: BR 2005, S. 119); andererseits wird der strikte Beweis als Regelbeweis im kartellrechtlichen Verwaltungsverfahren
gefordert (vgl. Raphael Brütsch,
Parallelverhalten im Oligopol als Problem des schweizerischen Wettbewerbsrechts, Diss., Bern 2003, S.
150 f.; Lucas David/Reto Jacobs, Schweizerisches Wettbewerbsrecht, 5. Aufl.,
Bern 2012, Rn. 826; Lucas David/Markus Frick/Oliver Kunz/Matthias
Studer/Daniel Zimmerli, Der Rechtsschutz im Immaterialgüter- und Wettbewerbsrecht, in: SIWR
I/2, 3. Aufl., S. 465 ff.; Daniel Zimmerli, Zur Dogmatik
des Sanktionssystems und der "Bonusregelung" im Kartellrecht, Bern 2007, S. 617).
5.3.7 Die
REKO/WEF liess die Frage offen, ob bei sanktionsbedrohten Tatbeständen die Anforderungen an das
Beweismass erhöht seien (vgl. Entscheid der REKO/WEF FB/2005-4 vom 11. Juli 2006, Buchpreisbindung,
E. 6.2, a.a.O.). Grundsätzlich gelte auch im Kartellrecht das Beweismass des Vollbeweises, mithin
der Gewissheit. Gemäss Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts erfährt dieser Grundsatz
indes bei komplexen wirtschaftlichen Sachverhalten eine Relativierung und Einschränkung, weshalb
im Zusammenhang mit wirtschaftlich komplexen Fragen im wettbewerbsrechtlichen Kontext keine überspannten
Anforderungen an das Beweismass zu stellen sind. Die Komplexität wirtschaftlicher Sachverhalte,
insbesondere die vielfache und verschlungene Interdependenz wirtschaftlich relevanten Verhaltens, schliesst
eine strikte Beweisführung vielmehr regelmässig aus (vgl. Urteile des Bundesverwaltungsgerichts
B-506/2010 vom 19. Dezember 2013, Gaba, E. 5; BVGE 2012/8, Swisscom/COLT,
E. 13.2; BVGE 2009/35, Swisscom Bitstrom, E. 7.4). Der besonderen
Komplexität wirtschaftlicher Sachverhalte wird dort, wo sie zu bejahen ist, angemessen Rechnung
getragen (vgl. BVGE 2012/8, Swisscom/COLT, E. 13.2).
5.3.8 Auch
das Bundesgericht hält i.S. Publigroupe im Zusammenhang mit
der Beurteilung der Marktverhältnisse fest, es handle sich hierbei um eine komplexe Analyse, der
zwangsläufig gewisse ökonomische Annahmen zu Grunde liegen würden. Die Anforderungen an
den Nachweis solcher ökonomischen Zusammenhänge dürften mit Blick auf die Zielsetzung
des Kartellgesetzes, volkswirtschaftlich oder sozial schädliche Auswirkungen von Kartellen und anderen
Wettbewerbsbeschränkungen zu verhindern und damit den Wettbewerb im Interesse einer freiheitlichen
marktwirtschaftlichen Ordnung gemäss Art. 96 BV und Art. 1 KG zu fördern, nicht übertrieben
werden (BGE 139 I 72, Publigroupe,
E. 8.3.2, u.a. mit Verweis auf David/Frick/Kunz/Studer/Zimmerli,
a.a.O., S. 470 f., welche die Auffassung vertreten, dass die Vorinstanz aufgrund der Anwendbarkeit von
Art. 6 EMRK in Sanktionsverfahren "ohnehin den Vollbeweis" führen müsse, sowie
auf Amstutz/Keller/Reinert, a.a.O., S. 119, die sich ebenfalls
dafür aussprechen, dass in kartellrechtlichen Sanktionsverfahren in aller Regel nur der Vollbeweis
genügen könne. Für den strikten Beweis vgl. auch Beat
Zirlick/Christoph Tagmann, in: BSK Kartellgesetz, Art.
30 Rn. 102). In diesem Sinne erscheine eine strikte Beweisführung bei diesen Zusammenhängen
kaum möglich. Eine gewisse Logik der wirtschaftlichen Analyse und Wahrscheinlichkeit der Richtigkeit
müssten aber überzeugend und nachvollziehbar erscheinen (BGE 139 I 72, a.a.O.; vgl. Bilger,
a.a.O., S. 305).
5.3.9 Die
Vorinstanz äussert sich in ihrer Verfügung vom 18. Oktober 2010 nicht zum Beweismass.
5.4 Beweismass
bei Vorliegen einer
Selbstanzeige
5.4.1 Für
das vorliegende Verfahren von massgebender Bedeutung ist die Frage, ob die Vorinstanz den Sachverhalt
weitgehend der eingereichten Selbstanzeige von Roto entnommen hat, ohne diese genügend zu verifizieren,
und ob sie ihre darauf gestützten Ausführungen ohne weitere ergänzende Abklärungen
auf alle Verfahrensparteien ausgedehnt hat.
5.4.2 Entsprechend
ist vorliegend die Frage zu klären, ob beim Vorliegen einer Selbstanzeige in einem kartellrechtlichen
Sanktionsverfahren die Anforderungen an das Beweismass sowohl der Vorinstanz als auch des Bundesverwaltungsgerichts
grundsätzlich aus sog. prozessökonomischen Gründen herabgesetzt werden dürfen, oder
ob der Untersuchungsgrundsatz auch im Falle einer Selbstanzeige in vollem Umfang gilt.
5.4.3 Bei
einer Selbstanzeige stellt sich überdies die Frage nach dem Beweiswert von Aussagen, (i) die sich
einerseits gegen das anzeigende Unternehmen selbst und andererseits (ii) gegen Dritte richten. Der Fokus
nachfolgender Ausführungen richtet sich primär auf die Geltung des Untersuchungsgrundsatzes
hinsichtlich der durch die Selbstanzeige belasteten Dritt-Unternehmen, da dies für das vorliegende
Verfahren von zentraler Bedeutung ist. Entsprechend gilt es zu klären, welchen Beweiswert Selbstanzeigen
im Zusammenhang mit Dritten, die die belastenden Aussagen der Selbstanzeige bestreiten, zukommen.
5.4.4 Da
eine Beantwortung der gestellten Fragen sich nicht unmittelbar aus dem schweizerischen Kartellrecht ergibt
und es an einer entsprechenden Behörden- und Gerichtspraxis bislang noch fehlt, liegt eine kurze
Darstellung der Praxis der EU-Kommission und der Rechtsprechung der Unionsgerichte zur sog. EU-Leniency-Regelung
nahe. Denn die Selbstanzeigepraxis im EU-Wettbewerbsverfahren ist für das schweizerische Kartellverfahren
von grosser Bedeutung, dienten doch die sog. Kronzeugenregelung und ihre Praxis in der EU als Vorbild
für die Einführung einer Selbstanzeigenregelung im schweizerischen Kartellrecht (vgl. Botschaft
des Bundesrates über die Änderung des Kartellgesetzes vom 7. November 2001, BBl 2002 2022,
2038 f.). Entsprechend wird auch in den Erläuterungen zur Sanktionsverordnung im 3. Abschnitt über
den vollständigen Erlass bei Sanktionen, in denen die Voraussetzungen eines Sanktionserlasses oder
einer Sanktionsreduktion in Fällen von Selbstanzeigen näher umschrieben werden, ausdrücklich
auf die EU-Leniency Regelung hingewiesen.
5.4.5 Im
EU-Wettbewerbsverfahren haben Selbstanzeigen eine grosse Bedeutung und werden nach dem Grundsatz der
freien Beweiswürdigung geprüft. Für die Glaubwürdigkeit von Belastungen Dritter wird
u.a. das Interesse des Selbstanzeigers an einer solchen Aussage gewürdigt.
a) Praxis der EU-Kommission und Rechtsprechung der EU-Gerichte
5.4.6 Für
eine Sanktionsreduzierung muss das Unternehmen zunächst Informationen und Beweismittel vorlegen,
welche die EU-Kommission in die Lage versetzen, gegen eine mutmassliche Zuwiderhandlung gegen Art. 101
AEUV zu ermitteln. Auch nachträgliche Geständnisse von Unternehmen sind als Beweismittel zulässig.
Hierbei muss allerdings beachtet werden, dass weitere unterstützende Beweismittel erforderlich sind,
wenn, um die Zuwiderhandlung nachzuweisen, andere Kartellanten der Aussage des ersten Unternehmens widersprechen
(vgl. EuG, Enso-Gutzeit/Kommission,
T-337/94, EU:T:1998:98, Rn. 91; EuG, Tokai
Carbon/Kommission, T-236/01, EU:T:2004:118,
Rn. 219; Gerhard Dannecker/Jörg Biermann, in: Ulrich Immenga/Ernst-Joachim
Mestmäcker (Hrsg.), Wettbewerbsrecht, Kommentar zum Europäischen Kartellrecht, Bnd. 1 EU/Teil
2, 5. Aufl., München 2012, Art. 23 VO 1/2003, Rn. 253; Michael
Tschudin, Die verhandelte Strafe, einvernehmliche Regelung neben kartellrechtlicher Sanktion,
AJP 2013, S. 1020).
5.4.7 Bei
Selbstanzeigen von Kartellanten ist zu beachten, dass die EU-Kommission selbst bei einem Verzicht auf
die Verhängung einer Geldbusse ein vollständiges Verwaltungsverfahren gegen das betroffene
Unternehmen durchführt und die Entscheidung auch veröffentlicht. Dabei wird in den Entscheidungsgründen
dargelegt, wie hoch die eigentlich zu verhängende Geldbusse gewesen wäre. Dies ist zum einen
für die Beurteilung der Einhaltung des Gleichbehandlungsprinzips hinsichtlich der sonstigen von
der Entscheidung betroffenen Unternehmen bedeutsam. Zum anderen können diese Angaben relevant werden,
wenn sich im gerichtlichen Verfahren herausstellen sollte, dass die Voraussetzungen für die Anwendung
der Kronzeugenmitteilung nicht vorgelegen haben. Des Weiteren ist die fiktive Geldbusse auch für
die Haftungsquote im Hinblick auf allfällige nachfolgende privatrechtliche Ansprüche von Bedeutung.
5.4.8 In
der Rechtsprechung der EU-Gerichte gab es in den letzten Jahren einige Urteile, in denen die Frage des
Beweiswerts von Mitteilungen im Rahmen von Kronzeugenanträgen von den Verfahrensbeteiligten aufgebracht
wurde. In keinem Urteil der EU-Gerichte ist bislang jedoch die Frage gestellt worden, ob aus prozessökonomischen
Gründen im Falle eines Kronzeugenantrags die Anforderungen an das Beweismass durch die EU-Kommission
reduziert sein könnte. Im Gegenteil wurde von den Beschwerdeführern jeweils vorgebracht, dass
der Beweiswert einer Kronzeugeninformation gering sei, da ein Anreiz bestehe, Beweise mit einem erheblichen
Mehrwert zu liefern, um eine möglichst hohe Herabsetzung der Geldbusse zu erreichen. Es sei deshalb
die Gefahr einer überschiessenden Tendenz zur Belastung anderer Unternehmen in Betracht zu ziehen.
5.4.9 In
der jüngsten Rechtsprechung der EU-Gerichte wurde die Frage des Beweiswerts des Kronzeugenantrags
letztlich offen gelassen, entweder mit der Begründung, dass ohnehin genügend andere Beweismittel
vorliegen würden und es daher auf den Kronzeugenantrag nicht ankomme (vgl. EuG, AC-Treuhand
AG/Kommission, T-99/04, EU:T:2008:256), oder dass es sich um ein Rechtsmittelverfahren handle,
bei welchem keine Beweiswürdigung mehr erfolge (vgl. EuGH, Kaimer
u.a./Kommission, C-264/11 P, EU:C:2012:498). Gleichwohl wurden in den Urteilen wichtige Aussagen
zum Beweiswert und damit im Ergebnis auch zum Beweismass von Kronzeugenanträgen gemacht. In keinem
der Fälle wurde aber das Beweismass herabgesetzt oder die volle Geltung des Untersuchungsgrundsatzes
in Frage gestellt.
5.4.10 Die
Gefahr falscher oder überzogener Angaben im Rahmen von Kronzeugenanträgen - einerseits,
um eine möglichst umfassende Kooperationsbereitschaft zu zeigen, d.h. um eine möglichst hohe
Bussgeldreduktion zu erwirken, und andererseits, um die anderen Kartellteilnehmer, die in aller Regel
Mit-Wettbewerber sind, zu schädigen - wird auch von der EU-Kommission gesehen. Sie versucht
dieser Gefahr durch den Entzug von Vergünstigungen entgegenzusteuern. Daraus folgt, dass die EU-Kommission
nicht die Frage stellt, ob im Falle von Kronzeugenanträgen das Beweismass herabzusetzen sei und
dieses daher weniger strengen Anforderungen an die Beweisführung unterliege. Das Gegenteil ist vielmehr
der Fall: Die Kommission sieht durchaus die Gefahr verfälschter Beweise und Aussagen im Rahmen von
Kronzeugenanträgen. In Fällen aber, in denen ein Unternehmen nicht allzu viele Informationen
liefern kann und daher ein Kronzeugenantrag von vornherein ausscheidet, kann es ohnehin nicht zu einer
Vergünstigung kommen.
5.4.11 Aus
der Gesamtsicht der Praxis der EU-Kommission sowie der Rechtsprechung der EU-Gerichte ergibt sich deshalb
das folgende Bild: Die EU-Kommission selbst hat Zweifel am Beweiswert von Kronzeugenanträgen im
Zusammenhang mit Dritten, die durch die Aussagen eines Kronzeugen belastet werden.
5.4.12 Die
Gefahr falscher Angaben wird in der EU somit erkannt, weshalb sich die Überlegungen einer Reduzierung
des Beweismasses sowie einer Einschränkung des Untersuchungsgrundsatzes im Falle von Kronzeugenanträgen
erübrigen. In den Dokumenten der EU-Kommission und den Urteilen der EU-Gerichte werden ebenfalls
keine prozessökonomischen Überlegungen aufgeführt, die den Beweismassstab oder den Untersuchungsgrundsatz
antasten oder gar einschränken würden.
5.4.13 Aus
der Sicht der Kronzeugenpraxis im EU-Wettbewerbsrecht, welche auch Vorbild für die Selbstanzeigenregelung
im schweizerischen Kartellrecht war, ist deshalb die Frage, ob bei einem Vorliegen einer Selbstanzeige
in einem kartellrechtlichen Sanktionsverfahren die Anforderungen an das Beweismass im Hinblick auf belastete
Dritte herabgesetzt werden dürfen, zu verneinen. Der Untersuchungsgrundsatz gilt im EU-Wettbewerbsrecht
mithin in vollem Umfang auch bei Selbstanzeigen.
b) Selbstanzeigepraxis in Deutschland
5.4.14 Rechtsvergleichend
sei an dieser Stelle auch kurz auf die Selbstanzeigepraxis in Deutschland hingewiesen, da das deutsche
Kartellrecht die Kronzeugenpraxis entsprechend der Praxis im EU-Wettbewerbsverfahren übernommen
hat (vgl. Claudia Seitz, in: Gerald Mäsch (Hrsg.), Praxiskommentar zum
deutschen und europäischen Kartellrecht, Münster 2010, § 81 GWB, Rn. 43). Die EU-Praxis
war somit auch Vorbild für die Kronzeugenregelung in Deutschland, wodurch sich Parallelen zur Selbstanzeigenpraxis
in der Schweiz ergeben.
5.4.15 In
der Entscheidungspraxis des Bundeskartellamts (BKartA) und der Urteilspraxis der Gerichte in Deutschland
sind keine Fälle ersichtlich, in denen die Frage thematisiert wurde, ob Kronzeugenanträge allenfalls
Auswirkungen auf das Beweismass oder die Beweisanforderungen an das Bundeskartellamt haben können.
Entsprechend wurde bislang auch nicht diskutiert, ob prozessökonomische Gründe für eine
Reduzierung des Beweismasses sprechen könnten. Das Bundeskartellamt ist sich im Gegenteil bewusst,
dass im Rahmen von Kronzeugenanträgen erlangte Beweise mit "Vorsicht zu würdigen"
seien. Die gerichtliche Überprüfung der Entscheidungen des Bundeskartellamtes durch den Kartellsenat
des OLG Düsseldorf erfolgt ohnehin vollumfänglich, was bedeutet, dass eine umfassende Beweiswürdigung
vorgenommen wird, die sich insbesondere auch auf Kronzeugenanträge erstreckt.
5.4.16 Im
Hinblick auf den Beweiswert der Aussagen, die im Rahmen von Anträgen auf Bussgelderlass oder auf
eine Reduktion von Geldbussen vorgenommen werden, stehen diese unter dem Vorbehalt genereller Bedenken
(vgl. Gerhard Dannecker/Jörg Biermann, in:
Ulrich Immenga/Ernst-Joachim Mestmäcker (Hrsg.), Wettbewerbsrecht, Kommentar zum Deutschen Kartellrecht,
4. Aufl., München 2007, § 81 Rn. 426). Das Bundeskartellamt hat dies schon seit längerem
gesehen und daher bereits in seiner Bekanntmachung von 2000 angeführt, dass die Aussage eines Kartellmitglieds,
das als Folge seiner Zusammenarbeit eine erhebliche Reduktion erwartet, "mit Vorsicht zu würdigen"
sei und "grundsätzlich von anderen Beweisen" gestützt werden" müsse,
bevor sie als Grundlage für den Nachweis eines Kartells und die Gewichtung der Tatbeiträge
der Mitglieder dienen könne (vgl. Richtlinien des Bundeskartellamtes für die Festsetzung von
Geldbussen vom 17. April 2000 [Bekanntmachung Nr. 68/2000], zitiert in: Dannecker/Biermann,
a.a.O., § 81 Rn. 426). Daneben sollen auch die Aussagen der anderen Kartellteilnehmer im Hinblick
auf das kooperierende Unternehmen stets vorsichtig gewürdigt werden (vgl. Dannecker/Biermann,
a.a.O., § 81 Rn. 426).
5.4.17 Es
kann deshalb abschliessend festgehalten werden, dass gemäss der Rechtslage und der Entscheidungspraxis
des Bundeskartellamts sowie der Urteilspraxis des OLG Düsseldorf im Rahmen eines Kronzeugenantrags
die gleichen Anforderungen an das Beweismass gelten, wie in anderen Kartellrechtsverfahren auch, bei
denen das Bundeskartellamt ohne Hinweise durch einen Kronzeugenantrag ein Kartell aufdeckt. Der Untersuchungsgrundsatz
wird mithin in Fällen von Kronzeugenanträgen nicht herabgesetzt, sondern gilt in vollem Umfang.
c) Grundsätzliche Anforderungen an das Beweismass in Wettbewerbsverfahren
5.4.18 Im
Zusammenhang mit den Anforderungen an das Beweismass bei einer Selbstanzeige im schweizerischen Kartellrecht
ist zunächst über den rechtsvergleichenden
Blick auf das EU-Recht hinaus auf die grundsätzlichen
Anforderungen an das Beweismass in Wettbewerbsfällen hinzuweisen.
5.4.19 Aus
dem Grundrecht auf rechtliches Gehör folgt, dass die Parteien eines Wettbewerbsverfahrens ein Recht
darauf haben, dass die Behörde sämtliche entscheidrelevanten Äusserungen, Stellungnahmen
und Beweisanträge entgegennimmt, prüft, würdigt und bei der Entscheidfindung berücksichtigt
(vgl. Stefan Bilger, Das Verwaltungsverfahren zur Untersuchung von Wettbewerbsbeschränkungen,
Freiburg 2002, S. 304). Das Ergebnis der behördlichen Prüfung muss sich sodann in der Begründung
des Entscheids niederschlagen.
5.4.20 Eng
mit der Beweiswürdigung und der Begründungsdichte einer Verfügung verbunden ist zudem
die Frage, welche Anforderungen im Untersuchungsverfahren an das Beweismass zu stellen sind. Im ordentlichen
Verwaltungsverfahrensrecht und damit grundsätzlich auch im Kartellrecht gilt das Erfordernis des
Vollbeweises. Dies bedeutet, dass die Behörde eine Tatsache grundsätzlich erst dann als bewiesen
annehmen darf, wenn sie von deren Vorhandensein in dem Masse überzeugt ist, dass das Gegenteil als
unwahrscheinlich erscheint (vgl. Bilger, a.a.O., S. 305). Kann aber selbst
im Strafrecht ein solcher Vollbeweis gestützt auf den Nachweis einer geschlossenen und in sich schlüssigen
Indizienkette erbracht werden, so muss dies umso mehr im Kartellrecht möglich sein, wo den Kartellsanktionen
lediglich - aber immerhin - strafrechtsähnlicher Charakter zukommt (vgl. BGE 139 I 72,
Publigroupe, E. 2.2.2; BVGE 2011/32, Swisscom,
E. 4.2; Urteile des Bundesverwaltungsgerichts B-506/2010 vom 19. Dezember 2013, Gaba,
E. 6.1.3, und B-2977/2007 vom 27. April 2010, Publigroupe, E.
8.1.3).
d) Differenzierung von Information und Beweismitteln bei Vorliegen
einer Selbstanzeige
5.4.21 Gemäss
Art. 8 SVKG, der den vollständigen Erlass der Sanktion regelt, ist ein solcher Sanktionserlass für
ein Unternehmen dann möglich, wenn es als Erstes der Wettbewerbsbehörde Informationen liefert
(Bst. a) oder Beweismittel vorlegt (Bst. b), die es der Behörde ermöglichen, ein kartellrechtliches
Verfahren nach Art. 27 KG zu eröffnen (Bst. a ) oder einen Wettbewerbsverstoss nach Art. 5 Abs.
3 oder 4 festzustellen (Bst. b).
5.4.22 Insofern
ist begrifflich zwischen Informationen und Beweismitteln zu unterscheiden: Eine Information kann -
muss aber nicht - ein Beweismittel sein; demgegenüber enthalten Beweismittel regelmässig
Informationen (vgl. Franz Hoffet/Klaus Neff, Ausgewählte Fragen zum revidierten
Kartellgesetz und zur KG-Sanktionsverordnung, Anwaltsrevue 2004, S. 129 ff.). Es gilt demnach zunächst
festzustellen, ob es sich beim Inhalt einer Selbstanzeige um Informationen oder um Beweise handelt. Beweise
stellen somit - analytisch betrachtet - eine Teilmenge der Informationen dar. Handelt es
sich ausschliesslich um blosse Informationen, so liegen keine Beweismittel vor. Die Frage von allfälligen
Auswirkungen auf das Beweismass bis hin zur Frage einer Beweismassreduzierung aus prozessökonomischen
Gründen stellt sich in diesem Fall nicht.
5.4.23 Geht
es tatsächlich um das Vorhandensein von Beweisen, so ist im Hinblick auf die Beweiswürdigung
festzuhalten, dass das Erfordernis des Vollbeweises verlangt wird und eine hinreichende Wahrscheinlichkeit
nicht genügen kann. Dieses Erfordernis gilt es insbesondere dann zu beachten, wenn die im Rahmen
einer Selbstanzeige vorgelegten Beweise von den anderen Kartell- und Verfahrensbeteiligten bestritten
werden.
e) Ökonomische Funktion der Kronzeugenregelung
5.4.24 Des
Weiteren können die aufgeworfenen Fragen der Anforderungen an das Beweismass und eine allfällige
Einschränkung des Untersuchungsgrundsatzes in Fällen von Selbstanzeigen auch vor dem Hintergrund
der ökonomischen Funktion der Kronzeugenregelung betrachtet werden. Gerade auch aus ökonomischer
Sicht lassen sich Fragen an den Beweiswert von Informationen und Aussagen im Zusammenhang mit Kronzeugenanträgen
stellen. Das Fundament der Kronzeugenregelung aus ökonomischer Sicht liegt in der Instabilität
von Kartellabsprachen begründet. Auch wenn die Kartellanten eine kartellrechtswidrige Absprache
treffen, so können sie vor dem Hintergrund der Bonusregelung nicht sicher sein, dass ein Kartellmitglied
aus dem Kartell ausbricht, das Kartell aufdeckt und von der Bonusregelung profitiert. Die Kartellmitglieder
können dadurch nicht mehr sicher sein, dass ihre illegale Absprache unentdeckt bleibt, denn die
Stabilität von Kartellvereinbarungen wird durch das Kronzeugenprogramm wirksam geschwächt und
in vielen Fällen kommen unzulässige Absprachen erst gar nicht zustande (vgl. BKartA, Erfolgreiche
Kartellverfolgung, Nutzung für Wirtschaft und Verbraucher, S. 11).
5.4.25 Die
Kronzeugenregelung setzt hier an und bringt die Kartellanten in die Situation des sog. prisoner´s
dilemma (vgl. Claudia Seitz, Anmerkung zum Urteil des EuGH in "Pfleiderer
AG/Bundeskartellamt", EuZW 2011, S. 599 ff.; Cento G. Veljanovski, Economic
Principles of Law, 2007, S. 262). Dies funktioniert aus ökonomischer Sicht nur aufgrund des Umstands,
dass alle Beteiligten nach wie vor Wettbewerber und an dem für sie besten Ergebnis interessiert
sind. Dies führt zu dem Ergebnis, dass jeder Beteiligte an einer möglichst hohen Reduktion
für sich selbst interessiert ist, bei einer gleichzeitigen Schädigung der anderen Beteiligten,
wenn dies das eigene Ergebnis verbessert.
f) Schlussfolgerung
Aufgrund obiger Ausführungen kann Folgendes festgehalten werden:
5.4.26 Für
eine Einschränkung des Beweismasses in Fällen von Selbstanzeigen aus prozessökonomischen
Gründen finden sich weder im EU-Wettbewerbsrecht noch im deutschen Kartellrecht Anhaltspunkte, und
zwar weder in der Praxis der Behörden noch in der Rechtsprechung der Gerichte. Im Übrigen sprechen
auch sog. prozesstaktische Gründe aus ökonomischer Sicht gegen eine prozessökonomische
Reduzierung des Beweismasses bei Vorliegen von Selbstanzeigen.
5.4.27 Mehrere
Gesichtspunkte sprechen überdies gegen eine Einschränkung des Beweismasses bei Vorliegen einer
Selbstanzeige: So kann sich erstens bei einer Einschränkung des Beweismasses aus prozessökonomischen
Gründen die weitere Frage stellen, wann ein solcher Fall der Prozessökonomie im Einzelfall
gegeben sein soll, bei dem das Beweismass eingeschränkt werden könnte, und wann nicht. Dies
kann vor dem Hintergrund der Tatsache, dass nicht jede Information mit einem Beweis gleichzusetzen ist
und damit nicht jede Selbstanzeige automatisch zu einer Einschränkung des Beweismasses führen
kann, zusätzliche Fragen und Probleme aufwerfen.
5.4.28 Zweitens
spricht insbesondere die Unschuldsvermutung gegen eine Einschränkung des Beweismasses bei Vorliegen
einer Selbstanzeige. Aufgrund der strafrechtsähnlichen Natur der Sanktion gemäss Art. 49a KG
finden die Garantien der EMRK im Bussgeldverfahren des Kartellrechts Anwendung (vgl. BGE 139 I 72, E.
2.2 ff., mit weiteren Hinweisen; BVGE 2011/32, Swisscom, E. 4.2;
Urteile des Bundesverwaltungsgerichts B-506/2010 vom 19. Dezember 2013, Gaba,
E. 6.1.3, und B-2977/2007 vom 27. April 2010, Publigroupe, E.
8.1.3). Art. 6 Abs. 2 EMRK statuiert die Unschuldsvermutung und besagt, dass jede Person, die einer Straftat
angeklagt ist, bis zum gesetzlichen Beweis ihrer Schuld als unschuldig gilt (vgl. Christoph
Grabenwarter, in: Christoph Grabenwarter/Katharina Pabel (Hrsg.), Europäische Menschenrechtskonvention,
5. Aufl., München 2012, § 24 Rn. 124 ff.).
5.4.29 Aus
der Unschuldsvermutung folgen jedenfalls die grundlegenden sowie unverzichtbaren beweis- und grundrechtlichen
Anforderungen an die Tatsachenermittlung und die Beweislastverteilung. Die Behörde trifft dabei
die volle Beweislast für das Vorliegen eines Kartellrechtsverstosses. Dies kann durch Selbstanzeigen
mit unklarem Beweiswert nicht eingeschränkt werden. Kann die Behörde im Voruntersuchungsverfahren
bereits alle Beweise erheben, so soll dies auf dieser Ebene vorgenommen werden, da eine Beweiserhebung
auf den nachfolgenden Verfahrensstufen oftmals nur schwer möglich ist. Eine Einschränkung des
Beweismasses aus prozessökonomischen Gründen würde mithin die Unschuldsvermutung verletzen.
5.4.30 Drittens
ist darauf hinzuweisen, dass sich bei einer allfälligen Einschränkung des Beweismasses und
des Untersuchungsgrundsatzes aus prozessökonomischen Gründen bei den Wettbewerbsverfahren der
Vorinstanz in Fällen von Selbstanzeigen nicht nur eine Einschränkung des Beweismasses auf Seiten
der Vorinstanz ergeben kann, sondern vielmehr auch bei sämtlichen nachfolgenden Rechtsschutzverfahren
vor den Gerichten. Die Beweismassreduktion im Voruntersuchungsverfahren schlägt somit auf sämtliche
Entscheidungen und Urteile durch. Dies wirft die Frage der tatsächlichen Ausübung der vollen
Kognition auf.
5.4.31 Sodann
ist als vierter Gesichtspunkt, der gegen eine Einschränkung des Beweismasses spricht, darauf hinzuweisen,
dass die Kronzeugenpraxis im EU-Wettbewerbsrecht und im deutschen Kartellverfahrensrecht zeigt, dass
das Verfahren für jeden Kartellbeteiligten mit einer Entscheidung abgeschlossen wird, und dies unabhängig
vom Umstand, ob ein Kronzeugenantrag gestellt wurde oder nicht. Eine Entscheidung erscheint aus mehrfacher
Sicht erforderlich: Zunächst verlangt das formelle Verfahrensrecht, dass ein Verfahren mit einer
Entscheidung abzuschliessen ist. Zudem bilden Entscheidungen - auch bei Kronzeugenanträgen
- die Grundlage für den nachfolgenden Rechtsschutz. Schliesslich bilden diese Entscheidungen
auch die Grundlage für die private Durchsetzung des Kartellrechts mittels privater Schadenersatzklagen.
5.4.32 In
den Entscheidungen gegenüber den kartellbeteiligten Unternehmen werden jeweils deren Tatbeitrag
festgestellt und die Sanktion festgesetzt, die gegen das jeweilige Unternehmen verhängt wird. Dies
geschieht auch im Hinblick auf Unternehmen, die einen Kronzeugenantrag gestellt haben und von einer vollständigen
Sanktionsbefreiung profitieren können. In diesem Fall wird zwar trotzdem ein Bussgeld in einer Entscheidung
festgesetzt, doch wird dieses im Falle eines erfolgreichen Kronzeugenantrags dem betreffenden Unternehmen
gegenüber erlassen.
5.4.33 Die
Feststellung des jeweiligen Tatbeitrags und die darauf gestützte Sanktionsfestsetzung bedingen jedoch
eine volle Beweiswürdigung ohne Einschränkung des Beweismasses. Würde in Fällen der
Selbstanzeige bei der Belastung von Dritten aus prozessökonomischen Gründen eine Einschränkung
des Beweismasses und des Untersuchungsgrundsatzes erfolgen, könnten weder der Tatbeitrag festgestellt
werden noch eine Sanktionsfestsetzung erfolgen.
5.4.34 Es
bleibt folglich die Feststellung, dass die Beschuldigungen eines Selbstanzeigers für sich allein
nicht als massgebender oder gar als hinreichender Beweis für einen Wettbewerbsverstoss genügen,
wenn die belasteten Dritt-Unternehmen die Beschuldigungen bestreiten; die Behauptungen des Selbstanzeigers
sind vielmehr stets durch weitere Beweismittel zu ergänzen und zu untermauern.
5.4.35 Aufgrund
dieser Erwägungen ist vorliegend festzuhalten, dass auch im schweizerischen Kartellrecht bei Vorliegen
einer Selbstanzeige die Anforderungen an das Beweismass im Zusammenhang mit belasteten Dritten weder
von der Vorinstanz noch vom Bundesverwaltungsgericht aus prozessökonomischen Gründen herabgesetzt
werden dürfen, weshalb dem Untersuchungsrundsatz auch im Falle einer Selbstanzeige in vollem Umfang
Geltung und Nachachtung zu verschaffen ist. Folglich ist die Vorinstanz verpflichtet, den Sachverhalt
für jede einzelne Verfahrenspartei separat zu erstellen und abzuklären. Entsprechend muss die
Vorinstanz den Kartellrechtsverstoss jeder Verfahrenspartei einzeln zur Last legen, mit anderen Worten
hat sie sowohl die jeweilige Beteiligung an der Absprache als auch deren Auswirkungen auf den Wettbewerb,
d.h. auf dessen Beseitigung oder erhebliche Beeinträchtigung, individuell nachzuweisen.
6. Vorliegen
einer Wettbewerbsabrede
6.1 Ausgangslage
6.1.1 Als
Wettbewerbsabreden im Sinne von Art. 4 Abs. 1 KG gelten rechtlich erzwingbare oder nicht erzwingbare
Vereinbarungen sowie aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen von Unternehmen gleicher oder verschiedener
Marktstufen, die eine Wettbewerbsbeschränkung bezwecken oder bewirken.
6.1.2 Kernpunkt
jeder Wettbewerbsabrede ist der Verzicht oder die Einschränkung der wirtschaftlichen Entscheidungsautonomie
der Marktteilnehmer. Mittels einer solchen Abrede verzichten Unternehmen auf ihre aus dem Grundrecht
der Wirtschaftsfreiheit (Art. 27 BV) resultierende unternehmerische Handlungsfreiheit (vgl. Marc
Amstutz/Blaise Carron/Mani Reinert, in: Vincent Martenet/Christian Bovet/Pierre Tercier [Hrsg.],
Commentaire Romand, Droit de la concurrence, Basel 2013, Art. 4 Abs. 1 Rn. 11 ff., 71 ff.;
Thomas Nydegger/Werner Nadig, in: Marc Amstutz/Mani Reinert (Hrsg.), Basler Kommentar zum Kartellgesetz,
Basel 2010, Art. 4 Abs. 1 Rn. 51 ff.).
6.1.3 Von
einem solchen Verzicht erfasst wird jedes erdenkbare Marktverhalten, mit welchem sich zwei oder mehrere
Unternehmen auf dem Markt gegenüberstehen, sei es als Konkurrenten auf horizontaler oder als Anbieter
und Nachfrager auf vertikaler Ebene (vgl. Amstutz/Carron/Reinert,
a.a.O., Art. 4 Abs. 1 Rn. 102 ff.). Von Bedeutung ist, dass der Verzicht und somit die Wettbewerbsabrede
auf einem Konsens beruhen, d.h. auf einem bewussten und gewollten Zusammenwirken von zwei oder mehreren
beteiligten Unternehmen (vgl. Nydegger/Nadig, a.a.O., Art. 4 Abs. 1 Rn. 52
ff.).
6.1.4 Aufgrund
der im Recht liegenden Beweismittel und Stellungnahmen der Untersuchungsadressaten erachtet es die Vorinstanz
für beweismässig erstellt, dass die Beschwerdeführerin
sich zusammen mit Siegenia, Roto, SFS und Winkhaus am Treffen vom 22. September 2006 in Wallisellen über
Preiserhöhungen ausgetauscht und dabei insbesondere die Höhe und das Datum der Umsetzung untereinander
koordiniert haben. Gestützt darauf geht die Vorinstanz in tatsächlicher Hinsicht von einer
beweismässig erstellten einmaligen Absprache zwischen der Beschwerdeführerin, Roto, Siegenia,
SFS und Winkhaus mit Bezug auf die Preiserhöhungen im Jahre 2006/2007 aus.
6.1.5 In
rechtlicher Hinsicht qualifiziert die Vorinstanz diese Absprache als Abrede über die direkte oder
indirekte Festsetzung von Preisen gemäss Art. 5 Abs. 3 Bst. a KG. Diese Form der Abrede setzt voraus,
dass sie zwischen Unternehmen getroffen wird, die tatsächlich oder der Möglichkeit nach miteinander
im Wettbewerb stehen. Es bedarf somit einer horizontalen Wettbewerbsabrede. Das Gericht stellt fest,
dass die Verfügung der Vorinstanz sich trotz offensichtlich vorhandener Anhaltspunkte im Sachverhalt
für das Vorliegen einer vertikalen Wettbewerbsbeschränkung in Form einer Preisvorgabe bzw.
einer Preisbindung der zweiten Hand gleichwohl ausschliesslich auf eine horizontale Preisabsprache bezieht;
auf vertikale Wettbewerbsbeschränkungen wird nicht eingegangen. Überdies ist die Durchsetzung
des horizontalen Kartells der Hersteller auf EU-Ebene in der Schweiz nicht näher untersucht worden,
obwohl hierfür aufgrund des Wettbewerbsverfahrens der EU-Kommission mehrere Anhaltspunkte bestanden
haben, die eine nähere Untersuchung und Einbeziehung in die Analyse der Wettbewerbsbeschränkungen
nahe gelegt hätten.
6.1.6 Gemäss
Art. 5 Abs. 1 KG sind Abreden, die den Wettbewerb auf einem Markt für bestimmte Waren oder Leistungen
erheblich beeinträchtigen und sich nicht durch Gründe der wirtschaftlichen Effizienz rechtfertigen
lassen, sowie Abreden, die zur Beseitigung wirksamen Wettbewerbs führen, unzulässig.
6.1.7 Die
Beseitigung wirksamen Wettbewerbs wird gemäss Art. 5 Abs. 3 Bst. a KG bei Abreden über die
direkte oder indirekte Festsetzung von Preisen vermutet, sofern sie zwischen Unternehmen getroffen werden,
die tatsächlich oder der Möglichkeit nach miteinander im Wettbewerb stehen. Kann diese Vermutung
durch den Nachweis von Restwettbewerb auf dem fraglichen Markt umgestossen werden, bleibt zu prüfen,
ob die fragliche Abrede den Wettbewerb erheblich beeinträchtigt (vgl. Amstutz/Carron/Reinert,
a.a.O., Art. 5 Rn. 371 ff., 395 ff.; Patrick L. Krauskopf/Olivier Schaller,
in: Marc Amstutz/Mani Reinert (Hrsg.), Basler Kommentar zum Kartellgesetz, Basel 2010, Art. 5 Rn. 9).
6.1.8 Die
Vermutungsbasis von Art. 5 Abs. 3 Bst. a KG ist erfüllt, wenn eine Preisabrede zwischen Konkurrenten
vorliegt. Vorausgesetzt ist eine horizontale Abrede zwischen Unternehmen, die tatsächlich oder der
Möglichkeit nach miteinander im Wettbewerb stehen (vgl. Amstutz/Carron/Reinert,
a.a.O., Art. 5 Rn. 380 ff.; Krauskopf/Schaller, a.a.O., Art. 5 Rn. 364 ff.).
6.2 Horizontale
Wettbewerbsabrede
6.2.1 Für
die Untersuchung einer horizontalen Preisabsprache stellt sich somit die Frage, ob sowohl die Beschwerdeführerin
als auch SFS als wirtschaftlich selbständige Zwischenhändlerinnen einerseits und die vertikal
integrierten Tochtergesellschaften andererseits auf derselben Marktstufe tätig sind, d.h. ob sie
als Konkurrenten zu qualifizieren sind.
Nachfolgend wird daher als Erstes geprüft, ob die Vorinstanz der Struktur des untersuchten Markts
hinreichend Rechnung getragen hat.
a)
Vorbringen der Vorinstanz
6.2.2 Die
Vorinstanz vertritt die Ansicht, die Untersuchungsadressaten hätten sich als Vertriebsgesellschaften
und grosse Zwischenhändler in einem insgesamt horizontalen Verhältnis als Konkurrenten gegenüber
gestanden. Auch wenn die Untersuchungsadressaten sich teilweise gegenseitig beliefern würden, was
auf einen zusätzlichen vertikalen Aspekt der Beziehungen hindeute, sei das Verhältnis doch
insgesamt als ein horizontales zu qualifizieren.
6.2.3 Einzig
entscheidend sei, dass Roto, Siegenia, GU und Winkhaus keine Produkte in der Schweiz herstellten, sondern
diese lediglich vertreiben würden und damit genau dasselbe täten wie die Beschwerdeführerin
und SFS. Roto und Siegenia hätten ausgesagt, dass die Vertriebsgesellschaften in der Schweiz eigentlich
eine Händlerfunktion ausüben würden (vgl. act. 355, S. 6, 15, 37). Mehrere der Untersuchungsadressaten
seien zudem der Ansicht, dass alle am Treffen vom 22. September 2006 anwesenden Unternehmen ähnliche
Interessen gehabt hätten (vgl. act. 355, S. 6, 8, 11; Verfügung Rz. 105, 188). Die Vertriebssysteme
der ausländischen Hersteller differenzierten einzig danach, ob sie über eine eigene Vertriebsgesellschaft
oder eine grosse Zwischenhändlerin organisiert seien. Zwar treffe es zu, dass die Beschwerdeführerin
zu Siegenia und SFS zu Maco über ein besonderes, enges Verhältnis verfügten, das über
eine gewöhnliche Lieferbeziehung hinausgehe. Dass sich die Beschwerdeführerin und SFS jedoch
auch mit Roto und Winkhaus bzw. Roto, Winkhaus und Siegenia ausgetauscht hätten, spreche aber dafür,
dass ihr Verhältnis zu den übrigen Untersuchungsadressaten gesamthaft betrachtet als ein horizontales
zu qualifizieren sei.
6.2.4 Zwar
möge grundsätzlich zutreffend sein, dass die Preiserhöhung gegen
den Willen der Beschwerdeführerin erfolgt und sie gezwungen gewesen sei, die Preiserhöhung
weiterzugeben. Dies ändere jedoch nichts daran, dass die Beschwerdeführerin und SFS sich am
Treffen vom 22. September 2006 über Preiserhöhungen ausgetauscht hätten. Massgeblich sei
einzig, dass die Beschwerdeführerin die Preiserhöhungen, wie am Treffen vereinbart, ihren Kunden
gegenüber kommuniziert und umgesetzt habe. Ob ihre Teilnahme eine stabilisierende Wirkung gehabt
habe oder nicht, könne letztlich dahingestellt bleiben, denn ungeachtet der Beweggründe und
Auswirkungen des am Treffen Vereinbarten auf die Beschwerdeführerin sei nicht einzusehen, weshalb
sie gezwungen gewesen sein sollte, am Treffen teilzunehmen und sich insbesondere mit Roto auszutauschen.
Angesichts der Abwesenheiten von GU und Maco deute die Teilnahme der Beschwerdeführerin am Treffen
eher darauf hin, dass sie sich aktiv am Austausch habe beteiligen wollen.
6.2.5 Des
Weiteren habe die Beschwerdeführerin der Vorinstanz anlässlich ihrer Protokollerklärung
mitgeteilt, dass es sich bei den Produkten der Marken Roto, GU, Winkhaus und Maco um Konkurrenzprodukte
handle (vgl. act. 62, S. 4, dritter Themenkomplex). In der Präsentation, welche die Beschwerdeführerin
eingereicht habe, heisse es: "Roto Frank, Gretsch Unitas, Maco, Winkhaus vertreiben ihre Produkte
selbst. Sie verkaufen gleichzeitig an Verarbeiter und Händler. Damit konkurrenzieren sie die Koch-Gruppe"
(act. 80, Folie 14). Fakt sei, dass keines der Unternehmen Roto, Siegenia, Winkhaus, GU und Maco in der
Schweiz Fenster- und Fenstertürbeschläge hergestellt habe bzw. herstelle. In der Schweiz
seien die Tochtergesellschaften der deutschen Herstellerunternehmen als reine Vertriebsgesellschaften
tätig, d.h. die Haupttätigkeit bestehe darin, Baubeschläge in der Schweiz an verschiedene
Abnehmer zu verkaufen. Irrelevant sei die Behauptung der Beschwerdeführerin, dass die "Herstellervertretungen
in der Schweiz" ihr gegenüber als Hersteller auftreten würden. Denn aus kartellrechtlicher
Sicht sei nicht entscheidend, wie ein Abredepartner einem anderen gegenüber auftrete, sondern ob
er im (relevanten) Markt als Nachfrager oder Anbieter von Baubeschlägen auftrete.
6.2.6 Wenn
die am Treffen vom 22. September 2006 anwesenden Untersuchungsadressaten nicht auf derselben Marktstufe
tätig wären, wäre unerklärlich, weshalb die Beschwerdeführerin an einem Treffen
zwischen mutmasslichen Herstellern (Roto, Siegenia und Winkhaus) teilnehmen würde, an welchem die
Ankündigung und Umsetzung der von den ausländischen Herstellerunternehmen beschlossenen Preiserhöhungen
gemeinsam besprochen bzw. koordiniert werden sollten. Ihre aktive Teilnahme am Treffen zeige, dass sie
- als eines die gleiche Tätigkeit wie Roto, Siegenia und Winkhaus ausübendes Unternehmen
- die Möglichkeit gehabt habe, die Ergebnisse des Treffens zu beeinflussen. Denn Fakt sei
auch, dass die kleineren Zwischenhändler von Baubeschlägen, wie beispielsweise die Rudolf Geiser
AG und die Immer AG gemäss Beschwerdeführerin
ihre Konkurrenten , nicht am Treffen teilgenommen hätten
und dazu gar nicht erst eingeladen worden seien. Würden die Beschwerdeführerin und SFS den
Tochtergesellschaften Roto, Siegenia und Winkhaus nicht als gleichberechtigte Partner einander gegenüberstehen
und diese beiden Grosshändler zu den anderen Untersuchungsadressaten (Roto, Siegenia und Winkhaus)
ausschliesslich in einem vertikalen Lieferverhältnis stehen, bestünde ein Verhandlungsungleichgewicht,
so dass die Beschwerdeführerin und SFS von vornherein weder Mitsprache noch Einflussmöglichkeiten
gehabt hätten. Dies treffe aber gerade nicht zu: Für Roto, Siegenia und Winkhaus sei die Teilnahme
der Beschwerdeführerin und SFS am Treffen offensichtlich erforderlich gewesen.
b) Vorbringen der Beschwerdeführerin
6.2.7 Die
Beschwerdeführerin macht demgegenüber sowohl in formeller als auch in materieller Hinsicht
geltend, die Vorinstanz habe ihre Marktstufe unrichtig untersucht und gewürdigt, indem sie sie fälschlicherweise
auf die gleiche Marktstufe wie die ausländischen Hersteller und deren schweizerische Vertriebsgesellschaften
gestellt habe. Die Vorinstanz habe sich mit ihren diesbezüglichen rechtserheblichen Vorbringen nur
mangelhaft auseinandergesetzt. Ihre auf eine fremde Selbstanzeige gestützten Ausführungen habe
sie undifferenziert auf alle Verfahrensparteien ausgedehnt und davon abgesehen, die konkrete Marktsituation
und Interessenlage der Betroffenen separat zu ermitteln.
6.2.8 An
der vermeintlichen horizontalen Abrede habe sie sich nicht beteiligen können, da sie sich nicht
auf der gleichen Marktstufe wie die Hersteller und ihre Vertriebsgesellschaften befinde.
Sie sei eine reine Händlerin. Als solche unterhalte sie vertikale Geschäftsbeziehungen mit
diversen Herstellervertretungen in der Schweiz. Diese würden ihr gegenüber als Hersteller von
Fensterbeschlägen auftreten, weshalb sie sich auf einer anderen Marktstufe als die ausländischen
Hersteller und deren schweizerische Vertriebsgesellschaften befinde.
6.2.9 Im
Gegensatz zu den Vertriebsgesellschaften der ausländischen Hersteller sei sie von den Herstellern
wirtschaftlich unabhängig. Sie führe ein Sortiment von über 40'000 Artikeln verschiedenster
Hersteller. Demgegenüber würden die Vertriebsgesellschaften der ausländischen Hersteller
ausschliesslich die hauseigenen Produkte vertreiben und ausschliesslich die Interessen der Muttergesellschaft
verfolgen. Während die Hersteller (unter Einschluss ihrer Vertriebsgesellschaften) von Preiserhöhungen
profitierten, bedeuteten diese für die Händler in der Regel Margenverluste und im besten Fall
ein "Nullsummenspiel". Profitieren könne ein Händler von Preiserhöhungen nicht.
Soweit die Beschwerdeführerin von den Herstellern und deren Ländervertretungen Waren
beziehe, werde sie von diesen über anstehende Preiserhöhungen informiert (vgl. act. 265 Rz. 42
letzter Punkt). Händler seien auf solche einseitige Ankündigungen angewiesen, damit sie die
notwendigen Systemanpassungen fristgerecht vornehmen könnten. Ein derartiger vertikaler Informationsfluss
von Herstellern zu Händlern gehöre zum täglichen Geschäft und sei kartellrechtlich
nicht zu beanstanden. Insbesondere in Zusammenhang mit dem MTZ
verfolge sie somit andere Interessen als die Hersteller.
6.2.10 Selbst
wenn die Vertriebsgesellschaften der ausländischen Hersteller zum Teil Produkte an Fensterverarbeiter
lieferten, könnten diese nicht als reine Händler betrachtet werden, da sie Produkte ausschliesslich
von ihren Muttergesellschaften bezögen. Die Geschäftsstrategie der Vertriebsgesellschaften
werde von ihren Muttergesellschaften bestimmt und in der Schweiz würden sie ihre Muttergesellschaften
gegenüber den schweizerischen Händlern vertreten. Unabhängig von der konzerninternen Funktion,
welche diesen Vertriebsgesellschaften zukomme, träten diese gegenüber den reinen Händlern
in der Schweiz als Hersteller auf. Deshalb müsse sie mit den schweizerischen Vertriebsgesellschaften
über die von den ausländischen Herstellern beschlossenen Erhöhungen verhandeln. Dasselbe
müsse sie mit den anderen Vertriebsgesellschaften tun, wenn sie die Produkte ihrer Muttergesellschaften
beziehen möchte. Die Vertriebspolitik solcher Tochtergesellschaften werde von der jeweiligen Muttergesellschaft
im Einklang mit der Konzernstrategie bestimmt. Es könne beispielsweise durchaus vorkommen, dass
aufgrund konzerninterner Überlegungen knappe Margen oder sogar Verluste einzelner Tochtergesellschaften
in Kauf genommen oder sogar beabsichtigt würden. Reine Händler hätten demgegenüber
keine solchen konzerninternen Kompensationsmechanismen. Das Verhalten, das ihr vorgeworfen werde, beziehe
sich auf eine Preiserhöhung mittels MTZ, welche von den Herstellern auf internationaler Ebene beschlossen
und durch die jeweiligen Vertriebsgesellschaften auf den Schweizer Handel überwälzt worden
sei.
6.2.11 Ihr
vehementer Widerstand gegen den MTZ sei Auslöser für das Treffen vom 22. September 2006 mit
den schweizerischen Lieferanten gewesen. Das einzige Ziel des Treffens sei es gewesen, das Diktat der
ausländischen Hersteller zu brechen, den MTZ auf ein tragbares Mass zu beschränken und damit
die eigene Konkurrenzfähigkeit gegenüber dem europäischen Ausland nicht weiter zu verschlechtern.
Aufgrund ihrer Position gegenüber Siegenia vertrete sie auch die Interessen der anderen schweizerischen
Zwischenhändler, welche Siegenia-Fensterbeschläge vertrieben, weshalb sie sich auch in deren
Namen gegen Preiserhöhungen gewehrt habe.
6.2.12 Der
Selbstanzeige könne entnommen werden, dass Siegenia und Roto sich bereits am 22. August 2006 telefonisch
dahingehend verständigt hätten, die Preise in der Schweiz um 5 - 6% zu erhöhen (vgl. act.
2, Anlage 20; act. 358, S. 15). Siegenia und Roto seien sich zudem einig gewesen, "dass sich zuerst
die beiden Hersteller untereinander abstimmen sollten, bevor dann die Händler hinzugezogen werden
sollten" (act. 2, Anlage 20). Basierend auf dieser Abstimmung zwischen Roto und Siegenia habe ihr
Letztere erneut einen MTZ von 6% per 1. September 2006 angekündigt, wogegen sie sich ebenfalls gewehrt
habe. Diese Umstände belegten, dass es sich beim untersuchten Sachverhalt erstens um eine Absprache
unter den Herstellern handle. Zweitens sei dadurch erwiesen, dass die Koordination unter den Herstellern
bereits vor dem Treffen vom 22. September 2006 stattgefunden habe, also zu einem Zeitpunkt, in welchem
sie selbst nicht involviert gewesen sei, woraus drittens resultiere, dass es an diesem Treffen nichts
mehr abzustimmen gegeben habe und dass ihr Verhalten auf keinen Fall kausal für eine allfällige
Abrede gewesen sei.
6.2.13 Beweggrund
für die Organisation des Treffens seien die negativen Erfahrungen der Vorjahre und die Tatsache
gewesen, dass die ausländischen Hersteller gegenüber den schweizerischen Abnehmern stets höhere
MTZ hätten durchsetzen können als gegenüber den übrigen europäischen Konkurrenten.
Denn entgegen den Ausführungen der Vorinstanz (vgl. Verfügung Rz. 265) erzeuge der Import von
Drehkippbeschlägen aus dem Ausland - wie auch von mehreren Händlern und Fensterverarbeitern
bestätigt (vgl. z.B. act. 100, Antworten 10, 15, 17; act. 261, Rz. 47 ff.) - einen
erheblichen Druck auf die einheimischen Händler. Die ausländischen Hersteller gewährten
den ausländischen Händlern bessere Einkaufskonditionen als den schweizerischen (vgl. act. 2,
Anlage 5), was Exporte deutscher Händler in die Schweiz sehr interessant mache. Dies werde durch
die Aktivitäten ausländischer Händler in der Schweiz bestätigt. Unternehmen, wie
z.B. die "Ernst Straub Baubeschläge" in Konstanz (DE) oder die "ASAL GmbH" in
Offenburg (DE), würden Kunden in der Schweiz beliefern (vgl. act. 108, Antwort 9; act. 144, Antwort
9) und regelmässig versuchen, Kunden von der Beschwerdeführerin abzuwerben. Um diese Kunden
halten zu können, bleibe ihr nichts anderes übrig, als bei den Konditionen mit den ausländischen
Anbietern gleichzuziehen. Und dies, obschon sie für die gleichen Produkte höhere Einstandspreise
bezahle. Hierfür müsse sie teilweise massive Margenverluste in Kauf nehmen. Folglich
sei sie auf tiefe Preise in der Schweiz angewiesen (vgl. act. 265, Rz. 8 und 119), weshalb sie sich
stets vehement gegen Preiserhöhungen gewehrt habe (vgl. Verfügung Rz. 42, 69, 98; act. 358,
S. 37).
6.2.14 Die
Absicht, sich gegen die von den Herstellern angekündigten Preiserhöhungen zu wehren, gehe bereits
aus dem Wortlaut der von der Vorinstanz zitierten E-Mail vom 7. September 2006 (vgl. act. 15, B-6) hervor:
"Aufgrund der Preisentwicklung der Rohmaterialien Stahl, Zink und Alu sowie die gestiegenen Sozial-
und Transportkosten werden alle Hersteller Preisaufschläge in der Schweiz ankündigen. Bezüglich
der Umsetzung und Höhe sollten wir uns in der Schweiz abstimmen, um dem Internationalen Preisniveau
näher zu kommen." Da das internationale Preisniveau tiefer als das schweizerische sei, ergebe
sich deutlich die Absicht, im Rahmen dieses Treffens die diktierte Preiserhöhung einzuschränken.
Die Abstimmung beziehe sich auf die gemeinsame Position gegenüber den ausländischen Herstellern
und nicht - wie von der Vorinstanz suggeriert - auf einen gemeinsam unter den Herstellern
koordinierten MTZ. Es sei denn auch gelungen, den von Siegenia Deutschland für sie ursprünglich
vorgesehenen MTZ von 8 - 9% auf 5.7% zu senken. Zudem sei die Erhöhung per 1. Februar 2007 statt
per 1. September 2006 vorgenommen worden. Die definitive Höhe der MTZ sei erst nach dem Treffen
bilateral, zwischen Lieferant und Händler, im Falle der Beschwerdeführerin mit Siegenia, ausgehandelt
worden. Entsprechend habe sie erst im November 2006 die offizielle Preiserhöhungsankündigung
erhalten.
6.2.15 An
der vermeintlichen Abrede im Zusammenhang mit den Preiserhöhungen 2006/2007 seien die ausländischen
Hersteller, inklusive deren schweizerische Vertriebsgesellschaften, beteiligt gewesen. Die Erhöhungen
seien in der Schweiz durch die Vertriebsgesellschaften der ausländischen Hersteller einseitig umgesetzt
worden.
c) Würdigung des Gerichts
6.2.16 Horizontale
Wettbewerbsabreden sind dadurch charakterisiert, dass zwei oder mehrere wirtschaftlich selbständige
Unternehmen gleicher Marktstufe den Wettbewerb durch ein koordiniertes Verhalten beschränken (vgl.
Botschaft des Bundesrates vom 23. November 1994 zu einem Bundesgesetz über Kartelle und andere Wettbewerbsbeschränkungen,
BBl 1995 468, 545 [Botschaft 1994]). Auf gleicher Marktstufe befinden sich Unternehmen dann, wenn sie
infolge der Austauschbarkeit ihrer Güter oder Dienstleistungen "tatsächlich oder der
Möglichkeit nach miteinander im Wettbewerb stehen". Nach dem Wortlaut von Art. 5 Abs. 3 KG
spielt es dabei keine Rolle, ob die an der Abrede beteiligten Unternehmen sich tatsächlich konkurrenzieren
(sog. aktueller Wettbewerb) oder ob die Unternehmen nur der Möglichkeit nach (potentiell) in Konkurrenz
zueinander stehen. Letzteres ist dann der Fall, wenn ein Unternehmen innerhalb einer kurzen Frist von
zwei bis drei Jahren den Eintritt auf den von der Abrede betroffenen Markt vollziehen und damit den Wettbewerbsdruck
auf die an der Abrede beteiligten Unternehmen erhöhen kann (sog. potentieller Wettbewerb; vgl. Amstutz/Carron/Reinert,
a.a.O., Art. 5 Rn. 382; Nydegger/Nadig, a.a.O, Art. 4 Abs. 1 Rn. 129 ff.;
Alain Raemy/Monique Luder, Horizontale oder vertikale Abrede?
Schnittstellen und Abgrenzungskriterien, Jusletter vom 17. Oktober 2005).
6.2.17 Primär
gilt es daher zu klären, ob es sich beim Verhältnis zwischen der Beschwerdeführerin und
Siegenia um ein horizontales oder ein vertikales handelt. Aus diesem Grund sind denn auch die Vorbringen
und Verhältnisse von Siegenia in die Würdigung einzubeziehen, da es sich um denselben Sachverhalt
handelt.
aa) Verhältnis zu Siegenia
6.2.18 Aufgrund
der Akten ist als erstellt zu betrachten, dass der Vertrieb von Siegenia-Produkten in der Schweiz aufgrund
des vollautomatisierten Lagers der Beschwerdeführerin seit 2004 fast vollständig über
die Beschwerdeführerin erfolgte (vgl. Verfügung Rz. 4). Siegenia beliefert in der Schweiz nur
noch drei Direktkunden, mit denen sie in der verfahrensrelevanten Zeitspanne lediglich einen Umsatz von
2 - 5% generierte. Den restlichen Umsatz erzielte sie mit der Beschwerdeführerin.
6.2.19 In
ihrer schriftlichen Stellungnahme vom 16. Juli 2012 im Nachgang zur Instruktionsverhandlung weist die
Vorinstanz hinsichtlich der Marktstellung von Siegenia demgegenüber darauf hin, dass Siegenia an
der Instruktionsverhandlung ausgeführt habe, dass sie "wie
ein Händler geführt wird", "über ein komplettes Lager" in der Schweiz
verfüge und 20 - 30% ihrer Umsätze nicht mit der Beschwerdeführerin realisiert worden
seien. Dies zeige, dass die Untersuchungsadressatinnen am Markt einander als Konkurrentinnen gegenüber
gestanden hätten. Zwischen der Beschwerdeführerin und Siegenia habe zwar ein Kundenverhältnis
bestanden, doch seien sie sich auch als Konkurrentinnen gegenübergestanden (vgl. Verfügung
Rz. 10 ff.). Dies werde insbesondere dadurch verdeutlicht, dass Siegenia trotz offenbarer (behaupteter)
Effizienzvorteile beim Vertrieb ihrer Produkte über die Beschwerdeführerin stets ein nicht
unbedeutendes Portfolio an Kunden selber bedient habe und nach wie vor bediene.
6.2.20 Die
Vorinstanz stellte demnach an der Instruktionsverhandlung massgebend auf den vermeintlich nicht unbedeutenden
Kundenstamm von Siegenia ab. Dies steht jedoch nicht im Einklang mit ihren ursprünglichen Feststellungen
in der angefochtenen Verfügung, wo sie festhält, dass Siegenia (D) schwergewichtig und sehr
eng mit der Beschwerdeführerin, welche die Produkte an kleinere Zwischenhändler und Fensterverarbeiter
liefere, zusammengearbeitet habe. Demnach habe Siegenia "den Grossteil der Produkte via Koch und
nur noch in geringem Umfang an (kleinere) Zwischenhändler und Fensterverarbeiter direkt" (Verfügung
Rz. 16) vertrieben.
6.2.21 In
ihrer Stellungnahme vom 26. Juli 2012 zum Schreiben der Vorinstanz vom 16. Juli 2012 weist Siegenia u.a.
berichtigend darauf hin, sie habe nicht ausgeführt, dass 20 - 30% ihrer Umsätze nicht mit der
Beschwerdeführerin realisiert würden. In Ziff. 7 ihrer Eingabe vom 4. Juli 2012 habe sie festgehalten,
dass dieser Umsatz im entscheidrelevanten Zeitraum von 2004 bis 2008 zwischen 2 - 5% geschwankt habe.
Sie selber bediene in der Schweiz lediglich nur noch wenige Direktkunden, die für die Beschwerdeführerin
als Kunden ohnehin verloren gewesen seien, weil diese ohne Direktbelieferung durch Siegenia auf ein Konkurrenzprodukt
gewechselt hätten. Gemäss Ziff. 6 ihrer Eingabe vom 4. Juli 2012 gibt Siegenia an, sie hätte
nach 2004 drei Kunden, und zwar (...), weiterhin direkt mit Drehkippbeschlägen beliefert. Ab
und zu würden auch die Händler SFS, Geiser und Immer direkt bei ihr bestellen, dies aber nur
dann, wenn es bei der Beschwerdeführerin zu Lieferengpässen komme.
6.2.22 Bereits
anlässlich der Anhörung der Vorinstanz im September 2010 hat Siegenia bestätigt, dass
sie in der Schweiz mit Ausnahme von drei Direktkunden nicht auf Handelsstufe tätig sei (vgl. act.
352, S. 7). Auf die Frage des Präsidenten der Vorinstanz, ob Siegenia auch selber in die Schweiz
liefere, gab diese zu Protokoll, sie hätte nur noch drei Direktkunden, ansonsten laufe alles über
die Logistik der Beschwerdeführerin.
6.2.23 Diese
Angaben stehen auf den ersten Blick nicht im Einklang mit denjenigen der Eingabe vom 3. Februar 2012.
Auf die Frage, wer die in der angefochtenen Verfügung erwähnten "Direktkunden"
für Baubeschläge seien, antwortete Siegenia, es handle sich bei den Direktkunden überwiegend
um Beschlaghändler, in Einzelfällen würden aber auch Fenster- und Türenverarbeiter
direkt beliefert (vgl. Ziff. 4). Neben den drei in der Eingabe vom 4. Juli 2012 genannten Direktkunden
nannte Siegenia in ihrer Eingabe vom 3. Februar 2012 demgegenüber noch mindestens elf weitere Verarbeiter
als ihre Direktkunden, mit denen sie im Zeitraum 2006 bis 2009 jährlich durchschnittlich einen Umsatz
von rund CHF 2 Mio. generiert habe. In der Eingabe vom 3. Februar 2012 hält Siegenia jedoch ebenfalls
fest, dass die Direktbelieferungsumsätze von Siegenia D und der Beschwerdeführerin sich im
Zeitraum 2006 bis 2009 jährlich durchschnittlich auf CHF 20 Mio. belaufen hätten (vgl. Ziff.
5). Trotz der Abweichungen in den Angaben hinsichtlich der Anzahl Direktkunden stimmen die Angaben hinsichtlich
der generierten Umsätze zwischen den beiden Eingaben grundsätzlich überein, beläuft
sich doch der Umsatz von Siegenia mit den Direktkunden gemäss der Eingabe vom 3. Februar 2012 auf
rund 10%, was in etwa der Antwort der Eingabe vom 4. Juli 2012 entspricht, dass Siegenia seit 2004 mit
der Beschwerdeführerin einen schwankenden Umsatz zwischen 90 - 98% mache und sich dieser im entscheidrelevanten
Zeitraum von 2004 bis 2008 auf 95 - 98% belaufen habe.
6.2.24 Diese
Angaben untermauern die Ausführungen der Vorinstanz in der angefochtenen Verfügung, wonach
Siegenia den Grossteil ihrer Produkte nur noch in geringem Umfang an Zwischenhändler und Fensterverarbeiter
direkt vertreibe. Als nicht zutreffend erscheint demgegenüber die Feststellung der Vorinstanz, Siegenia
habe seit 2004 stets ein nicht unbedeutendes Portfolio an Kunden selber bedient.
6.2.25 Aufgrund
der Tatsache, dass der Vertrieb von Siegenia-Baubeschlägen in der Schweiz seit 2004 fast ausschliesslich
über die Beschwerdeführerin erfolgt und Siegenia folglich in der verfahrensrelevanten Zeitspanne
mit der Beschwerdeführerin einen Umsatz von 95 - 98% generierte, können Siegenia und die Beschwerdeführerin
nicht als Wettbewerber qualifiziert werden. Siegenia liefert grundsätzlich nicht direkt an Händler,
sondern nur an die Beschwerdeführerin. Daran ändert auch der Umstand nichts, dass Siegenia
selbst noch drei Kunden direkt beliefert, da es sich hierbei um Kunden handelt, die eine Belieferung
mit Siegenia-Baubeschlägen durch die Beschwerdeführerin ablehnen und zu einem Konkurrenzprodukt
wechseln würden, sollte Siegenia die Direktbelieferung einstellen. Des Weiteren führt Siegenia
selbst aus, nur im Falle von Lieferengpässen bei der Beschwerdeführerin würden noch drei
weitere Händler Produkte direkt von Siegenia beziehen. Die Direktbelieferung durch Siegenia steht
der Wertung, dass es sich beim Verhältnis zwischen der Beschwerdeführerin und Siegenia um ein
vertikales handelt, nicht entgegen und ist folglich nicht in dem Sinne zu werten, dass Siegenia die Beschwerdeführerin
konkurrenziert. Da in der Schweiz keine Baubeschläge hergestellt werden, bewegen sich Siegenia und
die Beschwerdeführerin zwar ausschliesslich auf der Handelsstufe und üben damit die gleiche
Tätigkeit aus. Doch ist vorliegend massgebend, dass die Beschwerdeführerin und Siegenia grundsätzlich
gerade nicht auf der gleichen Vertriebsebene agieren. Denn es kann nicht ausser Acht gelassen werden,
dass Siegenia als direkte Vertreterin von Siegenia D auf dem Schweizer Markt auftritt, die Beschwerdeführerin
demgegenüber als reine Händlerin tätig wird, die Beschläge von Siegenia bezieht und
vertreibt. Siegenia könnte die Beschwerdeführerin ohne Weiteres vom Markt verdrängen und
ihre Marktanteile erhalten, wenn sie die Beschwerdeführerin nicht mehr beliefern würde. Wettbewerb
hat auch zum Ziel, Marktanteile zu vergrössern. Dieses Ziel hat Siegenia gegenüber der Beschwerdeführerin
aber klar nicht, da die Beschwerdeführerin Abnehmerin und Händlerin ihrer Produkte ist. Siegenia
hat vielmehr ein Interesse daran, dass die Beschwerdeführerin möglichst viele Siegenia-Beschläge
verkauft.
6.2.26 Die
Beschwerdeführerin und Siegenia stehen folglich nicht auf der gleichen Marktstufe und sind daher
keine Wettbewerber.
bb) Verhältnis zu Roto, SFS und Winkhaus
6.2.27 Demgegenüber
ist die Beschwerdeführerin als Konkurrentin der übrigen Teilnehmer des multilateralen Treffens
vom 22. September 2006 zu qualifizieren. Entscheidend ist, dass es der Marktgegenseite bei
der
Deckung ihres Bedarfs offen steht, sowohl aus den Angeboten der Beschwerdeführerin als auch von
denjenigen von SFS, Roto und Winkhaus auszuwählen. Sowohl die Beschwerdeführerin als auch SFS,
Roto und Winkhaus bieten ihren Abnehmern Fenster- und Fenstertürbeschläge der Öffnungsart
Drehkipp in der Schweiz an.
6.2.28 Mit
Bezug auf die Grosshändlerin SFS, die im Jahr 2006 primär mit den Drehkippbeschlägen der
Marken Maco und Siegenia handelte, ist festzuhalten, dass SFS mit Bezug auf den Vertrieb der Maco-Baubeschläge
zweifelsohne als Konkurrentin der Beschwerdeführerin zu betrachten ist, handelt es sich doch bei
Maco- und Siegenia-Baubeschlägen um Konkurrenzprodukte. Im Zusammenhang mit dem Vertrieb der Siegenia-Baubeschläge
ist festzustellen, dass SFS ihre gesamten Drehkippbeschläge der Marke Siegenia über die Beschwerdeführerin
bezogen hat, und nicht von Siegenia direkt. Das Lieferverhältnis zwischen der Beschwerdeführerin
und SFS begründet insofern auch ein Vertikalverhältnis. Inwiefern sich dieses Vertikalverhältnis
von jenem zwischen der Beschwerdeführerin und Siegenia unterscheidet, kann vorliegend aber offen
bleiben. Denn SFS und die Beschwerdeführerin stehen als wirtschaftlich selbständige Händler
grundsätzlich auf derselben Marktstufe und sind daher als Konkurrenten zu betrachten.
6.2.29 Es
ist folglich festzuhalten, dass die Beschwerdeführerin und die Untersuchungsadressaten SFS, Roto
und Winkhaus horizontal auf der gleichen Marktstufe stehen.
Sie sind auf der Handelsstufe der Baubeschläge als Konkurrenten anzusehen, weshalb eine Preisabrede
im Sinne von Art. 5 Abs. 3 Bst. a KG möglich ist. Demgegenüber stehen die Beschwerdeführerin
und Siegenia in einem vertikalen Verhältnis zueinander. Entsprechend ist eine Preisabrede im Sinne
von Art. 5 Abs. 3 Bst. a KG zwischen der Beschwerdeführerin und Siegenia nicht möglich.
6.3 Wettbewerbsabrede
im Sinne von Art. 4 Abs. 1 KG
Die Vermutungsbasis von Art. 5 Abs. 3 Bst. a KG
setzt das Bestehen einer Preisabrede voraus. Erforderlich
ist damit das Vorliegen einer Wettbewerbsabrede
im Sinne von Art. 4 Abs. 1 KG, die sich inhaltlich auf
die direkte oder indirekte Festsetzung von Preisen
bezieht.
Damit eine Wettbewerbsabrede bejaht werden kann,
muss den Untersuchungsadressaten ein bewusstes und
gewolltes Zusammenwirken zur Last gelegt werden können. Zudem muss mit der Abrede eine Wettbewerbsbeschränkung
bezweckt oder bewirkt werden (vgl. Krauskopf/Schaller, a.a.O., Art. 5 Rn.
56 ff.).
6.3.1 Bewusstes
und gewolltes Zusammenwirken
a)
Vorbringen der Vorinstanz
6.3.1.1 Nach
Ansicht der Vorinstanz haben die Untersuchungsadressaten ihr Verhalten nach vorgängiger gegenseitiger
Kontaktaufnahme bzw. nach Erhalt der Konkurrenzinformationen in Bezug auf eine bestimmte Preiserhöhung
angepasst. Dieser Anpassung sei ein bewusstes und gewolltes Zusammenwirken der Untersuchungsadressaten
vorausgegangen. Nicht nur die direkte Kontaktaufnahme stehe dem Postulat der Selbständigkeit der
Handlungsweise der Konkurrenten entgegen, sondern vor allem auch deren darauf gestütztes Handeln
bezüglich des eigenen Verhaltens und - vorliegend - der eigenen Preispolitik. Der gegenseitige
Austausch habe den Untersuchungsadressaten Einsicht in das künftige Handeln der Konkurrenz verschafft
und dadurch die durch eine einseitige unkoordinierte Preiserhöhung bedingte Ungewissheit des Wettbewerbs
beseitigt. Durch die Verhaltenskoordination sei das Risiko, welches mit jeder selbständigen Änderung
des Verhaltens auf dem Markt einhergeht, weitestgehend entfallen.
6.3.1.2 Mit
Bezug auf den Zweck und die Inhalte des Treffens habe die Beschwerdeführerin selber angegeben, dass
es sich dabei im Prinzip um Absprachen über Mindestaufschläge gehandelt habe (vgl. act. 62,
S. 2). Roto habe zudem angegeben, die Gesprächsteilnehmer hätten sich über ihre Absichten
informiert und es sei festgestellt worden, dass Winkhaus der billigste Anbieter am Tisch sein würde.
Der Vertreter von Roto hätte sodann den Vorschlag für ein Gentlemen's Agreement gemacht
mit dem Inhalt, dass der jeweilige Beschlagslieferant für einen bestimmten Zeitraum vor Angriffen
seiner Wettbewerber geschützt werde (vgl. act. 2, S. 17). Des Weiteren habe SFS die Vorinstanz in
ihrer Selbstanzeige darüber informiert, dass das "Thema der Sitzung (vom 22. September 2006)
[...] neben der Preiserhöhung der Hersteller auch die Reaktion der Händler in der Schweiz"
gewesen sei (act. 31, Rz. 17), "...ein weiterer Preisanstieg die Wettbewerbsfähigkeit
der Schweizer Händler ..." gefährden (act. 31, Rz. 20) und eine weitere Preiserhöhung
die Wettbewerbsfähigkeit von SFS weiter schwächen würde (act. 31, Rz. 21).
6.3.1.3 Diese
Umstände belegten zweierlei: Erstens, dass sämtliche Untersuchungsadressaten am Treffen teilgenommen
hätten, um gegenseitig preisrelevante Informationen untereinander auszutauschen; und zweitens, dass
es am Treffen darum gegangen sei, die wettbewerbsrelevanten Auswirkungen, die von den MTZ-Preiserhöhungen
ausgehen können, untereinander abzustimmen und diesbezüglich koordiniert vorzugehen. Aus den
vorhandenen Informationen ergebe sich deutlich, dass der Zweck des gegenseitigen Informationsaustauschs
darin bestanden habe, sich Gewissheit über die Preissetzung der Konkurrenz zu verschaffen und damit
den in preislicher Hinsicht vorhandenen Wettbewerbsdruck untereinander zu verringern oder gar auszuschalten
(vgl. Verfügung Rz. 173 ff.). Aus kartellrechtlicher Sicht sei alleine die Tatsache, dass sich Unternehmen,
die sich als Konkurrenten gegenüberstünden und sich träfen, um preisrelevante Informationen
auszutauschen, geeignet, den Wettbewerbsparameter Preis direkt und unmittelbar zu beeinflussen. Für
die Abhaltung eines solchen Treffens gebe es keinen (anderen) plausiblen Grund, als den Wettbewerbsdruck,
der vom Verhalten der Konkurrenten ausgehe, in Schranken zu halten.
6.3.1.4 Zudem
würden verschiedene Beweismittel aufzeigen, dass sich die Untersuchungsadressaten in regelmässigen
Abständen und bei unterschiedlichen Gelegenheiten untereinander ausgetauscht hätten, was weiter
belege, dass sie über die Verhaltensweisen ihrer Konkurrenten informiert gewesen seien und solche
Informationsaustausche als das Ergebnis eines starken Bedürfnisses zu werten sei.
6.3.1.5 Das
Vorbringen der Beschwerdeführerin, wonach sie nur am Treffen teilgenommen habe, um eine weitere
Preiserhöhung ihrer Zulieferer zu verhindern, stosse ins Leere: Diese habe selbst angegeben, dass
die in Frage stehenden Preiserhöhungen von den ausländischen Herstellern beschlossen worden
seien (vgl. Beschwerde Rz. 65), so dass bereits deshalb nicht ersichtlich sei, inwiefern sich die Beschwerdeführerin
noch gegen die Preiserhöhungen habe wehren können. Die Beschwerdeführerin habe denn auch
ausgesagt:"...Auf Preiserhöhungen hatte die Koch-Gruppe als reine Händlerin sowieso
keinen Einfluss...." (Beschwerde Rz. 74). Hinzu komme, dass an dem in Frage stehenden Treffen
nicht die ausländischen Hersteller als eigentliche Urheber der Preiserhöhungen, sondern deren
Schweizer Tochtergesellschaften vertreten gewesen seien. Ein Widerstand gegen die Preiserhöhungen
bei den Schweizer Tochtergesellschaften wäre wohl aussichtslos gewesen, zumal auch diese (von ihren
ausländischen Muttergesellschaften) die Anweisung erhalten hätten, die beschlossene Preiserhöhung
in der Schweiz umzusetzen. Es bestehe kein objektiv nachvollziehbarer Grund, welcher die Teilnahme der
Beschwerdeführerin am Treffen vom 22. September 2006 erklären könnte. Stünde die
Beschwerdeführerin zu Roto, SFS und Winkhaus in einem (ausschliesslich) vertikalen Verhältnis
und wäre sie deshalb lediglich deren Kundin, hätte sie kaum bei der Organisation des Treffens
entscheidend mitgewirkt. Die Beschwerdeführerin habe aber das Treffen in ihren Räumlichkeiten
organisiert und die Einladungen an die übrigen Untersuchungsadressaten verschickt. Als blosse Kundin
der am Treffen Beteiligten hätte sich die Beschwerdeführerin auf jeweils bilateralem Weg (Kunde-Lieferant)
gegen die Preiserhöhungen gewehrt bzw. wehren müssen. Dieses Vorgehen hätten im Übrigen
im untersuchungsrelevanten Zeitraum auch die Kunden der Beschwerdeführerin gewählt.
6.3.1.6 Schliesslich
habe die Beschwerdeführerin anlässlich ihrer Protokollerklärung angegeben, dass es bei
den Preisabsprachen "um das Überleben der Unternehmung" (act. 62, S. 2, 1. Abschnitt)
gegangen sei. Daraus werde ersichtlich, dass die Beschwerdeführerin in erster Linie am Treffen teilgenommen
habe, um ihre individuellen (wirtschaftlichen) Interessen zu wahren und keine (weiteren) Wettbewerbsnachteile
zu erleiden. Gerade darin bestehe der Grund für Mitglieder eines Kartells, sich mit Konkurrenten
abzusprechen.
6.3.1.7 All
dies illustriere, dass die Teilnahme der Beschwerdeführerin am Treffen vom 22. September 2006 unabhängig
von ihrer Motivation insbesondere dem Zweck gedient habe, sich über das Verhalten der Konkurrenten
hinsichtlich der Preiserhöhungen 2006/2007 zu informieren und diese Information bei der Festlegung
des eigenen Wettbewerbsverhaltens mit einfliessen zu lassen.
b)
Vorbringen der Beschwerdeführerin
6.3.1.8 Die
Beschwerdeführerin macht demgegenüber geltend, ihr könne kein bewusstes und gewolltes
Zusammenwirken in Zusammenhang mit den Preiserhöhungen in den Jahren 2006/2007 vorgeworfen werden,
da Siegenia und Roto beschlossen hätten, die Preise gegenüber ihren Kunden und damit auch ihr
selbst gegenüber um 5 - 6% zu erhöhen. Anfangs 2006 habe Siegenia Deutschland beabsichtigt,
ihr gegenüber eine Preiserhöhung von 8 - 9% durchzusetzen, wogegen sie sich vehement gewehrt
habe (vgl. act. 358, S. 37). In der Folge hätten zwischen Siegenia und Roto Gespräche über
Preiserhöhungen stattgefunden (vgl. act. 17, A-8). Daraufhin habe Siegenia ihr eine Erhöhung
von 6% per 1. September 2006 angekündigt, wogegen sie sich ebenfalls gewehrt habe. Einen Monat vor
dem Treffen, am 22. August 2006, hätten sich Siegenia und Roto telefonisch dahingehend verständigt,
die Preise in der Schweiz um 5 - 6% zu erhöhen (vgl. act. 2, Anlage 20; act. 358, S. 15). Roto und
Siegenia seien sich zudem einig gewesen, "dass sich zuerst die beiden Hersteller untereinander abstimmen
sollten, bevor dann die Händler hinzugezogen werden sollten". Basierend auf dieser Abstimmung
zwischen Roto und Siegenia sei ihr schliesslich von Siegenia per 1. September 2006 ein MTZ von 6% mitgeteilt
worden. Die Beschwerdeführerin habe nichts von diesem gemeinsamen Beschluss gewusst. Indem Siegenia
ihr die zuvor mit Roto abgesprochene Erhöhung angekündigt habe, sei diese vollzogen worden.
In kartellrechtlicher Hinsicht sei nur dieses Verhalten zwischen den Herstellern und deren schweizerischen
Vertriebsgesellschaften kausal für die durchzuführende Preiserhöhung. Ihr eigenes darauf
folgendes Verhalten stelle lediglich eine Abwehrreaktion gegen die einseitig angekündigte Erhöhung
dar. Als das Treffen stattgefunden habe, seien Ausmass (6%) und Zeitpunkt (per 1. September 2006) der
Erhöhung - ohne ihre Kenntnis - bereits horizontal vereinbart gewesen.
6.3.1.9 Am
Treffen habe sie keine Informationen bezüglich allfälliger Preiserhöhungen ausgetauscht.
Auf Preiserhöhungen habe sie als reine Händlerin ohnehin keinen Einfluss. Die Fragen, ob die
Preise für Siegenia-Produkte mittels MTZ erhöht würden, wie hoch die Erhöhungen ausfielen
und wann diese umgesetzt würden, würden von Siegenia Deutschland bzw. Siegenia und nicht von
ihr beantwortet. Ebenso wenig könne sie Preiserhöhungen für Siegenia-Produkte mit Roto
oder anderen Herstellern vereinbaren. Ihre Rolle bestehe vielmehr darin, durch Verhandlungen die von
Siegenia Deutschland bzw. Siegenia beschlossenen Preiserhöhungen zu reduzieren.
6.3.1.10 Dass
sie die Preiserhöhungen dennoch habe übernehmen müssen, habe nichts mit Freiwilligkeit
zu tun, sondern sei auf die Marktstrukturen und den damit verbundenen Druck der Hersteller zurückzuführen.
Die Hersteller könnten den MTZ umsetzen, ohne die Argumente des Handels zu berücksichtigen.
Dies gelte insbesondere dann, wenn - wie vorliegend - die wichtigsten Hersteller auf der
Basis eines horizontalen Kartells ihre Preise gemeinsam erhöhten. Sie habe auch keinen Einfluss
auf den Zeitpunkt der Erhöhung. In dieser Hinsicht könne sie nichts anderes tun, als ihre eigenen
Preise zu erhöhen, wenn der Hersteller dies tue. Alles andere sei für sie angesichts ihrer
knappen Margen nicht zu verkraften.
6.3.1.11 Wenn
die Vorinstanz ausführe, dass die Abwesenheit von GU und Maco und die Teilnahme von SFS und Koch
am Treffen darauf hindeute, dass diese sich aktiv am Austausch hätten beteiligen wollen, verkenne
sie, dass Maco und GU keine Händler, sondern Hersteller seien. Als solche könnten sie selber
entscheiden, ob, wann und in welchem Umfang sie ihre Preise erhöhen wollten. Diese Möglichkeit
und damit die "gewisse Eigenständigkeit", welche die Vorinstanz bei GU anerkenne, habe
sie als reine Händlerin gerade nicht. Als das Treffen vom 22. September 2006 stattgefunden habe,
sei die vermeintliche Absprache bereits vorher getroffen gewesen.
6.3.1.12
Des Weiteren macht die Beschwerdeführerin geltend, sie sei für die Zwecke der Hersteller
instrumentalisiert worden. Ihr Verhalten könne daher nicht als bewusstes und gewolltes Zusammenwirken
ausgelegt werden. Die Hersteller und deren schweizerische Vertriebsgesellschaften hätten letztlich
ihre Preiserhöhungen durchsetzen können, obwohl sie sich vehement dagegen gewehrt habe. Ihr
Verhalten könne daher auch keine stabilisierende Wirkung gehabt haben. Sie habe sich mit keinen
Wettbewerbern ausgetauscht, sondern ihre Preispolitik gegenüber ihren Wettbewerbern und gegenüber
ihren Kunden selbstständig festgelegt. Es sei nicht von Bedeutung, dass sie sich nicht bei den Herstellern
im Ausland, sondern bei den Schweizer Vertriebsgesellschaften beschwert habe (vgl. Replik Rz. 72; Vernehmlassung
Rz. 39). Einerseits handle es sich um dieselben Unternehmen: Die Schweizer Tochtergesellschaften seien
Konzerngesellschaften und würden von der jeweiligen Muttergesellschaft kontrolliert. Insbesondere
werde ihre Geschäfts- und Preisstrategie von den Muttergesellschaften bestimmt. Dass ein Hersteller
seine Beschläge in Deutschland produziere, qualifiziere ihn in der Schweiz nicht als Händler.
Habe sich in der Vergangenheit eine Massnahme als absolut wirkungslos erwiesen, habe sie sich direkt
beim Mutterhaus des Herstellers über den MTZ beklagt. Solche (erfolglosen) Bemühungen ihrerseits
gegenüber Siegenia seien aktenkundig (vgl. Beschwerde Rz. 113, Beilage Nr. 113, E-Mail an [...]).
Ihre Anliegen seien seitens des Mutterhauses zwar zur Kenntnis genommen, jedoch mit dem Verweis abgewiesen
worden, man möge sich an die Schweizer Gesellschaft wenden. Deshalb sei es aus ihrer damaligen Optik
vielversprechender erschienen, die Vertriebsgesellschaften zu motivieren, bei ihren Mutterhäusern
vorstellig zu werden (vgl. Replik Rz. 72; Vernehmlassung Rz. 41).
c) Würdigung des Gerichts
6.3.1.13 Mittels
einer Wettbewerbsabrede verzichten Unternehmen auf ihre aus dem Grundrecht der Wirtschaftsfreiheit (Art.
27 BV) fliessende unternehmerische Handlungsfreiheit, ihre eigene Wettbewerbsposition im Innen- oder
Aussenwettbewerb festzulegen (vgl. BGE 129 II 18, 24, E. 5.1). Der Verzicht auf die individuelle Festlegung
der eigenen Wettbewerbsposition beruht bei der Wettbewerbsabrede auf einem Konsens, d.h. einem bewussten
und gewollten Zusammenwirken von zwei oder mehreren beteiligten Unternehmen (vgl. BGE 129 II 18, E. 6.3).
6.3.1.14 Ein
solcher Verzicht kann entweder in der Form einer Vereinbarung oder einer abgestimmten Verhaltensweise
erfolgen. Den Erscheinungsformen ist gemeinsam, dass ihnen ein Konsens und damit ein "bewusstes
und gewolltes Zusammenwirken der an der Abrede beteiligten Parteien" zugrunde liegt (vgl. BGE 129
II 18, E. 6.3; Amstutz/Carron/Reinert, a.a.O., Art. 4 Abs.
1 Rn. 21; Nydegger/Nadig, a.a.O. Art. 4 Abs. 1 Rn. 53, 79).
6.3.1.15 Für
die Qualifikation als Wettbewerbsabrede ist nicht erforderlich, dass sich die beteiligten Unternehmen
ausdrücklich ins Einvernehmen über ihr Marktverhalten setzen. In der Praxis bestehen oft Schwierigkeiten
bei der gegenseitigen Abgrenzung von zulässigem Parallelverhalten einerseits und unzulässigem,
abgestimmtem Verhalten andererseits. Ein aufgrund von Markt- und Kostenstrukturen bewusst praktiziertes
Parallelverhalten stellt aber noch kein abgestimmtes Verhalten im Sinne von Art. 4 Abs. 1 KG dar. Vielmehr
ist ein Mindestmass an Koordination unternehmerischer Strategien zu verlangen, was eine Kontaktnahme
der beteiligten Unternehmen in irgendeiner Form erfordert (vgl. Amstutz/Carron/Reinert,
a.a.O., Art. 4 Abs. 1 Rn. 115 ff.; Borer, a.a.O., Art. 4
Rn. 2, 12 ff.).
6.3.1.16 Die
Abrede muss von den beteiligten Unternehmen aus freien Stücken abgeschlossen bzw. umgesetzt werden.
Entsprechend mangelt es an einer Wettbewerbsabrede gemäss Art. 4 Abs. 1 KG, wenn das koordinierte
Verhalten zweier Wettbewerber ausnahmsweise nicht das Ergebnis einer freien Willensübereinstimmung
ist, sondern ausschliesslich auf Druck oder Zwang eines Wettbewerbers hin zustande kommt (vgl. Krauskopf/Schaller,
a.a.O., Art. 5 Rn. 59).
6.3.1.17 Die
Wettbewerbsabrede (Ursache) muss schliesslich zu einer Wettbewerbsbeseitigung (Erfolg) im Sinne eines
natürlichen Kausalzusammenhangs geführt haben. Dies ist dann der Fall, wenn die Wettbewerbsbeseitigung
ohne die fragliche Abrede nicht oder nicht in der gleichen Weise oder nicht zur gleichen Zeit eingetreten
wäre (sog. conditio sine qua non; vgl. Krauskopf/Schaller,
a.a.O., Art. 5 Rn. 79). Darüber hinaus muss die Abrede nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge
und der allgemeinen Lebenserfahrung geeignet sein, die wettbewerbsbeseitigende Wirkung zu erzeugen (sog.
adäquater Kausalzusammenhang; vgl. Krauskopf/Schaller, a.a.O., Art. 5
Rn. 81).
aa) Horizontales Preiskartell der europäischen Hersteller
6.3.1.18 Die
Vorinstanz hebt in ihrer Verfügung explizit hervor, dass die ausländischen Hersteller von
Fenster- und Fenstertürbeschlägen Preiserhöhungen für die Schweiz beschlossen und
erst danach entweder über ihre Vertriebsgesellschaften oder über Grosshändler umgesetzt
hätten (vgl. Verfügung Rz. 38). Entsprechend sanktionierte die Europäische Kommission
am 28. März 2012 neun Hersteller von Fensterbeschlägen für wettbewerbswidrige Abreden
in Form einer horizontalen Preisabsprache in der Zeitspanne vom November 1999 bis Juli 2007 mit einer
Geldbusse von 86 Mio. Euro. Dieser Entscheid ist noch nicht rechtskräftig.
6.3.1.19 Die
Preiserhöhungen standen folglich als solches bei der Umsetzung in der Schweiz bereits fest. Nach
Ansicht der Vorinstanz haben sich die Vertriebsgesellschaften bzw. Grosshändler denn auch lediglich
über die Höhe und den Zeitpunkt, nicht aber über die Erhöhung als solches, ausgetauscht
(vgl. Verfügung Rz. 38).
6.3.1.20 Des
Weiteren ist erstellt, dass Siegenia (D) Anfang 2006 beabsichtigte, gegenüber der Beschwerdeführerin
eine Preiserhöhung von 8 - 9% durchzusetzen, wogegen sich Letztere vehement gewehrt hat (vgl. act.
358, S. 37). Im Einklang mit den im Recht liegenden Beweisen macht die Beschwerdeführerin geltend,
der eingereichten Selbstanzeige von Roto könne entnommen werden, dass Siegenia Roto anlässlich
eines Telefongesprächs am 22. August 2006 den Vorschlag unterbreitet habe, in der Schweiz die Preise
zum 1. Januar 2007 um 5 - 6% zu erhöhen. Dies wurde von Roto handschriftlich dokumentiert (vgl.
act. 2, S. 15, Anlage 20; act. 358, S. 15). Gemäss den Ausführungen
in der Selbstanzeige waren sich Roto und Siegenia einig, dass sich zuerst die beiden Hersteller untereinander
abstimmen und erst danach die Händler hinzugezogen werden sollten.
6.3.1.21 Siegenia
bestreitet demgegenüber die Darstellung des Inhalts des Telefongesprächs von Roto (vgl. Beschwerde
von Siegenia vom 6. Dezember 2010, Rz. 13). Unzutreffend sei deren Behauptung, Siegenia habe Roto anlässlich
eines Telefongesprächs vorgeschlagen, die Preise per 1. Januar 2007 um 5 - 6% zu erhöhen. Vielmehr
habe Siegenia Roto auf deren Anfrage hin mitgeteilt, dass sie einseitig eine Preiserhöhung in der
entsprechenden Grössenordnung beabsichtige. Diese sei damals aber bereits gegenüber der Beschwerdeführerin
als Vertriebspartnerin kommuniziert worden, was auch der Grund für deren Einladung zum Treffen am
22. September 2006 gewesen sei. Die Preiserhöhung sei ein einseitiger Beschluss von Siegenia gewesen.
6.3.1.22 Unter
Berücksichtigung des erforderlichen Beweismasses beim Vorliegen einer Selbstanzeige ist festzuhalten,
dass sich der Inhalt des Telefongesprächs zwischen Siegenia und Roto einzig auf die handschriftliche
Telefonnotiz von Roto stützen lässt. Weitere Beweismittel, welche die Ansicht von Roto untermauern
würden, liegen nicht vor.
6.3.1.23 Die
Beschwerdeführerin bringt vor, basierend auf der Abstimmung zwischen Roto und Siegenia habe ihr
Letztere erneut einen MTZ von 6% per 1. September 2006 angekündigt, wogegen sie sich ebenfalls gewehrt
habe. Erstellt ist, dass die Beschwerdeführerin gegenüber ihren Abnehmern eine Preiserhöhung
von 5.7% per 1. Februar 2007 angekündigt hat. Ihr Vorbringen, sie habe sich auch gegen eine Preiserhöhung
von 6% gewehrt, erscheint vor diesem Hintergrund als glaubhaft. Entsprechend hält auch die Vorinstanz
in ihrer Verfügung fest, es möge grundsätzlich zutreffen, dass die Preiserhöhungen
gegen den Willen der Beschwerdeführerin und SFS erfolgt seien und sie folglich gezwungen gewesen
wären, die Preiserhöhungen weiterzugeben (vgl. Verfügung Rz. 105).
bb) Das Treffen vom 22. September 2006
6.3.1.24
Sodann ist erstellt, dass sich am 24. August 2006 Vertreter der Beschwerdeführerin und Roto
trafen und übereinkamen, am 22. September 2006 zu einem multilateralen Treffen bei der Beschwerdeführerin
in Wallisellen einzuladen. Folglich lud die Beschwerdeführerin mit E-Mail vom 7. September 2006
mit Ausnahme von Maco sämtliche Untersuchungsadressaten zu diesem Treffen ein. Die E-Mail enthielt
den Betreff "Terminanfrage Umsetzung MTZ 2007" und enthielt u.a. den folgenden Wortlaut:
"[...] Aufgrund der Preisentwicklung der Rohmaterialien Stahl, Zink und Alu sowie der gestiegenen
Sozial- und Transportkosten werden alle Hersteller Preisaufschläge ankündigen. Bezüglich
Umsetzung und Höhe sollten wir uns in der Schweiz abstimmen, um dem Internationalen Preisniveau
etwas näher zu kommen." Mit E-Mail vom Folgetag bestätigte
die Beschwerdeführerin den Gesprächstermin vom 22. September 2006 und informierte darüber,
dass sich GU entschuldigen lasse, da sie ohnehin einen MTZ von 4.2% per 1. September 2006 umgesetzt habe.
6.3.1.25 Anlässlich
ihrer Selbstanzeige hält Roto fest, der wesentliche Inhalt der Besprechung könne den handschriftlichen
Aufzeichnungen von (...), dem Vertreter von Roto, entnommen werden. Auch Notizen weiterer Sitzungsteilnehmer
äussern sich zum Inhalt des Treffens. Diesen Unterlagen ist unter anderem folgendes Sitzungsthema
zu entnehmen: "Preiserhöhung auf 2007, wenn ja, wie hoch" (act. 18, D-0010.2; vgl. auch
act. 15, B-0024.1; act. 15, B-0024.2; act. 18, D-0010.1; act. 31, S. 7, Beilagen 7 f.). Gemäss der
Selbstanzeige von Roto haben sich die Gesprächsteilnehmer zunächst gegenseitig über Verkaufspreise,
Marktsituation sowie Preiserhöhungen ausgetauscht und informierten sie sich diesbezüglich über
ihre Absichten. Nach Aussage von Roto seien Roto, Siegenia und die Beschwerdeführerin schliesslich
übereingekommen, bis Ende Oktober 2006 einen MTZ in der Höhe von mindestens 5% mit Wirkung
per 1. Februar 2007 anzukündigen (vgl. act. 2, S. 17, Anlage 23; act.
31, S. 7, Beilagen 7 f.). SFS bekundete anlässlich dieses Treffens die Absicht, ihre Preise nicht
zu erhöhen, und sie begründete dies mit dem "unterschiedlichen Preisniveau in Europa"
(Verfügung Rz. 87; act. 31, S. 7, Beilagen 7 f.).
6.3.1.26
Die geplanten Preiserhöhungen wurden von Roto anlässlich des Treffens wie folgt zusammengetragen:
Die Beschwerdeführerin und Siegenia sollten Ende Oktober 2006 eine Preiserhöhung um 5.7% mit
Wirkung ab 1. Februar 2007 bekanntgeben (vgl. act. 15, B-5), Winkhaus beabsichtigte eine Preiserhöhung
um 6% per 1. Januar 2007 (vgl. act. 17, A-16) und Roto sollte die Preise zum 1. Februar 2007 um 5.8%
erhöhen (vgl. act. 2, S. 17, Anlage 24).
cc) Preisverhandlungen nach dem Treffen vom 22. September 2006
6.3.1.27
Am 4. Oktober 2006 informierte die Beschwerdeführerin Roto, dass die Entscheidung zwischen
ihr und Siegenia nun definitiv gefallen sei. Sie bringt diesbezüglich vor, die definitive Höhe
der MTZ sei erst nach dem Treffen bilateral, zwischen Lieferant und Händler, im Falle der Beschwerdeführerin
mit Siegenia, ausgehandelt worden. Aus den Akten geht hervor, dass alle vier Unternehmen, d.h. die Beschwerdeführerin,
Siegenia, Roto und Winkhaus, die Preiserhöhungen gegenüber ihren Abnehmern der handschriftlichen
Zusammenstellung von Roto entsprechend ankündigten (vgl. act. 2, S. 17, Anlage 25; act. 18, D-0045.1;
act. 17, A-3; act. 17, A-5; act. 17, A-10; act. 18, D-0010.3; act. 31, S. 7 f., Rz. 25, Beilagen 9-11;
act. 91; act. 93; act. 100; act. 102; act. 108; act. 109; act. 113; act. 123; act. 124; act. 133; act.
139; act. 144; act. 148; act. 155; act. 165).
6.3.1.28 Erstellt
ist, dass SFS diesen Entscheid nicht akzeptierte (vgl. act. 2, Beilage 23) und die Preise vorerst nicht
erhöhte, was die Vorinstanz in ihrer Verfügung selbst festhält (vgl. Verfügung Rz.
92). Entsprechend führte SFS auch im Nachgang zur Sitzung vom 22. September 2006 intensive Verhandlungen
mit den Herstellern Maco und Siegenia, um deren Preiserhöhungen zu verhindern (vgl. act. 31, Beilage
12); dies blieb aber ohne Erfolg, denn im November 2006 kündigten Siegenia und Maco auch gegenüber
SFS eine Preiserhöhung an (vgl. Beschwerde Rz. 33, Beilage 10 und 11; act. 18, D-9; act. 18, D-12).
Maco kommunizierte SFS eine Preiserhöhung in der Höhe von 5.6% ursprünglich per 1. Februar
2007 (vgl. act. 18, D-0011.3; act. 31, S. 8, Beilage 15; act. 116; act. 18, D-8), schliesslich per 1.
Mai 2007 (vgl. act. 18, D-0027.1; act. 18, D-8; act. 116). Siegenia kündigte SFS eine Preiserhöhung
von 5.7% per 1. Februar 2007 an (vgl. act. 31, S. 8, Beilage 14).
6.3.1.29 Mit
Schreiben vom 15. Dezember 2006 teilte SFS ihren Kunden mit, dass per 1. Februar 2007 eine Preiserhöhung
von 5.6% auf Maco- Drehkippbeschläge erfolgen werde (vgl. act. 31, S. 8, Beilage 15). Mit Schreiben
vom 21. Dezember 2006 teilte SFS ihren Kunden mit, dass auf Siegenia-Drehkippbeschlägen per
1. Februar 2007 eine Preiserhöhung von 5.7% erfolgen werde (vgl. act. 31, S. 9, Beilage 16; act.
149, Beilage 2).
dd) Schlussfolgerung
6.3.1.30 Es
ist erstellt, dass sowohl die Beschwerdeführerin als auch Siegenia, Roto und Winkhaus im Oktober
2006 die Preiserhöhungen gegenüber ihren Abnehmern der handschriftlichen Zusammenstellung von
Roto entsprechend ankündigten. Die belastenden Aussagen von Roto werden nicht nur durch die Ankündigungsschreiben
der vier Untersuchungsadressaten bestätigt, sondern auch durch die Ausführungen in der Selbstanzeige
von SFS vom 6. September 2007 (vgl. act. 31, Rz. 22 ff.). Entsprechend führt SFS aus, "die
restlichen Teilnehmer vereinbarten eine Erhöhung der Wiederverkaufspreise auf Händlerstufe
um mindestens 5%, wobei dies schriftlich bis Ende Oktober 2006 angekündigt und per 1. Februar 2007
umgesetzt werden sollte" (act. 31, Rz. 22). Des Weiteren ist der Selbstanzeige zu entnehmen, dass
(...), Vertreter der Beschwerdeführerin, entgegen der telefonischen Abmachung mit (...)
kaum gegen eine Erhöhung votierte (vgl. act. 31, Beilage 8).
6.3.1.31 Folglich
ist aufgrund der Selbstanzeigen von Roto und SFS sowie der Ankündigungsschreiben der Beschwerdeführerin,
Roto, Siegenia und Winkhaus nachgewiesen, dass sich die Untersuchungsadressaten nicht nur über die
Einkaufspreise, sondern auch über die Wiederverkaufspreise auf Handelsstufe unterhalten haben (vgl.
act. 31 Rz. 19). Nicht erstellt ist demgegenüber, weshalb die Beschwerdeführerin sich mit Roto
und Winkhaus getroffen und über Preiserhöhungen ausgetauscht hat. Denn zwischen den Untersuchungsadressaten
Roto, Winkhaus und der Beschwerdeführerin bestehen keine Belieferungsverhältnisse, weshalb
sie in einem rein horizontalen Verhältnis zueinander stehen.
6.3.1.32 Aufgrund
der Aktenlage besteht zwar ein erheblicher Verdacht, dass eine Wettbewerbsbeschränkung bestanden
hat, kündigten doch alle vier Unternehmen im Oktober 2006 ihren Abnehmern ähnliche Preiserhöhungen
(5.7%, 5.8% und 6%) per 1. Januar bzw. 1. Februar an. Gleichwohl bleibt offen, ob die Wettbewerbsbeschränkung
in der Schweiz kausal auf eine horizontale Preisabsprache der Händler oder auf die Vorgabe der EU-Hersteller
oder auf beide Sachverhalte zurückzuführen ist. Insbesondere darf der Einfluss des europäischen
Herstellerkartells auf die Stufe des Handels in der Schweiz im vorliegenden Sachverhalt nicht unberücksichtigt
bleiben. Offen bleibt überdies die Frage, welche Bedeutung der Tatsache, dass zwischen Siegenia
und der Beschwerdeführerin keine horizontale, sondern eine vertikale Beziehung besteht, im Hinblick
auf das Treffen vom 22. September 2006 beizumessen ist. Gestützt auf die vorliegende Beweislage
kann nicht zweifelsfrei festgestellt werden, ob die angekündigte Preiserhöhung der Beschwerdeführerin
einzig kausal auf das multilaterale Treffen zurückzuführen ist oder ob es sich hierbei doch
vielmehr um ein einseitiges Diktat der Hersteller zur Preiserhöhung zum Zwecke der Durchsetzung
des europäischen Herstellerkartells auf dem Schweizer Markt handelt bzw. gehandelt hat. Doch selbst
für den Fall, dass man die erheblichen Verdachtsmomente als ausreichend für die Annahme einer
Wettbewerbsbeschränkung gemäss Art. 4 Abs. 1 KG annehmen wollte, bleiben weitere Fragen und
Beweiselemente offen.
6.3.2 Ein
Bezwecken oder Bewirken
6.3.2.1 Für
das Vorliegen einer Wettbewerbsabrede gemäss Art. 4 Abs. 1 KG ist als drittes Tatbestandsmerkmal
überdies erforderlich, dass mit ihr eine Wettbewerbsbeschränkung bezweckt oder bewirkt wird.
a) Vorbringen der Vorinstanz
6.3.2.2 Nach
Ansicht der Vorinstanz zielten die Untersuchungsadressaten darauf ab, ihr eigenes Handeln am künftigen
Verhalten der Konkurrenz auszurichten, indem sie Kontakt zueinander aufgenommen hätten, um die Höhe
und den Zeitpunkt von bevorstehenden Preiserhöhungen miteinander abzusprechen. Dadurch sei die in
einem funktionierenden Wettbewerb vorhandene Ungewissheit über das bevorstehende Handeln der Konkurrenz
beseitigt worden. Der Zweck des gegenseitigen Informationsaustauschs habe darin bestanden, sich Gewissheit
über die Preissetzung der Konkurrenz zu verschaffen und damit den in preislicher Hinsicht vorhandenen
Wettbewerbsdruck untereinander zu verringern oder gar auszuschalten.
b) Vorbringen der Beschwerdeführerin
6.3.2.3 Die
Beschwerdeführerin macht geltend, sie habe weder eine Wettbewerbsbeschränkung bezweckt, noch
habe ihr Verhalten eine solche bewirkt. Sie habe im Gegenteil alles versucht, um die im Ausland beschlossene
und in der Schweiz durch Siegenia und Roto konkretisierte Preiserhöhung zu verhindern bzw. zu reduzieren.
Durch das Treffen mit den schweizerischen Lieferanten am 22. September 2006 habe sie sich erhofft, dass
die Erhöhung des MTZ durch die gemeinsam agierenden Hersteller geringer ausfallen würde. Denn
die Resultate der individuellen Verhandlungen mit den jeweiligen schweizerischen Lieferanten seien im
Wesentlichen davon abhängig gewesen, auf welchen Widerstand die Hersteller bei ihren schweizerischen
Abnehmern gestossen seien. Angesichts der horizontal koordinierten Vorgehensweise der Hersteller sei
eine Reduktion des MTZ nur mit einem Vorgehen gegenüber allen Herstellern zu erreichen gewesen.
6.3.2.4 Da
das internationale Preisniveau tiefer als das schweizerische sei, ergebe sich aus der Einladungsmail
zum Treffen vom September 2006 deutlich die Absicht, im Rahmen dieses Treffens die vorgegebenen Preiserhöhungen
herabzusetzen. Richtig interpretiert beziehe sich die in der Mail erwähnte "Abstimmung"
auf die gemeinsame Position gegenüber den ausländischen Herstellern und nicht - wie von
der Vorinstanz suggeriert - auf einen gemeinsam unter den Herstellern koordinierten MTZ.
6.3.2.5 Das
Treffen sei im Interesse sämtlicher schweizerischer Abnehmer von Fensterbeschlägen erfolgt.
Denn ohne dieses Treffen hätten die Hersteller einen höheren und früheren MTZ-Zuschlag
(6% per 1. September 2006) beschlossen, was zu höheren inländischen Preisen und einer Einbusse
an Wettbewerbsfähigkeit gegenüber dem Ausland geführt hätte. Der Wettbewerb im Inland
sei durch das Treffen vom 22. September 2006 folglich nicht negativ beeinflusst worden. Im Gegenteil
habe die schweizerische Volkswirtschaft im Ergebnis von tieferen Preisen profitiert.
6.3.2.6 Des
Weiteren bringt die Beschwerdeführerin vor, ihr Verhalten sei nicht kausal für eine allfällige
Wettbewerbsbeschränkung gewesen. Die Preiserhöhungen 2006/2007 seien auf die vermutliche Abstimmung
der ausländischen Hersteller sowie deren Konkretisierung in der Schweiz zumindest durch Roto und
Siegenia zurückzuführen, die die Preiserhöhungen lange vor dem Treffen vom 22. September
2006 abgesprochen hätten. Sie selbst habe nichts davon gewusst. Aus alledem folge, dass die Höhe
und der Zeitpunkt der Erhöhungen horizontal bereits vereinbart worden seien und sie als reine Händlerin
lediglich versucht habe, diese abzuwenden.
6.3.2.7 Durch
das Treffen vom 22. September 2006 sei es ihr gelungen, die Grundlagen zu schaffen, um in der Folge im
Rahmen der bilateralen Verhandlungen mit Siegenia eine Reduktion des MTZ auf 5.7% per 1. Februar 2007
zu erreichen. Anlässlich dieses Treffens hätten die schweizerischen Lieferanten von der Notwendigkeit
überzeugt werden können, die bereits beschlossenen Erhöhungen zu reduzieren. Die definitive
Höhe der MTZ sei erst nach dem Treffen bilateral, zwischen Lieferant und Händler, ausgehandelt
worden. Entsprechend habe sie die offizielle Preiserhöhungsankündigung erst im November 2006
erhalten.
c) Würdigung des Gerichts
6.3.2.8 Das
Kartellgesetz umschreibt den Begriff "Wettbewerbsbeschränkung" nicht, knüpft diesen
aber an den mehrfach verwendeten Begriff des wirksamen Wettbewerbs (Art. 5, 10, 37, 45 und 51 KG). Wirksamer
Wettbewerb erfordert, dass Unternehmen Wettbewerbsparameter wie Preis, Menge und Qualität individuell
und unabhängig festlegen und dadurch den Differenzierungsgrad zu ihren Konkurrenten bestimmen (vgl.
Nydegger/Nadig, a.a.O., Art. 4 Abs. 1 Rn. 45 ff., mit weiteren Hinweisen).
6.3.2.9 Für
die Qualifizierung einer abgestimmten Verhaltensweise als Wettbewerbsabrede genügt es, wenn die
Abredebeteiligten die Ausschaltung oder Beeinträchtigung eines oder mehrerer Wettbewerbsparameter
zum Programm erhoben haben. Für die Unterstellung unter Art. 4 Abs. 1 KG ist es demgegenüber
nicht erforderlich, dass die Wettbewerbsabrede bereits umgesetzt worden ist und dadurch bestimmte Wirkungen
im Markt ausgelöst hat. Eine subjektive Absicht der Abredebeteiligten ist für das "Bezwecken"
überdies nicht relevant. Es genügt vielmehr, wenn der Inhalt der Abrede objektiv geeignet ist,
eine Wettbewerbsbeschränkung durch Ausschaltung oder Beseitigung eines Wettbewerbsparameters herbeizuführen.
Der Nachweis eines Unrechtsbewusstseins oder sogar eines Willens der Beteiligten, eine kartellrechtswidrige
Absprache einzugehen, ist nicht erforderlich (sog. objektivierter Zweckbegriff; vgl. Nydegger/Nadig,
a.a.O., Art. 4 Abs. 1 Rn. 69 ff., mit weiteren Hinweisen).
6.3.2.10 Dasselbe
gilt für das Tatbestandsmerkmal "Bewirken": Für den Nachweis einer Abrede braucht
es weder eine besondere subjektive Absicht der Beteiligten, noch muss aus dem Inhalt der Abrede auf einen
objektiven Zweck geschlossen werden können. Entscheidend ist vielmehr, in welchem Ausmass der wirksame
Wettbewerb durch eine Abrede eingeschränkt wird. Entsprechend genügt es, wenn eine Wirkung
im Markt nachgewiesen werden kann, die auf ein koordiniertes Verhalten unter den beteiligten Unternehmen
zurückzuführen ist. Die Wettbewerbsabrede muss mit anderen Worten kausal für die Wettbewerbsbeschränkung
sein und darf nicht durch äussere Umstände ausgelöst worden sein (vgl. Nydegger/Nadig,
a.a.O., Art. 4 Abs. 1 Rn. 68 und 75, mit weiteren Hinweisen).
6.3.2.11 Vorliegend
ist erstellt, dass sich die Untersuchungsadressaten am Treffen vom 22. September 2006 nicht nur über
die Einkaufspreise, sondern auch über die Erhöhung der Wiederverkaufspreise auf dem Schweizer
Markt unterhalten haben. Grundsätzlich ist ein solcher Besprechungsinhalt objektiv geeignet, eine
Wettbewerbsbeschränkung herbeizuführen. Wenn Konkurrenten Informationen mit Bezug auf die Höhe
und den Zeitpunkt von bevorstehenden Preiserhöhungen austauschen, bezwecken sie, den in preislicher
Hinsicht vorhandenen Wettbewerbsdruck untereinander zu verringern oder auszuschalten. Vorliegend darf
jedoch nicht ausser Acht gelassen werden, dass die Untersuchungsadressaten bei der Umsetzung der Preiserhöhungen
gegenüber der Marktgegenseite den Beschlagsabnehmern individuell ausgehandelte Rabatte gewährten.
Auch wenn die Untersuchungsadressaten sich unbestreitbar über die Erhöhung der Wiederverkaufspreise
unterhalten haben, so betrifft dies nur die Preisbasis. Durch die individuell ausgehandelten Rabattgewährungen
kann jedoch nach wie vor auch Preiswettbewerb bestehen. Überdies bleibt wiederum offen, welche Bedeutung
der vertikalen Beziehung zwischen der Beschwerdeführerin und Siegenia im Hinblick auf die Frage
der bezweckten oder bewirkten Wettbewerbsbeschränkung zukommt.
6.4 Preisabrede
im Sinne von Art. 5 Abs. 3 Bst. a KG
a) Vorbringen der Vorinstanz
6.4.1 Die
Vorinstanz weist im Zusammenhang mit der Beurteilung der vorliegenden Sachverhalte als Preisabreden auf
die Rechtsprechung im europäischen Wettbewerbsrecht hin (vgl. Verfügung Rz. 211 ff.). Gemäss
dem EuGH stelle der Preiswettbewerb eine ganz wesentliche Form des Wettbewerbs dar, die niemals vollständig
beseitigt werden dürfe. Beschränkungen der Preisbildungsfreiheit sowie mittelbare oder unmittelbare
Einschränkungen autonomer Preisfestsetzung stellten unter konkurrierenden Unternehmen den augenscheinlichsten
Eingriff in die Handlungsfreiheit von Unternehmen dar. Gemäss
der Rechtsprechung der EU-Gerichte würden Preisabsprachen auch bei einer Verabredung von gleichzeitigen
und einheitlichen Preiserhöhungen vorliegen. Da Preisabsprachen alle Mitglieder des Kartells in
die Lage versetzten, mit hinreichender Gewissheit vorauszusehen, welche Preispolitik ihre Wettbewerber
verfolgten, würden gerade Preisabsprachen den Wettbewerb
selbst wenn die Preise nur als Ziel vorgegeben werden
besonders beeinträchtigen. Im Allgemeinen würden derartige Kartelle ein direktes Eingreifen
in die wesentlichen Bezugsgrössen des Wettbewerbs in dem betreffenden Markt bedingen.
Damit werde der Grundgedanke des freien Wettbewerbs ausgehöhlt.
6.4.2
Im Zusammenhang mit der Preiserhöhung im Jahre 2006 macht die Vorinstanz geltend, die vorliegende
Abrede zwischen den Untersuchungsadressaten habe in der Koordination der Preiserhöhungen bezogen
auf deren Einführung, Umsetzungszeitpunkt und Höhe anlässlich des Treffens vom 22. September
2006 bestanden. Dies stelle eine Verhaltenskoordination mit Bezug auf die Preiserhöhungen für
die von den Untersuchungsadressaten vertriebenen Produkten dar. Das Verhalten der Untersuchungsadressaten
habe die Ausschaltung der mit dem einseitigen Versuch einer Preiserhöhung verbundenen Risiken, insbesondere
des Risikos, Marktanteile zu verlieren, bezweckt. Der Austausch von Informationen über Preise habe
den involvierten Unternehmen ermöglicht, diese Informationen bei ihrem eigenen Verhalten auf dem
Markt zu berücksichtigen.
6.4.3
Angesichts der von den Untersuchungsadressaten im Rahmen ihrer Stellungnahmen vorgebrachten Argumente
sowie der im Recht liegenden Beweismittel ist nach Ansicht der Vorinstanz erstellt, dass das anlässlich
des Treffens vom 22. September 2006 Vereinbarte mit Ausnahme von GU und Maco von sämtlichen Untersuchungsadressaten
vereinbarungsgemäss umgesetzt worden sei, wobei sowohl die Höhe des MTZ als auch das geplante
und angekündigte Umsetzungsdatum koordiniert worden seien. Damit stehe fest, dass es sich bei den
koordinierten Preiserhöhungen im Jahre 2006/2007 um eine horizontale Preisabrede im Sinne von Art.
5 Abs. 3 lit. a KG handle. Offen gelassen werden könne vorliegend, ob es sich bei der dargelegten
Preisabsprache um eine direkte oder indirekte handle, zumal die damit verbundene gesetzliche Rechtsfolge
gemäss Art. 49a Abs. 1 KG für alle Abreden nach Art. 5 Abs. 3 KG dieselbe sei.
6.4.4
Die vorliegende Abrede zwischen den daran beteiligten Untersuchungsadressaten habe auf eine gleichgesteuerte
Erhöhung der Preise und damit auf eine Aushöhlung des freien Wettbewerbs abgezielt. Daraus
folge, dass eine Preisabsprache im Sinne von Art. 5 Abs. 3 lit. a KG gegeben sei, weshalb die gesetzliche
Vermutung, wonach der Wettbewerb beseitigt ist, zum Tragen komme.
b) Vorbringen der Beschwerdeführerin
6.4.5 Die
Beschwerdeführerin macht demgegenüber geltend, dass selbst bei Bejahung ihrer Beteiligung an
einer vermeintlichen horizontalen Abrede mit den Herstellern diese
die Voraussetzungen von Art. 5 Abs. 3
Bst. a KG nicht erfüllen würde. Unter
Art. 5 Abs. 3 Bst. a KG seien diejenigen Abreden gemäss Art. 4 Abs. 1 KG zu subsumieren, welche
die direkte oder indirekte Festsetzung von Preisen zum Gegenstand hätten. Vom Vermutungstatbestand
seien nur solche Abreden erfasst, durch welche wesentliche Preiselemente oder -komponenten festgesetzt
würden. Die Festlegung von unbedeutenden Preiselementen falle demnach nicht unter Art. 5 Abs.3 Bst.
a KG. In ihrer Verfügung habe es die Vorinstanz versäumt, zu prüfen, ob die vorgenommenen
Preiserhöhungen 2006/2007 die Voraussetzungen für die Subsumtion unter Art. 5 Abs. 3 Bst. a
KG erfüllten. Ihre Ausführungen würden sich lediglich auf die allgemeine Schädlichkeit
von Preisabreden beziehen (vgl. Verfügung Rz. 210 ff.).
6.4.6 Die
Beschwerdeführerin weist darauf hin, dass die Vorinstanz im Zusammenhang mit der geplanten Einführung
eines Zuschlags von ein bis zwei Rappen pro Liter Benzin und Diesel seitens der Erdölvereinigung
festgehalten habe (vgl. RPW 2005/1, S. 239 ff.), dass eine Übereinkunft über ein Kostenelement
eine indirekte Preisabsprache nach Art. 5 Abs. 3 lit. a KG darstellen könne, wenn sie auf dem Markt
des Endprodukts preisharmonisierend wirke. Eine solche Wirkung habe im Fall des Klimarappens gemäss
Vorinstanz nicht vorgelegen, da die vorgesehene freiwillige Abgabe von 1 bis 2 Rappen einen zu kleinen
Bestandteil des Endpreises (4%) dargestellt habe, um eine preisharmonisierende Wirkung entfalten zu können.
6.4.7 Im
Fall Swico/Sens (vgl. RPW 2005/2, S. 251 ff.) habe die Vorinstanz
bestätigt, dass eine Übereinkunft über die Überwälzung eines verhältnismässig
geringen Preiselements keine Preisabsprache gemäss Art. 5 Abs. 3 lit. a KG bilde, solange sie auf
dem Markt des Endprodukts nicht preisharmonisierend wirke. Eine solche Wirkung habe die Vorinstanz im
betreffenden Fall nicht feststellen können, da die vorgezogene Recycling-Gebühr im Verhältnis
zum Gerätepreis sehr niedrig gewesen sei und weil eine Kontrolle darüber, ob und in welchem
Masse dieselbe wirklich überwälzt würde, weder vorgesehen noch möglich gewesen sei.
6.4.8 Die
Beschwerdeführerin rügt, die im vorliegenden Fall den Untersuchungsadressaten vorgeworfenen
Preiserhöhungen würden sich lediglich auf die Überwälzung eines sekundären Bruttopreisbestandteils
beziehen. Die betroffenen Unternehmen hätten weder die Endpreise noch die Preisberechungsmethoden
aufeinander abgestimmt. Die Preisgestaltung zwischen den verschiedenen Produkten sowie deren Bruttopreise
würden stark variieren. So betrage Siegenias Bruttopreis für die Komponente "DKB Eckumlenkung
unten" CHF 9.38, Rotos Bruttopreis demgegenüber CHF 8.13. Zudem seien die einzelnen Produkte
der verschiedenen Hersteller auch in rein technischer Hinsicht nicht ohne Weiteres miteinander vergleichbar.
Diese technischen Differenzen würden sich auch auf den Preis auswirken. Die vermeintliche Abstimmung
betreffend den MTZ sei somit in keiner Weise geeignet, sich preisharmonisierend auszuwirken.
6.4.9 Hinzu
komme, dass die konkret von der Beschwerdeführerin gegenüber ihren Kunden angekündigten
Preiserhöhungen von 5.7% nicht den tatsächlich durchgesetzten entsprechen würden. Denn
die tatsächliche Überwälzung der angekündigten Erhöhung habe im Rahmen von nachträglichen
bilateralen Verhandlungen zwischen der Beschwerdeführerin und ihren Kunden stattgefunden. Je nach
Kunde, Menge und Zusammensetzung der Gesamtbestellung seien beträchtliche individuelle Rabatte auf
die Bruttopreise zwischen (...)% gewährt worden.
6.4.10 Da
mindestens 94.3% der Bruttopreise nicht von dieser vermeintlichen Abstimmung betroffen gewesen seien,
sei dieselbe nicht geeignet, sich preisharmonisierend auszuwirken. Nach Ansicht der Beschwerdeführerin
liege demnach keine Preisabrede gemäss Art. 5 Abs. 3 Bst. a KG vor. Die gegenteilige Feststellung
der Vorinstanz trage diesen ausgeführten Umständen nicht Rechnung und sei deshalb bundesrechtswidrig.
c) Würdigung des Gerichts
6.4.11 Um
beurteilen zu können, ob eine Preisabrede besteht, ist auf den Inhalt der Abrede abzustellen (vgl.
Lucas David/Reto Jacobs, Schweizerisches Wettbewerbsrecht, 5. Aufl., Bern
2012, Rn. 649). Jede Art des Festsetzens von Preisen, Preiselementen oder Preiskomponenten beseitigt
vermutungsweise den wirksamen Wettbewerb. Unter diese Vermutung fällt nicht nur die Abrede von Preisen
an sich, sondern auch die gemeinsame Festlegung von Preisspannen, Margen, Rabatten, Vergünstigungen,
Preisbestandteilen oder Preiskalkulationen. Insgesamt wird somit der Begriff der Preisabrede nach Art.
5 Abs. 3 lit. a KG weit ausgelegt und umfasst als Gegenstand der Abrede neben dem Preis auch sämtliche
Preiselemente oder -komponenten (vgl. Jürg Borer, Wettbewerbsrecht I,
Schweizerisches Kartellgesetz [KG], Kommentar, 3. Aufl., Zürich 2011, Art. 5 Rn. 4; Krauskopf/Schaller,
a.a.O., Art. 5 Rn. 374 und 375). Erforderlich ist jedoch, dass es sich um wesentliche Preiselemente oder
-komponenten handelt (vgl. Botschaft 1994, 567). Werden lediglich unbedeutende Preisbestandteile,
d.h. solche, die keine bedeutenden Auswirkungen auf den wirksamen Wettbewerb haben, festgelegt, so fällt
dieser Sachverhalt nicht unter den Vermutungstatbestand (vgl. Amstutz/Carron/Reinert,
a.a.O., Art. 5 Rn. 398; Krauskopf/Schaller, a.a.O., Art. 5 Rn. 383).
6.4.12
Grundsätzlich ist eine Vereinbarung über die Höhe des MTZ und den Einführungszeitpunkt
als Preisabrede zu qualifizieren, da es sich hierbei um die Festlegung wesentlicher Preisbestandteile
handelt. Auch in diesem Zusammenhang ist jedoch darauf hinzuweisen, dass durch die unterschiedlichen
und nicht abgesprochenen Rabatte nach wie vor Preiswettbewerb bestehen kann. Überdies kann im Rahmen
des vorliegenden Sachverhalts auch die Frage nach dem Bestehen einer Preisabrede auf Handelsstufe nicht
ohne Weiteres losgelöst von der Tatsache beantwortet werden, dass die Vorgabe zur Preiserhöhung
unbestritten von den ausländischen Herstellerunternehmen stammte. Das vorliegende Verfahren ist
wesentlich geprägt vom Bestehen des europäischen Preiskartells, anlässlich dessen die
ausländischen Hersteller von Fensterbeschlägen Preiserhöhungen auch für die Schweiz
beschlossen hatten und nachfolgend entweder über ihre Vertriebsgesellschaften oder über Grosshändler
umsetzten. Entsprechend wird in der Selbstanzeige von Roto explizit darauf hingewiesen, dass die Wettbewerbsverstösse
auf dem Schweizer Markt als Teil des europäischen Kartells zu betrachten seien (vgl. act. 2, S.
1). Die angekündigten und teilweise umgesetzten Preiserhöhungen auf dem Schweizer Markt für
Baubeschläge sind folglich als Auswirkungen des europäischen Herstellerkartells zu betrachten.
Die Beschwerdeführerin steht in der Schweiz nicht auf der gleichen Vertriebsebene wie ihre Lieferantin
Siegenia. Sowohl Siegenia als auch Roto vertreten als 100%-ige Tochtergesellschaften der ausländischen
Herstellerunternehmen die Interessen der Hersteller auf dem Schweizer Markt. Dass sie von ihren Muttergesellschaften
die Anweisung erhielten, den MTZ auch auf dem Schweizer Markt umzusetzen, ist erstellt. Im Zusammenhang
mit der Ankündigung der Preiserhöhung durch die Beschwerdeführerin lässt sich vorliegend
nicht zweifelsohne feststellen, ob die Festlegung der 5.7% per 1. Februar 2007 einzig kausal auf die
multilaterale Besprechung vom 22. September 2006 zurückzuführen ist, oder ob es sich hierbei
letztlich doch primär um die Sicherstellung der Umsetzung des europäischen Herstellerkartells
auf dem Schweizer Markt durch die Herstellervertreter Siegenia und Roto handelt bzw. gehandelt hat.
6.4.13
Die bestehende Aktenlage begründet zwar den erheblichen Verdacht, dass zur Sicherstellung
der Durchsetzung des Preiskartells der europäischen Hersteller auf dem Schweizer Markt tatsächlich
Preisabreden zwischen den Hersteller- und allenfalls auch den Händlerunternehmen stattgefunden haben.
Doch bedarf es nach Auffassung des Gerichts der vertieften Abklärung des Geflechts von horizontalen
und vertikalen Beziehungen zwischen den Herstellerunternehmen und Händlern, um die Umsetzung des
Preiskartells der europäischen Hersteller auf dem Schweizer Markt einer abschliessenden und für
die Annahme einer tatsächlichen Wettbewerbsbeschränkung genügend präzisen Beurteilung
unterziehen zu können.
6.4.14
Denn vorliegend kann nicht unter Ausschluss jeglichen Zweifels festgestellt werden, dass die Ankündigungen
der fast identischen Preiserhöhungen auf das Frühjahr 2007 seitens der Beschwerdeführerin
und der Untersuchungsadressaten Siegenia, Roto und Winkhaus einzig kausal auf die Besprechung am multilateralen
Treffen vom 22. September 2006 zurückzuführen ist. Vor diesem Hintergrund muss offen bleiben,
ob die Vermutungsbasis von Art. 5 Abs. 3 KG erfüllt ist.
7. Frage
nach wirksamem Restwettbewerb
Selbst bei Bejahung des Vorliegens einer Preisabrede
im Sinne von Art. 5 Abs. 3 Bst. a KG wäre
mit Bezug auf die Beschwerdeführerin die Aufhebung der Sanktionsverfügung der Vorinstanz aufgrund
der folgenden Beweisschwierigkeiten im Zusammenhang mit der Prüfung des Bestehens von hinreichendem
Restwettbewerb geboten.
7.1 Im
Allgemeinen
7.1.1
Die Vermutungsfolge von Art. 5 Abs. 3 KG besteht darin, dass die Beseitigung wirksamen Wettbewerbs vermutet
wird. Diese gesetzliche Vermutung kann indes durch den Nachweis von Restwettbewerb widerlegt werden (vgl.
Botschaft 1994, 565 f.; Amstutz/Carron/Reinert, a.a.O.,
Art. 5 Rn. 483 ff.; Krauskopf/Schaller, a.a.O., Art. 5 Rn. 443 ff., mit weiteren
Hinweisen). Der zur Widerlegung der Unzulässigkeitsvermutung erforderliche Restwettbewerb liegt
vor, wenn trotz der Abrede hinreichender Aussen- oder Innenwettbewerb vorhanden ist (vgl. BGE 129 II
18, 35, E. 8.1; Botschaft 1994, 565; Krauskopf/Schaller, a.a.O., Art. 5 Rn.
453 ff.). Es genügt zur Vermutungswiderlegung, wenn auf dem relevanten Markt alternativ Innen- oder
Aussenwettbewerb hinsichtlich des von der Abrede betroffenen Wettbewerbsparameters besteht (vgl. Botschaft
1994, 565).
7.1.2 Der
Gesetzgeber hat mit der Möglichkeit, wonach die vermutete wettbewerbsbeseitigende Wirkung der drei
in Art. 5 Abs. 3 KG erwähnten Wettbewerbsabreden widerlegt werden kann, deutlich gemacht, dass es
im Schweizer Wettbewerbsrecht erstens kein per-se-Verbot geben
kann und zweitens für die Beurteilung einer Abrede zwingend ein Marktbezug herzustellen ist (vgl.
Krauskopf/Schaller, a.a.O., Art. 5 Rn. 445a ff.). Denn erst die Umschreibung
des relevanten Markts erlaubt es, festzustellen, ob und inwieweit der wirksame Wettbewerb bei Vorliegen
einer Wettbewerbsabrede gemäss Art. 5 Abs. 3 KG tatsächlich beseitigt wird (vgl. BGE 129 II
18, 33, E. 7.2). Betreffend Marktabgrenzung sei darauf hingewiesen, dass die Frage nach dem räumlich
relevanten Markt zu unterscheiden ist von der Frage des räumlichen Anwendungsbereichs des Kartellgesetzes.
Der Anwendungsbereich des Gesetzes ist eine rechtliche Frage, die sich nach dem in Art. 2 Abs. 2 KG verankerten
Auswirkungsprinzip beurteilt. Der räumlich relevante Markt ist demgegenüber eine Frage der
Würdigung des Sachverhalts. Trotz der Beschränkung des Anwendungsbereichs des Kartellgesetzes
auf Auswirkungen in der Schweiz kann der relevante Markt europäisch regional, kontinental oder sogar
weltweit sein. Gerade die Abschottung des schweizerischen (Teil-)Markts von einem grösseren regionalen
Markt kann wettbewerbsrechtlich relevant sein (vgl. Walter A. Stoffel,
Wettbewerbsabreden, in: SIWR V/2, S. 91).
7.1.3 Im
Zusammenhang mit der Frage nach dem rechtsgenüglichen Nachweis von bestehendem Restwettbewerb gilt
es an dieser Stelle ausdrücklich darauf hinzuweisen, dass im Gegensatz zur EU, in der seit dem 1.
Mai 2004 auf Wettbewerbsbeschränkungen eine Verbotsgesetzgebung mit Legalausnahme Anwendung findet,
in der Schweiz statt per se-Verboten eine Missbrauchsgesetzgebung
gilt (vgl. Botschaft 1994, 555; Krauskopf/Schaller, a.a.O., Art. 5 Rn. 31
ff.). Folglich hat die Vorinstanz de lege lata in jedem Einzelfall
nachzuweisen, dass der Wettbewerb durch die fragliche Abrede erheblich beeinträchtigt wird. Zum
heutigen Zeitpunkt besteht im schweizerischen Kartellrecht somit keine per
se-Erheblichkeit, weshalb die Auswirkungen von Absprachen auf dem Markt jeweils von der Vorinstanz
zu untersuchen sind.
7.2 Frage
nach potentiellem Aussenwettbewerb
7.2.1 Nach
Ansicht der Vorinstanz besteht auf dem relevanten Markt weder wirksamer aktueller noch potentieller Aussenwettbewerb
(vgl. Verfügung Rz. 247 ff.). Hinsichtlich des Nachweises fehlenden potentiellen Aussenwettbewerbs
stellt das Gericht Beweisschwierigkeiten fest. Im Zusammenhang mit den Vorbringen der Beschwerdeführerin
und von SFS, wonach auf der Handelsstufe intensiver Aussenwettbewerb
herrsche, und dem Einwand der Beschwerdeführerin, dass in der Schweiz eine grosse Anzahl Händler
sich intensiv um die Kunden bemühen würden, hält die Vorinstanz nämlich in ihrer
Verfügung fest, diese Ausführungen seien zur Kenntnis genommen worden, doch würden vorliegend
die Verhältnisse auf dem relevanten Markt für Drehkippbeschläge analysiert (vgl. Verfügung
Rz. 270). Dieses Vorbringen der Vorinstanz ist nicht ohne Weiteres verständlich. Weshalb die Vorbringen
der Beschwerdeführerin nicht von Belang sein sollten, wenn sie sich auf die Verhältnisse im
Bereich des Handels beziehen, ist nicht nachvollziehbar, ist doch die Beschwerdeführerin nur auf
der Handelsstufe tätig. Es bestehen daher Zweifel, ob für die Frage des potentiellen Aussenwettbewerbs
der massgebliche geographische Markt analysiert wurde. Denn es bedarf des Nachweises, dass der potentielle
Aussenwettbewerb auf Handelsstufe beseitigt worden ist.
7.2.2 In
unmittelbarem Zusammenhang zu der Prüfung des Bestehens von potentiellem Aussenwettbewerb steht
die Frage nach der korrekten Abgrenzung des geographischen Marktes. Der räumliche Markt umfasst
das Gebiet, in welchem die Marktgegenseite die den sachlichen Markt umfassenden Waren oder Leistungen
nachfragt oder anbietet (vgl. analog Art. 11 Abs. 3 Bst. b der Verordnung über die Kontrolle von
Unternehmenszusammenschlüssen vom 17. Juni 1996 [VKU], SR 251.4). Die Vorinstanz geht aufgrund des
tatsächlichen Kaufverhaltens, welches sich auf die Schweiz konzentriere, von einem geographisch
relevanten Markt Schweiz aus. Es ist jedoch erstellt, dass Lieferungen aus dem Ausland nicht durch Handelshemmnisse
erschwert werden. Im Bereich Fenster- und Fenstertürbeschläge scheinen nach Auffassung der
Vorinstanz weder administrative Hürden, wie z.B. Produktprüfungen, Zulassungen oder Patente,
vorzuliegen. Der Handel wird auch nicht durch Zölle erschwert. Die Standardprodukte aus den umliegenden
Ländern können deshalb theoretisch problemlos in der Schweiz verkauft werden (vgl. Verfügung
Rz. 261; act. 114; act. 180; act. 182). Vor diesem Hintergrund ist zumindest fraglich, ob der geographische
Markt national abzugrenzen ist.
7.2.3 Nach
Ansicht der Vorinstanz spricht der Umstand, dass die grosse Mehrheit der hiesigen Fensterverarbeiter
- trotz der Abwesenheit von Handelshemmnissen - die benötigten Beschläge in der
Schweiz bezögen, gegen eine disziplinierende Wirkung ausländischer Zwischenhändler (vgl.
Verfügung Rz. 240, 262). Die Fensterverarbeiter hätten für ihren Nichtbezug aus dem Ausland
insbesondere die folgenden Gründe angegeben: Direktbezug bei ausländischen Lieferanten, die
eine Tochtergesellschaft in der Schweiz haben, sei nicht möglich; fehlende Lagerkapazität,
da nur palettenweise bestellt werden könne, sowie der Bezug von zu kleinen Mengen. Auch die bestehenden
Preisdifferenzen zwischen der Schweiz und dem umliegenden Ausland könnten offenbar keine disziplinierende
Wirkung auf die in der Schweiz tätigen Baubeschlagshersteller entfalten. Wäre es realistisch,
dass schweizerische Fensterverarbeiter Beschläge in grossem Umfang regelmässig bei ausländischen
Zwischenhändlern bezögen, müssten sich die Preise in der Schweiz denjenigen der umliegenden
Länder stärker angleichen (vgl. Verfügung Rz. 262, 263).
7.2.4 Die
Beschwerdeführerin macht demgegenüber geltend, der wirksame Wettbewerb sei nicht beseitigt
und der von der Vorinstanz berücksichtigte Markt sei unzutreffend eingegrenzt. Selbst wenn man von
einer Abredebeteiligung der Beschwerdeführerin ausgehen würde, wäre der wirksame Wettbewerb
auf dem Markt, auf welchem die Beschwerdeführerin tätig sei, nicht beseitigt. Auf der Handelsstufe
herrsche vielmehr Wettbewerb. In der Schweiz bedienten fünf grosse Händler ca. 500 schweizerische
Produktionsbetriebe. Im Vergleich dazu weise der deutsche Markt, welcher um ein Vielfaches grösser
sei, in etwa eine gleich grosse Anzahl Händler und Betriebe auf. Der Fenstermarkt sei in der Schweiz
geprägt von regionalen Vorlieben, besonderen Kundenbedürfnissen sowie flexiblen Service- und
Belieferungsmöglichkeiten. Neben dem Bezug von Schweizer Händlern hätten die Fensterverarbeiter
die Möglichkeit, die Fensterbeschläge aus dem Ausland oder direkt von einem ausländischen
Hersteller zu beziehen. Dies zeige, dass es sich beim relevanten Markt um einen europäischen Markt
handle. Zudem halte die Vorinstanz korrekt fest, dass auf Handelsstufe keine Markteintrittsschranken
bestünden. So seien in den letzten Jahren verschiedene ausländische Händler, wie z.B.
Ulmer, Ernst Straub, VBH, Schachermayer, Quincaillerie Boschat oder Quincaillerie Moderne, in den Schweizer
Markt eingetreten.
7.2.5 Diese
Umstände führten zu einem äusserst intensiven Wettbewerb unter den Händlern: Für
einen Verarbeiter sei es deshalb ohne Weiteres möglich, den Händler zu wechseln, ohne gleichzeitig
das Fabrikat wechseln zu müssen. Zudem finde der Wettbewerb zwischen den einzelnen Händlern
nicht nur im Rahmen des gleichen Fabrikats statt, sondern sei fabrikatübergreifend. Entgegen den
Ausführungen der Vorinstanz im Zusammenhang mit den Aufwendungen, welche einem Fabrikatswechsel
entgegenstehen sollten, stelle die Beschwerdeführerin regelmässige Fabrikatswechsel seitens
der Fensterverarbeiter fest. So hätten in der relevanten Untersuchungsperiode 2004 bis 2007 25 Kunden
der Beschwerdeführerin das Fabrikat gewechselt und berücksichtigten diese - und Siegenia
- somit nicht mehr. Entgegen den Ausführungen der Vorinstanz erzeuge der Import von Drehkippbeschlägen
aus dem Ausland - wie von mehreren Händlern und Fensterverarbeitern bestätigt (vgl. z.B.
act. 100, Antworten 10, 15, 17; act. 261, Rz. 47 ff.) - einen erheblichen Druck auf die einheimischen
Händler. Die ausländischen Hersteller gewährten den ausländischen Händlern bessere
Einkaufskonditionen als den schweizerischen (vgl. act. 2, Anlage 5), was Exporte deutscher Händler
in die Schweiz sehr interessant mache. Dies werde durch die Aktivitäten ausländischer Händler
in der Schweiz bestätigt. Unternehmen wie z.B. die "Ernst Straub Baubeschläge" in
Konstanz (DE) oder die "ASAL GmbH" in Offenburg (DE) würden Kunden in der Schweiz beliefern
(vgl. act. 108, Antwort 9; act. 144, Antwort 9) und regelmässig versuchen, Kunden der Beschwerdeführerin
abzuwerben. Um diese Kunden halten zu können, bleibe ihr nichts anderes übrig, als konditionenseitig
mit den ausländischen Anbietern gleichzuziehen, obwohl sie für die gleichen Produkte höhere
Einstandspreise bezahle. Hierfür müsse sie teilweise massive Margenverluste in Kauf nehmen.
7.2.6 Der
Druck ausländischer Händler lasse sich beispielhaft anhand des Fensterverarbeiters (...)
belegen. (...) hole als Kunde der Beschwerdeführerin regelmässig Konkurrenzofferten bei
deutschen Händlern ein. So habe (...) beispielsweise bei (...) eine Konkurrenzofferte eingeholt,
welche sie dann der Beschwerdeführerin mit der Aufforderung zugestellt habe, die Preise zu senken.
Die Beschwerdeführerin sehe sich - wie auch andere Schweizer Händler (vgl. act. 261,
S. 53) - regelmässig mit ähnlichen Vorgehensweisen seitens inländischer Verarbeiter
konfrontiert (vgl. z.B. act. 100, Antworten 15 und 17).
7.2.7 Die
Beschwerdeführerin macht geltend, sie sei gezwungen, aufgrund von Konkurrenzofferten aus dem Ausland
Preisabschläge zu gewähren. Aus der von der Beschwerdeführerin eingereichten E-Mail vom
4. Juli 2005 (vgl. Beschwerdebeilage Nr. 113) gehe hervor, dass unter dem Titel "Zwischenbericht
Marktaktivitäten Schweiz durch deutsche Händler" allein im Juli 2005 sechs Kunden (...)
ihre Beschläge entweder über Deutschland bezogen oder gegenüber der Beschwerdeführerin
Konkurrenzofferten vorgewiesen hätten. Seitens der Vorinstanz zu behaupten, dass es sich hierbei
nicht um ein verbreitetes Vorgehen handle, sei nicht nachvollziehbar. Weil der Bezug aus dem Ausland
jederzeit und problemlos möglich sei, steige der Preisdruck auf die Schweizer Händler.
7.2.8 Ein
wichtiger Grund, weshalb viele Verarbeiter ihre Beschläge trotz Preisdifferenz nach wie vor in der
Schweiz bezögen, sei mit dem Verhalten von Händlern wie der Beschwerdeführerin zu erklären.
Sie unternehme alles Mögliche, um konditionenseitig mit den ausländischen Anbietern gleichzuziehen.
Ihr Angebot beschränke sich nicht nur auf wettbewerbsfähige Preise, sondern umfasse auch eine
moderne Logistik sowie flexible Service- und Kundenbetreuungsmöglichkeiten. Diese Dienstleistungen
würden von ihren Kunden denn auch besonders geschätzt. Einen vergleichbaren Service würden
die ausländischen Anbieter nicht anbieten, was die Vorinstanz bei ihrer Marktanalyse ebenfalls übersehe.
Zudem lasse die Vorinstanz den Umstand ausser Betracht, dass der Bezug von zu kleinen Mengen sowie die
fehlenden Lagekapazitäten in diesem Zusammenhang ebenfalls von Bedeutung seien. Diese relevanten
Umstände seien aktenkundig (z.B. act. 76, act. 77, act. 88, act. 107, act. 136, act. 143, act. 152
sowie act. 168, jeweils Antwort 10).
7.2.9 Dem
Vorbringen der Beschwerdeführerin, dass ausländische Händler starken Preisdruck auf sie
ausübten, entgegnet die Vorinstanz, die Beschwerdeführerin nenne hierfür das Beispiel
lediglich eines Fensterverarbeiters, welcher regelmässig Konkurrenzofferten bei deutschen Händlern
einhole. Diesbezüglich weist die Vorinstanz darauf hin, dass auch in der Befragung nur ein einziger
Fensterverarbeiter ausgesagt habe, ausländische Konkurrenzofferten einzuholen. Nach Auffassung
der Vorinstanz scheint es sich folglich nicht um ein verbreitetes Vorgehen zu handeln. Aufgrund dessen
sei es nicht angezeigt, von umfassendem, starkem Preisdruck seitens ausländischer Händler im
relevanten Markt zu sprechen. Zudem scheine es, selbst für grosse Fensterverarbeiter, in der Schweiz
schwierig zu sein, direkte Vergleichsofferten mit Nettopreisen aus dem Ausland zu bekommen. Dies liege
daran, dass in der Schweiz und im Ausland häufig nicht genau dieselben Produkte und Qualitäten
verkauft würden und in der Schweiz das Service-Niveau höher sei. Weiter würden die effektiven
Nettopreise zwischen Lieferanten und Fensterverarbeitern erst in Preisverhandlungen festgelegt und seien
daher auf einer einfachen Offerte nicht ersichtlich.
7.2.10 Unter
Berücksichtigung des erforderlichen Beweismasses auch beim Vorliegen einer Selbstanzeige ist im
vorliegenden Zusammenhang festzuhalten, dass es den Anforderungen eines rechtsgenüglichen Beweises
nicht zu genügen vermag, wenn aufgrund der vorliegenden Beweislage lediglich Vermutungen hinsichtlich
der disziplinierenden Wirkung ausländischer Zwischenhändler getroffen werden können. Nicht
zu überzeugen vermag daher die Feststellung seitens der Vorinstanz, beim Einholen ausländischer
Konkurrenzofferten scheine es sich folglich nicht um ein verbreitetes Vorgehen zu handeln. Es handelt
sich hierbei um eine Vermutung, aufgrund derer nicht ohne Weiteres gefolgert werden darf, es sei deshalb
nicht angezeigt, von umfassendem und starkem Preisdruck seitens ausländischer Händler im relevanten
Markt zu sprechen. Dasselbe gilt für die Feststellung der Vorinstanz, es scheine zudem selbst für
grosse Fensterverarbeiter in der Schweiz schwierig zu sein, direkte Vergleichsofferten mit Nettopreisen
aus dem Ausland zu erhalten. Der blosse Anschein kann jedenfalls nicht als rechtsgenüglicher Beweis
für die fehlende disziplinierende Wirkung ausländischer Zwischenhändler gewertet werden.
Es kann daher nicht ausgeschlossen werden, dass insbesondere das Verhalten der Beschwerdeführerin
dazu führt, dass viele Fensterverarbeiter ihre Beschläge trotz Preisdifferenz zum Ausland nach
wie vor in der Schweiz beziehen. Damit ist aber nichts darüber ausgesagt, dass aufgrund des tatsächlichen
Kaufverhaltens der Fensterverarbeiter nicht gleichwohl ein Preisdruck ausländischer Händler
besteht.
7.2.11 Aufgrund
der fehlenden Handelshemmnisse, der Angaben der Hälfte der Fensterverarbeiter zur Möglichkeit
des Auslandbezugs sowie der lückenhaften Beweislage im Zusammenhang mit der disziplinierenden Wirkung
ausländischer Zwischenhändler kann vorliegend nicht als zweifelsfrei erwiesen erachtet werden,
dass aufgrund des tatsächlichen Kaufverhaltens kein Druck aus dem Ausland und damit kein potentieller
Wettbewerb besteht.
7.2.12 Im
Zusammenhang mit der Berücksichtigung weiterer Wettbewerbsparameter ist unbestritten, dass der Preis
sowohl von den Untersuchungsadressaten als auch von der Marktgegenseite als wichtigster Parameter eingeschätzt
wird. Die Befragung der Fensterverarbeiter hat aber auch hervorgebracht, dass die Wettbewerbsparameter
Qualität, Innovation und Service/Betreuung von ihrer Bedeutung her nur geringfügig hinter dem
Preis zurückstehen. So bewertete die Marktgegenseite auf einer Skala von 1 bis 4 den Preis mit 2,
die Innovation mit 2,3 und die Qualität mit 2,5 (vgl. Verfügung Rz. 284). Im Zusammenhang mit
der Frage nach einer allfälligen Umstellung hält die Vorinstanz denn auch fest, dass neben
dem Preis auch die Faktoren Qualität, Innovation und Service/Betreuung für die Fensterverarbeiter
von Relevanz zu sein scheinen (vgl. Verfügung Rz. 286).
7.2.13 Das
Bundesgericht hält im Fall Buchpreisbindung explizit fest, dass "(...) die Vermutung der
Wettbewerbsbeseitigung durch den Nachweis widerlegt werden [kann], dass auf einem konkreten Markt der
Preis nicht der allein entscheidende Wettbewerbsparameter ist, und es daher trotz dessen Ausschaltens
aufgrund anderer Faktoren (z.B. Qualität) noch zu einem
wenn auch allenfalls erheblich beeinträchtigten
Wettbewerb kommt" (BGE 129 II 18, 37, E.8.3.4, mit weiteren Hinweisen).
7.2.14 Vorliegend
lässt sich deshalb festhalten, dass die Wettbewerbsparameter Qualität, Innovation und Service/Betreuung
neben dem Preis als wichtigste Parameter ebenfalls von entscheidender Bedeutung sind. Der Preis ist zwar
der wichtigste Wettbewerbsparameter, doch kann aufgrund der Angaben der Befragung nicht gesagt werden,
dass er der allein entscheidende Wettbewerbsparameter ist. Aufgrund der vorliegenden Beweise kann daher
nicht ohne Weiteres gefolgert werden, dass der Wettbewerb einzig aufgrund des Wettbewerbsparameters Preis
hat beseitigt werden können.
7.3 Beweisschwierigkeiten
bei der Prüfung des Innenwettbewerbs
a) Vorbringen der Vorinstanz
7.3.1 Nach
Auffassung der Vorinstanz besteht auf dem relevanten Markt kein wirksamer Innenwettbewerb, weshalb sie
zunächst das Verhältnis zwischen den Endkunden von Drehkippbeschlägen (wie z.B. Architekten,
Bauherrn etc.) und Beschlagsherstellern bzw. Vertriebsgesellschaften prüfte. Sie hält dabei
fest, die Endkunden übten keinen direkten Einfluss auf die Beschlagshersteller und deren Vertriebsgesellschaften
aus, weshalb sie diese nicht hätten disziplinieren können (vgl. Verfügung Rz. 273). In
der Folge konzentrierte die Vorinstanz ihre Prüfung sodann auf das Verhältnis zwischen den
Beschlagsherstellern und deren Vertriebsgesellschaften sowie der Marktgegenseite der Untersuchungsadressaten,
den Fensterverarbeitern, da für die Fensterverarbeiter im Gegensatz zu den Endkunden Baubeschläge
ein wichtiger Inputfaktor bei der Produktion von Fenstern und Fenstertüren seien. Die Fensterverarbeiter
würden gezielt entscheiden, von welchem Hersteller bzw. Vertreiber sie Baubeschläge beziehen
wollten. Fensterverarbeiter seien denn auch in Bezug auf Baubeschläge für die von ihnen verarbeiteten
Fenster oder Fenstertüren relativ preissensibel.
7.3.2 Mit
Bezug auf die Marktanteile hält die Vorinstanz fest, dass der relevante Markt von Siegenia und Roto
geprägt sei, die beide über sehr hohe Marktanteile verfügten. Diese beiden Anbieter würden
über 80% des relevanten Marktes bedienen. Die restlichen drei Beschlagsmarken zusammen vereinten
weniger als 20% Marktanteile auf sich. Es handle sich demnach vorliegend um einen stark konzentrierten
Markt. Betrachte man die Handelsstufe, falle auf, dass die Beschwerdeführerin klar der grösste
Händler in der Schweiz sei. Mit einigem Abstand folge SFS. Daneben würden eine Reihe weiterer,
kleinerer Zwischenhändler, wie Rudolf Geiser AG, Immer AG, Wilhelm Fehr AG, Pfefferlé Cie.
SA etc., existieren, welche zusammen einen Marktanteil von bis zu 10% auf sich vereinten. Die restlichen
Anteile von 40 - 50% würden auf den Direktvertrieb von Roto, Siegenia, GU und Winkhaus entfallen.
7.3.3 Mit
Bezug auf die Wettbewerbsintensität hält die Vorinstanz des Weiteren fest, dass die befragten
Fensterverarbeiter trotz der vorliegenden Preisabrede im Wesentlichen davon ausgegangen seien, dass der
Wettbewerb zwischen den Herstellern von Fenster(tür)beschlägen eher intensiv sei. 34 von 55
Fensterverarbeitern hätten die Aussage "Der Wettbewerb zwischen den Herstellern ist intensiv"
mindestens mit "trifft eher zu" gewertet. 15 Fensterverabeiter hätten angegeben, dass
diese Aussage "eher nicht" bzw. "überhaupt nicht" zutreffe. Dies sei ein
nicht nachvollziehbares Resultat. Diese Einschätzung könne einerseits darauf zurückgeführt
werden, dass die befragten Marktteilnehmer nicht in der Lage seien, eine objektive Einschätzung
der Wettbewerbsverhältnisse auf dem gesamten relevanten Markt vorzunehmen. Andererseits sei nicht
auszuschliessen, dass gewisse der befragten Fensterverarbeiter strategisch geantwortet hätten. Die
Auswertung der Antworten der befragten Fensterverarbeiter habe zwar ergeben, dass die Mehrheit die Wettbewerbsintensität
als eher hoch eingeschätzt hätten, die befragten Fensterverarbeiter hätten jedoch auch
die Verhandlungsmacht ihrer Lieferanten als eher hoch beurteilt. Diese sich entgegenstehenden Aussagen
würden illustrieren, dass die Einschätzungen der Befragten zu diesen zwei Punkten doch als
eher subjektiv zu bewerten seien.
7.3.4 Mit
Bezug auf die Stellung der Marktgegenseite macht die Vorinstanz sodann geltend, dass nach dem Vollzug
der Preiserhöhungen durch die europäischen Hersteller von Fenster- und Fenstertürbeschlägen
diese die Vertriebsgesellschaften und Händler in der Schweiz angewiesen hätten, die Preise
ebenfalls zu erhöhen und diese an ihre Kunden zu überwälzen. Die Untersuchungsadressaten
hätten daraufhin ihren Kunden die vorgesehenen Preiserhöhungen zunächst schriftlich angekündigt
und die Ankündigungen der Preiserhöhungen gegenüber ihren Kunden dergestalt vorgenommen,
wie sie vorgängig anlässlich des Informationsaustauschs abgestimmt worden seien. Es habe allerdings
Kunden gegeben, die sich gegen die angekündigten Preiserhöhungen gewehrt hätten, so dass
die Untersuchungsadressaten mit einigen von ihnen individuelle Lösungen ausgearbeitet hätten.
Dabei sei - je nach Kunde - entweder die angekündigte Preiserhöhung angepasst (in
der Regel tiefer) oder mittels Rabattanpassungen abgefedert worden. Solche individuellen Lösungen
seien vor allem mit grösseren und bedeutenderen Kunden vereinbart worden. Durch die Sachverhaltsschilderungen
zu den Preiserhöhungen und die Befragungen der Fensterverarbeiter werde teilweise bestätigt,
dass der Grossteil der Fensterverarbeiter versucht habe, sich gegen angekündigte Preiserhöhungen
zur Wehr zu setzen. Bei rund einem Drittel der befragten Fensterverarbeiter seien die Preiserhöhungen
schliesslich nicht im angekündigten Umfang umgesetzt worden (vgl. Verfügung Rz. 324 ff. betr.
quantitatives Element). Dies bedeute jedoch grundsätzlich nicht, dass bei diesen Fensterverarbeitern
keine Preiserhöhungen erfolgt seien, sondern lediglich, dass diese nicht im angekündigten Umfang
umgesetzt worden seien. Entscheidend sei, dass bei den restlichen Fensterverarbeitern die Preiserhöhungen
offenbar hätten umgesetzt werden können. Somit stehe fest, dass die Preiserhöhungen signifikante
Auswirkungen auf dem relevanten Markt gezeitigt hätten.
7.3.5 Die
Rüge der Beschwerdeführerin, die Befragung der Marktteilnehmer sei nicht repräsentativ
und es hätte ein weiterer Kreis befragt werden müssen, sei zurückzuweisen. Es wäre
nicht verhältnismässig gewesen, sämtliche in der Schweiz tätigen Fensterverarbeiter
zu befragen. Es sei vielmehr die Vornahme einer Stichprobe angezeigt gewesen, was im Übrigen auch
dem Vorgehen in wissenschaftlichen Befragungen entspreche. In diesem Zusammenhang bedeute "repräsentativ",
dass sich die Erkenntnisse aus einer Stichprobenbefragung auf die Grundgesamtheit (hier: alle Fensterverarbeiter)
verallgemeinern liessen. Ob dies getan werden könne, hänge einerseits davon ab, ob die vorgenommene
Stichprobe auf einer Zufallsauswahl basiert habe, und andererseits von der Grösse der Stichprobe.
Es sei zudem darauf hinzuweisen, dass in einem ersten Schritt eine Zufallsstichprobe vorgenommen worden
sei, damit die Resultate möglichst repräsentativ seien.
7.3.6 Die
Wettbewerbsbehörden hätten die Befragungen von Fensterverarbeitern in erster Linie zur Klärung
verschiedener Fragen rund um die Markt- und Wettbewerbsverhältnisse sowie für die Feststellung
der Auswirkungen der Preiserhöhungen vorgenommen. Diese Befragungen seien - im Sinne einer
Plausibilitätsprüfung - als Ergänzung zu den anlässlich der Hausdurchsuchungen
beschlagnahmten Beweismitteln und den eingereichten Selbstanzeigen vorgenommen worden und hätten
nicht die alleine entscheidende Grundlage für die Beurteilung der in Frage stehenden Wettbewerbsabrede
gebildet.
7.3.7 Was
die Antworten der befragten Fensterverarbeiter angehe, so habe sich gezeigt, dass die befragten Händler
etwa zur Frage der Auswirkungen der angekündigten Preiserhöhungen stichhaltige Informationen
hätten liefern können, da sie diese entsprechend hätten belegen können. Demgegenüber
seien die Angaben bezüglich der Frage der Intensität der Wettbewerbsverhältnisse mit Vorsicht
zu geniessen und bedürften insbesondere in dreierlei Hinsicht einer Relativierung:
(i) Erstens zeige die Auswertung der eingegangenen Antworten der befragten Händler kein eindeutiges
Bild: Mehr als 30% der befragten Fensterverarbeiter, welche die Frage der Wettbewerbsintensität
verwertbar beantwortet hätten, hätten die Aussage, dass der Wettbewerb zwischen den Herstellern
intensiv sei, als (eher) unzutreffend beurteilt;
(ii) zweitens illustriere gerade diese, den Fensterverarbeitern gestellte Frage,
dass die Einschätzungen
in erster Linie dazu geeignet gewesen seien, einen generellen Eindruck der
Branche für Fenster-
und Fenstertürbeschläge einzuholen;
(iii) und drittens sei unklar, ob die Antworten der befragten Fensterverarbeiter
sich auf die Verhältnisse
zwischen den (ausländischen) Herstellern - die Beschlagsmarken - oder auf die Wettbewerbsverhältnisse
zwischen den Untersuchungsadressaten beziehen würden.
7.3.8 Den
weiteren Vorbringen der Beschwerdeführerin im Zusammenhang mit der Rüge der Verletzung des
Untersuchungsgrundsatzes hält die Vorinstanz entgegen, dass diese mit der Frage verbunden seien,
auf welcher Marktstufe die Beschwerdeführerin tätig gewesen sei und weiterhin tätig sei.
Die Schlussfolgerungen in der angefochtenen Verfügung seien keinesfalls auf eine unrichtige Sachverhaltsermittlung,
sondern auf eine andere Würdigung des rechtserheblichen Sachverhalts zurückzuführen.
7.3.9 Im
Zusammenhang mit der Marktanalyse und der Rüge, sie habe nur die Wettbewerbsverhältnisse auf
dem Herstellermarkt untersucht und die Verhältnisse auf der Vertriebsstufe völlig ausser Acht
gelassen, bringt die Vorinstanz vor, es seien die Wettbewerbsverhältnisse in der Schweiz untersucht
worden. Dazu habe sie insbesondere eine Anzahl Fensterverarbeiter und Zwischenhändler befragt. Daneben
stütze sich die Analyse auf die eingereichten Selbstanzeigen, die beschlagnahmten Beweismittel und
verschiedene weitere Eingaben der Untersuchungsadressaten. Da die Herstellung von Fenster- und
Fenstertürbeschlägen ausschliesslich im Ausland erfolge, habe sich die Analyse zu einem guten
Teil selbstredend auf den Bereich des Vertriebs von Baubeschlägen und nicht auf deren Herstellung
bezogen. Demnach habe sie die Wettbewerbsverhältnisse zwischen den in der Schweiz tätigen Vertriebsgesellschaften
der ausländischen Beschlagshersteller bzw. den Grosshändlern einerseits und den Abnehmern von
Fensterbeschlägen, den Fensterverarbeitern, andererseits untersucht. Man könne diesen Bereich
auch Vertrieb von Baubeschlägen nennen. Deshalb treffe es nicht zu, dass nur die Verhältnisse
auf der Herstellerstufe untersucht worden seien. Darüber hinaus sei auf die Ausführungen zum
sachlich relevanten Markt verwiesen (vgl. Verfügung Rz. 221 ff.).
7.3.10 Zudem
vermöge auch das Argument der Beschwerdeführerin, dass gewisse Kunden in der Lage seien, Druck
auf ihre Preisgestaltung auszuüben, nicht zu überzeugen. Denn bei den von der Beschwerdeführerin
genannten Unternehmen (...) handle es sich um bedeutende Kunden. Dass die Beschwerdeführerin
diesen besondere Bezugskonditionen gewähre, liege auf der Hand und sei entsprechend analysiert worden.
7.3.11 Nach
Auffassung der Vorinstanz spielen gewährte Rabatte in der Praxis in Bezug auf Preiserhöhungen
keine Rolle, denn unabhängig von der Gewährung und der Höhe von Rabatten führe eine
Preiserhöhung zu einer Veränderung in der Preisbasis
auf welcher dann die Rabatte berechnet würden ,
was die Vorinstanz anhand nachfolgender Beispiele darlegt:
Beispiel 1: Bei einem Bruttopreis von 100 und einer Gewährung eines Rabattes von 20% belaufe
sich der Nettopreis auf 80. Nach Erhöhung des Bruttopreises um 10% belaufe sich dieser auf 110 und
der Nettopreis bei gleich bleibendem Rabatt von 20% auf 88. Als Resultat folge, dass der Nettopreis ebenfalls
um 10% steige, nämlich von 80 auf 88.
Beispiel 2: Bei einem Bruttopreis von 100 und der Gewährung eines Rabattes von 60% belaufe sich
der Nettopreis auf 40. Bei einer Erhöhung des Bruttopreises um 10% belaufe sich dieser auf 110 und
der Nettopreis bei gleich bleibendem Rabatt von 60% auf 44. Als Resultat folge wiederum, dass der Nettopreis
ebenfalls um 10% steige, nämlich von 40 auf 44.
Diese Beispiele zeigen nach Auffassung der Vorinstanz deutlich auf, dass eine
Erhöhung der Bruttopreise
unabhängig von der Gewährung von Rabatten und ungeachtet von deren Höhe die Nettopreise,
d.h. die Endpreise, zu beeinflussen vermögen.
7.3.12 Im
Zusammenhang mit dem Vorbringen der Beschwerdeführerin betreffend die Händlerbefragungen im
Fall Hors-Liste-Medikamente sei darauf hinzuweisen, dass bei besagtem
Verfahren keine Selbstanzeigen vorgelegen hätten, weshalb der Ermittlungsaufwand um ein Vielfaches
grösser gewesen sei als im vorliegenden Fall. Sie habe sich zu Recht bis zu einem gewissen Grad
auf die Informationen, die von den selbstanzeigenden Unternehmen eingereicht worden seien, verlassen
können und dürfen (vgl. Duplik Rz. 28 und die Ausführungen unter Ziff. 4 hiervor).
b) Vorbringen der Beschwerdeführerin
aa) In formeller Hinsicht
7.3.13 Die
Beschwerdeführerin rügt demgegenüber in formeller Hinsicht, die Vorinstanz habe den Sachverhalt
unvollständig und unrichtig analysiert, weshalb dieser nicht als Entscheidgrundlage dienen könne.
Sie sei de facto als Herstellerin von Fensterbeschlägen betrachtet
worden, und trotz mehrerer entsprechender Hinweise sei ihre Markt- und Interessenlage nicht ermittelt
worden, was Bundesrecht verletze. Die Vorinstanz habe den Sachverhalt weitgehend der fremden Selbstanzeige
entnommen, ohne diese genügend zu verifizieren. Zudem seien die auf die fremde Selbstanzeige gestützten
Ausführungen undifferenziert auf alle Verfahrensparteien ausgedehnt worden. Der Sachverhalt müsse
aber für jede einzelne Verfahrenspartei separat eruiert werden. Dies gelte umso mehr, wenn das Verfahren
durch eine fremde Selbstanzeige ausgelöst worden sei.
7.3.14 Die
Sachverhaltsermittlung der Vorinstanz lasse die relevante Wettbewerbssituation auf der Marktstufe, auf
welcher die Beschwerdeführerin tätig sei, völlig ausser Betracht. Die Befragung der Fensterverarbeiter
hätte lediglich die Wettbewerbsituation zwischen den Herstellern zum Gegenstand gehabt. Die Beschwerdeführerin
befinde sich jedoch auf der Zwischenhandelsstufe. Die Vorinstanz habe keine Fragen gestellt, welche unmittelbar
geeignet gewesen seien, Auskunft über die Wettbewerbssituation auf der Zwischenhandelsstufe zu geben.
Zudem sei die Befragung nicht repräsentativ, da in der Schweiz zwischen 600 und 700 Fensterverarbeiter
tätig seien und die Beschwerdeführerin mehr als 200 Fensterverarbeiter beliefere. Die Vorinstanz
habe ihre Befragung aber auf lediglich 55 Fensterverarbeiter beschränkt. Davon seien gemäss
Angaben der Vorinstanz nur 33 Antworten verwertbar gewesen. Die Auswertung dieser Fragebogen sei deshalb
nicht aussagekräftig.
7.3.15 Um
festzustellen, welche Auswirkungen ihr vermeintlich kartellrechtlich relevantes Verhalten auf den Wettbewerb
gehabt habe, hätte notwendigerweise ermittelt werden müssen, inwiefern die Beschwerdeführerin
Preiserhöhungen gegenüber den Fensterverarbeitern tatsächlich habe durchsetzen können.
Zu diesem Zweck kämen selbstredend nur diejenigen Fensterverarbeiter in Betracht, die Kunden der
Beschwerdeführerin seien. Angaben, welche sich spezifisch auf die Beschwerdeführerin bezögen,
lägen aber nicht in einem aussagekräftigen Masse vor: Unter den verwertbaren Antworten der
Fensterverarbeiter gäbe es lediglich fünf Fragebogen, welchen Angaben über Preiserhöhungen
der Beschwerdeführerin entnommen werden könnten. Die Sachverhaltserhebungen der Vorinstanz
und somit auch deren materielle Analyse seien folglich unvollständig und beruhten auf Angaben, die
sich auf die Hersteller von Drehkippbeschlägen und nicht auf reine Händler wie die Beschwerdeführerin
bezögen. Mangels Erhebung des massgeblichen Sachverhalts könne ihr kein unzulässiges Verhalten
vorgeworfen werden, weshalb die angefochtene Verfügung aufgehoben werden müsse.
7.3.16 Die
Vorinstanz habe des Weiteren ohne Angabe plausibler Gründe auf die Verwertung rechtserheblicher
Angaben der im Rahmen des Untersuchungsverfahrens befragten Unternehmen verzichtet. In Anwendung von
Art. 40 KG habe sie die Fensterverarbeiter über die Wettbewerbssituation auf dem schweizerischen
(Hersteller-)Markt für Fensterbeschläge befragt. Die klare Mehrheit der befragten Fensterverarbeiter
habe angegeben, dass ihrer Meinung nach auf dem betroffenen Markt der Wettbewerb zwischen den Herstellern
eher intensiv sei. Obwohl sich diese Aussage auf die Wettbewerbssituation zwischen den Herstellern beziehe,
decke sie sich mit den Aussagen der Beschwerdeführerin sowie der anderen Untersuchungsadressaten
und belege deren tägliche Erfahrung, dass der Wettbewerb im schweizerischen Vertrieb von Fensterbeschlägen
von der Produktions- bis zur Handelsstufe lebhaft und hart sei. Dennoch habe sich die Vorinstanz, die
diese Frage selbst gestellt habe, geweigert, die rechtserheblichen Antworten als Bestandteil des ermittelten
Sachverhalts zu betrachten. Sie habe sich dabei auf den Standpunkt gestellt, dass die befragten Marktteilnehmer
nicht in der Lage gewesen seien, eine objektive Einschätzung der Wettbewerbsverhältnisse vorzunehmen
und ihre Antworten auf strategische Gründe zurückzuführen gewesen seien. Diese Aussage
sei haltlos, nicht nachvollziehbar und in keiner Weise geeignet, die durch die Antworten der Fensterverarbeiter
gestützten Aussagen betreffend den wirksamen Wettbewerb zu widerlegen. An anderer Stelle -
und in einem für sie günstigeren Zusammenhang - stütze die Vorinstanz sich aber
auf die Aussagen der Fensterverarbeiter (vgl. Verfügung Rz. 256, 262, 284 und 324). Schliesslich
sei zu berücksichtigen, dass Unternehmen, welche der Auskunftspflicht gemäss Art. 40 KG nicht
oder nicht richtig nachkämen, mit einer Sanktion bis zu CHF 100'000.- belastet werden könnten.
bb) In materieller Hinsicht
7.3.17 In
materieller Hinsicht macht die Beschwerdeführerin geltend, der wirksame Wettbewerb sei nicht beseitigt
worden. Einerseits grenze die Vorinstanz den relevanten Markt als Vertrieb von Drehkippbeschlägen
ab und weise darauf hin, dass die schweizerischen Vertriebsgesellschaften in der Schweiz keine Produkte
herstellten, weshalb sie auf der gleichen Stufe wie die Beschwerdeführerin tätig seien. Andererseits
und wenn es darum gehe, die Auswirkungen der vermeintlichen Abrede im Markt zu untersuchen, prüfe
die Vorinstanz hauptsächlich, ob der Wettbewerb zwischen den Herstellern auf der Stufe der Produktion
wirksam sei. Die Ausführungen der Vorinstanz seien nicht nur unzutreffend, sondern auch inkonsistent:
(i)
Die Vorinstanz habe den Markt auf der Händlerebene, der Ebene der Beschwerdeführerin,
nicht untersucht, sondern sich hauptsächlich auf den Markt unter den Herstellern konzentriert. Der
Frage, ob zwischen den einzelnen Händlern in der Schweiz, welche wie die Beschwerdeführerin
Fensterbeschläge an Fensterverarbeiter lieferten, Wettbewerb herrsche und ob auf dieser Stufe die
Auswirkungen einer vermeintlichen Abrede den Wettbewerb beeinträchtigten, sei die Vorinstanz nicht
nachgegangen;
(ii)
die wettbewerbsrechtlichen Auswirkungen ihres Verhaltens seien auf dem Markt zu untersuchen, auf
welchem sie tätig sei. Ob die Marktzutrittsschranken auf der Stufe der Produktion hoch seien, wie
auch die anderen Aussagen über die Hersteller, seien für die Beschwerdeführerin völlig
irrelevant. Im Übrigen sei gemäss der Antworten der grossen Mehrheit der befragten Fensterverarbeiter
selbst der Wettbewerb zwischen den Herstellern als wirksam eingestuft worden. Die Behauptungen der Vorinstanz,
wonach die befragten Marktteilnehmer nicht in der Lage seien, eine objektive Einschätzung der Wettbewerbsverhältnisse
vorzunehmen und es dehalb nicht auszuschliessen sei, dass gewisse Unternehmen strategisch geantwortet
hätten, seien nicht nachvollziehbar. Es bestehe kein Grund, von den Aussagen der überwiegenden
Mehrheit der Befragten abzuweichen.
7.3.18 Die
unangebrachte und ungenaue Vorgehensweise der Vorinstanz bei der Analyse der Auswirkungen der Abrede
lasse sich exemplarisch anhand ihrer Behauptung darlegen, wonach Siegenia die angekündigten Preiserhöhungen
im Durchschnitt bei rund 75% der Kunden habe umsetzen können. Gemäss der Vorinstanz widerspreche
ein solcher Umstand der Aussage, wonach keine Preiserhöhungen stattgefunden hätten. Infolgedessen
werde dies von der Vorinstanz als wesentlicher Beweis dafür gewürdigt, dass die Preiserhöhungen
gegenüber den Fensterverarbeitern durchgesetzt worden seien. Diese Schlussfolgerung sei in zweifacher
Hinsicht fehlerhaft: Einerseits handle es sich bei Siegenia um einen Hersteller und nicht um einen Händler.
In wievielen Fällen Siegenia als Hersteller die Preiserhöhungen habe durchsetzen können,
sei für die Beschwerdeführerin als reine Händlerin irrelevant. Andererseits sei davon
auszugehen, dass die Akte, auf welcher die Aussage der Vorinstanz beruhe, sich auf die Durchsetzungsquote
von Siegenia gegenüber der Beschwerdeführerin beziehe, da der Vertrieb von Siegenia-Fensterbeschlägen
in der Schweiz weitgehend über die Beschwerdeführerin erfolge. Dies als Beweis zu würdigen,
wonach die Preiserhöhungen gegenüber den Fensterverarbeitern hätten durchgesetzt werden
können, sei nicht zulässig.
7.3.19 Mit
Bezug auf die Verhandlungsstärke der Kunden macht die Beschwerdeführerin des Weiteren geltend,
es fänden häufig Neuverhandlungen statt. Wie sie der Vorinstanz bereits im Untersuchungsverfahren
mitgeteilt habe, seien ihre Kunden, wie z.B. (...), durchaus in der Lage, Druck auf die Preisgestaltung
der Beschwerdeführerin auszuüben. Sie sei in den vergangenen Jahren mehrfach gezwungen gewesen,
die Rabatte und Rückvergütungen massiv zu erhöhen. Auch im Jahr 2006/2007 habe sie mit
diversen Abnehmern neue Rabatte und Rückvergütungen aushandeln müssen (vgl. act. 108,
Antwort 15; act. 141, Antwort 17 sowie Beilage 15.1). So habe sie in dieser Periode beispielsweise mit
(...) intensive Preisverhandlungen geführt. (...) habe dabei sämtliche auf dem Markt
tätigen Anbieter von Drehkippbeschlägen zur Einreichung von Offerten aufgefordert gehabt. Die
Beschwerdeführerin habe anfangs 2007 den Zuschlag bekommen, nachdem (...) sich durch einen Vergleich
ihres Angebots mit ausländischen Angeboten von der Konkurrenzfähigkeit desselben überzeugt
habe. In der Folge habe (...) zusätzliche Preisreduktionen verlangt und gedroht, die Produkte
sonst aus (...) zu beziehen. Der Beschwerdeführerin sei es angesichts der sehr knappen Marge
nicht möglich gewesen, zusätzliche Preisreduktionen zu gewähren. Sie sei deshalb auch
wiederholt bei Siegenia vorstellig geworden. Da Siegenia (...) als Abnehmer nicht habe verlieren
wollen, sei sie der Beschwerdeführerin mit dem Preis entgegengekommen, was ihr ermöglicht habe,
(...) als Kunden zu behalten. Des Weiteren sei aus den Konditionenschreiben für (...) ersichtlich,
dass die Beschwerdeführerin die Rabatte für die gleiche Produktlinie seit September 2003 von
(...)% auf (...)% und die Rückvergütungen (für industrieverpackte Teile) von (...)%
auf (...)% habe erhöhen müssen - und dies, im konkreten Fall gegenüber (...),
ohne den vorliegend relevanten MTZ 2006/2007 umzusetzen, da auch im Jahr 2008 nach wie vor die Bruttopreise
10/2004 die Basis für die Nettopreise gebildet hätten. Auch in anderen Fällen seien die
Preiserhöhungen überhaupt nicht durchgesetzt worden (vgl. z.B. act. 90, Antwort 15).
7.3.20 Diese
Beispiele zeigten, dass der MTZ - soweit er überhaupt verrechnet worden sei - mit Rabatten
und Rückvergütungen folglich mehr als kompensiert worden sei. Die Kompensation des MTZ sei
zudem nicht nur anhand grösserer Rabatte erfolgt, sondern auch in der Gewährung von vorteilhafteren
Bezugskonditionen, z.B. indem ein Teil der bestellten Produkte gratis geliefert worden oder ein spezieller
Objektrabatt gewährt worden sei. Die vermeintliche Abrede habe somit keine Auswirkungen gezeitigt.
Berücksichtige man die höheren Rabatte, Rückvergütungen und vorteilhafteren Lieferbedingungen,
so seien die Preise auf Handels- und Verarbeiterstufe in den vergangenen Jahren inflationsbereinigt sogar
gesunken. Der MTZ habe sich somit nicht oder nur sehr beschränkt auf die effektiv bezahlten Nettopreise
ausgewirkt. Diesen Tatsachen habe die Vorinstanz keinerlei Beachtung geschenkt und auch keine Abklärungen
getätigt, um diese Umstände genauer zu überprüfen. Die Begründung der Vorinstanz,
wonach man lediglich eine ergänzende "Plausibilitätsprüfung" zu den Markt- und
Wettbewerbswirkungen habe vornehmen wollen, mache deutlich, dass der Effekt eines koordinierten MTZ im
Markt nicht untersucht worden sei.
7.3.21 Die
Berechnungsmethode der Vorinstanz veranschauliche, dass sie sich nicht mit den realen Preisbildungsvorgängen
im Markt befasst habe, sondern, basierend auf schematischen Überlegungen, davon ausgehe, dass der
Wettbewerb beseitigt worden sei. Richtigerweise würden die Berechnungsbeispiele nämlich wie
folgt lauten:
Beispiel 1: Bei einem Bruttopreis von 100 und einer Gewährung eines Rabattes von (...)%
belaufe sich der Nettopreis auf (...). Nach Erhöhung des Bruttopreises um 10% belaufe sich dieser
auf 110 und der Nettopreis bei einer Rabattanpassung von (...)% auf (...)% auf (...).
Beispiel 2: Bei einem Bruttopreis von 100 und der Gewährung eines Rabattes von (...)% betrage
der Nettopreis (...). Der Bruttopreis belaufe sich nach Erhöhung um 5.7% auf 105.7 und der Nettopreis
bei Erhöhung des Rabattes von (...)% auf (...)% auf (...).
Die Beschwerdeführerin weist darauf hin, dass es sich bei diesen Berechnungen nicht um hypothetische
Beispiele handle. Die Beschwerdeführerin sei im Jahr 2007 und in der Zeit danach gezwungen gewesen,
bei vielen Kunden die Rabattkonditionen und Rückvergütungen zu erhöhen. Teilweise seien
die Bruttopreiserhöhungen für das Jahr 2007 sogar komplett ausgesetzt worden, so dass die Preise
inflationsbereinigt gesunken seien (vgl. Beschwerde Rz. 117 f.). Diese Preisentwicklung lasse sich überprüfen.
7.3.22 Die
Vorinstanz vermöge schliesslich auch nicht zu begründen, inwiefern es unverhältnismässig
gewesen wäre, mehrere Fensterverarbeiter zu befragen und objektiv zu prüfen, welche Nettopreise
sie für bestimmte Produkte für den Zeitraum zwischen 2006 und 2008 bezahlt hätten. In
anderen Verfahren würden von der Vorinstanz hunderte von Fragebogen verschickt und ausgewertet,
wie beispielsweise im Entscheid der Wettbewerbskommission vom 2. November 2009 i.S. Hors-Liste,
in welchem ca. 850 Marktteilnehmer befragt worden seien (vgl. RPW 2010/4, S. 649 ff., Rz. 19 f.). Der
Umstand, dass die Fragen in den Fragebogen unklar gestellt worden und die Antworten - sofern überhaupt
verwertbar - ungeeignet seien, um Schlüsse bezüglich der Wettbewerbsverhältnisse
zu ziehen, dürfe sich nicht zu Lasten der Beschwerdeführerin auswirken.
c) Würdigung des Gerichts
aa) Zum Beweiswert der Antworten aus den Fragebogen
7.3.23 Die
befragten Marktteilnehmer wurden von der Vorinstanz nach deren Grösse in folgende drei Kategorien
unterteilt:
Kleineres Unternehmen (Umsatz < 10 Mio)
|
Mittelgrosses Unternehmen (Umsatz zwischen 10 Mio. und 20 Mio.)
|
Grosses Unternehmen (Umsatz > 20 Mio.)
|
act. 74, 76, 81, 87, 88, 91, 101, 104, 110, 113, 122,
124, 132, 133, 142, 151, 152, 154, 155,
157, 163, 169.
|
act. 84, 102, 107, 115, 126, 129, 136, 141 (bzgl.
Kufag AG), 141 (bzgl. Herzog Fenster AG), 143,
149, 160.
|
act. 78, 98, 100, 108, 131 i.V.m. 165, 141 (bzgl.
swisswindows AG), 144, 148.
|
Die Zahlen stehen für die befragten Marktteilnehmer (Fensterverarbeiter und Zwischenhändler).
|
Es sei darauf hingewiesen, dass
die Vorinstanz sich für die Kategorisierung der Unternehmen
gemäss Aktennotiz betreffend Anonymisierung befragter Marktteilnehmer auf den Gesamtumsatz für
das Jahr 2008 abstützt (act. 75). Gemäss Bst. B des Fragebogens vom 10. Februar 2009 werden
die Marktteilnehmer dann aber nicht nach ihrem Gesamtumsatz gefragt, sondern spezifisch nach dem erwirtschafteten
bzw. geschätzten Umsatz im Jahr 2008 (alternativ 2007) im Bereich Fenster und Fenstertüren
(act. 70, S. 2, Bst. B). Die obige Auswertung stützt sich auf die von den befragten Marktteilnehmern
auf Bst. B angegebenen Umsätze.
|
Folgende Befragten erteilten keine Angaben bzgl. Umsatz:
act. 73, 77, 85, 89, 90, 93, 96, 105,
112, 117, 121, 123, 127, 128, 130, 134, 135, 137, 138, 140, 156,
158, 159, 161, 162, 164, 166, 167, 168.
Im vorliegenden Zusammenhang nicht verwertbar ist
act. 99.
|
7.3.24 Im
Zusammenhang mit der Frage nach dem Beweiswert der Fragebogen sei an dieser Stelle vorweg darauf hingewiesen,
dass die Paul Koch AG in Wallisellen Untersuchungs- und Sanktionsadressatin der Vorinstanz ist (vgl.
Verfügung S. 1, sowie Dispositiv [S. 90], Ziff. 1, 5 und 6). Folglich gilt auch sie als Beschwerdeführerin
im vorliegenden Verfahren, ungeachtet dessen, dass die Beschwerdeschrift vom 6. Dezember 2010 sowohl
die Paul Koch AG als auch die Eugen Koch AG sowie die KWB Beschläge AG
gesamthaft "Koch-Gruppe" als Beschwerdeführerin
bezeichnet (vgl. Titelseite der Beschwerde). Die Paul Koch AG, Wallisellen
Beschwerdeführerin im Sinne des vorliegenden Entscheids ,
ist Teil der Koch-Gruppe, zu welcher neben der Beschwerdeführerin auch die Paul Koch AG, Birsfelden,
die Eugen Koch AG, St. Gallen, die KWB AG, Bern, sowie die KWB AG, Bulle, gehören (vgl. Verfügung
Rz. 5; hiervor Bst. A). Bei der Auswertung der Antworten zur Frage, ob die Preiserhöhungen gegenüber
der Marktgegenseite hätte durchgesetzt werden können, ist festzustellen, dass die Vorinstanz
nicht danach differenziert hat, ob die Angaben sich auf die Beschwerdeführerin selbst, weitere Gesellschaften
der Koch-Gruppe oder aber auf die anderen Untersuchungsadressaten beziehen. Erschwerend kommt hinzu,
dass auch die befragten Marktteilnehmer teilweise nicht präzise angeben haben, welche Gesellschaft
der Koch-Gruppe ihr Lieferant ist, sondern allgemein "Koch" als Bezugsquelle angegeben oder
auch "Paul Koch AG" hingeschrieben haben, ohne zu differenzieren, ob es sich dabei um die
Gesellschaft mit Sitz in Wallisellen oder Birsfelden handelt. Weitere Befragten nennen nicht die Beschwerdeführerin
als ihren Lieferanten, sondern explizit eine andere Gesellschaft der Koch-Gruppe. Da von der Vorinstanz
als Sanktions-adressatin aber lediglich die Paul Koch AG, Wallisellen, ausdrücklich erwähnt
wird, ist vorliegend von zentraler Bedeutung, welche Angaben die befragten Marktteilnehmer gemacht haben,
die unmittelbar die Beschwerdeführerin betreffen, und welche Beweiskraft diesen Aussagen im vorliegenden
Verfahren zukommt. Vor dem Hintergrund, dass im kartellrechtlichen Sanktionsverfahren grundsätzlich
das Beweismass des Vollbeweises gilt und der Untersuchungsgrundsatz auch bei Vorliegen einer Selbstanzeige
volle Geltung beansprucht, sind Angaben, die sich nicht auf die Beschwerdeführerin direkt, sondern
auf eine andere Gesellschaft der Koch-Gruppe bzw. auf weitere Untersuchungsadressaten beziehen, für
den Nachweis des wettbewerbswidrigen Verhaltens der Beschwerdeführerin nicht massgebend. Im Sinne
eines Überblicks wird nachfolgend in einem ersten Schritt aufgezeigt, welche Marktteilnehmer angegeben
haben, ihre Beschläge von der Koch-Gruppe zu beziehen, ohne spezifisch danach zu fragen, ob es sich
dabei um die Beschwerdeführerin oder aber um einen andere Gesellschaft der Gruppe handelt. In einem
nächsten Schritt wird sodann danach differenziert, ob die Angaben sich spezifisch auf die Beschwerdeführerin
beziehen.
7.3.25 Nach
Auswertung der Fragebogen wird ersichtlich, dass 38 der befragten Marktteilnehmer Gesellschaften der
Koch-Gruppe und damit teilweise auch die Beschwerdeführerin explizit als Lieferanten ihrer Baubeschläge
(allenfalls neben weiteren Lieferanten) bezeichnet haben (vgl. "Angaben betreffend den Warenbezug",
C.III.9 [bzw. 7] des Fragebogens vom 10. Februar 2009; act. 84, 90, 91, 96, 100, 104, 107, 108, 110,
115, 117, 122, 123, 124, 126, 127, 128, 129, 131 i.V.m. act. 165, 132, 133, 136, 137, 138, 140, 141 [bzgl.
swisswindows AG und Herzog Fenster AG], 142, 143, 144, 149, 152, 159, 160, 162, 166, 168, 169). Des Weiteren
wird die Beschwerdeführerin bzw. die Koch-Gruppe von zwei Marktteilnehmern unter C.I.6 des Fragebogens
genannt, wo es darum geht, den Hersteller zu bezeichnen, von dem die Befragten ihre Griffe beziehen (act.
78 sowie act. 135 i.V.m. act. 167 [bei den beiden act. handelt es sich um dasselbe Unternehmen]).
7.3.26 21
der befragten Marktteilnehmer beziehen fast ausschliesslich oder zumindest mehr als 50% ihrer Beschläge
von Gesellschaften der Koch-Gruppe (vgl. "Angaben betreffend den Warenbezug", C.III.9 [bzw.
7] des Fragebogens; act. 90, 91 [60%], 100, 107, 108, 110, 122 [65%], 123, 124, 126, 128, 132, 133, 137,
138, 141 [bzgl. Herzog Fenster AG], 143, 159, 162, 166, 169). Des Weiteren geben 2 Marktteilnehmer an,
40% ihrer Beschläge von der Beschwerdeführerin bzw. der Koch-Gruppe zu beziehen (act. 115,
117). Keine konkreten Angaben bzw. Unklarheiten hinsichtlich des prozentualen Bezugs bestehen bei weiteren
Befragten (act. 84, 149, 160, 167). Die übrigen Marktteilnehmer, die die Beschwerdeführerin
bzw. Gesellschaften der Koch-Gruppe als Lieferanten genannt haben, beziehen ihre Beschläge hauptsächlich
von anderen Lieferanten und nur zu einem kleinen Prozentteil (z.B. 5
7%) von der Beschwerdeführerin bzw. von Gesellschaften der Koch-Gruppe selbst.
7.3.27 Die
nachfolgende Auswertung der Fragebogen mit Bezug auf bestehenden Restwettbewerb konzentriert sich folglich
primär auf die Antworten derjenigen 21 Marktteilnehmer, die explizit die Beschwerdeführerin
als Hauptlieferantin ( 50%) bezeichnet haben. Dabei werden in einem ersten Schritt auch die Antworten
der befragten Marktteilnehmer berücksichtigt, die allgemein "Koch" bzw. "Paul
Koch AG" ohne Bezeichnung des Sitzes als Hauptlieferanten angegeben haben.
7.3.28 Als
Erstes interessiert, ob die Beschwerdeführerin gegenüber ihren Hauptabnehmern die für
das Jahr 2007 angekündigte Preiserhöhung von 5.7% hat durchsetzen können, und falls ja,
in welchem Umfang (vgl. "Angaben zu Preisen und Rabatten", C.IV.14 ff. [bzw. Ziff. 12 ff.]
des Fragebogens). Drei der befragten Marktteilnehmer haben explizit bestätigt, dass die Beschwerdeführerin
ihnen gegenüber eine Preiserhöhung von 5.7% durchgesetzt habe (act. 91, 122, 126). Zwei dieser
Befragten beziehen 60% (act. 91) bzw. 65% (act. 122) ihrer Beschläge von der Beschwerdeführerin,
der weitere Befragte deckt seinen Bedarf zu 95% (act. 126) mit Beschlägen von der Beschwerdeführerin.
Überdies ist den Akten zu entnehmen, dass bei zwei weiteren Fragebogen eine vollständige Umsetzung
der Preiserhöhung von 5.7% angegeben wurde, jedoch nicht explizit unter Nennung der Beschwerdeführerin
mit ihrem Sitz in Wallisellen, sondern unter Bezeichnung des Lieferanten "Koch" (act. 110)
sowie "Paul Koch AG" (act. 124). Bei zwei weiteren Hauptabnehmern erfolgte gemäss Akten
ebenfalls eine vollständige Umsetzung, doch wurde nicht die Beschwerdeführerin selbst als Lieferantin
bezeichnet, sondern andere Gesellschaften der Koch-Gruppe (Eugen Koch AG, St.Gallen, act. 123, und KWB,
Bern, act. 133).
7.3.29 Drei
der Befragten, die explizit die Beschwerdeführerin als Lieferantin bezeichneten, haben einerseits
weder die geforderten Preiserhöhungsschreiben (betreffend die Preiserhöhung per Februar 2007)
eingereicht noch konkrete Angaben zu den Preiserhöhungen gemacht, doch haben sie andererseits auch
verneint, gegenüber ihren Lieferanten darauf hingewirkt zu haben, angekündigte Preiserhöhungen
nicht umzusetzen (act. 138, 162, 166). Dies gilt auch für einen weiteren Fragebogen, bei dem aber
nicht die Beschwerdeführerin explizit als Lieferantin bezeichnet wurde, sondern die "Firma
Koch" (act. 169). Überdies wurde von einem weiteren Marktteilnehmer, der die Beschwerdeführerin
als Lieferantin angab, explizit festgehalten, dass keine Preiserhöhungen erfolgt seien, jedoch verneinte
auch er, gegen Preiserhöhungen angekämpft zu haben (act. 90, C.IV.15 und 17).
7.3.30 Bei
der Auswertung ist des Weiteren festzustellen, dass der Fragebogen nach der Umsetzung der Preiserhöhungen
für die Jahre 2004 2007 fragt. Dies hat zur Folge,
dass bei gewissen Fragebogen nicht ersichtlich ist, in welchem Jahr und in welchem Umfang die Preiserhöhungen
gegenüber dem befragten Beschlagsabnehmer haben durchgesetzt werden können, da die Marktteilnehmer
keine spezifischen Angaben gemacht haben (act. 128 [Frage C.IV.15 und 17], act. 137). Erschwerend kommt
hinzu, dass diese beiden befragten Marktteilnehmer nicht die Beschwerdeführerin als Lieferantin
ihrer Beschläge angegeben haben, sondern KWB Bern (act. 137) und "Koch, St. Gallen"
(act. 128). Des Weiteren ist einem Fragebogen zu entnehmen, dass eine jährliche Erhöhung von
3 5% erfolgt sei, doch fehlen spezifische Angaben für
die Preiserhöhung per Februar 2007 (act. 159). Als Lieferant wird die "Paul Koch AG"
ohne Angabe des Sitzes
bezeichnet.
7.3.31 Überdies
wird von weiteren Marktteilnehmern festgehalten, dass mit den Lieferanten Verhandlungen zur Reduktion
der angekündigten Preiserhöhungen geführt worden seien, weshalb in der Folge teilweise
keine bzw. keine vollständige Umsetzung der angekündigten Preiserhöhungen erfolgt sei.
Doch sind diese Antworten für das vorliegende Verfahren nur von beschränkter Beweiskraft, da
sich der eine Marktteilnehmer zwar auf die Beschwerdeführerin als Lieferantin bezieht, aber nur
Angaben betreffend Preisveränderungen im Jahr 2009 macht (act. 107). Wiederum ein anderer Befragter
nennt nicht explizit die Beschwerdeführerin als Lieferantin, sondern allgemein "Koch Beschläge",
ohne aber konkrete Angaben zur Preisreduktion zu machen (act. 143). Des Weiteren wird nicht die Beschwerdeführerin
als Lieferantin bezeichnet, sondern die Eugen Koch AG, St. Gallen, mit der eine Preisreduktion von 3%
habe verhandelt werden können (act. 108), sowie die KWB Beschläge AG (act. 132, ohne spezifische
Angaben zum Umfang des Preisnachlasses).
7.3.32 Bei
einem weiteren Kunden wird ersichtlich, dass ihm gegenüber aufgrund seines Widerstands nur 2% der
angekündigten Preiserhöhung von 5.7% umgesetzt werden konnte, wobei bei diesem Marktteilnehmer
darauf hinzuweisen ist, dass er neben der Beschwerdeführerin "Siegenia-Aubi" als Lieferantin
bezeichnet und von dieser direkt in Deutschland seine Beschläge bezieht, weshalb der prozentuale
Anteil des Bezugs von der Beschwerdeführerin sich nur auf 34% beläuft (act. 131 i.V.m. act.
165). Ein Befragter, gegenüber dem die Beschwerdeführerin den MTZ von 5.7% umsetzen konnte,
gab an, dass er selber die geforderten Preiserhöhungen grundsätzlich an seine Kunden habe weitergeben
können, jedoch bei einigen Kunden die Rabatte habe anpassen müssen (act. 91). Auch wurde bei
einem Grosskunden der angekündigte MTZ von 5.7% mittels Gewährung eines höheren Rabattes
ausgeglichen, wobei jedoch darauf hinzuweisen ist, dass als Lieferant nicht die Beschwerdeführerin,
sondern die Eugen Koch AG, St. Gallen, genannt wird (act. 141, Beilage 15.1). Ein anderer grosser Hauptkunde,
der in allgemeiner Form "Koch" als Lieferant seiner Siegenia-Aubi Beschläge bezeichnet,
konnte die angekündigte Preiserhöhung mittels Vorweisens von Angeboten aus Deutschland abwenden
(act. 100).
7.3.33 Ein
weiterer Marktteilnehmer, der zu 40% von der Beschwerdeführerin Beschläge bezieht, gibt an,
es habe in den Jahren 2004 - 2007 keine Preiserhöhungen gegeben (act. 117). Gemäss einem
weiteren Befragten, der 40% seiner Beschläge über die Koch-Gruppe bezieht, kam es zwischen
2004 - 2007 ebenfalls zu keinen Preiserhöhungen; er gibt eine Erhöhung von 5% erst für
das Jahr 2008 an (act. 115). Als Lieferanten gibt dieser Marktteilnehmer
ohne weitere Präzisierungen die "Firma Koch"
an.
7.3.34 Mit
Bezug auf die Rabattpolitik ist festzustellen, dass keine weitergehenden Schlussfolgerungen aus den Fragebogen
gezogen werden können, als diejenigen, die bereits aus obigen Erwägungen hervorgehen.
7.3.35 Es
kann folglich festgehalten werden, dass die Auswertung der Fragebogen hinsichtlich der Umsetzung der
Preiserhöhung von 5.7% per Februar 2007 mit Bezug auf die Beschwerdeführerin mit Schwierigkeiten
verbunden ist. So wird einerseits von den Marktteilnehmern diverse Male nicht danach differenziert, welche
Gesellschaft der Koch-Gruppe ihr Lieferant ist bzw. es wird explizit festgehalten, dass sie ihre Beschläge
nicht von der Beschwerdeführerin, sondern von einer anderen Gesellschaft der Koch-Gruppe beziehen
würden. Andererseits wird teilweise die Zeitspanne der Preiserhöhungen nicht bzw. nur generell
genannt. Überdies ist festzustellen, dass einige Beschlagsbezüger mit der Beschwerdeführerin
Verhandlungen zur Preisreduktion führten, doch fehlen auch diesbezüglich oftmals präzise
Informationen betreffend Höhe und Zeitpunkt oder es handelt sich nicht um die Beschwerdeführerin
selbst, mit der die Verhandlungen geführt wurden, sondern um eine andere Gesellschaft der Koch-Gruppe.
7.3.36 Ohne
konkret zu differenzieren, ob als Lieferant die Beschwerdeführerin, eine weitere Gesellschaft der
Koch-Gruppe oder ein anderer Untersuchungsadressat von den Marktteilnehmern genannt wird, erachtet es
die Vorinstanz als erstellt, dass die Preiserhöhungen bei rund einem Drittel der befragten Fensterverarbeiter
nicht im angekündigten Umfang hätten umgesetzt werden können (vgl. Verfügung Rz.
296, 324 ff.; act. 76 - 78; act. 83 - 85; act. 87 -
90; act. 93; act. 96; act. 98; act. 102; act. 104; act. 106 - 108; act. 109; act. 113; act. 115;
act. 116; act. 117; act. 121 - 123; act. 126 - 144; act. 148; act. 149; act. 152; act. 154
- 163; act. 165 - 169). Im Vergleich zu obigen Erwägungen wird ersichtlich, dass spezifisch
mit Bezug auf die Beschwerdeführerin nicht gesagt werden kann, dass sie ihre angekündigten
Preiserhöhungen e contrario bei zwei Dritteln der befragten
Marktteilnehmer hat durchsetzen können. Einerseits deshalb, weil die Befragten teilweise nicht die
Beschwerdeführerin, sondern eine andere Gesellschaft der Koch-Gruppe oder aber einen anderen Untersuchungsadressaten
als Lieferanten bezeichneten, andererseits aufgrund der Unklarheiten bei der Auswertung betreffend Zeitpunkt
und Höhe der Umsetzung. Somit trifft die pauschale Feststellung der Vorinstanz, die Preiserhöhungen
hätten bei einem Drittel nicht im angekündigten Umfang durchgesetzt werden können, nicht
ohne Weiteres auf die Beschwerdeführerin zu.
7.3.37 Des
Weiteren ist erstellt, dass der Grossteil der Fensterverarbeiter versucht hat, sich gegen die Preiserhöhungen
zur Wehr zu setzen, weshalb die Untersuchungsadressaten insbesondere mit einigen grösseren und bedeutenderen
Kunden individuelle Lösungen ausgearbeitet haben, entweder in Form tiefer angesetzter Preiserhöhungen
als angekündigt oder mittels Rabattanpassungen. Gewährte Rabatte spielen entgegen der Auffassung
der Vorinstanz in der Praxis in Bezug auf Preiserhöhungen dann eine Rolle, wenn hinsichtlich der
Rabatte ebenfalls eine Anpassung erfolgt. Die Vorinstanz stützt ihre Berechnung demgegenüber
auf gleich bleibende Rabatte. Aufgrund der umfassenden Geltung des Untersuchungsgrundsatzes auch bei
Vorliegen einer Selbstanzeige hätte die Vorinstanz gestützt auf die von der Beschwerdeführerin
gemachten Ausführungen entsprechende Sachverhaltserhebungen vornehmen müssen. Es bedarf nämlich
des konkreten Nachweises, dass die Beschwerdeführerin die angekündigten Preiserhöhungen
gegenüber ihren Kunden trotz erwähnter Rabattanpassungen, Rückvergütungen und spezieller
Bezugskonditionen hat durchsetzen können. Eine solche Beweisführung ist vorliegend jedoch nur
im Ansatz vorhanden.
7.3.38 Die
blosse Behauptung, es liege auf der Hand, dass bedeutenden Kunden Rabatte und besondere Bezugskonditionen
gewährt würden, trägt nicht zum Nachweis bei, dass die Marktgegenseite keinen Druck auf
die Beschwerdeführerin auszuüben vermag und kann für sich alleine nicht als ausreichender
Beweis gewertet werden. Die Vorinstanz hat zudem keinen Beweis für ihre Annahme vorgebracht, dass
die Rabattgewährungen statisch und auch bei einem gestiegenen Basispreis noch identisch seien mit
den Rabatten, die vor dem Preisanstieg bei einem Basispreis durch den MTZ gewährt wurden. Auch die
Antworten der befragten Fensterverarbeiter vermögen konkret, d.h. individuell mit Bezug auf die
Beschwerdeführerin, nicht zu belegen, dass sie die Preiserhöhungen gegenüber ihren Kunden
tatsächlich in einem solchen Umfang habe durchsetzen können, dass ihr nachgewiesen werden könnte,
dass ihre Beteiligung an der vermeintlichen Absprache zur Beseitigung des wirksamen Wettbewerbs geführt
habe.
7.3.39 Des
Weiteren ist festzustellen, dass die Befragung zur Marktsituation explizit nach Angaben betreffend die
Hersteller von Fenster- und Fenstertürbeschlägen verlangt und nicht nach den Verhältnissen
zwischen den Händlern fragt (vgl. "Angaben zur Marktsituation", C.II.7
8 des Fragebogens). So wird nach der Anzahl Anbieter auf dem Markt (vgl. C.II.7) sowie nach dem Marktumfeld
bei den Herstellern (vgl. C.II.8) gefragt. Bei letzterer Frage wurden die Marktteilnehmer gebeten, einzuschätzen,
ob (i) der Wettbewerb zwischen den Herstellern intensiv sei, (ii) der Wettbewerb zwischen den Herstellern
hauptsächlich über den Preis funktioniere, (iii) der Wettbewerb zwischen den Herstellern hauptsächlich
über die Qualität funktioniere, (iv) die Innovationsrate der Hersteller hoch sei, (v) die Bruttomargen
der Hersteller sehr tief seien und ob (vi) die Verhandlungsmacht der Hersteller gegenüber ihren
Abnehmern hoch sei.
7.3.40
Erstellt ist, dass sowohl die Beschwerdeführerin als auch die übrigen Untersuchungsadressaten
allesamt ausschliesslich auf der Handelsstufe tätig sind. Ohnehin gibt es in der Schweiz keine Hersteller
im Segment Fenster- und Fenstertürbeschläge. Es wäre daher naheliegend gewesen, unmittelbar
das Verhältnis zwischen Händlern und Fensterverarbeitern zu untersuchen. Weshalb die Vorinstanz
zur Abklärung der Marktsituation den Marktteilnehmern Fragen gestellt hat, die sich offensichtlich
nicht auf die Wettbewerbssituation auf der Handelsstufe, sondern auf die Wettbewerbsverhältnisse
auf der Herstellerstufe bezogen haben, geht aus den Akten nicht hervor. Aufgrund der vorliegenden Antworten
können folglich keine verwertbaren Schlussfolgerungen gezogen werden zur Wettbewerbssituation auf
der Handelsstufe in der Schweiz.
7.3.41 Was
die Marktsituation auf Herstellerebene anbelangt, ist erstellt, dass die befragten Fensterverarbeiter
den Wettbewerb zwischen den Herstellern von Fenster(tür)beschlägen als eher intensiv eingeschätzt
haben (vgl. Verfügung Rz. 280). Die Aussage "Der Wettbewerb zwischen den Herstellern ist intensiv"
wurde von 34 der 55 befragten Fensterverarbeitern mindestens mit "trifft eher zu" gewertet.
Demgegenüber haben 15 Fensterverabeiter angegeben, diese Aussage treffe "eher nicht"
bzw. "überhaupt nicht" zu (vgl. Fragebogen C.II.8;
act. 74; 76 - 78; 81; 83 - 85; 87 - 93; 96; 98 - 102; 104 -
107; 109; 110; 112 - 113; 115; 117; 119; 121 - 124; 126 - 144; 148; 149; 151 -
152; 154 - 169).
7.3.42 Es
erscheint wenig schlüssig, dass die Vorinstanz der Marktgegenseite (Fensterverarbeiter) Fragen stellt,
die sich explizit auf den Wettbewerb zwischen den Herstellern beziehen und nicht auf die von der Vorinstanz
zu untersuchende Handelsstufe. Wenig hilfreich scheint dabei auch ihre Erläuterung im Rahmen ihrer
Vernehmlassung, die Angaben bezüglich der Frage der Intensität der Wettbewerbsverhältnisse
seien u.a. deshalb mit Vorsicht zu geniessen, da unklar sei, ob sich die Antworten der befragten Fensterverarbeiter
auf die Verhältnisse zwischen den (ausländischen) Herstellern
die Beschlagsmarken oder auf die Wettbewerbsverhältnisse
zwischen den Untersuchungsadressaten beziehen würden. Nach Ansicht des Gerichts sollte eine Befragung
in einer Art und Weise durchgeführt und entsprechend formuliert werden, dass die Verwertung der
Antworten uneingeschränkt und nicht nur mit Vorsicht möglich ist.
7.3.43 Das
Gericht stellt folglich fest, dass der Markt vorliegend unvollständig analysiert wurde. Die Fragebogen
sind mit Bezug auf die Klärung des Wettbewerbs auf der Handelsstufe nicht als taugliches Beweismittel
zu werten (vgl. Fragen C.II.7 8 des Fragebogens vom
10. Februar 2009). Hinsichtlich der Intensität des Wettbewerbs besteht damit eine Beweislücke,
da die Vorinstanz die Angaben der Befragung nicht umfassend verwertet und keine weiteren einschlägigen
Beweismittel vorgelegt hat. Die Selbstanzeige äussert sich nicht konkret zu den Auswirkungen der
vermeintlichen Absprache in der Schweiz, lediglich in einem Satz wird festgehalten, die Preiserhöhung
habe sich nicht in vollem Umfang gegenüber den Kunden durchsetzen lassen (act. 2, S. 17). Die Kronzeugin
Roto vertrat anlässlich der Anhörung vor der Vorinstanz denn auch die Ansicht, der Wettbewerb
sei in der Schweiz nicht beseitigt worden, und es dürfe nicht ohne Weiteres angenommen werden, eine
Bruttopreiserhöhung führe stets zu einer Nettopreiserhöhung, um gestützt darauf die
Beseitigung des Wettbewerbs zu begründen. Entscheidend sei vielmehr der Einzelfall, zumindest dann,
wenn die angekündigte Preiserhöhung aufgrund der starken Stellung der Marktgegenseite nicht
habe voll durchgesetzt werden können (vgl. Protokoll der Anhörung vor der Vorinstanz vom 20.
September 2010, act. 356, S. 14).
7.3.44
Nicht nur die Beweisführung im Zusammenhang mit der korrekten Marktstufe birgt aber Probleme in
sich. Des Weiteren ist festzuhalten, dass die Auswertung der Antworten betreffend die Preis- und Rabattpolitik
im Zusammenhang mit der Beschwerdeführerin mit Schwierigkeiten verbunden ist, da die Befragung diverse
Male unklare Antworten hervorbrachte (vgl. Fragen C.IV.14 ff. des Fragebogens). Im Rahmen der Prüfung
des wirksamen Innenwettbewerbs stellen sich überdies auch Fragen im Zusammenhang mit der korrekten
Beweisverwertung und -würdigung, wird doch ein Teil der Angaben der Marktgegenseite in der Beweiswürdigung
nicht verwertet. Und dies nicht etwa mit der Begründung, die Antworten seien aufgrund der Untersuchung
der "falschen" Marktstufe für die Klärung des vorliegenden Sachverhalts nicht von
Nutzen, sondern mit Argumenten, die an das Unvermögen der Fensterverarbeiter zur "korrekten"
Einschätzung der Marktsituation anknüpfen. In diesem Zusammenhang gilt es nachfolgend zu klären,
ob es im Ermessen der Vorinstanz gelegen hat, auf die Verwertung eines Teils der rechtserheblichen Angaben
der befragten Fensterverarbeiter zu verzichten (vgl. Verfügung Rz. 281 ff.).
bb) Fehlende Verwertung rechtserheblicher Angaben
7.3.45
Weder schlüssig noch überzeugend ist die Argumentation der Vorinstanz im Zusammenhang
mit der Frage, ob die Befragung der Marktteilnehmer repräsentativ sei. So hält die Vorinstanz
selbst fest, sie habe im Rahmen der Befragung der Fensterverarbeiter in einem ersten Schritt eine Zufallsstichprobe
vorgenommen, damit die Resultate möglichst repräsentativ seien. Die Befragung sämtlicher
in der Schweiz tätigen Fensterverarbeiter wäre unverhältnismässig gewesen, weshalb
die Vornahme einer Stichprobe angezeigt gewesen sei. Repräsentativ bedeute in diesem Zusammenhang,
dass die Erkenntnisse sich aus einer Stichprobenbefragung auf die Gesamtheit aller Fensterverarbeiter
verallgemeinern liessen.
7.3.46 Obwohl
die Vorinstanz ihre durchgeführte Befragung somit grundsätzlich als repräsentativ betrachtet,
berücksichtigt sie in ihrer Würdigung die Antworten der Fensterverarbeiter im Zusammenhang
mit der Frage nach der Intensität der Wettbewerbsverhältnisse nicht bzw. nicht genügend.
Ihre Begründung, weshalb sie auf die Verwertung der Angaben verzichtet, vermag jedenfalls nicht
zu überzeugen: Danach seien die Fensterverarbeiter nicht in der Lage gewesen, eine objektive Einschätzung
der Wettbewerbsverhältnisse vorzunehmen; ihre Antworten seien vielmehr auf strategische Gründe
zurückzuführen. Würde diese Begründung als hinreichend betrachtet, um eine Nichtverwertung
von Angaben zu legitimieren, stünde es der Vorinstanz frei, beliebig auf die Verwertung von Ergebnissen
zu verzichten, je nachdem, ob sich die Angaben in einem für sie günstigen Zusammenhang präsentierten
oder nicht. So verzichtet auch vorliegend die Vorinstanz nicht etwa gänzlich auf die Verwertung
der Angaben der Fensterverarbeiter, sondern sie stützt ihre Beweisführungen in jenen Belangen,
in denen die Ergebnisse in einem für sie günstigeren Zusammenhang erscheinen, wesentlich auf
die Angaben der Fensterverarbeiter ab (vgl. Verfügung Rz. 256, 262, 284 und 324). So hätten
die Fensterverarbeiter beispielsweise zur Frage der Auswirkungen der angekündigten Preiserhöhungen
stichhaltige Informationen geliefert, da sie diese entsprechend hätten belegen können. Es sei
an dieser Stelle jedoch darauf hingewiesen, dass zwar einige der befragten Marktteilnehmer die ihnen
gegenüber angekündigten Preiserhöhungen mittels Preiserhöhungsschreiben untermauert
haben, doch haben auch etliche der Befragten keine weiteren Dokumente eingereicht (vgl. z.B. act. 90,
110, 122). Es kann jedoch nicht angehen, dass die Ergebnisse einer Beweiserhebung nur dann in die Beweiswürdigung
Eingang finden, wenn sie der Untermauerung der eigenen Auffassung dienen.
7.3.47 Der
Nachweis im Zusammenhang mit den Auswirkungen der vermeintlichen Absprache erschöpft sich vorliegend
in der Befragung der kleinen Zwischenhändler und Fensterverarbeiter, wobei von den insgesamt 55
befragten Fensterverarbeitern lediglich 33 über entsprechende Informationen verfügten. Vor
dem Hintergrund, dass die Angaben derselben Befragten im Zusammenhang mit der Prüfung der Wettbewerbsintensität
im vorliegenden Verfahren von der Vorinstanz als untaugliches Beweismittel qualifiziert und folglich
nicht verwertet wurden, ist es zweifelhaft, ob dieselbe Befragung in anderem Kontext als alleiniges Beweismittel
den Anforderungen eines rechtsgenüglichen Beweises zu genügen vermag. Zwar fand im Zusammenhang
mit der Prüfung der Auswirkungen der vermeintlichen Absprache auch eine Befragung der Untersuchungsadressaten
statt, doch wurden die Antworten in der Folge mit der Begründung, sie liessen keine objektive Beurteilung
der Sachlage zu, nicht verwertet (vgl. Verfügung Rz. 321).
7.3.48 Nach
Ansicht des Gerichts wäre es nicht mit einem erheblichen Mehraufwand verbunden und damit nicht unverhältnismässig
gewesen, eine grössere Anzahl Fensterverarbeiter als 55 zu befragen. Dies insbesondere auch vor
dem Hintergrund, dass nur 33 verwertbare Antworten zu den Auswirkungen der vermeintlichen Absprache vorliegen,
die Beschwerdeführerin aber geltend macht, sie beliefere in der Schweiz mehr als 200 Fensterverarbeiter.
Daran ändert auch der Umstand nichts, dass im vorliegenden Verfahren im Gegensatz zum Fall Hors-Liste-Medikamente
(vgl. RPW 2010/4, S. 649), in dem ca. 850 Marktteilnehmer befragt wurden, insgesamt drei Selbstanzeigen
eingereicht wurden. Aufgrund der umfassenden Geltung des Untersuchungsgrundsatzes selbst bei Vorliegen
einer Selbstanzeige müssen die Informationen der Selbstanzeige vollumfänglich verifiziert werden.
Dies gilt umso mehr, wenn die Kronzeugin selber die Auffassung vertritt, die Abrede habe den Wettbewerb
auf dem Schweizer Markt nicht beseitigt. Des Weiteren
und für den vorliegenden Fall von massgebender Bedeutung
bedarf es des konkreten Nachweises, dass die anlässlich der Selbstanzeige gelieferten Informationen
individuell auf die einzelnen Untersuchungsadressaten zutreffen. Die Vorinstanz hätte den Sachverhalt
deshalb vertieft untersuchen müssen und sich nicht implizit bzw. im Ergebnis auf den Grundsatz der
Prozess- und Verfahrensökonomie abstützen dürfen.
7.3.49 Die
Nichtverwertung der Antworten bezüglich der Wettbewerbsintensität überdies unter anderem
damit zu begründen, die Angaben würden kein eindeutiges Bild ergeben, da zwar die Mehrheit
(34 der 55 befragten Unternehmen) davon ausgehe, zwischen den Herstellern herrsche eher intensiver Wettbewerb,
30% (15 der befragten Unternehmen) demgegenüber die Wettbewerbsintensität als eher gering einschätze,
vermag ebenfalls nicht zu überzeugen. Dass es sich hierbei um ein nicht eindeutiges Bild handle,
kann so nicht gesagt werden, da die überwiegende Mehrheit den Wettbewerb zwischen den Herstellern
als eher intensiv bewertet hat. Dass die Einschätzungen der befragten Fensterverarbeiter divergieren,
vermag jedenfalls nicht zu rechtfertigen, diese Antworten nicht ebenfalls in die Würdigung mit einzubeziehen.
Jedoch wäre ohnehin nicht der Wettbewerb zwischen den Herstellern zu untersuchen gewesen, sondern
vielmehr die Frage, ob zwischen den Händlern von Fenster- und Fenstertürbeschlägen auf
dem Schweizer Markt Wettbewerb besteht.
7.3.50 Mit
Bezug auf die von der Vorinstanz geltend gemachte Plausibilitätsprüfung ist festzustellen,
dass offen bleibt, auf was sich diese beziehen soll. So liegen hinsichtlich der Frage nach der Wettbewerbsintensität
keine weiteren Beweismittel vor, die den Aussagen der Fensterverarbeiter widersprechen würden. Auch
in jenen Belangen, in denen die Vorinstanz die Antworten der Fensterverarbeiter als verwertbar qualifizierte,
stützt sie ihre Beweisführung primär auf die Angaben der Befragung. Anschauliches Beispiel
hierfür ist wiederum der Nachweis der Auswirkungen der vermeintlichen Wettbewerbsabsprache im Rahmen
der Prüfung des Vorliegens einer erheblichen Wettbewerbsbeeinträchtigung (vgl. Verfügung
Rz. 324). Obwohl von den insgesamt 55 befragten Unternehmen diesbezüglich lediglich 33 über
entsprechende Informationen verfügten, erfolgten keine weiteren Untersuchungen. Der Nachweis hinsichtlich
der Auswirkungen wird als genügend qualifiziert. Auch dass selbst die Kronzeugin Roto anlässlich
der Anhörung vor der Vorinstanz am 20. September 2010 zu Protokoll gegeben hat, sie sei der Ansicht,
dass der Wettbewerb in der Schweiz nicht beseitigt worden sei, vermag daran nichts zu ändern (vgl.
Protokoll der Anhörung vor der Vorinstanz vom 20. September 2010, act. 356, S. 13 f.; Verfügung
Rz. 299 ff.).
7.3.51 Nach
Ansicht der Vorinstanz illustriert die Frage betreffend die Wettbewerbsintensität, dass die Einschätzungen
in erster Linie dazu geeignet gewesen seien, einen generellen Eindruck über die Branche für
Fenster und Fenstertüren einzuholen. Auch dieses Vorbringen vermag aber nicht zu überzeugen,
obliegt doch der Vorinstanz die Pflicht, den Sachverhalt umfassend abzuklären und den Kartellrechtsverstoss
der Beschwerdeführerin spezifisch und nicht generell
nachzuweisen.
7.3.52 Mit
Bezug auf das Vorbringen der Vorinstanz, die Analyse der Antworten im Zusammenhang mit der Wettbewerbsintensität
habe aufgezeigt, dass die Fensterverarbeiter mit der Differenzierung zwischen der Marke eines Produkts
und dessen Lieferanten offensichtlich Mühe gehabt hätten, ist erneut darauf hinzuweisen, dass
nach Auffassung des Gerichts die Fragebogen entsprechend zu formulieren gewesen wären. Diesbezügliche
Unklarheiten gehen zu Lasten der Vorinstanz.
7.3.53 Zusammenfassend
ist somit festzustellen, dass erhebliche Zweifel bestehen, ob der Nachweis fehlenden Innenwettbewerbs
rechtsgenüglich erbracht ist. Dieser Umstand wird auch anlässlich der Prüfung der Durchsetzbarkeit
der Wettbewerbsabrede und der Stellung der Marktgegenseite ersichtlich.
7.3.54 Als
Folge dieser Erwägungen ist die Beweisführung der Vorinstanz als nicht ausreichend zu qualifizieren,
denn der Beweiswert der Befragung beschränkt sich auf die pauschale Feststellung, dass gegenüber
33 Befragten die Preiserhöhungen nur zum Teil durchgesetzt werden konnten. Zweifel und Vermutungen
erfüllen die Anforderungen an die Beweisführungspflicht nicht. Entsprechend ist es zu pauschal,
wenn die Vorinstanz sich damit begnügt, festzustellen, dass aufgrund der Resultate der Befragung
davon auszugehen sei, dass die in Frage stehenden Preiserhöhungen der Untersuchungsadressaten Auswirkungen
im relevanten Markt gehabt hätten.
7.4 Abschliessende
Erwägungen zur Beweislage dieses Verfahrens
7.4.1
Beim Vorliegen einer Selbstanzeige dürfen die Anforderungen an das Beweismass sowohl der
Vorinstanz als auch des Bundesverwaltungsgerichts nicht aus prozessökonomischen Gründen herabgesetzt
werden, weshalb der Untersuchungsgrundsatz auch im Falle einer Selbstanzeige in vollem Umfang Geltung
beansprucht. Entsprechend sind auch in solchen Verfahren umfassende Sachverhaltsabklärungen und
Beweiserhebungen durchzuführen. Vor diesem Hintergrund kommt das Gericht im vorliegenden Verfahren
zum Schluss, dass in der Gesamtheit der Betrachtung zu viele unbewiesene Tatbestandselemente vorliegen,
als dass der Beschwerdeführerin die zumindest erhebliche Beeinträchtigung des Wettbewerbs aufgrund
ihrer Teilnahme an einer unzulässigen Preisabsprache rechtsgenüglich nachgewiesen werden könnte.
Aufgrund der Lücken und Mängel in der Beweisführung und -würdigung kann deshalb nicht
gesagt werden, dass eine gewisse Logik der wirtschaftlichen Analyse und Wahrscheinlichkeit einer tatsächlichen
Wettbewerbsbeeinträchtigung bzw. -verletzung überzeugend und nachvollziehbar erscheint. Eine
zu allgemeine Beweisführung ist insbesondere auch vor dem Hintergrund der strafrechtsähnlichen
Rechtsnatur der Kartellbusse (vgl. BGE 139 I 72, E. 2.2 ff., mit weiteren Hinweisen; BVGE 2011/32, E.
4.2; Urteile des Bundesverwaltungsgerichts B-506/2010, a.a.O., E. 6.1.3 und B-2977/2010, a.a.O., E. 8.1.3)
nicht als rechtsgenüglich zu erachten.
7.4.2 Das
Gericht kann im vorliegenden Verfahren zwar aufgrund der vorhandenen Aktenlage nicht ausschliessen, dass
zur Sicherstellung und Durchsetzung des - noch nicht rechtskräftig festgestellten -
Preiskartells der europäischen Hersteller auf dem Schweizer Markt Preisabreden zwischen den Hersteller-
und allenfalls auch den Händlerunternehmen stattgefunden haben könnten. Für solche Preisabreden
bestehen zudem durchaus nachvollziehbare Beweg- und Verdachtsgründe. Doch lässt sich aufgrund
der aktuell im Recht liegenden Beweise nicht zweifelsfrei feststellen, ob die angekündigte Preiserhöhung
der Beschwerdeführerin letztlich kausal auf die Besprechung am multilateralen Treffen vom 22. September
2006 zurückzuführen ist oder ob es sich hierbei um ein einseitiges Diktat zur Preiserhöhung
seitens der Hersteller handelt. Folglich ist der Nachweis nicht erbracht, dass der Beschwerdeführerin
eine unzulässige Preisabrede gemäss Art. 5 Abs. 3 Bst. a KG zur Last gelegt werden könnte.
7.4.3 Dieses
Ergebnis steht aufgrund der strafrechtsähnlichen Natur von Sanktionen im kartellrechtlichen Bussgeldverfahren
gemäss Art. 49a KG im Einklang mit den Verfahrensgarantien der Bundesverfassung und der EMRK (vgl.
BGE 139 I 72, Publigroupe, E. 2.2 ff., mit weiteren Hinweisen;
Urteil des Bundesverwaltungsgerichts B-506/2010, a.a.O., E. 6.1.3;
Robert Roth, in: Martenet/Bovet/Tercier, Commentaire Romand, a.a.O., Vorb. Art. 49 - 53 Rn. 19
ff.). Art. 6 Abs. 2 EMRK statuiert die Unschuldsvermutung und besagt, dass jede Person, die einer Straftat
angeklagt ist, bis zum gesetzlichen Beweis ihrer Schuld als unschuldig gilt.
7.4.4 Die
Unschuldsvermutung (in dubio pro reo) beschlägt nicht nur
die Beweislastverteilung im Sanktionsverfahren, sondern auch die Beweiswürdigung (vgl. Marcel
Alexander Niggli/Christof Riedo, in: Amstutz/Reinert, Basler Kommentar zum Kartellgesetz, Vorb.
Art. 49a - 53, Rn. 248 ff., mit weiteren Hinweisen; Roth,
a.a.O., Vorb. Art. 49 - 53 Rn. 25 ff.). Als Beweislastregel besagt der Grundsatz, dass es Sache der Behörden
ist, die Schuld nachzuweisen, und nicht umgekehrt Sache des Beschuldigten, seine Unschuld darzutun. Entsprechend
gilt dies auch für das kartellrechtliche Sanktionsverfahren: Nicht das angeschuldigte Unternehmen
hat seine Unschuld, sondern es haben die Wettbewerbsbehörden die Schuld des betroffenen Unternehmens
nachzuweisen (vgl.
Reinert, a.a.O., Art. 49a Rn. 6). Als Beweiswürdigungsregel besagt
der Grundsatz, dass ein Freispruch auch zu ergehen hat, wenn bei der Würdigung und Abwägung
der Beweise erhebliche und unüberwindliche Zweifel an der Schuld bleiben; in diesem Fall haben die
Gerichte von dem für den Beschuldigten günstigeren Sachverhalt auszugehen (vgl. Niggli/Riedo,
a.a.O., Vorb. Art. 49a - 53, Rn. 250).
7.4.5 Das
Gericht hat folglich in jedem Einzelfall zu prüfen, ob dem Angeschuldigten, in casu dem Unternehmen,
ein Vorwurf zu machen ist (vgl. Niggli/Riedo, a.a.O., Vorb.
Art. 49a - 53, Rn. 117). Unzulässig erscheint damit eine Beweislastumkehr zulasten des Angeschuldigten,
während eine blosse Beweislastverschiebung nicht ausgeschlossen ist, sofern dieser ausreichend
Gelegenheit erhält, sich wirksam zu verteidigen. Mit anderen Worten verbieten BV und EMRK gesetzliche
Schuldvermutungen, lassen aber Beweisvermutungen im Sinne von tatsächlichen Schlüssen aus bewiesenen
Tatsachen zu, sofern sie widerlegbar sind (vgl. Niggli/Riedo,
a.a.O., Vorb. Art. 49a - 53, Rn. 117, 248 ff.). Ein Kartellrechtsverstoss muss daher im Lichte von Art.
32 Abs. 1 BV und Art. 6 Abs. 2 EMRK verneint werden, wenn bei objektiver Betrachtung erhebliche und nicht
zu unterdrückende Zweifel bestehen, ob sich der Sachverhalt tatsächlich so verwirklicht hat,
wie die Wettbewerbsbehörden dies geltend machen (vgl.
Reinert, a.a.O., Art. 49a Rn. 6).
7.4.6 In
Ausübung seiner vollen Kognition hat das Gericht mittels Instruktionsverhandlungen und unter erheblichem
Aufwand versucht, die aufgrund der fehlenden Abklärungen vorhandenen Beweislücken zu schliessen.
Doch kommt das Gericht im vorliegenden Verfahren nach umfassenden Abklärungen zum Schluss, dass
der Beschwerdeführerin ein wettbewerbswidriges Verhalten nicht rechtsgenüglich nachgewiesen
werden kann. Sowohl das Unmittelbarkeitsprinzip als auch der umfassende Gehörsanspruch des Beschuldigten
sind fundamentale und tragende Grundprinzipien des Untersuchungsverfahrens. Es kann daher nicht angehen,
dass das Gericht selber sämtliche vorhandenen Beweislücken zu Lasten der Beschwerdeführerin
schliesst. Eine solche Vorgehensweise seitens des Gerichts würde die Unschuldsvermutung und den
daraus fliessenden Grundsatz in dubio pro reo in einer Art und
Weise beschränken, die über das zulässige Mass hinausginge. Soweit die Beschwerdeführerin
betroffen ist, gebietet die Anwendung des Grundsatzes in dubio pro reo
folglich eine Aufhebung der Verfügung.
7.4.7 Die
Beschwerde ist aus den genannten Gründen gutzuheissen und der angefochtene Entscheid, soweit er
die Beschwerdeführerin betrifft, aufzuheben.
8. Kosten
8.1 Die
Beschwerdeinstanz auferlegt in der Entscheidungsformel die Verfahrenskosten, bestehend aus einer Spruchgebühr
sowie aus Schreibgebühren und Barauslagen, in der Regel der unterliegenden Partei. Unterliegt diese
nur teilweise, so werden die Verfahrenskosten ermässigt. Ausnahmsweise können sie ihr erlassen
werden (Art. 63 Abs. 1 VwVG). Keine Verfahrenskosten werden Vorinstanzen oder beschwerdeführenden
und unterliegenden Bundesbehörden auferlegt (Art. 63 Abs. 2 VwVG).
8.2 Die
Beschwerdeinstanz kann der ganz oder teilweise obsiegenden Partei von Amtes wegen oder auf Begehren eine
Entschädigung für die ihr erwachsenen notwendigen und verhältnismässig hohen Kosten
zusprechen (Art. 64 Abs. 1 VwVG).
8.3 Gemäss
Art. 10 des Reglements über die Kosten und Entschädigungen vor dem Bundesverwaltungsgericht
vom 21. Februar 2008 (VGKE, SR 173.320.2) werden insbesondere das Anwaltshonorar nach dem notwendigen
Zeitaufwand des Vertreters oder der Vertreterin bemessen (Abs. 1). Der Stundenansatz beträgt für
Anwälte und Anwältinnen mindestens CHF 200.- und höchstens CHF 400.-. In diesen Ansätzen
ist die Mehrwertsteuer nicht enthalten (Abs. 2). Bei Streitigkeiten mit Vermögensinteresse kann
das Anwaltshonorar oder die Entschädigung für eine nichtanwaltliche berufsmässige Vertretung
angemessen erhöht werden (Abs. 3).
8.4 Für
die notwendigen und verhältnismässig hohen Kosten ihrer Rechtsvertretung ist der obsiegenden
Beschwerdeführerin eine Parteientschädigung zuzusprechen (Art. 64 Abs. 1 VwVG und Art. 7 Abs.
1 VGKE). Soweit eine Parteientschädigung nicht einer unterliegenden Gegenpartei auferlegt werden
kann, wird sie der Körperschaft oder autonomen Anstalt auferlegt, in deren Namen die Vorinstanz
verfügt hat (Art. 64 Abs. 2 VwVG).
8.5 Für
ihre Rechtsvertretung hat die Beschwerdeführerin am 31. Dezember 2012 eine detailliert begründete
Kostennote eingereicht. Ausgehend von einem Stundenansatz von CHF 220.-, 400.-, 500.- bzw. 600.- macht
sie für das Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht Vertretungskosten in der Höhe von insgesamt
CHF (...) (inkl. Auslagen und MWST) geltend.
8.6 Bei
der Bemessung der Parteientschädigung innerhalb des gesetzlichen Rahmens steht dem Bundesverwaltungsgericht
ein gewisses Ermessen zu. Das Honorar berechnet sich mithin einzig nach dem Aufwand und nicht nach dem
Streitwert. Eine summenmässig bestimmte feste Obergrenze besteht nicht (vgl. Urteil des Bundesgerichts
2C_343/2010, 2C_344/2010 vom 11. April 2011, E. 8.3.1 [in BGE 137 II 199 nicht publizierte Erwägung]).
Indessen umfasst die Parteientschädigung nur die notwendigen Kosten (vgl. Urteil des Bundesgerichts
2C_343/2010, 2C_344/2010, E. 8.3.4, a.a.O.).
8.7 Aufgrund
der ausufernden Rechtsschriften ist die Parteientschädigung im vorliegenden Verfahren nicht im beantragten
Umfang zu erstatten. Zwar sind die Eingaben der Parteien im Laufe des Verfahrens nicht zur Kürzung
zurückgewiesen worden, doch erfordert der unverhältnismässige Umfang der Parteieingaben
mit zahlreichen Wiederholungen eine entsprechende Berücksichtigung bei den Kosten. Angesichts des
beträchtlichen Aufwands und der Komplexität der Streitsache ist es deshalb angemessen, der
obsiegenden Beschwerdeführerin zulasten der Vorinstanz eine reduzierte Parteientschädigung
von insgesamt CHF 60'000.- (inkl. Auslagen und MWST) zuzusprechen.
8.8 Die
reduzierte Parteientschädigung von CHF 60'000.- (inkl. Auslagen und MWST) hat die Vorinstanz
der Beschwerdeführerin nach Rechtskraft dieses Urteils zu entrichten (Art. 64 Abs. 1 VwVG i.V.m.
Art. 14 Abs. 2 VGKE).
8.9 Darüber
hinaus verlangt die Beschwerdeführerin die Zusprechung einer Parteientschädigung von CHF (...)
für das vorinstanzliche Verfahren.
8.10 Die
Beschwerdeführerin räumt zwar ein, ihr sei bewusst, de lege
lata sei weder im Kartellgesetz noch in den auf das Kartellverfahren anwendbaren Verfahrensregeln
explizit vorgesehen, dass eine Partei für den Fall des Obsiegens vor Bundesverwaltungsgericht auch
Anspruch auf eine Parteientschädigung für das erstinstanzliche Verfahren habe. Diese Rechtslage
sei jedoch stossend und könne insbesondere zu einer Benachteiligung kleinerer und mittlerer Unternehmen
führen.
8.11 Die
Beschwerdeführerin begründet ihre Auffassung damit, der Bundesrat habe diese Problematik im
Rahmen der Evaluation des Kartellgesetzes offenbar erkannt und im Entwurf für ein revidiertes Kartellgesetz
vom 22. Februar 2012 (E-KG) in Art. 39a E-KG neu vorgesehen, dass Parteien für den Fall des Obsiegens
auch für das gesamte erstinstanzliche Verfahren Anspruch auf eine Parteientschädigung haben.
Auch wenn sich diese Bestimmung auf ein Kartellverfahren beziehe, in welchem das Bundesverwaltungsgericht
anstelle der Wettbewerbskommission erstinstanzlich entscheide, sei diesem Umstand bereits de
lege lata Rechnung zu tragen und der Beschwerdeführerin folglich auch für das erstinstanzliche
Verfahren vor der Vorinstanz eine angemessene Parteientschädigung zuzusprechen. Die Beschwerdeführerin
bringt des Weiteren vor, dass Verfahren betreffend mutmassliche Abreden im Sinne von Art. 5 Abs. 3 und
4 KG strafprozessualer Natur seien, weshalb auch die strafprozessualen Entschädigungsregeln zur
Anwendung kämen, wonach das freigesprochene Unternehmen Anspruch auf Ersatz des während des
gesamten und damit auch des erstinstanzlichen Verfahrens erlittenen Schadens habe.
8.12 Der
Beschwerdeführerin ist zwar zuzugestehen, dass bei einer vollständigen Anwendbarkeit strafprozessualer
Regeln insbesondere analog heranzuziehender Entschädigungsregeln auch in kartellrechtlichen Sanktionsverfahren
die Frage nach einem Entschädigungsanspruch für anwaltliche Bemühungen in erstinstanzlichen
Verfahren sich neu und anders stellen könnte. In diesem Zusammenhang besteht in der Doktrin jedoch
eine Kontroverse zur Frage, ob auch in Kartellsanktionsverfahren lediglich das VwVG oder nur das Bundesgesetz
vom 22. März 1974 über das Verwaltungsstrafrecht (VStrR, SR 313.0) Anwendung findet (vgl. dazu
im Einzelnen Vincent Martenet, Commentaire Romand, a.a.O.,
Vorb. zu Art. 39-43 KG Rz. 4 ff., mit weiteren Hinweisen). Diese Frage ist im vorliegenden Fall aber
nicht näher zu prüfen, nachdem jedenfalls keine Norm des Kartellgesetzes auf die Strafprozessordnung
vom 5. Oktober 2007 (StPO, SR 312.0) verweist und der Gesetzgeber auch ausdrücklich darauf verzichtet
hat, für Kartell(sanktions)verfahren eine lex specialis zu
schaffen (vgl. Martenet, a.a.O., Rz. 19 der Vorb. zu Art.
39-43 KG).
8.13 Damit
steht fest, dass zur Frage der finanziellen Folgen von Kartellsanktionsverfahren einzig das Kartellgesetz
in Verbindung mit dem VwVG anwendbar sind.
8.14
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts handelt es sich bei der Pflicht zur Entrichtung einer Parteientschädigung
nicht um einen allgemeinen prozessualen Grundsatz. Vielmehr bedarf eine solche Pflicht, welche im erstinstanzlichen
Verwaltungsverfahren nicht üblich ist, einer ausdrücklichen gesetzlichen Grundlage (vgl. BGE
132 II 47, E. 5.2; Vera Marantelli-Sonanini/Said Huber,
in: Waldmann Bernhard/Weissenberger Philippe (Hrsg.), Praxiskommentar VwVG, Zürich 2009, Art. 6
Rn. 45). Beim Erlass des Verwaltungsverfahrensgesetzes hat der Gesetzgeber aber bewusst darauf verzichtet,
die Möglichkeit der Zusprechung einer Parteientschädigung auch für das erstinstanzliche
Verfahren vorzusehen, später dann eine Ausnahme einzig für den Fall kollektiver Vertretung
nach Art. 11a VwVG statuiert (vgl. BGE 132 II 47, E. 5.2).
8.15 Unbestrittenermassen
enthalten weder das Kartellgesetz noch das VwVG Bestimmungen, welche die Zusprechung von Parteientschädigungen
für erstinstanzliche, nichtstreitige Verwaltungsverfahren
erlauben würden. Da es sich beim Ausschluss von Parteientschädigungen für erstinstanzlichen
Verfahren nicht um eine echte Lücke handelt, sondern der Gesetzgeber einen Ausschluss bewusst wollte,
besteht für eine analoge Anwendung von Art. 64 VwVG, der nur für Beschwerdeverfahren gilt,
kein Raum (vgl. BGE 132 II 47, E. 5.2; Entscheid der REKO/WEF 99/FB-001 vom 14. Dezember 2000, E. 3,
veröffentlicht in: RPW 2000/4, S. 703). Darüber hinaus lässt sich nach herrschender Meinung
auch kein Anspruch auf eine Parteientschädigung direkt aus der BV ableiten (vgl.
Stefan Bilger, BSK-KG, a.a.O., Rn. 117 zu Art. 39 KG, mit weiteren Hinweisen).
8.16 Sollen
im Lichte der jüngsten bundesgerichtlichen Rechtsprechung Parteientschädigungen auch in Untersuchungsverfahren
vor der Wettbewerbskommission künftig zulässig sein, müsste vielmehr der Gesetzgeber hierzu
eine entsprechende Bestimmung erlassen (vgl. 132 II 47, E. 5.2; Änderung der Rechtsprechung von
BGE 2A.191/2005 vom 2. September 2005, E. 5.1; vgl. auch BGE 2A.234/2005 vom 22. November 2005, E. 5).
8.17 Somit
erweist sich, entgegen dem Antrag der Beschwerdeführerin, die Zusprechung einer Parteientschädigung
für das erstinstanzliche Untersuchungsverfahren mangels Vorliegens einer gesetzlichen Grundlage
als ausgeschlossen, weshalb das entsprechende Begehren unbegründet ist.
Versand: 8. Oktober 2014