Entscheid bestätigt durch BGer mit
Urteil vom 02.11.2022 (2C_596/2019)

 

 

 

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Abteilung II

B-831/2011

 

 

 

 

Urteil vom 18. Dezember 2018

Besetzung

 

Richterinnen und Richter

Stephan Breitenmoser (Vorsitz), Marc Steiner,
Vera Marantelli
, Maria Amgwerd, Pascal Richard;

Gerichtsschreiber Ralf Straub.

 

 

 

Parteien

 

1. Six Group AG,

Selnaustrasse 30, 8001 Zürich, 

2. SIX Payment Services AG,

Hardturmstrasse 201, 8005 Zürich, 

beide vertreten durch

Rechtsanwalt Dr. Jürg Borer,
Borer Rechtsanwälte, Olgastrasse 6, Zürich,

Beschwerdeführerinnen 1 und 2,

 

 

 

gegen

 

 

Wettbewerbskommission,

Hallwylstrasse 4, 3003 Bern,  

Vorinstanz.

 

 

 

Gegenstand

 

Sanktionsverfügung - Zugang zur Dienstleistung der
dynamischen Währungsumrechnung (DCC).

 


Inhaltsverzeichnis:

Sachverhalt..............................................................................................5

Erwägungungen ............................................................................................... 32

 

I. Prozessvoraussetzungen

1) Sachliche Zuständigkeit

2) Beschwerdefähigkeit und Beschwerdelegitimation

3) Sonstige Verfahrensvoraussetzungen

II. Rechtliche Grundlage der vorinstanzlichen Verfügung

III. Geltungs- und Anwendungsbereich des Kartellgesetzes

1) Persönlicher Anwendungsbereich

2) Sachlicher Anwendungsbereich

a) Anwendungsausschlüsse

b) Immaterialgüterrechtsvorbehalt gemäss Art. 3 Abs. 2 KG

3) Räumlicher Geltungs- und Anwendungsbereich

4) Zeitlicher Geltungs- und Anwendungsbereich

IV.Rechtmässigkeit des vorinstanzlichen Verfahrens

1) Rechtskonforme Verfügungsbehörde

2) Rechtmässige Verfügungsadressaten

3) Verstoss gegen den Anspruch auf rechtliches Gehör

4) Verstoss gegen den Untersuchungsgrundsatz

5) Der Beweiswert von Parteigutachten

V. Relevanter Markt

1) Geschäftsbereich der Zahlungskartenakzeptanz

a) Sachlich relevanter Markt

b) Räumlich relevanter Markt

c) Zeitlich relevanter Markt

d) Zwischenergebnis

2) Zahlungskartenterminals

a) Sachlich relevanter Markt

b) Räumlich relevanter Markt

c) Zeitlich relevanter Markt

d) Zwischenergebnis

3) Währungsumrechnung

a) Sachlich relevanter Markt

b) Räumlich relevanter Markt

c) Zeitlich relevanter Markt

d) Zwischenergebnis

VI. Marktstellung

1) Marktbeherrschendes Unternehmen

2) Massgeblicher Beurteilungszeitraum

3) Markt für Kreditkartenakzeptanz von Mastercard und Visa

a) Aktueller Wettbewerb

b) Potenzieller Wettbewerb

c) Unternehmensstruktur

d) Stellung der Marktgegenseite

e) Zusammenfassung

4) Markt der Debitkartenakzeptanz von Maestro

5) Ergebnis

VII. Unzulässige Verhaltensweise

1) Formen des unzulässigen Verhaltens

2) Missbrauchsformenübergreifende Sach- und Rechtsfragen

a) Fehlende Verwirklichung verschiedener Fallgruppen

b) Kartellrechtliche Behandlung von Schnittstelleninformationen

c) Massgebliche Schnittstellen und Schnittstelleninformationen

d) Einwand der Unternehmensdifferenzierung

e) Einwand der Test- und Re-Zertifizierungsphase

f) Einwand des Entwurfs einer einvernehmlichen Regelung

g) Einwand des Investitions- und Innovationsschutzes

3) Verweigerung von Geschäftsbeziehungen
     gemäss Art. 7 Abs. 2 lit. a KG

a) Ausgangslage

b)Fallgruppen

c) Marktbeherrschende Stellung und massgebliche Märkte

d) Geschäftsbeziehung

e) Eingehungsverlangen des Initiators

f) Ablehnungshandlung

g) Immaterialgüterrechtliche Rechtsposition

h) Unerlässlichkeit des Einsatzguts

i) Produktneuheit

j) Besonderheiten des Einzelfalls

k) Wettbewerbsverfälschung

l) Entgeltregelung

m) Sachliche Rechtfertigung

n) Zusammenfassung

4) Koppelung gemäss Art. 7 Abs. 2 lit. f KG

a) Ausgangslage

b) Fallgruppen

c) Marktbeherrschende Stellung und massgebliche Märkte

d) Vertragspartner

e) Separate Produkte

f) Verknüpfung

g) Nachteiliger Effekt

h) Fehlen von Rechtfertigungsgründen

i) Ergebnis

5) Einschränkung der Erzeugung, des Absatzes und der technischen
    Entwicklung gemäss Art. 7 Abs. 2 lit. e KG

6) Diskriminierung von Handelspartnern gemäss Art. 7 Abs. 2 lit. b KG

VIII. Sanktionen

1) Massgebende Sanktionsvorschriften

a) Bestimmtheit der Tatbestandsmässigkeit

b) Bestimmtheit der Rechtsfolge

2) Verschulden

a) Sanktionscharakter des Art. 49a KG

b) Nachweis des Verschuldens

3) Sanktionsbemessung

4) Berücksichtigung langer Verfahrensdauer

IX. Verjährung

X. Vorinstanzliche Verfahrenskosten

XI. Gesamtbeurteilung der Beschwerde

XII. Verfahrenskosten und Parteientschädigung

Dispositiv..........................................................................................................526

 

Hinweis: Alle im Urteil nachfolgend in geschwungenen Klammern aufgeführten Leerstellen, Ersetzungen oder Zahlenangaben bilden Geschäftsgeheimnisse der Parteien oder von Dritten.

 

 

Sachverhalt:

A.  Gegenstand

Gegenstand des vorliegenden Urteils bildet die von der Vorinstanz (nachfolgend auch: Weko oder Weko) am 29. November 2010 erlassene Verfügung in Sachen Untersuchung 32-0205 betreffend SIX/Terminals mit Dynamic Currency Conversion DCC (nachfolgend: angefochtene Verfügung, publ. in: RPW 2011/1, 96). Danach hätte die SIX-Gruppe im Zeitraum vom 5. Juli 2005 bis 8. Dezember 2006 (nachfolgend: relevanter Zeitraum) durch (i) die Verweigerung der Bereitstellung von bestimmten Informationen über die rechtlich nicht geschützte Schnittstelle zwischen der elektronischen Plattform zur Verarbeitung von Zahlungskartentransaktionen und den hierzu anzubindenden elektronischen Geräten für Kredit- und Debitkartenzahlungen (nachfolgend: Zahlungskartenterminals, POS-Terminals) gegenüber anderen Terminalherstellern sowie durch (ii) die Koppelung des Akzeptanzgeschäfts von Zahlungskarten mit der Dienstleistung der dynamischen Währungsumrechnung und dem Verkauf von Zahlungskartenterminals für die dynamische Währungsumrechnung gegenüber Händlern eine unzulässige Wettbewerbsbeschränkung gemäss Art. 7 des Kartellgesetzes vom 6. Oktober 1995 (KG, SR 251) verwirklicht, weshalb die Beschwerdeführerinnen mit einem Betrag gemäss Art. 49a KG zu sanktionieren waren.

B.  Beschwerdeführerinnen

B.a  Die Beschwerdeführerinnen sind beide Gruppengesellschaften einer Unternehmensgruppe, die unter der Bezeichnung "SIX Group" auftritt (nachfolgend: SIX-Gruppe). Der Beschwerdeführerin 1 kommt die Stellung als Konzernobergesellschaft der SIX-Gruppe zu, während die Beschwerdeführerin 2 als einfache Konzerngesellschaft zu qualifizieren ist.

B.b  Die SIX-Gruppe entstand im Jahr 2007 durch einen Unternehmenszusammenschluss der Unternehmensgruppen SWX Group (Dienstleistungen in den Bereichen Handel und Zulassung von Effekten), SIS Swiss Financial Services Group (Dienstleistungen im Bereich von Wertschriftentransaktionen), der Telekurs-Gruppe (Dienstleistungen in den Bereichen Zahlungsverkehr, Zahlungsmittel und Finanzinformationen) und des Vereins SXW Swiss Exchange, der von der Vorinstanz geprüft und unter Auflagen genehmigt worden war (vgl. zu den Einzelheiten die Genehmigung des Zusammenschlussvorhabens, Weko, 9.10.2007, RPW 2007/4, 557).
Dabei wurde die Beschwerdeführerin 1, die bis dahin unter ihrem früheren Namen SWX Holding AG die Stellung als oberste Gruppengesellschaft der SWX Group einnahm, als Konzernobergesellschaft der verschiedenen Unternehmenssparten eingesetzt und unter dem neuen Namen SIX Group AG weitergeführt. Die bisherigen obersten Gruppengesellschaften der anderen Gruppensparten, die Telekurs Holding AG und die SIS Swiss Financial Services Group AG wurden gemäss Handelsregister als Zwischenholdings und 100%-ige Tochtergesellschaften der Beschwerdeführerin 1 weitergeführt.

B.c  Die SIX-Gruppe deckt den gesamten Bereich der Finanzplatzinfrastruktur vom Wertschriftenhandel über die Wertschriftendienstleistungen bis hin zur Abwicklung des Zahlungsverkehrs und der Aufbereitung von Finanzinformationen ab.

B.d  Die Beschwerdeführerin 2 ist eine 100%-ige Tochtergesellschaft der Telekurs Holding AG (nachfolgend: Telekurs). Sie ist im April 2012 aus einer Fusion von zwei früheren 100%-igen Tochtergesellschaften der Telekurs, der SIX Multipay AG (bis zur Gründung der SIX Group: Telekurs Multipay AG; nachfolgend: Multipay) und der SIX Card Solutions AG (bis zur Gründung der SIX Group: Telekurs Card Solutions; nachfolgend: Card Solutions, früher: Beschwerdeführerin 3), hervorgegangen, wobei gemäss Handelsregister die Multipay die Card Solutions übernommen hat (vgl. SHAB vom 23.4.2012).

B.e  Gemäss Handelsregister war die Besetzung der jeweils fünf Personen umfassenden Verwaltungsräte der Telekurs sowie der Multipay und der Card Solutions in der Zeit von September 2004 bis Januar 2008 identisch. Zudem war der Vorsitzende der Geschäftsleitung der Multipay auch gleichzeitig Mitglied der Geschäftsleitung der Telekurs. Die Card Solutions verfügte über keine Geschäftsleitung. Nach Gründung der SIX-Gruppe wurde der Präsident des Verwaltungsrats der Telekurs Mitglied im Verwaltungsrat der Beschwerdeführerin 1.

B.f  Multipay und Card Solutions waren gemäss dem jeweils im Handelsregister ausgewiesenen Gesellschaftszweck im Bereich der Abwicklung des bargeldlosen Zahlungsverkehrs tätig. Darüber hinaus wurde im Rahmen des Gesellschaftszwecks ausdrücklich festgehalten, dass die jeweilige Gesellschaft eine Tochtergesellschaft der Konzernmutter ist und ihre Geschäftstätigkeit im Konzerninteresse ausübt.


C.  Sonstige Unternehmen

C.a  Den Beschwerdeführerinnen stehen verschiedene andere Unternehmen gegenüber, die ebenfalls im Bereich bargeldloser Zahlungssysteme tätig sind.

C.b  Zum einen sind mehrere Unternehmen als Hersteller oder Lieferanten von Zahlungskartenterminals (nachfolgend: Terminalhersteller) zu berücksichtigen. Diese waren mit Multipay in Kontakt getreten, weil sie an einer Überlassung von besonderen Schnittstelleninformationen interessiert waren, damit sie die von ihnen vertriebenen Zahlungskartenterminals (vgl. SV F) für eine ordnungsgemässe Anbindung innerhalb des Zahlungskartensystems (vgl. SV D) entsprechend ausstatten konnten.

C.c  Die CCV-Jeronimo (Suisse, Schweiz, Svizzera, Switzerland) SA mit Sitz in Gland (nachfolgend: Jeronimo) ist eine Lieferantin von Terminalsystemen für elektronische Zahlungssysteme mit Kredit- und Debitkarten in der Schweiz. Jeronimo ist die schweizerische Ländergesellschaft der CCV-Gruppe, die über Ländergesellschaften in den Niederlanden, Deutschland und Belgien im Bereich der elektronischen Zahlungssysteme in Europa tätig ist. Ihre Muttergesellschaft ist die niederländische Van de Velden Holding B.V. mit Sitz in Arnheim (nachfolgend: Van de Velden).

C.d  Die Ingenico (Schweiz) AG (nachfolgend: Ingenico; vormals XA SA) mit Sitz in Granges-Paccot ist die schweizerische Gruppengesellschaft der internationalen Ingenico-Gruppe unter Führung einer französischen Muttergesellschaft, welche auf dem Gebiet der Entwicklung und Herstellung von gesicherten Transaktions- und Zahlungssystemen weltweit tätig ist.

C.e  Die PaySys AG mit Sitz in Embrach (nachfolgend: PaySys) ist eine schweizerische Gesellschaft, die Zahlungskartenterminals von Drittanbietern vertreibt und Dienstleistungen in den Bereichen Service und Support von Zahlungskartenterminals erbringt.

C.f  Zum anderen waren ab 2005 im Geschäftsbereich der Zahlungskartenakzeptanz (vgl. SV E) neben der Multipay verschiedene Unternehmen in der Schweiz tätig.

C.g  Bis Mitte 2005 hatte die Còrner Banca einen Geschäftsbereich Kreditkartenakzeptanz betrieben. Ab Juli 2005 wurde dieser Geschäftsbereich von der Viseca Card Services, einem schweizerischen Unternehmen im Besitz von verschiedenen Banken, übernommen und in die neu gegründete Aduno SA (nachfolgend: Aduno) mit Sitz in Bedano überführt. Später wurden beide Unternehmen der Führung der Aduno Holding AG mit Sitz in Zürich unterstellt. Die Aduno-Gruppe ist ein Komplettanbieter im Bereich des bargeldlosen Zahlungsverkehrs.             

C.h  Die ConCardis Schweiz AG mit Sitz in Zürich (nachfolgend: ConCardis) ist eine Tochtergesellschaft der deutschen ConCardis-Gruppe, die europaweit als Komplettanbieter im Bereich des bargeldlosen Zahlungsverkehrs tätig ist.

C.i  Die B+S Card Services GmbH mit Sitz in Frankfurt (nachfolgend: B+S) ist ein deutsches Unternehmen im Akzeptanzgeschäft, das zur deutschen Sparkassenfinanzgruppe gehört und in mehreren Ländern Europas tätig ist. B+S bearbeitet den schweizerischen Markt grenzüberschreitend aus Deutschland heraus.

D.  Zahlungskartensysteme

D.a  Zur Bezahlung des Entgelts bei Transaktionen zwischen einzelnen Wirtschaftssubjekten können verschiedene Zahlungsverfahren herangezogen werden. Die möglichen Zahlungsverfahren reichen dabei von der Zahlung mit Bargeld vor Ort bis zur Zahlung im Rahmen von elektronischen Systemen. Eine Klassifizierung der verschiedenen Zahlungsverfahren kann anhand verschiedener Kriterien vorgenommen werden, wie z.B. dem Einsatzort (Bezahlung in der Verkaufsstelle oder im Fernhandel, der den Versandhandel und den Internethandel umfasst), dem Zeitpunkt der Zahlung (vor oder nach Lieferung der Ware bzw. der Erbringung der Dienstleistung), dem Zahlungsmittel (Bargeld, Buchgeld, elektronisches Geld) oder der Häufigkeit der Zahlung (einmalig, wiederkehrend). Allerdings besteht bislang weder eine übereinstimmende noch eine eindeutige Klassifizierung für alle Zahlungsverfahren.

D.b  Der vorliegende Sachverhalt verlangt nach einer Beurteilung von bargeldlosen Zahlungen mittels Zahlungskarten in einer Verkaufsstelle (engl.: Point of Sale, Abk.: POS) unter Nutzung von Zahlungskartenterminals.  

D.c  Der bargeldlose Zahlungsverkehr in einer Verkaufsstelle umfasst im relevanten Zeitraum im Wesentlichen die Möglichkeit zur Abwicklung von Transaktionen unter Einsatz von Zahlungskarten in Zahlungskartensystemen sowie unter Einsatz von Bank- und Postgirosystemen, Checksystemen, Kundenkartensystemen und Wertkartensystemen. Die in jüngster Zeit aufkommenden weiteren elektronischen Zahlungsverfahren können im Rahmen der vorliegenden Betrachtung ausser Acht gelassen werden.

D.d  Ein Zahlungskartensystem ist eine gewerbliche technische Infrastruktur zur Abwicklung von Zahlungsvorgängen unter Einsatz von Zahlungskarten als Zahlungsmittel (vgl. Maurer David, Einblicke in die Ökonomie der Zahlungskartensysteme, 2009, unter: www.snb.ch/de/mmr/reference/ Zahlungskarten/source/Zahlungskarten.de, zuletzt abgerufen am 30.4.2018, zit. Einblicke). Die in Europa am meisten verbreiteten internationalen Kartenzahlungssysteme sind diejenigen von MasterCard, VISA, American Express und Diners Club International. Verbreitete nationale Kartenzahlungssysteme sind Maestro, VISA V-Pay, Postcard und M-Card. Nachfolgend werden die jeweiligen Markennamen der Kartenzahlungssysteme in einfacher Schreibweise abgekürzt angeführt (z.B. Mastercard, Visa, Diners).

D.e  Ein Kartenzahlungssystem umfasst die folgenden Teilnehmer:

-        Der Lizenzgeber einer Zahlungskarte (nachfolgend: Kartenlizenzgeber) wird durch den Gründer und Entwickler der jeweiligen Kartenorganisation bestimmt. Dabei handelt es sich um die oberste Gruppengesellschaft oder eine andere Gruppengesellschaft. Der Kartenlizenzgeber entwirft die jeweiligen Nutzungsregeln für die Teilnehmer des Kartenzahlungssystems und überwacht deren Einhaltung. Zudem erteilt er die notwendigen Lizenzen an die Kartenaussteller und die Kartenakquisiteure und überwacht deren Tätigkeiten;

-        der Aussteller einer Zahlungskarte (nachfolgend: Kartenaussteller; engl.: Issuer) nimmt die Ausstellung von Zahlungskarten an die einzelnen Karteninhaber vor;

-        der Inhaber einer Zahlungskarte (nachfolgend: Karteninhaber) benutzt die Zahlungskarte im Rahmen der bestehenden Regelungen des Kartenvertrags mit dem Kartenaussteller zur bargeldlosen Bezahlung des jeweiligen Entgelts für den Bezug von Waren oder Dienstleistungen gegenüber einem Händler als Anbieter dieser Produkte;

-        der Anbieter von Produkten in Form von Waren und Dienstleistungen (nachfolgend: Händler) nimmt als Entgelt für die Abgabe von Produkten bargeldlose Zahlungen durch eine bestimmte Zahlungskarte entgegen, soweit er sich über einen Kartenakquisiteur dem jeweiligen Zahlungskartensystem angeschlossen hat;  

-        der Anwerber von Händlern für die Akzeptanz der jeweiligen Zahlungskarte im Rahmen von Geschäften zwischen Händlern und Karteninhabern (nachfolgend: Kartenacquisiteur; engl.: Acquirer) ist für die Abwicklung und Verarbeitung der Zahlungskartentransaktion zwischen Karteninhaber, Händler und Kartenaussteller verantwortlich;

-        die Verarbeitung von Zahlungskartentransaktionen erfolgt durch den Kartenakquisiteur oder den Kartenaussteller, wobei diese Tätigkeit auch intern auf einen speziellen Dienstleister (nachfolgend: Transaktionsverarbeiter), der die hierfür notwendige Infrastruktur bereitstellt, übertragen werden kann.

D.f  Bei den bestehenden Zahlungskartensytemen können vorwiegend solche mit vier oder fünf Parteien unterschieden werden, wobei diese in der Praxis gleichwohl unter Ausserachtlassung des Kartenlizenzgebers als Drei-Parteiensysteme oder Vier-Parteiensysteme bezeichnet werden. Bei 4-Parteiensystemen erfolgen die Abwicklung und Verarbeitung einer Zahlungskartentransaktion im Verhältnis zwischen Karteninhaber, Händler und Kartenaussteller durch den Kartenakquisiteur als zusätzlich zwischen die anderen Teilnehmer geschaltete Partei. Um ein 4-Parteiensystem handelt es sich bei Mastercard, Visa sowie Maestro und V-Pay. Bei 3-Parteiensystemen erfolgen die Abwicklung und Verarbeitung einer Zahlungskartentransaktion unmittelbar durch den Kartenaussteller; hierbei wird die Funktion des Kartenakquisiteurs nicht durch ein weiteres Unternehmen besetzt. Um ein 3-Parteiensystem handelt es sich bei American Express, Diners und M-Card sowie Postcard - wobei bei den beiden letzteren der Kartenlizenzgeber und der Kartenaussteller der gleichen Unternehmensgruppe angehören.

D.g  Zahlungskarten sind Plastikkarten mit technischer und elektronischer Ausstattung, mit denen der Karteninhaber das jeweilige Entgelt für den Bezug von Waren und Dienstleistungen bargeldlos entrichten kann. Zahlungskarten lassen sich unter verschiedenen Kriterien differenzieren. Wesentliche Bedeutung kommt der Differenzierung aufgrund der Art des Ausgleichs einer Kartenzahlung zu, wobei Kreditkarten und Debitkarten zu unterscheiden sind. Zudem lassen sich z.B. aufgrund der Art des Karteninhabers Privatkunden- und Firmenkarten voneinander unterscheiden. Aufgrund der Art des Ausstellers sind Bankkarten, bei denen die Zahlungskarten von Kreditinstituten ausgegeben werden, von Unternehmenskarten, die von anderen Unternehmen ausgegeben werden, abzugrenzen.   

D.h  Kreditkarten sind Zahlungskarten, mit denen der Karteninhaber innerhalb eines bestimmten Kreditrahmens Entgelte für Waren und Dienstleistungen begleichen kann. Der daraus resulierende Gesamtbetrag wird jeweils nach Ablauf eines vorgegebenen Zeitraums gegenüber einem Girokonto oder einem speziellen Kreditkartenkonto des Karteninhabers verrechnet und ausgeglichen. Kreditkarten sind z.B. solche der Kartenlizenzgeber von Mastercard, Visa, American Express oder Diners.

D.i  Debitkarten sind Zahlungskarten, mit denen der Karteninhaber unmittelbar ein von ihm geführtes Konto beim Kartenaussteller mit dem jeweiligen Zahlungsbetrag belasten kann. Debitkarten sind Zahlungskarten von Maestro, V-Pay, Postcard und M-Card.

D.j  Eine Verkaufsstelle ist eine Einrichtung eines Händlers zur Abgabe von Produkten, die mit einem Zahlungskartenterminal ausgestattet ist, wodurch das Entgelt für den Bezug dieser Produkte durch den Karteninhaber vor Ort bargeldlos entrichtet werden kann. Die Verbindung zum jeweiligen Zahlungskartensystem der Zahlungskarte wird dabei durch das Zahlungskartenterminal heute entweder als mobiler Zahlungsverkehr über das Telefon oder als elektronischer Zahlungsverkehr über das Internet vorgenommen.

D.k  Der Zahlungsvorgang wurde früher über spezifische physische Abzugsgeräte abgewickelt, während aufgrund der technischen Entwicklung mittlerweile Zahlungskartenterminals zum Einsatz gelangen. Dabei werden Zahlungskarten durch die Verwendung von Abzugsgeräten oder durch den Einsatz von Zahlungskartenterminals bei den jeweiligen Verkaufsstellen identifiziert und zur Auslösung von Zahlungsvorgängen durch den Karteninhaber genutzt. 

D.l  Bei Zahlungskartensystemen ergibt sich folgende prinzipielle Systematik der Zahlungsabwicklung:              
- Der Kartenlizenzgeber erteilt dem Kartenaussteller im Rahmen eines Lizenzvertrags die Berechtigung zur Ausstellung von Zahlungskarten, wofür der Kartenaussteller dem Kartenlizenzgeber im Gegenzug eine Lizenzgebühr bezahlt;              
- der Kartenaussteller wiederum stellt seinem Kunden als Karteninhaber eine Zahlungskarte auf der Grundlage eines Kartenvertrags aus, wobei der Karteninhaber regelmässig eine Gebühr für die Ausstellung zu bezahlen hat;             
- mit der Zahlungskarte entrichtet der Karteninhaber bei einem Händler das Entgelt für den Erwerb eines Produkts;             
- das Entgelt des Händlers wird bei einem 4-Parteiensystem vom Kartenakquisiteur gegenüber dem Kartenaussteller abgerechnet. Der Kartenakquisiteur erhält von diesem den jeweiligen Entgeltbetrag unter Abzug einer sog. Interchange Fee erstattet;               
- bei einem 3-Parteiensystem wird die Abrechnung unmittelbar durch den Kartenaussteller vorgenommen;             
- bei beiden Arten von Zahlungskartensystem erhält der Händler den jeweiligen Entgeltbetrag unter Abzug einer sog. Händlerkommission vom Kartenakquisiteur bzw. dem Kartenaussteller erstattet;             
- der Kartenaussteller belastet den jeweiligen Entgeltbetrag aus einer Kartentransaktion dem Konto des Karteninhabers.

E.  Akzeptanzgeschäft

E.a  Die Tätigkeit eines Kartenakquisiteurs besteht in der Anwerbung von Händlern für ein Kartenzahlungssystem und dadurch der Akzeptanz von Zahlungskarten durch einen Händler (nachfolgend: Akzeptanzgeschäft; engl. Acquiring) sowie infolgedessen die Erbringung von Dienstleistungen gegenüber den Händlern in Zusammenhang mit der Abwicklung von Transaktionen bei Einsatz von Zahlungskarten (nachfolgend: Akzeptanzdienstleistungen).

E.b  Grundlage der Tätigkeit des Kartenakquisiteurs gegenüber dem Händler als Kartenakzeptant bildet ein Vertrag über die Annahme einer bestimmten Zahlungskarte in der Verkaufsstelle des Händlers (nachfolgend: Akzeptanzvertrag).

E.c  Die grundlegende Dienstleistung des Kartenakquisiteurs besteht in der Aufnahme in ein bestimmtes Kartenzahlungssystem. Dadurch wird dem Händler ein Zugang zu einem Kartenzahlungssystem eröffnet, der ihm die Entgegennahme von bargeldlosen Zahlungen mittels einer Zahlungskarte durch seine Kunden ermöglicht.

E.d  Die weiteren wesentlichen Dienstleistungen des Kartenakquisiteurs umfassen die Abwicklung und die Abrechnung der jeweiligen Kartenzahlungstransaktionen des Händlers.

E.e  Darüber hinaus kann die Tätigkeit des Kartenakquisiteurs weitere Dienstleistungen umfassen, die z.B. in Abhängigkeit von der Ausgestaltung der Zahlungskarte als Kredit- oder Debitkarte unterschiedlich ausgestaltet sind.

F.  Zahlungskartenterminals

F.a  Zentrales Element der Abwicklung von Zahlungskartentransaktionen in einer Verkaufsstelle bildet das Zahlungskartenterminal. Dabei handelt es sich um das elektronische Gerät, welches beim Händler dazu benutzt wird, die Zahlungskarten einzulesen, die Daten der Transaktion an die jeweilige Verarbeitungsplattform des Kartenakquisiteurs bzw. des Kartenausstellers zu übermitteln, und welches dem Händler ermöglicht, den schriftlichen Transaktionsbeleg auszustellen, der vom Karteninhaber zu unterzeichnen ist.

F.b  Die Zahlungskartenterminals müssen vom Händler beschafft werden. Die Beschaffung erfolgt entweder direkt bei einem Terminalhersteller bzw. einem von dessen Vertriebspartnern, bei einem auf Zahlungskartenterminals spezialisierten Unternehmen oder bei einem Kartenakquisiteur, der dem Händler das eigene Zahlungskartenterminal oder dasjenige eines Drittherstellers liefert. Die Beschaffung besteht in der Regel im Kauf der Zahlungskartenterminals durch den Händler. Teilweise erfolgt auch nur eine Gebrauchüberlassung des Zahlungskartenterminals an den Händler aufgrund eines Mietvertrags.

F.c  Beim Einsatz des Zahlungskartenterminals ergeben sich zwei verschiedene Schnittstellen: einerseits zwischen der Zahlungskarte und dem Zahlungskartenterminal sowie andererseits zwischen dem Zahlungskarterterminal und der Verarbeitungsplattform des Kartenakquisiteurs bzw. des Kartenausstellers. Für die ordnungsgemässe Abwicklung einer Transaktion ist es erforderlich, dass die jeweiligen Schnittstellen aller an der Transaktion beteiligten Komponenten (Zahlungskarte, Zahlungskartenterminal, Verarbeitungsplattform, jeweils installierte Software etc.) untereinander kompatibel sind und die Informationen jeweils korrekt weiterleiten. Im Rahmen der Ausgestaltung dieser Schnittstellen sind auch Sicherheitsaspekte zu berücksichtigen. Die Interoperabilität ist demnach ein notwendiger Aspekt der verschiedenen Komponenten eines Zahlungskartensystems für dessen ordnungsgemässes Funktionieren.

F.d  Auf internationaler Ebene wurden sowohl die Schnittstellenproblematik als auch Sicherheitsprobleme durch EMVCo - ein Joint Venture von führenden Unternehmen der Zahlungskartenbranche (American Express, JCB, Mastercard, UnionPay und Visa), welches auf die Vereinheitlichungsmassnahmen von Europay, Mastercard und Visa ("EMV") zurückgeht - angegangen. Dadurch konnte 1998 der Standard EMV im Markt eingeführt und bis heute weiterentwickelt werden. EMV basiert auf dem Einsatz der Chip-Technologie, welche verschiedene Vorteile gegenüber der bis dahin benutzten Magnetstreifentechnik vorweist. Mit dem EMV-Standard wird zum einen eine Normierung für die Kommunikation der elektronischen Komponenten in den Zahlungskarten und den für die Zahlungsabwicklung benutzten Geräten und Software sichergestellt, die eine erhöhte Sicherheit gegenüber einem missbräuchlichen Karteneinsatz bietet. Die Normierung setzt die vom Magnetstreifen bereits bekannte Interoperabilität fort, durch welche die system- und länderübergreifende Karten- und Terminalnutzung gewahrt wird. Darüber hinaus wird die Flexibilität erhöht, d.h. die Möglichkeit für jedes Zahlungskartensystem, individuelle Aspekte realisieren zu können, die über die reine Interoperabilität hinausgehen. Die Chip-Technologie bietet eine erhöhte Sicherheit bei der Identifizierung; zudem kommt eine Verschlüsselung zum Einsatz, die nicht aufgedeckt werden kann. Die Zahlungskartenterminals, die Zahlungskarten gemäss EMV-Standard verarbeiten, werden nachfolgend als "EMV-Terminals" bezeichnet.

F.e  In der Schweiz wurden die EMV-Spezifikationen durch die Unternehmen, die im Bereich des Zahlungskartenverkehrs tätig sind, unter der Bezeichnung "ep2-Standard" adaptiert und durch bestimmte nationale Spezifikationen ergänzt. Dadurch wird sichergestellt, dass jedes in der Schweiz gemäss ep2-Standard zertifizierte Zahlungskartenterminal hinsichtlich aller normierten Leistungen eines in der Schweiz tätigen Kartenakquisiteurs kompatibel ist. Im Rahmen der ep2-Zertifizierung werden sowohl die Hardware als auch die Software des Zahlungskartenterminals überprüft und zugelassen. Der ep2-Standard wurde zum 31. Mai 2003 eingeführt. Seit dem Jahr 2007 ist der Verein Technical Cooperation ep2 (nachfolgend: TeCo ep2) für eine Zertifizierung sowie die Betreuung und Weiterentwicklung des ep2-Standards zuständig. Mitglieder dieses Vereins sind neben der Beschwerdeführerin 2 weitere Unternehmen, die im Bereich des Zahlungskartenverkehrs tätig sind, einschliesslich von Jeronimo, der schweizerischen Aduno SA, der ConCardis GmbH, der schweizerischen Tochtergesellschaft einer deutschen Gruppe, sowie des Verbands elektronischer Zahlungsverkehr. Die Zahlungskartenterminals, die Zahlungskarten gemäss ep2-Standard verarbeiten, werden nachfolgend als "ep2-Terminals" bezeichnet.

F.f  Ab dem 1. Januar 2005 wurden die Haftungsregelungen im Kreditkartengeschäft geändert. Bei einem betrügerischen Kreditkartenmissbrauch unter Einsatz einer Zahlkarte mit EMV-Chip haftet danach diejenige an der Abwicklung beteiligte Partei, deren Geräte die EMV-Chiptechnologie nicht unterstützt. Für die Händler in der Schweiz ergab sich daher die Notwendigkeit, ihre vorhandenen Zahlungskartenterminals ohne entsprechenden EMV-Standard gegen solche mit ep2-Technologie auszutauschen, wenn sie eine eigene Haftung aufgrund Mängel der eigenen Zahlungsinfrastruktur ausschliessen wollten.

G.  Dynamische Währungsumrechnung - DCC

G.a  Eine besondere Zusatzleistung, die beim Einsatz von Zahlungskarten vorgesehen werden kann, ist die sog. Dynamische Währungsumrechnung für Auslandstransaktionen (nachfolgend: DCC, engl.: Dynamic Currency Conversion).

G.b  Durch die Bereitstellung dieser Zusatzleistung ermöglicht ein Händler einem ausländischen Zahlungskarteninhaber unmittelbar vor Abschluss der Zahlungstransaktion die Wahl, ob er das jeweilige Entgelt in seiner, vom Zahlungskartenterminal automatisch erkannten "Heimwährung", d.h. der am Ausstellungsort der Zahlungskarte geltenden Währung, oder der "Lokalwährung", d.h. der am Ort des Händlers geltenden Währung, bezahlen will.             

G.c  Hierzu wird dem Karteninhaber vor Abschluss der Zahlungstransaktion der Zahlungsbetrag in der Heimwährung angezeigt, indem eine Umrechnung des jeweiligen (Kauf-)Preises von der Fremdwährung in die Heimwährung auf der Basis eines Tageskurses, d.h. einem aktuellen Devisenwechselkurs, vorgenommen wird. Der Karteninhaber kennt dadurch bereits bei Abschluss der Zahlungstransaktion den massgeblichen Preis in seiner Heimwährung. Die Währungsumrechnung wird in diesem Fall durch den Kartenakquisiteur oder durch ein Drittunternehmen vorgenommen, welches im Auftrag des Kartenakquisiteurs oder des Händlers handelt. Wählt der Karteninhaber eine Zahlung in der Lokalwährung, erfolgt die Umrechnung in die Heimwährung erst nach Abschluss der Zahlungstransaktion bei Vornahme der Abrechnung durch den Kartenaussteller. Dabei kommt regelmässig der zum Zeitpunkt der Abrechnung massgebliche Wechselkurs zur Anwendung.

G.d  Für den Karteninhaber ergibt sich durch den Einsatz der Währungsumrechnung eine verbesserte Preistransparenz beim Einsatz seiner Zahlungskarten im Ausland. Ob und inwieweit sich für ihn auch ein finanzieller Vorteil einstellt, ist zum einen davon abhängig, wie sich der Umrechnungskurs zwischen Einsatz der Karte und Abrechnung durch den Kartenaussteller tatsächlich entwickelt, sowie zum anderen von den jeweiligen Gebühren, die einerseits auf Seiten des Kartenakquisiteurs bzw. des Drittunternehmens und andererseits auf Seiten des Kartenausstellers für die Abwicklung der Zahlungstransaktion angesetzt werden. Denn für die Währungsumrechnung wird vom Kartenaussteller regelmässig eine Gebühr von 3% des Transaktionswertes verrechnet.

G.e  Die Währungsumrechnung führt demzufolge zu einer Verlagerung des Wechselkursgeschäfts und dessen Erlösen vom Kartenaussteller zum Kartenakquisiteur bzw. einem Drittunternehmen. Die Einnahmen aus dem Wechselkursgeschäft werden regelmässig unter den beteiligten Parteien, d.h. dem Kartenakquisiteur und dem Händler sowie gegebenenfalls einem involvierten Drittunternehmen, aufgeteilt. Für den Händler ergibt sich als Folge einer Nutzung der Umrechnungsdienstleistung effektiv eine geringere Händlerkommission.

G.f  Die Voraussetzungen für die Nutzung der Währungsumrechnung durch den Händler sind kumulativ folgende Aspekte: (i) eine Vereinbarung mit einem Kartenakquisiteur, der Fremdwährungstransaktionen verarbeitet; (ii) eine Vereinbarung mit einem Anbieter von Währungsumrechnungsdienstleistungen, wobei es sich hierbei um den Kartenakquisiteur, ein Drittunternehmen oder den Lieferanten des Zahlungskartenterminals handeln kann; (iii) das Vorhandensein eines Zahlungskartenterminals mit der Möglichkeit zur Anzeige der Währungsumrechnung.

G.g  Aufgrund dessen sind im Rahmen der Währungsumrechnung folgende wesentlichen Elemente zu unterscheiden: (i) die Erbringung von Währungsumrechnungsdienstleistungen als Gesamtheit der Leistungen, die gegenüber den Händlern als Währungsumrechnung erbracht werden; (ii) die tatsächliche Währungsumrechnung, d.h. die technischen Abläufe, mit der zum einen die Umrechnung des Kaufpreises in den Zahlungsbetrag vorgenommen wird sowie zum anderen die entsprechenden Daten in den Kartenzahlungssystemen übermittelt und verarbeitet werden (nachfolgend: DCC-Funktion); (iii) die Anzeige der Währungsumrechnung am Zahlungskartenterminal (nachfolgend: DCC-Anzeige).

G.h  Die Währungsumrechnung wurde erstmals 2001 von einem englischen Unternehmen eingeführt. Auf internationaler Ebene haben sich seither diverse Unternehmen auf die Erbringung von Währungsumrechnungsdienstleistungen spezialisiert. Seit März 2005 bietet Multipay die Währungsumrechnung gegenüber Händlern im Markt an. Auch die anderen, in der Schweiz tätigen Kartenakquisiteure haben entsprechende Angebote in Zusammenarbeit mit einem spezialisierten Drittunternehmen eingeführt. Aduno kooperiert mit First Currency Choice (Schweiz) AG (nachfolgend: FCC Schweiz); ConCardis arbeitet mit Fexco zusammen; B&S bietet die Leistungen von FCC Service Europa AB an.

G.i  Weder die DCC-Funktion selbst noch die DCC-Anzeige sind allerdings Bestandteil des ep2-Standards. Dies hat zur Folge, dass keine einheitliche technische Struktur für die Abwicklung der Währungsumrechnung zur Verfügung steht. Kartenakquisiteur und Terminalhersteller sind demzufolge darauf angewiesen, technisch kompatible Schnittstellen für die Akzeptanz-Plattform und Zahlungskartenterminals bereit zu stellen.

G.j  Die Abwicklung der Währungsumrechnung innerhalb der SIX-Gruppe erfolgte im relevanten Zeitraum über die DCC-Funktion auf den Processing-Servern der Card Solutions und die DCC-Funktion in den Zahlungskartenterminals. Der Wechselkurs der DCC-Währungsumrechnung wurde durch Multipay festgelegt.

G.k  Bis zum 30. Mai 2007 bestand zwischen Multipay und Card Solutions keine schriftliche Kooperationsvereinbarung, mit der die Bereitstellung der DCC-Funktion für Multipay durch Card Solutions sowie deren Verwendung gegenüber den Händlern durch Multipay geregelt wurden. Der Leistungsaustausch erfolgte durch faktisches Handeln aufgrund einer völlig allgemein gehaltenen Abrede, nach der Card Solutions die DCC-Funktion entwickelt und zur Verfügung stellt und dafür {0,1-[ , ]-1,5}% des Umsatzes, welcher durch die DCC-Dienstleistung generiert wird, von Multipay ausbezahlt erhält.

H.  Marktverhältnisse

H.a  Hinsichtlich der relevanten Märkte und der Position der Beschwerdeführerinnen auf diesen Märkten während des relevanten Zeitraums sind folgende Aspekte von Bedeutung.

H.b  Auf dem Markt für Kreditkarten waren vier Kreditkartennetzwerke vertreten. Dabei ergeben sich aufgrund der von den einzelnen Kartenakquisiteuren und Kartenlizenzgebern für das Jahr 2010 angegebenen Zahlen die folgenden grundlegenden Marktdaten: Mastercard weist über 100´000 Akzeptanzstellen, rund 2,3 Mio. Karteninhaber und einen Marktanteil an Karteninhabern von etwa 54% auf. Visa weist über 100´000 Akzeptanzstellen, rund 1,7 Mio. Karteninhaber und einen Marktanteil von Karteninhabern von etwa 40% auf. American Express weist über 70´000 Akzeptanzstellen, rund 200´000 Karteninhaber und einen Marktanteil an Karteninhabern von etwa 5% auf. Diners weist über 65´000 Akzeptanzstellen, rund 40´000 Karteninhaber und einen Marktanteil an Karteninhabern von etwa 1% auf.

H.c  Sämtliche in der Schweiz tätigen Kartenakquisiteure boten gleichzeitig die Kartenakzeptanz von Mastercard und Visa an. Bei der grossen Mehrheit der Kartenakquisiteure kommen für Mastercard und Visa die gleichen Kommissionssätze sowie die ähnlichen Geschäftsbedingungen zur Anwendung.

H.d    Auf dem Markt der Debitkarten waren drei Kartennetzwerke vorhanden: Maestro von Mastercard, die Postcard der Postfinance und die M-Card der Migrosbank. Zudem war eine Einführung von V-Pay der Visa Europe auf dem schweizerischen Markt im Gespräch; ihre Einführung hat sich allerdings über den Abschluss der Untersuchung durch die Vor-instanz hinaus verzögert. Dabei ergaben sich folgende Marktdaten: Im Jahr 2008 waren ca. 5 Mio. emittierte Meastro-Karten im Umlauf, weitere 2,7 Mio. Karten verteilten sich auf Postcard und M-Card. Maestro ist ein internationales Debitkartenprodukt, während die Postcard und die M-Card nur innerhalb der Schweiz genutzt werden können.

H.e  Bis zum Jahr 2005 verfügte in der Schweiz nur Multipay über eine Lizenz für die Debitkartenakzeptanz Maestro. Erst ab 2006 konnten auch die übrigen, in der Schweiz tätigen Kartenakquisiteure eine Lizenz erwerben, um Kunden für Maestrokarten zu gewinnen und Debitkartenakzeptanzgeschäfte abzuwickeln.

H.f  Für den Einsatz von Kredit- und Debitkarten lassen sich wesentliche Unterschiede feststellen. Der Verbreitungsgrad der Kreditkarten ist niedriger als derjenige der Debitkarten. Im Jahr 2008 waren rund 7,6 Mio. De-bitkarten, aber nur 4,5 Mio. Kreditkarten im Umlauf. Gemäss den Feststellungen der Schweizerischen Nationalbank wurde eine Kreditkarte im Jahr 2008 rund 27-mal, eine Debitkarte hingegen 43 Mal eingesetzt. Dabei lag der durchschnittliche Transaktionsbetrag in den Jahren 2000 bis 2008 für die Kreditkarten zwischen 183 CHF und 196 CHF, während der gleiche Wert für die Debitkarten zwischen 83 CHF und 86 CHF schwankte. Gemäss der Studie Cards 06 aus dem Jahr 2006 werden Debitkarten ganz überwiegend für kleine und mittlere Beträge bis 1´000 CHF eingesetzt, während Kreditkarten auch für Beträge bis 10´0000 CHF zur Anwendung gelangen. Im Jahr 2008 verfügten rund 68% der Händler über einen Akzeptanzvertrag sowohl für Kreditkarten als auch für Debitkarten. Bei Multipay verfügten von 2006 bis 2008 sogar {80-[ ]-90}% ihrer Geschäftspartner gleichzeitig über einen Akzeptanzvertrag für Kredit- und Debitkarten. Die Kosten des Händlers für die Kreditkartenakzeptanz sind wesentlich höher als diejenigen für die Debitkartenakzeptanz. Im Jahr 2008 betrug die vom Händler zu bezahlende Kommission 1,8% der Transaktionssumme, während z.B. für eine Debitkartentransaktion bei Maestro lediglich 0,20 CHF je Transaktion unabhängig von der Transaktionssumme anfielen.

H.g  Im relevanten Zeitraum waren in der Schweiz neben Multipay noch Aduno sowie ConCardis und B+S als Kartenakquisiteure tätig.

H.h  Multipay kommt eine beachtliche Position auf den Märkten der Kreditkartenakzeptanz von Mastercard und Visa sowie der Debitkartenakzeptanz von Maestro zu, die mindestens {55-[ ]-65}% bzw. {85-[ ]-95}% betrug (vgl E. 422 ff., E. 495 ff.).

H.i  Der schweizerische Markt der ep2-Terminals wurde im relevanten Zeitraum von sieben Terminalherstellern bearbeitet, die mehrheitlich internationale Produkte anbieten.             

H.j  Die Umrechungsdienstleistungen werden gegenüber den Händlern angeboten, welche diese besondere Dienstleistung in Auftrag geben und bezahlen müssen.

H.k  Auf dem Markt für Umrechnungsdienstleistungen kamen unterschiedliche Absatzsysteme zum Einsatz. Zum einen bieten einzelne Kartenakquisiteure (Aduno, B&S, ConCardis) die Währungsumrechnung als zusätzliche externe Leistung eines Dritten als besonderen Kooperationspartner an; der Händler muss daher mit dem Kooperationspartner seines Kartenakquisiteurs einen gesonderten Vertrag über die Währungsumrechnung abschliessen. Zum anderen bietet Multipay die Währungsumrechnung als eigene Vertragsleistung an, auch wenn die Währungsumrechnung durch Card Solutions als Subunternehmer von Multipay erbracht wird; der Händler schliesst hier nur einen Vertrag mit Multipay ab. Dies bedeutet, dass die Wahl des Dienstleisters für die Währungsumrechnung mit der Wahl des Kartenakquisiteurs verbunden ist, weil jeder Kartenakquisiteur nur mit einem Dienstleister für Währungsumrechnung zusammenarbeitet.

H.l  Multipay war im relevanten Zeitraum im Wesentlichen als Kartenakquisiteur tätig.

H.m  Card Solutions war im relevanten Zeitraum im Wesentlichen als Terminalhersteller tätig. Die Zahlungskartenterminals wurden dann durch die Aufspielung weiterer Software mit dem ep2-Standard ausgerüstet. Darüber hinaus trat Card Solutions auch als Erbringer von Währungsumrechnungsdienstleistungen in Erscheinung. Card Solutions hatte im Jahr 2004 ein Softwareprogramm zur Anwendung der Währungsumrechnung für ihre ep2-Terminals entwickelt.             

H.n  Die Umrechnungsdienstleistung wurde im relevanten Zeitraum den Händlern nicht durch Card Solutions direkt, sondern durch Multipay angeboten. Darauf hat Card Solutions selbst in Werbeanpreisungen ausdrücklich hingewiesen. Die von Multipay angebotene DCC-Funktion konnte im Zeitraum von ihrer Einführung im März 2005 bis mindestens Januar 2007 - dem Zeitpunkt, an dem Jeronimo die Schnittstelleninformationen Jeronimo mitgeteilt wurden - sowie während eines nicht verifizierten Zeitraums für die anschliessende Entwicklung der Zahlungskartenterminals mit Währungsumrechnung durch den Terminalhersteller von einem Händler nur bei Einsatz eines Zahlungskartenterminals der Card Solutions genutzt werden.

I.  Geschehensablauf

I.a  Hinsichtlich des konkreten Geschehensablaufs sind mehrere Ereignisse und Aspekte von wesentlicher Bedeutung.

I.b  Im September 2004 lancierte die Card Solutions das DCC-Projekt und erstellte im Laufe des Oktobers 2004 die Systemspezifikationen. Im Dezember 2004 wurde die interne Erprobungsphase abgeschlossen. Zwischen Januar und Februar 2005 wurden im Rahmen einer Pilotphase mit ausgewählten Kunden von Multipay die DCC-Terminals im Praxisbetrieb eingesetzt. Dabei wurden anfänglich auftretende Schwierigkeiten der Terminalsoftware beseitigt.

I.c  Spätestens ab Januar 2005 begann die Vermarktung der DCC-Funktion durch Multipay im Markt gegenüber bestehenden und potenziellen Kunden (vgl. E. 702).

I.d  Bereits mit Beginn der Vermarktung erfolgte auch der Absatz der DCC-Funktion seitens von Multipay (vgl. E. 706).

I.e  Für die Nutzung der DCC-Funktion durch die interessierten Händler war der Abschluss von besonderen DCC-Verträgen mit Multipay erforderlich. Die konkrete Ausgestaltung der DCC-Verträge war von der jeweiligen Vertragsbeziehung zum Händler abhängig. Bei Neuabschluss einer allgemeinen Vereinbarung über die Akzeptanz bargeldloser Zahlungsmittel mit Multipay konnte der Händler neben sonstigen Zusatzprodukten die zusätzliche Leistung DCC auswählen, wodurch neben den von Multipay vorgegebenen allgemeinen Geschäftsbedingungen für das bargeldlose Zahlen - sowie allenfalls weiteren besonderen Geschäftsbedingungen für sonstige Zusatzprodukte - auch die besonderen Geschäftsbedingungen für Dynamic Currency Conversion (DCC) zur Anwendung gelangten. Bei Ergänzung eines bestehenden Vertragsverhältnisses unterzeichnete der Händler eine Zusatzvereinbarung Dynamic Currency Conversion (DCC) zum jeweils bestehenden Vertragsmodul, mit der die besonderen Geschäftsbedingungen für die Währungsumrechnungsdienstleistungen in Kraft gesetzt wurden.

I.f  Für die verschiedenen Phasen zwischen März 2005 und Ende 2008 ergibt sich jeweils die folgende Anzahl an Abschlüssen eines DCC-Vertrages zwischen Multipay und Händlern: zwischen März und Juni 2005 für 4 Monate - {600-[ ]-700} Händler; von Juli bis Oktober 2005 für 4 Monate - {1000-[ ' ]-1100} Händler; bis Ende 2005 für 2 Monate - {500-[ ]-600} Händler; zwischen Januar und März 2006 für 3 Monate - {400-[ ]-500} Händler; zwischen April und August 2006 für 5 Monate - {1000-[ ´ ]-1´100} Händler; bis zum Jahresende 2006 für 4 Monate - {900-[ ]-1´000} Händler; bis Mitte 2007 für 6 Monate - {1´400-[ ' ]-1´500} Händler; bis Ende 2007 für 6 Monate - {1´500-[ ´ ]-1´600} Händler; im Jahr 2008 für 12 Monate - {3´000-[ ´ ]-3´200} Händler. Insgesamt wurden von Multipay {10´000-[ ' ]-11´000} DCC-Verträge abgeschlossen, die sich wie folgt auf die einzelnen Jahre verteilen: 2005 - {2´000-[ ´ ]-2´500}; 2006 - {2´200-[ ´ ]-2´700}; 2007 - {2´500-[ ´ ]-3´000}; 2008 - {2´800-[ ´ ]-3´300}.

I.g  Ende 2006 hatten {50´000-[ ´ ]-60´000} Händler einen Akzeptanzvertrag für Kredit- oder Debitkarten mit Multipay abgeschlossen. Der Bestand an DCC-Verträgen belief sich per Ende 2006 auf {4´000-[ ´ ]-5´000} Vertragsverhältnisse; deren Anteil am Gesamtbestand an Akzeptanzverträgen betrug somit {7-[ , ]-10}%.

I.h  Nach Auskunft der Beschwerdeführerinnen ergab sich bei Multipay auf Ende des Jahres 2010 nur noch ein Bestand von {4´000-[ ´ ]-5´000} DCC-Verträgen. Dies entsprach einem Anteil von {4-[ , ]-7}% am Gesamtbestand von {80´000-[ ´ ]-90´000} Vertragskunden, die Bedarf an einem Zahlungskartenterminal mit DCC-Funktion hatten. Der länger-fristige Bestand an DCC-Verträgen bei Multipay entsprach somit der Anzahl an DCC-Verträgen, die von Multipay bereits im relevanten Zeitraum abgeschlossen worden waren.

I.i  Der Absatz von Zahlungskartenterminals der Card Solutions mit DCC-Funktion wurde ebenfalls seit März 2005 aufgenommen. Der Gesamtbestand an Zahlungskartenterminals in der Schweiz betrug Ende 2006 zwischen 120´000 und 130´000 Zahlungskartenterminals. Hiervon waren rund {60´000-[ ´ ] bis [ ´ ]-70´000} Zahlungskartenterminals mit dem neuen ep2-Standard ausgerüstet. Demzufolge bestand ein weiteres Marktpotential für die Neuanschaffung von Zahlungskartenterminals mit ep2-Standard im Umfang von {mindestens 50´000-[ ´ ] bis maximal [ ´ ]-70´000} Stück. Nach Auskunft der Beschwerdeführerinnen konnte der Bestand an ep2-fähigen Zahlungskartenterminals von {4´000-[ ´ ]-5´000} Einheiten zum 31.12.2004 auf {12´000-[ ´ ]-13´000} Einheiten zum 31.12.2005 und {35´000-[ ´ ]-40´000} Einheiten zum 31.12.2006 gesteigert werden. Die Beschwerdeführerinnen konnten demnach in den Jahren 2005 {7´000-[ ´ ]-8´000} Einheiten und 2006 {23´000-[ ´ ]-25´000} Einheiten und somit im relevanten Zeitraum insgesamt {30´000-[ ´ ]-35´000} ep2-fähige Zahlungskartenterminals absetzen. Dies entspricht einem Anteil von rund {48-[ ]% bzw. [ ]-53}% am Gesamtbestand von ep2-fähigen Zahlungskartenterminals in der Schweiz zum 31.12.2006.

I.j  Alle übrigen Terminalhersteller zusammen konnten in diesem Zeitraum demgegenüber nur rund die Hälfte dieser Anzahl an Zahlungskartenterminals absetzen.

I.k  Die Card Solutions hat dabei ihren Marktanteil am gesamten Terminalmarkt selbst bei Ausserachtlassung der Verkäufe an die Grossverteiler von {40-[ ]-45}% auf {55-[ ]-55}%, d.h. um {10-[ ]-15} Prozentpunkte, zu Lasten der Konkurrenten ausgebaut.

I.l  Ende des Jahres 2006 waren {85- -95}% der ep2-zertifizierten Zahlungskartenterminals der Card Solutions bei Multipay im Einsatz.

I.m  Hinsichtlich der in den Jahren 2005 und 2006 von Card Solutions abgesetzten ep2-fähigen Zahlungskartenterminals wurde nach Auskunft der Beschwerdeführerinnen für {1´700-[ ´ ]-1´800} Einheiten ein DCC-Vertrag mit Multipay abgeschlossen und die Aufschaltung der DCC-Funktion vorgenommen. Dies entspricht einem Anteil von {5-[ , ]-6}% an Zahlungskartenterminals von Card Solutions und {2-[ , ]% bzw. [ , ]-3}% am gesamten Bestand an ep2-fähigen Zahlungskartenterminals in der Schweiz.

I.n  Nach Auskunft der Beschwerdeführerinnen betrug Ende 2010 der Gesamtbestand an Zahlungskartenterminals der Card Solutions {130´000-{ ´ }-140´000} Stück, wovon {100´000-[ ´ ]-110´000} Stück ep2-fähig waren. Dabei waren {20´000-[ ´ ]-23´000} Zahlungskartenterminals in der Lage, die DCC-Funktion von Multipay aktiv zu nutzen, d.h. es bestand sowohl ein DCC-Vertrag und die Funktion war am Zahlungskartenterminal aufgeschaltet. Der Anteil der aktiven Zahlungskartenterminals betrug somit {13-[ , ]-18}% am Gesamtbestand von Zahlungskartenterminals der Card Solution bzw. {18-[ , ]-23}% am Bestand an ep2-fähigen Zahlungskartenterminals von Card Solutions. Da Ende 2010 nach Auskunft der Beschwerdeführerinnen {4´000-[ ´ ]-5´000} DCC-Verträge bestanden, entfallen auf jeden dieser DCC-Verträge durchschnittlich {4-[ , ]-5} ep2-fähige Zahlungskartenterminals.

I.o  Zwischen Juni 2005 und März 2006 kam es zu mehreren Anfragen von Terminalherstellern an Multipay hinsichtlich einer Zurverfügungstellung der notwendigen Informationen, um die eigenen Zahlungskartenterminals für die DCC-Funktion von Multipay technisch aufrüsten zu können. Sämtliche Anfragen wurden durch Multipay abschlägig beschieden. Diese Ablehnung der Anfragen wurde durch die Multipay noch in ihrer Stellungnahme vom 25. August 2006 gegenüber der Vorinstanz im Rahmen von deren Vorabklärung gerechtfertigt und bekräftigt.

I.p  Spätestens am 10. Juni 2005 wurde vom CEO von Jeronimo im Rahmen eines Gesprächs mit Verantwortlichen von Multipay erstmals das Anliegen geäussert, die Spezifikationen für die DCC-Funktion zu erhalten. Dieses Anliegen wurde mit Schreiben vom 5. Juli 2005 bekräftigt. Bereits am 20. Juni 2005 wurde im Rahmen der Geschäftsleitungssitzung von Card Solutions durch den CEO von Multipay darauf hingewiesen, dass gegenüber Jeronimo die DCC-Funktion nicht angeboten werde.

I.q  Das gleiche inhaltliche Anliegen wurde gegenüber der Multipay am 22. Juli 2005 von Seiten der Ingenico vorgebracht. Des Weiteren wurde im November 2005 von PaySys ebenfalls eine Anfrage auf Überlassung der Spezifikationen für die DCC-Funktion vorgebracht. Beiden Unternehmen wurde von Multipay mitgeteilt, dass sich die DCC-Funktion in einer Pilotphase befinde und die Funktion daher nicht zur Verfügung gestellt werden könne.

I.r  Am 9. Januar 2006 erfolgte in der Geschäftsleitung von Multipay die Entscheidung, die DCC-Funktion für andere Terminalhersteller nicht freizugeben. Dieser Entscheid wurde nach Angaben der Beschwerdeführerinnen Jeronimo durch Mail vom 16. Januar 2006 mitgeteilt.

I.s  Nachdem Jeronimo am 30. Januar und 20. Februar 2006 mangels Eingangs oder Kenntnisnahme des Mails vom 16. Januar 2006 wegen der zu treffenden Entscheidung nochmals nachgefragt und keine Antwort erhalten hatte, forderte die Van de Velden die Multipay mit Schreiben vom 17. März 2006 auf, sämtliche Informationen offenzulegen, welche es Jeronimo erlauben würde, eine Software mit DCC-Funktion für ihre Zahlungskartenterminals zu entwickeln. Dabei sollte Multipay bis zum 25. März 2006 mitteilen, ob sie bereit sei, bis zum 8. April 2006 Verhandlungen darüber aufzunehmen. Daraufhin teilte die Multipay der Van de Velden durch Schreiben vom 20. März 2006 mit, dass sie keine Veranlassung sehe, ihre Position zu ändern.

I.t  Im Dezember 2005 hatte Visa allen Kartenakquisiteuren, welche die DCC-Funktion anboten, mitgeteilt, dass eine Überprüfung dieser Funktion im Hinblick auf eine sachgerechte Nutzung gegenüber dem Karteninhaber durchzuführen sei und eine Re-Zertifizierung der jeweiligen Soft- und Hardware, die für die Währungsumrechnung benutzt würden, durchgeführt werden müsse. Aufgrund dieser Vorgaben wurden von Multipay/Card Solutions gewisse Änderungen der Benutzerführung vorgenommen. Die definitive Re-Zertifizierung durch das Visa Card Scheme wurde Multipay/Card Solutions am 1. März 2006 erteilt. Eine anschliessende 2-monatige Re-Qualifizierungsphase wurde mit den jeweiligen Monatsaudits für März und April erfolgreich abgeschlossen. Die definitive Re-Qualifizierung erfolgte durch das Visa Card Scheme mit Schreiben vom 11. Mai 2006. Von anderen Kartenlizenzgebern wurde zu diesem Zeitpunkt keine Re-Zertifizierung vorgenommen.

I.u  Mit Schreiben vom 25. August 2006 lehnte Multipay eine Offenlegung der Spezifikationen an sonstige Terminalhersteller auch gegenüber der Vorinstanz ab. Dabei wurden im Wesentlichen immaterialgüterrechtliche Aspekte und die fehlende Erheblichkeit der Beeinträchtigung als Gründe für die Ablehnung geltend gemacht. Angesichts der Kosten einer Umsetzung und der zu erwartenden Umsätze wäre es zudem erforderlich, nur in beschränktem Masse eine Kooperation einzugehen ("Angesichts des sehr beschränkten Marktpotentials hat sich Multipay, wie auch das Konkurrenzunternehmen Aduno, zurecht dazu entschlossen, für die DCC-Funktion nur in engen Kooperationen zusammenzuarbeiten"). Zu diesem Zeitpunkt wurde nicht darauf abgestellt, dass sich die DCC-Funktion seit März 2005 noch in einer Test- oder Erprobungsphase befunden habe. Hingegen wurde ausdrücklich festgehalten, dass somit Multipay und Card Solutions ein legitimes Interesse daran hätten, "diesen Innovationsvorsprung für sich selbst zu nutzen".

J.  Vorinstanzliches Verfahren

J.a  Hinsichtlich des Verfahrens vor der Vorinstanz sind folgende Ereignisse anzuführen.

J.b  Am 20. Juli 2006 zeigte Jeronimo beim Sekretariat der Vorinstanz die Multipay an und brachte vor, diese biete als Kartenakquisiteur von Zahlungskartentransaktionen ihren Vertragspartnern die DCC-Funktion nur an, wenn diese über ein DCC-fähiges Kartenzahlungsterminal verfügten. DCC-fähig seien gemäss der Multipay aber nur die Zahlungskartenterminals ihrer Schwestergesellschaft Card Solutions, nicht hingegen die Zahlungskartenterminals von Drittunternehmen. Daneben verweigere Multipay trotz wiederholter Anfragen der Anzeigeerstatterin die Herausgabe der notwendigen Informationen für die Kommunikation mit dem Verarbeitungssystem der Multipay. Dies stelle eine unzulässige Verhaltensweise eines marktbeherrschenden Unternehmens im Sinne von Art. 7 des Kartellgesetzes dar. Neben der Feststellung dieser unzulässigen Verhaltensweise beantragte die Anzeigeerstatterin, es sei festzustellen, dass die Angezeigte über eine marktbeherrschende Stellung im schweizerischen Markt für das Akzeptanzgeschäft von Mastercard und Visa-Kreditkarten sowie Maestro-Debitkarten verfüge. Schliesslich sei die Angezeigte zu verpflichten, der Anzeigeerstatterin die für den Gebrauch und das Betreiben einer DCC-Funktion erforderliche Spezifikation offenzulegen und die zum Gebrauch und Betreiben dieser Funktion an Zahlungskartenterminmals erforderliche Unterstützung und Zustimmung zu geben.

J.c  Am 24. Juli 2006 eröffnete das Sekretariat der Vorinstanz eine Vorabklärung in Sachen Telekurs/Terminals mit DCC. Mit Schlussbericht vom 10. Januar 2007 stellte es fest, dass Anhaltspunkte bestünden, dass eine unzulässige Wettbewerbsbeschränkung vorliege bzw. vorgelegen habe.

J.d  Am 17. Januar 2007 eröffnete das Sekretariat im Einverständnis mit einem Mitglied des Präsidiums die Untersuchung Nr. 32-0205 betreffend Telekurs Multipay AG/Terminals mit DCC. Es gab die Eröffnung der Untersuchung durch amtliche Publikation im schweizerischen Handelsamtsblatt SHAB vom 22. Januar 2007 und im Bundesblatt vom 30. Januar 2007 bekannt.

J.e  Am 22. bzw. 25. Januar 2007 stellten die Multipay und die Card Solutions der Anzeigeerstatterin eine Geheimhaltungserklärung zu, nach deren Unterzeichnung die gewünschten Schnittstellen und Terminalspezifikationen übermittelt wurden.

J.f  Auf die Prozessgeschichte der Untersuchung (Untersuchungshandlungen, Ausstandsverfahren mit Zwischenverfügung des Sekretariats vom 5. November 2007, Entscheid des Bundesverwaltungsgerichts vom 1. September 2008 und Entscheid des Bundesgerichts vom 24. März 2009) wird soweit erforderlich in den Erwägungen inhaltlich eingegangen.

J.g  Am 15. Juni 2007 trat der das Verfahren leitende Vizedirektor des Sekretariats in den Ausstand, nachdem aufgrund von Äusserungen in einem anderen Verfahren bei den Parteien der Eindruck entstanden war, es würde ein Konnex zwischen den beiden Verfahren hergestellt werden. Die Dossierverantwortung ging zu diesem Zeitpunkt auf den Direktor des Sekretariats über.

J.h  Am 21. August 2007 beantragten Multipay/Card Solutions den Erlass einer Zwischenverfügung über ihr Begehren, dass sämtliche bisherigen Verfahrenshandlungen, an denen der betroffene Vizedirektor mitgewirkt habe, zu wiederholen seien. Nachdem die Wettbewerbskommission dieses Begehren mit Zwischenverfügung vom 5. November 2007 abgelehnt hatte, erhoben Multipay/Card Solutions hiergegen am 6. Oktober 2007 Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht. Mit Urteil vom 1. September 2008 wurde ihre Beschwerde vom Bundesverwaltungsgericht abgewiesen. Daraufhin erhoben Multipay/Card Solutions Beschwerde an das Bundesgericht. Mit Urteil vom 24. März 2009 wurde diese Beschwerde durch das Bundesgericht abgewiesen.

J.i  Mit Schreiben vom 21. April 2009 nahm das Sekretariat seine Untersuchung mit Fragen zur Aktualisierung des Sachverhalts an die Verfahrensbeteiligten wieder auf.

J.j  Am 8. Juni 2010 erweiterte das Sekretariat im Einvernehmen mit einem Mitglied des Präsidiums die Untersuchung auf die SIX Group AG.

J.k  Bereits am 6. November 2009 gelangten Multipay/Card Solutions an das Sekratariat mit dem Anliegen, die Möglichkeiten einer einvernehmlichen Regelung abzuklären. Daraufhin wurden Verhandlungen über den Inhalt einer solchen Vereinbarung geführt, wobei zwei Besprechungen stattfanden und mehrere Versionen eines Entwurfs ausgearbeitet wurden. Am 24. Juni 2009 nahmen Multipay/Card Solutions und die SIX Group AG zu einem überarbeiteten Vorschlag für eine einvernehmliche Regelung des Sekretariats vom 9. Juni 2009 Stellung. Das Sekretariat brach daraufhin die Verhandlungen über den Abschluss einer einvernehmlichen Regelung mit Schreiben vom 30. Juni 2010 ab, weil über einige wesentliche Elemente der Vereinbarung kein Konsens zwischen den Parteien zustande kam.

J.l  Nach Abschluss der Untersuchung erliess die Vorinstanz am 29. November 2010 gegenüber der SIX Group AG, der SIX Multipay AG und der SIX Card Solutions AG eine Verfügung mit folgendem Inhalt:

"1. Es wird festgestellt, dass die SIX Group AG mittels ihrer Tochtergesellschaft SIX Multipay AG im Markt für das Acquiring der Kreditkarten Visa und Mastercard sowie im Markt für das Acquiring der Debitkarte Maestro über eine marktbeherrschende Stellung verfügt und diese bereits in der für den Missbrauch massgebenden Zeitperiode vom 5. Juli 2005 bis zum 8. Dezember 2006 bestand.

2. Es wird festgestellt, dass die SIX Group AG mittels ihrer Tochtergesellschaft SIX Multipay AG vom 5. Juli 2005 bis zum 8. Dezember 2006 eine unzulässige Verhaltensweise im Sinne von Art. 7 Abs. 1 i.V.m. Art. 7 Abs. 2 lit. a KG begangen hat, indem sie sich geweigert hat, bezüglich DCC mit anderen Terminalherstellern als der SIX Card Solutions AG zusammenzuarbeiten und ihnen die notwendigen Schnittstelleninformationen offen zu legen.

3. Es wird festgestellt, dass die SIX Group AG mittels ihrer Tochtergesellschaft SIX Multipay AG vom 5. Juli 2005 bis zum 8. Dezember 2006 eine unzulässige Verhaltensweise im Sinne von Art. 7 Abs. 1 i.V.m. Art. 7 Abs. 2 lit. b KG begangen hat, indem sie bezüglich DCC nur mit ihrer Schwestergesellschaft SIX Card Solutions AG zusammengearbeitet hat.

4. Es wird festgestellt, dass die SIX Group AG mittels ihrer Tochtergesellschaft SIX Multipay AG vom 5. Juli 2005 bis zum 8. Dezember 2006 eine unzulässige Verhaltensweise im Sinne von Art. 7 Abs. 1 i.V.m. Art. 7 Abs. 2 lit. e KG begangen hat, indem sie sich geweigert hat, bezüglich DCC mit anderen Terminalherstellern als der SIX Card Solutions AG zusammenzuarbeiten und ihnen die notwendigen Schnittstelleninformationen offen zu legen.

5. Es wird festgestellt, dass die SIX Group AG mittels ihrer Tochtergesellschaft SIX Multipay AG vom 5. Juli 2005 bis zum 8. Dezember 2006 eine unzulässige Verhaltensweise im Sinne von Art. 7 Abs. 1 i.V.m. Art. 7 Abs. 2 lit. f KG begangen hat, indem sie bezüglich der DCC-Funktion eine technische Koppelung von Acquiring verbunden mit der DCC-Dienstleistung und Terminal vorgenommen hat.

6. Die SIX Group AG wird für das unter Ziffer 2-5 beschriebene Verhalten mit einem Betrag von CHF 7'029'000.- belastet.

7. Die Verfahrenskosten von insgesamt CHF 215'650.- werden der SIX Group AG auferlegt.

8. [Rechtsmittelbelehrung]

9. [Eröffnung]"

K.  Beschwerdeverfahren

K.a  Gegen diese Verfügung legten die Beschwerdeführerinnen am 31. Januar 2011 Beschwerde beim Bundesverwaltungsgericht ein. Sie beantragen, die Ziff. 1-7 des Dispositivs der angefochtenen Verfügung seien aufzuheben, eventualiter seien die Ziffern 1-7 anzupassen und es sei die Beschwerdeführerin 1 als Verfügungsadressatin zu entfernen. Eventualiter sei Ziff. 1 insoweit anzupassen, als eine marktbeherrschende Stellung im Zeitraum nach dem Jahr 2008 festgestellt werde; unter Kosten- und Entschädigungsfolgen zu Lasten der Vorinstanz.

 

K.b  Des Weiteren stellen die Beschwerdeführerinnen die folgenden Verfahrensanträge:

"1. Es sei den Beschwerdeführerinnen Einsicht in den in Vorbereitung der Anhörung vom Sekretariat der WEKO erstellten Fil Rouge und in diesem Zusammenhang erstellte weitere Unterlagen zu gewähren und es seien der Fil Rouge und diese weiteren Unterlagen ins Aktenverzeichnis aufzunehmen; im Anschluss an die Einsicht in diese Akten sei den Beschwerdeführerinnen Gelegenheit zur Stellungnahme einzuräumen;

2. es sei der Sachverhalt mittels geeigneter Untersuchungshandlungen bezüglich der Motive der angeblichen Grosskunden der Anzeigestellerin und weiterer Kunden zu ergänzen und dabei die den Beschwerdeführerinnen in diesem Zusammenhang vorgebrachten Sachverhaltselemente zu den Akten zu nehmen und im Anschluss an die Ergänzung des Sachverhalts den Beschwerdeführerin Einsicht in diese neuen Akten zu gewähren und ihnen Gelegenheit zur Stellungnahme einzuräumen;

3. es sei den Beschwerdeführerinnen Einblick in die Verkaufszahlen von Terminals von Terminalanbietern in der Schweiz in den Jahren 2004 -2010 zu gewähren und ihnen Gelegenheit zur Stellungnahme einzuräumen; sollte es sich dabei ganz oder teilweise um Geschäftsgeheimnisse handeln, sei diese Einsichtnahme einem noch zu bestimmenden Dritten zu gewähren, welcher unter Wahrung der Geschäftsgeheimnisse der betroffenen Unternehmen mit einer nach Einsicht in die Daten noch zu bestimmenden generischen Analyse dieser Informationen über die Verkäufe im fraglichen Zeitraum zu beauftragen ist."

K.c  Zur Begründung der Beschwerde tragen die Beschwerdeführerinnen formelle und materielle Aspekte vor, wobei sie sich auch auf ein mit der Beschwerde eingereichtes Gutachten der ESMT CA, Berlin, "Ökonomische Schädigungstheorie und Behinderungswirkung im Fall SIX Terminals mit DCC" (nachfolgend: ESMT-Gutachten), abstützen. Auf die einzelnen formellen und materiellen Rügen der Beschwerdeführerinnen sowie auf das von ihnen zusammen mit der Beschwerde eingereichte Gutachten wird in den Urteilserwägungen eingegangen.

K.d  Am 11. Februar 2011 leisteten die Beschwerdeführerinnen aufforderungsgemäss einen Kostenvorschuss in Höhe von 40'000 CHF.

K.e  Am 15. April 2011 reichte die Vorinstanz innert erstreckter Frist ihre Vernehmlassung sowie die Vorakten ein. Als Beilage 1 zur Vernehmlassung reichte sie eine Kopie der an die Mitglieder der Wettbewerbskommission versandten Unterlagen für die Plenarsitzung vom 1. November 2010 inkl. Begleitschreiben des Sekretariats vom 21. Oktober 2010 und den "Fil Rouge" ein. Die Vorinstanz beantragt die Abweisung der Beschwerde und der Verfahrensanträge unter Kostenfolge zu Lasten der Beschwerdeführerinnen. Auf ihre Ausführungen zu den Beschwerdeanträgen und zum ESMT-Gutachten wird in den Erwägungen eingegangen.

K.f  Am 6. Juli 2011 reichten die Beschwerdeführerinnen innert erstreckter Frist eine Replik zur Vernehmlassung der Vorinstanz vom 12. April 2011 ein, worin sie beantragten, es sei ihnen die Beilage 1 der Vernehmlassung der Vorinstanz, der sog. Fil Rouge, zuzustellen.

K.g  Mit Zwischenverfügung vom 18. Juli 2011 stellte das Bundesverwaltungsgericht den Beschwerdeführerinnen eine Kopie des Fil Rouge zu und räumte ihnen gleichzeitig Gelegenheit zur schriftlichen Stellungnahme zu den im Fil Rouge gemachten materiellen Änderungen ein.

K.h  Am 15. September 2011 reichten die Beschwerdeführerinnen ihre schriftliche Stellungnahme zum Fil Rouge ein und hielten an ihren Anträgen gemäss Beschwerdeschrift vom 31. Januar 2011 fest.

K.i  Am 31. Oktober 2011 reichte die Vorinstanz einladungsgemäss ihre Vernehmlassung zur Stellungnahme der Beschwerdeführerinnen vom 15. September 2011 zum Fil Rouge ein und hielt an ihren Anträgen gemäss Vernehmlassung vom 12. September 2011 fest.

K.j  Am 7. Dezember 2011 nahmen die Beschwerdeführerinnen zur Vernehmlassung der Vorinstanz vom 31. Oktober 2011 Stellung.

K.k  Am 15. Dezember 2011 reichte die Vorinstanz ihre Duplik ein.

K.l  Am 17. Januar 2012 beantragten die Beschwerdeführerinnen, es sei ihnen Gelegenheit zur Stellungnahme der Duplik der Vorinstanz vom 15. Dezember 2011 einzuräumen. Nachdem der Instruktionsrichter am 19. Januar 2012 entschieden hatte, dass im Moment keine Veranlassung bestehe, einen weiteren Schriftenwechsel anzuordnen, es den Beschwerdeführerinnen aber freigestellt sei, unaufgefordert zur Duplik Stellungnahme zu nehmen, reichten die Beschwerdeführerinnen am 30. März 2012 eine weitere Stellungnahme ein. Die Vorinstanz teilte am 24. April 2012 mit, sie verzichte darauf, sich zu dieser Stellungnahme zu äussern.

K.m  Mit Schreiben vom 8. November 2012 teilten die Beschwerdeführerinnen mit, dass die Beschwerdeführerin 2 und die Beschwerdeführerin 3 gemäss SHAB vom 23. April 2012 per Ende April 2012 fusioniert hätten, wobei die Beschwerdeführerin 3 in der Beschwerdeführerin 2 aufgegangen sei, und die Beschwerdeführerin 2 neu die Firma SIX Payment Services AG führe.

K.n  Mit Verfügung vom 31. Januar 2013 teilte das Bundesverwaltungsgericht den Beschwerdeführerinnen mit, dass am 29. Juni 2012 das Urteil im Fall Publigroupe SA u.a. gegen Wettbewerbskommission ergangen sei und gab den Beschwerdeführerinnen die Möglichkeit, allfällige Auswirkungen des Urteils auf das vorliegende Verfahren mitzuteilen. Des Weiteren wurden die Beschwerdeführerinnen eingeladen mitzuteilen, ob sie ihre Beschwerdeanträge und deren Begründung allenfalls anpassen möchten und ob sich die Vergleichsbereitschaft geändert habe. Die Vorinstanz wurde ebenfalls eingeladen mitzuteilen, ob sie die im vorliegenden Verfahren angefochtene Verfügung in Widererwägung ziehen werde und ob sie offen gegenüber einem neuen Vergleichsvorschlag sei.

K.o  Mit Schreiben vom 25. Februar 2013 zogen die Beschwerdeführerinnen ihre Rüge in Bezug auf die Unzulässigkeit der von der Wettbewerbskommission ausgesprochenen Sanktion aufgrund von Art. 6 EMRK und Art. 30 BV in Folge des Urteils in Sachen Publigroupe zurück. Des Weiteren teilten sie mit, dass sie weiterhin an einer einvernehmlichen Regelung interessiert seien.

K.p  Am 25. Februar 2013 wies die Vorinstanz darauf hin, dass die in den bisherigen Rechtsschriften der Beschwerdeführerinnen eingebrachten Einwände in Bezug auf die Bestimmtheit der angewandten Normen mit Urteil vom 29. Juni 2012 hinfällig seien.  Zum Schluss führt die Vorinstanz aus, dass sie grundsätzlich keinen Spielraum für einen Einigungsvorschlag sehe.

K.q  Am 15. September 2013 fand eine Instruktionsverhandlung statt.

K.r  Aufgrund der Instruktionsverhandlung wurde ein Fragenkatalog an die Parteien versandt, mit dem verschiedenste technische, betriebswirtschaftliche und sonstige Aspekte des Falles angesprochen wurden. Die Vor-instanz reichte ihre Antworten in Bezug auf den Fragekatalog am 3. Oktober 2013 ein. Mit Schreiben vom 7. November 2013 reichten die Beschwerdeführerinnen innerhalb erstreckter Frist ihre Antworten in Bezug auf den Fragekatalog ein. Mit Schreiben vom 19. Dezember 2013 reichen sowohl die Beschwerdeführerinnen als auch die Vorinstanz ihre Stellungnahmen wechselseitig zu den Antworten der jeweiligen Gegenpartei ein.

K.s  Im Rahmen ihres Schreibens vom 19. Dezember 2013 nahm die Vor-instanz ergänzende Ausführungen zur Stellungnahme der Beschwerdeführerinnen vom 30. März 2012 vor. Am 21. Februar 2014 reichten die Beschwerdeführerinnen eine weitere Stellungnahme ein.

K.t  Am 21. Juni 2014 reichten die Beschwerdeführerinnen ihre Kostennote ein.

K.u  Das Bundesverwaltungsgericht teilte mit Verfügung vom 2. August 2018 den Parteien mit, dass zu den strittigen technischen und sonstigen Aspekten keine weiteren Fragen mehr bestünden und stellte ihnen frei, eine abschliessende Stellungnahme einzureichen. Mit Schreiben vom 27. August 2018 erklärte die Vorinstanz den Verzicht auf eine weitere abschliessende Stellungnahme. Nach erstreckter Frist beantragen die Beschwerdeführerinnen mit Stellungnahme vom 24. September 2018 die Einstellung des Verfahrens infolge des Eintritts der Verjährung, eventualiter wegen einer übermässig langen Verfahrensdauer. Subeventualiter beantragen sie einen Wegfall der Sanktion aufgrund der übermässig langen Verfahrensdauer. In diesem Zusammenhang erhoben sie erneut den zwischenzeitlich zurückgenommenen Einwand der Unzulässigkeit einer Sanktionierung durch die Vorinstanz (vgl. SV K.o).

 

Das Bundesverwaltungsgericht zieht in Erwägung:

I.               Prozessvoraussetzungen

1.  Das Bundesverwaltungsgericht prüft von Amtes wegen gemäss Art. 7 des Verwaltungsverfahrensgesetzes vom 20. Dezember 1968 (VwVG, SR 172.021) sowie mit freier Kognition, ob die Prozessvoraussetzungen erfüllt sind und ob und in welchem Umfang auf eine Beschwerde einzutreten ist (vgl. die ständige Rechtsprechung seit BVGE 2007/6 E. 1).

1)             Sachliche Zuständigkeit

2.  Das Bundesverwaltungsgericht beurteilt gemäss Art. 31 des Verwaltungsgerichtsgesetzes vom 17. Juni 2005 (VGG, SR 173.32) Beschwerden gegen Verfügungen nach Art. 5 VwVG, welche von einer der in Art. 33 VGG aufgeführten Institutionen erlassen wurden, soweit keine der in Art. 32 VGG aufgeführten Ausnahmen gegeben ist.

3.  Die Vorinstanz ist aufgrund ihrer Ausgestaltung durch Art. 18 und 19 KG gemäss Art. 2 Abs. 3 und Art. 57a Regierungs- und Verwaltungsorganisationsgesetz vom 21. März 1997 (RVOG, SR 172.010) in Verbindung mit Art. 7 und 8a Regierungs- und Verwaltungsorganisationsverordnung des Bundesrats vom 25. November 1998 (RVOV, SR 172.010.01) als ausserparlamentarische Behördenkommission der dezentralen Bundesverwaltung im Sinne von Art. 178 der Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 (BV, SR 101) zu qualifizieren. Sie stellt somit eine eidgenössische Kommission im Sinne von Art. 33 lit. f VGG dar.

4.  Als Verfügungen im Sinne von Art. 5 VwVG gelten Anordnungen von Behörden, welche gestützt auf öffentliches Recht des Bundes entweder gegenüber dem Verfügungsadressaten dessen Rechte und Pflichten begründen, inhaltlich bestimmen, ändern, aufheben oder feststellen oder ein entsprechendes Begehren des Verfügungsadressaten abweisen oder darauf nicht eintreten.

5.  Die Vorinstanz hat mit der angefochtenen Verfügung gegenüber den Beschwerdeführerinnen festgestellt, dass ein bestimmtes wirtschaftliches Verhalten als kartellrechtswidrig zu beurteilen sei und infolge dessen eine Sanktion ausgesprochen. Dadurch wurden die geschäftlichen Handlungsmöglichkeiten der Beschwerdeführerinnen eingeschränkt und es wurden ihnen entsprechende Rechte und Pflichten vorgegeben. Aufgrund der Sanktionierung wurden sie zudem zur Erfüllung einer Leistung verpflichtet.

6.  Eine Ausnahme gemäss Art. 32 VGG liegt nicht vor.

7.  Die sachliche Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts zur Beurteilung der vorliegenden Beschwerde ist deshalb gegeben.

2)             Beschwerdefähigkeit und Beschwerdelegitimation

8.  Die Beschwerdefähigkeit setzt gemäss Art. 6 VwVG voraus, dass die Partei-, Prozess- und Postulationsfähigkeit der Beschwerdeführer gegeben ist. Parteifähigkeit setzt zivilrechtliche Rechtsfähigkeit, Prozess- und Postulationsfähigkeit setzen die zivilrechtliche Handlungsfähigkeit voraus (vgl. Häfelin Ulrich/Müller Georg/Uhlmann Felix, Allgemeines Verwaltungsrecht, 6. Aufl. 2010, zit. Verwaltungsrecht, Rn. 1768 f.; Häner Isabelle, Die Beteiligten im Verwaltungsverfahren und Verwaltungsprozess: Unter besonderer Berücksichtigung des Verwaltungsverfahrens und Verwaltungsprozesses im Bund, 2000, zit. Beteiligte, Rn. 469 ff.; Häner Isabelle, in: Auer/Müller/Schindler [Hrsg.], Kommentar zum Bundesgesetz über das Verwaltungsverfahren [VwVG], 2008, zit. VwVG, Art. 6 Rn. 1, Art. 48 Rn. 5; Kiener Regina/Rütsche Bernhard/Kuhn Mathias, Öffentliches Verfahrensrecht, 2012, zit. Verfahrensrecht, § 4 Rn. 541 f., 551 f., 585 f.; Kölz Alfred/Häner Isabelle/Bertschi Martin, Verwaltungsverfahren und Verwaltungsrechtspflege des Bundes, 2013, zit. Verwaltunsverfahren, Rn. 444 f., 934 ff.; Marantelli Vera/Huber Said, in: Waldmann/Weissenberger [Hrsg.], Praxiskommentar VwVG, 2. Aufl. 2016, zit. VwVG, Art. 6 Rn. 12 ff.; Rhinow René/Koller Heinrich/Kiss Christina/Thurnherr Daniela/Brühl-Moser Denise, Öffentliches Prozessrecht, 3. Aufl. 2014, zit. Prozessrecht, Rn. 862 ff.; Schott Markus, Rechtsschutz, in: Biaggini/Häner/Saxer/Schott [Hrsg.], Fachhandbuch Verwaltungsrecht, 2015, zit. FHB-VerwR, Rn. 24.17 ff.; Tanquerel Thierry, Manuel de droit administratif, 2011, zit. droit administratif, Rn. 1487 ff.; Thurnherr Daniela, Verfahrensgrundrechte und Verwaltungshandeln, Die verfassungsrechtlichen Mindestgarantien prozeduraler Gerechtigkeit unter den Bedingungen der Diversität administrativer Handlungsmodalitäten, 2013, zit. Verfahrensgrundrechte, Rn. 368 Fn. 1182).

9.  Die Beschwerdeführerinnen sind im Handelsregister eingetragene Aktiengesellschaften und damit als juristische Personen des Privatrechts rechtsfähig und über ihre Organe handlungsfähig.

10.  Die Beschwerdelegitimation setzt gemäss Art. 48 VwVG voraus, dass entweder (i) ein Beschwerdeführer am vorinstanzlichen Verfahren teilgenommen hat bzw. ihm keine Möglichkeit zur Teilnahme eingeräumt wurde, er durch die angefochtene Verfügung besonders berührt ist und er ein schutzwürdiges Interesse an deren Aufhebung hat, oder (ii) dass ein Bundesgesetz dem Beschwerdeführer dieses Recht ausdrücklich einräumt (vgl. Moser André/Beusch Michael/Kneubühler Lorenz, Prozessieren vor dem Bundesverwaltungsgericht, 2. Aufl. 2013, zit. Prozessieren, Rn. 2.60 f.).

11.  Die Beschwerdeführerinnen haben als Parteien am vorinstanzlichen Untersuchungsverfahren teilgenommen. Als Verfügungsadressaten, deren Anträge im vorinstanzlichen Verfahren zumindest teilweise abgelehnt wurden, werden sie durch die angefochtene Verfügung besonders berührt. Aufgrund des Inhalts der vorinstanzlichen Verfügung, insbesondere der Untersagung eines bestimmten geschäftlichen Verhaltens und den hierfür ausgesprochenen Sanktionen, ergibt sich ein wirtschaftlicher und ideeller Nachteil, weshalb den Beschwerdeführerinnen ein schutzwürdiges Interesse an der Aufhebung der Verfügung zukommt.

12.  Die Beschwerdeführerinnen sind demnach zur Erhebung der vorliegenden Beschwerde befähigt und berechtigt.

3)             Sonstige Verfahrensvoraussetzungen

13.  Die gemäss Art. 50 VwVG zu beachtende Eingabefrist und die gemäss Art. 52 VwVG notwendige Form der Beschwerde wurden gewahrt. Die Beschwerdeführerinnen machen im Rahmen ihrer Beschwerde verschiedene in Art. 49 VwVG aufgeführte Rügen geltend. Der gemäss Art. 63 Abs. 4 VwVG erforderliche Kostenvorschuss wurde fristgerecht einbezahlt.

14.  Die sonstigen Verfahrensvoraussetzungen sind somit gegeben.

15.  Da alle Prozessvoraussetzungen vorliegen, ist auf die Beschwerde einzutreten.

II.             Rechtliche Grundlage der vorinstanzlichen Verfügung

16.  Die Vorinstanz hat die Beschwerdeführerinnen aufgrund des im vorliegenden Verfahren massgeblichen Sachverhalts wegen eines wettbewerbswidrigen Verhaltens gemäss Art. 7 KG in Anwendung von Art. 49a Abs. 1 KG mit einem Sanktionsbetrag belastet.

17.  Gegenstand dieses Urteils ist nach Feststellung des Anwendungsbereichs des Kartellgesetzes (vgl. Abschnitt III, E. 18 ff.) sowie der Rechtmässigkeit des vorinstanzlichen und gerichtlichen Verfahrens (vgl. Abschnitt IV, E. 92 ff.) somit zunächst die Frage, ob das Verhalten der SIX-Gruppe auf den betroffenen Märkten eine unzulässige Beschränkung des Wettbewerbs gemäss Art. 7 KG darstellt, weil (i) die SIX-Gruppe auf dem relevanten Markt (vgl. Abschnitt V, E. 229 ff.) als marktbeherrschendes Unternehmen gemäss Art. 4 Abs. 2 KG zu qualifizieren ist (vgl. Abschnitt VI, vgl. E. 398 ff.) und (ii) sie mit der Ablehnung einer Offenlegung der notwendigen Schnittstelleninformationen ihre Stellung auf dem Markt missbraucht hat, indem sie andere Unternehmen bei der Aufnahme oder Ausübung des Wettbewerbs behindert oder die Marktgegenseite benachteiligt hat (vgl. Abschnitt VII, E. 509 ff.). Überdies ist zu prüfen, ob (i) die ausgesprochene Sanktion rechtlich zulässig und sachlich angemessen ist (vgl. Abschnitt VIII, E. 1426 ff.) und (ii) die Kostenentscheidung des vor-instanzlichen Verfahrens angesichts der rechtlichen Ergebnisse sachlich vertretbar ist (vgl. Abschnitt IX, E. 1732 ff.).

III.           Geltungs- und Anwendungsbereich des Kartellgesetzes

18.  Massgebend für die Beurteilung der streitigen Angelegenheit ist das Kartellgesetz. Dessen Anwendung setzt voraus, dass der persönliche und sachliche Anwendungsbereich sowie der räumliche und zeitliche Anwendungs- und Geltungsbereich gegeben sind. Vorliegend bestehen sowohl zum persönlichen als auch zum sachlichen Anwendungsbereich strittige Sachfragen, die einer Abklärung bedürfen.

1)             Persönlicher Anwendungsbereich

19.  Die angefochtene Verfügung qualifiziert die SIX-Gruppe als Unternehmen im Sinne von Art. 2 Abs. 1bis KG und damit als massgebliches Kartellrechtssubjekt. Diese Qualifizierung wird von den Beschwerdeführerinnen bestritten.

(1)          Vorbringen der Beschwerdeführerinnen

20.  Die Beschwerdeführerinnen machen geltend, dass die Bestimmung des Konzerns anstelle von einzelnen Gruppengesellschaften als massgebliches Kartellrechtssubjekt weder zwingend sei noch im vorliegenden Sachverhalt die notwendigen Voraussetzungen erfülle.

21.  Bei einem Konzernsachverhalt sei nicht zwingend der Konzern als massgebliches Kartellrechtssubjekt zu qualifizieren. Vielmehr sei im Einzelfall auf einzelne Gruppengesellschaften abzustellen.

22.  Etwas anderes ergebe sich auch nicht aus dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts in Sachen Publigroupe. Denn dieses besage nicht, dass rechtlich selbständige Konzerngesellschaften immer und unter allen Umständen wirtschaftlich unselbständig seien und ergo nie Unternehmen im Sinne von Art. 2 Abs. 1bis KG darstellen könnten. Dies sei nur "in der Regel" so und auch nur dann, "sofern die Muttergesellschaft ihre Tochter effektiv zu kontrollieren vermag und diese Möglichkeit auch tatsächlich ausübt, sodass die Konzerngesellschaften nicht in der Lage sind, sich von der Muttergesellschaft unabhängig zu verhalten". Daran habe auch das Urteil des Bundesgerichts in Sachen Publigroupe nichts geändert.

23.  Allein diese Auffassung stehe in Einklang mit der herrschenden Lehre und Praxis in der Schweiz und im EU-Wettbewerbsrecht, welche sowohl potenzielle als auch effektive Kontrolle verlangen und die wirtschaftliche Selbständigkeit aufgrund der Würdigung der Umstände im Einzelfall bestimmen würden.

24.  Ausgehend von dieser Ansicht sei auch die Qualifizierung der Multipay und der Card Solutions als wirtschaftlich unselbständige Konzerngesellschaften unzutreffend. Es sei vielmehr bemerkenswert, dass bezüglich der wirtschaftlichen Selbtändständigkeit und der eigenständigen Verhaltensweise von Multipay und Card Solutions keinerlei Sachverhaltsermittlungen erfolgt seien.

25.  Die Vorinstanz knüpfe bei ihrer Beurteilung allzu einseitig zunächst an die Beteiligungsverhältnisse an. Letztere mögen in der Tat ein denkbarer Indikator für die Annahme einer potenziellen Kontrolle sein, aber auch nicht mehr. Selbst eine 100%-ige Beteiligung vermöge rein gar nichts darüber auszusagen, ob die Muttergesellschaft von ihrer grundsätzlich möglichen Kontrolle in praxi auch effektiv-konkret Gebrauch gemacht habe. Es wäre daher zumindest notwendig gewesen, zu untersuchen, ob die Muttergesellschaft jeweils in das Tagesgeschäft der indirekt gehaltenen Beteiligungsgesellschaften habe eingreifen können und dies auch tatsächlich getan habe.

26.  Dass die Multipay und die Card Solutions einer effektiven Kontrolle durch ihre Muttergesellschaft unterstanden, wird von den Beschwerdeführerinnen ausdrücklich zurückgewiesen und bestritten.

27.  Die wirtschaftliche Selbständigkeit der Multipay und der Card Solutions werde auch nicht durch die folgenden Aspekte widerlegt, auf welche die angefochtene Verfügung abstelle.

28.  Der Umstand, dass der CEO der Beschwerdeführerin 2 Einsitz in der Gruppenleitung der Beschwerdeführerin 1 habe, begründe zwischen den Geschäftsleitungen beider Unternehmen keineswegs personelle Verflechtungen in einem Masse, welche die wirtschaftliche Selbstständigkeit der Beschwerdeführerin 2 a priori ausschliessen würde.

29.  Was die Firmenbezeichnung, die Internetauftritte und den Geschäftsbericht 2009 anbelangt, könne deren Relevanz für die Begründung einer effektiven Kontrolle der Beschwerdeführerin 1 im konkreten Fall nicht nachvollzogen werden. Wenn ein ähnlicher Name, ein ähnlicher Internetauftritt und einige Organigramme bereits ausreichen würden, um einer Konzerngesellschaft die wirtschaftliche Unabhängigkeit zu nehmen, so könnte es wohl innerhalb eines Konzerns im Ergebnis überhaupt keine wirtschaftlich selbstständigen Unternehmen mehr geben, und es müsste ohne Ausnahme zum Durchgriff auf die Konzernmutter kommen. Dies aber würde grössten, nicht zuletzt grundrechtlichen Bedenken begegnen.

30.  Sowohl bei der Multipay als auch der Card Solutions habe es sich um wirtschaftliche unabhängige Unternehmen mit eigener Rechtspersönlichkeit gehandelt, welche jederzeit auch Gegenstand von Anordnungen und Verfügungen der Behörden hätten sein können. Es könne nicht sein, dass diesbezüglich der kartellrechtliche Sanktionssachverhalt anders beurteilt würde.

31.  Die Beschwerdeführerin 1 sei erst durch die Gründung der SIX-Gruppe im Laufe des Jahres 2007 als deren Konzernobergesellschaft eingesetzt worden, während vorher kein gesellschaftsrechtliches Verhältnis zur Telekurs-Gruppe und deren Gruppengesellschaften Multipay und Card Solutions bestanden habe. Damit habe zum Zeitpunkt des angeblich wettbewerbswidrigen Verhaltens von Multipay und Card Solutions kein Beherrschungsverhältnis zu Gunsten der Beschwerdeführerin 1 vorgelegen, weshalb diese im Kartellverwaltungsverfahren nicht hätte herangezogen werden dürfen. Die Umstrukturierung bilde kein hinreichender Grund für die Heranziehung.

(2)          Vorbringen der Vorinstanz

32.  Nach Ansicht der Vorinstanz geht das Kartellgesetz von einem funktionalen Unternehmensbegriff aus. Dies führe bei Konzernen dazu, dass wirtschaftlich unselbständige Unternehmen trotz ihrer rechtlichen Unabhängigkeit keine Unternehmen im Sinne des Kartellgesetzes darstellten.

33.  Die Multipay und die Card Soutions seien hundertprozentige Tochtergesellschaften der Beschwerdeführerin 1 gewesen. Bei beiden Tochtergesellschaften werde im Handelsregister unter "Zweck" unter anderem festgehalten: "Die Gesellschaft ist eine Tochtergesellschaft der SIX Group AG (Konzernmutter) und übt ihre Geschäftstätigkeit im Konzerninteresse aus." Die Zugehörigkeit der Tochtergesellschaften zur Muttergesellschaft ergebe sich auch aus deren Firmenbezeichnungen sowie aus dem Internetauftritt aller Gesellschaften und dem Geschäftsbericht 2009 der SIX Group AG. Der CEO von Multipay habe Einsitz in der Gruppenleitung der SIX Group AG. Aus diesen Umständen könne geschlossen werden, dass die SIX Group AG die Beteiligungen an Multipay und Card Solutions nicht ausschliesslich als Investition halte, sondern dass sie über die Ausübung von Aktionärsrechten hinaus Einfluss auf die Tochtergesellschaften nehme.

34.  Die personale Ausgestaltung entspreche grundsätzlich der Rechtslage im EU-Wettbewerbsrecht. Nach der Rechtsprechung des EuGH hafte die Muttergesellschaft für Kartellrechtsverstösse ihrer Tochtergesellschaft, wenn die Muttergesellschaft in der Lage sei, einen entscheidenden Einfluss auf die Tochtergesellschaft auszuüben und diese Möglichkeit auch ausgeübt habe. Dabei bestehe nach ständiger Rechtsprechung des EuGH eine widerlegbare Vermutung, dass diese Voraussetzungen erfüllt seien, wenn die Tochtergesellschaft zu 100% im Eigentum der Muttergesellschaft stünde. Des Weiteren genüge eine Einflussnahme der Muttergesellschaft in strategischen Angelegenheiten. Es sei hingegen nicht erforderlich, dass der Einfluss auf den konkreten Geschäftsbereich ausgeübt werde, in dem der Kartellrechtsverstoss stattgefunden habe. Diese Praxis habe zur Folge, dass die Konzernmutter nur in extremen Ausnahmefällen nicht für Tochtergesellschaften hafte, von denen sie Anteile halte.

(3)          Würdigung durch das Gericht

35.  Das Kartellgesetz findet gemäss dessen Art. 2 Abs. 1 auf "Unternehmen des privaten und des öffentlichen Rechts" Anwendung. Als massgebliches Kartellrechtssubjekt wird somit ausdrücklich das "Unternehmen" statuiert (vgl. Botschaft des Bundesrats vom 23.11.1994 zu einem Bundesgesetz über Kartelle und andere Wettbewerbsbeschränkungen, BBl 1995 I 468, zit. Botschaft KG 1995, 533; BGer, 11.4.2011, 2C_343/2010 u.a., Eidg. Volkswirtschaftsdepartement gg. Swisscom (Schweiz) AG, publ. in: BGE 137 II 199, zit. Terminierung Mobilfunk; BGer, 29.6.2012, 2C_484/2010, Publigroupe SA u.a. gg. Weko, publ. in: BGE 139 I 72, zit. Publigroupe, E. 3 [nicht publ.]; BGer, 28.6.2016, 2C_180/2014, Colgate-Palmolive Europe Sàrl [vormals Gaba International AG] gg. Weko, publ. in: BGE 143 II 297, zit. Gaba, E. 3.1; BGer, 24.10.2017, 2C_63/2016, Bayrische Motoren Werke AG gg. Weko, zit. BMW, E. 3; BVGer, 25.6.2018, B-771/2012, Aktiengesellschaft Cellere u.a. gg. Weko, zit. Cellere, E. 3.1; BVGer, 25.6.2018, B-807/2012, Erne Holding AG u.a. gg. Weko, zit. Erne, E. 3.1; BVGer, 25.6.2018, B-829/2012, Granella Holding AG u.a. gg. Weko, zit. Granella, E. 3.1; BVGer, 16.9.2016; B-581/2012, Nikon AG gg. Weko, zit. Nikon, E. 4.1.1; BVGer, 13.11.2015, B-3332/2012, Bayrische Motoren Werke AG gg. Weko, zit. BMW, E. 2.1.1; BVGer, 14.9.2015, B-7633/2009, Swisscom AG u.a. gg. Weko, zit. ADSL II, E. 26 ff.; BVGer, 27.4.2010, B-2977/2007, Publigroupe SA u.a. gg. Weko, zit. Publigroupe, E. 4.1 ff.; BVGer, 24.2.2010, B-2050/2007, Swisscom (Schweiz) AG gg. Weko, publ. in: BVGE 2011/32, zit. Terminierung Mobilfunk, E. 3.1).

(a)          Unternehmen

36.  Das schweizerische Recht kennt weder eine allgemeingültige Definition noch eine allgemeine inhaltliche Umschreibung des Begriffs "Unternehmen", die für eine kartellrechtliche Beurteilung des persönlichen Anwendungsbereichs zu berücksichtigen wäre bzw. herangezogen werden könnte. Vielmehr statuiert Art. 2 Abs. 1bis KG eine eigenständige Regelung zur Qualifizierung des Kartellrechtssubjekts, deren Inhalt und Anwendung an Sinn und Zweck des Kartellrechts auszurichten sind (vgl. BVGer, B-7633/2009, ADSL II, E. 26 f.; Borer Jürg, Schweizerisches Kartellgesetz, 3. Aufl. 2011, zit. KG, Art. 2 Rn. 3 ff.; Candreia Philipp, Konzerne als marktbeherrschende Unternehmen nach Art. 7 KG, 2007, zit. Konzerne, Rn. 124 ff.; Lehne Jens, in: Amstutz/Reinert [Hrsg.], Basler Kommentar, Kartellgesetz, 2010, zit. BSK-KG, Art. 2 Rn. 7). Danach gelten als Unternehmen "sämtliche Nachfrager oder Anbieter von Gütern und Dienstleistungen im Wirtschaftsprozess, unabhängig von deren Rechts- oder Organisationsform". Der funktionale Ansatz und die weite sprachliche Fassung der gesetzlichen Regelung machen deutlich, dass dadurch alle denkbaren Organisationseinheiten erfasst werden sollen, deren wirtschaftliche Verhaltensweisen zu einer Wettbewerbsbeschränkung führen könnten (vgl. Botschaft KG 1995, 533; Borer, KG, Art. 2 Rn. 3 ff.; von Büren Roland/Marbach Eugen/Ducrey Patrik, Immaterialgüter- und Wettbewerbsrecht, 3. Aufl. 2008, zit. WBR, Rn. 1244; Heizmann Reto/Mayer Michael, in: Zäch u.a. [Hrsg.], Kartellgesetz, 2018, zit. Dike-KG, Art. 2 Rn. 16; Krauskopf Patrick/Henkel Sophie, Art. 2 Abs. 1bis KG: Gedanken zum neuen Unternehmensbegriff, sic! 2006, 740; zit. Unternehmensbegriff, 743; David Lucas/Jacobs Reto, Schweizerisches Wettbewerbsrecht, 5. Aufl. 2012, zit. WBR, Rn. 570; Martenet Vincent/Killias Pierre-Alain, in: Martenet/Bovet/Tercier [Hrsg.], Commentaire Romand, Droit de la concurrence, 2. Aufl. 2013, zit. CR-Concurrence, Art. 2 Rn. 22; Weber Rolf H./Volz Stephanie, Fachhandbuch Wettbewerbsrecht, 2013, zit. FHB-WBR, Rn. 1.51; Zäch Roger, Schweizerisches Kartellrecht, 2. Aufl. 2005, zit. Kartellrecht, Rn. 254; Zurkinden Philipp/Trüeb Hans Rudolf, Das neue Kartellgesetz, 2004, zit. KG, Art. 2 Rn. 1). Der vorbehaltlose Verweis in Art. 2 Abs. 1bis KG auf die privat- oder öffentlich-rechtliche Rechtsnatur eines Unternehmens stellt zudem sicher, dass nicht nur die wirtschaftlichen Verhaltensweisen von natürlichen oder juristischen Personen des Privatrechts, sondern auch öffentlich-rechtliche und gemischtwirtschaftliche Verwaltungseinheiten dem Geltungsbereich des Kartellrechts unterstellt sind (vgl. Borer, KG, Art. 2 Rn. 4 f.; Heizmann/Mayer, Dike-KG, Art. 2 Rn. 26; Lehne, BSK-KG, Art. 2 Rn. 13; Martenet/Killias, CR-Concurrence, Art. 2 Rn. 36 ff., 47; Rubin Bernhard/Courvoisier Matthias, in: Baker & McKenzie [Hrsg.], Kartellgesetz, 2007, zit. SHK-KG, Art. 2 Rn. 3 ff.; Weber/Volz, FHB-WBR, Rn. 1.57). Als Unternehmen im Sinne des Kartellgesetzes sind daher alle wirtschaftlich selbständigen Organisationseinheiten zu qualifizieren, die ungeachtet ihrer Rechts- und Organisationsform als Teilnehmer am Wirtschaftsprozess auftreten (vgl. Heizmann/Mayer, Dike-KG, Art. 2 Rn. 16; Lehne, BSK-KG, Art. 2 Rn. 14 ff.; Martenet/Killias, CR-Concurrence, Art. 2 Rn. 24, 28 f.; Rubin/Courvoisier, SHK-KG, Art. 2 Rn. 5; Weber/Volz, FHB-WBR, Rn. 1.58).

37.  Zur Beurteilung des Kartellrechtssubjekts stützt sich das Kartellgesetz demnach auf eine eigenständige funktionale Betrachtungsweise ab, die weder an besondere formale Aspekte des Auftretens im Wirtschaftsverkehr noch an bestehende, durch andere Rechtsvorschriften vorgegebene Rechts- oder Organisationsformen anknüpft. Das Kartellgesetz hat somit eine eigenständige Subjektstruktur geschaffen, welche sich nicht an den vorgegebenen Strukturen des Gesellschafts- oder Personenrechts orientiert, sondern bewusst über diese hinausgeht (vgl. BVGer, B-7633/2009, ADSL II, E. 28; in diesem Sinne auch Heinemann Andreas, Konzerne als Adressaten des Kartellrechts, in: Hochreutener/Stoffel/Amstutz [Hrsg.], Wettbewerbsrecht: Jüngste Entwicklungen in der Rechtsprechung, Konzernsachverhalte und Konzernbegriff aus kartellrechtlicher Sicht, 2015, 49, zit. Konzernbegriff, 52; Heizmann/Mayer, Dike-KG, Art. 2 Rn. 8; Straub Ralf Michael, Der Konzern als Kartellrechtssubjekt, in: Grolimund/Koller/Loacker/Portmann [Hrsg.], Festschrift für Anton K. Schnyder zum 65. Geburtstag, 2018, 1269 ff., zit. Konzern, 1270 f.).

38.  Ungeachtet einer grundsätzlichen inhaltlichen Ausrichtung auf das EU-Wettbewerbsrecht (vgl. E. 512) unterscheidet sich das schweizerische Kartellgesetz aufgrund der Statuierung von Art. 2 Abs. 1bis KG und der damit verbundenen ausdrücklichen inhaltlichen Spezifizierung eines eigenständigen Kartellrechtssubjekts durch den Gesetzgeber in diesem Punkt vom EU-Wettbewerbsrecht, das keine entsprechende Statuierung durch Vorschrift oder Rechtsgrundsatz vorsieht. Dem gegenteiligen Einwand der Beschwerdeführerinnen mit Verweis auf einzelne Entscheide des EU-Wettbewerbsrechts (vgl. E. 23) kommt daher keine Bedeutung zu.

(b)          Konzerne

39.  Ein Konzern stellt einen besonderen Gesellschaftsverbund dar, der im weitesten Sinne auf einer Zusammenfassung verschiedener, rechtlich selbständiger Organisationseinheiten zu einer eigenständigen wirtschaftlichen Einheit unter einer übergeordneten Gruppenführung beruht.

40.  Auch wenn der Konzern keine besondere gesetzliche Ausgestaltung im Bereich des Gesellschafts- oder Personenrechts erfahren hat, wird die Zulässigkeit einer entsprechenden Zusammenfassung von Praxis (vgl. BGE 130 III 213 E. 2.2.1; BGE 124 III 299 E. 6; BGE 120 II 331 E. 5) und Literatur (vgl. Baudenbacher Carl, in: Honsell/Vogt/Watter [Hrsg.], Basler Kommentar, Obligationenrecht II, 5. Aufl. 2016, zit. BSK-OR II, Vor Art 620 Rn. 19; Böckli Peter, Aktienrecht, 4. Aufl. 2009, zit. Aktienrecht, § 11 Rn. 12; von Büren Roland, in: von Büren/Meier-Hayoz [Hrsg.], Schweizerisches Privatrecht, Bd. VIII/6, Der Konzern, 2. Aufl. 2005, zit. Konzern, 71 f.; von der Crone Hans Caspar, Aktienrecht, 2014, zit. Aktienrecht, § 15 Rn. 1 f.; Handschin Lukas, Der Konzern im geltenden schweizerischen Privatrecht, 1994, zit. Konzern, 1; Hayoz/Forstmoser, Schweizerisches Gesellschaftsrecht, 11. Aufl. 2012, zit. Gesellschaftsrecht, § 24 Rn. 45; Schnyder Anton K., in: von Büren/Stoffel/Schnyder/ Westenberg [Hrsg.], Aktienrecht, 2000, zit. Aktienrecht, Rn. 1227) anerkannt.

41.  Eine grundlegende Ausgestaltung hat der Konzern durch Vorschriften zur Rechnungslegung von Aktiengesellschaften in den Art. 963 f. OR erfahren. Danach erfordert die Zusammenfassung von verschiedenen Gesellschaften zu einem Konzern als massgebliches Element eine übergeordnete Gruppenführung, die sich auf ein Beherrschungsverhältnis zwischen der Konzernobergesellschaft und den einzelnen Konzerngesellschaften abstützt. Dieses Beherrschungsverhältnis kann aufgrund der ausdrücklichen gesetzlichen Anordnung alternativ auf verschiedenen Umständen beruhen: (i) der Möglichkeit zur direkten oder indirekten Ausübung der Stimmenmehrheit im obersten Organ der einzelnen Gruppengesellschaft; (ii) der Möglichkeit zur direkten oder indirekten Berufung einer Mehrheit der Mitglieder des obersten Leitungs- oder Verwaltungsorgans der einzelnen Gruppengesellschaft; (iii) der Möglichkeit, aufgrund der Statuten, der Stiftungsurkunde, eines Vertrags oder vergleichbarer Instrumente einen beherrschenden Einfluss auf die einzelne Gruppengesellschaft auszuüben.

42.  Eine solche übergeordnete Gruppenführung führt dazu, dass die Konzernobergesellschaft in der Lage ist, aufgrund der ihr zukommenden Stellung im Rahmen der organisatorischen Zusammenfassung durch ausdrückliche oder stillschweigende Anordnungen oder sonstige direkte oder indirekte Handlungsmöglichkeiten in bestimmender Weise auf die Geschäftstätigkeit, die Struktur oder die sonstigen Verhältnisse einer anderen Gruppengesellschaft einzuwirken.

43.  Liegt eine der gesetzlich aufgeführten Umstände eines Beherrschungsverhältnisses vor, ergibt sich daraus zwangsläufig die Kontrolle der einzelnen Gruppengesellschaften.

44.  Für die Einordnung einer bestimmten Gesellschaft in einen Konzern stellt das Leitungsprinzip, d.h. die tatsächliche Ausübung einer effektiven Kontrolle durch die Konzernobergesellschaft, entgegen einer bislang vertretenen Ansicht in der gesellschaftsrechtlichen Literatur (vgl. Böckli, Aktienrecht, § 9 Rn. 22 f.; von Büren, Konzern, 82), jedenfalls für eine kartellrechtliche Beurteilung keine notwendige Voraussetzung dar (a.A. Heizmann/Mayer, Dike-KG, Art. 2 Rn. 31; Lehne, BSK-KG, Art. 2 Rn. 29; Weber/Volz, FHB-WBR, Rn. 1.60). Vielmehr ist entsprechend dem Kontrollprinzip, welches teilweise auch bereits bislang für das Gesellschaftsrecht als massgeblich qualifiziert wurde (vgl. Druey, Konzernrecht, 347 ff.; Handschin, Konzern, 43 f., 109; Schnyder, Aktienrecht, Rn. 1231), die blosse Möglichkeit zu einer Kontrolle durch die Konzernobergesellschaft ausreichend (vgl. David/Jacobs, WBR, Rn. 577; Lang Christoph/Jenny Reto M., Keine Wettbewerbsabreden im Konzern, Zum Konzernprivileg im schweizerischen Kartellrecht, sic! 2007, 299, zit. Konzernprivileg, 307 f.; Straub, Konzern, 1278). Denn in der Praxis verläuft die reale Konzernorganisation nicht notwendigerweise entlang den juristischen Organisationsstrukturen. Zudem kann die Einflussnahme durch eine Konzernobergesellschaft auf die Geschäftsführung einer einzelnen Gruppengesellschaft in vielfältiger Weise vorgenommen werden, wobei diese Einflussnahme nicht in nachvollziehbarer, dokumentierter Form ausgeübt werden muss. Daher ist eine Unterscheidung zwischen einer jederzeit möglichen und einer tatsächlich erfolgten Einflussnahme letztlich ausgeschlossen. So führt bereits die faktische Herrschaftsmacht zu Gunsten der Organmitglieder der beherrschenden Konzernobergesellschaft zwangsläufig zur Beachtung von jeglichen ausdrücklichen oder impliziten Anweisungen, Anordnungen und Wünschen auf Seiten der Organmitglieder der beherrschten Gruppengesellschaft. Dies wird auch von Vertretern des Leitungsprinzips ausdrücklich anerkannt (vgl. Böckli, Aktienrecht, § 9 Rn. 261 f.; von Büren, Konzern, 83). Daher lässt sich eine sachgerechte Abgrenzung im Hinblick auf das Vorliegen einer tatsächlichen wirtschaftlichen Unabhängigkeit - die auch für die Anwendung des Konzernprivilegs Bedeutung erlangt (vgl. E. 51) - anhand des Leitungsprinzips in der kartellrechtlichen Praxis im Einzelfall gar nicht zweifelsfrei vornehmen (vgl. Botschaft zur Änderung des Obligationenrechts [Aktienrecht und Rechnungslegungsrecht u.a.] vom 21.12.2007, BBl 2008 1589, zit. Botschaft OR 2007, 1724; ausführlich Lang/Jenny, Konzernprivileg, 307 f.).

45.  Im Übrigen wurde der Ansatz des Kontrollprinzips vom Gesetzgeber nunmehr im Rechnungslegungsrecht durch Art. 963 OR auch formal ausdrücklich statuiert (vgl. Botschaft OR 2007, 1724; von der Crone Hans Caspar, Aktienrecht, § 15 Rn. 8; Handschin Lukas, Rechnungslegung im Gesellschaftsrecht, 2. Aufl. 2016, zit. Rechnungslegung, Rn. 939; Neuhaus Markus R./Baur David, in: Honsell/Watter/Vogt [Hrsg.], Basler Kommentar, Obligationenrecht II, 5. Aufl. 2016, zit. BSK-OR II, Art. 963 Rn. 9, 14; Wandeler Markus/Suter Daniel, Neue Rechnungslegung gemäss Botschaft zum Obligationenrecht, Der Schweizer Treuhänder, 2008, 115 f., Ziff. 5). Damit hat der Gesetzgeber die seit 1982 bestehende, aufgrund des Wortlauts des früheren Art. 663e OR ambivalente (vgl. Botschaft des Bundesrats über die Revision des Aktienrechts vom 23.2.1983, BBl 1983 II 745, 817, wonach der Gesetzestext keine Festlegung vornehmen wollte) und daher umstrittene Rechtslage klargestellt (vgl. Kubli Linda, Das kartellrechtliche Sanktionssubjekt im Konzern, 2014, 217). Die Massgeblichkeit des Kontrollprinzips entspricht auch dem bereits bislang bestehenden Verständnis zum Vorliegen eines Beherrschungsverhältnisses in den internationalen Regelungswerken zum Rechnungslegungsrecht (vgl. Neuhaus/Baur, BSK-OR II, Art. 963 Rn. 36).

46.  In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass das Kartellrecht auch bei der Beurteilung von Unternehmenszusammenschlüssen in Form eines Kontrollerwerbs auf die blosse Möglichkeit zu einer Kontrolle von wirtschaftlichen Entitäten und nicht auf eine effektive Ausübung dieser Kontrolle abstellt. Art. 4 Abs. 3 KG qualifiziert den Kontrollerwerb d.h. jeden Vorgang, durch den ein oder mehrere Unternehmen unmittelbar oder mittelbar die Kontrolle über ein oder mehrere bisher unabhängige Unternehmen oder Teile von solchen erlangen, als Unternehmenszusammenschluss. Art. 1 VKU sieht hierfür vor, dass die notwendige Kontrolle lediglich die Möglichkeit der Ausübung eines bestimmenden Einflusses auf ein anderes Unternehmen verlangt. Nach übereinstimmender Ansicht ist es dabei unerheblich, ob (i) eine Absicht zur Ausübung der Kontrollmöglichkeit gegeben ist, (ii) die Kontrollmöglichkeit tatsächlich ausgeübt wird, und (iii) die Ausübung der tatsächlichen Kontrolle nachgewiesen werden kann (vgl. Botschaft KG 1995, 550; Borer, KG, Art. 4 Rn. 33; Reinert Mani, in: Amstutz/Reinert [Hrsg.], Basler Kommentar, Kartellgesetz, 2010, zit. BSK-KG, Art. 4 Abs. 3 Rn. 125; Sinem Süslu, in: Zäch u.a. [Hrsg.], Kartellgesetz, 2018, zit. Dike-KG, Art. 4 Abs. 3 Rn. 79 f.; Weber/Volz, FHB-WBR, Rn. 2.842).

47.  Massgebend für die Beurteilung, ob eine Einordnung einer Gesellschaft in einen Konzern besteht, ist im Regelfall die ausdrückliche Erklärung der Konzernobergesellschaft zur Ausübung einer übergeordneten Gruppenführung bei anderen Gruppengesellschaften, die in der Vorlage einer Konzernrechnung gemäss Art. 963 OR eindeutig zum Ausdruck kommt (Straub, Konzern, 1267 f.; a.A. Heizmann/Mayer, Dike-KG, Art. 2 Rn. 32, aufgrund einer gesellschaftsrechtlichen Sichtweise; zu Fällen einer fehlenden Konsolidierung vgl. Handschin, Rechnungslegung, Rn. 939a ff.). Mit Vorlage einer Konzernrechnung erklärt die Konzernobergesellschaft, dass ein Beherrschungsverhältnis zwischen ihr und den durch die Konzernrechnung konsolidierten Gruppengesellschaften besteht (vgl. Handschin, Rechnungslegung, Rn. 976; Neuhaus/Baur, BSK-OR II, Art. 963 Rn. 22). Durch das gemäss Art. 727 Abs. 1 OR vorgesehene Testat eines Revisors bei Vorliegen einer verpflichtenden Konzernrechnungslegung wird das Bestehen eines Beherrschungsverhältnisses sogar durch einen unabhängigen Dritten bestätigt (vgl. Maizar Karim/Watter Rolf, in: Honsell/Vogt/Watter [Hrsg.], Basler Kommentar, Obligationenrecht II, 5. Aufl. 2016, Art. 727 Rn. 29, 30; dies., in: Watter/Bertschinger [Hrsg.], Basler Kommentar, Revisionsrecht, 2011, Vor Art. 727, 727a Rn. 27, 30). Im Regelfall besteht demnach kein Grund, im Rahmen einer kartellrechtlichen Beurteilung von dieser, unter Umständen sogar geprüften Erklärung der Konzernobergesellschaft abzuweichen (zu Ausnahmen der Konsolidierungspflicht vgl. Handschin, Rechnungslegung, Rn. 958 ff.).

48.  Bei Konzernverhältnissen stellt eine einzelne Gruppengesellschaft angesichts des Beherrschungsverhältnisses durch die Konzernobergesellschaft demzufolge mangels wirtschaftlicher Selbständigkeit kein Unternehmen im kartellrechtlichen Sinne dar. Dies gilt selbst dann, wenn das wettbewerbswidrige Verhalten in ihrem Geschäftsbereich ausgeübt wurde. Allerdings wird auch die Konzernobergesellschaft, von der die übergeordnete Gruppenführung ausgeht, nicht als massgebliches kartellrechtliches Unternehmenssubjekt qualifiziert. Vielmehr bildet nach nahezu übereinstimmender Ansicht in Praxis und Literatur die Gesamtheit aller zusammengefassten Gesellschaften und damit der Konzern als Ganzes das massgebliche Unternehmen im Sinne des Kartellrechts (vgl. BGE 139 I 72, Publigroupe, E. 3 [nicht publ.]; BVGer, B-2977/2007, Publigroupe, E. 4.1 ff.; BVGer, B-7633/2009, ADSL II, E. 26 f.; BVGer, B-581/2012, Nikon, E. 4.1.3; BVGer, B-3332/2012, BMW, E. 2.1.2; Weko, 6.10.2008, RPW 2008/4, 544, Tarifverträge Zusatzversicherung Kanton Luzern, Krankenversicherer sowie öffentliche und öffentlich subventionierte Spitäler im Kanton Luzern, Ziff. 26; Amstutz/Carron, BSK-KG, Art. 7 Rn. 224; Borer, KG, Art. 2 Rn. 11; von Büren, Konzern, 470; David/Jacobs, WBR, Rn. 577; Heinemann, Konzernbegriff, 52; Heizmann/Mayer, Dike-KG, Art. 2 Rn. 31; Lang/Jenny, Konzernprivileg, 299; Lehne, BSK-KG, Art. 2 Rn. 27; Martenet/Killias, CR-Concurrence, Art. 2 Rn. 30 f.; Roth Robert, in: Martenet/Bovet/Tercier [Hrsg.], Droit de la concurrence, Commentaire Romand, 2. Aufl. 2013, zit. CR-Concurrence, Rem. art. 49a-53 Rn. 36; Rubin/Courvoisier, SHK-KG, Art. 3 Rn. 12; Weber/Volz, FHB-WBR, Rn. 1.60; Zäch, Kartellrecht, Rn. 256).

49.  Dabei stellen die einzelnen Gruppengesellschaften einschliesslich der Konzernobergesellschaft nur Repräsentanten des Konzerns dar, weil sie angesichts der fehlenden allgemeinen Rechtsfähigkeit eines Konzerns nicht rechtswirksam als dessen Stellvertreter im Rechtsverkehr auftreten können (vgl. BVGer, B-7633/2009, ADSL II, E. 30).

50.  Vor diesem Hintergrund sind die verschiedenen Einwände der Beschwerdeführerinnen gegenüber einer Heranziehung der Beschwerdeführerinnen als Repräsentanten des Konzerns durch die angefochtene Verfügung abzuweisen.

51.  Entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerinnen (vgl. E. 21 f.) ist generell eine einheitliche Qualifizierung des Konzerns als massgebliches Kartellrechtssubjekt vorzunehmen (vgl. Lang/Jenny, Konzernprivileg, 306 f.). Eine Differenzierung zwischen unterschiedlichen Gruppengesellschaften lässt sich wie dargelegt unter Berücksichtigung der Anforderungen an die Rechtssicherheit regelmässig auch nicht durchführen. Zudem lässt die für das Vorliegen eines Konzerns notwendige Feststellung eines Beherrschungsverhältnisses zwischen Konzernobergesellschaft und einzelner Gruppengesellschaft keinen Raum für eine sich daran anschliessende kartellrechtliche Differenzierung, weil mit der Feststellung eines Beherrschungsverhältnisses durch die Konzernobergesellschaft umgekehrt automatisch die Feststellung der fehlenden wirtschaftlichen Selbständigkeit einer Gruppengesellschaft zwingend einhergeht. Im Übrigen würde die Anerkennung einer solchen Differenzierung dazu führen, dass auch das Konzernprivileg nicht mehr allen Gesellschaften einer Unternehmensgruppe, sondern nur noch denjenigen Konzerngesellschaften, bei denen die Konzernobergesellschaft in ausreichender Weise das Bestehen eines Beherrschungsverhältnisses nachweisen könnte, zukommen würde. Dies hätte weitreichende Folgen auf die Beurteilung von jeglichen gruppeninternen Transaktionen, die damit dem Grundsatz nach wettbewerbskonform ausgestaltet sein müssten und von dieser Anforderung nur dann befreit wären, wenn ein Beherrschungsverhältnis in ausreichender Weise umgesetzt und dokumentiert wäre. Da konzerninterne Transaktionen aus nachvollziehbaren Gründen über das Konzernprivileg gerade von einer Anwendung der materiellen Kartellrechtsvorschriften ausgenommen werden sollen, ist es umgekehrt ausgeschlossen, für den personalen Anwendungsbereich des Kartellgesetzes spezifische Voraussetzungen an die interne Ausgestaltung des Konzernverhältnisses zu stellen.

52.  Ob und inwieweit in besonderen Sachverhaltskonstellationen eine andere Beurteilung gerechtfertigt werden kann, bedarf jedenfalls vorliegend keiner Abklärung, weil der Sachverhalt keinerlei Anhaltspunkte dafür bietet, dass von einem atypischen Konzernverhältnis auszugehen wäre. Die Beschwerdeführerinnen legen im Übrigen auch in keiner Weise dar, unter welchen Umständen von einer Ausnahmesituation auszugehen sei und sie begründen auch nicht, dass im vorliegenden Fall eine solche Ausnahmesituation gegeben sei. Insoweit handelt es sich bei diesen Argumentationen der Beschwerdeführerinnen letztlich um unsubstantiierte Behauptungen.

53.  Entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerinnen (vgl. E. 22) ist einer kartellrechtlichen Beurteilung von Konzernsachverhalten wie dargelegt auch nicht die Notwendigkeit einer tatsächlich erfolgten effektiven Kontrolle einer Gruppengesellschaft durch die Konzernobergesellschaft zu Grunde zu legen, weil bereits die Möglichkeit, einen massgeblichen Einfluss auf die Tätigkeit einer Gruppengesellschaft ausüben zu können, für die Annahme eines Beherrschungsverhältnisses ausreichend ist. Daher sind die Einwände der Beschwerdeführerinnen (vgl. E. 25 ff.) von vornherein unerheblich, (i) ob eine Untersuchung vorgenommen wurde, inwieweit die Konzernobergesellschaft in das Tagesgeschäft von Multipay und Card Solutions tatsächlich eingebunden war, und (ii) dass eine Feststellung der wirtschaftlichen Unabhängigkeit der Multipay und der Card Solutions weder durch die personellen Verflechtungen der verschiedenen Gruppengesellschaften noch durch ähnliche Firmenbezeichnungen, Internetauftritte und die Angabe des Geschäftszwecks ausgeschlossen sei.

54.  Der Vollständigkeit halber ist aber darauf hinzuweisen, dass auch bei Fehlen einer Konzernrechnung angesichts von konkreten Umständen wie beim vorliegenden Sachverhalt (vgl. SV B.d bis B.f) aufgrund des vollständigen Besitzes der Anteile an den Gruppengesellschaften durch die Konzernobergesellschaft, einer statutarischen Verankerung der Verpflichtung zur Verfolgung des Konzerninteresses im Gesellschaftszweck der Gruppengesellschaften, der Einsitznahme von Organ- oder Geschäftsleitungsmitgliedern der Konzernobergesellschaft in den Organen oder Geschäftsleitungen der Gruppengesellschaften sowie der Herstellung eines einheitlichen gruppenweiten Geschäftsauftritts im Hinblick auf Firmierung und Aussendarstellung bei einem Fehlen von belastbaren Nachweisen über die Sicherstellung einer unbeeinflussten Geschäftsführung durch die Gruppengesellschaften ohne Weiteres von einer tatsächlichen Einflussnahme der Konzernobergesellschaft auf die Gruppengesellschaften auszugehen ist.  

55.  Entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerinnen (vgl. E. 23) ist im vorliegenden Zusammenhang auch nicht auf die anders ausgestalteten Voraussetzungen einer Qualifizierung von Konzernen im EU-Wettbewerbsrecht abzustellen, weil aufgrund von Art. 2 Abs. 1bis KG und Art. 963 OR eine konkrete gesetzliche Rechtslage für die kartellrechtliche Beurteilung von Konzernverhältnissen besteht (vgl. E. 38).

(c)           Umstrukturierungen

56.  Bei Umstrukturierungen von Konzernen erfolgen strukturelle Veränderungen im Bestand der jeweiligen Gruppengesellschaften. Derartige Veränderungen sind äusserst vielgestaltig. Im Vordergrund stehen dabei folgende Konstellationen: (i) die Aufnahme neuer Gesellschaften und das Ausscheiden bestehender Gruppengesellschaften mittels Anteilserwerbs und -verkaufs (Unternehmenskauf); (ii) die Übernahme einer Gruppengesellschaft durch interne oder externe Gesellschaften (Absorption, Art. 3 ff. Bundesgesetz über Fusion, Abspaltung, Umwandlung und Vermögensübertragung vom 3.10.2003 [Fusionsgesetz, FusG]) oder deren Kombination in einer neuen Gesellschaft mittels Fusion (Verschmelzung, Art. 3 ff. FusG); (iii) die Abspaltung von Teilen einer Gruppengesellschaft (Art. 29 ff. FusG); (iv) die Übertragung von Geschäftsbetrieben oder deren Teile durch Vermögensübertragungen (Art. 69 ff. FusG). Bei der von einer strukturellen Veränderung betroffenen Gruppengesellschaft kann es sich um die Konzernobergesellschaft (Muttergesellschaft, Topholding-Gesellschaft), eine Zwischengesellschaft (Zwischenholding) oder eine einfache Gruppengesellschaft handeln. Eine Umstrukturierung stellt aber auch die Verbindung oder Abtrennung von ganzen Unternehmensgruppen mittels Anteilserwerbs, Fusion oder Anteilsverkaufs dar.

57.  Bei der Umstrukturierung eines Konzerns stellen sich dabei die Fragen, ob von der jeweiligen strukturellen Veränderung des Unternehmensverbunds überhaupt ein Einfluss und gegebenenfalls welcher Einfluss auf die Beurteilung im Kartellverwaltungsverfahren oder in einem darauf folgenden Rechtsmittelverfahren ausgeht. Diese Sachfragen betreffen im Einzelfall nicht nur den Aspekt der personalen Anwendbarkeit des Kartellgesetzes, sondern auch den Aspekt der massgeblichen Partei bzw. des massgeblichen Verfügungsadressaten (vgl. E. 125 ff.) sowie den Aspekt der Verantwortlichkeit des Konzerns für das wettbewerbswidrige Verhalten (vgl. E. 1502 ff.). Trotz eines gewissen sachlichen Zusammenhangs bedürfen diese Aspekte allerdings keiner einheitlichen Beantwortung (vgl. BVGer, B-7633/2009, ADSL II, E. 77).

58.  Im Rahmen der personalen Anwendbarkeit des Kartellgesetzes sind verschiedene grundlegende Aspekte für die kartellrechtliche Beurteilung einer Umstrukturierung von Konzernen zu berücksichtigen (vgl. Lang/Jenny, Konzernprivileg, 303 f., 307 f.; Straub, Konzern, 1295 f.; Tagmann Christoph/Zierlick Beat, in: Amstutz/Reinert [Hrsg.], Basler Kommentar, Kartellgesetz, 2010, zit. BSK-KG, Art. 49a Rn. 100). Dabei sind diese Aspekte für die Feststellung der personalen Anwendbarkeit des Kartellgesetzes abzugrenzen gegenüber den sachlichen Voraussetzungen für das Vorliegen eines Unternehmenszusammenschlusses, die in Art. 4 Abs. 3 KG i.V.m. Art. 2 VKU niedergelegt sind, denen wiederum eine eigenständige Bedeutung als Grundlage für eine Überprüfung gemäss Art. 9 f. KG zukommt (vgl. Borer, KG, Art. 4 Rn. 30 ff.; Reinert, BSK-KG, Art. 4 Abs. 3 Rn. 4 ff.; Süslü, Dike-KG, Art. 4 Abs 3 Rn. 9 ff.).

59.  Zum Zweck einer Feststellung des personalen Anwendungsbereichs lassen sich mehrere grundlegende Varianten von Transaktionen unterscheiden. Im Hinblick auf die an der Umstrukturierung beteiligten Unternehmen sind interne und externe Transaktionen sowie im Hinblick auf die Beibehaltung des Beherrschungsverhältnisses zwischen Konzernobergesellschaft und fehlbarer Konzerngesellschaft strukturerhaltende und strukturauflösende Transaktionen zu unterscheiden.

60.  Ausgangspunkt der entsprechenden Beurteilung einer Umstrukturierung bildet der Grundsatz des flexiblen Mitgliederbestands einer Unternehmensgruppe. Danach besteht das Kartellrechtssubjekt "Konzern" unabhängig von einem bestimmten Bestand an Gruppengesellschaften und einem allfälligen Ausscheiden oder Eintreten einzelner Gruppengesellschaften aus dem oder in den Konzern, wenn diese in keinem Zusammenhang zur Durchführung des wettbewerbswidrigen Verhaltens stehen. Denn für die Feststellung einer selbständigen wirtschaftlichen Organisationseinheit aufgrund eines besonderen Beherrschungsverhältnisses ist es unerheblich, welchen genauen Bestand an einzelnen Gruppengesellschaften dieser Verbund aufweist. Soweit das Beherrschungsverhältnis zwischen Konzernobergesellschaft und fehlbarer Konzerngesellschaft gewahrt bleibt, sind daher auch Bestandsänderungen für die Beurteilung des persönlichen Anwendungsbereichs des Kartellgesetzes unbeachtlich. Das Beherrschungsverhältnis bleibt bei Umstrukturierungen gewahrt, wenn es entweder (i) mangels struktureller Veränderungen von Konzernobergesellschaft und fehlbarer Konzerngesellschaft unverändert weiterbesteht oder (ii) zumindest in modifizierter Form fortbesteht, weil es trotz einer strukturellen Veränderung von Konzernobergesellschaft oder Konzerngesellschaft durch die neu gebildeten Gruppengesellschaften fortgeführt wird. So besteht das Beherrschungsverhältnis z.B. immer dann fort, wenn die Konzernobergesellschaft im Rahmen einer Fusion durch eine andere Gesellschaft absorbiert oder mit einer anderen Gesellschaft kombiniert wird, weil die neu eingesetzte oder neu geschaffene Konzernobergesellschaft das Beherrschungsverhältnis gegenüber den anderen Gruppengesellschaften einschliesslich der fehlbaren Konzerngesellschaft fortführt. Gleiches gilt umgekehrt etwa auch dann, wenn die fehlbare Konzerngesellschaft durch eine andere Gruppengesellschaft absorbiert oder mit dieser kombiniert wird. Denn die beherrschende Stellung der Konzernobergesellschaft besteht auch gegenüber der anderen Gruppengesellschaft und setzt sich daher fort. Massgebend für die kartellrechtliche Beurteilung einer Umstrukturierung ist demzufolge grundsätzlich, ob von einem Fortbestand der kartellrechtlichen Beurteilungslage auszugehen ist.

61.  Interne Transaktionen sind Umstrukturierungen, bei denen ausschliesslich Gruppengesellschaften des jeweiligen Konzerns beteiligt sind (daher stellen sie grundsätzlich auch keinen Unternehmenszusammenschluss gemäss Art. 4 Abs. 3 KG dar, vgl. BVGer, B-581/2012, Nikon, E. 4.1.3; Borer, KG, Art. 4 Rn. 28; Reinert, BSK-KG, Art. 4 Abs. 3 Rn. 57 ff.; Süslü, Dike-KG, Art. 4 Abs. 3 Rn 32). Gemäss dem Grundsatz des flexiblen Mitgliederbestands führen interne Transaktionen von vornherein nicht zu einer Veränderung des Kartellrechtssubjekts "Konzern", weil die jeweilige Unternehmensgruppe keine beachtenswerte Veränderung erfährt. Denn das Beherrschungsverhältnis zwischen Konzernobergesellschaft und fehlbarer Konzerngesellschaft wird in jedem Fall fortgeführt, wenn auch gegebenenfalls in veränderter struktureller Ausgestaltung. Diese Qualifizierung von derartigen Umstrukturierungen ist auch unter Berücksichtigung von Sinn und Zweck der kartellrechtlichen Anwendungsvorschriften sachgerecht. Ansonsten bestünde für einen Konzern die Möglichkeit, einer kartellrechtlichen Beurteilung für ein wettbewerbswidriges Verhalten dadurch zu entgehen, indem etwa die fehlbare Konzerngesellschaft mittels einer gruppeninternen Absorptionsfusion zum Verschwinden gebracht würde.

62.  Strukturerhaltende externe Transaktionen sind Umstrukturierungen, bei denen eine "Erweiterung der Unternehmensgruppe" durch bislang externe Unternehmen oder eine andere Unternehmensgruppe erfolgt, die Konzernobergesellschaft und die fehlbare Konzerngesellschaft nach Umsetzung der Umstrukturierung aber immer noch der gleichen Unternehmensgruppe angehören. Dabei können die beiden Gesellschaften ihre Position in der Unternehmensgruppe beibehalten, verändern oder infolge einer Absorption durch andere Gesellschaften oder einer Kombination mit diesen verlieren. So kann z.B. eine bislang beherrschende Konzernobergesellschaft mit einer neu hinzutretenden Gesellschaft kombiniert, von dieser absorbiert oder zu einer Zwischenholding herabgestuft werden. Strukturerhaltende externe Transaktionen führen ebenfalls nicht zu einer Veränderung des Kartellrechtssubjekts "Konzern", weil die jeweilige Unternehmensgruppe nach dem Grundsatz des flexiblen Mitgliederbestands eines Konzerns keine beachtenswerte Veränderung erfährt. Dies ergibt sich ohne Weiteres, wenn die Konzernobergesellschaft auch weiterhin die Position als beherrschende Gesellschaft beibehält. Soweit die Konzernobergesellschaft von einer neu hinzutretenden Gesellschaft absorbiert oder mit einer solchen kombiniert wird, tritt die neue Gesellschaft an die Position der bisherigen Konzernobergesellschaft, von der sie auch die herrschende Stellung gegenüber den anderen Gruppengesellschaften übernimmt, weshalb keine andere Einschätzung erforderlich wird. Auch die Qualifizierung derartiger Umstrukturierungen entspricht wie dargelegt Sinn und Zweck der kartellrechtlichen Anwendungsvorschriften, um zu vermeiden, dass sich ein Konzern im Rahmen einer Erweiterung der Unternehmensgruppe einer kartellrechtlichen Verantwortlichkeit zu entziehen vermag.

63.  Strukturauflösende externe Transaktionen sind Umstrukturierungen, bei denen ein "Wechsel der Unternehmensgruppe" stattfindet, weil die ursprüngliche Verbindung zwischen Konzernobergesellschaft und fehlbarer Konzerngesellschaft aufgelöst wird. Der Wechsel der Unternehmensgruppe wird dabei dadurch bewerkstelligt, dass entweder die Konzernobergesellschaft oder die fehlbare Konzerngesellschaft aus der Unternehmensgruppe ausscheidet, weil sie von einem gruppenfremden Unternehmen absorbiert oder mit diesem kombiniert wird oder dieses ihre Gesellschaftsanteile erwirbt. In diesen Fällen ist im Hinblick auf das wettbewerbswidrige Verhalten notwendigerweise eine Unterscheidung anhand des Zeitpunkts der Wirksamkeit der Transaktion vorzunehmen, weil eine gruppenübergreifende Zusammenfassung von verschiedenen Kartellrechtssubjekten auf der Zeitachse nicht möglich ist. Denn allein durch die Verlagerung des Beherrschungsverhältnisses zur fehlbaren Konzerngesellschaft von der Konzernobergesellschaft des einen Konzerns zur Konzernobergesellschaft des anderen Konzerns ergibt sich keine wirtschaftliche Abhängigkeit dieser Obergesellschaften untereinander und damit auch keine einheitliche Betrachtung. Demzufolge ist im Rahmen des personalen Anwendungsbereichs für die Zeit bis zum Wechsel der Unternehmensgruppe derjenige Konzern heranzuziehen, dem die fehlbare Konzerngesellschaft bislang angehörte. Ab dem Zeitpunkt des Wechsels der Unternehmensgruppe ist derjenige Konzern heranzuziehen, in dessen Unternehmensverbund die fehlbare Konzerngesellschaft nunmehr integriert ist. Auch diese Qualifizierung der entsprechenden Umstrukturierungen entspricht dem Sinn und Zweck der kartellrechtlichen Anwendungsvorschriften. Ansonsten bestünde für einen Konzen die Möglichkeit, einer kartellrechtlichen Beurteilung und der sich daraus ergebenden Verantwortlichkeit für ein wettbewerbswidriges Verhalten einfach durch eine Veräusserung der Anteile an der fehlbaren Konzerngesellschaft zu entgehen.

64.  Strukturelle Veränderungen im Bestand der Gruppengesellschaften führen demzufolge grundsätzlich nicht zu einer Änderung der Qualifizierung eines Konzerns als Kartellrechtssubjekt. Bei strukturauflösenden externen Transaktionen ergibt sich eine Zäsur auf den Zeitpunkt der Umstrukturierung, weshalb in diesen Fällen zwei Konzerne als Kartellrechtssubjekte in das Kartellverwaltungsverfahren einzubeziehen sind.

65.  Dieses Ergebnis entspricht auch praktischen Bedürfnissen. Soweit eine Umstrukturierung während eines laufenden Kartellverwaltungsverfahrens vorgenommen wird, muss die Untersuchung auf die neu strukturierten Entitäten ausgedehnt werden können, ohne dass dies Auswirkungen auf den Anwendungsbereich des Kartellgesetzes mit der Folge einer Einstellung des Untersuchungsverfahrens nach sich ziehen würde. Gleiches gilt für Umstrukturierungen, die vor Eröffnung eines Kartellverwaltungsverfahrens vorgenommen wurden, weil allfällige Auswirkungen der Transkaktion von den Wettbewerbsbehörden erst im Rahmen einer eingehenderen Untersuchung abgeklärt werden können. Ob und allenfalls wie sich eine Umstrukturierung auf die materiell-rechtliche Beurteilung des jeweiligen wirtschaftlichen Verhaltens auswirkt, ist im Verlauf der jeweiligen Untersuchung durch die Wettbewerbsbehörden abzuklären.   

(d)          Sachverhalt

66.  Die SIX-Gruppe bildet nach unstrittiger Ansicht einen Konzern, bei dem die Beschwerdeführerin 1 die Stellung der Konzernobergesellschaft ausübt. Gleichfalls wird von den Beschwerdeführerinnen nicht bestritten, dass es sich bei der Beschwerdeführerin 2 bzw. der Multipay und der Card Solutions um Konzerngesellschaften der SIX-Gruppe handelt bzw. handelte, die von der Beschwerdeführerin 1 im Rahmen der Konzernrechnungslegung dem Kreis der konsolidierten und damit beherrschten Gesellschaften zugerechnet wird bzw. wurde. Gleiches gilt auch für die Telekurs-Gruppe und die Telekurs Holding AG bis zu deren Zusammenschluss mit anderen Unternehmensgruppen zur SIX-Gruppe.

67.  Die Gründung der SIX-Gruppe erfolgte im Jahre 2007 durch den Zusammenschluss der Unternehmensgruppen SWX Group, SIS Swiss Financial Services Group, der Telekurs-Gruppe und des Vereins SWX Swiss Exchange (vgl. SV B.b). Die Beschwerdeführerin 1 wurde dabei als Konzernobergesellschaft der SIX-Gruppe installiert. Die Multipay und die Card Solutions verblieben als Tochtergesellschaften der Telekurs Holding AG auch weiterhin im Konzern. Letztere fungierte ab dem Zusammenschluss als Zwischenholding der Gruppensparte Telekurs, der die Multipay und die Card Solutions angehörten.

68.  Bei dieser Ausgestaltung des Unternehmenszusammenschlusses handelt es sich um eine strukturerhaltende externe Transaktion im vorbeschriebenen Sinne. Durch die Einbringung der Telekurs-Gruppe in die SIX-Gruppe hat die Beschwerdeführerin 1 von der Telekurs Holding AG das Beherrschungsverhältnis zur Multipay und der Card Solutions übernommen, das sich in Bezug auf die Beschwerdeführerin 2 nach dem Zusammenschluss der Multipay und der Card Solutions fortsetzt. Für eine kartellrechtliche Beurteilung ist demzufolge von einem Fortbestand des ursprünglichen Beherrschungsverhältnisses zwischen der Telekurs Holding AG und deren Tochtergesellschaften auszugehen.

69.  Entgegen der Behauptung der Beschwerdeführerinnen (vgl. E. 104) war die Beschwerdeführerin 1 während des relevanten Zeitraums bereits im Handelsregister eingetragen und als Obergesellschaft der SWX Group unter der damaligen Firma "SWX Holding AG" am Markt tätig gewesen. Dabei hatte die Beschwerdeführerin 1 auch aktiv am Zusammenschluss der verschiedenen Parteien zur SIX-Gruppe mitgewirkt, aus dem sie sogar als Konzenobergesellschaft hervorgegangen ist (vgl. SV B.b).

70.  Angesichts der Konsolidierung der Beschwerdeführerin 2 bzw. der Multipay und der Card Solutions in der Konzernrechnung der Six-Gruppe bzw. der Telekurs-Gruppe ist bzw. war ein Beherrschungsverhältnis zu Gunsten der Beschwerdeführerin 1 bzw. der Telekurs Holding AG gegeben. Es bestehen weder ersichtliche Gründe, die gegen die Massgeblichkeit dieses Aspekts für die Beurteilung der Konzernverhältnisse sprechen würden, noch werden solche von den Beschwerdeführerinnen vorgetragen.

71.  Der Vollständigkeit halber ist darauf hinzuweisen, dass angesichts der tatsächlich vorliegenden Verbindungen zwischen der Beschwerdeführerin 1 bzw. der Telekurs Holding AG als jeweilige Konzernobergesellschaft und der Beschwerdeführerin 2 bzw. der Multipay und der Card Solutions als Konzerngesellschaften in Gestalt des vollständigen Anteilsbesitzes, der Ausrichtung des Gesellschaftszwecks der Konzerngesellschaften auf das Interesse der Unternehmensgruppe (vgl. SV B.f), der personellen Verflechtungen (vgl. SV B.e) und der einheitliche Aussendarstellung der Konzerngesellschaften in Bezug auf die Unternehmensgruppe durch entsprechende Firmierung und Internetauftritte der Konzerngesellschaften auch bei Fehlen einer Konzernrechnung ohne Weiteres davon auszugehen wäre, dass ein Beherrschungsverhältnis zu Gunsten der Konzernobergesellschaften im relevanten Zeitraum bestand. Demzufolge ist es von vornherein nicht ausreichend, dass die Beschwerdeführerinnen für das Fehlen einer möglichen Kontrolle als Ausnahmefall lediglich die Behauptung vortragen (vgl. E. 25 f.), wonach die genannten Umstände für die Annahme eines Beherrschungsverhältnisses nicht ausreichen würden.

72.  Im Übrigen ist der Einwand der Beschwerdeführerinnen (vgl. E. 26 f.), wonach das Vorhandensein einer tatsächlichen Kontrolle der Multipay und der Card Solutions durch ihre jeweilige Muttergesellschaft ausdrücklich zurückgewiesen und bestritten wird, widersprüchlich angesichts der der jeweiligen Konzernobergesellschaft gesetzlich zukommenden Verpflichtung zur notwendigen Konsolidierung von tatsächlich beherrschten Gesellschaften im Rahmen einer ordnungsgemässen Rechnungslegung. Denn die Beschwerdeführerinnen bestreiten dadurch die Richtigkeit und Rechtmässigkeit der jeweiligen jährlichen Konzernrechnungen, mit denen die Multipay und Card Solutions ausdrücklich als beherrschte Gesellschaften qualifziert wurden. Da die Beschwerdeführerinnen aber keinerlei Nachweise für diese Behauptung vorlegen, ist davon auszugehen, dass das ausdrückliche Bestreiten dazu dient, den Verfahrensgegenstand und die notwendige Überprüfung der Angelegenheit durch die Wettbewerbsbehörden und die Rechtsmittelgerichte zu erschweren und zu verzögern.

(e)          Ergebnis

73.  Der persönliche Anwendungsbereich des Kartellgesetzes ist gegeben. Die SIX-Gruppe stellt als Konzern das massgebliche Kartellrechtssubjekt dar.

2)             Sachlicher Anwendungsbereich

74.  Die sachliche Anwendbarkeit des Kartellgesetzes erfasst gemäss Art. 2 Abs. 1 KG alle Verhaltensweisen, die das Treffen von Wettbewerbsabreden, die Ausübung von Marktmacht oder die Beteiligung an Unternehmenszusammenschlüssen zum Gegenstand haben, soweit gemäss Art. 3 KG kein Anwendungsvorbehalt zu Gunsten bestimmter sonstiger Rechtsvorschriften besteht.

75.  Das vorliegende Kartellverfahren und die angefochtene Verfügung beziehen sich auf die Verweigerung einer Herausgabe von Schnittstellen und die sich daraus ergebenden Implikationen auf den Absatz von verschiedenen Produkten in Form von Akzeptanzdienstleistungen, Zahlungskartenterminals und Währungsumrechnungsdienstleistungen eines Unternehmens mit einer besonderen Marktstellung und damit auf eine unzulässige Ausübung von Marktmacht im Sinne von Art. 2 Abs. 1 KG (vgl. BVGer, B-7633/2009, ADSL II, E. 34).

a)             Anwendungsausschlüsse

76.  Die Anwendung des Kartellgesetzes wird weder gemäss Art. 3 Abs. 1 KG durch eine Anwendung von Vorschriften, die eine staatliche Markt- oder Preisordnung begründen oder die einzelnen Unternehmen zur Erfüllung öffentlicher Aufgaben mit besonderen Rechten ausstatten, noch gemäss Art. 3 Abs. 3 KG aufgrund einer Vereinbarung zwischen Wettbewerbsbehörde und Preisüberwacher über die vorrangige Durchführung eines Verfahrens nach dem Preisüberwachungsgesetz ausgeschlossen.

b)            Immaterialgüterrechtsvorbehalt gemäss Art. 3 Abs. 2 KG

77.  Vorliegend ist zwischen den Parteien allerdings streitig, ob die Anwendung des Vorbehalts in Art. 3 Abs. 2 KG zu Gunsten einer Ausübung von Immaterialgüterrechten (nachfolgend: Immaterialgüterrechtsvorbehalt) auf die Verweigerung der Beschwerdeführerinnen zur Offenlegung von Schnittstelleninformationen zur Kommunikation zwischen Akzeptanz-Plattformen und Zahlungskartenterminals zum Tragen kommt.

 

 

(1)          Vorbringen der Beschwerdeführerinnen

78.  Nach Ansicht der Beschwerdeführerinnen schliesst der Immaterialgüterrechtsvorbehalt eine kartellrechtliche Prüfung des vorliegenden Sachverhalts aus, weil die Verweigerung einer Herausgabe von Informationen über die DCC-Schnittstelle ausschliesslich auf einer berechtigten Wahrung von Immaterialgüterrechten durch die Beschwerdeführerinnen an dieser DCC-Schnittstelle beruhe.

79.  Im Übrigen halten die Beschwerdeführerinnen die Geltendmachung einer geltungserhaltenden Reduktion durch die Vorinstanz im Rahmen einer Interpretation von Art. 3 Abs. 2 KG für sachwidrig.

(2)          Vorbringen der Vorinstanz

80.  Zur Begründung einer Ablehnung des Immaterialgüterrechtsvorbehalts stützt sich die Vorinstanz unter Verweis auf die vorherrschende Ansicht in der Literatur auf eine geltungszeitliche und restriktive Interpretation von Art. 3 Abs. 2 KG. Dementsprechend könne der vorliegende Sachverhalt auf seine kartellrechtliche Zulässigkeit überprüft werden.

(3)          Würdigung durch das Gericht

81.  Der in Art. 3 Abs. 2 KG statuierte Immaterialgüterrechtsvorbehalt sieht in Satz 1 einerseits vor, dass Wettbewerbswirkungen, die sich ausschliesslich aus der Gesetzgebung über das geistige Eigentum ergeben, nicht unter das Kartellgesetz fallen. Nach Satz 2 unterstehen andererseits Einfuhrbeschränkungen, die sich auf Rechte des geistigen Eigentums stützen, ausdrücklich einer Beurteilung nach dem Kartellgesetz. Satz 1 war bereits im Kartellgesetz 1995 enthalten, während Satz 2 mit der Revision des Kartellgesetzes 2004 erst nachträglich eingefügt wurde.

82.  Dem Wortlaut des Immaterialgüterrechtsvorbehalts lässt sich nach übereinstimmender Auffassung keine eindeutige Abgrenzung von dessen Anwendung entnehmen. Mangels einer höchstrichterlichen Rechtsprechung hierzu bedarf es einer Festlegung, welcher Bedeutungsgehalt dem Immaterialgüterrechtsvorbehalt im vorliegenden Fall zukommt.

83.  In der Botschaft KG 1995 wird festgehalten, dass die sich aus Rechten des geistigen Eigentums allfällig ergebenden Wettbewerbsbeschränkungen in der Form von Monopolstellungen nur dann unter den Vorbehalt von Art. 3 Abs. 2 KG fallen, wenn sie sich ausschliesslich aus dem materiellen Gehalt der angerufenen Rechte ergeben. Die Formulierung "ausschliesslich aus der Gesetzgebung über das geistige Eigentum" in Art. 3 Abs. 2 KG bringe diese einschränkende Interpretation des Vorbehalts deutlich zum Ausdruck (vgl. Botschaft KG 1995, 541). Eine einschränkende Auslegung diene auch dem Missbrauchsschutz, weil verhindert werden soll, dass Immaterialgüterrechte in Abweichung von ihrem eigentlichen Zweck zur Verfolgung von rein wettbewerbsbeschränkenden Zielen eingesetzt würden (vgl. Botschaft KG 1995, 541).

84.  Die theoretisch klar erscheinende Abgrenzung zwischen einer legitimen Inanspruchnahme von Immaterialgüterrechten und einer unzulässigen Wettbewerbsbeschränkung lässt sich in der Praxis allerdings nicht in dieser Schärfe nachvollziehen (vgl. Botschaft KG 1995, 541 f.). Dies gilt für alle Formen einer Unterscheidung zwischen dem Bestand und einer Ausübung von Immaterialgüterrechten (vgl. Botschaft KG 1995, 542 Fn. 112). Zwar stellen das blosse Schaffen, Festlegen, Programmieren oder Erfinden etc. von Geistigem Eigentum sowie seine Anmeldung, Eintragung und Aufrechterhaltung in öffentlichen Registern in der Regel kein wettbewerbliches Verhalten dar, weshalb der immaterialgüterrechtliche Bestandsschutz vom Kartellrecht prinzipiell nicht erfasst zu werden braucht. Allerdings können auch im Rahmen des Bestandsschutzes ausnahmsweise wettbewerbswidrige Aspekte verfolgt werden, z.B. wenn Immaterialgüterrechte missbräuchlich erworben oder verteidigt werden (vgl. BGE 127 III 160, Securitas, E. 1a; BGer, 28.11.2018, 4A_234/2018, Wild Heerbrugg, E. 2.2.2). Daher ist der sachliche Anwendungsbereich des Kartellgesetzes nicht nur auf jeden gewerblichen Gebrauch von Ausschliesslichkeitsrechten und jede Form ihrer Geltendmachung, Verteidigung, Lizenzierung, Übertragung oder Verweigerung als Rechtsausübung bzw. Verletzungsschutz beschränkt.  

85.  Anfänglich bestand in der Literatur die Ansicht, dass zwischen Kartellrecht und Immaterialgüterrecht ein Zielkonflikt bestehe (vgl. Heinemann Andreas, Demarkation von Immaterialgüter- und Kartellrecht? - Eine kritische Analyse, in: Zäch [Hrsg.], Schweizerisches Kartellrecht - an Wendepunkten?, 2009, zit. Demarkation, 44 ff.; Hilty M. Reto, in: Amstutz/Reinert [Hrsg.], Basler Kommentar, Kartellgesetz, 2010, zit. BSK-KG, Art. 3 Abs. 2 Rn. 1 ff.). Mittlerweile herrscht allerdings die Ansicht vor, dass zwischen der Zielsetzung von Kartellrecht einerseits und Immaterialgüterrecht andererseits kein Konflikt bestehe; vielmehr wird das Zusammenwirken der beiden Rechtsgebiete als komplementär bewertet (vgl. Carcagni Romina/Treis Michael/Durrer Angela/Hanselmann Petra, in: Baker & McKenzie [Hrsg.], Kartellrecht, 2007, zit. SHK-KG, Art. 3 Rn. 14; Fiala Donatella, Das Verhältnis zwischen Immaterialgüter- und Kartellrecht, 2006, zit. Verhältnis, 13 ff., 131 f.; Heinemann, Demarkation, 59; Hilty, BSK-KG, Art. 3 Abs. 2 Rn. 15; Killias Pierre-Alain, in: Martenet/Bovet/Tercier [Hrsg.], Commentaire Romand, Droit de la concurrence, 2. Aufl. 2013, zit. CR Concurrence, Art. 3 Abs. 2 Rn. 7; Rauber Georg, Verhältnis des neuen Rechts zum Immaterialgüterrecht, in: Stoffel/Zäch [Hrsg.], Kartellgesetzrevision 2003 - Neuerungen und Folgen, 2004, zit. Verhältnis, 187 f.; Stirnimann Franz X., Urheberkartellrecht, 2004, zit. Urheberkartellrecht, 14 f.; Weber Rolf H., in: Zäch u.a. [Hrsg.], Kartellgesetz, 2018, zit. Dike-KG, Art. 3 Abs. 2 Rn. 40 ff.). Wie das Kartellrecht baue auch das Immaterialgüterrecht auf der Idee des funktionierenden, wirksamen und dynamischen Wettbewerbs auf, womit die Zielsetzungen im Ergebnis dieselben seien (vgl. Fiala, Verhältnis, 13 ff.; Hilty, BSK-KG, Art. 3 Abs. 2 Rn. 15). Denn das Ziel des Immaterialgüterrechts bilde die Förderung von Innovationswettbewerb durch die Gewährung von immaterialgüterrechtlichem Schutz (vgl. Carcagni/Treis/Durrer/ Hanselmann, SHK-KG, Art. 3 Rn. 14; Fiala, Verhältnis, 4; Rauber, Verhältnis, 187). Des Weiteren wird in der Lehre vorgebracht, dass bereits die verfassungsmässige und somit übergeordnete Zielsetzung von Art. 27 und Art. 96 BV, gegen volkswirtschaftlich oder sozial schädliche Auswirkungen von Kartellen und anderen Wettbewerbsbeschränkungen vorzugehen, einer Ausklammerung gewisser Rechte vom Geltungsumfang des Kartellrechts entgegenstehe (vgl. Hilty, BSK-KG, Art. 3 Abs. 2 Rn. 15; kritisch Fiala, Verhältnis, 13).

86.  Vor diesem Hintergrund wird in Praxis und Lehre heute überwiegend eine restriktive Interpretation von Art. 3 Abs. 2 KG und in der Folge eine weite, im Ergebnis uneingeschränkte Anwendung des Kartellgesetzes postuliert (vgl. Weko, 7.7.2008, RPW 2008/3, 392, Documed AG, Publikation von Arzneimittelinformationen, zit. Documed, Ziff. 75 f., 78; Weko, 29.5.2006, RPW 2006/3, 435, Pharmion Schweiz GmbH, Medikamentenpreis Thalidomid, Ziff. 26 f., 28; Weko, 22.4.2004, RPW 2005/1, 54, Swisscom Directories AG, Herstellung, Verwaltung und Herausgabe von regulierten Verzeichnisdaten, Ziff. 231 f.; Fiala, Verhältnis, 130, 149 und 151; Gujer Fredy, Parallelimporte patentrechtlich geschützter Güter - missbräuchliche Zustimmungsverweigerung des Schutzrechtsinhabers, 2005, zit. Parallelimporte, 83 ff.; Heinemann, Demarkation, 44 ff.; Hilty, BSK-KG, Art. 3 Abs. 2 Rn. 1 ff., 21 ff.; Keller Bernhard Rafael, Kartellrechtliche Schranken für Lizenzverträge, 2004, zit. Schranken, 63 f.; Killias, CR Concurrence, Art. 3 Abs. 2 Rn. 14; Rauber, Verhältnis, 196 f.; Weber Rolf H., Kartellrecht Einleitung, Geltungsbereich und Verhältnis zu anderen Rechtsvorschriften, in: Schweizerisches Immaterialgüter- und Wettbewerbsrecht, Bd. V/2, von Büren/David [Hrsg.], 2000, zit. SIWR-Kartellrecht, 50 f.). Denn mit der Nutzung von Schutzrechten seien stets auch Wettbewerbswirkungen verbunden, wobei sich diese praktisch aber nie ausschliesslich aus der Gesetzgebung über das geistige Eigentum ergeben würden (vgl. Hilty, BSK-KG, Art. 3 Abs. 2 Rn. 30 ff.). Auch der Gedanke des Missbrauchsschutzes wird als Argument für eine restriktive Interpretation von Art. 3 Abs. 2 KG angeführt (vgl. Heinemann, Demarkation, 44 ff.; Hilty, BSK-KG, Art. 3 Abs. 2 Rn. 1 ff.; Rauber, Verhältnis, 196 f.; Weber, SIWR-Kartellrecht, 50 f.). Die uneingeschränkte Anwendung des Kartellgesetzes auf immaterialgüterrechtliche Sachverhalte wird in der Lehre schliesslich mittels des Vorbringens untermauert, geistiges Eigentum sei mit Blick auf die kartellrechtliche Überprüfungsmöglichkeit gleich zu behandeln wie sachliches Eigentum, welches einer materiellen Prüfung ohne Weiteres zugänglich sei (vgl. Fiala, Verhältnis, 4 f.; Heinemann, Demarkation, 59). Nach diesem Verständnis sei Art. 3 Abs. 2 KG demzufolge nicht als Anwendungsvorbehalt zu verstehen. Vielmehr gehe es darum, mittels Art. 3 Abs. 2 KG sicherzustellen, dass bei einer materiellen Prüfung auch die Zielsetzungen des Immaterialgüterrechts nicht vernachlässigt würden (vgl. Carcagni/Treis/Durrer/Hanselmann, SHK-KG, Art. 3 Rn. 16; Stirnimann, Urheberkartellrecht, 47 ff.). Im Ergebnis führe dies dazu, dass die immaterialgüterrechtlichen Sachverhaltsaspekte im Rahmen der materiellrechtlichen Frage nach der kartellrechtlichen Zulässigkeit zu würdigen seien (vgl. Carcagni/Treis/Durrer/ Hanselmann, SHK-KG, Art. 3 Rn. 15 f.; Heinemann, Demarkation, 55 ff.; Hilty, BSK-KG, Art. 3 Abs. 2 Rn. 22 f.; Stirnimann, Urheberkartellrecht, 41 ff.; nach Weber Rolf H., Dike-KG, Art. 3 Rn. 53, ist die Frage der Anwendbarkeit aber strikt von der Frage der materiell-rechtlichen Zulässigkeit zu unterscheiden).

87.  Diese Einschätzung wird auch durch die Evaluationsgruppe Kartellgesetz im Rahmen einer Evaluation des Kartellgesetzes gemäss Art. 59a KG geteilt (vgl. Evaluationsgruppe KG, Studien zu Einzelbestimmungen [Art. 3 Abs. 2 KG: Einfuhrbeschränkungen, geistiges Eigentum; Art. 5 Abs. 4 KG: vertikale Vereinbarungen], Projektbericht P2, 2008, zit. Evaluationsgruppe KG, 7). Danach statuiere Art. 3 Abs. 2 KG keinen Geltungs- oder Anwendungsvorbehalt für die Anwendung des Kartellgesetzes, weil eine eindeutige Abgrenzung zwischen einer legitimen Ausübung von Immaterialgüterrechten und unzulässigen Wettbewerbsbeschränkungen nicht vorgenommen werden könne. Mit der h.L. wird daher gefordert, dass Art. 3 Abs. 2 KG restriktiv auszulegen sei. Ein Sachverhalt mit immaterialgüter- und wettbewerbsrechtlichen Komponenten könne infolgedessen praktisch immer anhand des materiellen Kartellrechts geprüft werden (vgl. Evaluationsgruppe KG, 14 f.). Die Abgrenzung könne sich dann nur aus der materiellen Beurteilung eines Sachverhalts gestützt auf Art. 5 oder 7 KG ergeben (vgl. Evaluationsgruppe KG, 9).

88.  Inhalt und Tragweite des Immaterialgüterrechtsvorbehalts für den vorliegenden Sachverhalt sind demzufolge unter Berücksichtigung der hierfür massgeblichen materiellen Aspekte zu bestimmen (vgl. E. 528 ff.).

3)             Räumlicher Geltungs- und Anwendungsbereich

89.  Das Kartellgesetz beansprucht Geltung auf dem Hoheitsgebiet der Schweiz und findet gemäss dem in Art. 2 Abs. 2 ausdrücklich statuierten Auswirkungsprinzip auf alle Sachverhalte Anwendung, die sich in der Schweiz auswirken. Dies gilt selbst dann, wenn sie im Ausland veranlasst wurden. Dieses als Anwendungsfall des völkerrechtlichen Territorialitätsprinzips geltende Prinzip (vgl. Herdegen Matthias, Internationales Wirtschaftsrecht, 10. Aufl. 2014, § 3 Rn. 61 f.; Müller Jörg Paul/Wildhaber Luzius, Praxis des Völkerrechts, 3. Aufl. 2000, 379; Ziegler Andreas R., Einführung in das Völkerrecht, 3. Aufl. 2015, Rn. 593 ff.) wurde mit der Revision des Kartellgesetzes im Jahr 1995 gesetzlich normiert, war vorgängig aber bereits anerkannt (vgl. Botschaft KG 1995, 535 Fn. 97).  Dementsprechend wird das Auswirkungsprinzip von der Rechtsprechung zur Bestimmung des räumlichen Geltungs- und Anwendungsbereichs seit dem Jahr 1967 herangezogen (vgl. BGE 143 II 297, Gaba, E. 3; BGer, 24.4.2001, 2A.387/2000, Rhône Poulenc SA (France) und Merck & Co. Inc. (USA), publ. in: BGE 127 III 219 E. 3a; BGE 93 II 192 E. 3; BVGer, 19.12.2013, B-506/2010, Gaba International AG gg. Weko, zit. Gaba, E. 3.3.6 f.). Seine Anwendung wird auch in der Literatur allgemein anerkannt (vgl. Borer, KG, Art. 2 Rn. 20 ff.; Lehne, BSK-KG, Art. 2 Rn. 41, 48 ff.; Martenet/Killias, CR-Concurrence, Art. 2 Rn. 83 f.; Rubin/Courvoi-sier, SHK-KG, Rn. 30 ff.; Zäch, Kartellrecht, Rn. 267 ff.; Zurkinden/ Trüeb, KG, Art. 2 Rn. 9 ff.). Aufgrund des weiten Anwendungsbereichs des Kartellgesetzes setzt dessen räumlicher Geltungs- und Anwendungsbereich keine inhaltliche Aufgreifschwelle voraus (vgl. BGE 143 II 297, Gaba, E. 3.2.3, 3.3; BVGer, B-506/2010, Gaba, E. 3.3.14.1; BVGer, B-7633/2009, ADSL II, E. 19 ff.; BVGer, B-3332/2012, BMW, E. 2.3.10).

90.  Im vorliegenden Sachverhalt beziehen sich sowohl das zu untersuchende Verhalten der Beschwerdeführerinnen als auch die sich daraus ergebenden Folgen für deren Konkurrenten auf die Schweiz. Der räumliche Geltungs- und Anwendungsbereich des Kartellgesetzes ist demzufolge gegeben, weil das zu beurteilende Verhalten der Beschwerdeführerinnen in der Schweiz Auswirkungen nach sich zieht.

4)             Zeitlicher Geltungs- und Anwendungsbereich

91.  Art. 49a KG, der die Rechtsgrundlage einer Sanktionierung der Beschwerdeführerinnen bildet, trat am 1. April 2004 in Kraft. Die Beschwerdeführerinnen werden für ein Verhalten ab dem 5. Juli 2005 in Anspruch genommen. Der zeitliche Geltungs- und Anwendungsbereich des Kartellgesetzes ist somit gegeben. Besondere Übergangsbestimmungen sind vorliegend nicht zu berücksichtigen.

IV.          Rechtmässigkeit des vorinstanzlichen Verfahrens

92.  Die Beschwerdeführerinnen erheben verschiedene Rügen gegenüber der Rechtmässigkeit des vorinstanzlichen Verfahrens. Dabei bildet die angefochtene Verfügung den Abschluss eines Kartellverfahrens der Vorinstanz, welches aufgrund der Art. 18 ff. KG sowie der ergänzenden Bestimmungen des Verwaltungsverfahrensgesetzes durchgeführt worden war. Das Beschwerdeverfahren wurde gemäss Art. 37 VGG nach den Bestimmungen des Verwaltungsverfahrensgesetzes sowie den ergänzenden Regelungen der Art. 38 f. VGG vor diesem Gericht durchgeführt.

1)             Rechtskonforme Verfügungsbehörde

93.  Die Vorinstanz war die sachlich zuständige und organisationsrechtlich berechtigte behördliche Organisationseinheit, um eine kartellrechtliche Verfügung gemäss Art. 30 und 39 KG sowie Art. 6 und 34 VwVG einschliesslich von Sanktionen gemäss Art. 49a KG zu erlassen (vgl. BVerG, B-7633/2009, ADSL II, E. 135 ff.).

 

(1)          Vorbringen der Beschwerdeführerinnen

94.  Gestützt auf die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte machen die Beschwerdeführerinnen geltend, dass der Anspruch aus Art. 30 BV und Art. 6 EMRK auf Beurteilung durch ein unabhängiges Gericht bei einer Sanktionierung aufgrund von Art. 49a KG durch die Vorinstanz nicht erfüllt werde, weil diese Anforderung mit Ausnahme von Bagatell- und Disziplinarfällen in jeder Instanz erfüllt sein müsse, die Vorinstanz insbesondere wegen der fehlenden Trennung von Untersuchungs- und Entscheidfunktion aber eine Verwaltungsbehörde und kein unabhängiges Gericht darstelle.

95.  Diese Rüge war von den Beschwerdeführerinnen zunächst erhoben worden, nach Erlass des Bundesgerichts in Sachen Publigroupe zwischenzeitlich zurückgezogen und im September 2018 im Rahmen des Antrags auf Einstellung des Verfahrens wegen eines Eintritts der Verjährung erneut geltend gemacht worden (vgl. SV K.o, SV K.u). Mit dem Argument der fehlenden rechtskonformen Zuständigkeit der Vorinstanz für die Verhängung von strafrechtlichen bzw. strafrechtsähnlichen Sanktionen wird von ihnen der Eintritt der Verjährung nach strafrechtlichen bzw. verwaltungsstrafrechtlichen Vorschriften begründet (vgl. E. 1662 ff.).

(2)          Vorbringen der Vorinstanz

96.  Die Vorinstanz stützt die angefochtene Verfügung im Wesentlichen auf die Gründe ab, die im Rahmen der nachfolgenden Würdigung durch das Gericht dargestellt werden.

(3)          Würdigung durch das Gericht

97.  Der Anspruch gemäss Art. 6 EMRK auf eine Verhandlung durch ein unabhängiges, unparteiisches und auf Gesetz beruhendes Gericht bei strafrechtlichen Anklagen (nachfolgend: Gerichtsvorbehalt) hat im Hinblick auf die Rechtskonformität der Verfügungsbehörde dieselbe Tragweite wie Art. 30 Abs. 1 Satz 1 BV, wonach jede Person, deren Sache in einem gerichtlichen Verfahren beurteilt werden muss, Anspruch auf ein durch Gesetz geschaffenes, zuständiges, unabhängiges und unparteiisches Gericht hat (vgl. BGE 139 I 72, Publigroupe, E. 2.2.1; BGE 135 I 14 E. 2; BGE 133 I 1 E. 5.2). Demzufolge kann eine Beurteilung der Rechtskonformität der Verfügungsbehörde allein an Art. 6 EMRK und der umfangreichen Praxis zu dieser Bestimmung ausgerichtet werden.

98.  Das Bundesverwaltungsgericht hat angesichts des grundlegenden Urteils des Bundesgerichts in Sachen Publigroupe (BGE 139 I 72 E. 4.4) in einem jüngeren Urteil (BVGer, B-7633/2009, ADSL II, E. 135 ff.) unter Bezugnahme auf Urteile des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (nachfolgend auch: EGMR; Hinweis: alle angeführten Entscheidungen des EGMR sind in der der Internetdatenbank des Gerichts "Hudoc" veröffentlich und zugänglich unter www.hudoc.echr.coe.int) zu Sanktionen im französischen und italienischen Kartellrecht (EGMR, 3.12.2002, 53892/00, Lilly France gg. Frankreich, Ziff. 2 [S. 9]; EGMR, 27.9.2011, 43509/08, Menarini Diagnostics S.R.L. gg. Italien, zit. Menarini, Ziff. 38 ff.) nochmals ausführlich dargelegt, dass angesichts der umfassenden Kognitionbefugnis des Bundesverwaltungsgerichts auch unter Berücksichtigung des strafrechtsähnlichen Charakters der Sanktionen gemäss Art. 49a Abs. 1 KG die Wettbewerbskommission zum Erlass von Sanktionen gemäss Art. 49a Abs. 1 KG berechtigt sei und hierdurch keine Verfahrensgarantien der Europäischen Menschenrechtskonvention oder der Bundesverfassung beeinträchtigt würden (vgl. so bereits vorgängig BVGer, B-2050/2007, Terminierung Mobilfunk, E. 5.4 ff.; zur Entwicklung vgl. Pauker Fanny, Das Recht auf gerichtliche Beurteilung im Lauterkeits- und Kartellrecht - Der Einfluss von Art. 6 EMRK auf das schweizerische Wettbewerbsrecht, in: Fahrländer/Heizmann [Hrsg.], Europäisierung der Rechtsordnung, 2013, 643 ff., 684).

99.  Dabei ist insbesondere hervorzuheben, dass der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte mit seinem Entscheid in Sachen Menarini selbst bestätigt hat, dass zum einen ein Kartellverwaltungsverfahren nicht zum Bereich des Kernstrafrechts zu zählen ist (EGMR, 43509/08, Menarini, Ziff. 57 f.), und dass zum anderen auch im Rahmen eines Kartellverwaltungsverfahrens hohe finanzielle Sanktionen ausgesprochen werden können, soweit die Möglichkeit einer Überprüfung durch ein Gericht mit vollständiger Entscheidungsgewalt gegeben ist (EGMR, 43509/08, Menarini, Ziff. 62 f.).

100.  Hieran ist auch aufgrund der weiteren, zwischenzeitlich vom Bundesgericht und vom Bundesverwaltungsgericht in Kartellsachen erlassenen Urteilen, mit denen die Rechtmässigkeit einer entsprechenden Sanktion durch die Wetttbewerbskommission zumindest implizit bestätigt wurde, ausdrücklich festzuhalten (vgl. BGE 143 II 297, Gaba, E. 9.7; BGer, 2C_63/2016, BMW, E. 6).

101.  Der gegenteilige Einwand der Beschwerdeführerinnen ist daher unbeachtlich.

2)             Rechtmässige Verfügungsadressaten

102.  Zwischen den Parteien ist strittig, ob neben der Beschwerdeführerin 2 auch die Beschwerdeführerin 1 als Adressatin der Verfügung herangezogen werden kann.

(1)          Vorbringen der Beschwerdeführerinnen

103.  Bei der Beschwerdeführerin 2 sowie der früheren Multipay und Card Solutions handle es sich um unabhängige Unternehmen mit eigener Rechtspersönlichkeit, welche jederzeit auch Adressaten von Anordnungen und Verfügungen der Behörden sein könnten, was auch für kartellrechtliche Sanktionssachverhalte gelten müsse. Daher seien allein sie kartellbussenrechtlich zu belangen.

104.  Zudem sei eine Einbeziehung der Beschwerdeführerin 1 als materielle Verfügungsadressatin in das Verfahren nicht sachgerecht, weil diese im relevanten Zeitraum bis Ende 2006 noch gar nicht bestanden habe. Die Beschwerdeführerin 1 und die SIX-Gruppe in ihrer heutigen Form seien erst im Jahr 2007 im Nachgang zum Zusammenschluss der SIX-Gruppe und somit nach Abschluss der zur Last gelegten Verhaltensweise entstanden.

105.  Darüber hinaus sei die Beschwerdeführerin 1 erst nach Abschluss fast aller Untersuchungshandlungen per 8. Juni 2010, d.h. 4 Jahre nach Eröffnung der Vorabklärung, in das Verfahren einbezogen worden. Sämtliche Verfahrenshandlungen und Untersuchungsschritte vor diesem Zeitpunkt seien somit ohne direkte Beteiligung der Beschwerdeführerin 1 erfolgt. Die Beschwerdeführerin 1 habe demzufolge erst wenige Monate vor Erlass der Verfügung überhaupt erst die Möglichkeit erhalten, ihre originären Partei- und Verteidigungsrechte wahrzunehmen.

106.  Das in der Verfügung zur Begründung herangezogene Urteil des Bundesverwaltungsgerichts in Sachen Publigroupe könne auf den vorliegenden Fall aus verschiedenen Gründen nicht angewendet werden. Zum einen basiere es auf einer grundsätzlich unterschiedlichen Sachverhaltskonstellation. In Sachen Publigroupe seien die gesamte Untersuchung und sämtliche Verfahrenshandlungen unter Beteiligung der Muttergesellschaft durchgeführt worden. Diese habe vollumfänglich am Verfahren teilnehmen und ihre verfahrensmässigen Rechte wahrnehmen können. Bei den nachträglich beigezogen Beteiligten habe es sich demgegenüber um Tochtergesellschaften der Muttergesellschaft gehandelt. Das Bundesverwaltungsgericht habe diesen Einbezug nur für zulässig erachtet, weil den nachträglich hinzutretenden Parteien keine Verfahrenskosten und keine Bussgelder auferlegt worden seien. Im Gegensatz zum vorliegenden Sachverhalt, bei dem eine bisher unbeteiligte Partei als materielle Verfügungsadressatin aufgenommen und sanktioniert worden sei, seien im Verfahren Publigroupe lediglich zusätzliche formelle Verfügungsadressaten aufgenommen worden. Zudem weise der vorliegende Sachverhalt keinen Unternehmensverkauf der handelnden Unternehmen auf.

107.  Zum anderen stelle das Urteil Publigroupe auch keine allgemeine Regel zur Heranziehung der Konzernmuttergesellschaft als materielle Verfügungsadressatin auf, sondern weise ausdrücklich darauf hin, dass aufgrund der konkreten Umstände des Verfahrens die Publigroupe AG als Unternehmen und Verfügungsadressat im materiellen Sinne zu gelten habe. Die Bestimmung des Verfahrensadressaten habe demzufolge verfahrensspezifisch zu erfolgen und müsse sämtliche Aspekte des Einzelfalls in Betracht ziehen. Die Bestimmung des materiellen Verfügungsadressaten könne somit nicht pauschal und allgemeingültig im Ergebnis stets auf die Konzernmutter hinauslaufen.

108.  Ein Wechsel innerhalb des Untersuchungsverfahrens auf die Beschwerdeführerin 1 sei als Parteiwechsel im laufenden Verfahren zu qualifizieren. Ein derartiger Parteiwechsel sei nur dann zulässig, wenn Rechte oder Pflichten frei übertragbar seien. Die antragstellende Behörde hätte demnach zumindest prüfen müssen, ob ein entsprechender Parteiwechsel vorliegend zulässig sei.

109.  Die Einbeziehung der Beschwerdeführerin 1 verstosse insbesondere gegen das strafrechtliche Schuldprinzip, weil dies zu einer unzulässigen Gleichsetzung von Mutter- und Tochtergesellschaften in Bezug auf ihre (kartell-)strafrechtliche Verantwortlichkeit führe.

110.  Folglich seien die Ausweitung der Untersuchung und die angefochtene Verfügung mit Bezug auf die Beschwerdeführerin 1 rechtswidrig.

(2)          Vorbringen der Vorinstanz

111.  Die Vorinstanz begründet die Heranziehung der Beschwerdeführerin 1 unter Verweis auf den funktionalen Unternehmensbegriff des Kartellgesetzes.

112.  Aus den Umständen Anteilsbesitz, Zweckklausel, Firmenbezeichnung und Einsitznahme könne geschlossen werden (vgl. E. 33), dass die SIX Group AG die Beteiligungen an Multipay und Card Solutions nicht ausschliesslich als Investition halte, sondern dass sie über die Ausübung von Aktionärsrechten hinaus Einfluss auf die Tochtergesellschaften nehme.

113.  Aufgrund der vorgenannten Aspekte sei die Beschwerdeführerin 1 als Verfügungsadressatin im materiellen Sinne zu qualifizieren. Die beiden Tochtergesellschaften seien demgegenüber diejenigen juristischen Personen, deren Marktstellung und Verhalten untersucht würden. Sie seien daher Verfügungsadressatinnen im formellen Sinne.

114.  Diese Qualifizierung stelle eine direkte Folge des Urteils des Bundesverwaltungsgerichts in Sachen Publigroupe dar, welches als Leitentscheid für die Frage anzusehen sei, wer bei Konzernverhältnissen in kartellrechtlichen (Sanktions-)Verfahren als Verfügungsadressat im materiellen und formellen Sinne zu gelten habe. Dabei habe das Gericht festgestellt, dass bei Konzernen die rechtlich selbständigen Konzerngesellschaften mangels wirtschaftlicher Selbstständigkeit keine Unternehmen darstellten. Daraus folge, dass diese Gesellschaften nicht mehr materielle Verfügungsadressatinnen sein könnten.

115.  Ein Parteiwechsel liege nicht vor. Gemäss Lehre liege kein Parteiwechsel vor, wenn die Identität der Partei gewahrt bleibe. Ausgehend vom kartellrechtlichen Unternehmensbegriff sei die Identität der Partei im vorliegenden Fall gewahrt worden. Die Beschwerdeführerin 1 sei mittels der ihr wirtschaftlich zurechenbaren Tochtergesellschaften Multipay und Card Solutions von Beginn an am Verfahren beteiligt gewesen. Wenn von einem Parteiwechsel auszugehen wäre, so wäre dieser jedenfalls zulässig gewesen. Ein Parteiwechsel sei immer dann zulässig, wenn das materielle Recht einen Subjektwechsel nicht ausschliesse. Das Kartellgesetz schliesse einen Parteiwechsel nicht aus. Unter Berücksichtigung der neuen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts sei ein Parteiwechsel sogar angezeigt.

116.  Mit der Einbindung der direkt beteiligten Unternehmen in die SIX-Gruppe sei auch die Verantwortlichkeit für Kartellverstösse übergegangen. Es sei daher nicht relevant, ob die Beschwerdeführerin 1 zum Zeitpunkt des kartellrechtswidrigen Verhaltens schon bestanden habe.

117.  Die Beschwerdeführerin 1 habe ihre Verfahrensrechte vollumfänglich wahrgenommen. Die Ausdehnung der Untersuchung sei vor Versand des Antrags zur Stellungnahme gemäss Art. 30 Abs. 2 KG erfolgt, weshalb die Beschwerdeführerin 1 namentlich das zentrale Recht zur Stellungnahme zum Antrag habe wahrnehmen können. Im Rahmen der Stellungnahme seien die gleichen Rechtspositionen vertreten worden, die von den Tochtergesellschaften im Verfahren bereits vorgebracht worden seien. Die Beschwerdeführerinnen hätten gleichgerichtete Interessen. Dies ergebe sich schon daraus, dass sie vom gleichen Anwalt vertreten würden.

118.  Im EU-Wettbewerbsrecht werde zudem eine solidarische Haftung von Mutter- und Tochtergesellschaft anerkannt, weshalb der Europäischen Kommission ein Wahlrecht hinsichtlich der Auswahl des oder der Adressaten einer Bussgeldverfügung zustehe.

(3)          Würdigung durch das Gericht

(a)          Ausgangslage

119.  Weder das Kartellgesetz noch das Verwaltungsverfahrensgesetz sehen eine Vorschrift vor, an wen eine kartellrechtliche Verfügung als Adressat zu richten ist.

120.  Das Verwaltungsverfahrensgesetz stellt die Partei in den Mittelpunkt des Verfahrens und knüpft die zu regelnden Aspekte an den Parteibegriff an. Parteien sind gemäss Art. 6 VwVG im erstinstanzlichen Verfahren diejenigen Personen, deren Rechte und Pflichten berührt werden. Die Fähigkeit, als Partei am Verwaltungsverfahren teilzunehmen, setzt demzufolge grundsätzlich Rechtsfähigkeit voraus, weil nur dann Rechte und Pflichten durch eine Verfügung beeinflusst werden können. Nach übereinstimmender Auffassung ist die Parteifähigkeit im Verwaltungsverfahren für privatrechtliche Organisationseinheiten anhand der zivilrechtlichen Rechtsfähigkeit zu bestimmen (vgl. Häfelin/Müller/Uhlmann, Verwaltungsrecht, Rn. 1768 f.; Häner, Beteiligte, Rn. 444; Häner, VwVG, Art. 6 Rn. 48, Art. 48 Rn. 5; Kölz/Häner/Bertschi, Verwaltungsverfahren, Rn. 444, 934 f.; Marantelli/Huber, VwVG, Art. 6 Rn. 1; Rhinow/Koller/ Kiss/Thurnherr/Brühl-Moser, Prozessrecht, Rn. 862; Schott, FHB-VerwR, Rn. 24.17 f.; Tanquerel, droit administratif, Rn. 1487 ff.; Thurnherr, Verfahrensgrundrechte, Rn. 369 ff.). Im Hinblick auf privatrechtliche Organisationseinheiten können im erstinstanzlichen Verfahren demnach grundsätzlich nur natürliche oder juristische Personen als Partei auftreten bzw. herangezogen werden. Trotz fehlender Rechtspersönlichkeit wird die Parteifähigkeit aufgrund der entsprechenden zivilrechtlichen Vorschriften auch der Kollektiv- und Kommanditgesellschaft (Art. 562, 602 OR) sowie der Stockwerkseigentümergemeinschaft (Art. 712l Abs. 2 ZGB) zugesprochen (vgl. Häner, VwVG, Art. 48 Rn. 5; Kölz/Häner/Bertschi, Verwaltungsverfahren, Rn. 444; Marantelli/Huber, VwVG, Art. 6 Rn. 12). Sonstige, nicht rechtsfähige Rechtsgemeinschaften, wie insbesondere einfache Gesellschaften, scheiden als Partei eines Verwaltungsverfahrens und demzufolge als Adressaten einer Verfügung von vornherein aus. Bei solchen nicht rechtsfähigen Rechtsgemeinschaften ist eine Verfügung an diejenigen natürlichen oder juristischen Personen zu richten, welche Mitglieder dieser Rechtsgemeinschaft sind (vgl. BGE 132 I 256 E. 1.1; BVGer, 29.4.2009, A-1513/2006, X gg. Eidg. Steuerverwaltung, E. 3.4; Häner, VwVG, Art. 48 Rn. 5; Kölz/ Häner/Bertschi, Verwaltungsverfahren, Rn. 444, 935 f.). Für andere, rein wirtschaftliche Organisationseinheiten ist eine besondere gesetzliche Regelung nicht vorhanden und deren Parteifähigkeit wird von der Rechtsprechung und der Literatur soweit ersichtlich ebenfalls nicht anerkannt.

(b)          Konzern-Sachverhalte

121.  Auch wenn ein Konzern als Kartellrechtssubjekt im Rahmen des Kartellgesetzes zu qualifizieren ist (vgl. E. 48) und er damit das massgebliche Verfahrenssubjekt bildet, stellt er demzufolge gemäss den allgemeinen verwaltungsrechtlichen Grundsätzen im Hinblick auf eine Teilnahme am Verfahren als Partei sowie den Erlass von kartellrechtlichen Verfügungen kein taugliches Rechtssubjekt dar, weil er selbst nicht Träger von Rechten und Pflichten sein kann. Eine besondere gesetzliche Regelung, aus der sich die Rechtsfähigkeit eines Konzerns für seine Stellung als Partei und als Adressat einer Verfügung im Rahmen eines Kartellverfahrens ergibt, wird weder durch das Kartellgesetz noch durch das Verwaltungsverfahrensgesetz statuiert. Bei Konzernsachverhalten fallen demzufolge das massgebliche Verfahrenssubjekt als Beurteilungsobjekt und der Verfügungsadressat als Partei eines Kartellverfahrens zwangsläufig auseinander.

122.  Das Bundesverwaltungsgericht hat in einem jüngeren Entscheid (vgl. BVGer, B-7633/2009, ADSL II, E. 67 ff., m.w.H.) unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Bundesgerichts ausführlich dargelegt, dass als Verfügungsadressaten einer kartellrechtlichen Verfügung von den Wettbewerbsbehörden aus Gründen der Prozessökonomie einzelne Gruppengesellschaften als Repräsentanten des Konzerns heranzuziehen sind. Hierbei kommt den Wettbewerbsbehörden ein pflichtgemäss auszuübender Ermessensspielraum im Hinblick auf die Auswahl der massgeblichen Konzerngesellschaften zu. Regelmässig ist es dabei sachgerecht, die Konzernobergesellschaft und die fehlbaren Gruppengesellschaften, die an dem wettbewerbswidrigen Verhalten beteiligt waren, als Verfügungsadressaten heranzuziehen. An dieser Einschätzung ist festzuhalten. Sie wird auch durch die zwischenzeitlich ergangenen Urteile des Bundesgerichts und des Bundesverwaltungsgerichts zum Wettbewerbsrecht implizit bestätigt (vgl. BVGer, B-807/2012, Erne, E. 11.4.1; auf die inländische Tochtergesellschaft abstellend BVGer, B-581/2012, Nikon, E. 4.1.5, 8.2.6).

123.  Entgegen dem Einwand der Beschwerdeführerinnen werden aufgrund der Urteile des Bundesgerichts und des Bundesverwaltungsgerichts in Sachen Publigroupe weder eine regelmässige Heranziehung der Konzernobergesellschaft neben einer oder mehreren fehlbaren Konzerngesellschaften (vgl. E. 107) noch andere Sachverhaltskonstellationen der kartellverwaltungsrechtlichen Erfassung eines Konzerns (vgl. E. 106) noch die Verhängung von Verfahrenskosten oder Geldbussen gegenüber einer später einbezogenen Gruppengesellschaft  (vgl. E. 106) ausgeschlossen, weil das Urteil des Bundesgerichts keinerlei entsprechende Ausführungen aufweist.    

124.  Der von den Beschwerdeführerinnen vorgebrachte Einwand (vgl. E. 109), wonach eine Heranziehung der Konzernobergesellschaft als Verfügungsadressat neben der fehlbaren Konzerngesellschaft bereits aufgrund der Geltung des strafrechtlichen Schuldprinzips ausgeschlossen sei, ist unzutreffend und führt daher nicht zu einer anderen Einschätzung. Denn die Frage, welches Rechtssubjekt als Adressat einer kartellrechtlichen Verfügung herangezogen wird, ist von der Frage, welchem Rechtssubjekt das Verschulden im Rahmen eines Konzerns bei einem wettbewerbswidrigen Verhalten zuzuordnen ist, zu unterscheiden (vgl. BVGer, B-7633/2009, ADSL II, E. 77). Beide Aspekte betreffen inhaltlich unterschiedliche Sachfragen, die unabhängig voneinander zu behandeln und zu beurteilen sind, auch wenn sie angesichts der Kartellrechtssubjektivität des relevanten Objekts "Unternehmen" bei einer Heranziehung und Sanktionierung von Konzernobergesellschaft und fehlbarer Konzerngesellschaft regelmässig zum gleichen Ergebnis führen. Dies ergibt sich schon daraus, dass die Frage des massgeblichen Verfügungsadressaten bei Konzernsachverhalten auch in allen Fällen, in denen ein nicht gemäss Art. 49a KG zu sanktionierendes Wettbewerbsverhalten zusätzlich oder ausschliesslich zu ahnden ist, einer Beantwortung bedarf und kein Grund ersichtlich ist, dass die Frage in Abhängigkeit davon unterschiedlich beantwortet werden müsste, ob ein gemäss Art. 49 KG sanktionierbares oder ein sonstiges, nicht sanktionierbares wettbewerbswidriges Verhalten vorliegt. Die Feststellung der kartellrechtlichen Unzulässigkeit eines bestimmten Wettbewerbsverhaltens bleibt daher über eine Sanktionierung hinaus Gegenstand der Verfügung der Wettbewerbsbehörde als Abschluss des kartellrechtlichen Verwaltungsverfahrens und richtet sich gegen das Kartellrechtssubjekt "Konzern", welches die jeweils herangezogenen Verfügungsadressaten repräsentiert. Durch die konkrete Auswahl der Verfügungsadressaten wird im Übrigen auch keine unzulässige Zurechnung eines Verhaltens zwischen den als Verfügungsadressaten herangezogenen Gruppengesellschaften vorgegeben. Denn die Sanktionierung und die damit einhergehende Feststellung eines wettbewerbswidrigen Verhaltens zu Lasten der jeweils herangezogenen Gruppengesellschaften erfolgen weder wegen deren Auswahl als Verfügungsadressaten noch basieren sie auf einer Zurechnung des wettbewerbswidrigen Verhaltens zwischen völlig unabhängigen Rechtssubjekten. Die Sanktionierung leitet sich vielmehr unmittelbar aus der Zugehörigkeit dieser Gruppengesellschaften zum Konzern als massgeblichem Kartellrechtssubjekt "Unternehmen" ab.

(c)           Umstrukturierungen

125.  Veränderungen der Konzernstruktur während eines wettbewerbswidrigen Verhaltens oder während eines Kartellverwaltungsverfahrens führen wie dargestellt (vgl. E. 56 ff.) nicht zu einer Änderung des massgeblichen Kartellrechtssubjekts. Bei strukturauflösenden externen Transaktionen sind allerdings zwei unterschiedliche Konzerne als Kartellrechtssubjekte zu berücksichtigen.

126.  Da keine Änderung des massgeblichen Kartellrechtssubjekts vorliegt, gelten die vorstehenden Ausführungen zur Bestimmung des jeweiligen bzw. der jeweiligen Verfügungsadressaten demnach auch für Konzerne, bei denen während des wettbewerbswidrigen Verhaltens oder während des Kartellverwaltungsverfahrens eine Umstrukturierung vorgenommen wird. Danach kann die Wettbewerbsbehörde die als Verfügungsadressaten heranzuziehenden Gruppengesellschaften nach pflichtgemässem Ermessen aufgrund der konkreten Umstände des Einzelfalls bestimmen.

127.  Regelmässig sind daher sowohl die Konzernobergesellschaft und die fehlbare Konzerngesellschaft als Verfügungsadressaten heranzuziehen, soweit diese auch nach der Umstrukturierung als juristische Personen bestehen bleiben.

128.  Wenn die Umstrukturierung zum Untergang der Konzernobergesellschaft oder der fehlbaren Konzerngesellschaft führt, bedarf es einer formellen Anpassung des Kartellverwaltungsverfahrens, weil ein entsprechendes Verfahren gegen eine nicht mehr existente juristische Person nicht fortgeführt werden kann. Soweit die jeweilige Gesellschaft durch Fusion in einer anderen Gesellschaft aufgeht, tritt diese aufgrund der dabei eintretenden Universalsukzession aller Rechte und Pflichten gemäss Art. 22 FusG (vgl. Gelzer Thomas, in: Vischer [Hrsg.], Zürcher Kommentar zum Fusionsgesetz, 2. Aufl. 2012, Art. 22 Rn. 10; Tschäni Rudolf/ Gaberthüel Tino/Erni Stephan, in: Watter/Vogt/Tschäni/Daeniker [Hrsg.], Basler Kommentar, Fusionsgesetz, 2. Aufl. 2015, zit. BSK-FusG, Art. 22 Rn. 7) an die Stelle der untergegangenen Gruppengesellschaft. In diesem Fall findet automatisch ein zwingender Parteiwechsel statt (vgl. Kölz/Häner/Bertschi, Verwaltungsverfahren, Rn. 933; Marantelli/Hu-ber, VwVG, Art. 6 Rn. 48; Tschäni/Gaberthüel/Erni, BSK-FusG, Art. 22 Rn. 16a). Soweit die Auflösung der jeweiligen Gesellschaft mittels Liquidation erfolgt, wird das Kartellverwaltungsverfahren nach deren Löschung im Handelsregister gegenüber dieser nicht mehr fortgeführt.

129.  Falls die bisherige Konzernobergesellschaft ihre Stellung im Rahmen einer Umstrukturierung an eine andere Gesellschaft abgibt, ist es aus den oben angeführten Gründen (vgl. E. 122) regelmässig sachgerecht, auch die neue Konzernobergesellschaft in das Kartellverwaltungsverfahren einzubeziehen, um die Abwicklung des Kartellverwaltungsverfahrens sicherzustellen sowie die Durchsetzung des Regelungsgehalts einer Verfügung, bei der ein wettbewerbswidriges Verhalten den Gegenstand bildet, innerhalb des Konzerns zu gewährleisten. Dies gilt insbesondere dann, wenn der jeweilige Konzern und dessen in das Verfahren einbezogene Gruppengesellschaften das Vorliegen eines wettbewerbswidrigen Verhaltens bestreiten. Dieser grundlegende Aspekt verlangt auch dann Beachtung, falls sich die Umstrukturierung mit der Beendigung des wettbewerbswidrigen Verhaltens zeitlich überschneidet oder sich erst an dieses anschliesst. Zudem lässt sich von der Wettbewerbsbehörde zum Zeitpunkt, an dem die Einbeziehung einer neuen Konzernobergesellschaft in das Kartellverwaltungsverfahren erfolgt, üblicherweise noch gar nicht verbindlich abschätzen, ob das wettbewerbswidrige Verhalten bereits eingestellt worden war oder weitergeführt wird. Soweit es sachdienlich erscheint, kann in Abstimmung mit den Parteien die bisherige Konzernobergesellschaft aus dem weiteren Kartellverwaltungsverfahren ausscheiden, wobei in diesem Falle ein gewillkürter Parteiwechsel gegeben ist.

130.  Die Durchführung eines Parteiwechsels zwischen Gruppengesellschaften desselben Konzerns im Rahmen eines Kartellverwaltungsverfahrens, wie z.B. in den vorstehend bezeichneten Fällen, ist im Übrigen ohne Weiteres zulässig. Denn weder die durch das Kartellrecht vermittelten Rechtspositionen im Wettbewerb zu Gunsten des Kartellrechtssubjekts "Konzern" noch die Parteistellung einer Gruppengesellschaft in einem Kartellverwaltungsverfahren als Repräsentant des Kartellrechtssubjekts "Konzern" vermitteln ein höchstpersönliches Recht zu Gunsten einer einzelnen Gruppengesellschaft, welches nach herrschender Auffassung einen Parteiwechsel ausschliessen würde (vgl. Häner, Beteiligte, Rn. 370; Kölz/Häner/Bertschi, Verwaltungsverfahren, Rn. 933; Marantelli/Huber, VwVG, Art. 6 Rn. 50).

131.  Daher ist der Einwand der Beschwerdeführerinnen (vgl. E. 108), wonach die Wettbewerbsbehörde hätte prüfen müssen, ob ein unzulässiger Parteiwechsel gegeben sei, unbeachtlich, ungeachtet dessen, ob vorliegend überhaupt ein Parteiwechsel stattgefunden hat. Dass die Beschwerdeführerinnen diesen Einwand ohne Erläuterungen darüber vorbringen, weshalb es sich bei kartellrechtlichen Rechtspositionen auch im Falle von Konzernen um höchstpersönliche Rechte handeln soll, macht allerdings deutlich, dass sie damit lediglich die gerichtliche Bearbeitung der vorliegenden Rechtssache zu erschweren versuchen.

 

(d)          Sachverhalt

132.  Der Zusammenschluss der SIX-Gruppe ist wie dargestellt als externe strukturerhaltende Transaktion zu qualifizieren (vgl. E. 68).

133.  Die Vorinstanz hat die angefochtene Verfügung an die Beschwerdeführerin 1 als Konzernobergesellschaft der SIX-Gruppe und an die Beschwerdeführerin 2 sowie die frühere Beschwerdeführerin 3 als Konzerngesellschaften, welche an dem relevanten wirtschaftlichen Verhalten beteiligt waren, gerichtet. Es sind keine Gründe ersichtlich, die dafürsprechen würden, dass diese Auswahl der Verfügungsadressaten vorliegend als sachlich unangemessen zu qualifizieren wäre.

134.  Dass die Wettbewerbskommission die Beschwerdeführerin 1 als Konzernobergesellschaft der neu geschaffenen SIX-Gruppe in das Kartellverwaltungsverfahren einbezogen hat, ist vielmehr aus grundsätzlichen Überlegungen sachgerecht. Die Beschwerdeführerinnen tragen denn auch keine Aspekte vor, aufgrund deren die Wettbewerbsbehörde im Rahmen ihrer Ermessensentscheidung auf eine Einbeziehung der Beschwerdeführerin 1 hätte verzichten müssen. Entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerinnen (vgl. E. 103) ist hierfür allein ein Hinweis darauf, dass es sich bei der Beschwerdeführerin 2 bzw. der Multipay und Card Solutions um selbständige juristische Personen handelt, nicht ausreichend.

135.  In diesem Zusammenhang sind zwei Aspekte hervorzuheben.

136.  Die Überführung der Telekurs-Gruppe in die SIX-Gruppe zog automatisch die Stellung der (neuen) SIX-Gruppe als massgebliches Kartellrechtssubjekt nach sich, ohne dass es hierfür einer Handlung der SIX-Gruppe bzw. einer ihrer Gruppengesellschaften oder einer Massnahme der Wettbewerbsbehörde bedurft hätte.

137.  Die Eröffnung eines Kartellverwaltungsverfahrens wegen eines wettbewerbswidrigen Vehaltens gemäss Art. 28 KG wird durch öffentliche Publikation bekannt gegeben. Die Durchführung eines Kartellverwaltungsverfahrens gegenüber der betreffenden natürlichen oder juristischen Person ist daher allen Wirtschaftsteilnehmern bekannt bzw. kann diesen bekannt sein. Dies gilt insbesondere auch für alle Wirtschaftsteilnehmer, welche im Rahmen einer Umstrukturierung eine solche juristische Person übernehmen oder in anderer Weise in ihre Unternehmensgruppe integrieren. Im Übrigen kann eine entsprechende Feststellung auch bei einer Unternehmensprüfung vorgenommen werden, die vorgängig zur Vereinbarung der jeweiligen Transaktion durchgeführt wird. Die Beschwerdeführerin 1 hat somit bei Duchführung des Zusammenschlusses - der zudem durch die Wettbewerbsbehörde zu prüfen war - gewusst, dass ein Kartellverwaltungsverfahren gegen Multipay und damit gegen die Telekurs-Gruppe als Kartellrechtssubjekt eröffnet und durchgeführt wurde. Demzufolge war ihr auch bekannt, dass die Überführung der Telekurs-Gruppe in die SIX-Gruppe automatisch auch die Stellung der (neuen) SIX-Gruppe als massgebliches Kartellrechtssubjekt in dem Kartellverwaltungsverfahren nach sich ziehen würde.

138.  Auch aufgrund dieser Aspekte bestehen keine Gründe, die gegen eine Einbeziehung der Beschwerdeführerin 1 als Konzernobergesellschaft der SIX-Gruppe in das laufende Kartellverwaltungsverfahren sprechen.      

139.  Dieser Einschätzung einer ordnungsgemässen Auswahl der Verfügungsadressaten durch die Wettbewerbsbehörde steht auch nicht entgegen, dass die Einbeziehung der Beschwerdeführerin 1 in das Kartellverwaltungsverfahren nicht unmittelbar bei Bildung der neuen SIX-Gruppe, sondern erst zu einem späteren Zeitpunkt erfolgte.

140.  Das Ermessen der Wettbewerbsbehörde zur Konkretisierung der in ein Kartellverwaltungsverfahren einzubeziehenden Gesellschaften eines Konzerns umfasst nicht nur die Entscheidung über die Festlegung, welche Gesellschaft als Repräsentant des Konzerns in das Kartellverwaltungsverfahren eingebunden wird, sondern auch die Entscheidung über den Zeitpunkt der Einbeziehung.

141.  Dieser Ermessensspielraum der Wettbewerbsbehörden ist insbesondere im Falle von Umstrukturierungen von Bedeutung. Da die Abklärung der Wettbewerbskonformität eines bestimmten wirtschaftlichen Verhaltens im Zentrum eines Kartellverwaltungsverfahrens steht, hat sich die Wettbewerbsbehörde auch im Interesse aller (potenziell) beteiligten Marktteilnehmer vorrangig mit diesem Aspekt zu beschäftigen, während die Beurteilung der Auswirkungen einer Umstrukturierung - oder gegebenfalls sogar mehrerer Umstrukturierungen - im Laufe eines Kartellverwaltungsverfahrens zurückgestellt werden kann.

142.  Die spätere Einbeziehung einer Konzern(ober)gesellschaft führt demnach nicht allein aufgrund der zeitlichen Komponente zu einem Verfahrensmangel. Dieses Ergebnis ergibt sich sowohl aufgrund praktischer Aspekte als auch besonderer kartellverfahrensrechtlicher Regelungen.

143.  Soweit die Wettbewerbsbehörde erst in einem späten Stadium des Kartellverfahrens aufgrund der durchgeführten Ermittlungen feststellt, dass die Konzernobergesellschaft sogar unmittelbar in das wettbewerbswidrige Verhalten eingebunden war, ist deren Einbeziehung in das Verfahren nicht nur zweckmässig im Hinblick auf die spätere Durchsetzung des Regelungsgehalts einer kartellrechtlichen Verfügung, sondern im Hinblick auf die massgebliche Verursachung des wettbewerbswidrigen Verhaltens sogar geboten. Gleiches gilt in entsprechender Weise auch dann, wenn die Ermittlungen erst in einem späten Stadium eines Kartellverfahrens ergeben, dass an einem bestimmten wettbewerbswidrigen Verhalten auch eine weitere Unternehmensgruppe beteiligt war, die bislang nicht in das Kartellverwaltungsverfahren einbezogen war. Bei beiden Sachverhaltskonstellationen ist für die ordnungsgemässe Einbeziehung einer Gesellschaft bzw. eines Unternehmens in ein bereits bestehendes Verfahren nicht der Zeitpunkt dieser Einbeziehung, sondern allein massgebend, ob die durch den Eintritt in die Parteistellung vermittelten Verfahrensrechte bis zum Abschluss des Kartellverwaltungsverfahrens in sachgerechter Weise ausgeübt werden können.

144.  Art. 30 Abs. 2 KG sieht vor, dass ein beteiligtes Unternehmen eine Stellungnahme zum Antrag des Sekretariats und damit vor Erlass einer verfahrensbeendenden Verfügung durch die Wettbewerbskommission abgeben kann. Demnach ist im Kartellverwaltungsverfahren formal sichergestellt, dass ein Unternehmen eine eigene Darstellung zu den wesentlichen Aspekten der Angelegenheit vor Abschluss des verwaltungsrechtlichen Verfahrens einbringen kann. Soweit ein Unternehmen in seiner Stellungnahme dabei mit ausreichender Begründung darlegen kann, dass allfällig von ihm - im Rahmen der ihm zustehenden Verfahrensrechte - beantragte Verfahrensmassnahmen, die bislang nicht durchgeführt wurden, für die Abklärung der Angelegenheit von wesentlicher Bedeutung sind, bestehen für die Wettbewerbskommission gemäss Art. 30 Abs. 2 KG immer noch die Möglichkeit und die Verpflichtung, eine Anhörung vorzusehen und das Sekretariat mit zusätzlichen Untersuchungsmassnahmen zu beauftragen.     

145.  Soweit ein Unternehmen von diesem Recht zur Stellungnahme in sachgerechter Weise Gebrauch gemacht hat oder hätte machen können, ist der Aspekt einer früheren oder späteren zeitlichen Einbeziehung in das Kartellverwaltungsverfahren daher unerheblich.

146.  Für die sachgerechte Ausübung von Verfahrensrechten einer später in das Kartellverwaltungsverfahren einbezogenen Gruppengesellschaft sind zudem mehrere wesentliche Aspekte zu beachten.

147.  Eine Gruppengesellschaft wird als Repräsentant des Kartellrechtssubjekts "Konzern" in das Kartellverwaltungsverfahren einbezogen und als Verfügungsadressat herangezogen. Die Einbeziehung der Konzernobergesellschaft und einer Konzerngesellschaft wie auch von zwei sonstigen Gruppengesellschaften führt daher zu einer "Doppelrepräsentanz" des Konzerns im Kartellrechtsverfahren. Daraus folgt aber nicht, dass die einbezogenen Gesellschaften wie zwei voneinander vollständig unabhängige Parteien zu behandeln sind. Denn ihre Parteistellung und die Wahrnehmung ihrer Verfahrensrechte bestehen im Hinblick auf das Kartellrechtssubjekt "Konzern" und nicht völlig losgelöst von diesem. Daher sind die jeweiligen Vorbringen der am Verfahren beteiligten Gruppengesellschaften als gemeinsame Stellungnahme zur Angelegenheit zu bewerten. Der Inhalt dieser gemeinsamen Stellungnahme kann von der Konzernobergesellschaft aufgrund der ihr zukommenden übergeordneten Gruppenführung intern gegenüber den in das Kartellverwaltungsverfahren einbezogenen Gesellschaften auch ohne Schwierigkeiten koordiniert und festgelegt werden. Dies spiegelt sich in der Praxis dadurch wider, dass Gruppengesellschaften in Kartellverwaltungs- oder Rechtsmittelverfahren regelmässig einheitliche Anträge und Vorbringen durch einheitliche Rechtsvertreter geltend machen.

148.  Wenn eine weitere Gesellschaft einer Unternehmensgruppe erst zu einem späteren Zeitpunkt in das Kartellverwaltungsverfahren einbezogen wird, so beginnt demzufolge das Kartellrechtsverfahren für das Kartellrechtssubjekt "Konzern" nicht in diesem Moment überhaupt erst oder nochmals neu zu laufen. Vielmehr tritt die neu einbezogene Gruppengesellschaft in dem Stadium in das Kartellverfahren ein, in dem es sich zu diesem Zeitpunkt befindet, einschliesslich der bisherigen Vorbringen der bereits seit Beginn des Verfahrens einbezogenen Gruppengesellschaft. Die Geltendmachung von einzelnen Verfahrensrechten durch die neu einbezogene Gruppengesellschaft ist demzufolge anhand des jeweiligen Stands des Verfahrens zu bewerten. Ein derart geltend gemachtes Verfahrensrecht erlangt daher regelmässig nur dann Bedeutung, wenn es in der Sache zu einer anderen Beurteilung der Angelegenheit führen kann. Infolgedessen bedarf z.B. eine blosse inhaltliche Wiederholung keiner weiteren Behandlung.

149.  Diese Einschätzung entspricht der bisherigen Stellungnahme des Bundesgerichts für eine spätere Einbeziehung von verschiedenen Gruppengesellschaften in ein Kartellverwaltungsverfahren. Dabei wird ausdrücklich festgehalten, dass eine seit Beginn des Verfahrens einbezogene Gruppengesellschaft die Interessen aller später einbezogenen Gruppengesellschaften wahrnehmen könne (vgl. BGE 139 I 72, Publigroupe, E. 3.4 [nicht publ.]). Für die Prüfung der Ordnungsmässigkeit wird allein das Kriterium angeführt, ob sich infolge der späteren Einbeziehung ein prozessualer Nachteil zu Lasten der betreffenden Gesellschaften einstellt (vgl. BGE 139 I 72, Publigroupe, E. 3.4 [nicht publ.]), was regelmässig nicht der Fall sein dürfte.

150.  Vorliegend war die Beschwerdeführerin 2 seit Eröffnung des Kartellverwaltungsverfahrens (vgl. SV J) als Beteiligte in das Verfahren einbezogen. Sie hatte daher jede Möglichkeit, die sich aus dieser Parteistellung ergebenden Verfahrensrechte geltend zu machen. Von diesen Möglichkeiten hat die Beschwerdeführerin 2 auch Gebrauch gemacht. Die Einbeziehung der Beschwerdeführerin 1 in das Kartellverwaltungsverfahren erfolgte fünf Monate vor Erlass der angefochtenen Verfügung durch die Wettbewerbskommission. Die Beschwerdeführerinnen haben eine Stellungnahme zum Antrag des Sekretariats abgegeben. Angesichts dieser Ausgangslage ist nicht davon auszugehen, dass die Beschwerdeführerin 1 in der Wahrnehmung von Verfahrensrechten beeinträchtigt worden war.

151.  Bezeichnenderweise werden von den Beschwerdeführerinnen auch keinerlei konkreten Umstände dargelegt, warum sich eine derartige beachtenswerte Einschränkung trotz der Möglichkeit zur Stellungnahme zum Antrag des Sekretariats und deren Wahrnehmung tatsächlich eingestellt habe. Daher ist der Einwand der Beschwerdeführerinnen (vgl. E. 105), wonach die spätere Einbeziehung der Beschwerdeführerin 1 dazu geführt habe, dass sie ihre "originären" Verfahrensrechte erst verspätet habe ausüben können, in der Sache unerheblich, weil ihr Vorbringen unabhängig vom zeitlichen Aspekt zu keiner anderen Beurteilung der Angelegenheit führen konnte. Der Einwand führt demnach nur zu einer Erschwerung und Verzögerung der Bearbeitung der Rechtsstreitigkeit durch das Bundesverwaltungsgericht.

 

(e)          Ergebnis

152.  Die Vorinstanz hat die angefochtene Verfügung gemäss Art. 30 und 39 KG sowie Art. 6 und 34 VwVG rechtmässig an die Beschwerdeführerinnen als sachgerechte Verfügungsadressaten gerichtet, auch wenn die SIX-Gruppe gemäss Art. 2 Abs. 1bis KG als massgebliches Unternehmen und damit als Kartellrechtssubjekt zu qualifizieren ist.

3)             Verstoss gegen den Anspruch auf rechtliches Gehör

(1)          Vorbringen der Beschwerdeführerinnen

153.  Die Beschwerdeführerinnen machen wegen verschiedener Aspekte eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör geltend.

154.  Das Sekretariat habe mit dem sog. Fil Rouge ein Dokument angefertigt, welches zwar an die Wettbewerbskommission weitergeleitet, den Beschwerdeführerinnen aber nicht zugänglich gemacht worden sei. Der Fil Rouge enthalte eine Zusammenfassung des Antrags des Sekretariats, mit der das Sekretariat die aus seiner Sicht wesentlichen Aspekte darstellen würde. Das Dokument sei dazu geeignet, die Entscheidung der Mitglieder der Wettbewerbskommission zum Nachteil der Beschwerdeführerinnen zu beeinflussen, weil die Gefahr bestehe, dass sich einzelne Mitglieder bei ihrer Entscheidung nur auf die in der Zusammenfassung und nicht auf alle im Antrag dargestellten Aspekte, die im Untersuchungsverfahren ermittelt oder von den Beschwerdeführerinnen vorgebracht worden seien, abstützen würden. Die Nichtoffenlegung des Fil Rouge im Untersuchungsverfahren stelle demzufolge eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör dar.

155.  Der Fil Rouge habe einen angepassten Antrag des Sekretariats mit neuen verfügungswesentlichen Aspekten enthalten. Bei diesen handle es sich um die Relevanz der DCC-Funktion, die Entwicklung der Terminalverkäufe, die Quantifizierung der angeblichen Ausschlusswirkung, die Zulässigkeit einer ex-post Betrachtungsweise und eine geänderte Bussgeldberechnung durch die vom Sekretariat im Fil Rouge vorgenommene Reduktion des Basisbetrags von 5% auf 4%. Die fehlende Möglichkeit zur Stellungnahme zu diesen Aspekten im angepassten Antrag stelle demzufolge eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör dar.

156.  Aufgrund der Schwere der vorstehenden Verfahrensfehler sei eine Heilung im Rahmen des Beschwerdeverfahrens ausgeschlossen. Daher müsse die angefochtene Verfügung aufgehoben werden.

157.  Zudem rügen die Beschwerdeführerinnen die Missachtung von rechtserheblichen Beweisanträgen, die sie im Nachgang zur Anhörung vor der Wettbewerbskommission gestellt hätten. Diese hätten Abklärungen bezüglich jener Umstände, die die Vorinstanz den Beschwerdeführerinnen erst im Rahmen der Anhörung offengelegt habe, betroffen. Mittels dieser Beweisanträge hätte sichergestellt werden sollen, dass die Vor-instanz hinreichend abkläre, inwiefern die DCC-Funktion im Markt überhaupt von Relevanz gewesen sei. Aufgrund der Tauglichkeit und Relevanz der gestellten Beweisanträge für den zu untersuchenden Sachverhalt hätten entsprechende Beweiserhebungsmassnahmen verpflichtend eingeleitet werden müssen. Die fehlende Durchführung stelle eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör dar.

158.  Darüber hinaus verweisen die Beschwerdeführerinnen im Rahmen ihres Vorbringens zu den materiellen Tatbeständen wiederkehrend zusätzlich auf eine Verletzung der Begründungspflicht durch die Vorinstanz und damit auf eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör.

159.  So würden sich die Ausführungen der Vorinstanz zur Marktdefinition mit Bezug auf das Akzeptanzgeschäft auf einen nicht aussagekräftigen Vergleich von Zahlungs-Abbruchquoten bei Onlinetransaktionen beschränken. Eine eigentliche Prüfung des relevanten Markts und der Wettbewerbseinflüsse durch die verschiedenen alternativen Zahlungsmittel würde aber unterlassen. Überdies würden die Ausführungen und Begründungen zur Marktposition der Beschwerdeführerin 2 mit dem Jahr 2008 enden. Die angefochtene Verfügung beinhalte keine Begründung, auf welcher Grundlage die Vorinstanz auch im Zeitraum nach 2008 eine marktbeherrschende Stellung festgestellt habe. Zudem behaupte die angefochtene Verfügung pauschal, dass ohne die DCC-Funktion eine gewisse Anzahl an Kunden ausgeschlossen worden sei, ohne dass in der angefochtenen Verfügung auch nur ein Hinweis auf die relevanten Entscheidfaktoren der Händler zu finden sei. Die Vorinstanz hätte darlegen müssen, inwiefern und für welche konkreten Fälle diese Funktion von Relevanz gewesen sei. Die Vorinstanz gehe überdies davon aus, dass aus dem Schreiben der Anzeigestellerin vom 5. Juli 2005 eine Verweigerung durch die Beschwerdeführerinnen abgeleitet werden könne. Auch diesbezüglich fehle jedoch die Begründung, wie die Vorinstanz zu diesem Ergebnis gelangt sei. Schliesslich finde sich bezüglich der behaupteten Missbräuchlichkeit im Zusammenhang mit Art. 7 Abs. 2 Bst. e KG nur eine rudimentäre Begründung, welche insbesondere nicht auf sämtliche Tatbestandselemente eingehe.

(2)          Vorbringen der Vorinstanz

160.  Demgegenüber macht die Vorinstanz geltend, es bestehe grundsätzlich kein Anspruch auf Stellungnahme "zum angepassten Antrag". Gemäss der bundesgerichtlichen Rechtsprechung stelle der Verfügungsantrag einer lnstruktionsbehörde ein rein verwaltungsinternes Dokument dar, in welches nicht Einsicht genommen werden könne. Art. 30 Abs. 2 KG statuiere eine Ausnahme hiervon, welche allerdings nicht dazu führe, dass die Beschwerdeführerinnen berechtigt wären, alle verwaltungsinternen Dokumente einzusehen und zu diesen Stellung zu nehmen. Die Beschwerdeführerinnen hätten sich vorgängig zum Erlass der Sanktionsverfügung zu allen rechtserheblichen Punkten äussern können, womit ihr Anspruch auf rechtliches Gehör gewahrt worden sei.

161.  Beim Fil Rouge handle es sich um eine verwaltungsinterne Kommunikation, welcher für die Behandlung des Falles kein Beweischarakter zukomme. Die Analyse des materiellen Inhaltes des Fil Rouge bestätige, dass dieser nicht im Sinne eines neuen Antrags zu verstehen sei. Wesentliche Änderungen gegenüber dem Antrag seien nicht auszumachen. Betroffen seien zudem ausschliesslich Fragestellungen, welche den Beschwerdeführerinnen bekannt gewesen oder durch diese aufgeworfen worden seien. Zu all diesen umstrittenen Fragen hätten sich die Beschwerdeführerinnen mehrfach geäussert und ihre Äusserungen seien von der Vorinstanz bei der Entscheidungsfindung berücksichtigt worden. Es zeige sich, dass das rechtliche Gehör nicht verletzt worden sei. Auch führe der Inhalt des Fil Rouge nicht dazu, dass das Bundesverwaltungsgericht in materieller Hinsicht andere Fragestellungen und Rügen zu behandeln hätte als solche, die bereits im Rahmen der Beschwerde aufgeworfen worden seien.

162.  Schliesslich macht die Vorinstanz geltend, dass selbst dann, wenn entgegen diesen Vorbringen doch von einer Verletzung des rechtlichen Gehörs auszugehen wäre, diese mittlerweile durch das Bundesverwaltungsgericht geheilt worden sei, weil der Fil Rouge den Beschwerdeführerinnen offengelegt worden sei und diese sich zu dessen Inhalt hätten äussern können. Die Replik der Beschwerdeführerinnen zum Fil Rouge enthalte keinerlei Argumente, welche diese in der Vernehmlassung vom 31. Oktober 2011 detailliert begründete Auffassung widerlegen würden.

163.  Hinsichtlich einer Annahme von rechtserheblichen Beweisanträgen beruft sich die Vorinstanz auf ihr Auswahlermessen. In antizipierter Beweiswürdigung beurteile sie, ob der rechtserhebliche Sachverhalt bereits hinreichend ermittelt worden sei. Sie dürfe von weiteren Beweisvorkehren absehen, wenn sie aufgrund der bereits erhobenen Beweise ihre Überzeugung gebildet habe und annehmen könne, dass diese durch weitere Beweiserhebungen nicht geändert würde. Die Behörde dürfe zudem bei der Ausübung ihres pflichtgemässen Ermessens bei der Auswahl der Beweismittel auch prozessökonomische Interessen berücksichtigen.

164.  Die Beschwerdeführerinnen hätten sich erst während der Entscheidphase vor der Vorinstanz bemüssigt gesehen, Beweisanträge zu stellen. Während der gesamten Untersuchungsphase hätten die Beschwerdeführerinnen keine Beweisanträge gestellt. Für einige Anträge möge dies zwar dadurch erklärbar sein, dass einige Informationen erst anlässlich des Hearings bekannt geworden seien. Andere Begehren, wie etwa die Befragung von Händlern zur Eruierung der Überlegungen und Entscheidungsgrundlagen beim Kauf von Zahlungskartenterminals, wären ohne Weiteres zu einem früheren Zeitpunkt möglich gewesen. Eine solche Vorgehensweise könne gezielt zur Verzögerung des Verfahrens sowie bereits strategisch im Hinblick auf die Erhebung formeller Rügen im Rechtsmittelverfahren eingesetzt werden. Der Sachverhalt sei hinreichend ermittelt worden und die beantragten Beweismassnahmen hätten zu keinem Erkenntnisgewinn geführt, weshalb die Vorinstanz von der Durchführung dieser Massnahmen habe absehen dürfen.

165.  Nicht nachvollziehbar sei schliesslich der Vorwurf der Verletzung der Begründungspflicht bezüglich einer Verfügung, welche eine detaillierte Begründung auf rund 160 Seiten umfasse. Die Begründung habe zu einer Beschwerdeschrift von ihrerseits rund 160 Seiten geführt sowie zu einem ökonomischen Parteigutachten von rund 50 Seiten. Es könne daher nicht ernsthaft behauptet werden, die Beschwerdeführerinnen hätten den Entscheid der Vorinstanz nicht sachgerecht anfechten können.

(3)          Würdigung durch das Gericht

166.  Der Anspruch auf rechtliches Gehör ist das verfassungsmässige Recht zur aktiven Teilnahme in einem administrativen oder gerichtlichen Rechtsverfahren eines hiervon Betroffenen, welches in allgemeiner Weise in Art. 29 Abs. 2 BV ausdrücklich statuiert und zumindest für Teilelemente darüber hinaus auch zusätzlich aus Art. 6 EMRK abgeleitet wird. Es dient der Verwirklichung des übergeordneten Grundsatzes eines fairen Verfahrens. Durch die Einbindung eines Betroffenen in ein Rechtsverfahren mit der Möglichkeit, eigene Hinweise, Informationen und Argumentationen vorzubringen, wird sowohl die Wahrscheinlichkeit der inhaltlichen Richtigkeit eines Entscheids als auch dessen mögliche Akzeptanz auf Seiten der Beteiligten erhöht (vgl. BGE 140 I 99 E. 3.4; BGE 135 I 187 E. 2.2; BGE 127 I 6 E. 5b; BGE 127 I 54 E. 2b; BVGer, B-7633/2009, ADSL II, Rn. 197, m.w.H).

(a)          Ausgangslage

167.  Der Anspruch auf rechtliches Gehör steht natürlichen und juristischen Personen zu sowie Dritten, welche von einem Rechtsverfahren unmittelbar in ihren Rechten betroffen werden (vgl. BGE 137 I 120 E. 5.3; Müller Jörg Paul/Schefer Markus, Grundrechte in der Schweiz, 4. Aufl. 2008, zit. Grundrechte, 848 f.; Rhinow/Koller/Kiss/Thurn-herr/Brühl-Moser, Prozessrecht, Rn. 312). Dies gilt auch für nicht rechtsfähige Rechtsgemeinschaften oder Mitglieder einfacher Wirtschaftsgemeinschaften als Subjekte eines Rechtsverfahrens (vgl. BVGer, B-7633/2009, ADSL II, Rn. 198, m.w.H.).

168.  Der Anspruch auf rechtliches Gehör umfasst als Teilgarantien die ordnungsgemässe Durchführung der folgenden Aspekte im Hinblick auf den Ablauf eines Rechtsverfahrens (vgl. BGE 135 II 286 E. 5.1; ausführlich BVGer, B-7633/2009, ADSL II, Rn. 199, m.w.H.): (i) vorgängige Orientierung über Gegenstand und Inhalt des Rechtsverfahrens sowie den Vorwurf gegenüber dem Betroffenen; (ii) Mitwirkung bei der Feststellung des Sachverhalts, insbesondere der Stellung von eigenen Beweisanträgen; (iii) persönliche Teilnahme am Verfahren einschliesslich der Möglichkeit zur Verbeiständigung; (iv) Akteneinsicht; (v) Möglichkeit zur Abgabe einer Stellungnahme einschliesslich der Kenntnisnahme und Berücksichtigung durch die verfahrensleitende Instanz; (vi) Eröffnung des Entscheids; (vii) Begründung des Entscheids.

169.  Der Anspruch auf rechtliches Gehör ist grundsätzlich auf rechtserhebliche Sachfragen beschränkt. Ausnahmsweise werden die Parteien auch zur rechtlichen Würdigung angehört, wenn sich die Rechtslage geändert hat, ein ungewöhnlich grosser Ermessensspielraum besteht oder die Behörden sich auf Rechtsnormen stützen, mit deren Anwendung die Parteien nicht rechnen mussten (vgl. BGer, 17.6.2003, 2A.520/2002, Entreprises Electriques Fribourgeoises [EEF] gg. Watt Suisse AG u.a., publ. in: BGE 129 II 497, zit. EEF, E. 2.2; BGer, 17.6.2003, 2A.492/2002, Elektra Baselland Liestal [EBL] gg. Watt Suisse u.a., publ. in: RPW 2003/3, 695, zit. EBL, E. 3.2.3; BGE 127 V 431 E. 2b; BVGer, B-7633/2009, ADSL II, Rn. 200).

170.  Demtsprechend verlangt der Anspruch auf rechtliches Gehör grundsätzlich nicht, dass eine verfahrensbeteiligte Partei die Gelegenheit erhalten muss, sich zu jedem möglichen Ergebnis, das von der entscheidenden Behörde ins Auge gefasst wird, zu äussern. Es genügt, dass sich die Parteien zu den Grundlagen des Entscheids, insbesondere zum Sachverhalt sowie zu den anwendbaren Rechtsnormen, vorweg äussern und ihre Standpunkte einbringen können (vgl. BGE 132 II 257 E. 4.2; BGE 132 II 485 E. 3.4; BGE 134 V 97 E. 2.8.2).

171.  Beim Anspruch auf rechtliches Gehör handelt es sich um ein selbständiges formelles Recht, dessen Verletzung grundsätzlich zur Aufhebung des angefochtenen Hoheitsakts führt, unabhängig davon, ob die Rechtsverletzung für den Ausgang des Verfahrens sachlich relevant ist (vgl. BGE 132 V 387 E. 5.1; BGE 129 V 73 E. 4.1). Nach ständiger Rechtsprechung kann durch die jeweilige Rechtsmittelinstanz allerdings unter bestimmten Umständen eine Heilung der Rechtsverletzung erfolgen. Voraussetzung hierfür ist die verfahrensrechtliche Konstellation, dass der Betroffene die Möglichkeit erhält, sich vor der Rechtsmittelinstanz zu äussern, und dass die Rechtsmittelinstanz über die gleiche Kognition in Rechts- und Sachverhaltsfragen verfügt wie die Vorinstanz, sodass die Gewährung des rechtlichen Gehörs vollumfänglich nachgeholt werden kann. Eine Heilung wird dabei auch im Falle schwerwiegender Rechtsverletzungen ausnahmsweise dann als zulässig erachtet, wenn die Rückweisung bloss zu einem formalistischen Leerlauf führen und dies nicht im Interesse des Betroffenen liegen würde (vgl. BGE 133 I 201 E. 2.2; BGE 127 V 431 E. 3d/aa; BVGer, B-7633/2009, ADSL II, Rn. 201, m.w.H). Die Möglichkeit einer Heilung wurde auch für Verfahren mit einer ausserordentlich langen Verfahrensdauer bestätigt, um dem Gebot der fristgemässen Beurteilung zu entsprechen (vgl. BGE 138 II 77 E. 4.3). Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte lässt die Heilung eines Verstosses gegen den Grundsatz des rechtlichen Gehörs ebenfalls zu, soweit das jeweilige Gericht über volle Kognition verfügt (vgl. EGMR, 1.3.2001, 29082/95, Dallos gg. Ungarn, Ziff. 52; EGMR, 8.10.2013, 29864/03, Mulosmani gg. Albanien, Ziff. 132 m.w.H.).

(b)          Fil Rouge

172.  Das Recht auf Akteneinsicht als Teilgehalt des Anspruchs auf rechtliches Gehör bezieht sich grundsätzlich auf sämtliche verfahrensbezogenen Akten, die geeignet sind, die Grundlage des jeweiligen späteren Entscheids zu bilden (vgl. BGE 132 V 387 E. 3.1 und 3.2). Es stellt gewissermassen die Vorbedingung dafür dar, dass die übrigen Mitwirkungsrechte, insbesondere das Recht, sich vor Erlass des Entscheids zur Sache zu äussern, überhaupt adäquat wahrgenommen werden können (vgl. BGer, 16.12.2014, 8C_631/2014, E. 4.2.1.1; BGE 132 II 485 E. 3.1). Daher ist das Akteneinsichtsrecht grundsätzlich auch dann zu gewähren, wenn dessen Ausübung den Entscheid in der Sache nicht zu beeinflussen vermag (vgl. BGE 132 V 387 E. 3.2).

173.  In einem Kartellverwaltungsverfahren richtet sich das Akteneinsichtsrecht gemäss Art. 39 KG nach den Art. 26 ff. VwVG, weil das Kartellgesetz keine abweichende Regelung vorsieht. Gemäss Art. 26 Abs. 1 VwVG hat daher jede Partei Anspruch darauf, die Verfahrensunterlagen ihrer Sache am Sitz der verfügenden Behörde einzusehen. Dies umfasst die Einsichtnahme in Eingaben von Parteien und Vernehmlassungen von Behörden, in alle als Beweismittel dienenden Aktenstücke sowie die Niederschriften eröffneter Verfügungen.

174.  Allerdings bleiben nach ständiger Rechtsprechung sog. verwaltungsinterne Akten sowohl vom verfassungsmässigen Akteneinsichtsrecht gemäss Art. 29 Abs. 2 BV als auch vom entsprechenden gesetzlichen Anspruch gemäss Art. 26 ff. VwVG ausgeschlossen (vgl. BGE 129 II 497 E. 2.2; BGE 125 II 473 E. 4a; BGE 122 I 153 E. 6a; BGer, 10.10.2014, 1C_159/2014, E. 4.3, je m.w.H.).  Als verwaltungsinterne Dokumente gelten Unterlagen, denen für die Behandlung eines Falls kein Beweischarakter zukommt und die ausschliesslich der verwaltungsinternen Meinungsbildung dienen, wie Entwürfe, Anträge, Notizen, Gesprächs- und Prüfungsprotokolle, Mitberichte, Hilfsbelege usw. Mit dem Ausschluss des Einsichtsrechts in diese Akten soll verhindert werden, dass die interne Meinungsbildung der Verwaltung vollständig vor der Öffentlichkeit ausgebreitet und damit erschwert wird (vgl. BGer, 10.10.2014, 1C_159/2014, E. 4.3; BGE 129 II 497 E. 2.2; BGE 125 II 473 E. 4a; BGE 122 I 153 E. 6a; je m.w.H.).

175.  Für die Abgrenzung von verwaltungsinternen gegenüber extern einsehbaren Akten ist im Einzelfall die objektive Bedeutung der Unterlagen für den verfügungswesentlichen Sachverhalt massgebend und nicht dessen formale Einstufung als internes Dokument durch die Behörden (vgl. BGer, 10.10.2014, 1C_159/2014, E. 4.3; BGer, 03.03.2004, 1A.241/2003, E. 3.2; BGE 115 V 297 E. 2g/b). Keine verwaltungsinternen Akten sind daher zum Beispiel behördenintern erstellte Berichte und Gutachten zu streitigen Sachverhaltsfragen (vgl. BGE 115 V 297 E. 2g/bb; BGer, 10.10.2014, 1C_159/2014, E. 4.4). Hingegen stellt der Verfügungsantrag einer Instruktionsbehörde nach der bundesgerichtlichen Praxis in der Regel ein rein verwaltungsinternes Dokument dar, das nicht dem rechtlichen Gehör der Parteien untersteht, sofern das Gesetz nicht ausdrücklich eine anderslautende Sonderregelung aufweist (vgl. BGE 129 II 497 E. 2.2; BGE 117 Ia 90 E. 5b; BGE 113 Ia 286 E. 2d).

176.  Der Fil Rouge wird nicht durch die Vorinstanz selbst, sondern durch das Sekretariat erstellt. Dieses amtet in Kartellverwaltungsverfahren gemäss Art. 23 ff. KG als Untersuchungsbehörde und die Wettbewerbskommission als Entscheidinstanz. Insbesondere bereitet das Sekretariat gemäss Art. 23 Abs. 1 KG die Geschäfte der Wettbewerbskommission vor, führt die Untersuchungen durch und stellt der Wettbewerbskommission einen Antrag. Das Sekretariat hat dabei die Wettbewerbskommission in solcher Weise zu informieren, dass diese ihre Aufgaben ordnungsgemäss wahrnehmen kann.

177.  Der Fil Rouge stellt in inhaltlicher Hinsicht eine Zusammenfassung des Antrags des Sekretariats zuhanden der Wettbewerbskommission dar. Er erwähnt tabellarisch die involvierten Parteien, den Verfahrensverlauf, die geprüften Tatbestände, das Dispositiv sowie die Fallverantwortlichen. Zudem enthält er insbesondere eine kurze Zusammenfassung des Sachverhalts, Ausführungen zu technischen Aspekten sowie Erwägungen bzw. zu erörtende Sachfragen im Hinblick auf die Entscheidfindung durch die Wettbewerbskommission.

178.  Der Fil Rouge dient dazu, der Wettbewerbskommission als Entscheidbehörde einen summarischen Überblick über die im Antrag dargelegten Untersuchungsergebnisse zu verschaffen. Als Instrument der gesetzlich vorgesehenen, internen Vorbereitung der Kommissionsentscheidung durch das Sekretariat dient er somit einer ersten Orientierung über die regelmässig komplexe Kartellrechtsangelegenheit, um den Mitgliedern der Wettbewerbskommission den Zugang zum Antrag zu erleichtern. Dem Fil Rouge kommt daher kein Beweischarakter zu, sondern er dient ausschliesslich der verwaltungsinternen Meinungsbildung.

179.  Der Einwand der Beschwerdeführerinnen (vgl. E. 154), wonach der Fil Rouge geeignet sei, die Entscheidung der Mitglieder der Wettbewerbskommission zum Nachteil einer Partei zu beeinflussen, weil die Gefahr bestünde, dass sich einzelne Mitglieder bei ihrer Entscheidung nur auf die in der Zusammenfassung und nicht auf alle im Antrag dargestellten Aspekte abstützen würden, ist unbeachtlich. Die vom Bundesverwaltungsgericht zu überprüfende sachliche Richtigkeit einer kartellrechtlichen Verfügung der Wettbewerbskommission hängt nämlich nicht davon ab, ob sich einzelne ihrer Mitglieder im Rahmen der Beschlussfassung gemäss Art. 21 KG auf den Antrag und eigene vorgenommene Massnahmen der Wettbewerbskommission oder allenfalls lediglich auf den Inhalt des Fil Rouge abgestützt haben. Zum einen liesse sich gar nicht überprüfen, auf welcher Grundlage einzelne Mitglieder der Wettbewerbskommission ihre Entscheidung vorgenommen haben. Dies gilt umso mehr, als den Mitgliedern der Wettbewerbskommission eine konkrete Arbeitsanweisung nicht vorgegeben werden kann (vgl. REKO/WEF, 21.5.2001, RPW 2001/2, 412, Schweizerischer Buchhändler- und Verlegerverband gg. Weko, zit. Buchpreisbindung I, Ziff. 4.5). Zum anderen würde auch eine weitere Stellungnahme der Parteien zum Fil Rouge nicht zu einem Ausschluss der Möglichkeit führen, dass ein einzelnes Mitglied der Wettbewerbskommission seine Entscheidung dennoch nur auf der Zusammenfassung des Fil Rouge und nicht auf den gesamten Antrag des Sekretariats abstützt. Daher geht dieser Einwand der Beschwerdeführerinnen von vornherein ins Leere.  

180.  Zusammenfassend ist demnach entgegen der im vorliegenden Verfahren ergangenen Zwischenverfügung (vgl. SV K.g) festzuhalten, dass der Fil Rouge als behördeninternes Dokument zu qualifizieren ist, welches nicht dem Akteneinsichtsrecht untersteht und den Beschwerdeführerinnen daher auch nicht zur Einsicht und zur Stellungnahme unterbreitet werden muss (vgl. BVGer, Zwischenverfügung vom 17.4.2013 in Sachen B-506/2010, Gaba International AG gg. Weko, SV T.c; BVGer, Zwischenverfügung vom 3.9.2013 in Sachen B-364/2010, Pfizer AG gg. Weko, SV L.f).

 

 

(c)           Umfang des Rechts auf Stellungnahme zum Antrag

181.  Im Hinblick auf die Durchführung eines Kartellverwaltungsverfahrens statuiert Art. 30 Abs. 1 KG, dass der Entscheid der Wettbewerbskommission auf einen Antrag des Sekretariats hin ergeht. Art. 30 Abs. 2 KG sieht vor, dass die am Verfahren Beteiligten schriftlich zum Antrag des Sekretariats Stellung nehmen können.

182.  Bei einer Anpassung des Verfügungsantrags durch das Sekretariat nach erfolgter Stellungnahme durch die Parteien erlangen diese nach der Wettbewerbspraxis einen Anspruch auf eine erneute Stellungnahme, wenn es sich bei der Anpassung um eine wesentliche Änderung oder Ergänzung handelt (vgl. Reko/Wef, RPW 2001/2, 412, Buchpreisbindung I, E. 4.4; Reko/Wef, 27.9.2005, RPW 2005/4, 672, Ticketcorner AG u.a. gg. Weko u.a., zit. Ticketcorner, E. 4.1; BVGer, B-807/2012, Erne, E. 5.2.3).

183.  Als wesentliche Änderung oder Ergänzung sind dabei massgebliche Abweichungen in der materiellrechtlichen Würdigung oder im Dispositiv zu qualifizieren (vgl. Reko/Wef, RPW 2001/2, 412, Buchpreisbindung I, E. 4.4; Reko/Wef, RPW 2005/4, 672, Ticketcorner, E. 4.1; BVGer, B-807/2012, Erne, E. 5.2.3). Dabei soll für die Wesentlichkeit bereits ausreichen, dass die Änderungen einen grossen Umfang angenommen haben, wodurch sich ein stark überarbeiteter Verfügungsentwurf ergibt (vgl. Reko/Wef, 9.11.2006, RPW 2006/4, 722, Swisscom Mobile gg. Weko, zit. Swisscom Mobile, 723, im Hinblick auf ein Fristerstreckungsgesuch).

184.  Demgegenüber fehlt bei folgenden Abweichungen die Wesentlichkeit der Änderung oder Ergänzung: (i) Ergänzungen des Dispositivs hinsichtlich der Sanktionsmöglichkeiten bei Zuwiderhandlungen, der Kostenverteilung, der Rechtsmittelbelehrung oder der Eröffnungsformel (vgl. Reko/Wef, RPW 2001/2, 412, Buchpreisbindung I, E. 4.4); (ii) Änderungen der Erwägungen ohne Auswirkung auf die materielle Würdigung (vgl. Reko/Wef, RPW 2005/4, 672, Ticketcorner, E. 4.1); (iii) Anpassungen der Sanktionshöhe, die sich aus der Berichtigung von erkennbaren Rechenfehlern einschliesslich von fehlerhaften Aufsummierungen ergeben (vgl. BVGer, B-807/2012, Erne, E. 5.2.4).

185.  Anpassungen des Verfügungsantrags, die sich allein aus der Übernahme des Vorbringens eines betroffenen Unternehmens ergeben und die nicht zu einer Verschlechterung der vorgesehenen Massnahmen führen oder sogar zu dessen Gunsten ausfallen, sind ohnehin nicht als wesentliche Ergänzungen oder Änderungen zu qualifizieren, weshalb sie ebenfalls keinen Anspruch auf eine zweite Stellungnahme auszulösen vermögen.

186.  Im vorliegenden Sachverhalt ist keine wesentliche Änderung oder Ergänzung des Verfügungsantrags festzustellen, weil die vom Sekretariat angebrachten Anpassungen zum einen auf der Übernahme des Vorbringens der Beschwerdeführerinnen beruhten und nicht zu einer anderen materiellen Würdigung führten sowie zum anderen angesichts einer vorgesehenen Reduktion des Sanktionsbetrags sogar zu Gunsten der Beschwerdeführerinnen ausfielen, soweit sie sich im Ergebnis niederschlugen.

187.  Entgegen dem Einwand der Beschwerdeführerinnen (vgl. E. 155) ergab sich demzufolge kein Anspruch auf Abgabe einer erneuten Stellungnahme zum angepassten Verfahrensantrag des Sekretariats.

(d)          Sonstige Rügen

188.  Im Hinblick auf die von den Beschwerdeführerinnen erhobenen sonstigen Rügen wegen einer Verletzung des Gehörsanspruchs ist festzuhalten, dass diese letztlich allesamt auf Unterschiede in den jeweiligen Rechtsauffassungen von Vorinstanz und Beschwerdeführerinnen zurückzuführen sind. Zudem wurden die Sachpunkte, die eine Verletzung des rechtlichen Gehörs begründen sollen, von den Beschwerdeführerinnen in abgewandelter Form auch als Fehler im Rahmen der materiellen Würdigung des Sachverhalts geltend gemacht. Die Vorinstanz hatte alle im Rahmen der Rügen vorgetragenen Sachpunkte abgeklärt und sich hierzu jeweils substantiell - wenn auch nicht im Sinne der Beschwerdeführerinnen und nicht in dem von ihnen geforderten Umfang - geäussert, soweit sie für die Rechtsauffassung der Vorinstanz Bedeutung aufweisen.

189.  Die Aspekte, die von den Beschwerdeführerinnen im Rahmen der erhobenen Rügen wegen einer Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör durch die Vorinstanz vorgebracht wurden, werden im Rahmen der materiellen Behandlung der Angelegenheit durch das Bundesverwaltungsgericht als Beschwerdeinstanz geprüft, soweit sie für die Entscheidung massgeblich sind.

 

 

(e)          Ergebnis

190.  Ein Rechtsfehler im Hinblick auf die Beachtung des Anspruchs der Beschwerdeführerinnen auf rechtliches Gehör liegt demzufolge in casu nicht vor.

191.  Im Übrigen kommt dem Bundesverwaltungsgericht als Beschwerde-instanz in kartellrechtlichen Sanktionsverfahren eine vollständige Entscheidungsgewalt mit umfassender Prüfungszuständigkeit zu, weshalb es über die gleiche Kognition in Rechts- und Sachverhaltsfragen wie die Vor-instanz verfügt. Die Beschwerdeführerinnen konnten im Beschwerdeverfahren denn auch sämtliche Aspekte einbringen, mit denen sie eine Verletzung ihres Anspruchs auf rechtliches Gehör durch die Vorinstanz gerügt haben. Das Bundesverwaltungsgericht kann demzufolge aufgrund der massgeblichen Sach- und Rechtslage eine abschliessende Entscheidung treffen. Diese ist angesichts der bisherigen Verfahrensdauer im Hinblick auf das Gebot der fristgemässen Beurteilung sowie der von den Beschwerdeführerinnen ausdrücklich erhobenen Rüge einer Verletzung dieses Verfahrensgrundsatzes ohne weiteren Aufschub vorzunehmen (vgl. E. 1644 ff.).

192.  Ein allfällig bestehender Verfahrensmangel des Kartellverwaltungsverfahrens wäre demnach entgegen dem Einwand der Beschwerdeführerinnen (vgl. E. 156) durch die im Rahmen des Beschwerdeverfahrens erfolgte Möglichkeit zur umfassenden Stellungnahme entsprechend den vorstehend dargestellten Grundsätzen ohnehin geheilt worden.

193.  Da der vorinstanzliche Vorwurf der Wettbewerbswidrigkeit des fraglichen wirtschaftlichen Verhaltens durch das Bundesverwaltungsgericht bestätigt wird und die Beschwerdeführerinnen mit ihrer Beschwerde im Wesentlichen unterliegen, würde eine Rückweisung überdies zu einem blossen formalistischen Leerlauf führen, selbst wenn von einer Verletzung des Gehörsanspruchs durch die Vorinstanz auszugehen wäre.

4)             Verstoss gegen den Untersuchungsgrundsatz

(1)          Vorbringen der Beschwerdeführerinnen

194.  Die Beschwerdeführerinnen machen geltend, im Rahmen des Untersuchungsgrundsatzes dürfe sich die Vorinstanz nicht auf die Abklärung belastender Umstände beschränken, sondern müsse auch die entlastenden Umstände von sich aus eruieren. Dies gelte insbesondere auch für den Nachweis eines missbräuchlichen Verhaltens gemäss Art. 7 KG, da es sich hierbei um eine strafrechtliche Anklage gemäss Art. 6 EMRK handle. Entsprechend gelte auch die Unschuldsvermutung gemäss Art. 32 Abs. 1 BV und Art. 6 Abs. 2 EMRK. Dies habe fundamentale Auswirkungen auf die Beweislastverteilung und Beweiswürdigung. Den Beschwerdeführerinnen müsse die Erfüllung des Tatbestands "mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nachgewiesen" werden. Die Vorinstanz habe folglich den vollen Beweis zu erbringen. Dies ergebe sich insbesondere auch aufgrund der direkten Sanktionen, die zur Folge hätten, dass ein Beweismass ähnlich jenem im Strafrecht erforderlich sei. Das Erfordernis des Vollbeweises im Untersuchungsverfahren betreffend direkte Sanktionen gemäss Art. 49a Abs. 1 KG werde denn auch von der Vorinstanz ausdrücklich befürwortet. Die angefochtene Verfügung sei aber mit einem schwerwiegenden Mangel behaftet, weil der Sachverhalt von der Vorinstanz nur unvollständig erhoben worden sei.

195.  Im vorliegenden Verfahren habe die Vorinstanz den notwendigen Vollbeweis, welcher die Wettbewerbsbehinderung ausreichend belegen würde, nicht erbracht. Insbesondere seien die Grosskunden der Anzeigestellerin nicht befragt worden. Es wäre von grundlegender Bedeutung gewesen, zu eruieren, ob und aus welchem Grund die von der Anzeigestellerin behaupteten Grosskunden effektiv den Terminalverkäufer gewechselt hätten.

196.  Die Vorinstanz gehe davon aus, dass bei den Händlern, die über einen DCC-Vertrag verfügten, die Funktion aktiv genutzt und in der relevanten Zeitperiode ein Zahlungskartenterminal gekauft hätten, eine Wettbewerbsbehinderung nachgewiesen sei. Dies beruhe auf der blossen Vermutung, dass bei diesen Händlern sämtliche weiteren Produkteigenschaften bezüglich Zahlungskartenterminals nicht von weiterer Relevanz gewesen seien, sondern dass diese Händler ihre Entscheidung einzig auf die DCC-Funktion abstellt hätten. Die Vorinstanz habe jedoch für keinen einzigen Händler geprüft, ob neben der DCC-Funktion auch die weiteren Produkteigenschaften der Zahlungskartenterminals konkret von entscheidender Bedeutung für die Kaufentscheidung gewesen seien. Dies zeige sich insbesondere bei den behaupteten "Grosskunden" der Anzeigestellerin, welche entgegen der Vermutung der Vorinstanz ihren Kaufentscheid nicht auf der Grundlage der DCC-Funktion getroffen hätten. Es sei vielmehr davon auszugehen, dass auch weitere Händler entsprechend diesen Grosskunden aufgrund anderer Entscheidungsgrundlagen ein Zahlungskartenterminal der SCA bevorzugt hätten.

197.  Die Anzeigestellerin habe mehrfach behauptet, dass sie verschiedene Grosskunden aufgrund der fehlenden DCC-Funktion der Beschwerdeführerinnen verloren habe. Die Vorinstanz übernehme diese Behauptung der Anzeigestellerin ohne jegliche Überprüfung ihrer Korrektheit. Sie bestätige, dass die Anzeigestellerin "bei diesen Kunden durch Card Solutions de facto verdrängt" worden sei. Zudem sei der "verlorene Anteil" an Kunden "enorm" gewesen. Einen Beweis für diese behauptete Verdrängung bzw. den verlorenen Anteil der Kunden sowie für die Kausalität der DCC-Funktion für die behauptete Verdrängung erbringe die Vorinstanz jedoch nicht, und sie habe ausdrücklich auf eine entsprechende Verifizierung der Behauptungen der Anzeigestellerin verzichtet. Die Beschwerdeführerinnen würden zudem nicht die absoluten Verkaufszahlen der Anzeigestellerin im Jahr 2004 im Vergleich zu den Verkäufen in der angeblich betroffenen Periode in den Jahren 2005 und 2006 kennen. Aufgrund der Angaben in der angefochtenen Verfügung könne jedoch zumindest eruiert werden, dass die anderen Terminalverkäufer insgesamt in den Jahren 2005 und 2006 im Vergleich zum Vorjahr 2004 signifikant hätten zulegen können. Das Anklagefundament der Vorinstanz beruhe demnach auf einer nicht-verifizierten Behauptung ohne jegliche Verifizierung. Diese Unterlassung stelle eine krasse Verletzung der Untersuchungsmaxime dar.

198.  Die Vorinstanz behaupte des Weiteren, dass auch bezüglich Händlern, die über gar keinen DCC-Vertrag verfügten, eine Wettbewerbsbehinderung habe stattfinden können. Gemäss der Vorinstanz sei "von einer Behinderung auszugehen [...] weil die DCC-Funktion geeignet war, ihren Kaufentscheid zu beeinflussen". Ob eine entsprechende Beeinflussungsmöglichkeit überhaupt bestanden habe, sei jedoch von der Vor-instanz niemals abgeklärt worden. Es fänden sich denn auch im Rahmen der Untersuchung keinerlei Hinweise auf entsprechende Untersuchungshandlungen der Vorinstanz. Die angefochtene Verfügung gehe lediglich von der Behauptung der Anzeigestellerin aus, dass diese Funktionalität eine derartige Wichtigkeit hätte, obwohl Letztere in keinem einzigen Fall und insbesondere nicht im Allgemeinen nachgewiesen worden sei. Die blosse Vermutung, dass eine einzelne von vielen Funktionen den Kaufentscheid "zu beeinflussen" vermögen könnte, könne und dürfe demnach nicht eine ausreichende Grundlage für eine strafrechtliche Verurteilung bilden. Die Vorinstanz hätte diesbezüglich den entsprechenden Sachverhalt der ihr obliegenden Beweispflicht unterstellen müssen.

(2)          Vorbringen der Vorinstanz

199.  Die Vorinstanz ist hinsichtlich aller Sachpunkte, die Gegenstand einer Rüge des Untersuchungsgrundsatzes der Beschwerdeführerinnen sind, der Ansicht, dass der ihrer Rechtsauffassung zu Grunde liegende Sachverhalt in ausreichender Weise abgeklärt worden sei. Alle von den Beschwerdeführerinnen vorgetragenen Aspekte seien im Rahmen der angefochtenen Verfügung abgehandelt worden. Des Weiteren habe die Vorinstanz auch dargelegt, weshalb auf die Befragung einzelner Händler bzw. auf eine eigentliche Händlerbefragung verzichtet worden sei.

(3)          Würdigung durch das Gericht

200.  Sowohl im Kartellverwaltungsverfahren als auch im Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht ist der Sachverhalt gemäss Art. 12 VwVG i.V.m. Art. 39 KG bzw. Art. 37 VGG von Amtes wegen zu untersuchen (vgl. BGer, 6.2.2007, 2A.430/2006, Schweizerischer Buchhändler- und Verlegerverband sowie Börsenverein des dt. Buchhandels e.V. gg. Weko, zit. Buchpreisbindung II, E. 10.2; BVGer, B-807/2012, Erne, E. 6.3; BVGer, B-7633/2009, ADSL II, E. 185; BVGer, B-506/2010, Gaba, E. 5; BVGer, B-2977/2007, Publigroupe, E. 3 [S. 19]; REKO/WEF, RPW 2006/3, 548, Buchpreisbindung II, E. 6.1 m.w.H.). Dieser Untersuchungsgrundsatz verpflichtet sowohl die Behörde als auch die Beschwerdeinstanz, den Sachverhalt aus eigener Initiative korrekt und vollständig abzuklären (vgl. BGE 138 V 218 E. 6; BGE 117 V 282 E. 4a; BVGE 2012/21 E. 5.1; Krauskopf Patrick/Emmenegger Katrin/Babey Fabio, in: Waldmann/Weissenberger [Hrsg.], Praxiskommentar Verwaltungsverfahrensgesetz, 2. Aufl. 2016, zit. VwVG, Art. 12 Rn. 16; Moser/Beusch/Kneubühler, Prozessieren, Rn. 3.119; Rhinow/Koller/ Kiss/Thurnherr/Brühl-Moser, Prozessrecht, Rn. 991 f., 994 f., 1660 f.; Schott, FHB-VerwR, Rn. 24.38 f.; Tanquerel, droit administratif, Rn. 1559). Hierfür sind alle rechtserheblichen Aspekte zu ermitteln, sämtliche notwendigen Unterlagen zu beschaffen und die erforderlichen Beweise abzunehmen (vgl. Kölz/Häner/Bertschi, Verwaltungsverfahren, Rn. 456, 1133; Krauskopf/Emmenegger/Babey, VwVG, Art. 12 Rn. 20 f.; Moser/Beusch/Kneubühler, Prozessieren, Rn. 3.119 f.). Als rechtserheblich gelten alle Tatsachen, welche den Ausgang des Entscheids beeinflussen können (vgl. BGE 117 V 282 E. 4a; Krauskopf/Emmen-egger/Babey, VwVG, Art. 12 Rn. 28; Moser/Beusch/Kneubühler, Prozessieren, Rn. 3.120 f.).

201.  Der Untersuchungsgrundsatz gilt allerdings nicht uneingeschränkt. Das Ausmass der Untersuchung ist vielmehr von vornherein auf solche Aspekte beschränkt, die zur Aufklärung des Sachverhalts notwendig sind und deren Abklärung vernünftigerweise erwartet werden kann (vgl. BGE 112 Ib 65 E. 3; BVGer, 14.7.2010, B-3608/2009, A. gg. Landwirtschaftl. Rekurskommission Kanton X., E. 6.1; Krauskopf/Emmenegger/Babey, VwVG, Art. 12 Rn. 28 f.; ähnlich Moser/Beusch/Kneubühler, Prozessieren, Rn. 3.144). Einschränkungen einer amtlichen Ermittlung können sich im Einzelfall zudem durch Mitwirkungspflichten der Parteien, die objektive Beweislast, die Tauglichkeit von Beweismitteln und das treuwidrige Verhalten einer Partei ergeben (vgl. Kölz/Häner/Bertschi, Verwaltungsverfahren, Rn. 457 f., 1134 f.; Krauskopf/Emmenegger/Babey, VwVG, Art. 12 Rn. 17; Moser/Beusch/Kneubühler, Prozessieren, Rn. 1.49, 3.123c; Schott, FHB-VerwR, Rn. 24.39; Tanquerel, droit administratif, Rn. 1560 f.).

202.  Die Sachverhaltsuntersuchung bezieht sich auf Tatsachen und Erfahrungssätze. Die Rechtsanwendung, d.h. die Beurteilung von recht-lichen Aspekten, untersteht demgegenüber von vornherein nicht dem Untersuchungsgrundsatz (vgl. Krauskopf/Emmenegger/Babey, VwVG, Art. 12 Rn. 17; Moser/Beusch/Kneubühler, Prozessieren, Rn. 3.119b). Daher bedarf es einer inhaltlichen Abgrenzung zwischen Sach- und Rechtsfragen (vgl. BVGE 2009/35, Marktzugang schneller Bitstrom, E. 7.4). Soweit abweichende Rechtsauffassungen zwischen den Kartellbehörden und den jeweiligen Parteien eines Kartellverwaltungsverfahrens bestehen, die im Hinblick auf den unterstellten Sachverhalt einen unterschiedlichen Umfang an sachlicher Abklärung erfordern, ergibt sich demzufolge nicht allein deshalb eine Verletzung des Untersuchungsgrundsatzes, weil die Kartellbehörden keine Abklärungen über Tatsachen oder Erfahrungssätze vorgenommen haben, auf die eine Partei ihre abweichende Rechtsposition abstützt.

203.  Im vorliegenden Fall wurden alle aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichts entscheidungserheblichen Sachverhaltselemente in ausreichender Weise von der Vorinstanz abgeklärt und nachgewiesen. Das Bundesverwaltungsgericht kann demzufolge aufgrund der massgeblichen Sach- und Rechtslage eine abschliessende Entscheidung treffen.

204.  Da das Bundesverwaltungsgericht als Beschwerdeinstanz direkt eine Entscheidung in der Sache vornimmt, bedürfen die Rügen des Beschwerdeführers wegen einer Verletzung des Untersuchungsgrundsatzes demnach keiner gesonderten Abhandlung unter dem Gesichtspunkt eines formellen Rechtsfehlers der Vorinstanz.

205.  Denn die von den Beschwerdeführerinnen erhobenen Rügen wegen einer Verletzung des Untersuchungsgrundsatzes sind letztlich allesamt auf Unterschiede in den jeweiligen Rechtsauffassungen von Vorinstanz und Beschwerdeführerinnen zurückzuführen. Die Vorinstanz hatte alle im Rahmen der Rügen vorgetragenen Sachpunkte abgeklärt und sich hierzu jeweils substantiell - wenn auch nicht im Sinne der Beschwerdeführerinnen und nicht in dem von ihnen gefordertem Umfang - geäussert, soweit sie für die Rechtsauffassung der Vorinstanz Bedeutung aufweisen.

206.  Das Bundesverwaltungsgericht nimmt als Beschwerdeinstanz zu den einzelnen, durch die Beschwerdeführerinnen gerügten Aspekten nachfolgend im Rahmen der materiellen Beurteilung Stellung, soweit sie für die Entscheidung massgeblich sind. Dies gilt insbesondere auch in Bezug auf die massgeblichen Anforderungen an das Beweismass (vgl. E. 1214 ff.).

207.  Ein Rechtsfehler im Hinblick auf die Anwendung des Untersuchungsgrundsatzes liegt demzufolge in casu unter keinem Gesichtspunkt vor.

5)             Der Beweiswert von Parteigutachten

208.  Zwischen den Parteien ist streitig, in welcher Art und Weise das von den Beschwerdeführerinnen eingebrachte Gutachten der ESMT CA (nachfolgend: Gutachten ESMT) im Rahmen der Entscheidung zu berücksichtigen ist.

(1)          Vorbringen der Beschwerdeführerinnen

209.  Die Beschwerdeführerinnen machen geltend, das Gutachten der ausgewiesenen Experten in diesem Bereich sei vom Bundesverwaltungsgericht als Sachverständigengutachten zu berücksichtigen.

210.  Demgegenüber sei die von der Vorinstanz vorgebrachte Behauptung, dass ein Parteigutachten nicht die Qualität eines Beweismittels aufweise, nicht korrekt. Expertisen, die von den Parteien bei einem von ihnen ausgewählten Sachverständigen eingeholt und in das Verfahren als Beweismittel eingebracht würden, dürfe der Beweiswert nicht schon deshalb abgesprochen werden, weil sie von einer Partei stammten. Insbesondere habe die Vorinstanz trotz entsprechender Andeutungen in der Vernehmlassung keine Gründe vorgebracht, weshalb bezüglich des Gutachtens ESMT Indizien gegen dessen Zuverlässigkeit bestünden.

211.  Darüber hinaus rügen die Beschwerdeführerinnen, die Vorinstanz unterlasse es, zu erklären, bezüglich welcher wesentlicher Gesichtspunkte sie davon ausgehe, dass dem Gutachter eine allenfalls subjektive Darstellung des Sachverhalts vermittelt worden sei. Im Zentrum des vorliegenden Verfahrens stehe unter anderem die Frage der Wettbewerbsbeseitigung bzw. -behinderung. Diesbezüglich hätten sich die Beschwerdeführerinnen gezwungen gesehen, Sachverhaltsermittlungen vorzunehmen, welche durch die Vorinstanz verweigert worden seien. Grundlage des Gutachtens bildeten folglich der angefochtene Entscheid und die von den Beschwerdeführerinnen bzw. im Gutachten offengelegten zusätzlich ermittelten Sachverhaltselemente. Sofern die Vorinstanz die Korrektheit der entsprechenden Ergebnisse anzweifle, so habe sie dies zu substantiieren. Nachdem sie es selbst unterlassen habe, die notwendigen Abklärungen vorzunehmen oder zu prüfen, könne sie die nachprüfbaren zusätzlichen objektiven Abklärungen für das Gutachten und die daraus von den Gutachtern gezogenen Schlussfolgerungen nicht pauschal als subjektives Empfinden und damit als nicht rechtserheblich qualifizieren. Folglich könne die Vorinstanz nicht in allgemeiner Weise das Resultat des Gutachtens ESMT anzweifeln.

(2)          Vorbringen der Vorinstanz

212.  Demgegenüber bringt die Vorinstanz vor, beim Gutachten ESMT handle es sich um ein Parteigutachten, weil es von den Beschwerdeführerinnen in Auftrag gegeben worden sei. Das Gutachten habe zwar ebenfalls die Funktion eines Beweismittels, dessen Beweiswert sei jedoch verglichen mit einem behördlich angeordneten Gutachten herabgesetzt.

213.  Den Grund hierfür bildeten verschiedene Umstände. Der Parteigutachter werde von einer am Ausgang des Verfahrens interessierten Partei ausgewählt, instruiert und entschädigt. Er unterstehe nicht den Anforderungen, welche ein behördlich bestellter Gutachter erfüllen müsse, und die Möglichkeit der strafrechtlichen Haftbarkeit gemäss Art. 307 StGB scheide aus. Überdies müsse davon ausgegangen werden, dass die Partei dem Parteigutachter in erster Linie die nach ihrem eigenen subjektiven Empfinden wesentlichen Gesichtspunkte des streitigen Sachverhalts unterbreitet habe. Zudem gelte es zu berücksichtigen, dass ein Privatgutachten nur dann eingereicht werde, wenn es ein für den Auftraggeber günstiges Ergebnis aufweise.

214.  Die Vorinstanz verweist zudem darauf, dass sie sich mit den Ergebnissen und Würdigungen des Gutachtens keineswegs pauschal auseinandergesetzt, sondern zu diesem sogar im Rahmen eines separaten Anhangs ausführlich Stellung genommen habe.

(3)          Würdigung durch das Gericht

215.  Im Beschwerdeverfahren ist der Sachverhalt aufgrund der Geltung des Untersuchungsgrundsatzes durch das Gericht von Amtes wegen festzustellen. Damit stellt sich die Frage, in welcher Weise Privatgutachten, die von einem Beschwerdeführer in Auftrag gegeben und in das vorinstanzliche Verfahren eingebracht wurden, im Rahmen eines gerichtlichen Entscheids zu berücksichtigen sind. Vorliegend kann in diesem Zusammenhang dahingestellt bleiben, inwiefern eine Differenzierung zwischen Privatgutachten und Parteigutachten, zu denen die von einer Vorinstanz im Rahmen des vorinstanzlichen Verfahrens in Auftrag gegebenen Sachverständigen zu zählen wären, vorzunehmen ist.

216.  Für die Sachverhaltsermittlung sieht Art. 12 VwVG folgende Arten an Beweismitteln ausdrücklich vor: Urkunden, Auskünfte der Parteien, Auskünfte oder Zeugnis von Drittpersonen, Augenschein sowie Gutachten von Sachverständigen.

217.  Allerdings sollen nach heute vorherrschender Auffassung auch andere als die in Art. 12 VwVG ausdrücklich aufgeführten Beweismittel für die Sachverhaltsermittlung berücksichtigt werden können (vgl. BVGer, 19.5.2011, A-6640/2010, E. 5.5.2; Auer Christoph, in: Auer/Müller/ Schindler [Hrsg.], Kommentar zum Bundesgesetz über das Verwaltungsverfahren, 2008, zit. VwVG, Art. 12 Rn. 18); Krauskopf/Emmenegger/ Babey, VwVG, Art. 12 Rn. 73; Kölz Alfred/Häner Isabelle/Bertschi Martin, Verwaltungsverfahren, Rn. 468; Moser/Beusch/Kneubühler, Prozessieren, Rn. 3.124).

218.  Für das Beweismittel des Sachverständigengutachtens nach Art. 12 lit. e VwVG finden aufgrund der gesetzlichen Verweisung in Art. 19 VwVG die Vorschriften von Art. 57 ff. Bundeszivilprozessgesetz (BZP) sinngemäss Anwendung. Folglich gelten als Sachverständigengutachten Berichte über die Sachverhaltsprüfung und -würdigung, die von Dritten im Rahmen eines Verfahrens und aufgrund ihrer spezifischen Fachkenntnisse abgegeben wurden (vgl. BGE 132 II 269 E. 4.4.1; BGer, 26.11.2001, 2A.315/2001, E. 2c/aa; Waldmann Bernhard, in: Waldmann/ Weissenberger [Hrsg.], Kommentar zum Verwaltungsverfahrensgesetz, zit. VwVG, Art. 12 Rn. 147). Dabei bezieht sich die Regelung von Art. 57 ff. BZP lediglich auf Gutachten, welche von Gerichten oder Verwaltungsbehörden bei externen Fachleuten eingeholt werden (vgl. BGE 136 V 117 E.3.3.2.3; BGE 135 V 254 E. 3.4.1; BVGE 2013/9 E. 3.8.1). Somit sind Privatgutachten von vornherein nicht als Sachverständigengutachten gemäss Art. 12 lit. e VwVG zu qualifizieren.

219.  Als Auskünfte der Parteien gemäss Art. 12 lit. b VwVG haben angesichts der Unzulässigkeit von Parteiverhören im Verwaltungsverfahren Erklärungen der Parteien zu gelten, die sie im Rahmen von einfachen Nachfragen durch das Gericht abgegeben haben. Da ein Parteigutachten keine Erklärungen zu Nachfragen des Gerichts darstellt, ist es nicht als Auskunft von Parteien nach Art. 12 lit. b VwVG zu qualifizieren.

220.  Aufgrund der nicht abschliessenden Regelung von Art. 12 VwVG kommt einem Privatgutachten somit der Charakter eines sonstigen Beweismittels zu.

221.  Für die entscheidungserhebliche Würdigung des Sachverhalts ist allerdings nicht (allein) die Art des Beweismittels, sondern der konkrete Beweiswert der im Einzelfall vorhandenen Beweismittel massgebend. Dabei kommt den verschiedenen Arten an Beweismitteln ein unterschiedlicher prinzipieller Beweiswert zu, der im Einzelfall zu verifizieren ist und sich aufgrund der konkreten Umstände erhöhen oder verringern kann.

222.  Urkunden als unabhängige Dokumente kommt grundsätzlich eine sehr hohe Beweiskraft zu, sofern ihre Echtheit unstrittig ist. Dem Sachverständigengutachten als unabhängige Drittmeinung ist grundsätzlich ein hoher Beweiswert beizumessen, soweit die Darlegungen nicht erkennbare Mängel aufweisen. Der Beweiswert von Zeugenaussagen ergibt sich in Abhängigkeit von der festgestellten sachlichen und personalen Unabhängigkeit des Zeugen von den Parteien; bei unabhängigen Zeugen ist der Beweis unter Berücksichtigung von Wahrnehmungsschwierigkeiten grundsätzlich hoch. Demgegenüber ist der Beweiswert von Auskünften einer Partei angesichts der bestehenden Interessenlage grundsätzlich eingeschränkt.

223.  Zum Stellenwert eines Parteigutachtens - unter Einschluss von Privatgutachten - hat die bundesgerichtliche Rechtsprechung bislang in unterschiedlicher Weise Stellung genommen.

224.  Einerseits dürfe einem Parteigutachten der Beweiswert nicht schon deshalb abgesprochen werden, weil das Gutachten von einer Partei stamme (vgl. BGE 137 II 266 E. 3.2; BGer, 10.10.2012, A-3207/2011, E. 3.2.3). Andererseits sei das alleinige Abstellen auf ein Parteigutachten grundsätzlich als willkürlich zu qualifizieren, weil privatgutachterliche Schlussfolgerungen, die dem Anliegen des Auftraggebers angepasst sein können, nur schwer vom Laien auf ihre Zuverlässigkeit überprüft werden könnten und demnach die Gefahr bestünde, dass der Richter ein qualitativ ungenügendes Gutachten aufgrund des fehlenden Fachwissens nicht richtig würdigen könne (vgl. BGer, 11.2.1999, 6P.158/1998, [nicht publ.], E. 3b; zustimmend BGer, 9.02.2007, 6P.223/2006, E. 2.4.3, mit der Qualifizierung eines Privatgutachtens als Bestandteil des Parteivorbringens).

225.  Ganz überwiegend wird das Parteigutachten aber dem (einfachen) Parteivorbringen gleichgestellt (vgl. BGE 127 I 73 E. 3.f.bb; BGE 132 III 83 E. 3.6; BGE 95 II 364 E. 2; BGer, 4.4.2011, 6B_49/2011, E. 1.4; BGer, 11.6.2009, 6B_48/2009, E. 4.2; BGer, 9.2.2007, 6P.223/2006, E. 2.4.3). Denn ein Parteigutachter sei im Gegensatz zu einem amtlichen Sachverständigen nicht unabhängig und unparteiisch, weil er als Beauftragter einer Partei handle. Dies schliesse umgekehrt aber nicht aus, dass der Inhalt eines Parteigutachtens wie das Vorbringen selbst entsprechend den Richtlinien zur Beweiswürdigung gewürdigt werden könne. Soweit das Parteigutachten in rechtserheblichen Fragen überzeuge, könne das Gericht demzufolge zu einer entsprechenden, darauf abgestützten Überzeugung gelangen (vgl. BGE 125 V 351 E. 3.c).

226.  Angesichts dieser grundsätzlichen Ausgangslage zur Beurteilung von Parteigutachten sind im Hinblick auf die Berücksichtigung des von den Beschwerdeführerinnen eingebrachten Privatgutachtens mehrere Feststellungen zu treffen.

227.  Da es sich beim Gutachten ESMT um ein Privatgutachten handelt, bedarf es von Seiten des Gerichts keiner Berücksichtigung als Sachverständigengutachten im Sinne von Art. 12 lit. e VwVG. Daher kommt dessen Inhalt entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerinnen (vgl. E. 209) auch kein grundsätzlich erhöhter Beweiswert zu. Vielmehr ist der Inhalt des Gutachtens ESMT aus den von der Vorinstanz genannten Gründen (vgl. E. 213) dem übrigen Vorbringen der Beschwerdeführinnen gleichzustellen und entsprechend sachgerecht zu würdigen. Da die Beschwerdeführerinnen nach eigener Aussage den wesentlichen Inhalt des Gutachtens ESMT im Rahmen ihrer schriftlichen Darstellung verarbeitet haben, wird durch die Behandlung der Vorbringen der Beschwerdeführerinnen im Rahmen des Urteils gleichzeitig auch der Inhalt des Gutachtens ESMT erfasst. Es ist daher nicht erforderlich, bei allen Einzelpunkten zusätzlich noch ausdrücklich auf das Gutachten ESMT abzustellen.          

228.  Vor diesem Hintergrund sind unter Berücksichtigung der vorstehenden Ausführungen (vgl. E. 166 ff. und E. 200 ff.) zudem weder eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör noch eine Verletzung des Untersuchungsgrundsatzes festzustellen.

V.            Relevanter Markt

229.  Für die Feststellung einer marktbeherrschenden Stellung gemäss Art. 7 i.V.m. 4 Abs. 2 KG ist es formal erforderlich, in einem ersten Schritt den relevanten, d.h. den massgeblichen Markt, auf dem diese marktbeherrschende Stellung eingenommen wird, abzugrenzen, bevor in einem zweiten Schritt die Marktstellung ermittelt werden kann (vgl. BGE 139 I 72, Publigroupe, E. 9.1; BVGer, B-7633/2009, ADSL II, E. 256; David/Jacobs, WBR, Rn. 696; Stäuble Luca/Schraner Felix, in: Zäch [Hrsg.], Kartellgesetz, 2018, zit. Dike-KG, Art. 4 Abs. 2 Rn. 20 f.). Ungeachtet dessen stehen sich Marktabgrenzung und Ermittlung der Marktstellung nicht isoliert gegenüber, sondern üben eine gegenseitige Wechselwirkung aus, weil sie die notwendigen Elemente der Marktbeherrschungsanalyse bilden.

230.  Das Kartellgesetz enthält weder eine Definition des relevanten Markts noch statuiert es einzelne Kriterien für dessen Bestimmung. Allerdings weist die Verordnung des Bundesrats vom 17. Juni 1996 über die Kontrolle von Unternehmenszusammenschlüssen (VKU, SR 251.4) in Art. 11 Abs. 1 und 3 sachliche, räumliche und zeitliche Aspekte zur Beurteilung von einzelnen Zusammenschlussvorhaben auf. Demzufolge lassen sich der sachlich, der räumlich und der zeitlich relevante Markt unterscheiden. Nach ständiger Rechtsprechung finden diese Abgrenzungskriterien auch für die Beurteilung von anderen Wettbewerbsbeschränkungen Anwendung (vgl. BVGer, B-7633/2009, ADSL II, E. 257; im Ergebnis ebenso BGE 139 I 72, Publigroupe, E. 9.1; BVGer, B-506/2010, Gaba, E. 9).

231.  Die Vorinstanz hat im Rahmen ihrer Marktuntersuchung geprüft, welche relevanten Märkte in den Geschäftsbereichen Zahlungskartenakzeptanz, Zahlungskartenterminals und Währungsumrechnung bei Zahlungskartentransaktionen abzugrenzen sind und in welchen der so ermittelten relevanten Märkte die SIX-Gruppe eine marktbeherrschende Stellung aufweist. Das Bestehen einer marktbeherrschenden Stellung der SIX-Gruppe wurde nur für Märkte im Geschäftsbereich der Zahlungskartenakzeptanz festgestellt, während eine solche in den Märkten der Geschäftsbereiche Zahlungskartenterminals und Währungsumrechnung verneint wurde. Ungeachtet dessen sind nachfolgend alle vorgenommenen Marktabgrenzungen einer Überprüfung und Abklärung zuzuführen, weil die verschiedenen Märkte im Rahmen der Beurteilung einzelner Tatbestände gemäss Art. 7 KG Bedeutung erlangen.

1)             Geschäftsbereich der
              Zahlungskartenakzeptanz

232.  Die Vorinstanz hat im Geschäftsbereich der Akzeptanz von Zahlungskartensystemen verschiedene Märkte abgegrenzt:

-        Einen Markt für die Akzeptanz von Kreditkarten der Kartenlizenzgeber Mastercard und Visa in der Schweiz;

-        implizit jeweils einen Markt für die Akzeptanz von Kreditkarten der Kartenlizenzgeber American Express und Diners in der Schweiz, für die jedoch keine Beurteilung einer marktbeherrschenden Stellung durch die SIX-Gruppe vorgenommen wurde;

-        einen Markt für die Akzeptanz von Debitkarten des Karten-lizenzgebers Mastercard in der Schweiz;

-        implizit jeweils einen Markt für die Akzeptanz von Debitkarten der Kartenlizenzgeber Migros und PostFinance, für die jedoch keine Beurteilung einer marktbeherrschenden Stellung durch die SIX-Gruppe vorgenommen wurde.

233.  Eine Marktabgrenzung im Bereich von Zahlungskartensystemen (vgl. SV D) wird von mehreren wesentlichen Grundfragen zu verschiedenen Aspekten geprägt, die nachfolgend zu beurteilen sind:

-        Sind Zahlungskarten mit anderen Zahlungsmitteln austauschbar und existiert daher ein gemeinsamer Markt aller oder zumindest mehrerer Zahlungsmittel oder sind Zahlungskarten komplementäre Produkte zu anderen Zahlungsmitteln, weshalb jedenfalls Zahlungskarten einen eigenständigen sachlich relevanten Markt bilden?  

-        Sind die verschiedenen Arten an Zahlungskarten in Form von Kredit- und Debitkarten gegeneinander austauschbar und bilden sie einen gemeinsamen Markt oder sind Kreditkarten und Debitkarten komplementäre Produkte und bilden sie daher jeweils einen eigenständigen sachlich relevanten Markt?

-        Handelt es sich bei den Zahlungskarten der verschiedenen Karten-lizenzgeber um austauschbare Produkte und bilden sie einen gemeinsamen Markt oder handelt es sich um komplementäre Produkte, weshalb sie jeweils einen eigenständigen sachlich relevanten Markt bilden? Gilt die entsprechende Qualifizierung sowohl für Kreditkarten als auch für Debitkarten?

-        Wird der Geschäftsbereich der Zahlungskartenakzeptanz im Wesentlichen durch die Karteninhaber bestimmt, weshalb von einem einheitlichen Markt im Bereich von Kartenausstellung und Kartenakzeptanz auszugehen ist oder handelt es sich unter Berücksichtigung der Interessen der Karteninhaber und der Händler hierbei um abgrenzbare Geschäftsbereiche, weshalb jeweils eigenständige sachlich relevante Märkte der Kartenakzeptanz und der Kartenausstellung bestehen?

234.  Die vorstehend aufgeführten Aspekte von Zahlungskartensystemen stellen dabei keine singulären Sachpunkte dar, sondern bilden eine komplexe Gemengelage von interdependenten Sachpunkten.

a)             Sachlich relevanter Markt

235.  Die Vorinstanz unterscheidet aufgrund der unterschiedlichen Dienstleistungen, die gegenüber den Händlern oder den Kunden als unterschiedliche Marktgegenseiten erbracht werden, zunächst die Geschäftsbereiche der Kartenausstellung und der Kartenakzeptanz. Vorliegend sei dabei lediglich der Geschäftsbereich der Kartenakzeptanz von Bedeutung.

236.  Innerhalb des Geschäftsbereichs der Kartenakzeptanz grenzt die Vorinstanz einen sachlich relevanten Markt für Kreditkarten der Kartenlizenzgeber Mastercard und Visa sowie einen sachlich relevanten Markt für die Debitkarte des Kartenlizenzgebers Maestro sowohl gegenüber dem Bereich von Kreditkarten der Kartenlizenzgeber Amex und Diners als auch gegenüber dem Bereich von anderen Debitkarten ab.

237.  Für die Beurteilung des vorliegenden Sachverhalts unterscheidet die Vorinstanz bei Zahlungsmitteln somit zwischen Kreditkarten, Debitkarten und sonstigen Zahlungsmitteln.

(1)          Vorbringen der Beschwerdeführerinnen

238.  Die Beschwerdeführerinnen bestreiten, dass eine korrekte Marktabgrenzung vorgenommen worden sei, weil eine Beschränkung auf Kredit- und Debitkarten sachlich nicht gerechtfertigt und verfahrenstechnisch auch nicht ausreichend nachgewiesen worden sei. Vielmehr müsse als sachlich relevant der Markt für Zahlungsmittel aller Art einschliesslich von Kreditkarten, Debitkarten, Bargeld, Post- und Bankgiroverkehr, Checks, Rechnungen, Kundenkarten etc. abgegrenzt werden. Hierfür tragen sie verschiedene Aspekte vor.

239.  Die Ausführungen zur Marktabgrenzung seien rudimentär und ungenügend. Denn die Vorinstanz verweise pauschal auf Marktuntersuchungen in anderen Entscheidungen, welche nicht in Zusammenhang mit der vorliegenden Untersuchung stünden. Zudem liege bislang keine definitive rechtskräftige Abklärung vor, weil die betreffenden Verfahren (i) nach der Rechtsmittelinstanz nicht mit einer materiellen Verfügung abgeschlossen worden seien (vgl. Verfahren Kreditkarten-Akzpetanzgeschäft E. 279), oder (ii) mit einer einvernehmlichen Regelung abgeschlossen worden seien (vgl. Verfahren Kreditkarten-Interchange Fee E. 280), oder (iii) es sich nur um Schlussberichte des Sekretariats handle (vgl. Verfahren DMIF Maestro E. 287 und Verfahren DMIF V Pay E. 291). Mangels eines Präzedenzfalles hätte die Marktabgrenzung demnach in diesem Fall korrekt, nachvollziehbar und ausreichend begründet durchgeführt werden müssen. Die Vorinstanz habe dies aber unterlassen. Die Marktabgrenzung sei daher schon aus formellen Gründen aus dem Recht zu weisen.

240.  Die angefochtene Verfügung berücksichtige nicht die spezifische Konstellation bei Kredit- und Debitkarten. Die Entscheidung des Händlers auf der Rahmenebene, ob er eine bestimmte Zahlkarte durch Abschluss eines Akzeptanzvertrags grundsätzlich akzeptiere, treffe dieser unter Berücksichtigung der Verfügbarkeit und Kosten anderer Zahlungsmittel. Die Entscheidung des Konsumenten auf der Rahmenebene, eine bestimmte Kreditkarte zu führen, treffe dieser in Abhängigkeit von der Verfügbarkeit vergleichbarer Zahlungsmittel sowie der Akzeptanz der betreffenden Karte bei den Händlern. Die Entscheidung, ob die Karte im Einzelfall für eine individuelle Transaktion eingesetzt werde, treffe der Karteninhaber, vorausgesetzt der Händler habe sich auf der Rahmenebene für die Akzeptanz der Karte entschieden.

241.  Eine Beschränkung des sachlich relevanten Markts auf Debit- und Kreditkarten sei künstlich und würde die ökonomischen Realitäten verkennen. Es bestehe nämlich keine isolierte Nachfrage der Händler nach Kartenzahlungsverkehr. Vielmehr bestimme der Zahlende die Nachfrage nach einem spezifischen Zahlungsmittel.

242.  Der sachlich relevante Markt sei nicht anhand eines abstrakten Produktevergleichs, sondern aufgrund einer Verhaltensanalyse der Nachfrager anhand eines SSNIP-Tests zu bestimmen. In der Kartellrechtspraxis werde zu diesem Zweck das hypothetische Verhalten des massgeblichen Personenkreises analysiert. Aus Sicht der Konsumenten sei mittels des SSNIP-Tests zu eruieren, ob eine signifikante, nicht nur vorübergehende Preiserhöhung für den Einsatz des Zahlungsmittels Kreditkarte eine Abwanderung auf andere Zahlungsmittel bewirke, welche die Monopolisierung des Kreditkartenbereichs unprofitabel mache. Eine entsprechende Abklärung sei in der angefochtenen Verfügung nicht vorhanden.

243.  Gemäss Vorinstanz seien American Express, Diners, Mastercard und Visa angesichts der unterschiedlichen Konditionen des Akzeptanzgeschäfts keine Substitute, weil die Händler ansonsten die teuren Karten durch die billigeren Karten ersetzen würden. Dies würde bedeuten, dass Produkte nur dann dem gleichen sachlichen Markt angehörten, wenn ihre Preise und zwangsläufig auch ihre Qualität zu 100% identisch seien. Diese Annahme widerspreche nicht nur kartellrechtlichen Grundsätzen, sondern auch ökonomischen Vorgaben und letztlich der Realität.

244.  Über die Frage, ob andere Zahlungsmittel Wettbewerbsdruck auf Kreditkarten ausübten, seien nicht die wenigen Konsumenten entscheidend, welche nur über eine einzelne Kreditkarte und keine anderen Zahlungskarten verfügten. Es sei ausreichend, dass für einen substanziellen Anteil aller Benutzer der betreffenden Kreditkarte ein leichtes Ausweichen auf andere Zahlungsmittel möglich sei. Dies sei bei Kreditkarten dank der Ausweichmöglichkeit auf Bargeld ohne Weiteres der Fall.

245.  Mastercard habe angeblich die Absicht, durch die Erhebung von Marketingbeiträgen die Substitution von Bargeldzahlungen durch Kartenzahlungen gezielt zu fördern. Dies sei nur möglich, wenn auch tatsächlich Substitutionsbeziehungen zwischen diesen Zahlungsmitteln bestehen würden.

246.  Die eigene Prüfung der Austauschbarkeit von Debit- und Kreditkarten mit anderen Zahlungsmitteln durch die Vorinstanz sei auf die Betrachtung einer Studie im Bereich des Onlinehandels beschränkt. Diese Studie zeige lediglich die Kauf-Abbruchquote bei Onlinegeschäften auf. Der Onlinehandel sei aber bereits deshalb nicht von Relevanz, weil bei diesem Distanzgeschäft schon definitionsgemäss keine Bargeldzahlungen möglich seien. Aus dieser Studie könne daher nicht eine fehlende Austauschbarkeit der verschiedenen Zahlungsmittel abgeleitet werden.

(2)          Vorbringen der Vorinstanz

247.  Die Vorinstanz stützt ihre Marktabgrenzung auf die Marktuntersuchungen und deren Ergebnisse in den Verfahren Kreditkarten-Akzeptanz-geschäft (vgl. E. 277 und E. 279) und Kreditkarten-Interchange Fee (vgl. E. 280) sowie DMIF Maestro (vgl. E. 287) und DMIF V Pay (vgl. E. 291) ab. Darüber hinaus zieht sie die zum Europäischen Wettbewerbsrecht durchgeführten Marktuntersuchungen in den Verfahren Visa I (vgl. E. 283), Visa II (vgl. E. 283) und Mastercard (vgl. E. 285) heran.

248.  Die in diesen Verfahren gewonnenen Ergebnisse könnten auf den vorliegenden Fall angewendet werden, weil die Gründe für diese Praxis weiterhin Geltung beanspruchen würden.

249.  Hierzu wird ergänzend sowohl auf eine Studie zum Abbruchverhalten im Onlinehandel (vgl. E. 298) als auch auf neuere Marktdaten verwiesen, welche aufzeigten, dass die anderen Kreditkarten weiterhin Nischenprodukte gegenüber den Kreditkarten Mastercard und Visa darstellen würden.

250.  Eine Abgrenzung von Mastercard und Visa sei auch weiterhin nicht erforderlich, weil sich die Situation nicht verändert habe. Diese Frage könne jedoch offengelassen werden, weil Multipay auch bei einer engen Marktabgrenzung über eine marktbeherrschende Stellung verfügen würde.

251.  Die Vorinstanz verweist schliesslich darauf, dass im Verfahren Kreditkarten-Akzeptanzgeschäft eine Händlerbefragung durchgeführt worden sei, welche eine am SSNIP-Test angelehnte Analyse beinhalte. Zudem seien diverse Informationen und Daten entsprechend verschiedenen Ansichten in der Literatur im Sinne des SSNIP-Tests analysiert worden.

(3)          Würdigung durch das Gericht

(a)          Ausgangslage

252.  Der sachlich relevante Markt umfasst alle Waren oder Dienstleistungen (nachfolgend: Produkte), die aufgrund ihrer wechselseitigen Substituierbarkeit eine eigenständige Produktgruppe bilden. Massgebend für die Qualifizierung der jeweiligen Substituierbarkeit ist hierbei eine wertende Beurteilung aller relevanten Aspekte, die im Einzelfall für oder gegen die Zusammenfassung bestimmter Produkte als eigenständige Produktgruppe und die Zuordnung eines einzelnen Produkts hierzu sprechen. Im Rahmen einer derartigen Gesamtanalyse kommt dabei keinem der prinzipiell zu berücksichtigenden Aspekte ein absoluter Vorrang aufgrund allgemeiner Umstände zu (vgl. BVGer, B-7633/2009, ADSL II, E. 269).

253.  Wesentliche Grundlage dieser Beurteilung bildet in Bezug auf Absatzmärkte das Konzept der Nachfragesubstituierbarkeit (auch sog. Konzept der funktionellen Austauschbarkeit bzw. Bedarfsmarktkonzept), das prinzipiell in Art. 11 Abs. 3 VKU statuiert wird (vgl. BVGer, B-7633/2009, ADSL II, E. 270; BVGer, B-506/2010, Gaba, E. 9; BGE 139 I 72, Publigroupe, E. 9.2.3.1; REKO/WEF, 4.5.2006, RPW 2006/2, 347, Berner Zeitung AG und Tamedia AG gg. Weko, zit. 20 Minuten, Ziff. 6.3.3; Evelyn Clerc/Pranvera Këllezi, in: Martenet/Bovet/Tercier [Hrsg.], Commentaire Romand, Droit de la concurrence, 2. Aufl. 2013, zit. CR-Concur-rence, Art. 4 II Rn. 68 ff.; David/Jacobs, WBR, Rn. 690; Köchli/Reich, SHK-KG, Art. 4 Rn. 42; Reinert/Bloch, BSK-KG, Art. 4 Abs. 2 Rn. 104 ff.; Stäuble/Schraner, Dike-KG, Art. 4 Abs. 2 Rn. 38 ff.; EU-Kom, Bekanntmachung vom 9.12.1997 über die Definition des relevanten Marktes im Sinne des Wettbewerbsrechts der Gemeinschaft, ABl. 1997 C 372/5, zit. Marktbekanntmachung, Ziff. 13, mit Hinweisen zu weiteren Beurteilungsaspekten). Die Abgrenzung des sachlich relevanten Markts erfolgt aus der Sicht der Nachfrager als Marktgegenseite, d.h. der Abnehmer eines durch das marktbeherrschende Unternehmen abgesetzten Produkts. Massgebend ist dabei, welche anderen Waren oder Dienstleistungen mit dem in Frage stehenden Produkt in Wettbewerb stehen. Dies ist immer dann der Fall, wenn die Austauschbarkeit der verschiedenen Produkte gegeben ist, weil sie aufgrund ihrer Eigenschaften, Preise und ihres vorgesehenen Verwendungszwecks von den Nachfragern als gleichwertig angesehen werden (vgl. BGE 139 I 72, Publigroupe, E. 9.2.3.1; BGer, 14.8.2002, 2A.298/ 2001 und 2A.299/2001, Börsenverein des dt. Buchhandels e.V./Schw. Buchhändler- und Verlegerverband gg. Weko, publ. in: BGE 129 II 18, zit. Buchpreisbindung I, E. 7.3.1; BVGer, B-7633/2009, ADSL II, E. 270; BVGer, B-506/2010, Gaba, E. 9.1.4.1, 9.1.4.4; REKO/ WEF, 20.3.2003, RPW 2003/2, 406, Cablecom GmbH gg. Teleclub AG und Weko, E. 5.1; Borer, KG, Art. 5 Rn. 10; Clerc/Këllezi, CR-Concurrence, Art. 4 II Rn. 68 f.; Stäuble/Schraner, Dike-KG, Art. 4 Abs. 2 Rn. 38 f.; Weber/Volz, FHB-WBR, Rn. 2.34 f.; Zäch, Kartellrecht, Rn. 538 f.; EU-Kom, Marktbekanntmachung, Ziff. 39 f.; Körber Torsten, in: Immenga/Mestmäcker [Hrsg.], Wettbewerbsrecht, Bd. 1/2, EU-Kartell-recht, 5. Aufl. 2012, zit. IM-EUWBR, Art. 2 Rn. 23). Massgebend für die Abgrenzung des sachlich relevanten Markts ist demzufolge, welche Produkte aus der Sicht eines objektiven Nachfragers von bestimmten Leistungen diesen Bedarf in akzeptabler Weise zufriedenstellend erfüllen. Für eine zufriedenstellende Erfüllung ist es dabei einerseits nicht erforderlich, dass die Leistung in identischer Weise erbracht wird, andererseits ist eine bloss teilweise Austauschbarkeit nicht ausreichend (vgl. BGE 139 I 72, Publigroupe, E. 9.2.3.5; BVGer, B-7633/2009, ADSL II, E. 270; BVGer, 24.11.2016; B-3618/2013, Starticket u.a. gg. Weko sowie Hallenstadion AG und Ticketcorner AG, zit. Hallenstadion, E. 55; REKO/WEF, RPW 2006/2, 347, 20 Minuten, E. 6.3.4 und E. 7.2.1; EuGH, 14.2.1978, C-27/76, United Brands Company gg. EU-Kom, EU:C:1978:22, zit. United Brands, Ziff. 23/33; EuGH, 13.2.1979, C-85/76, Hoffmann-La Roche gg. EU-Kom, EU:C:1979:36, zit. Hoffmann-La Roche, 28; EuGH, 9.11.1983, C-322/81, Nederlandsche Banden-Industrie Michelin gg. EU-Kom, EU:C:1983:313, Rz. 49; Clerc/Këllezi, CR-Concurrence, Art. 4 II Rn. 80; Reinert/Bloch, BSK-KG, Art. 4 Abs. 2 Rn. 104; Stäuble/Schraner, Dike-KG, Art. 4 Abs. 2 Rn. 38; Andreas Fuchs/Wernhard Möschel, in: Immenga/Mestmäcker [Hrsg.], Wettbewerbsrecht, Bd. 1/1, EU-Kartell-recht, 5. Aufl. 2012, zit. IM-EUWBR, Art. 102 Rn. 55; Schröter/Bartl, in: Schröter/Jakob/Klotz/Mederer [Hrsg.], Europäisches Wettbewerbsrecht, 2. Aufl. 2014, zit. SJKM-EUWBR, Art. 102 Rn. 133, 136). Die Austauschbarkeit eines Produkts ist insbesondere aufgrund von funktionalen Sachüberlegungen, allgemeinen Verbraucherpräferenzen, bestehenden Marktstrukturen sowie von konkreten Marktbeobachtungen aller in Betracht kommenden ähnlichen Produkte zu bewerten; zudem können auch modellhafte Überlegungen, wie etwa der sog. SSNIP-Test (small but significant and nontransitory increase in price-Test), zur Abgrenzung herangezogen werden (vgl. BVGer, B-7633/2009, ADSL II, E. 270; BVGer, B-2050/2007, Terminierung Mobilfunk, E. 9.5.3; REKO/WEF, RPW 2006/2, 347, 20 Minuten, E. 6.3.3; REKO/WEF, RPW 2005/4, 672, Ticketcorner, E. 5.2.2; Weko, 5.3.2007, RPW 2007/2, 190, Richtlinien des Verbands Schweizerischer Werbegesellschaften VSW über die Kommissionierung von Berufsvermittlern, Publigroupe SA u.a., zit. Publigroupe, Ziff. 106; Borer, KG, Art. 5 Rn. 10; Reinert/Bloch, BSK-KG, Art. 4 Abs. 2 Rn. 116 ff.; Clerc/Këllezi, CR-Concurrence, Art. 4 II Rn. 76; Stäuble/Schraner, Dike-KG, Art. 4 Abs. 2 Rn. 51 ff.; Weber/Volz, FHB-WBR, Rn. 2.38; EU-Kom, Marktbekanntmachung, Ziff. 36 f.; Fuchs/Möschel, IM-EUWBR, Art. 102 Rn. 50).

254.  Die Beurteilung in Bezug auf Beschaffungsmärkte erfordert eine gegenüber dem Konzept der Nachfragesubstituierbarkeit abgewandelte Herangehensweise, die vorliegend mangels Vorliegens eines Beschaffungsmarkts jedoch keiner Beachtung bedarf (vgl. hierzu BVGer, B-7633/2009, ADSL II, E. 271).

255.  Ungeachtet dessen, dass der potenzielle Wettbewerb nach ganz überwiegender Ansicht in Rechtsprechung und Literatur nur im Rahmen der Marktstellung, nicht aber bei der Marktabgrenzung zu berücksichtigen ist (vgl. REKO/WEF, RPW 2006/2, 347, 20 Minuten, E. 6.3.2; REKO/WEF, RPW 2005/4, 672, Ticketcorner, E. 5.5.2; Reinert/Bloch, BSK-KG, Art. 4 Abs. 2 Rn. 170; Zäch Roger, Verhaltensweisen marktbeherrschender Unternehmen, in: von Büren/David [Hrsg.], Schweizerisches Immaterialgüter- und Wettbewerbsrecht, Bd. V/2, Kartellrecht, 2000, zit. Verhaltensweisen, 163; Clerc/Këllezi, CR-Concurrence, Art. 4 II Rn. 67; Stäuble/Schraner, Dike-KG, Art. 4 Abs. 2 Rn. 67; Weber/ Volz, FHB-WBR, Rn. 2.41; im Ergebnis wohl auch Borer, KG, Art. 5 Rn. 12 und 24; David/Jacobs, WBR, Rn. 697; EU-Kom, Marktbekanntmachung, Ziff. 24; differenzierend Mestmäcker/ Schweitzer, EU-WBR, § 16 Rn. 23, die auf die Zweckmässigkeit im Rahmen der Prüfung abstellen), ist nach einer ebenfalls überwiegenden Ansicht bei der Beurteilung des sachlich relevanten Markts grundsätzlich das Konzept der Angebotssubstituierbarkeit zu berücksichtigen. Danach seien auch Produkte, bei denen eine funktionale Austauschbarkeit aus Sicht der Nachfrager nicht gegeben ist, dennoch in den sachlich relevanten Markt einzubeziehen, wenn auf Seiten des jeweiligen Herstellers dieser Produkte eine hohe Angebotsumstellungsflexibilität vorhanden ist (vgl. Weko, 8.11.2004, RPW 2005/1, 146, CoopForte, Ziff. 31 ff.; Weko, 3.9.2007, RPW 2008/1, 129, Migros/Denner, Ziff. 205; Borer, KG, Art. 5 Rn. 12; grundsätzlich ablehnend gegenüber einer Berücksichtigung Schröter/Bartl, SJKM-EUWBR, Art. 102 Rn. 129). Diese Angebotsumstellungsflexibilität liegt dann vor, wenn der Hersteller innerhalb kürzester Frist und mit vernachlässigbar geringen Kosten seine Produktion umstellen und dadurch Produkte herstellen kann, bei denen die funktionale Austauschbarkeit zu den anderen Produkten der jeweiligen Produktgruppe gegeben ist (vgl. EuG, 29.3.2012, T-336/07, Telefónica SA u.a. gg. EuKom, EU:T:2012:172, zit. Telefonica, Ziff. 113; EU-Kom, Marktbekanntmachung, Ziff. 20; Borer, KG, Art. 5 Rn. 12; Reinert/Bloch, BSK-KG, Art. 4 Abs. 2 Rn. 170; Weber/Volz, FHB-WBR, Rn. 2.39; Körber, IM-EUWBR, Art. 2 Rn. 25, 57 ff.; Mestmäcker/Schweitzer, EU-WBR, § 16 Rn. 22). Die Bejahung der Angebotsumstellungsflexibilität führt dazu, dass insgesamt eine weiter gefasste Produktgruppe als massgeblicher sachlich relevanter Markt abzugrenzen ist.

256.  Die Notwendigkeit zur Prüfung der Angebotssubstituierbarkeit bei Sachverhalten gemäss Art. 7 KG wird in Praxis und Literatur bislang unterschiedlich beurteilt. Nach einer Ansicht stellt eine bloss theoretische Alternative, auch wenn sie kurzfristig vorgenommen werden könne, keine tatsächliche Ausweichmöglichkeit für die von einer Behinderung oder Benachteiligung durch ein marktbeherrschendes Unternehmen betroffenen Wirtschaftsteilnehmer dar, weshalb entsprechende Produkte im Rahmen der sachlichen Marktabgrenzung nicht ohne Weiteres zu berücksichtigen seien (vgl. BVGer, B-7633/2009, ADSL II, E. 275; REKO/WEF, RPW 2005/4, 672, Ticketcorner, Ziff. 5.2.2; Stäuble/Schraner, Dike-KG, Art. 4 Abs. 2 Rn. 64). Nach anderer Ansicht ist der Aspekt der Angebotsumstellungsflexibilität auch im Rahmen von Art. 7 KG zu berücksichtigen (vgl. Sekretariat, 7.8.2007, Beschaffung von Leichten Transport- und Schulungshelikoptern [LTSH] durch armasuisse, Departement für Verteidigung, Bevölkerungsschutz und Sport, RPW 2007/4, 517, Ziff. 37c; Weko, 21.10.2013, RPW 2014/1, 215, Swatch Group Lieferstopp, The Swatch Group AG, zit. Swatch Group Lieferstopp, Ziff. 97, 125; jeweils allerdings ohne eine inhaltliche Auseinandersetzung mit dieser Sachfrage und der Feststellung der REKO/WEF in Sachen Ticketcorner; Reinert/Bloch, BSK-KG, Art. 4 Abs. 2 Rn. 150 f.).

257.  Bei einer Abgrenzung des relevanten Markts als Grundlage der Feststellung einer marktbeherrschenden Stellung ist der Schutzzweck der im Kartellgesetz jeweils vorgesehenen Normen zur Verhinderung eines wettbewerbswidrigen Verhaltens von marktbeherrschenden Unternehmen zu berücksichtigen. Bei der Prüfung von Unternehmenszusammenschlüssen gemäss Art. 10 KG ist die Untersuchung der marktbeherrschenden Stellung auf die Feststellung der aktuellen Marktstruktur und eine Prognose der sich daraus ergebenden zukünftigen möglichen Beeinträchtigungen des Wettbewerbs ausgerichtet. Bei diesem Untersuchungsansatz ist es selbstredend beachtlich, ob zukünftig einzelne Unternehmen aufgrund einer einfachen Produktionsumstellung auch austauschbare Produkte herstellen könnten, die dem sachlich relevanten Markt zuzuordnen wären. Demgegenüber ist die Prüfung eines missbräuchlichen Verhaltens gemäss Art. 7 KG jedenfalls im Regelfall auf die Untersuchung eines in der Vergangenheit liegenden wirtschaftlichen Verhaltens und den dadurch allenfalls bereits eingetretenen Beeinträchtigungen des Wettbewerbs ausgerichtet. Dabei ist zu berücksichtigen, dass der Wettbewerb auf einem Markt durch die Anwesenheit eines marktbeherrschenden Unternehmens bereits geschwächt war und das in Frage stehende Verhalten dadurch gegebenenfalls sogar begünstigt wurde. Bei diesem Untersuchungsansatz ist es prinzipiell unbeachtlich, ob möglicherweise in Zukunft weitere austauschbare Produkte auf dem sachlich relevanten Markt vorhanden sein könnten. Denn die betroffenen Unternehmen der Marktgegenseite verfügten tatsächlich nicht über eine reale Ausweichmöglichkeit auf derartige austauschbare Produkte, weshalb sie der Einwirkung des marktbeherrschenden Unternehmens faktisch keine Alternative entgegensetzen konnten. Aus den divergierenden Untersuchungsansätzen ergibt sich daher im Regelfall auch ein unterschiedlicher Inhalt der Marktabgrenzung (vgl. BVGer, B-7633/2009, ADSL II, E. 275; Zäch, Verhaltensweisen, 164 f.; vgl. auch EU-Kom, Marktbekanntmachung, Ziff. 12, in Bezug auf den räumlichen Markt; sowie EuG, EU:T:2012:172, Telefonica, Ziff. 273, für eine Differenzierung zwischen der Prüfung eines Unternehmenszusammenschlusses und eines Marktmachtmissbrauchs im Hinblick auf die Beurteilung von zukünftigen Auswirkungen).

258.  Im Rahmen der Abgrenzung des sachlich relevanten Markts zur Untersuchung einer Wettbewerbsbeeinträchtigung gemäss Art. 7 KG findet demzufolge jedenfalls im Regelfall der Aspekt der Angebotssubstituierbarkeit keine Beachtung (vgl. BVGer, B-7633/2009, ADSL II, E. 275). Dies gilt jedoch ausnahmsweise dann nicht, wenn aufgrund der konkreten Sachverhaltskonstellation gerade (auch) ein bestimmtes Verhalten des marktbeherrschenden Unternehmens in der Zukunft zu beurteilen ist (vgl. BVGer, B-7633/2009, ADSL II, E. 275). Eine solche Ausnahme bildete etwa die Sachverhaltskonstellation im Fall Swatch Group Lieferstopp, bei dem eine angekündigte zukünftige Liefereinschränkung durch ein marktbeherrschendes Unternehmen zu beurteilen war.

(b)          Allgemein

259.  Im Hinblick auf die Durchführung einer Marktabgrenzung ist zunächst festzuhalten, dass sich die Vorinstanz ohne Weiteres auf die Ergebnisse von bereits bestehenden Marktuntersuchungen hinsichtlich des Geschäftsbereichs der Kartenakzeptanz in diversen Verfahren durch verschiedene Untersuchungs- und Prüfungsinstanzen inhaltlich abstützen konnte.

260.  Im Rahmen von Kartellverfahren zur Prüfung von wettbewerbsrechtlichen Sachverhalten bedarf es nicht jeweils einer Durchführung von umfassenden Marktuntersuchungen zur Abgrenzung des relevanten Markts, soweit bereits Ergebnisse von entsprechenden Marktuntersuchungen aus früheren Kartellverfahren vorliegen und der zu prüfende Sachverhalt in den Bereich dieser Marktabgrenzungen fällt. Eine Ausnahme hiervon ergibt sich nur dann und insoweit, als aufgrund von beachtenswerten Abweichungen des Sachverhalts, veränderten tatsächlichen Umständen oder neuen entscheidungsrelevanten Überlegungen zu einzelnen Aspekten eine Neubeurteilung der Marktabgrenzung oder zumindest einzelner Kriterien der Marktabgrenzung erforderlich wird. Dieses Vorgehen der Wettbewerbsbehörden wird bereits durch den Grundsatz der Prozessökonomie vorgegeben, weil es sowohl in zeitlicher Hinsicht als auch unter Kostenaspekten den Interessen eines betroffenen Unternehmens im Kartellverfahren entspricht.

261.  Entgegen dem Einwand der Beschwerdeführerinnen (vgl. E. 239) ergibt sich demzufolge nicht bereits aus dem Umstand, dass die Vor-instanz sich im Rahmen ihrer Marktabgrenzung auf bereits vorhandene Marktuntersuchungen aus vorgängigen Kartellverfahren abstützt, ein Grund für die formale oder inhaltliche Fehlerhaftigkeit der vorgenommenen Marktabgrenzung.

262.  Diese Vorgehensweise ist unabhängig davon zulässig, um welche Art von Kartellverfahren es sich hierbei handelt. Denn massgebend ist allein der sachliche Inhalt der übernommenen Marktuntersuchung und deren Ergebnisse und nicht der Charakter des betreffenden Kartellverfahrens, in dessen Verlauf die Marktuntersuchung vorgenommen worden war.

263.  Insbesondere der Einwand der Beschwerdeführerinnen (vgl. E. 239), es läge keine definitive rechtskräftige Abklärung als Präzedenzfall vor, ist sachlich unzutreffend, weil für die Wirksamkeit einer Marktabgrenzung nicht bereits vorgängig eine rechtskräftig gewordene Untersuchung des Markts vorliegen muss. Ansonsten könnte eine erstmalige Marktabgrenzung von den Wettbewerbsbehörden nämlich erst gar nicht vorgenommen werden.

264.  Unter den vorgenannten Prämissen bestehen auch keine berechtigten Bedenken gegen die Übernahme des Ergebnisses einer Marktuntersuchung in ein aktuelles Verfahren. Denn allein der Umstand, dass die Marktuntersuchung in einem früheren Kartellverfahren durchgeführt wurde, führt weder zu deren Verbindlichkeit im aktuellen Kartellverwaltungsverfahren noch zu einer Ausschlusswirkung in dem Sinne, dass diese Marktuntersuchung und deren Ergebnisse keiner Überprüfung mehr im Rahmen eines Rechtsmittelverfahrens im Anschluss an das aktuelle Kartellverwaltungsverfahren zugeführt werden könnten. Vielmehr sind die Ergebnisse einer Marktuntersuchung in gleicher Weise einer Überprüfung durch die Rechtsmittelinstanz zugänglich, unabhängig davon, ob die Wettbewerbsbehörden in einem aktuellen Kartellverwaltungsverfahren eine neue umfassende Marktuntersuchung oder eine ergänzende Marktuntersuchung vorgenommen oder die Ergebnisse von früheren Marktuntersuchungen herangezogen haben. Letztlich tragen die Wettbewerbsbehörden die Verantwortung für die Richtigkeit ihrer Feststellungen zum relevanten Markt, unabhängig davon, auf welche konkreten Marktuntersuchungen sie diese Feststellungen abstützen. Daher steht ihnen auch die Entscheidung zu, neue Marktuntersuchungen durchzuführen oder bereits bestehende Marktuntersuchungen im Rahmen einzelner Kartellverwaltungsverfahren heranzuziehen.

265.  Entgegen dem Einwand der Beschwerdeführerinnen (vgl. E. 239) ist es demzufolge ebenfalls unerheblich, dass die vorgängigen Verfahren vorliegend aus Vorabklärungen des Sekretariats bestehen, mit einvernehmlichen Regelungen abgeschlossen oder nach einem Entscheid der Rechtsmittelinstanz nicht mit einer rechtsverbindlichen Verfügung abgeschlossen wurden.

266.  Dabei ist im Hinblick auf die Verfahren in Sachen Kreditkarten-Akzeptanzgeschäft (vgl. E. 279) darauf hinzuweisen, dass die WEKO/REF als Rechtsmittelinstanz die wesentlichen und auch vorliegend massgeblichen Aspekte der Marktabgrenzung durch die Wettbewerbskommission ausdrücklich bestätigt hat. Mit ihrem Vorbringen täuschen die Beschwerdeführerinnen somit über den Inhalt dieser Verfahren und deren Auswirkungen auf die vorliegende Beurteilung, obschon die SIX-Gruppe durch die Multipay selbst an diesen Verfahren teilgenommen hatte. Daher handelt es sich hierbei um einen irreführenden Parteivortrag.

267.  Zudem ist zu beachten, dass die SIX-Gruppe in Person der Multipay auch eine Partei der im Verfahren Kreditkarten-Interchange Fee (vgl. E. 280) getroffenen einvernehmlichen Regelung mit den Wettbewerbsbehörden war (Weko, RPW 2006/1, 61, Ziff. 358 ff.). Diese einvernehmliche Regelung betraf die Ausgestaltung bestimmter Gebühren und deren Offenlegung, die Nichtanwendung bestimmter vertraglicher Regelungen sowie das Verbot eines Datenaustauschs im Hinblick auf den relevanten Markt der Kreditkartenakzeptanz mit den Wettbewerbsbehörden. Angesichts des Abschlusses einer einvernehmlichen Regelung war selbstverständlich keine weitere Überprüfung des Streitgegenstands einschliesslich der dieser Erledigung zu Grunde liegenden Marktabgrenzung durch eine Rechtsmittelinstanz erforderlich. Es ist deshalb widersprüchlich und unglaubwürdig, wenn ein Unternehmen, welches einer einvernehmlichen Regelung zugestimmt hatte, den Inhalt des Streitgegenstands, der dieser mit den Wettbewerbsbehörden getroffenen Vereinbarung zu Grunde liegt, in einem späteren Kartellverfahren unter Verweis auf deren angebliche mangelnde rechtliche Verbindlichkeit und fehlende Überprüfung durch eine Rechtsmittelinstanz angreift.

268.  Im Hinblick auf die Heranziehung der Vorabklärungen in Sachen DMIF Maestro (vgl. E. 287) und DMIF V Pay (vgl. E. 291) ist darauf hinzuweisen, dass sich die Beschwerdeführerinnen durch den Einwand der fehlenden Rechtsverbindlichkeit von Vorabklärungen ebenfalls widersprüchlich verhalten. Im Rahmen der Marktabgrenzung im Bereich der Zahlungskartenterminals stützt sich die Vorinstanz im Wesentlichen auf den Schlussbericht des Sekretariats der Wettbewerbskommission in der Vorabklärung Terminaux de paiement (vgl. E. 353) ab. Die Beschwerdeführerinnen benutzen nun gewisse inhaltliche Aspekte dieses Schlussberichts dazu, um die in der vorliegenden Angelegenheit vorgenommene Marktabgrenzung anzugreifen (vgl. E. 350). Die Beschwerdeführerinnen machen die Zulässigkeit einer Abstützung von Marktabgrenzungen auf vorgängige Verfahren des Sekretariats der Wettbewerbskommission demzufolge nicht generell von einer rechtlichen Überprüfung, sondern im Einzelfall allein davon abhängig, ob ein inhaltlicher Aspekt der Vorabklärung als Einwendung im aktuellen Verfahren herangezogen werden kann oder nicht. Vor diesem Hintergrund ist der Verweis auf die fehlende Rechtsverbindlichkeit widersprüchlich.

269.  Ein SSNIP-Test stellt eine modellhafte Verhaltensanalyse dar, bei der mittels geringer, aber spürbarer und nicht nur vorübergehender Preiserhöhungen im Rahmen von 5% bis 10% untersucht wird, bei welcher Preiserhöhung die Nachfrager das zu beurteilende Produkt durch welche vergleichbaren Produkte ersetzen (vgl. EU-Kom, Marktbekanntmachung, Ziff. 17).

270.  Entgegen dem Einwand der Beschwerdeführerinnen (vgl. E. 242) stellt ein SSNIP-Test keine zwingende Voraussetzung einer Marktabgrenzung dar. Dieser bildet nur ein Mittel, das zur Ermittlung der massgeblichen Gruppe an austauschbaren Produkten zusätzlich herangezogen werden kann, soweit die Austauschbarkeit im Hinblick auf den Verwendungszweck nicht bereits aufgrund eines Vergleichs der Produktmerkmale der verfügbaren Produkte oder des bisherigen Ausweichverhaltens der Nutzer festgestellt werden kann (vgl. BGE 139 I 72, Publigroupe, E. 9.2.3.1, "[...] Entscheidend ist somit die funktionelle Austauschbarkeit [Bedarfsmarktkonzept] von Waren und Dienstleistungen aus Sicht der Marktgegenseite [...]. Daneben bestehen weitere Methoden zur Bestimmung der Austauschbarkeit der Waren und Dienstleistungen aus Nachfragersicht"; auch Reinert/Bloch, BSK-KG, Art. 4 Abs. 2 Rn. 103 ff., 134, stellen den SSNIP-Test als Alternative neben das Bedarfsmarktkonzept und das Verfahren der Kreuz-Preiselastizität sowie bestimmte nachweisbare Marktentwicklungen; Weber/Volz, FHB-WBR, Rz. 2.38, bezeichnen den SSNIP-Test als "eine mögliche Prüfung der Substituierbarkeit"; Clerc/Kellezi, CR-Concurrence, Art. 4 II Rn. 76, "plusieurs tests économiques sont pratiqués"; Stäuble/Schraner, Dike-KG, Art. 4 Abs. 2 Rn. 53, 71). Auch die Europäische Wettbewerbspraxis wendet den SSNIP-Test ausdrücklich nur ergänzend an (vgl. EU-Kom, 2.9.2003, IV/M.3083-GE Instrumentarium, Ziff. 61; Bulst Friedrich Wenzel, in: Langen/Bunte [Hrsg.], Kartellrecht, Bd. 2 - Europäisches Kartellrecht, 12. Aufl. 2018, zit. LB-EUKR, Art. 102 Rn. 39 f.; Füller Jens Thomas, in: Bornkamm /Montag/Säcker [Hrsg.], Münchener Kommentar, Europäisches und Deutsches Wettbewerbsrecht, Bd. 1 - Europäisches Wettbewerbsrecht, 2. Aufl. 2015, zit. MüK-WBR, Einl. 1050).

271.  Diese ergänzende Funktion ergibt sich schon daraus, dass ein SSNIP-Test wiederum selbst immanente Schwächen und ein gewisses Fehlerpotential in sich birgt und für bestimmte Sachverhaltskonstellationen nicht anwendbar ist (vgl. Clerc/Kellezi, CR-Concurrence, Art. 4 II Rn. 78 f.; Reinert/Bloch, BSK-KG, Art. 4 Abs. 2 Rn. 127 f.; sowie die Auflistung bei Stäuble/Schraner, Dike-KG, Art. 4 Abs. 2 Rn. 54 m.w.H.).

272.  So setzt ein SSNIP-Test notwendigerweise die Kenntnis der jeweiligen Daten der im Einzelfall anwendbaren Korrelationen zwischen Preiserhöhung und Kundenabwanderung voraus. Diese Daten sind in vielen Fällen bereits weder erhältlich noch erhebbar (vgl. Reinert/Bloch, BSK-KG, Art. 4 Abs. 2 Rn. 132). Sind die Daten im Einzelfall feststellbar bzw. bekannt, bedarf es einer Berücksichtigung der Probleme, die sich in Zusammenhang mit Kundenbefragungen einstellen.

273.  Ein SSNIP-Test setzt zudem das Vorliegen von Wettbewerbspreisen voraus. Hingegen führt er nicht zu sachgerechten Ergebnissen, wenn Unternehmen ihre Marktmacht bereits eingesetzt haben, um die Preise über das Wettbewerbsniveau hinaus anzuheben (vgl. Clerc/Kellezi, CR-Concurrence, Art. 4 II Rn. 79; Reinert/Bloch, BSK-KG, Art. 4 Abs. 2 Rn. 128; Stäuble/Schraner, Dike-KG, Art. 4 Abs. 2 Rn. 54). In derartigen Fällen weicht die Marktgegenseite auch auf Produkte aus, die bei einem stärkeren Wettbewerb gar kein Substitut mehr darstellen würden, weshalb eine Befragung der Marktgegenseite leicht zu verfälschten Ergebnissen führt.

274.  Nach verschiedener Ansicht ist ein SSNIP-Test auch nicht auf Dienstleistungsmärkte zugeschnitten (vgl. Füller, MüK-EuWBR, Einl. 1049).

275.  Angesichts dieser Anwendungsproblematik stellt ein SSNIP-Test kein Mittel dar, welches im Rahmen einer Marktabgrenzung in jedem Fall uneingeschränkt zur Anwendung gelangen kann oder gelangen müsste.

(c)           Vorgängige Verfahren

276.  Im Hinblick auf eine Abgrenzung des sachlich relevanten Markts für die Zahlungskartenakzeptanz liegen die Ergebnisse aus mehreren Verfahren sowohl in der Schweiz als auch in der Europäischen Union vor, bei denen zudem eine Untersuchung des Verhältnisses zwischen den unterschiedlichen Zahlungsmitteln Kredit- und Debitkarte, Bargeld, Check, Bank- und Postgiroverkehr, Wertkarte sowie Kundenkarte vorgenommen worden war.

277.  Im Kartellverwaltungsverfahren Kreditkarten-Akzeptanzgeschäft wegen eines marktmissbräuchlichen Verhaltens gemäss Art. 7 KG (Weko, 18.11.2002, RPW 2003/1, 106, Cornèr Banca SA, Telekurs Europay AG, Swisscard AECS AG, UBS Card Center AG, Ziff. 71 ff., 143 f.) wurde von der Wettbewerbskommission der Markt der Zahlungskartenakzeptanz umfassend analysiert. Die von den Kartenakquisiteuren angebotene zentrale Dienstleistung müsse als Zugang zum nationalen und internationalen Kartenzahlungsverkehr definiert werden. Als Marktgegenseite seien die Händler als Anbieter von Waren und Dienstleistungen zu identifizieren, welche gegenüber den Kartenausstellern als Initianten eines Kartenzahlungssystems den Zugang zu deren Kartenzahlungssystem nachfragen würden, um wiederum ihren eigenen Kunden als Karteninhaber des jeweiligen Kartenzahlungssystems entsprechende Zahlungsmöglichkeiten anbieten zu können. Charakteristisch für diesen Markt seien zudem der Aspekt der Debitorengarantie zu Gunsten des Händlers sowie weitere zusätzliche Leistungen, die im Verhältnis zwischen Kartenakquisiteur und Händler sowie gegenüber dem Karteninhaber erbracht werden. Aufgrund der unterschiedlichen Leistungen sei der Markt für Kreditkartenakzeptanz gegenüber dem Markt der Kreditkartenausstellung sowie dem Systemmarkt der unterschiedlichen Kreditkartenszahlungssysteme der einzelnen Kreditkartenorganisationen abzugrenzen. Der Entscheid enthält zudem eine ausführliche Begründung, weshalb der Zugang zum Kreditkartenzahlungsverkehr nicht durch den Zugang zu anderen Zahlungsmitteln wie Bargeld, Debitkarte, Check, Post- und Bankgirokontenverkehr, Wertkarte oder Kundenkarte substituiert werden könne (Weko, RPW 2003/1, 106, Kreditkarten-Akzeptanzgeschäft, Ziff. 101 ff.). Im Ergebnis wurde festgestellt, dass sich die Anschlüsse an verschiedene Zahlungsverkehrssysteme aus Sicht des Händlers vielmehr ergänzen würden, weil mit einem bestimmten einzelnen Anschluss immer nur ein Kundensegment erreicht werden könne. Es entspreche der Absicht des Händlers, möglichst viele Segmente zu erreichen, damit der Kunde in der Wahl seines Zahlungsmittels frei sei.

278.  Im Einzelnen wurden dabei zu den verschiedenen Zahlungsmitteln wesentliche Aspekte festgehalten, welche die fehlende Substituierbarkeit von Kreditkarten durch andere Zahlungsmittel begründen und die nachfolgend stichwortartig aufgeführt sind:

(i) Bargeld: gesetzliche Annahmepflicht des Händlers, keine Kreditfunktion, keine zusätzlichen spezifischen Leistungen, regelmässig kein grenzüberschreitender Einsatz möglich;

(ii) Debitkarten: keine Kreditfunktion; pauschale Transaktionsgebühren unabhängig vom Transaktionsbetrag (Ausnahme Maestro-Card mit Zahlungskartenakzeptanz durch Multipay); keine zusätzlichen Leistungen für den Händler und den Karteninhaber; ausschliesslich nationale Einsatzmöglichkeiten;

(iii) Bank- und Postgiroverkehr: zusätzlicher Aufwand durch Rechnungsstellung auf Seiten des Händlers und Vollzug der Überweisung auf Seiten des Karteninhabers; Tragung des Risikos eines Debitorenausfalls durch den Händler; keine zusätzlichen Leistungen; regelmässig kein grenzüberschreitender Einsatz möglich;

(iv) Check: keine Kreditfunktion; Tragung des Risikos eines Debitorenausfalls durch den Händler; wirtschaftliche Bedeutungslosigkeit;

(v) Wertkarten: keine Kreditfunktion; limitierter Verfügungsbetrag; kein grenzüberschreitender Einsatz;

(vi) Kundenkarten mit oder ohne Zahlungsfunktion: Verwendung nur in einem vorgängig bestimmten Kreis von Händlern; Abrechnungsmodalitäten.

279.  Die entsprechende Verfügung der Wettbewerbskommission wurde durch die WEKO/REF als Rechtsmittelinstanz im Verfahren Kreditkarten-Akzeptanzgeschäft (REKO/WEF, 9.6.2005, RPW 2005/3, 530, Telekurs Multipay AG gg. Weko; inhaltlich weitgehend gleiche Entscheide sind in den Parallelverfahren USB Card Center AG gg. Weko, Swisscard AECS gg. Weko, Cornèr Banca SA gg. Weko ergangen) auf Beschwerde der betroffenen Unternehmen hin im Jahr 2005 überprüft. Obwohl die Verfügung wegen der fehlenden Berücksichtigung von neuen Aspekten des massgeblichen Sachverhalts aus formellen Gründen an die Wettbewerbskommission zurückverwiesen wurde, hat die REKO/WEF im Rahmen von ausdrücklich angeführten grundlegenden inhaltlichen Überlegungen die wesentlichen Aspekte der von der Wettbewerbskommission vorgenommenen Marktabgrenzung im Bereich der Kreditkartenakzeptanz bestätigt (REKO/WEF, RPW 2005/3, 530, Kreditkarten-Akzeptanzgeschäft, Ziff. 7.1 ff.). So wurden ungeachtet der Interdependenzen zwischen Kartenausstellern, Händlern und Karteninhabern die Händler als massgebliche Marktgegenseite für das Kreditkarten-Akzeptanzgeschäft qualifiziert, auch wenn vom Verhalten der Karteninhaber ein gewisser Einfluss auf deren Entscheidungen ausgehe (REKO/WEF, RPW 2005/3, 530, Kreditkarten-Akzeptanzgeschäft, Ziff. 7.4). Unter ausdrücklichem Verweis auf die entsprechenden Ausführungen der Wettbewerbskommission zur Marktabgrenzung wurde festgehalten, dass weder Bargeld noch andere unbare Zahlungsmittel wie Debitkarten, Post- und Bankgiroverkehr, Check, Wert- und Kundenkarten substituierbare Produkte für Kredtikarten darstellten, weshalb der entsprechende Einwand der Multipay abzuweisen sei (REKO/WEF, RPW 2005/3, 530, Kreditkarten-Akzeptanzgeschäft, Ziff. 7.4). Darüber hinaus hat die REKO/WEF im Bereich der Kreditkarten eine noch engere Marktabgrenzung als die Wettbewerbskommission vorgenommen. Der sachlich relevante Markt sei danach der Zugang zu den jeweiligen Netzwerken der verschiedenen Kreditkarten, weil diese zwar für den Endkonsumenten im Wettbewerb stehen würden, auf Stufe der Händler jedoch von der Komplementarität der einzelnen Kreditkarten auszugehen sei, solange nicht die Mehrheit der Kunden über alle Kreditkarten verfügen würden. Demnach seien jeweils eigene Märkte für das Akzeptanzgeschäft von American Express, Diners, Mastercard und Visa zu unterscheiden (REKO/WEF, RPW 2005/3, 530, Kreditkarten-Akzeptanzgeschäft, Ziff. 7.5).  

280.  Im Rahmen des Kartellverwaltungsverfahrens Kreditkarten-Interchange Fee wegen einer unzulässigen Wettbewerbsabrede gemäss Art. 5 KG (Weko, 5.12.2005, RPW 2006/1, 65, UBS AG, Credit Suisse, Viseca Card Services SA, Corner Banca SA, Telekurs Multipay AG,) wurde von der Wettbewerbskommission im Jahr 2005 die Marktabgrenzung des Verfahrens Kreditkarten-Akzeptanzgeschäft herangezogen sowie eine schriftliche Händlerbefragung mit 120 Teilnehmern zu den Substitutionsbeziehungen zwischen den verschiedenen Zahlungsmitteln durchgeführt (Weko, RPW 2006/1, 65, Kreditkarten-Interchange Fee, Ziff. 168 ff.). Diese Befragung habe bestätigt, dass (i) die Händler die massgebliche Marktgegenseite bildeten und (ii) die anderen Zahlungsmittel keine genügend nahen Substitute darstellten, um in den sachlich relevanten Markt einbezogen zu werden (Weko, RPW 2006/1, 65, Kreditkarten-Interchange Fee, Ziff. 193).

281.  Das Vorliegen eines gemeinsamen Markts von Kartenausstellung und Kartenakzeptanz im Sinne eines Grosshandelsmarkts von Kreditkarten wurde insbesondere deshalb abgelehnt, weil Kartenaussteller und Kartenakquisiteur nicht im Wettbewerb um die Verarbeitung von Transaktionen, welche die Karteninhaber mit den Händlern abwickeln, stünden (Weko, RPW 2006/1, 65, Kreditkarten-Interchange Fee, Ziff. 165). Der Kartenakquisiteur müsse wie der Händler auch gemäss der grundlegenden "Honor All Cards Rule" alle Kreditkarten des jeweiligen Kreditkartensystems unabhängig vom jeweiligen Kartenaussteller akzeptieren (Weko, RPW 2006/1, 65, Kreditkarten-Interchange Fee, Ziff. 165).

282.  Nach Abklärungen zur Abgrenzung der verschiedenen Kreditkartenzahlungssysteme als eigenständige Märkte entsprechend der Anweisung der REKO/WEF (vgl. E. 279) wurde in diesem Entscheid festgehalten, dass sich das Drei-Parteien-Kreditkartensystem (American Express, Diners, JCB) aufgrund der höheren Händlerkommissionen, geringerer Verbreitung bei den Karteninhabern sowie einer geringeren Akzeptanz bei den Händlern strukturell vom Vier-Parteien-Kreditkartensystem (Visa, Mastercard) unterscheide, weshalb es kein Substitut hierfür darstelle (Weko, RPW 2006/1, 65, Kreditkarten-Interchange Fee, Ziff. 302 f.). Hingegen wurde die Frage einer Abgrenzung zwischen Mastercard und Visa entgegen dem Entscheid der REKO/WEF in Sachen Kreditkarten-Akzeptanzgeschäft (vgl. E. 279) offengelassen. Zwischen beiden bestehe kein Systemwettbewerb, denn sämtliche Kartenaussteller und Kartenakquisiteure würden beide Marken anbieten und die Händler würden in der Regel die gleiche Kommission zahlen (Weko, RPW 2006/1, 65, Kreditkarten-Interchange Fee, Ziff. 310 f.).

283.  In den Entscheidungen Visa I (EU-Kom, 9.8.2001, COMP/D1/29.373 - Visa International, Visa International Service Association, Zusammenfassung publ. in: ABl. 2001 L 293/24) und Visa II (EU-Kom, 24.7.2002, COMP/29.373 - Visa International - Multilateral Interchange Fee, Visa International Service Association, Zusammenfassung publ. in: ABl. 2002 L 318/17) hatte die Europäische Kommission (Abk.: EU-Kom) bereits vorgängig zur Wettbewerbskommission in den Jahren 2001 und 2002 festgestellt, dass im Geschäftsbereich der Zahlungskartensysteme ein Markt der Kreditkartenakzeptanz abzugrenzen sei (EU-Kom, COMP/D1/29.373, Visa I, Ziff. 34; EU-Kom, COMP/29.373, Visa II, Ziff. 45). Überdies wurde festgestellt, dass Bargeld und sonstige bargeldlosen Zahlungsmittel keine Substitute für Zahlungskarten darstellen würden (EU-Kom, COMP/D1/29.373, Visa I, Ziff. 37 f.; EU-Kom, COMP/29.373, Visa II, Ziff. 46 f.). Die Fragen nach einer Abgrenzung von Debit- und Kreditkartenakzeptanz sowie nach einer Abgrenzung der Kreditkarten von Mastercard und Visa wurde dabei aufgrund der konkreten Sachverhaltskonstellation allerdings offengelassen.

284.  Als Begründung für die fehlende Substituierbarkeit von Zahlungskarten durch Bargeld oder bargeldlose Zahlungsmittel wurden von der Europäischen Kommission in den Entscheidungen folgende Aspekte angegeben: Bargeld - (i) gesetzliches Zahlungsmittel mit Annahmepflicht für Händler, (ii) keine Vergleichbarkeit der Kosten für die Annahme von Bargeld mit den Kosten von Kreditkarten, (iii) Bargeld sei umständlich und gefährlich bei der Beförderung in grossen Beträgen und daher für teure Einkäufe ungeeignet, (iv) es bestehe eine Grenze für Einkäufe mit Bargeld und für Einkäufe mit Kreditkarte, (v) Bargeld gehe häufig aus und müsse regelmässig durch Bargeldabhebungen erneuert werden; Check - geringe praktische Verwendung und formale Abläufe bei der Verwendung; Bank- und Postgiroüberweisungen - fehlende Eignung zur Bezahlung in Verkaufsstellen.

285.  Im Jahr 2007 wurden durch die Europäische Kommission im Verfahren Mastercard (EU-Kom, 19.12.2007, COMP/34.579-Mastercard, Mastercard Europe S.p.r.l. u.a., Zusammenfassung publ. in: ABl. 2009 C 264/8) die gleichen Feststellungen wie in den Entscheiden Visa I und Visa II getroffen. Danach sei aufgrund der komplexen Marktrealität in Vier-Parteien-Zahlungskartensystemen ein eigenständiger Markt des Zahlungskartenakzeptanzgeschäfts abzugrenzen, bei dem die Händler und nicht die Karteninhaber als Marktgegenseite der Kartenakquisiteure zu qualifizieren seien und auch kein einheitlicher Markt von Zahlungskartenausstellung und Zahlungskartenakzeptanz vorhanden sei (EU-Kom, COMP/34.579, Mastercard, Ziff. 257 ff., 278 f., 283, 307). Zudem wurde festgestellt, dass das Zahlungsmittel Zahlungskarten nicht durch die Zahlungsmittel Bargeld, Check, Bank- oder Postgiro, Wert- oder Kundenkarten substituierbar sei (EU-Kom, COMP/34.579, Mastercard, Ziff. 300 f., 307). Die Fragen nach einer Abgrenzung von Debit- und Kreditkartenakzeptanz sowie die Abgrenzung von Mastercard und Visa wurden dabei wiederum offengelassen (EU-Kom, COMP/34.579, Mastercard, Ziff. 307).

286.  Die Entscheidung der Europäischen Kommission in Sachen Mastercard wurde sowohl durch das Europäische Gericht (EuG, 24.5.2012, T-111/08, Mastercard Inc. u.a. gg. EU-Kom, EU:T:2012:260, zit. Mastercard) als auch durch den Europäischen Gerichtshof (EuGH, 11.9.2014, C-283/12P, Mastercard Inc. gg. EU-Kom, EU:C:2014:2201, zit. Mastercard) bestätigt. Demzufolge wurde sowohl die bestehende Festlegung des Geschäftsbereichs der Kreditkartenakzeptanz als eigenständiger sachlich relevanter Markt als auch die mangelnde Substituierbarkeit von Zahlungskarten durch Bargeld oder sonstige Zahlungsmittel anerkannt (EuGH, EU:C:2014:2201, Mastercard, Ziff. 178 f.; EuG, EU:T:2012:260, Mastercard, Ziff. 176 f.).

287.  Im Rahmen der Voruntersuchung "Einführung einer DMIF für Maestro-Transaktionen und geplantes Preismodell von Telekurs Multipay" (Sekretariat, 4.6.2006, Telekurs Multipay AG, RPW 2006/4, 601, zit. DMIF Maestro) wurde durch das Sekretariat der Wettbewerbskommission in Anlehnung an das Verfahren Kreditkarten-Akzeptanzgeschäft ein eigenständiger sachlich relevanter Markt der Debitkarten-Akzeptanz abgegrenzt, wobei ebenfalls von unterschiedlichen Märkten für die einzelnen Debitkartensysteme ausgegangen wurde (Sekretariat, RPW 2006/4, 60, DMIF Maestro, Ziff. 142 ff.).

288.  Dabei wurde auch für die Debitkarten ein gemeinsamer Markt von Kartenausstellung und Kartenakzeptanz im Sinne eines Grossmarkts für Debitkarten unter Verweis darauf angenommen, dass die Kartenaussteller und die Kartenakquisiteure sich nicht als Wettbewerber um die Verarbeitung von Transaktionen, die zwischen den Karteninhabern und den Händlern durchgeführt werden, gegenüberstehen (Sekretariat, RPW 2006/4, 60, DMIF Maestro, Ziff. 72).

289.  Als massgeblicher Aspekt für die Abgrenzung der Debitkartenakzeptanz gegenüber der Kreditkartenakzeptanz wurde die fehlende Austauschbarkeit von Kredit- und Debitkarten sowohl auf Seiten der Karteninhaber als auch auf Seiten der Händler herangezogen. Bei den Karteninhabern würden die folgenden wesentlichen Unterscheidungskriterien bestehen (Sekretariat, RPW 2006/4, 60, DMIF Maestro, Ziff. 84): (i) schnellere Verfügbarkeit von Zahlungen mittels Debitkarten; (ii) Kosten für Akzeptanz bei Kreditkarten seien wesentlich höher als bei Debitkarte; (iii) durchschnittliche Händlerkommission betrage 1.8% bei Kreditkarten und 0.20 CHF bei Debitkarten; (iv) die durchschnittliche Transaktionshöhe betrage rund 185.00 CHF bei Kreditkarten und rund 85.00 CHF bei Debitkarten; (v) Transaktionen mit Debitkarten würden rund drei Mal so viele durchgeführt als mit Kreditkarten; (vi) die Verbreitung der Debitkarten sei im Jahr 2008 mit 7.6 Mio. wesentlich höher gewesen als diejenige der Kreditkarten mit 4.5 Mio. Aus Sicht der Karteninhaber seien insbesondere folgende wesentlichen Unterscheidungsmerkmale zu beachten (Sekretariat, RPW 2006/4, 60, DMIF Maestro, Ziff. 84): (i) weltweite Annahmegarantie der Kreditkarte; (ii) Kreditfunktion der Kreditkarte; (iii) zusätzliche Dienstleistungen wie kartenspezifische Bonusprogramme.

290.  Den massgeblichen Aspekt für die Abgrenzung von unterschiedlichen Märkten von einzelnen Debitkartensystemen bildete der Umstand, dass gemäss einer Branchenstudie auf eine erwachsene Person in der Schweiz durchschnittlich eine Debitkarte entfiel. Folglich könne angenommen werden, dass die Händler in der Regel alle für sie umsatzrelevanten Debitkarten anbieten müssten, um sämtliche Inhaber von Debitkarten ansprechen zu können (Sekretariat, RPW 2006/4, 60, DMIF Maestro, Ziff. 151). Angesichts der tatsächlich im Umlauf befindlichen Debitkarten gelte dies in jedem Fall für die verbreitesten Karten Maestro und Postcard. Da ein gemeinsamer Vertrieb von Debitkarten im Gegensatz zum Vertrieb von Kreditkarten von Mastercard und Visa nicht bestehe, sei es auch gerechtfertigt, separate Märkte anzunehmen (Sekretariat, RPW 2006/4, 60, DMIF Maestro, Ziff. 151).

291.  Im Rahmen der Vorabklärung "Geplante Einführung einer DMIF für das Debitkartensystem VISA V Pay" (Sekretariat, 27.4.2009, VISA International AG, RPW 2009, 133, zit. DMIF V Pay, Rz. 95 ff., 108) wurden die vorstehenden Feststellungen zur Qualifizierung des Markts für die Debitkartenakzeptanz durch das Sekretariat der Wettbewerbskommission grundsätzlich bestätigt. Dabei wurden Maestro und V Pay angesichts von deren sehr ähnlichen Produkt- und Systemeigenschaften einem einheitlichen Markt der Debitkartenakzeptanz zugeordnet. Demgegenüber wurde festgehalten, dass auf der Ebene des Händlers zwischen den internationalen Debitkartenprodukten Maestro und V Pay und den nationalen proprietären Debitkartenprodukten Post Finance und M-Card zu unterscheiden sei, weil der Händler durch den Anschluss an ein internationales Debitkartensystem auch einem ausländischen Kunden die bargeldlose Zahlung ermögliche. Aufgrund der unterschiedlichen Einsatzmöglichkeiten sei diese Differenzierung auch für den Kunden von Bedeutung.

292.  Die jeweiligen Verfahren kommen aufgrund der vorstehend angeführten Aspekte zum Ergebnis, dass weder das Zahlungsmittel Bargeld noch sonstige bargeldlose Zahlungsmittel ein Substitut für die Zahlungsmittel Kredit- und Debitkarten darstellen würden, weshalb auch kein gemeinsamer Markt aller Zahlungsmittel bestehe.

293.  Die jeweiligen Verfahren kommen ebenfalls zum Ergebnis, dass im Hinblick auf Kartenzahlungsysteme ein eigenständiger Markt für die Kartenakzeptanz von Zahlungskarten mit den Händlern als Marktgegenseite abzugrenzen sei, und dass kein gemeinsamer Markt der Kartenausstellung und der Kartenakzeptanz bestehe.

294.  Die jeweiligen Verfahren kommen überdies zum Ergebnis, dass die Zahlungsmittel Kreditkarte und Debitkarte keine Substitute, sondern komplementäre Produkte darstellten, weshalb ein relevanter Markt für die Akzeptanz von Kreditkarten und ein relevanter Markt für die Akzeptanz von Debitkarten abzugrenzen seien.

295.  Die jeweiligen Verfahren kommen schliesslich zum Ergebnis, dass die Zahlungskarten der diversen Kartenlizenzgeber prinzipiell jeweils einen eigenständigen Markt bilden. Teilweise wird eine Ausnahme für die Zahlungskarten der Kartenlizenzgeber Mastercard und Visa anerkannt, weil diese von allen Kartenausstellern und allen Kartenakquisiteuren in gleicher Weise vermarktet werden und sie sehr ähnliche Produkt- und Systemeigenschaften aufweisen.

(d)          Sachverhalt

296.  Im Hinblick auf die dargestellte Praxis der sachlichen Marktabgrenzung im Geschäftsbereich der Zahlungskartenakzeptanz bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass die Ergebnisse der bisherigen Marktuntersuchungen einer inhaltlichen Abänderung bedürften.

297.  Angesichts der vorstehend aufgeführten Verfahren liegen ausreichende Erhebungen zur sachlichen Marktabgrenzung von Zahlungskartensystemen unter Berücksichtigung von Kredit- und Debitkarten für den relevanten Zeitraum vor. Eine Durchsicht der veröffentlichten Begründungen dieser Entscheide lässt nicht erkennen, dass im Rahmen der jeweiligen Verfahren beachtenswerte inhaltliche Fehler zu einer unrichtigen Beurteilung der Marktabgrenzung geführt hätten.

298.  Im Hinblick auf die Substituierbarkeit von Zahlungsmitteln im relevanten Zeitraum lässt sich aufgrund einer Studie zu den Abbruchquoten im Online-Handel aus dem Jahre 2008 (Stahl Ernst/Krabichler Thomas/Breitscheid Markus/Wittmann Georg, ibi research an der Universität Regensburg, Erfolgsfaktor Payment - Der Einfluss der Zahlungsverfahren auf ihren Umsatz, 2008) der Schluss ziehen, dass jedenfalls bis zu diesem Zeitpunkt die verschiedenen Zahlungsmittel komplementär gewesen waren, weil die Abbruchquoten umso niedriger ausfielen, um so mehr unterschiedliche Zahlungsmittel von Seiten der Verkäufer im Internethandel zur Verfügung gestellt wurden. Der Einwand der Beschwerdeführerinnen (vgl. E. 246), wonach diese Studie mangels einer Berücksichtigung von Bargeldzahlungen bei Onlinegeschäften nicht von Belang sei, ist für diese grundsätzliche Einschätzung unbeachtlich und angesichts der fehlenden Austauschbarkeit von Zahlungskarten und Bargeld von vornherein unzutreffend.

299.  Später festgestellte, öffentlich zugängliche Angaben zu den Marktanteilen der Kreditkartennetzwerke aus dem Jahr 2010, die sogar von den Beschwerdeführerinnen auf ihren Webseiten dargestellt wurden, zeigen auf, dass sich die Marktsituation der 3-Parteien-Systeme seit der Untersuchung "Kreditkarten Interchange Fees" kaum verändert hat, weshalb diese weiterhin Nischenprodukte darstellen, die keine Alternativen zu Visa und Mastercard bilden.

300.  Im Hinblick auf die Substituierbarkeit von Kredit- und Debitkarten wurde im Rahmen einer weiteren Studie (Bernegger Urs/Maréchal Michel/Minsch Rudi, Cards 06 - Entwicklungsperspektiven für den Schweizer Kartenmarkt, 2006) - die von den Beschwerdeführerinnen selbst vorgelegt worden war - festgestellt, dass es keinen fundierten Anhaltspunkt gebe, wonach Debit- und Kreditkarten Substitute seien.

301.  Im Hinblick auf die Abgrenzung des Markts der Debitkartenakzeptanz von Maestro ist zu beachten, dass V Pay im relevanten Zeitraum noch gar nicht eingeführt war und daher über keine Marktanteile verfügte. Zudem hätte der Händler im Jahre 2008 aufgrund der grossen Verbreitung von Maestro mit 5 Mio. Karteninhabern die Akzeptanz von Maestro nicht durch die Akzeptanz der Postfinance Card oder der M-Card substituieren können. Daher bildet die Maestro-Debitkarte einen eigenständigen sachlich relevanten Markt.

302.  Demgegenüber tragen die Beschwerdeführerinnen weder konkret begründete Argumente für beachtenswerte Abweichungen des Sachverhalts oder den Eintritt von veränderten tatsächlichen Umständen vor noch vermögen ihre Vorbringen als neue entscheidungsrelevante Überlegungen die bisherigen Feststellungen zum sachlich relevanten Markt in den genannten Verfahren in Frage zu stellen.

303.  Insbesondere die von den Beschwerdeführerinnen wiederholt vorgebrachte Behauptung, dass Bargeldzahlungen Substitute zu Zahlungskartenzahlungen darstellen würden (vgl. E. 243 f.), entbehrt jeglicher Begründetheit, weil ihr eine eingehende Darlegung darüber fehlt, welche Mängel die bisherigen Marktuntersuchungen und die dabei angeführten Aspekte diesbezüglich aufweisen.

304.  Denn es ergibt sich bereits aufgrund der allgemeinen Lebenserfahrung, dass aus Sicht von Karteninhabern Bargeldzahlungen in verschiedensten üblichen und regelmässig auftretenden Lebenssituationen Zahlungskartenzahlungen nicht ersetzen können, weshalb Händler regelmässig Vorkehrungen zur Annahme von Zahlungskartenzahlungen vorsehen, um diesen Lebenssituationen im eigenen Interesse und demjenigen ihrer Kunden gerecht werden zu können. Dies gilt gerade auch im Umfeld von Zahlungen durch Ausländer, die aus unterschiedlichen Gründen Entgelte für Waren und Dienstleistungen während ihres vorübergehenden Aufenthalts im Inland zu entrichten haben.

305.  Des Weiteren legen die Beschwerdeführerinnen auch keinerlei Erklärung dafür vor, warum Händler angesichts der behaupteten Substituierbarkeit von Kredit- und Debitkarten durch Bargeld überhaupt die Bereitschaft aufweisen, Investitionen in die Infrastruktur von Zahlungskartenterminals zu tätigen sowie Gebühren an den Kartenakquisiteur zu bezahlen, um die Bezahlung durch Zahlungskarten in ihrem Betrieb zu ermöglichen. Denn wenn die Zahlung mit Bargeld tatsächlich ein Substitut zur Zahlung mit Zahlungskarten darstellen würde, könnten die Händler auf die Bereitstellung eines mit Erwerbskosten und Transaktionsgebühren verbundenen Zahlungskartenterminals ohne Weiteres verzichten und sich auf die Verarbeitung von Bargeld beschränken, weil ihre Kunden eine intendierte, aber nicht mögliche Zahlungskartenzahlung jeweils einfach durch eine Bargeldzahlung ersetzen würden.

306.  Im Übrigen müsste umgekehrt auch Bargeld durch Zahlungskarten vollständig ersetzbar sein, damit Bargeld dem gleichen sachlich relevanten Markt zugeordnet werden könnte, weil ansonsten keine Austauschbarkeit der Produkte und somit auch keine Zugehörigkeit zur gleichen Produktgruppe gegeben wären. Die Händler müssten in ihren Verkaufsstellen demzufolge umgekehrt auf die Annahme und eine notwendige Verarbeitung von Bargeld verzichten und allein die Zahlung mit Zahlungskarten vorsehen können. Es ist zumindest heute noch nicht ersichtlich, dass hiervon in der Praxis von den Händlern in einem nennenswerten Umfang Gebrauch gemacht wird bzw. Gebrauch gemacht werden könnte. Auch hierzu tragen die Beschwerdeführerinnen keinerlei sachliche Erwägungen vor, mit denen ein anderes Ergebnis begründet werden könnte.

307.  Die gleiche Einschätzung gilt im Ergebnis auch für die sonstigen Zahlungsmittel. Es ist z.B. ohne Weiteres ersichtlich, dass sich in der Praxis Kreditkartenzahlungen regelmässig nicht einfach durch Banküberweisungen oder Zahlungen per Check ersetzen lassen. So nimmt ein Händler üblicherweise keinen Check als Zahlungsmittel im Verkauf gegenüber Endkunden an. Auch Kreditkartenzahlungen von ausländischen Kunden gegenüber inländischen Händlern lassen sich bei Endkundengeschäften vor Ort im Inland regelmässig nicht durch nachträgliche Banküberweisungen aus dem Ausland ersetzen.

308.  Vor diesem Hintergrund der bestehenden Praxis bedarf es unter Berücksichtigung der allgemeinen Aspekte zu modellhaften Verhaltensanalysen (vgl. E. 270) auch keiner zusätzlichen Marktuntersuchungen durch einen SSNIP-Test, wie dies von den Beschwerdeführerinnen gefordert wird (vgl. E. 242).

309.  Im Übrigen hat bereits die Europäische Kommission dargelegt, dass die Durchführung eines SSNIP-Tests zur Beurteilung der Substituierbarkeit im Markt der Kreditkartenakzeptanz aus verschiedenen Gründen nicht geeignet sei (vgl. EU-Kom, COMP/34.579, Mastercard, Ziff. 286 f.). Da die Marktkonzentration im Geschäftsbereich der Kreditkartenakzeptanz hoch sei und die Preise für die entsprechenden Dienstleistungen massgeblich durch gemeinsam festgesetzte Interbankenentgelte bestimmt würden, könnten möglicherweise bereits Preise angewendet werden, die über dem Wettbewerbsniveau liegen würden. Daher sei die Gefahr gross, dass bei einer Händlerbefragung fehlerhafte Feststellungen getroffen werden könnten, weil die Substituierbarkeit weiter gefasst werde als unter strengen Wettbewerbsbedingungen. Diese Einschätzung ist aufgrund der gleichen strukturellen Gegebenheiten auch für den schweizerischen Markt zutreffend.

310.  Wie vorstehend dargelegt wurde (vgl. E. 253), ergibt sich die Austauschbarkeit der Produkte eines sachlich relevanten Markts, weil diese aus der Sicht eines üblichen Nachfragers aufgrund ihrer Eigenschaften, ihrer Preise und des vorgesehenen Verwendungszwecks als gleichwertig angesehen werden. Massgebend ist hierbei, welche Produkte einen Bedarf an bestimmten Leistungen in akzeptabler Weise zufriedenstellend erfüllen. Für eine zufriedenstellende Erfüllung ist es dabei einerseits nicht erforderlich, dass die Leistung in identischer Weise erbracht wird, andererseits ist eine bloss teilweise Austauschbarkeit nicht ausreichend. Grundlage einer entsprechenden Abgrenzung ist vielmehr eine wertende Beurteilung aller relevanten Aspekte, die im Einzelfall für oder gegen die Zusammenfassung bestimmter Produkte als eigenständige Produktgruppe sprechen (vgl. E. 252).

311.  Vorliegend wurde im Rahmen der jeweiligen Beurteilungen des Einzelfalls in den bisherigen Marktuntersuchungen festgestellt, dass die Kredit- und Debitkarten der diversen Kartenlizenzgeber aufgrund verschiedener Aspekte für den Geschäftsbereich der Kreditkartenakzeptanz nicht austauschbar sind und daher keine Substitute, sondern Komplementärprodukte darstellen und die Austauschbarkeit allenfalls bei sehr ähnlichen Produkt- und Systemeigenschaften angenommen werden kann. Diese konkrete Beurteilung eines Einzelfalls lässt sich nicht generalisieren und verbindlich auf alle möglichen Produktgruppen bei anderen Sachverhalten übertragen. Der pauschale Einwand der Beschwerdefüherinnen (vgl. E. 243), wonach diese Qualifizierung dazu führe, dass prinzipiell nur Produkte mit identischen Preisen und Qualitäten dem gleichen sachlichen Markt zugeordnet werden könnten, ist demzufolge unzutreffend.

312.  Die Behauptungen der Beschwerdeführerinnen widersprechen auch den Aussagen der SIX-Gruppe gegenüber den Händlern, mit denen gerade die Komplemantarität, nicht aber die Substitutierbarkeit von Zahlungskarten festgestellt wird: "Mit der Kartenakzeptanz von SIX Payment Services profitieren Sie davon, dass Ihre Kunden mit den lokal und weltweit gängigen Debitkarten und Kreditkarten bezahlen können, sei es am Zahlterminal in Ihrem Geschäft oder in Ihrem Web-Shop. Je mehr Karten Sie akzeptieren, desto grösser ist für Sie die Aussicht auf Umsatzsteigerung und auch auf Spontankäufe" (Homepage SIX Payment Services, https://www.six-payment-services.com/de/shared/offering/products/debit-credit-cards.html, zuletzt abgerufen am 11.9.2017). Demzufolge sind diese Vorbringen der Beschwerdeführerinnen bereits aufgrund ihrer eigenen sonstigen Aussagen zum Akezeptanzgeschäft unzutreffend und ein daraus folgender Schluss widersprüchlich.

313.  Der Verweis der Beschwerdeführerinnen (vgl. E. 245) auf eine "angeblich bestehende Absicht" eines dritten Unternehmens in Bezug auf die Vornahme bestimmter Massnahmen zur Untermauerung der vorgebrachten eigenen Rechtsposition stellt kein taugliches Beweismittel dar und ist daher unbeachtlich.

(e)          Zwischenergebnis

314.  Für die Ermittlung der Marktstellung der SIX-Gruppe sind als sachlich relevante Märkte im Geschäftsbereich der Zahlungskartenakzeptanz zum einen ein einheitlicher oder gegebenenfalls ein getrennter Markt der Kreditkartenakzeptanz der Kartenlizenzgeber Mastercard und Visa sowie zum anderen ein Markt der Debitkartenakzeptanz des Kartenlizenzgebers Maestro abzugrenzen.

b)            Räumlich relevanter Markt

315.  Die Vorinstanz nimmt eine räumliche Eingrenzung der von ihr ermittelten sachlich relevanten Märkte auf das Staatsgebiet der Schweizerischen Eidgenossenschaft vor.

(1)          Vorbringen der Beschwerdeführerinnen

316.  Die Beschwerdeführerinnen machen geltend, es würde jegliche nachvollziehbare Begründung für die Abgrenzung des räumlich relevanten Markts fehlen.

317.  Es bestünden keine nennenswerten Barrieren, insbesondere keine rechtlichen Hindernisse für Vertragsabschlüsse zwischen inländischen Händlern und ausländischen Kartenakquisiteuren. Derartige Vertragsbeziehungen würden somit eine valable Ausweichmöglichkeit darstellen, um eine disziplinierende Wirkung auf die schweizerischen Kartenakquisiteure auszuüben. Eine räumliche Beschränkung auf schweizerische Kartenakquisiteure unter Ausserachtlassung insbesondere von Konkurrenten mit Sitz in der Europäischen Union sei daher sachlich nicht gerechtfertigt.

(2)          Vorbringen der Vorinstanz

318.  Die Vorinstanz stützt ihre räumliche Marktabgrenzung auf die Untersuchung im Verfahren Kreditkarten-Interchange Fee (vgl. E. 280) ab, wonach ein nationaler Markt der Kreditkartenakzeptanz abzugrenzen sei. Diese Einschätzung für Kreditkarten könne in analoger Weise auch auf die Debitkarten übertragen werden. Diese Qualifizierung entspreche auch der Wettbewerbspraxis der Europäischen Union.

319.  Die in diesen Verfahren gewonnenen Ergebnisse könnten auf den vorliegenden Fall angewendet werden, weil die Gründe für diese Praxis weiterhin Geltung beanspruchen würden.

(3)          Würdigung durch das Gericht

(a)          Ausgangslage

320.  Der räumlich relevante Markt umfasst das geographische Gebiet, innerhalb dessen die wechselseitig substituierbaren Produkte der sachlich relevanten Produktgruppe von den jeweiligen Wettbewerbern unter hinreichend gleichwertigen Wettbewerbsbedingungen abgesetzt werden (vgl. BVGer, B-7633/2009, ADSL II, E. 302; im Ergebnis so bereits BGE 139 I 72, Publigroupe, E. 9.2.1; BVGer, B-506/2010, Gaba, E. 9.2; BVGer, B-2050/2007, Terminierung Mobilfunk, E. 9.6; Weko, RPW 2007/2, 190, Publigroupe, Ziff. 121; Weko, RPW 2008/1, 129, Migros/Denner, Ziff. 235 ff.; Weko, RPW 2005/1, 146, CoopForte; Ziff. 46; Clerc/Këllezi, CR-Concurrence, Art. 4 II Rn. 797 ff.; David/Jacobs, WBR, Rn. 693; Reinert/ Bloch, BSK-KG, Art. 4 Abs. 2 Rn. 218 ff.; Stäuble/Schraner, Dike-KG, Art. 4 Abs. 2 Rn. 93 f.; Stoffel Walter A., Wettbewerbsabreden, in: Roland von Büren/Lucas David [Hrsg.], Schweizerisches Immaterialgüter- und Wettbewerbsrecht, Bd. V/2, Kartellrecht, 2000, zit. SIWR-Wettbewerbsabreden, 90; Weber/Volz, FHB-WBR, Rn. 2.43 ff.; Zäch Roger/Heizmann Reto A., Markt und Marktmacht, in: Geiser/Münch [Hrsg.], Handbücher für die Anwaltspraxis, Schweizerisches und Europäisches Wettbewerbsrecht, 2005, Rn. 2.11). Massgebend für die Qualifizierung einer Gleichwertigkeit der Wettbewerbsbedingungen ist eine wertende Beurteilung aller relevanten Aspekte, die im Einzelfall für oder gegen eine Unterscheidung von bestimmten geographischen Bereichen sprechen. Im Rahmen einer derartigen Gesamtanalyse kommt keinem der prinzipiell zu berücksichtigenden Aspekte ein absoluter Vorrang aufgrund allgemeiner Überlegungen zu (vgl. BVGer, B-7633/2009, ADSL II, E. 302).

321.  Grundlage für eine entsprechende Beurteilung sind im Einzelfall funktionelle Sachaspekte in Bezug auf das wirtschaftliche Verhalten von Nachfragern und Anbietern der Produkte, welche geographische Auswirkungen nach sich ziehen, wie dies prinzipiell in Art. 11 Abs. 3 VKU vorgesehen ist. Massgebend für die Abgrenzung des räumlich relevanten Markts ist dabei, ob in einem bestimmten geographischen Gebiet spürbar unterschiedliche Wettbewerbsbedingungen gegenüber denjenigen in den angrenzenden Gebieten vorzufinden sind. Der räumlich relevante Markt kann dadurch im Einzelfall lokal, regional, national, international oder weltweit abzugrenzen sein (vgl. BVGer, B-7633/2009, ADSL II, E. 303; Borer, KG, Art. 5 Rn. 15; Stäuble/Schraner, Dike-KG, Art. 4 Abs. 2 Rn. 98 m.w.H.; Weber/Volz, FHB-WBR, Rn. 2.45).

322.  Sachaspekte, die geographische Auswirkungen aufweisen und demzufolge im Regelfall zu berücksichtigen sind, stellen insbesondere folgende Umstände dar (vgl. Stäuble/Schraner, Dike-KG, Art. 4 Abs. 2 Rn. 98, 106 mit einer Auflistung von Detailaspekten): (i) Allgemeine Rahmenbedingungen wie Rechtsvorschriften, Industrie- und Branchenstandards sowie Handelsmodalitäten, die für den Zugang zu den jeweiligen Gebieten sowie den Absatz der Produkte oder den Wirtschafts- und Rechtsverkehr zu beachten sind (vgl. BVGer, B-7633/2009, ADSL II, E. 304; Reinert/Bloch, BSK-KG, Art. 4 Abs. 2 Rn. 231 ff.); (ii) allgemeine Gesellschaftsaspekte wie Sprachen, Sitten und Gebräuche sowie sonstige kulturelle Eigenheiten, bekannte Präferenzen und übliche Verhaltensmuster der Nachfrager oder Anbieter (vgl. BVGer, B-7633/2009, ADSL II, E. 304; Weko, 20.8.2007, RPW 2007/4, 605, Tamedia AG/Espace Media Groupe, Ziff. 70 f.; Reinert/Bloch, BSK-KG, Art. 4 Abs. 2 Rn. 241 f.; Zäch, Kartellrecht, Rn. 553); (iii) konkret-objektive Aspekte des Produktabsatzes wie Transportdauer, Transportkosten und sonstige Umstände der Belieferung bzw. Abholung (vgl. BVGer, B-7633/2009, ADSL II, E. 304; Reinert/Bloch, BSK-KG, Art. 4 Abs. 2 Rn. 224; Stoffel, SIWR-Wettbewerbsabreden, 91; Zäch, Kartellrecht, Rn. 553); (iv) konkret-subjektive Aspekte des Produktabsatzes wie insbesondere die Ausgestaltung der Produkte, Preise und Geschäftsbedingungen durch das potenziell marktbeherrschende Unternehmen und seine Wettbewerber sowie allenfalls sich daraus ergebende Preisunterschiede, Preis- und sonstige Korrelationen (vgl. BVGer, B-7633/2009, ADSL II, E. 304; Reinert/ Bloch, BSK-KG, Art. 4 Abs. 2 Rn. 252 ff.); (v) Auswirkungen des in Frage stehenden Verhaltens eines potenziell marktbeherrschenden Unternehmens (vgl. BVGer, B-7633/2009, ADSL II, E. 304).

(b)          Vorgängige Verfahren

323.  Auch im Hinblick auf eine räumliche Marktabgrenzung liegen die Ergebnisse aus den im Rahmen der sachlichen Marktabgrenzung genannten Verfahren sowohl in der Schweiz als auch in der Europäischen Union vor.

324.  Im Verfahren Kreditkarten-Akzeptanzgeschäft (vgl. E. 277) wurde aufgrund einer Händlerbefragung festgestellt, dass mit Ausnahme von dreizehn international tätigen Unternehmen, von denen wiederum zehn Unternehmen als Gruppengesellschaften von multinationalen Konzernen zu bezeichnen waren, keine grenzüberschreitenden Geschäftsbeziehungen zwischen schweizerischen Händlern und ausländischen Kartenakquisiteuren bestanden. Als räumlich relevanter Markt des Kreditkartenakzeptanzgeschäfts wurde demzufolge das Staatsgebiet der Schweiz qualifiziert (Sekretariat, RPW 2003/1, 601, Ziff. 152 f.). Die Reko/Wef nahm in ihrem Entscheid Kreditkarten-Akzeptanzgeschäft (vgl. E. 279) eine grundsätzliche Bestätigung der räumlichen Marktabgrenzung vor mit dem Vorbehalt, dass die Auswirkungen des Wegfalls der Gebietsklauseln in den Lizenzverträgen der Kartenakquisiteure allenfalls zu berücksichtigen seien (Reko/Wef, RPW 2005/3, 530, Ziff. 7.7).

325.  Im Verfahren Kreditkarten-Interchange Fee (vgl. E. 280) wurde die vorstehende räumliche Marktabgrenzung für das Kreditkartenakzeptanzgeschäft auf das Staatsgebiet der Schweiz auch unter Berücksichtigung des Wegfalls der Gebietsklausel in den Lizenzverträgen der Kartenakquisiteure durch die Vorinstanz bestätigt (Weko, RPW, 2006/1, 65, Kreditkarten-Interchange Fee, Ziff. 194 f.). Eine allgemeine aktive Anwerbung von Händlern in der Schweiz ging nur von vier Kartenakquisiteuren aus: den schweizerischen Unternehmen Multipay und Cornèr Banca sowie den deutschen Unternehmen B&S und Concardis. Die übrigen in der Schweiz tätigen ausländischen Kartenakquisiteure beschränkten sich auf die Erbringung ihrer Dienstleistungen gegenüber wenigen schweizerischen Gruppengesellschaften von multinationalen Konzernen; eine allgemeine aktive Anwerbung von Händlern in der Schweiz wurde hingegen nicht vorgenommen. Obschon eine grenzüberschreitende Tätigkeit der Kartenakquisiteure denkbar gewesen wäre, wurde gestützt auf die tatsächliche Ausübung der Tätigkeit und nicht auf den Sitz des jeweiligen Kartenakquisiteurs eine nationale Abgrenzung vorgenommen (Weko, RPW 2006/1, 65, Kreditkarten-Interchange Fee, Ziff. 199, 200).  

326.  Diese Feststellungen entsprechen der Wettbewerbspraxis in der Europäischen Union, die insbesondere durch die vorstehend aufgeführten Verfahren Visa I und Visa II (vgl. E. 283) sowie Mastercard (vgl. E. 285) entwickelt wurde. Eine nationale räumliche Marktabgrenzung ergebe sich aufgrund der Heterogenität des Geschäftsbereichs der Kreditkartenakzeptanz und den dabei auftretenden deutlichen Preisunterschieden in den einzelnen EU-Mitgliedstaaten sowie dem Umstand, dass grenzüberschreitende Akzeptanzgeschäfte tatsächlich kaum getätigt würden (vgl. EU-Kom, COMP/34.5.579, Mastercard, Ziff. 322 f.).

327.  Im Verfahren DMIF Maestro (vgl. E. 287) wurde eine nationale räumliche Marktabgrenzung für die Debitkartenakzeptanz des Kartenlizenzgebers Mastercard entsprechend der Marktabgrenzung bei der Kreditkartenakzeptanz vorgenommen (Sekretariat, RPW 2006/4, 601, Ziff. 154).

328.  Diese nationale räumliche Marktabgrenzung wurde im Verfahren DMIF V Pay (vgl. E. 291) unter Verweis auf die Untersuchungen in den genannten vorgängigen Verfahren angesichts unveränderter tatsächlicher Verhältnisse nochmals für die Debitkartenakzeptanz der Kartenlizenzgeber Mastercard und Visa bestätigt (Sekretariat, RPW 2009/2, 133, Ziff. 110 f., 115).

(c)           Sachverhalt

329.  Im Hinblick auf die vorstehend dargestellte Praxis der räumlichen Marktabgrenzung im Geschäftsbereich der Zahlungskartenakzeptanz bestehen keine Anhaltspunkte, dass die Ergebnisse der bisherigen Marktuntersuchungen einer inhaltlichen Abänderung bedürfen.

330.  Angesichts der vorstehend aufgeführten Verfahren liegen zum einen ausreichende Erhebungen zur räumlichen Marktabgrenzung von Zahlungskartensystemen unter Berücksichtigung von Kredit- und Debitkarten für den relevanten Zeitraum vor. Eine Durchsicht der veröffentlichten Begründungen dieser Entscheide lässt nicht erkennen, dass im Rahmen der jeweiligen Verfahren beachtenswerte inhaltliche Fehler zu einer unrichtigen Beurteilung der Marktabgrenzung geführt hätten.

331.  Zum anderen sind die bereits im Rahmen der sachlichen Marktabgrenzung angeführten Aspekte mit Bezug auf den ep2-Standard in der Schweiz zu berücksichtigen.

332.  Wenn die Wirtschaftsteilnehmer, die in der Schweiz im Bereich des elektronischen Zahlungsverfahrens mit Zahlungskarten tätig sind, mit dem ep2-Standard eine zusätzliche Normierung gegenüber dem üblichen international massgeblichen Standard herstellen, um eine gegenüber dem Ausland qualitativ hochwertigere Abwicklung der Zahlungstransaktionen innerhalb der Schweiz sicherzustellen, dann wird ein Händler in der Regel auch nur eine Geschäftsbeziehung mit einem Kartenakquisiteur eingehen, dessen Transaktionsplattform diesen ep2-Standard aufweist. Ansonsten müsste er befürchten, dass sich für ihn aufgrund von vermehrt auftretenden technischen Schwierigkeiten daraus Reputationsprobleme mit Kunden sowie ein erhöhter Aufwand ergeben könnten. Aus der Sicht des Händlers als Nachfrager kommt demzufolge bereits aus funktionalen Gründen nur ein Kartenakquisiteur mit einer Transaktionsplattform in Betracht, die mit dem ep2-Standard ausgerüstet ist. Als relevant sind daher nur solche Kartenakquisiteure zu qualifizieren, deren Transaktionsplattform mit dem ep2-Standard ausgerüstet ist.

333.  Es ist nicht davon auszugehen, dass Kartenakquisiteure, die nicht in der Schweiz allgemein tätig sind, ihre Verarbeitungsplattformen mit dem ep2-Standard ausrüsten. Denn die Einrichtung des ep2-Standards ist mit einem zusätzlichen Aufwand verbunden, der nur dann sinnvoll ist, wenn auch eine entsprechende allgemeine Geschäftstätigkeit ausgeübt wird. Demgegenüber haben die Beschwerdeführerinnen weder behauptet noch dargelegt, dass im relevanten Zeitraum (i) die von der Vorinstanz aufgeführten Kartenakquisiteure, die in der Schweiz tätig seien, nicht über den ep2-Standard verfügt hätten, oder (ii) sonstige ausländische Kartenakquisiteure in nennenswertem Umfang in der Schweiz tätig gewesen seien, ohne dass ihre Transaktionsplattformen den ep2-Standard aufgewiesen hätten.

334.  Der räumlich relevante Markt für die Zahlungskartenakzeptanz ist demnach national abzugrenzen.

335.  Zum massgeblichen Zeitpunkt waren in der Schweiz nach der unstrittigen Feststellung der Vorinstanz die beiden nationalen Kartenakquisiteure Aduno und Multipay sowie die beiden deutschen Kartenakquisiteure B&S und Concardis tätig. Daher ist ein nationaler Markt mit diesen Unternehmen abzugrenzen.

336.  Demgegenüber tragen die Beschwerdeführerinnen weder konkret begründete Argumentationen für beachtenswerte Abweichungen des Sachverhalts oder den Eintritt von veränderten tatsächlichen Umständen vor noch vermögen ihre Vorbringen als neue entscheidungsrelevante Überlegungen die bisherigen Feststellungen zum räumlich relevanten Markt in den genannten Verfahren in Frage zu stellen.

337.  Die Behauptung der Beschwerdeführerinnen, wonach ausländische Kartenakquisiteure in den räumlichen Markt einzubeziehen wären, weil die Händler ohne Weiteres auch eine Geschäftsbeziehung mit diesen eingehen könnten, stellt lediglich eine Hypothese dar, welche die vorgenannten Aspekte, die für eine nationale Marktabgrenzung sprechen, sachlich nicht beeinträchtigen kann, weshalb sie nicht zu berücksichtigen ist.

c)             Zeitlich relevanter Markt

338.  Der zeitlich relevante Markt umfasst den Zeitraum, in welchem die Marktgegenseite die substituierbaren Produkte in dem massgeblichen geographischen Gebiet nachfragt oder anbietet (vgl. BVGer, B-7633/2009, ADSL II, E. 307; BVGer, B-3618/2013, Hallenstadion, E. 165 f.; Weko, 17.12.2001, RPW 2002/1, 130, Submission Betonsanierung am Hauptgebäude der Schweizerischen Landesbibliothek [SLB], Betonsan AG u.a., Ziff. 27; Borer, KG, Art. 5 Rn. 16; Clerc/Këllezi, CR-Concurrence, Art. 4 II Rn. 107 ff.; David/Jacobs, WBR, Rn. 695; Stäuble/Schraner, Dike-KG, Art. 4 Abs. 2 Rn. 116; Weber/Volz, FHB-WBR, Rn. 2.49; a.M. Reinert/Bloch, BSK-KG, Art. 4 Abs. 2 Rn. 257, welche den zeitlichen Aspekt zum sachlich relevanten Markt zählen; zur wechselnden Praxis der Weko vgl. Weber/Volz, FHB-WBR, Rn. 2.51). Der zeitliche Aspekt der Marktabgrenzung erlangt immer dann Bedeutung, wenn Nachfrage oder Angebot jeweils lediglich während bestimmter Zeitspannen gegeben sind. Massgebend für die Qualifizierung, ob ein unterschiedliches Mass von Nachfrage oder Angebot vorhanden ist, bildet eine wertende Beurteilung aller relevanten Aspekte, die im Einzelfall für oder gegen eine Unterscheidung von bestimmten zeitlichen Bereichen sprechen. Im Rahmen einer derartigen Gesamtanalyse kommt keinem der prinzipiell zu berücksichtigenden Aspekte ein absoluter Vorrang aufgrund allgemeiner Überlegungen zu (vgl. BVGer, B-7633/2009, ADSL II, E. 302).

339.  Im vorliegenden Fall kommt dem zeitlich relevanten Markt keine Bedeutung zu, weil die vorstehend abgegrenzten sachlich und räumlich relevanten Märkte keine zeitlich unterschiedlichen Aspekte aufweisen, weshalb eine temporäre Strukturierung nicht erfoderlich ist. Von den Parteien werden auch keine entsprechenden Behauptungen aufgestellt.

d)            Zwischenergebnis

340.  Aufgrund der vorstehenden Feststellungen sind für die Ermittlung der Marktstellung der SIX-Gruppe im Geschäftsbereich der Zahlungskartenakzeptanz jedenfalls ein Markt der Kreditkartenakzeptanz der Kartenlizenzgeber Mastercard und Visa sowie ein Markt der Debitkartenakzeptanz des Kartenlizenzgebers Maestro während des relevanten Zeitraums zu Grunde zu legen.

2)             Zahlungskartenterminals

341.  Die Marktabgrenzung im Bereich der Zahlungskartenterminals ist zwischen den Parteien umstritten. Die Vorinstanz hat den Markt für ep2-Terminals in der Schweiz als relevanten Markt abgegrenzt. Die Beschwerdeführer bestreiten diese Marktabgrenzung und qualifizieren demgegenüber den weltweiten Markt aller EMV-Terminals als relevanten Markt.

a)             Sachlich relevanter Markt

(1)          Vorbringen der Beschwerdeführerinnen

342.  Die Beschwerdeführerinnen machen geltend, dass der sachlich relevante Markt nicht nur Zahlungskartenterminals mit ep2-Standard, sondern alle EMV-Zahlungskartenterminals umfasse.

343.  Zunächst weisen die Beschwerdeführerinnen darauf hin, dass die Terminalhersteller nicht identisch seien mit den originären Terminalproduzenten. Vielmehr würden auch blosse Wiederverkäufer erfasst werden, welche die von Drittunternehmen hergestellten Zahlungskartenterminals im Markt absetzen würden.

344.  Die Terminal-Hardware der Terminalhersteller würde eine internationale EMV-Zertifizierung benötigen und könnte nach erfolgter Zertifizierung überall auf der Welt eingesetzt werden.

345.  Die auf dem internationalen Markt beschafften Zahlungskartenterminals würden dann durch die Terminalhersteller individuell an ihre eigenen und die nationalen Bedürfnisse der Händler, hier der Schweizer Händler, angepasst. Anpassung bedeute in diesem Zusammenhang im Wesentlichen eine Ausrüstung gemäss ep2-Standard sowie eine Zertifizierung der ep2-Ausstattung der Zahlungskartenterminals.

346.  Die Ausrüstung der Zahlungskartenterminals mit dem ep2-Standard bestehe im Wesentlichen aus der Aufspielung der entsprechenden Software. Da es sich hierbei um keine Anpassung des Geräts, sondern nur um eine zusätzliche Software handle, sei hierfür kein grosser Aufwand erforderlich. Bei der Zertifizierung der mit dem ep2-Standard ausgerüsteten Zahlungskartenterminals werde nicht das Gerät als Ganzes, sondern nur die Software zertifiziert. Auch hierfür sei kein grosser Aufwand erforderlich. Die Anpassung von EMV-Terminals könne daher jederzeit und ohne Weiteres angepasst werden, sodass jeder EMV-Terminaltyp bei genügend Speicherkapazität und Rechenleistung auch als ep2-Terminal funktionieren könne.

347.  Zahlungskartenterminals könnten demzufolge jederzeit durch ein simples Software-Update mit einzelnen technischen Spezifikationen an die jeweiligen nationalen Voraussetzungen angepasst werden. Folglich bestehe kein Anlass dazu, den sachlich relevanten Markt künstlich einzuschränken. Vielmehr müsse von einem Gesamtmarkt sämtlicher EMV-Zahlungskartenterminals ausgegangen werden, welche für die Verwendung in der Schweiz eingesetzt werden könnten.

348.  Es fänden sich in der angefochtenen Verfügung auch keine Sachverhaltserhebungen mit Bezug auf die Frage, ob die ep2-Zertifizierung für die internationalen Hersteller und Verkäufer von Zahlungskartenterminals effektiv eine Marktbarriere darstelle. Vielmehr lasse sich dem Sachverhalt entnehmen, dass praktisch alle auch international aktiven Terminalhersteller entsprechende Zahlungskartenterminals in der Schweiz anbieten würden.

349.  Im Übrigen weise die Vorinstanz darauf hin, dass praktisch alle Terminalhersteller der Ansicht seien, dass sich "die Marktzutrittsschranken gegenüber dem früheren Zustand mit proprietären Systemen stark verringert haben" und sich "aufgrund der Öffnung der Systeme neue technische und kommerzielle Möglichkeiten ergeben" würden. So stelle die Vorinstanz fest, dass seit dem Jahr 2002 diverse Markteintritte aus dem Ausland stattgefunden hätten und "im Vergleich zur Zeit vor ep2 tiefere Markteintrittsbarrieren" bestünden.

350.  Dieses Ergebnis ergäbe sich auch aus der Vorabklärung in Sachen Terminaux de payments (vgl. E. 353), auf welche die Vorinstanz ausdrücklich Bezug nehme. Darin werde festgestellt, dass eine Unterscheidung zwischen verschiedenen Funktionalitäten bzw. Varianten von Zahlungskartenterminals aufgrund der Angebotssubstituierbarkeit nicht vorgenommen werden müsse bzw. könne. Diese Angebotssubstituierbarkeit werde von ihr dabei definiert als die "Möglichkeit der Terminalanbieter, ohne grossen Aufwand die unterschiedlichen Geräte auf den Markt zu bringen". Demnach könne es keine Rolle spielen, welche spezifischen Funktionalitäten durch die einzelnen Händler nachgefragt würden, sofern die gleiche Gruppe der Terminalhersteller die entsprechende Nachfrage ohne grossen Aufwand abdecken könnten. Hieran sei die Vorinstanz zu behaften. Die Aufspielung der notwendigen Software für die Ausstattung der Zahlungskartenterminals mit dem ep2-Standard erfordere keinen grösseren Aufwand, weshalb diese Massnahme einer Aufspielung von anderen Varianten mit verschiedenen Funktionalitäten entspreche.

(2)          Vorbringen der Vorinstanz

351.  Die Vorinstanz stützt ihre Marktabgrenzung auf die Vorabklärung in Sachen Terminaux de payments (vgl. E. 353) sowie der Existenz des ep2-Standards in der Schweiz.

(3)          Würdigung durch das Gericht

352.  Für die allgemeinen Aspekte einer Abgrenzung des sachlich relevanten Markts ist auf die vorstehenden Ausführungen zum Markt der Zahlungskartenakzeptanz zu verweisen (vgl. E. 252 f., 259 f.).

(a)          Vorgängige Verfahren

353.  Im Rahmen der Vorabklärung Terminaux de payments (Sekretariat, 18.12.2000, RPW 2001/1, 59) wurde angenommen, dass ein einheitlicher Markt für (flexible) Zahlungskartenterminals, die sowohl Kreditkarten- als auch Debitkartentransaktionen verarbeiten können, bestehe. Hingegen wurden von diesem Markt Zahlungskartenterminals, die entweder nur Kreditkartentransaktionen oder nur Debitkartentransaktionen verarbeiten konnten, ausgegrenzt. Innerhalb dieses Markts der (flexiblen) Zahlungskartenterminals wurde keine weitere Unterscheidung der Zahlungskartenterminals nach Ausstattung und Funktionalitäten vorgenommen. Begründet wurde dies mit dem einfachen Hinweis auf die Angebotssubstituierbarkeit, weil es den Herstellern möglich wäre, Geräte mit verschiedenen Optionen auf den Markt zu bringen (Sekretariat, Terminaux de payments, RPW 2001/1, 59 Ziff. 21, "[...] à savoir qu'il est possible pour les producteurs de mettre sur le marché les appareils avec les différentes options").

(b)          Sachverhalt 

354.  Die in der Schweiz im Bereich des Zahlungskartenverkehrs tätigen Unternehmen haben über den Branchenverband TeCo Ep2 mit dem nationalen ep2-Standard eine Anpassung des internationalen EMV-Standards vorgenommen, um die Kompatibilität zwischen allen Verarbeitungsplattformen der Kartenakquisiteure und allen in der Schweiz vertriebenen Zahlungskartenterminals sicherzustellen (vgl. SV F.d, F.e). Der ep2-Standard war bereits deutlich vor dem relevanten Zeitraum im Jahre 2003 eingeführt worden. Die im relevanten Zeitraum in der Schweiz durch die Terminalhersteller angebotenen Zahlungskartenterminals waren nach den Feststellungen der Vorinstanz mit dem ep2-Standard ausgerüstet. Gegenteiliges wird auch nicht von den Beschwerdeführerinnen behauptet. Dieser nationale ep2-Standard und die damit einhergehende Kompatibilität in der Schweiz wurden und werden bis heute im Rahmen der Bewerbung des Zahlungskartenverkehrs hervorgehoben (vgl. www.aduno. ch/service-support/glossar-links/glossar/ep2 und www.six-payment-servi ces.com/de/shared/newsletter/landingpages-campaigns/ ms-newsletter-nov-2016/bargeldlos-bezahlen.html; jeweils zuletzt abgerufen am 11.9.2017).

355.  Die Einführung und der Bestand eines nationalen Branchenstandards führen dabei nicht nur zu einer räumlichen Abgrenzung (vgl. E. 371), sondern weisen aufgrund der Vereinheitlichung von technischen, organisatorischen oder sonstigen Aspekten auch eine sachliche Komponente auf, die im Rahmen der sachlichen Abgrenzung des Markts zu berücksichtigen ist, weil sich nunmehr gegebenenfalls Produkte mit entsprechender Ausstattung und Produkte ohne entsprechende Ausstattung gegenüberstehen.

356.  Mit der Einführung eines nationalen Branchenstandards zur Netzwerkkompatibilität ergibt sich für Geräte mit einer entsprechenden Ausstattung zwangsläufig ein beachtlicher Vorteil. Denn die Nachfrager erhalten dadurch eine Gewährleistung für die Kompatibilität im individuellen Einsatz der jeweiligen Geräte. Inwieweit diesem Vorteil auch Nachteile im Vergleich zu Geräten ohne entsprechende Ausstattung gegenüberstehen - insbesondere ein höherer Preis -, ist jeweils für den Einzelfall zu prüfen. Vorliegend bestehen keine Anhaltspunkte, dass die ep2-Terminals bestimmte Nachteile gegenüber den EMV-Terminals aufgewiesen hätten. Von der Vorinstanz wurden diesbezüglich keine Feststellungen getroffen und die Beschwerdeführerinnen tragen keine gegenteiligen Argumente vor.

357.  Ein üblicher Händler, der keine fachspezifischen Kenntnisse im Bereich der Technik von Zahlungskartenterminals und der Übertragung von Daten im Rahmen von Kartenzahlungstransaktionen aufweist, konnte somit in keiner Weise abschätzen, ob ein blosses EMV-Terminal ohne ep2-Ausstattung dennoch im Verbund mit Verarbeitungsplattformen mit ep2-Standard hätte eingesetzt werden können und in welchem Verhältnis die Nachteile von allfällig auftretenden Problemen zu den allfälligen Vorteilen des Bezugs eines EMV-Terminals gestanden hätten. Angesichts der Statuierung und der öffentlichen Bekanntmachung eines nationalen Branchenstandards konnte ein Händler jedenfalls nicht davon ausgehen, dass der Einsatz eines EMV-Terminals ohne Auftreten von gewissen Schwierigkeiten möglich gewesen wäre. Demgegeüber ist die von den Beschwerdeführerinnen erhobene Behauptung, wonach die EMV-Terminals ohne Weiteres international und damit auch in der Schweiz einsetzbar seien (vgl. E. 344), unerheblich, weil nicht die tatsächlichen Einsatzmöglichkeiten aus Sicht eines Fachmanns mit entsprechenden Fachkenntnissen, sondern die Einsatzmöglichkeiten aus Sicht des üblichen Nachfragers massgebend sind. Da alle relevanten Terminalhersteller mit ihren Produkten in der Schweiz tätig waren, bestand auch kein Bedürfnis, gewisse Zahlungskartenterminals von nicht in der Schweiz tätigen Terminalhersteller einzusetzen.

358.  Angesichts dieser Sachlage war es für einen Händler als Nachfrager der Zahlungskartenterminals daher notwendig, dass in seiner Verkaufsstelle ein ep2-Terminal zum Einsatz gelangt. Umgekehrt bestand für einen Händler im relevanten Zeitraum keine Veranlassung mehr für den Bezug eines EMV-Terminals.

359.  Diese Einschätzung wird auch dadurch bestätigt, dass keinerlei Anhaltspunkte dafür bestehen, wonach die Händler nach Einführung des ep2-Standards in der Schweiz im relevanten Zeitraum in einem nennenswerten Umfang noch EMV-Terminals nachgefragt hätten. Die Beschwerdeführerinnen tragen auch keine entsprechenden Argumente vor.

360.  Demzufolge ist davon auszugehen, dass der sachlich relevante Markt lediglich die ep2-Terminals, d.h. Zahlungskartenterminals, die mit dem nationalen Standard ep2 ausgestattet waren, umfasste, während die EMV-Terminals, welche nur mit dem internationalen Standard EMV ausgestattet waren, nicht zum sachlich relevanten Markt zu zählen sind.

361.  Entgegen dem Einwand der Beschwerdeführerinnen (vgl. E. 346 f.) ist die Angebotssubstituierbarkeit vorliegend für die Abgrenzung des sachlich relevanten Markts im Bereich der Zahlungskartenterminals aus mehreren Gründen unbeachtlich.

362.  Grundsätzlich ist die Angebotssubstituierbarkeit im Rahmen der Abgrenzung des relevanten Markts bei der Beurteilung eines marktmissbräuchlichen Verhaltens gemäss Art. 7 KG nicht zu berücksichtigen (vgl. E. 255 f.). Dieser Grundsatz wird durch den vorliegenden Sachverhalt bestätigt. Zudem liegt keine Sachverhaltskonstellation vor, die eine Ausnahme von diesem Grundsatz rechtfertigen würde. Da im relevanten Zeitraum keine weiteren Zahlungskartenterminals mit ep2-Standard von anderen Terminalherstellern zur Verfügung standen, hatten die Händler faktisch auch keine Wahlmöglichkeit, andere als die bereits vorhandenen ep2-Terminals im Rahmen ihrer Erwerbsentscheidung zu berücksichtigen. Demzufolge wurden die Händler im relevanten Zeitraum durch ein allfälliges marktmissbräuchliches Verhalten eines Kartenakquisiteurs oder Terminalhersteller auch beeinträchtigt, ungeachtet dessen, ob aufgrund theoretischer Überlegungen auch sonstige Zahlungskartenterminals anderer Terminalhersteller mit dem ep2-Standard ausgerüstet und auf dem Markt angeboten hätten werden können. Die nachfolgenden Gründe sind  daher nur der Vollständigkeit halber im Hinblick auf eine noch ausstehende Entscheidung des Bundesgerichts zur Behandlung der Angebotssubstituierbarkeit anzufügen.

363.  Gegen eine Berücksichtigung der Angebotssubstituierbarkeit spricht aus grundsätzlichen Erwägungen bereits die vorliegende Sachlage. Die Ausstattung von EMV-Terminals mit dem ep2-Standard betrifft ausschliesslich die Marktgegenseite der schweizerischen Händler. Für die Marktgegenseite in anderen Ländern oder Regionen werden die EMVTerminals auch mit anderen zusätzlichen Standards ausgerüstet; dies wird von den Beschwerdeführerinnen selbst mitgeteilt (vgl. E. 345). Eine Ausstattung von EMV-Terminals mit allen eingesetzten nationalen oder regionalen Standards durch die Terminalhersteller ist weder praktisch erforderlich noch wirtschaftlich sinnvoll. Die Beschwerdeführerinnen tragen selbst vor, dass praktisch alle international aktiven Terminalhersteller auch ep2-Terminals in der Schweiz angeboten haben (vgl. E. 349). Wie von der Vorinstanz unbestritten festgehalten wurde, wiesen im relevanten Zeitraum alle in der Schweiz angebotenen Zahlungskartenterminals den ep2-Standard auf. Angesichts der Existenz eines zusätzlichen nationalen schweizerischen Standards wäre es offensichtlich nicht sinnvoll, dass die auf dem Markt bereits präsenten Terminalhersteller neben den ep2-Terminals noch EMV-Terminals anbieten. Die Beschwerdeführerinnen legen auch nicht dar, welche beachtenswerten Auswirkungen eingetreten wären, wenn die Terminalhersteller weitere EMV-Terminals mit dem ep2-Standard ausgestattet und in der Schweiz vertrieben hätten. Die Beschwerdeführerinnen führen zudem nicht aus, welche beachtenswerten Auswirkungen sich daraus ergeben hätten, dass die Terminalhersteller neben den bereits vorhandenen noch weitere ep2-Terminals auf dem Markt angeboten hätten. Da keine relevanten sonstigen Terminalhersteller durch die Ausstattung von EMV-Terminals mit dem ep2-Standard in den Markt hätten eintreten können, ist der vorliegende Sachverhalt somit nicht der notwendigen Sachverhaltskonstellation einer Angebotssubstituierbarkeit zuzuordnen. Daher sind die ep2-Terminals auch unter dem Gesichtspunkt der Angebotssubstituierbarkeit nicht mit EMV-Terminals zu einer Produktgruppe zusammenzufassen.

364.  Entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerinnen (vgl. E. 349) führt eine Verringerung der Marktzutrittsschranken bei einem Produkt wie den ep2-Terminals nicht automatisch dazu, dass dieses mit einem anderen Produkt wie den EMV-Terminals zu einem sachlich relevanten Markt zusammengefasst werden müsste.  

365.  Die Anwendung der Angebotssubstituierbarkeit kann entgegen dem Einwand der Beschwerdeführerinnen (vgl. E. 350) auch nicht auf der Gleichsetzung einer Ausstattung von Zahlungskartenterminals mit einem nationalen Standard sowie einer Ausstattung mit unterschiedlichen Funktionalitäten bei verschiedenen Zahlungskartenterminals abgestützt werden. Vielmehr unterscheiden sich beide Aspekte wesentlich im Hinblick auf ihren Inhalt und ihre Bedeutung. Die Statuierung eines nationalen Branchenstandards führt zu einer Vereinheitlichung der Kompatibilitätsmerkmale, die zu einem allgemeinen, objektiven Vorteil der entsprechend ausgestatteten Geräte führen, wovon alle Marktteilnehmer profitieren. Demgegenüber führt die Ausstattung von Zahlungskartenterminals mit bestimmten einzelnen Funktionen nur zu einer individuellen, subjektiven Verbesserung der jeweiligen Geräte. So führen etwa die Beschwerdeführerinnen selbst an, dass die DCC-Funktion der Zahlungskartenterminals nur für einen kleineren Kreis von Händlern von Relevanz war, während die Ausstattung des ep2-Standards allen Händlern zugutegekommen ist. Diese Divergenz ist ungeachtet dessen zu berücksichtigen, dass im Rahmen der Herstellung von Zahlungskartenterminals die Herbeiführung einer entsprechenden Ausstattung mit einem Branchenstandard gegebenenfalls nicht mehr Aufwand erfordert als die Ausstattung mit bestimmten besonderen Funktionalitäten.

366.  Die Beschwerdeführerinnen können zur Heranziehung der Angebotssubstituierbarkeit nicht auf die Feststellungen des Sekretariats der Wettbewerbskommission im Verfahren Terminaux de payments (vgl. E. 353) verweisen. Gegenstand der in jenem Verfahren unter dem Gesichspunkt der Angebotssubstituierbarkeit behandelten Kriterien waren bestimmte Funktionalitäten der verschiedenen Zahlungskartenterminals, während der Aspekt einer Ausstattung mit dem nationalen ep2-Standard im Jahr 2000 noch gar nicht Gegenstand der Marktuntersuchungen bildete.

367.  Angesichts der vorstehenden Aspekte kann im Übrigen dahingestellt bleiben, ob die Ausstattung der EMV-Terminals mit dem ep2-Standard tatsächlich ohne nennenswerten Aufwand durchgeführt werden kann, wie von den Beschwerdeführerinnen behauptet wird (vgl. 346 f.). Dies gilt allenfalls für die Aufspielung des ep2-Standards auf die einzelnen EMV-Terminals. Zu berücksichtigen ist allerdings auch die Zertifizierungsphase des EMV-Terminals mit dem aufgespielten ep2-Standard. Und diese Zertifizierung kann durchaus auch ein Jahr in Anspruch nehmen, wie sich aufgrund der unbestrittenen Feststellungen der Vorinstanz ergibt. Unter Berücksichtigung der Haftungsverschärfung für technisch nicht umgestellte Zahlungskartenterminals ab dem 1. Januar 2005 stellt die Herstellung einer ep2-Ausrüstung jedenfalls keine kurzfristige Umstellung von EMV-Terminals auf ep2-Terminals dar.

368.  Der Vollständigkeit halber ist darauf hinzuweisen, dass für die Marktabgrenzung als Terminalhersteller alle Unternehmungen zu zählen sind, die Zahlungskartenterminals gegenüber den Händlern vertreiben. Dabei wird keine Unterscheidung vorgenommen, ob es sich hierbei um blosse Wiederverkäufer von Zahlungskartenterminals - wie z.B. die Card Solutions - oder um die originären Produzenten von Zahlungskartenterminals handelt. Eine entsprechende Differenzierung ist auch nicht erforderlich, weil nicht der Absatz zwischen Lieferanten von Zahlungskartenterminals und Wiederverkäufern, sondern ausschliesslich der Absatz zwischen Lieferanten von Zahlungskartenterminals und Händlern zu beurteilen ist. Die massgeblichen Feststellungen der Vorinstanz zu konkreten Daten für die Beurteilung der Marktbeherrschung beziehen sich auch ausschliesslich auf Terminalhersteller in diesem Sinne. Daher ist die entsprechende Differenzierung der Beschwerdeführerinnen (vgl. E. 343) im Ergebnis unbeachtlich.

b)            Räumlich relevanter Markt

(1)          Vorbringen der Beschwerdeführerinnen

369.  Die Beschwerdeführerinnen tragen vor, dass die Terminalhersteller primär international aktive Unternehmen seien, welche ihre Produkte weltweit produzieren und vertreiben würden. Dass jeweils Anpassungen an gewisse Spezifikationen in den einzelnen Ländern erfolgen würden, bedeute demnach nicht, dass diese internationalen Produkte lediglich einem nationalen Wettbewerb ausgesetzt wären. Vielmehr sei auch im Hinblick auf den räumlich relevanten Markt die Angebotssubstituierbarkeit bei der rechtlichen Würdigung zu berücksichtigen.

(2)          Vorbringen der Vorinstanz

370.  Die Vorinstanz stützt die räumliche Marktabgrenzung auf die Existenz des ep2-Standards ab.

(3)          Würdigung durch das Gericht

371.  Zum räumlich relevanten Markt sind die vorstehenden allgemeinen Ausführungen zu beachten (vgl. E. 320).

372.  Mit dem ep2-Standard wurde ein spezifischer nationaler Standard für den Einsatz von Zahlungskartenterminals in der Schweiz geschaffen. Obschon dieser Standard nicht auf einer gesetzlichen Verpflichtung beruht, führte er zu einer strikten faktischen Umsetzung bei Zahlungskartenterminals und Verarbeitungsplattformen durch die am Zahlungskartenverkehr beteiligten Unternehmen. So wurde von der Vorinstanz festgestellt, dass im relevanten Zeitraum alle in der Schweiz angebotenen Zahlungskartenterminals mit dem ep2-Standard ausgestattet waren.

373.  Eine Ausstattung von Zahlungskartenterminals mit dem ep2-Standard im Ausland wurde von der Vorinstanz nicht festgestellt und von den Beschwerdeführerinnen auch nicht behauptet. Es bestehen auch keine Anhaltspunkte dafür, dass ep2-Terminals im Ausland von anderen Terminalherstellern hätten bezogen werden können. Davon ist angesichts des Umstands, dass alle relevanten Terminalhersteller bereits in der Schweiz tätig waren und ep2-Terminals angeboten haben, auch nicht auszugehen. Gegenteiliges wird von der Vorinstanz nicht festgestellt und von den Beschwerdeführerinnen ebenfalls nicht behauptet.

374.  Angesichts dieser Aspekte ergibt sich eine Begrenzung des räumlich relevanten Markts für ep2-Terminals auf die Schweiz.

375.  Entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerinnen (vgl. E. 369) ist die Angebotssubstituierbarkeit entsprechend den Ausführungen zur Abgrenzung des sachlich relevanten Markts (vgl. E. 361 f.) auch in Bezug auf die Abgrenzung des räumlich relevanten Markts nicht zu beachten.

c)             Zeitlich relevanter Markt

376.  Zum zeitlich relevanten Markt sind die vorstehenden allgemeinen Ausführungen zu beachten (vgl. E. 338).

377.  Im vorliegenden Fall kommt dem zeitlich relevanten Markt keine Bedeutung zu, weil die vorstehend abgegrenzten sachlich und räumlich relevanten Märkte keine zeitlich unterschiedlichen Aspekte aufweisen, weshalb eine temporäre Strukturierung nicht erfoderlich ist. Von den Parteien werden auch keine entsprechenden Behauptungen aufgestellt.

d)            Zwischenergebnis

378.  Aufgrund der vorstehenden Feststellungen ist der Markt der ep2-Terminals einer weiteren rechtlichen Beurteilung im Rahmen von Art. 7 KG zu Grunde zu legen.

3)             Währungsumrechnung

379.  Innerhalb des Geschäftsbereichs des Devisenhandels grenzt die Vorinstanz den relevanten Markt der DCC-Währungsumrechnung bei Kreditkartentransaktionen durch den Kartenakquisiteur bzw. einen Dritten in der Schweiz zum einen gegenüber dem Bereich der Währungsumrechnung bei Kreditkartentransaktionen durch einen Kartenaussteller sowie zum anderen implizit gegenüber sonstigen Devisenwechselgeschäften ab.

a)             Sachlich relevanter Markt

(1)          Vorbringen der Beschwerdeführerinnen

380.  Die Beschwerdeführerinnen verweisen zunächst darauf, dass die Vorinstanz keine umfassende Abgrenzung des Geschäftsbereichs des Devisenhandels vorgenommen habe und die Festlegung eines Markts der DCC-Währungsumrechnung lediglich auf einer summarischen Betrachtung und nicht auf verbindlichen Feststellungen beruhe.

381.  Nach Ansicht der Beschwerdeführerinnen handle es sich bei der DCC-Währungsumrechnung nur um eine Zusatzfunktion im Rahmen der Zahlungskartenakzeptanz.

382.  Soweit von einem eigenständigen Markt auszugehen sei, umfasse der sachlich relevante Markt für Umrechnungsdienstleistungen bei Kreditkartenzahlungen jedenfalls auch die jeweiligen Umrechnungsdienstleistungen der Kartenaussteller. Denn die Kartenaussteller seien die grössten Anbieter von Umrechnungsdienstleistungen.

(2)          Vorbringen der Vorinstanz

383.  Da die Vorinstanz auf die marktbeherrschende Stellung der SIX-Gruppe auf den Märkten der Kartenakzeptanz abstellt, nimmt sie zwar im Hinblick auf die Marktstellung der SIX-Gruppe auf dem Markt der DCC-Umrechnung nur eine summarische Betrachtung vor. Die Abgrenzung des Markts der DCC-Währungsumrechnung stützt die Vorinstanz dabei auf den Hinweis der unterschiedlichen Nachfrager ab.

(3)          Würdigung durch das Gericht

384.  Aus dem Geschäftsbereich des Devisenhandels lasssen sich zwei unterschiedliche Märkte für Währungsumrechnungen ableiten, die in Zusammenhang mit einzelnen Zahlungskartentransaktionen stehen und jeweils von unterschiedlichen Marktgegenseiten nachgefragt werden.

385.  Zum einen die "statische" Währungsumrechnung durch den Kartenaussteller im Rahmen von dessen finaler Transaktionsabrechnung gegenüber dem Karteninhaber. Dabei werden die Umrechnungsdienstleistungen des Kartenausstellers im Rahmen des jeweiligen Zahlungskartensystems unmittelbar gegenüber den Karteninhabern als Marktgegegenseite angeboten und von diesen nachgefragt, weil ansonsten eine Zahlungskarte im Ausland von den Karteninhabern nicht als Zahlungsmittel eingesetzt werden könnte.

386.  Zum anderen die DCC-Währungsumrechnung durch den Kartenakquisiteur selbst oder durch ein mit dem Kartenakquisiteur in einem Kooperationsverhältnis stehendes drittes, auf die Durchführung von Währungsumrechnungen spezialisiertes Unternehmen. Dabei werden die Umrechnungsdienstleistungen im Rahmen des jeweiligen Zahlungskartensystems vom Kartenakquisiteur unmittelbar gegenüber dem Händler als Marktgegenseite angeboten und von diesem nachgefragt, damit dieser in seiner Verkaufsstelle den Karteninhabern gegenüber eine alternative Möglichkeit zum Devisenwechsel im Rahmen der Zahlungskartentransaktion anbieten kann.

387.  Entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerinnen sind die Kartenaussteller nicht in den sachlich relevanten Markt der DCC-Währungsumrechnung mit einzubeziehen. Die Kartenaussteller erbringen im Bereich der Währungsumrechnung keine Dienstleistung, die von den Händlern nachgefragt und in Anspruch genommen werden kann. Von den Händlern können nur Umrechnungsdienstleistungen nachgefragt werden, die entweder von den Kartenakquisiteuren oder durch Dritte in Kooperation mit den Kartenakquisiteuren erbracht werden. Die Händler weisen auch kein Interesse an der statischen Währungsumrechnung auf, weil sie lediglich bei der DCC-Währungsumrechnung durch eine Kommission an den Einnahmen beteiligt werden. Statische und DCC-Währungsumrechung bilden demzufolge von vornherein keine substituierbaren Produkte, weil sie sich jeweils an eine andere Gruppe von Nachfragern richten.

388.  Entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerinnen (vgl. E. 381) bildet die DCC-Währungsumrechnung auch keine blosse zusätzliche Funktion der Zahlungskartenakzeptanz oder der Zahlungskartenterminals. Vielmehr stellen Zahlungskartenakzeptanz und DCC-Währungsumrechnung unterschiedliche Produkte dar, weil bei einer funktionellen Betrachtung der Devisenhandel kein notwendiger Bestandteil einer Zahlungskartentransaktion darstellt. Gleiches gilt sowohl im umgekehrten Sinne als auch im Verhältnis zwischen Zahlungskartenterminals und DCC-Währungsumrechnung. Demgemäss werden die jeweiligen Umrechnungsdienstleistungen überwiegend auch durch auf den Devisenhandel spezialisierte Unternehmen erbracht.

b)            Räumlich relevanter Markt

(1)          Vorbringen der Beschwerdeführerinnen

389.  Die Beschwerdeführerinnen gehen von einem Gesamtmarkt der Währungsumrechnung aus.

(2)          Vorbringen der Vorinstanz

390.  Die Vorinstanz stützt ihre Marktabgrenzung auf die Aspekte ab, die im Rahmen der Würdigung des Gerichts dargestellt werden.

(3)          Würdigung durch das Gericht

391.  Zum räumlich relevanten Markt sind die vorstehenden allgemeinen Ausführungen zu beachten (vgl. E. 320).

392.  Die DCC-Währungsumrechnung wurde den Händlern ausschliesslich in Verbindung mit den Dienstleistungen eines Kartenakquisiteurs angeboten. Dies gilt sowohl für die Kooperationen von Aduno/First Currency Choice (Schweiz) AG, B&S/FCC Service Europe AB und ConCardis/ Fexco als auch für die SIX-Gruppe, bei der Multipay als Kartenakquisiteur und Dienstleister der Währungsumrechnung auftrat. Dem Händler kam daher keine Möglichkeit zur Auswahl eines bestimmten Kartenakquisiteurs und eines bestimmten Dienstleisters für die Währungsumrechnung zu. Vielmehr zog die Wahl des Kartenakquisiteurs automatisch auch die Auswahl des Dienstleisters für die DCC-Währungsumrechnung nach sich.

393.  Vor diesem Hintergrund ist es sachgerecht, die Abgrenzung des räumlich relevanten Markts für den Markt der DCC-Währungsumrechnung am räumlich relevanten Markt der Zahlungskartenakzeptanz auszurichten.

394.  Demzufolge bildet auch für den Markt der DCC-Währungsumrechnung die Schweiz den räumlich relevanten Markt.

c)             Zeitlich relevanter Markt

395.  Zum zeitlich relevanten Markt sind die vorstehenden allgemeinen Ausführungen zu beachten (vgl. E. 338).

396.  Im vorliegenden Fall kommt dem zeitlich relevanten Markt keine Bedeutung zu, weil die vorstehend abgegrenzten sachlich und räumlich relevanten Märkte keine zeitlich unterschiedlichen Aspekte aufweisen, weshalb eine temporäre Strukturierung nicht erfoderlich ist. Von den Parteien werden auch keine entsprechenden Behauptungen aufgestellt.

d)            Zwischenergebnis

397.  Aufgrund der vorstehenden Feststellungen ist der Markt der DCC-Währungsumrechnung in der Schweiz einer weiteren rechtlichen Beurteilung im Rahmen von Art. 7 KG zu Grunde zu legen.

VI.          Marktstellung

398.  Die Vorinstanz kommt zum Ergebnis, dass die SIX-Gruppe auf dem Markt der Kreditkartenakzeptanz von Mastercard und Visa sowie auf dem Markt der Debitkartenakzeptanz von Maestro im relevanten Zeitraum von Juli 2005 bis Januar 2007 eine marktbeherrschende Stellung eingenommen habe. Die lediglich implizit abgegrenzten Märkte der Kreditkartenakzeptanz und der Debitkartenakzeptanz der übrigen Zahlungskartensysteme werden hingegen keiner Beurteilung über die jeweilige Marktstellung der SIX-Gruppe zugeführt.

399.  Für den Markt der DCC-Währungsumrechnung und den Markt der ep2-Terminals kommt die Vorinstanz aufgrund einer kursorischen Prüfung jeweils zum Ergebnis, dass die SIX-Gruppe zwar eine markante, nicht aber eine marktbeherrschende Stellung aufweise.

400.  Die Beschwerdeführerinnen machen geltend, dass der SIX-Gruppe weder auf den verschiedenen Märkten der Zahlungskartenakzeptanz noch auf dem Markt für DCC-Währungsumrechnung noch auf dem Markt für ep2-Terminals eine marktbeherrschende Stellung zukommen würde.

401.  Nachdem die Vorinstanz auf eine abschliessende Abklärung der Stellung der SIX-Gruppe auf dem Markt der DCC-Währungsumrechnung sowie auf dem Markt der ep2-Terminals verzichtet hat und die Beschwerdeführerinnen eine marktbeherrschende Stellung auf diesen Märkten ohnehin bestreiten, kann auf eine gerichtliche Überprüfung der Marktstellung der SIX-Gruppe auf diesen Märkten verzichtet werden, weil ein wettbewerbswidriges Verhalten gemäss Art. 7 KG sowohl in Form einer Geschäftsverweigerung als auch in Form einer Koppelung bereits auf Grundlage der marktbeherrschenden Stellung auf den durch die Vorinstanz untersuchten Märkten der Zahlungskartenakzeptanz nachgewiesen werden kann. Die gerichtliche Überprüfung ist daher auf die Stellung der SIX-Gruppe auf dem Markt der Kreditkartenakzeptanz von Mastercard und Visa sowie auf dem Markt der Debitkartenakzeptanz von Maestro im relevanten Zeitraum zu beschränken.

1)             Marktbeherrschendes Unternehmen

402.  Gemäss Art. 4 Abs. 2 KG gilt ein Unternehmen als marktbeherrschend, wenn es in der Lage ist, sich allein oder in Verbindung mit anderen Unternehmen auf einem Markt von anderen Marktteilnehmern (Mitbewerbern, Anbietern oder Nachfragern) in wesentlichem Umfang unabhängig zu verhalten. Die Fähigkeit eines Unternehmens zu einem in wesentlichem Umfang unabhängigen Verhalten äussert sich in einem besonderen Verhaltensspielraum gegenüber anderen Marktteilnehmern, der es ihm zumindest ermöglicht, auf bestehende Wettbewerbsbedingungen keine Rücksicht nehmen zu müssen, um beachtenswerte Nachteile zu vermeiden, oder der es ihm darüber hinausgehend ermöglicht, die Wettbewerbsbedingungen immerhin merklich zu beeinflussen oder sogar zu bestimmen. Ein solch besonderer Verhaltensspielraum besteht hingegen regelmässig nicht, wenn ein Unternehmen durch ausreichenden Wettbewerbsdruck in seinem Verhalten diszipliniert wird (vgl. BGE 139 I 72, Publigroupe, E. 9.3.1; BVGer, B-7633/2009, ADSL II, E. 311; BVGer, B-2977/2007, Publigroupe, E. 6.1; BVGer, B-2050/2007, Terminierung Mobilfunk, E. 10.1; EuGH, 14.2.1978, 27/76, United Brands Continentaal BV gg. EU-Kom, EU:C:1978:22, zit. United Brands, Ziff. 63/66; EuGH, EU:C:1979:36, Hoffmann-La Roche, Ziff. 38 f.; EuGH, 9.11.83, 322/81, N.V. Nederlandsche Banden-Industrie Michelin BV gg. EU-Kom, EU:C:1983:313, zit. Michelin, E. 30; Borer, KG, Art. 4 Rn. 16 f.; Clerc/Këllezi, CR-Concurrence, Art. 4 II Rn. 119 ff.; Reinert/Bloch, BSK-KG, Art. 4 Abs. 2 Rn. 262; Stäuble/Schraner, Dike-KG, Art. 4 Abs. 2 Rn. 166 ff.).

403.  Massgebend für die Beurteilung der Stellung eines Unternehmens auf dem relevanten Markt ist eine wertende Beurteilung aller relevanten Aspekte, die im Einzelfall für oder gegen die Möglichkeit eines unabhängigen Verhaltens sprechen (vgl. BVGer, B-7633/2009, ADSL II, E. 312 mit Verweis auf Botschaft KG 1995, 548; BVGer, B-2050/2007, Terminierung Mobilfunk, E. 10.1; EuGH, EU:C:1978:22, United Brands, Ziff. 63/66; EuGH, EU:C:1983:313, Michelin, Ziff. 31; EuG, 12.12.1991, T-30/89, Hilti AG gg. EU-Kom, EU:T:1991:70, zit. Hilti, Ziff. 90; Borer, KG, Art. 4 Rn. 18; Clerc/Këllezi, CR-Concurrence, Art. 4 II Rn. 124; David/Jacobs, WBR, Rn. 696; Reinert/Bloch, BSK-KG, Art. 4 Abs. 2 Rn. 268; Stäuble/Schraner, Dike-KG, Art. 4 Abs. 2 Rn. 220; Weber/Volz, FHB-WBR, Rn. 2.52; Bulst, LB-EUKR, Art. 102 Rn. 44; Fuchs/Möschel, IM-EUWBR, Art. 102 Rn. 77; Schröter/Bartl, SJKM-EUWBR, Art. 102 Rn. 91). Im Rahmen einer derartigen Gesamtanalyse kommt keinem der prinzipiell zu berücksichtigenden Aspekte ein absoluter Vorrang aufgrund allgemeiner Umstände zu (vgl. BVGer, B-7633/2009, ADSL II, E. 312; Clerc/Këllezi, CR-Concurrence, Art. 4 II Rn. 131).

404.  Ungeachtet dessen, dass sich in der Wettbewerbspraxis bislang keine abschliessende Ordnung der Kriterien zur Prüfung der Marktstellung herausgebildet hat, bilden die wesentlichen Grundlagen einer Beurteilung der Einzelmarktbeherrschung eine Untersuchung der Marktstruktur, bei der regelmässig die Aspekte des aktuellen und des potenziellen Wettbewerbs unter gesonderter Berücksichtigung der Stellung der Marktgegenseite bzw. des Einflusses eines zusammenhängenden Markts abzuklären sind, der Unternehmensstruktur, mit der spezifische Merkmale und Eigenschaften des jeweiligen Unternehmens für ein unabhängiges Verhalten zu beachten sind, sowie gegebenenfalls eine Berücksichtigung des konkreten Marktverhaltens eines Unternehmens (vgl. BVGer, B-7633/2009, ADSL II, E. 312; BVGer, B-2050/2007, Terminierung Mobilfunk, E. 10.1; EuGH, EU:C:1978:C:22, United Brands, Ziff. 67/68; Borer, KG, Art. 4 Rn. 18 ff.; Clerc/Këllezi, CR-Concurrence, Art. 4 II Rn. 131; David/Jacobs, WBR, Rn. 697 f.; Reinert/Bloch, BSK-KG, Art. 4 Abs. 2 Rn. 270 ff.; Stäuble/Schraner, Dike-KG, Art. 4 Abs. 2 Rn. 220; Weber/Volz, FHB-WBR, Rn. 2.54 ff.; Bulst, LB-EUKR, Art. 102 Rn. 44; Fuchs/Möschel, IM-EUWBR, Art. 102 Rn. 74; Schröter/Bartl, SJKM-EUWBR, Art. 102 Rn. 91).

405.  Die marktbeherrschende Stellung ist nicht anhand fixer Kriterien, sondern immer mit Blick auf die konkreten Verhältnisse auf dem jeweils relevanten Markt festzustellen (vgl. BGE 139 I 72, Publigroupe, E. 9.3.1; EuGH, EU:C:1979:36, Hoffmann-La Roche, Ziff. 38 f.; Borer, KG, Art. 4 Rn. 18; Clerc/Këllezi, CR-Concurrence, Art. 4 II Rn. 132; David/Jacobs, WBR, Rn. 696). Daher kann der Grad der Marktmacht, der jeweils für die Feststellung einer Marktbeherrschung im Einzelfall erforderlich ist, erheblich variieren. Es bestehen demzufolge auch keine allgemein gültigen Voraussetzungen für das Vorliegen einer marktbeherrschenden Stellung (vgl. BVGer, B-7633/2009, ADSL II, E. 313). Die Bestätigung einer marktbeherrschenden Stellung setzt insbesondere nicht voraus, dass der wirksame Wettbewerb auf dem relevanten Markt beseitigt wird (vgl. BVGer, B-7633/2009, ADSL II, E. 313; BVGer, B-2977/2007, Publigroupe, E. 6.1; BVGer, B-2050/2007, Terminierung Mobilfunk, E. 10.1 m.w.H.; EuGH, EU:C:1978:C:22, United Brands, Ziff. 108/110). Vielmehr kann ein besonderer Verhaltensspielraum zu Gunsten eines einzelnen Unternehmens auch bei Vorliegen von (Rest-)Wettbewerb durch andere Unternehmen gegeben sein. Zudem sind die Gründe für die Entwicklung einer marktbeherrschenden Stellung für deren Untersuchung und Feststellung unerheblich (vgl. BVGer, B-7633/2009, ADSL II, E. 313; Clerc/Këllezi, CR-Concurrence, Art. 4 II Rn. 125). Für die Beurteilung einer marktbeherrschenden Stellung findet der Wahrscheinlichkeitsbeweis gemäss den Grundsätzen zur Bewertung von komplexen Wettbewerbslagen mit multiplen Wirkungszusammenhängen Anwendung (vgl. E. 1219; BGE 139 I 72, Publigroupe, E. 8.3.2, 9.2.3.5; BVGer, B-7633/2009, ADSL II, E. 158 m.w.H., BVGer, B-829/2012, Granella, E. 7.4.3.4; BVGer, B-807/2012, Erne, E. 8.4.4.4).

2)             Massgeblicher Beurteilungszeitraum

406.  Zwischen den Parteien ist streitig, welcher Zeitraum für die Feststellung der marktbeherrschenden Stellung heranzuziehen ist und in welcher Weise die Feststellung der Marktbeherrschung im Dispositiv dokumentiert werden kann.

 

(1)          Vorbringen der Beschwerdeführerinnen

407.  Im Hinblick auf die Festellung der marktbeherrschenden Stellung und deren zeitlicher Ausdehnung machen die Beschwerdeführerinnen geltend, der Sachverhalt sei von der Vorinstanz nur bis Ende 2008 erstellt worden, nicht aber für die Jahre 2009 und 2010.

408.  Zudem erheben sie den Einwand, eine allgemeine Feststellung der Marktbeherrschung über den beurteilten Zeitraum hinaus im Dispositiv sei unzulässig. Entsprechend beantragen die Beschwerdeführerinnen eventualiter eine Anpassung der Ziff. 1 des Dispositivs.

(2)          Vorbringen der Vorinstanz

409.  Im Zusammenhang mit der Frage nach der zeitlichen Ausdehnung der Feststellung der marktbeherrschenden Stellung über das Jahr 2008 hinaus bringt die Vorinstanz vor, es entspreche ihrer Praxis, die marktbeherrschende Stellung eines Unternehmens in allgemeiner Weise festzustellen. Eine zeitliche Beschränkung auf die letzte Sachverhaltsermittlung oder das Verfügungsdatum fände nicht statt. Wäre die Feststellung zeitlich zu beschränken, so würde überdies die Meldepflicht für Unternehmenszusammenschlüsse gemäss Art. 9 Abs. 4 KG vollständig ausgehölt. Zudem erfolge die Ermittlung des Sachverhalts regelmässig vor der Redaktion des Antrags des Sekretariats, der Stellungnahme der Parteien zum Antrag sowie der Entscheidphase bei der Vorinstanz. Dies gelte insbesondere für die Marktdaten, welche oftmals nur für das abgeschlossene Vorjahr vorlägen. Die Marktdaten könnten daher nicht "tagesaktuell" zum Zeitpunkt des Erlasses der verfahrensabschliessenden Verfügung durch die Wettbewerbskommission sein.

(3)          Würdigung durch das Gericht

410.  In Zusammenhang mit der Feststellung des Bestehens einer marktbeherrschenden Stellung eines Unternehmens gemäss Art. 7 KG sind die Aspekte des Rechtscharakters und der Wirkung einer entsprechenden Feststellung, die materielle Beurteilung der Marktbeherrschung als Grundlage eines marktmissbräuchlichen Verhaltens, die formale Erwähnung der Feststellung bzw. der Marktbeherrschung im Dispositiv sowie die Meldepflicht für Unternehmenszusammenschlüsse gemäss Art. 9 Abs. 4 KG zu unterscheiden.

411.  Im Hinblick auf den Charakter und die Wirkung einer Feststellung der Marktbeherrschung ist zunächst festzuhalten, dass dieser keine pflichtbegründende und damit konstitutive Wirkung zukommt. Vielmehr wird das Tatbestandselement der Marktbeherrschung mit Eintritt der entsprechenden tatsächlichen Gegebenheiten auf dem jeweiligen Markt verwirklicht. Einer kartellverfahrensrechtlichen Feststellung kommt daher lediglich ein rein deklaratorischer Charakter zu. Ansonsten wäre ein missbräuchliches Verhalten gemäss Art. 7 KG von vornherein gar nicht tatbestandsmässig, was der Konzeption des neuen Kartellgesetzes offensichtlich widersprechen würde (vgl. BVGer, B-7633/2009, ADSL II, E. 321).

412.  Für das Bestehen einer marktbeherrschenden Stellung im relevanten Zeitraum ist es demzufolge unbeachtlich, ob in einem anderen vorgängig durchgeführten Kartellverwaltungs- oder sektorspezifischen Regulierungsverfahren eine entsprechende Feststellung getroffen oder nicht getroffen wurde (vgl. BVGer, B-7633/2009, ADSL II, E. 322).

413.  Umgekehrt weist die Feststellung der Marktbeherrschung für eine bestimmte Periode grundsätzlich keine verbindliche Wirkung für einen späteren Zeitraum auf. Deshalb ist es ausgeschlossen, für spätere Zeiträume ohne weitere Prüfung der dann bestehenden Umstände eine Marktbeherrschung anzunehmen. Vielmehr muss das Tatbestandsmerkmal der Marktbeherrschung für jedes Verfahren neu abgeklärt werden, auch wenn hierbei unter Berücksichtigung der prozessualen Rechte der Verfahrensbeteiligten auf bereits vorgenommene Untersuchungshandlungen oder Beweismassnahmen zurückgegriffen werden kann (vgl. BGE 137 II 199, Terminierung Mobilfunk, E. 6.5.1).

414.  Die marktbeherrschende Stellung eines Unternehmens bildet die notwendige Voraussetzung für ein marktmissbräuchliches Verhalten gemäss Art. 7 KG. Die Untersuchung und Feststellung der marktbeherrschenden Stellung eines Unternehmens erfolgt dabei ausschliesslich im Hinblick auf eine bestimmte wirtschaftliche Handlung des Unternehmens und nicht losgelöst von dessen wirtschaftlichem Verhalten. Im Rahmen von Art. 7 KG ist demzufolge eine rein abstrakte Feststellung der Marktbeherrschung eines Unternehmens ausgeschlossen.

415.  Die Feststellung der marktbeherrschenden Stellung eines Unternehmens gemäss Art. 7 KG steht somit in einem Sachzusammenhang mit der Dauer des kartellrechtlich zu beurteilenden wirtschaftlichen Verhaltens als relevantem, d.h. massgeblichem Zeitraum. Für die Beurteilung einer allfälligen Wettbewerbswidrigkeit ist die Stellung des jeweiligen Unternehmens vor und nach dem relevanten Zeitraum hingegen irrelevant. Für diese Zeiten kommt der Marktstellung des Unternehmens allenfalls insoweit eine gewisse Bedeutung zu, als daraus Rückschlüsse auf die Marktstellung im relevanten Zeitraum vorgenommen werden können.

416.  Vorliegend steht das wirtschaftliche Verhalten der SIX-Gruppe zwischen Juli 2005 und Januar 2007 als relevanter Zeitraum in Frage. Dementsprechend ist die Stellung der SIX-Gruppe in den relevanten Märkten für diesen Zeitraum festzustellen. Demgegenüber ist die Marktstellung der SIX-Gruppe in den Jahren 2008 bis 2010 für die Beurteilung des vorliegenden Sachverhalts unbeachtlich. Daher ist es entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerinnen (vgl. E. 407) irrelvant, ob die Marktstellung der SIX-Gruppe für die Jahre 2009 und 2010 von der Vorinstanz abgeklärt wurde oder nicht. Für die Feststellung der Marktstellung der SIX-Gruppe im relevanten Zeitraum bedarf es auch keines Rückschlusses von deren Stellung in den Jahren 2009 und 2010.

417.  Umgekehrt kann im Rahmen einer Sanktionsverfügung allenfalls festgestellt werden, dass eine marktbeherrschende Stellung als Grundlage eines marktmissbräuchlichen Verhaltens während des jeweils relevanten Zeitraums bestanden hat. Die Formulierung in Ziff. 1 des Dispositivs der angefochtenenen Verfügung (vgl. SV J.l), wonach die marktbeherrschende Stellung "bereits in der für den Missbrauch massgeblichen Zeitperiode" bestand, ist daher jedenfalls insoweit nicht korrekt, als dadurch zum Ausdruck gebracht wird, dass die marktbeherrschende Stellung auch nach dem relevanten Zeitraum gegeben ist.

418.  Im Hinblick auf die Zulässigkeit der Feststellung einer marktbeherschenden Stellung oder eines marktmissbräuchlichen Verhaltens im Rahmen des Dispositivs eines Urteils hatte das Bundesgericht zunächst entschieden (BGE 137 II 199, Terminierung Mobilfunk, E. 6), dass es für die Beurteilung einer Sanktionsverfügung gemäss Art. 49a KG grundsätzlich weder erforderlich noch zulässig sei, im Dispositiv die Feststellung einer marktbeherrschenden Stellung oder eines wettbewerbswidrigen Verhaltens gesondert vorzunehmen. In Anwendung dieser bundesgerichtlichen Rechtsprechung hat auch das Bundesverwaltungsgericht in einem späteren Urteil derartige Feststellungen dementsprechend abgelehnt (BVerwG, B-3677/2009, ADSL II, E. 381 ff.). Mittlerweile hat das Bundesgericht in einer neueren Entscheidung zu Wettbewerbsabreden gemäss Art. 5 KG die Möglichkeit zur Feststellung der Wettbewerbswidrigkeit eines bestimmten wirtschaftlichen Verhaltens im Dispositiv allerdings anerkannt (vgl. BGer, 18.5.2018, 2C_101/2016, Altimum SA gg. Weko, publ. in: BGE 144 II 246, zit. Altimum, E. 17 [nicht publ.]).

419.  Die Möglichkeit einer Feststellung des wettbewerbswidrigen Verhaltens ist auch bei der Beurteilung einer Sanktionsverfügung in Bezug auf Art. 7 KG ungeachtet einer fehlenden ausdrücklichen Rechtsgrundlage aus verschiedenen Gründen sachgerecht. Zunächst ist zu beachten, dass bei einer Beschwerde gegenüber einer Sanktionsverfügung der Wettbewerbskommission ein Beschwerdeführer regelmässig nicht nur die Sanktion als solche angreift, sondern auch eine Änderung der Qualifizierung des der Sanktion zu Grunde liegenden Verhaltens als wettbewerbswidrig begehrt. Denn wie bei einer nicht mit direkten Sanktionen gemäss Art. 49a KG belegten sonstigen wettbewerblichen Verhaltensweise stellt sich für ein am Verfahren beteiligtes Unternehmen die prinzipielle Frage, ob die betreffende Verhaltensweise in Zukunft vorgenommen werden darf oder nicht. Daher bedarf es auch eines gerichtlichen Ausspruchs über die Zulässigkeit des konkreten wettbewerblichen Verhaltens, weil dadurch die Rechte und Pflichten des Unternehmens festgelegt werden. Zudem ergibt sich allein aus der Feststellung einer Sanktionierung gemäss Art. 49a KG nicht, ob die Sanktion auf einer unzulässigen Wettbewerbsabrede oder einem unzulässigen marktmissbräuchlichen Verhalten beruht; eine entsprechende Transparenz ist im Hinblick auf Art. 9 Abs. 4 KG aber sachdienlich. Darüber hinaus bleibt ein Bedürfnis für die Feststellung der Wettbewerbswidrigkeit eines konkreten wirtschaftlichen Verhaltens gerade auch dann bestehen, wenn eine Sanktionierung aus verschiedenen Gründen entfällt, z.B. weil die Entfallfrist des Art. 49a Abs. 3 lit. b KG oder die Grundsätze einer überlangen Verfahrensdauer Anwendung finden.

420.  Selbst bei Anerkennung der sachgerechten Feststellung eines marktmissbräuchlichen Verhaltens im Dispositiv eines Entscheids bedarf es allerdings auch unter Berücksichtigung von Art. 9 Abs. 4 KG im Regelfall jedoch keiner zusätzlichen gesonderten Feststellung der marktbeherrschenden Stellung des betreffenden Unternehmens. Denn durch die Feststellung eines marktmissbräuchlichen Verhaltens gemäss Art. 7 KG wird notwendigerweise implizit das Vorliegen einer marktbeherrschenden Stellung bejaht. Gleichzeitig wird dadurch die Anwendung von Art. 9 Abs. 4 KG nicht verhindert, weil mit der Feststellung eines wettbewerbswidrigen Verhaltens wiederum keine Aussage darüber verbunden ist, dass die marktbeherrschende Stellung nach dem der Feststellung jeweils zu Grunde liegenden relevanten Zeitraum nicht mehr vorliegt.

(4)          Zwischenergebnis

421.  Die Beschwerde ist in Bezug auf die Feststellung der Marktbeherrschung durch die SIX-Gruppe im Dispositiv der angefochtenen Verfügung begründet. Die Ziff. 1 des Dispositivs der angefochtenen Verfügung ist deshalb aufzuheben. Allerdings kommt dieser formalen Aufhebung weder eine inhaltliche Bedeutung für die Beurteilung der marktbeherrschenden Stellung der SIX-Gruppe noch für die Behandlung des Falles insgesamt zu.

3)             Markt für Kreditkartenakzeptanz von Mastercard und Visa

422.  Im Hinblick auf die Stellung der SIX-Gruppe auf dem Markt der Kreditkartenakzeptanz von Mastercard und Visa kommt den Aspekten des aktuellen Wettbewerbs, des potenziellen Wettbewerbs und der Unternehmensstruktur sowie der Stellung der Marktgegenseite eine massgebliche Bedeutung für die Beurteilung zu.

a)             Aktueller Wettbewerb

423.  Unter dem Gesichtspunkt des aktuellen Wettbewerbs ist nach der Wettbewerbspraxis festzustellen, in welchem Ausmass das betreffende Unternehmen unmittelbar einem Wettbewerbsdruck durch Konkurrenten, die bereits tatsächlich auf dem relevanten Markt tätig sind, ausgesetzt ist.

(1)          Vorbringen der Beschwerdeführerinnen

424.  Die Marktentwicklung spreche gegen das Vorliegen einer Marktbeherrschung. Auf der Grundlage der offiziellen Zahlen der statistischen Monatshefte der Schweizerischen Nationalbank ergebe sich, dass die Anteile der SIX-Gruppe im Zeitraum von 2004 bis 2009 kontinuierlich von 60% auf 54% abgenommen hätten. Die von der Vorinstanz verwendeten Zahlen könnten hingegen wegen fehlender Offenlegung der Quellen und der exakten Anteile nicht überprüft und damit auch nicht herangezogen werden.

425.  Dieser Feststellung widerspreche auch nicht der Umstand, dass die Umsätze von der SIX-Gruppe mit Mastercard und Visa in den letzten vier Jahren kontinuierlich angestiegen seien, weil dies auf dem erheblichen Anwachsen des Gesamtmarkts beruhe. Vielmehr könne hieraus abgeleitet werden, dass alle Kartenakquisiteure hätten wachsen können und dass insbesondere die Wettbewerber stärker gewachsen seien als die SIX-Gruppe.

426.  Der schweizerische Markt sei hinsichtlich der Verarbeitungskosten zu klein, um tatsächlich Skaleneffekte als Grössenvorteile erzielen zu können. Die Verarbeitung sei zudem nicht an Landesgrenzen gebunden, sondern finde zentral statt. Deshalb sei die SIX-Gruppe auch ausserhalb der Schweiz aktiv, um eine ausreichende Anzahl an Transaktionen generieren zu können. Hierbei hätte die SIX-Gruppe keinen spezifischen Vorteil, weil sie auf europäischer Ebene ein kleiner Wettbewerber sei. Daher könnten keine relevanten Einsparungen erzielt werden. Die Wettbewerber der SIX-Gruppe seien zum Teil erheblich grösser und könnten deshalb insbesondere in der Verarbeitung erheblich stärkere Grössenvorteile einsetzen.

427.  Dass die SIX-Gruppe diverse Produkte parallel anbiete, sei kein spezielles Merkmal von ihr. Vielmehr böten sämtliche Kartenakquisiteure jeweils mehrere Produkte an. Daher könnten keine spezifischen Verbundvorteile aufgrund von Skaleneffekten abgeleitet werden.

428.  Die langfristigen Akzeptanzverträge würden keine Regelung über eine Exklusivitätsbindung oder ein Konkurrenzverbot enthalten und eine Verrechnung würde allein in Bezug auf die tatsächlich bezogenen Leistungen erfolgen. Daher würden diese Verträge kein Expansionshindernis für andere Wettbewerber darstellen.

429.  Es bestehe auch kein Abhängigkeitsverhältnis seitens ConCardis oder B+S. Deren langfristige Routing- und Konvertierungsverträge mit der SIX-Gruppe seien rein technisch begründet. Hintergrund sei dabei, dass diese Kartenakquisiteure nicht eigenständig die notwendigen technischen Protokolle umsetzen wollten. Aufgrund von deren Make or Buy-Entscheidung ergäbe sich der Bestand des Vertragsverhältnisses. Aus diesem Umstand könne kein Abhängigkeitsverhältnis abgeleitet werden, welches die Wettbewerbswirksamkeit beeinträchtige.

430.  Der von Aduno einseitig platzierte Wunsch nach einer Fusion bilde keine Grundlage für die Annahme, dass dieses Unternehmen seine eigene Wettbewerbsfähigkeit in Frage gestellt habe, wie von der Vorinstanz geltend gemacht werde. Bei dieser Annahme handle es sich um eine reine Spekulation der Vorinstanz.

(2)          Vorbringen der Vorinstanz

431.  Die Vorinstanz begründet das Bestehen einer marktbeherrschenden Stellung zunächst unter Verweis auf die Marktstellung der SIX-Gruppe, die Marktanteilsverteilung sowie die Marktanteilsentwicklung auf den Märkten der Kreditkartenakzeptanz, die nachfolgend auch im Zentrum der Würdigung durch das Gericht stehen.

432.  Darüber hinaus macht sie spezifische Marktaspekte geltend, welche diese Annahme unterstützen würden.

433.  So handle es sich beim Akzeptanzgeschäft um ein Volumengeschäft, in dem Grössenvorteile eine wichtige Rolle spielen würden, um die relativ hohen Fixkosten ausgleichen zu können, wodurch die Wettbewerbsfähigkeit erhöht werde.

434.  Durch die Möglichkeit, sowohl unterschiedliche Zahlungskarten als auch verschiedene Produkte aus dem Bereich Akzeptanzgeschäft, Terminalgeschäft und Währungsumrechnung anbieten zu können, ergäben sich für die SIX-Gruppe erhebliche Verbundvorteile.

435.  Aufgrund des Umstands, dass die Laufzeit der Akzeptanzverträge jeweils hoch gewesen sei und spätestens ab 2006 nur noch weniger als {5-[ ]-15}% der Händler über einen Akzeptanzvertrag mit einer Laufzeit von weniger als drei Jahren ausgestattet gewesen seien, während mehr als {45-[ ]-55}% Mehrheit der Händler sogar Verträge mit Laufzeiten von mehr als vier Jahren abgeschlossen hätten, ergebe sich eine erhöhte Bindungswirkung zu Gunsten der SIX-Gruppe, welche eine Abwanderung der Händler im Rahmen der notwendigen Ersetzung der bestehenden Zahlungskartenterminals durch neue ep2-Terminal möglichst verhindern sollte.

436.  Das Bestehen von Zusammenarbeitsverträgen im technischen Bereich zwischen den anderen Wettbewerbern und der SIX-Gruppe während des relevanten Zeitraums habe zu einem Abhängigkeitsverhältnis geführt, weil diese Konkurrenten darauf angewiesen gewesen seien, dass die Zusammenarbeit mit der SIX-Gruppe funktioniere.

437.  Das Angebot von Aduno vom September 2006 gegenüber der SIX-Gruppe, das Akzeptanzgeschäft zusammenzulegen, habe dazu geführt, dass Aduno keine disziplinierende Wirkung auf die SIX-Gruppe habe ausüben können.

(3)          Würdigung durch das Gericht

(a)          Ausgangslage

438.  Für eine Beurteilung des aktuellen Wettbewerbs sind nach der Wettbewerbspraxis insbesondere folgende Faktoren von Bedeutung: (i) der Marktanteil des Unternehmens; (ii) die Marktanteilsverteilung; (iii) die Marktanteilsentwicklung; (iv) das Vorliegen von besonderen Marktphasen; (v) das Vorliegen von spezifischen Marktaspekten.

439.  Aus diesen Aspekten ist eine Bewertung abzuleiten, ob die Konkurrenten in der Lage sind, einen disziplinierenden Einfluss auf das betreffende Unternehmen auszuüben. Das Ergebnis dieser Bewertung ist von den konkreten Umständen des Einzelfalls abhängig. Als Faustregel lässt sich hierzu jedoch festhalten: Je höher der Marktanteil des Unternehmens ist oder je grösser der Abstand zwischen dem Marktanteil des untersuchten Unternehmens und den Marktanteilen seiner Konkurrenten ist bzw. je kleiner die Marktanteile der Konkurrenten sind, umso eher ist von einer marktbeherrschenden Stellung auszugehen (vgl. BVGer, B-7633/2009, ADSL II, E. 331; Reinert/Bloch, BSK-KG, Art. 4 Abs. 2 Rn. 275; Weber/Volz, FHB-WBR, Rn. 2.55).

(b)          Marktanteil des Unternehmens

440.  Den zentralen Aspekt und Ausgangspunkt für die Prüfung des aktuellen Wettbewerbs bildet der Marktanteil des betreffenden Unternehmens. Je höher die Marktanteile ausfallen, umso eher bilden sie die Grundlage für die Feststellung einer marktbeherrschenden Stellung; allerdings schliessen sie einen wirksamen Wettbewerb nicht zwangsläufig aus (vgl. BGE 139 I 72, Publigroupe, E. 9.3.3.2; BGer, 14.6.2004, 2A.306/2003, W. SA gg. Preisüberwacher, publ. in: BGE 130 II 449, zit. TV-Abo-Preise, E. 5.7.2; Clerc/Këllezi, CR-Concurrence, Art. 4 II Rn. 137; Reinert/ Bloch, BSK-KG, Art. 4 Abs. 2 Rn. 270 f.; Stäuble/Schraner, Dike-KG, Art. 4 Abs. 2 Rn. 225).

441.  Aus der Wettbewerbspraxis lassen sich gewisse Anhaltspunkte für die Beurteilung einer marktbeherrschenden Stellung anhand des jeweiligen Marktanteils bei Absatzmärkten und der sich dabei üblicherweise ergebenden Marktanteilsverteilung ableiten (vgl. allgemein die Übersichten bei Clerc/Këllezi, CR-Concurrence, Art. 4 II Rn. 138 f.; David/jacobs, WBR, Rn. 700 ff.; Reinert/Bloch, BSK-KG, Art. 4 Abs. 2 Rn. 278 ff.; Stäuble/Schraner, Dike-KG, Art. 4 Abs. 2 Rn. 228).

442.  Marktanteile ab 50% begründen nach der Wettbewerbspraxis zumindest eine Vermutung für das Vorliegen einer marktbeherrschenden Stellung, die nur bei Vorliegen von entgegenstehenden Faktoren widerlegt wird (vgl. BGE 139 I 72, Publigroupe, E. 9.3.3.2; EuGH, EU:C:1991:286, Akzo, Ziff. 60; EuG, 1.7.2010, T-321/05, AstraZeneca AB u.a. gg. EU-Kom, EU:T:2010:286, zit. AstraZeneca, Ziff. 243, 288; Borer, KG, Art. 4 Rn. 19; Clerc/Këllezi, CR-Concurrence, Art. 4 II Rn. 138, 151; Weber/Volz, FHB-WBR, Rz. 2.549; Bulst, LB-EUKR, Art. 102 Rn. 54; Fuchs/Möschel, IM-EUWBR, Art. 102 Rn. 91; Schröter/Bartl, SJKM-EUWBR, Art. 102 Rn. 96; Weber Olaf, SJ-KartellR, Art. 102 Rn. 35; a.A. Stäuble/Schraner, Dike-KG, Art. 4 Abs. 2 Rn. 226, Vermutungsschwelle bei 60%; David/jacobs, WBR, Rn. 698, Vermutungsschwelle bei 75%; Reinert/Bloch, BSK-KG, Art. 4 Abs. 2 Rn. 277, keine Vermutungswirkung). Diese Vermutung wird bei Marktanteilen über 60% oder 70% weiter verstärkt, weshalb bei derartigen Marktkonstellationen die Anforderungen an eine Widerlegung der Vermutung durch gegenteilige Faktoren entsprechend höher sind.

(c)           Marktanteilsverteilung

443.  Die Ausprägung der Vermutung für eine marktbeherrschende Stellung durch den jeweiligen Marktanteil hängt zudem von der konkreten Marktanteilsverteilung ab, die nach der Wettbewerbspraxis insbesondere folgende Aspekte für die Feststellung der tatsächlich vorhandenen Marktmacht umfasst: (i) die Anzahl der Konkurrenten, (ii) die Marktanteile der Konkurrenten, (iii) das Verhältnis zwischen dem Marktanteil des betreffenden Unternehmens und den Marktanteilen der Konkurrenten, sowie (iv) die Wirtschaftskraft der Konkurrenten.

444.  Die Berücksichtigung dieser Aspekte lässt sich durch folgende Faustregel bestimmen: Je geringer die Marktanteile der vorhandenen Konkurrenten sind und umso grösser der Abstand zwischen dem Marktanteil des Unternehmens zum Marktanteil des nächsten Konkurrenten dadurch ausfällt, umso eher ist eine marktbeherrschende Stellung des Unternehmens gegeben.

445.  In der Wettbewerbspraxis führen eine Zersplitterung der Konkurrenz und ein daraus resultierender grösserer Abstand zwischen dem Marktanteil des Unternehmens und den Marktanteilen seiner Konkurrenten zumeist zur Bejahung einer marktbeherrschenden Stellung ungeachtet der tatsächlichen Höhe des jeweiligen Marktanteils eines Unternehmens (vgl. Weko, 18.12.2000, RPW 2001/1, 95, Intensiv SA, Ziff. 37; Clerc/Këllezi, CR-Concurrence, Art. 4 II Rn. 155 f.; Stäuble/Schraner, Dike-KG, Art. 4 Abs. 2 Rn. 231). In diesem Fall können auch Marktanteile von weniger als 50% für die Qualifizierung einer marktbeherrschenden Stellung ausreichen (vgl. BGer, 5.9.2003, 2A_142/2003, Cablecom GmbH gg. Teleclub AG, zit. Cablecom, E. 4.2.3; EuGH EU:C:1978:22, United Brands, Ziff. 108/110, 111/120; EuGH, EU:C:1979:36, Hoffmann-La Roche, Ziff. 51; Clerc/Këllezi, CR-Concurrence, Art. 4 II Rn. 156; Stäuble/Schraner, Dike-KG, Art. 4 Abs. 2 Rn. 226; Weber/Volz, FHB-WBR, Rn. 2.549; Bulst, LB-EUKR, Art. 102 Rn. 56; Fuchs/Möschel, IM-EUWBR, Art. 102 Rn. 93; Schröter/Bartl, SJKM-EUWBR, Art. 102 Rn. 96 m.w.N.).

(d)          Marktanteilsentwicklung

446.  Aus der Entwicklung der Marktanteile eines Unternehmens und seiner Konkurrenten in der Vergangenheit können gegebenenfalls Rückschlüsse auf die Stabilität der Marktposition des Unternehmens abgeleitet werden (vgl. Clerc/Këllezi, CR-Concurrence, Art. 4 II Rn. 148; Reinert/ Bloch, BSK-KG, Art. 4 Abs. 2 Rn. 276; Stäuble/Schraner, Dike-KG, Art. 4 Abs. 2 Rn. 230).

447.  Als Anhaltspunkte lassen sich aus der Wettbewerbspraxis folgende Prämissen ableiten: Je gleichförmiger sich ein hoher Marktanteil eines Unternehmens im Laufe des relevanten Zeitraums darstellt, um so eher ist auf den Erhalt einer marktbeherrschenden Stellung zu schliessen (vgl. EuGH, EU:C:1979:36, Hoffmann-La Roche, Ziff. 44). Sinkende Marktanteile des jeweiligen Unternehmens schliessen die Feststellung einer Marktbeherrschung jedenfalls dann nicht aus, wenn der Marktanteil immer noch hoch bleibt (vgl. BGE 139 I 72, Publigroupe, E. 9.3.3.2; EuG, EU:T:2010:266, AstraZeneca, Ziff. 288; EuG 17.12.2003, T-219/99, Britisch Airways plc gg. EU-Kom, EU:T:2003:343, Ziff. 211 ff.; EuG, 8.10.1996, T-24/93, Compagnie maritime belge SA u.a., EU:T:1996:132, Ziff. 77; Clerc/Këllezi, CR-Concurrence, Art. 4 II Rn. 148; nach Reinert/Bloch, BSK-KG, Art. 4 Abs. 2 Rn. 276 spricht dieser Umstand gegen eine marktbeherrschende Stellung).

(e)          Besondere Marktphasen

448.  Besondere Marktphasen können je nach Markt insoweit Bedeutung erlangen, als sie die Indizwirkung des Marktanteils unter Berücksichtigung der Marktanteilsentwicklung verstärken oder abschwächen können (vgl. Clerc/Këllezi, CR-Concurrence, Art. 4 II Rn. 148 a.E., 158 m.w.H.; Reinert/Bloch, BSK-KG, Art. 4 Abs. 2 Rn. 354 ff.; Stäuble/Schraner, Dike-KG, Art. 4 Abs. 2 Rn. 230).

(f)            Spezifische Marktaspekte

449.  Als besondere Marktaspekte werden Umstände erfasst, die als wirtschaftliche, technische, vertriebliche oder sonstige Aspekte eine Veränderung der Marktstellung der bestehenden Marktteilnehmer in besonderer Weise beeinflussen (vgl. Reinert/Bloch, BSK-KG, Art. 4 Abs. 2 Rn. 300 ff.). Bei Vorliegen eines spezifischen Marktaspekts ist dessen Einwirkung auf die Marktentwicklung zu berücksichtigen.

(g)          Sachverhalt

450.  Die SIX-Gruppe weist nach den Feststellungen der Vorinstanz aufgrund der von den Marktteilnehmern erhobenen Daten im vorliegenden sowie in weiteren Verfahren (vgl. Weko, RPW 2004/1, 106, Kreditkartenakzeptanz, Ziff. 190; Weko, 1.9.2003, RPW 2004/4, 1002, Corner Banca SA gg. Telekurs AG, zit. Corner/Telekurs Vorsorgliche Massnahmen, Ziff. 36 ff.) in den Jahren 2004 bis 2008 und damit vor, während und nach dem relevanten Zeitraum auf dem Markt der Kreditkartenakzeptanz von Mastercard und Visa einen Marktanteil von mindestens {60-[ ]-70}% im Hinblick auf das Transaktionsvolumen der mit den Kreditkarten jeweils vorgenommenen Zahlungen auf. Bei einer Heranziehung der Anzahl an Transaktionen als Grundlage der Betrachtung würde der Marktantteil sogar noch höher, d.h. bei über {70-[ ]-80}% liegen. 

451.  Der Marktanteil am gemeinsamen Markt der Kreditkartenakzeptanz von Mastercard und Visa betrug Ende 2006 {60-[ ]-70}%. Der Marktanteil am Markt der Kreditkartenakzeptanz von Mastercard betrug Ende 2006 {70-[ ]-80}%. Der Marktanteil am Markt der Kreditkartenakzeptanz von Visa betrug Ende 2006 {60-[ ]-70}%.

452.  Diese Marktanteile begründen daher die Vermutung einer marktbeherrschenden Stellung zu Gunsten der SIX-Gruppe im relevanten Zeitraum zwischen Juli 2005 und Januar 2007.  

453.  Die von den Beschwerdeführerinnen geltend gemachten Marktanteile (vgl. E. 424), die auf den Daten des statistischen Monatshefts der Schweizerischen Nationalbank beruhen, beziehen sich auf den Anteil der SIX-Gruppe am Gesamtmarkt Kredit. Dabei werden alle Kreditkarten einschliesslich von American Express und Diners erfasst. In Bezug auf diesen Markt weist die SIX-Gruppe vor, während und nach dem relevanten Zeitraum einen Marktanteil von deutlich über 50% auf (2004: 60%; 2005: 57%, 2006: 55%, 2007: 55% und 2008: 55%). Dabei stabilisierte sich der Marktanteil nach einem leichten Rückgang von 60% in 2004 seit 2006 bei 55%. Da die jeweiligen Marktanteile am Gesamtmarkt Kredit der übrigen Kreditkartensysteme deutlich geringer sind als diejenigen von Mastercard und Visa (vgl. Weko, RPW 2004/1, 106, Kreditkartenakzeptanz, Ziff. 190), ist der begründete Schluss zu ziehen, dass der Marktanteil der SIX-Gruppe am Markt der Kreditkartenakzeptanz von Mastercard und/oder Visa jedenfalls bei 55% liegt. Auch das eigene Vorbringen der Beschwerdeführerinnen begründet demzufolge eine Vermutung für eine Marktbeherrschung der SIX-Gruppe.

454.  Aufgrund der festgestellten Marktanteile, welche die SIX-Gruppe auf dem Markt der Kartenakzeptanz für Kreditkarten Mastercard und Visa im relevanten Zeitraum zukommen, wäre demnach unabhängig davon, ob ein einheitlicher Markt oder zwei unabhängige Märkte zu Grundezulegen sind, von einer marktbeherrschenden Stellung der SIX-Gruppe auf dem jeweiligen Markt auszugehen.

455.  Die Marktanteile von Aduno, als desjenigen Konkurrenten mit der zweitbesten Marktposition, betrugen gemäss den Feststellungen der Vorinstanz auf dem gemeinsamen Markt der Kreditkartenakzeptanz von Mastercard und Visa {15-[ ]-25}%, auf dem Markt der Kreditkartenakzeptanz von Mastercard {15-[ ]-25}% sowie auf dem Markt der Kreditkartenakzeptanz von Visa {25-[ ]-35}%. Die Marktanteile der beiden weiteren Konkurrenten ConCardis und S+B waren demgemäss noch deutlich geringer und belaufen sich auf insgesamt {5-[ ]-15}%. Die Marktanteile der SIX-Gruppe sind bei Betrachtung aller verschiedenen Märkte zum einen signifikant höher als diejenigen ihrer Konkurrenten und zum anderen weisen sie den {doppelten bis vierfachen} Umfang der Marktanteile des nächstbesten Konkurrenten auf. Die Marktanteilsverteilung stützt die Vermutung des Bestehens einer marktbeherrschenden Stellung der SIX-Gruppe demzufolge weiter ab.

456.  Die Marktanteilsentwicklung spricht entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerinnen (vgl. E. 425) nicht für einen relevanten Abbau der bestehenden Marktposition von Multipay. Die SIX-Gruppe hatte zwar einen leichten Rückgang des Marktanteils hinzunehmen. Allerdings ist dieser Rückgang, wie die Beschwerdeführerinnen selbst konstatieren, in einen starken Anstieg des Gesamtmarkts im Zeitraum von 2004 bis 2008 eingebettet. Dabei konnte die SIX-Gruppe entsprechend der eingetretenen Steigerung der Gesamtumsätze mit Mastercard und Visa von annähernd 50% ihren Umsatz mit Mastercard und Visa ebenfalls um nahezu {45-[ ]-55}% steigern. Eine bedeutsame Veränderung im Verhältnis der Marktanteile zwischen der SIX-Gruppe und ihren Konkurrenten hat sich dadurch jedoch nicht ergeben. Insbesondere wies die SIX-Gruppe auch danach immer noch Marktanteile auf, welche die Vermutung einer markbeherrschenden Stellung begründen. Auch die Marktanteilsentwicklung spricht daher für das Bestehen einer marktbeherrschenden Stellung.  

457.  Im Hinblick auf die vorliegend in Frage stehenden spezifischen Marktaspekte Grössen- und Verbundvorteile, Dauer der Akzeptanzverträge sowie Abhängigkeitsverhältnisse führen die Parteien unterschiedliche Argumentationen im Hinblick auf deren Bedeutung für die Begründung bzw. Ablehnung einer marktbeherrschenden Stellung der SIX-Gruppe an (vgl. E. 426 ff. sowie E. 432 ff.). Die von der Vorinstanz vorgetragenen Überlegungen sprechen zwar dafür, dass die Möglichkeiten der SIX-Gruppe zu einem unabhängigen Verhalten aufgrund dieser Aspekte erweitert wurden. Die Beschwerdeführerinnen bestätigen auch die Argumentation der Vorinstanz zu Grössenvorteilen, wenn sie anführen, dass die SIX-Gruppe das Akzeptanzgeschäft auch ausserhalb der Schweiz betreibt, um eine ausreichende Anzahl an Transaktionen generieren zu können. Gewisse technische Abhängigkeiten oder Fusionsüberlegungen begünstigen sicherlich auch nicht die Umsetzung von agressiven Wettbewerbsstrategien zwischen Konkurrenten. Die geltend gemachte Begründetheit dieser Aspekte bedarf jedoch keiner abschliessenden Abklärung, weil die von den Beschwerdeführerinnen hiergegen vorgetragenen Überlegungen jedenfalls nicht geeignet sind, die vorstehend dargestellte, aus den Marktanteilen, der Marktanteilsverteilung und der Marktanteilsentwicklung sich ergebende Einschätzung einer marktbeherrschenden Stellung der SIX-Gruppe zu widerlegen.

458.  Es ist demzufolge nicht davon auszugehen, dass von Seiten der Konkurrenten im relevanten Zeitraum ein ausreichender disziplinierender Einfluss der SIX-Gruppe auf den Märkten der Kreditkartenakzeptanz ausgeübt werden konnte. Als Ergebnis ist daher festzuhalten, dass aufgrund einer Beurteilung des aktuellen Wettbewerbs von einer marktbeherrschenden Stellung der SIX-Gruppe im relevanten Zeitraum auszugehen ist.

b)            Potenzieller Wettbewerb

459.  Unter dem Gesichtspunkt des potenziellen Wettbewerbs ist nach der Wettbewerbspraxis zu untersuchen, in welchem Ausmass das jeweilige Unternehmen mittelbar einem Wettbewerbsdruck ausgesetzt ist durch die Möglichkeit, dass andere Unternehmen, die dort bislang noch nicht tätig waren, auf dem relevanten Markt als neue Konkurrenten auftreten könnten. Allein die Möglichkeit eines Markteintritts von weiteren Konkurrenten kann unter gewissen Voraussetzungen eine disziplinierende Wirkung auch auf ein Unternehmen ausüben, dem aufgrund des aktuellen Wettbewerbs eine besondere Stellung am Markt zukommt (vgl. BVGer, B-7633/2009, ADSL II, E. 334; Clerc/Këllezi, CR-Concurrence, Art. 4 II Rn. 165 f.; David/jacobs, WBR, Rn. 697; Reinert/Bloch, BSK-KG, Art. 4 Abs. 2 Rn. 342 ff.; Stäuble/Schraner, Dike-KG, Art. 4 Abs. 2 Rn. 233).

(1)          Vorbringen der Beschwerdeführerinnen

460.  Entgegen den Darlegungen in der angefochtenen Verfügung bestehen nach Auffassung der Beschwerdeführerinnen für Wettbewerber keine Expansionshindernisse von Bedeutung.

 

 

(2)          Vorbringen der Vorinstanz

461.  Die Vorinstanz stützt die angefochtene Verfügung im Wesentlichen auf die Gründe ab, die im Rahmen der Würdigung des Gerichts dargestellt werden.

(3)          Würdigung durch das Gericht

462.  Eine Berücksichtigung der Möglichkeit eines Markteintritts von weiteren Marktteilnehmern als Konkurrenten rechtfertigt sich nur dann, wenn von diesen ein spürbarer Einfluss ausgehen würde, der den Verhaltensspielraum des jeweiligen Unternehmens einzuengen und dessen Verhalten zu beeinflussen vermag. Ein spürbarer Einfluss setzt voraus, dass der Markteintritt mit hinreichender Wahrscheinlichkeit innerhalb eines absehbaren Zeitraums durch andere Unternehmen mit hinreichender Konkurrenzwirkung erfolgen würde (vgl. BVGer, B-7633/2009, ADSL II, E. 339; im Ergebnis ebenso Clerc/Këllezi, CR-Concurrence, Art. 4 II Rn. 167; David/Jacobs, WBR, Rn. 699; Reinert/Bloch, BSK-KG, Art. 4 Abs. 2 Rn. 342 f.; Stäuble/Schraner, Dike-KG, Art. 4 Abs. 2 Rn. 233; ZÄCH, Kartellrecht, Rn. 584; Fuchs/Möschel, IM-EUWBR, Art. 102 Rn. 64). Dabei ist die vergangenheitsbezogene Beurteilung eines marktmissbräuchlichen Verhaltens sachgerecht zu berücksichtigen (vgl. E. 257 f.; Stäuble/ Schraner, Dike-KG, Art. 4 Abs. 2 Rn. 238; Weber/Volz, FHB-WBR, Rn. 2.528).

(a)          Ausgangslage

463.  Eine hinreichende Wahrscheinlichkeit für den Markteintritt eines Konkurrenten ist dann gegeben, wenn aufgrund konkreter wirtschaftlicher, technischer oder sonstiger Anhaltspunkte mit einem entsprechenden Markteintritt zu rechnen ist. Hingegen stellt allein die theoretische Möglichkeit eines Markteintritts keine ausreichende Grundlage für eine solche Annahme dar (vgl. BVGer, B-7633/2009, ADSL II, E. 340; EuGH, EU:C:1974:18, Commercial Solvents, Ziff. 15; Clerc/Këllezi, CR-Con-currence, Art. 4 II Rn. 167).

464.  Im Rahmen der Feststellung, ob ausreichende konkrete Anhaltspunkte vorliegen, kommt den bestehenden Marktzutritts- und Marktaustrittsschranken besondere Beachtung zu. Dabei handelt es sich um alle Kriterien, die in Bezug auf eine erfolgreiche Etablierung des jeweiligen Produkts auf dem Markt im Einzelfall bei sachgerechter Würdigung für oder gegen die Aufnahme des Produktabsatzes im betreffenden Markt und - falls der Markteintritt nicht erfolgreich gestaltet werden kann - im Rahmen eines darauf folgenden Marktaustritts von einem Unternehmen zu berücksichtigen sind (vgl. BVGer, B-7633/2009, ADSL II, E. 341; vgl. die jeweilige Auflistung bei Clerc/Këllezi, CR-Concurrence, Art. 4 II Rn. 170 ff.; Reinert/Bloch, BSK-KG, Art. 4 Abs. 2 Rn. 311 ff.; Stäuble/Schraner, Dike-KG, Art. 4 Abs. 2 Rn. 234 ff.). Des Weiteren ist in diesem Zusammenhang auch die bisherige Entwicklung an Neueintritten auf dem Markt zu beachten.

465.  Ein absehbarer Zeitraum für einen Markteintritt liegt dann vor, wenn der Zeitpunkt der Produkteinführung auf dem relevanten Markt mit einiger Sicherheit abgeschätzt werden kann und der bis dahin verbleibende Zeitraum nicht so lang ist, dass dadurch dem potenziell marktbeherrschenden Unternehmen die Möglichkeit eröffnet wird, in dieser Zeit seinen Verhaltensspielraum noch in unangemessener Weise auszunutzen. Auch die Bestimmung der Absehbarkeit hat im Einzelfall aufgrund von dessen konkreten Umständen zu erfolgen (vgl. BVGer, B-7633/2009, ADSL II, E. 342; Clerc/Këllezi, CR-Concurrence, Art. 4 II Rn. 169 a.E.; Reinert/ Bloch, BSK-KG, Art. 4 Abs. 2 Rn. 344; Stäuble/Schraner, Dike-KG, Art. 4 Abs. 2 Rn. 233).

466.  Eine hinreichende Konkurrenzwirkung setzt voraus, dass ein oder mehrere Konkurrenten in den Markt eintreten werden, die alleine oder zusammen das Angebot auf dem relevanten Markt in einem solchen Umfang erweitern, dass die Marktgegenseite des jeweiligen Unternehmens ausreichende Ausweichmöglichkeiten erhalten. Ausreichend sind die Ausweichmöglichkeiten dann, wenn eine solche Anzahl an Marktteilnehmern die neuen Produkte erlangen kann, dass das jeweilige Unternehmen dieses Ausweichen nicht hinnehmen kann. Andernfalls besteht für das jeweilige Unternehmen keine Notwendigkeit für eine Änderung des eigenen Verhaltens, weil die Marktgegenseite mangels tatsächlich vorhandener Alternativen auch weiterhin ganz überwiegend auf die Abnahme seiner Produkte angewiesen ist (vgl. BVGer, B-7633/2009, ADSL II, E. 343; Reinert/Bloch, BSK-KG, Art. 4 Abs. 2 Rn. 344a m.w.H.; Stäuble/Schraner, Dike-KG, Art. 4 Abs. 2 Rn. 233).

(b)          Sachverhalt

467.  Im vorliegenden Sachverhalt war im relevanten Zeitraum nicht davon auszugehen, dass aufgrund des potenziellen Wettbewerbs durch neue Konkurrenten ein ausreichender disziplinierender Wettbewerbsdruck zu Lasten der SIX-Gruppe bestand.

468.  Für den Eintritt in den Markt der Kreditkartenakzeptanz bestehen erhebliche Markteintrittsschranken. Ein entsprechender Markteintritt setzt die Einrichtung einer komplexen technischen Infrastruktur voraus. Hierfür ist sowohl ein umfassendes Know-how als auch ein erheblicher finanzieller Aufwand erforderlich. Anhaltspunkte für einen absehbaren konkreten Markteintritt bestanden im relevanten Zeitraum nicht. Es fanden effektiv auch keine Markteintritte statt.

469.  Als Ergebnis ist daher festzuhalten, dass die angesichts des aktuellen Wettbewerbs bestehende marktbeherrschende Stellung der SIX-Gruppe durch den potenziellen Wettbewerb im relevanten Zeitraum nicht aufgehoben wurde.  

c)             Unternehmensstruktur

470.  Für die Beurteilung des Bestehens einer marktbeherrschenden Stellung sind auch die Merkmale des jeweiligen Unternehmens, die für oder gegen die Möglichkeit zur Ausübung eines unabhängigen Verhaltens sprechen können, zu berücksichtigen (vgl. BVGer, B-7633/2009, ADSL II, E. 350; Clerc/Këllezi, CR-Concurrence, Art. 4 II Rn. 131; David/jacobs, WBR, Rn. 697; Reinert/Bloch, BSK-KG, Art. 4 Abs. 2 Rn. 345; Stäuble/ Schraner, Dike-KG, Art. 4 Abs. 2 Rn. 251; Zäch, Kartellrecht, Rn. 584, 586 f.). Bei diesen Merkmalen handelt es sich insbesondere um Wirtschafts- und Finanzkraft, Ressourcen für Entwicklung und Forschung, Qualität von Unternehmensleitung und Personal sowie technologische Ausstattung.

(1)          Vorbringen der Beschwerdeführerinnen

471.  Die Beschwerdeführerinnen tragen vor, dass sich aufgrund der Unternehmensstruktur keine begründeten Wettbewerbsvorteile zu Gunsten der Multipay ergäben.

472.  Insbesondere sei zu beachten, dass der zu untersuchende Vorwurf sich auf eine Verhaltensweise in den Jahren 2005 und 2006 richte. Zu diesem Zeitpunkt habe Multipay noch gar nicht zur Six-Gruppe gehört, weil diese noch nicht konstituiert gewesen sei. Die Vorinstanz beurteile daher einen falschen Sachverhalt im Hinblick auf die vorgeworfene Handlung. Auch die strukturelle Änderung im Jahr 2007 sei nicht von Relevanz für die Beurteilung der Marktstellung in den Jahren 2005 bis 2006. Es lasse sich keine Rückwirkung von späteren strukturellen Entwicklungen auf die Marktstellung im relevanten Zeitraum ableiten.

473.  Es bestünde keine Berechtigung, die aktuelle Marktstellung zur Beurteilung von früheren Verhaltensweisen heranzuziehen. Dies gelte insbesondere deshalb, weil die Vorinstanz ausweislich der angefochtenen Verfügung keine Abklärungen hinsichtlich der aktuellen Marktstellung vorgenommen habe. Allein aus dem Umstand, dass die SIX-Gruppe erfolgreich sei, könne nicht abgeleitet werden, dass sich die Multipay finanziell unabhängig verhalten könne.

(2)          Vorbringen der Vorinstanz

474.  Die Vorinstanz macht insbsondere geltend, dass der Multipay aufgrund der Integration der Telekurs-Gruppe in die SIX-Gruppe angesichts der damit verbundenen Verstärkung der Finanzkraft weitere Verhaltensspielräume eröffnet worden seien.

(3)          Würdigung durch das Gericht

475.  Entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerinnen ergeben sich unter dem Gesichtspunkt der Unternehmensstruktur keine Gründe, welche die Einschätzung einer marktbeherrschenden Stellung aufgrund der Beurteilung der Marktstruktur aufheben könnten.

476.  Die Integration der Telekurs-Gruppe in die SIX-Gruppe im Jahre 2007 stellt zwar keinen Umstand dar, der in Bezug auf die Unternehmensstruktur während des relevanten Zeitraums zu berücksichtigen ist, weil die Vorinstanz nicht darlegt, dass gewisse Vorwirkungen dieser Unternehmenstransaktion zu diesem Zeitpunkt bereits vorgängig auf die Wettbewerbsverhältnisse ausgestrahlt hätten.

477.  Die Multipay war im relevanten Zeitraum ein Gruppenunternemen der Telekursgruppe, bei der es sich um eine Finanzdienstleistungsgruppe mit unterschiedlichen Geschäftsbereichen handelte, die angesichts eines Betriebsertrags in Höhe von 697,8 Mio. CHF, eines Gewinns in Höhe von 77 Mio. CHF und erheblicher Finanzressourcen über eine beachtliche Finanz- und Wirtschaftskraft verfügte.

478.  Vor diesem Hintergrund sind weder Aspekte der Unternehmensstruktur ersichtlich noch werden solche von den Beschwerdeführerinnen vorgetragen, welche die angesichts des aktuellen Wettbewerbs bestehende marktbeherrschende Stellung der SIX-Gruppe im relevanten Zeitraum aufheben würden.

d)            Stellung der Marktgegenseite

479.  Zwischen den Parteien ist streitig, ob im vorliegenden Fall eine Beurteilung der marktbeherrschenden Stellung der SIX-Gruppe durch die Möglichkeit zur Ausübung von Wettbewerbsdruck von Seiten der Marktgegenseite in relevanter Weise beeinflusst wird.

(1)          Vorbringen der Beschwerdeführerinnen

480.  Nach Auffassung der Beschwerdeführerinnen sei eine Marktbeherrschung durch die SIX-Gruppe ausgeschlossen, weil der Multipay in sämtlichen Märkten des Akzeptanzgeschäfts eine starke Marktgegenseite gegenübergestanden habe, welche erheblichen Wettbewerbsdruck hätte ausüben können. Multipay habe sich deshalb nicht unabhängig von ihren Kunden verhalten können, weshalb sie im Vergleich zu den Konkurrenten von ihren Kunden unter erheblichen Wettbewerbsdruck gesetzt werde. Die Stellung der Marktgegenseite sei daher von erheblicher Bedeutung für die Beurteilung der Marktstellung von Multipay gegenüber ihren Konkurrenten.

481.  Für die Beurteilung der Stellung der Marktgegenseite seien dabei folgende Aspekte von Bedeutung: (i) die Grösse der Nachfrager sowie deren Wichtigkeit für das untersuchte Unternehmen und (ii) die Zahl der Nachfrager und deren Organisationscharakter. Ein grosser Nachfrager habe jederzeit die Möglichkeit, gegenüber dem relevanten Unternehmen Gegenmacht auszuüben, weil er glaubwürdig mit einem Wechsel drohen könne.

482.  Fehlende Organisation oder Zersplitterung bzw. atomistische Strukturierung liessen auf eine fehlende starke Stellung der Marktgegenseite schliessen. Im vorliegenden Fall würden jedoch Branchen- und Interessenverbände, z.B. in den Bereichen Hotellerie, Gastrobetriebe, Sportgeschäfte, Apotheken sowie die Erdölvereinigung, die Interessen ihrer Mitglieder äusserst aktiv vertreten, wodurch eine erhebliche Gegenmacht aufgebaut werde. Darüber hinaus würde der Interessenverband VEZ die Tätigkeit der Kartenaussteller und Kartenakquisiteure genau untersuchen und mittels agressiver Presseberichterstattungen und Interventionen bei den Wettbewerbsbehörden erheblichen Druck ausüben. Deshalb könne sich die SIX-Gruppe diesen Vereinigungen gegenüber nicht unabhängig verhalten.

483.  Unternehmen wie Migros, Coop, Post, die SBB u.a. seien starke Marktteilnehmer, die erhebliche Nachfragemacht ausüben könnten.

484.  Im Jahr 2009 würden die grössten zehn Kunden von Multipay 65% aller Transaktionen im Bereich der domestischen Maestro-Transaktionen ausführen.

485.  Die Behauptung in der angefochtenen Verfügung, bei der Marktgegenseite handle es sich um eine "eher heterogene Gruppe mit vielen kleinen Marktteilnehmern", welche sich nur schlecht organisieren" liessen, sei daher tatsachenwidrig. Es könne demzufolge nicht von einer schlecht organisierten Marktgegenseite die Rede sein.

(2)          Vorbringen der Vorinstanz

486.  Die Vorinstanz stützt ihre Begründung in der angefochtenen Verfügung im Wesentlichen auf die Aspekte ab, die im Rahmen der Würdigung durch das Gericht angesprochen werden.

(3)          Würdigung durch das Gericht

487.  Soweit einem Unternehmen in einem relevanten Markt aufgrund der Beurteilung des aktuellen und/oder potenziellen Wettbewerbs eine marktbeherrschende Stellung zuzusprechen wäre, lässt sich fragen, ob diese Einschätzung auch unter Berücksichtigung der tatsächlichen Nachfragemacht der Marktgegenseite zu bestätigen ist. Soweit die Marktgegenseite eine hinreichende starke Stellung im Markt aufweist, könnte nämlich auch sie eine disziplinierende Wirkung auf das marktbeherrschende Unternehmen zu Gunsten aller Marktteilnehmer des relevanten Markts ausüben (vgl. Reko/Wef, RPW 2005/4, 697, Ticketcorner AG, Ziff. 5.3.5 a.E.; Clerc/Këllezi, CR-Concurrence, Art. 4 II Rn. 160 m.w.H.; David/jacobs, WBR, Rn. 697; Reinert/Bloch, BSK-KG, Art. 4 Abs. 2 Rn. 304 ff.; Stäuble/Schraner, Dike-KG, Art. 4 Abs. 2 Rn. 245; Weber/Volz, FHB-WBR, Rn. 2.529; EU-Kom, Prioritätenmitteilung, Ziff. 18; a.A. Schröter/Bartl, SJKM-EUWBR, Art. 102 Rn. 92 a.E.).

488.  Damit sich auf dem relevanten Markt ein entsprechendes Ergebnis einstellt, müsste die Marktgegenseite allerdings einen derartigen Wettbewerbsdruck aufbauen können, dass sowohl die Wettbewerber des potenziell marktbeherrschenden Unternehmens als auch die übrigen Unternehmen der Marktgegenseite von dessen fehlender Möglichkeit zu einem unabhängigen Verhalten profitieren würden. Nicht ausreichend für eine Beeinflussung im Rahmen einer Beurteilung der marktbeherrschenden Stellung ist hingegen, dass lediglich einzelne Unternehmen der Marktgegenseite über solch eine wirtschaftliche Stärke verfügen, die sie jeweils in die Lage versetzen, ihre Verhandlungspositionen gegenüber dem marktbeherrschenden Unternehmen zumindest teilweise durchzusetzen.

489.  Aus dem Vorbringen der Beschwerdeführerinnen ergeben sich keine Aspekte, die den Ausschluss der Möglichkeit zu einem unabhängigen Verhalten von Seiten der SIX-Gruppe darlegen oder gar belegen würden.

490.  Ein Verweis auf das Bestehen und die Tätigkeit von verschiedenen Branchen- bzw. Interessenverbänden ist entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerinnen (vgl. E. 482) nicht geeignet, die Möglichkeit der Ausbildung einer marktbeherrschenden Stellung zu widerlegen. Diese Ausgangslage stellt im heutigen Wirtschaftsleben einen allgemein bekannten und üblichen Parameter dar. Daraus lässt sich nicht ein zwingender Rückschluss auf den Ausschluss eines unabhängigen Verhaltens von Seiten eines Unternehmens auf einem relevanten Markt vornehmen, weil ansonsten auch die durch die Wettbewerbspraxis bereits festgestellten Fälle einer marktbeherrschenden Stellung gar nicht hätten auftreten können.

491.  Auch der allgemeine Verweis auf die Nachfragemacht einzelner bekannter Unternehmen ist entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerinnen (vgl. E. 483) nicht geeignet, die Möglichkeit der Ausbildung einer marktbeherrschenden Stellung zu widerlegen.

492.  Im Hinblick auf die spezifischen Darlegungen der Beschwerdeführerinnen zu den grössten zehn Kunden der SIX-Gruppe im Markt der Debitkartenakzeptanz (vgl. E. 484) ist im Ergebnis das Gleiche festzuhalten, und zwar ungeachtet des Umstands, dass die entsprechenden Daten der Debitkartenakzeptanz angesichts des unterschiedlichen Einsatzgebiets von Kredit- und Debitkarten (vgl. SV H.f) nicht für die Märkte der Kreditkartenakzeptanz übernommen werden können und die Beschwerdeführerinnen entsprechende Daten für die Kreditkartenakzeptanz nicht vorgelegt haben. Die von den Beschwerdeführerinnen aufgeführten Unternehmen stammen aus den Geschäftsbereichen Lebensmittel (2 Unternehmen), Transport (1), Tankstellen (4), Schuhe (1), Einrichtung (1) und Telekommunikation (1). Dabei kommt den beiden Unternehmen im Geschäftsbereich Lebensmittel ein Umsatzanteil von {20-[ ]% bzw. [ ]-30%} zu, während die übrigen acht Unternehmen lediglich Umsatzanteile von {0.5-[ . ] bis max. [ . ]-3.5% aufweisen. Dem stehen weitere Tausende von Händlern gegenüber, die eine Vertragsbeziehung mit der SIX-Gruppe im Akzetanzgeschäft aufweisen. Vor diesem Hintergrund ist weder ersichtlich, warum die genannten zehn Unternehmen tatsächlich solch einen Wettbewerbsdruck ausüben sollen, dass alle Marktteilnehmer der Marktgegenseite in gleicher Weise behandelt würden, noch lässt sich daraus ableiten, dass der Wettbewerbsdruck so hoch ist, dass sogar die Wettbewerber der SIX-Gruppe im relevanten Markt von der Marktmacht der Kunden der SIX-Gruppe profitieren würden. Von den Beschwerdeführerinnen werden denn auch keine entsprechenden konkreten Darlegungen vorgebracht.

493.  Dass ein ausreichender Wettbewerbsdruck durch die Marktgegenseite im Gesamtmarkt nicht besteht, wird im Übrigen bereits dadurch belegt, dass die Händlerkommissionen im Akzeptanzgeschäft nach der unstrittigen Feststellung der Vorinstanz in den verschiedenen Branchen unterschiedlich hoch ausgestaltet sind. Demzufolge haben offensichtlich weder alle Händler die gleiche Verhandlungsmacht, um die günstigsten Konditionen zu erlangen, noch sorgt der Wettbewerbsdruck der grössten Kunden der SIX-Gruppe dazu, dass diese gegenüber allen Händlern die gleichen Bedingungen anwenden. Vielmehr wird der nicht ausreichende Wettbewerbsdruck der Marktgegenseite dadurch bestätigt, dass mit den Bereichen {" }" und "{ }" gerade diejenigen Branchen die günstigsten Konditionen aufweisen, denen nach Ansicht der Beschwerdeführerinnen aufgrund ihrer Umsatzanteile die grösste Verhandlungsmacht zukommt.

 

e)             Zusammenfassung

494.  Zusammenfassend ist daher festzustellen, dass der SIX-Gruppe eine marktbeherrschende Stellung gemäss Art. 4 Abs. 2 KG auf dem Markt der Kreditkartenakzeptanz Mastercard und Visa im relevanten Zeitraum zukam, unabhängig davon, ob ein Gesamtmarkt wie von der angefochtenen Verfügung unterstellt oder getrennte Märkte entsprechend den Feststellung der REKO/WEF (vgl. E. 279) betrachtet werden.

4)             Markt der Debitkartenakzeptanz von Maestro

495.  Für die Beurteilung des Bestehens einer marktbeherrschenden Stellung der SIX-Gruppe auf dem Markt der Debitkartenakzeptanz von Maestro sind die Aspekte des aktuellen und des potenziellen Wettbewerbs sowie die Unternehmensstruktur und die Stellung der Marktgegenseite für die Beurteilung der marktbeherrschenden Stellung zu berücksichtigen. Für die entsprechenden allgemeinen Erläuterungen ist auf die Erwägungsgründe zum Markt für Kreditkartenakzeptanz zu verweisen (vgl. E. 438 ff., 462 ff., 475 ff., 487 ff.).

(1)          Vorbringen der Beschwerdeführerinnen

496.  Die Beschwerdeführerinnen machen zunächst allgemein diejenigen Einwände geltend, die sie bereits zur Stellung der SIX-Gruppe auf dem Markt für Kreditkartenakzeptanz von Mastercard und Visa vorgebracht haben.

497.  Darüber hinaus behaupten sie, das Debitkarten-Akzeptanzgeschäft sei stark reguliert, weil die Wettbewerbsbehörden in der Vergangenheit bereits mit Entscheiden, vorsorglichen Massnahmen und einvernehmlichen Regelungen in diesen Geschäftsbereich eingegriffen hätten. Daher sei es den Marktteilnehmern nicht mehr möglich, unabhängig von drohenden Eingriffen der Wettbewerbsbehörden ihr Marktverhalten zu bestimmen. Deswegen habe die SIX-Gruppe über keinen Handlungsspielraum mehr verfügt. Bereits aus diesem Grunde sei eine marktbeherrschende Stellung ausgeschlossen.

 

 

(2)          Vorbringen der Vorinstanz

498.  Die Vorinstanz stützt ihre Begründung in der angefochtenen Verfügung im Wesentlichen auf diejenigen Aspekte ab, die im Rahmen der Würdigung durch das Gericht dargelegt werden.

(3)          Würdigung durch das Gericht

499.  Die SIX-Gruppe weist im relevanten Zeitraum ausweislich der Feststellungen der Vorinstanz einen Marktanteil von mehr als 90% am Markt der Debitkartenakzeptanz von Maestro auf Grundlage der angefallenen Transaktionsumsätze auf. Dieser ausserordentlich hohe Marktanteil ist darauf zurückzuführen, dass die SIX-Gruppe bis zum Jahr 2005 eine Monopolstellung aufgrund einer nationalen Exklusivlizenz für die nationale ec-direkt-Karte inne hatte, die erst mit dem Übergang auf die internationale Maestro-Karte und den damit verbundenen Wegfall von Exklusivlizenzen aufgehoben wurde (vgl. SV H.e). Im Sommer 2005 begann Aduno mit dem Maestro-Akzeptanzgeschäft und im Jahr 2006 traten die beiden internationalen Kartenakquisiteure B&S und ConCardis in diesen Markt ein. Dieser Marktanteil begründet die Vermutung einer marktbeherrschenden Stellung zu Gunsten der SIX-Gruppe im relevanten Zeitraum.

500.  Der Marktanteil der Aduno als desjenigen Konkurrenten mit der zweitbesten Marktposition betrug Ende 2006 lediglich {0-[ ]-5}%, die beiden anderen Wettbewerber B&S und ConCardis hatten zu diesem Zeitpunkt noch geringfügigere Marktanteile. Der Marktanteil der SIX-Gruppe ist zum einen signifikant höher als derjenige ihrer Konkurrenten und zum anderen weist er den {25-[ ]-50}-fachen Umfang des Marktanteils des nächstbesten Konkurrenten auf. Die Marktanteilsverteilung stützt die Vermutung des Bestehens einer marktbeherrschenden Stellung der SIX-Gruppe demzufolge weiter ab.

501.  Die Marktentwicklung spricht gegen einen relevanten Abbau der bestehenden Marktposition der SIX-Gruppe. Aufgrund der Aufhebung der Exklusivitätslizenz war ein gewisser Rückgang des Marktanteils vorherzusehen. Bis Ende 2006 hatte die SIX-Gruppe allerdings nur einen minimalen Rückgang hinzunehmen. Angesichts des weiterhin ausserordentlich hohen Marktanteils hat sich dadurch jedoch keine bedeutsame Veränderung im Verhältnis der Marktanteile zwischen der SIX-Gruppe und ihren Konkurrenten ergeben.

502.  Es ist demzufolge nicht davon auszugehen, dass von Seiten der Konkurrenten im relevanten Zeitraum auf dem Markt der Debitkartenakzeptanz von Maestro ein ausreichender disziplinierender Einfluss auf die SIX-Gruppe ausgeübt werden konnte. Als Ergebnis ist daher festzuhalten, dass aufgrund einer Beurteilung des aktuellen Wettbewerbs von einer marktbeherrschenden Stellung der SIX-Gruppe im relevanten Zeitraum auszugehen ist.

503.  Unter dem Aspekt des potenziellen Wettbewerbs ergibt sich keine andere Einschätzung. Während des relevanten Zeitraums war aufgrund der vorstehend aufgeführten Kriterien (vgl. E. 462 ff.) weder die Annahme gerechtfertigt, wonach ein Markteintritt von weiteren Konkurrenten dazu führen würde, dass sich die SIX-Gruppe nicht mehr unabhängig verhalten können werde, noch die Vorstellung begründet, dass die Einführung der neuen Debitkarte V Pay durch Visa in der Schweiz zu einem Wettbewerbsdruck auf dem Markt der Debitkartenakzeptanz von Maestro führen würde. Dies wird durch die tatsächliche Entwicklung bestätigt. Bis zum Jahr 2008 hatte Aduno lediglich einen Marktanteil von {5-[ ]-10}% erwerben können, die beiden anderen Wettbewerber wiesen auch zu diesem Zeitpunkt noch keinen beachtenswerten Marktanteil auf. Während die SIX-Gruppe die Anzahl an Händlern mit einem Maestro-Akzeptanzvertrag bis zum Jahr 2008 um annähernd {25-[ ]-35}% ausbauen konnte, musste Aduno sogar wieder einen Rückgang an Händlern mit einem Maestro-Akeptanzvertrag verzeichnen. Die Debitkarte V Pay wurde sogar erst im Jahr 2014 in der Schweiz eingeführt.

504.  Die Berücksichtigung der Unternehmensstruktur der SIX-Gruppe führt entsprechend den Ausführungen zur Kreditkartenakzeptanz (vgl. E. 477) ebenfalls nicht zu einer anderen Einschätzung.

505.  Gleiches gilt für die Beurteilung des Einflusses der Marktgegenseite, wie dies vorstehend zum Markt der Kreditkartenakzeptanz dargelegt wurde (vgl. E. 487 ff.).

506.  Der von den Beschwerdeführereinnen geltend gemachte Einwand (vgl. E. 497), wonach der Handlungsspielraum der SIX-Gruppe durch die regulatorischen Eingriffe der Wettbewerbsbehörde völlig eingeschränkt sei, ist von vornherein unbehelflich. Denn beim Markt des Akzeptanzgeschäfts handelt es sich nicht um einen Markt, für den eine besondere staatliche Regulierung im Sinne von Art. 3 Abs. 1 KG besteht. Die Durchsetzung des Kartellgesetzes erfasst alle nicht regulierten Wirtschaftsbereiche in gleicher Weise und führt offensichtlich nicht zu einer Einschränkung der Handlungsfreiheit der Unternehmen, weil kartellrechtswidrige Handlungen von vornherein gar keine rechtmässige Handlungsoption für ein Unternehmen darstellen.

507.  Zusammenfassend ist daher festzustellen, dass der SIX-Gruppe eine marktbeherrschende Stellung gemäss Art. 4 Abs. 2 KG auf dem Markt der Debitkartenakzeptanz Maestro im relevanten Zeitraum zukam.

5)             Ergebnis

508.  Für den relevanten Zeitraum zwischen Juli 2005 und Januar 2007 ist die SIX-Gruppe auf den Märkten der Kreditkartenazkeptanz Mastercard und Visa sowie der Debitkartenakzeptanz Maestro als marktbeherrschendes Unternehmen gemäss Art. 4 Abs. 2 KG zu qualifizieren.

VII.        Unzulässige Verhaltensweise

509.  Eine unzulässige Verhaltensweise gemäss Art. 7 Abs. 1 KG liegt vor, wenn ein marktbeherrschendes Unternehmen durch den Missbrauch seiner Stellung auf dem relevanten Markt andere Unternehmen in der Aufnahme oder Ausübung des Wettbewerbs behindert oder die Marktgegenseite benachteiligt. Entsprechende Beispiele für solche Verhaltensweisen werden zur Verdeutlichung in Art. 7 Abs. 2 KG ausdrücklich aufgeführt.

1)             Formen des unzulässigen Verhaltens

510.  Ein missbräuchliches Verhalten gemäss Art. 7 KG umfasst alle denkbaren Verhaltensweisen von marktbeherrschenden Unternehmen, welche volkswirtschaftlich schädliche Effekte aufweisen oder die wirtschaftliche Freiheit von anderen Unternehmern einschränken (vgl. BGE 139 I 72, Publigroupe, E. 10.1.2; BGE 129 II 18, Buchpreisbindung I, E. 5.2.1; BGer, 17.6.2003, 2A.520/2002, Entreprises Electriques Fribourgoise [EEF] gg. Watt Suisse, Weko u.a., publ. in: BGE 129 II 497, E. 6.4.2). Solche Verhaltensweisen richten sich überwiegend als sog. Behinderungsmissbrauch gegen andere Wettbewerber oder als sog. Ausbeutungs- bzw. Benachteiligungsmissbrauch gegen die jeweilige Marktgegenseite, d.h. Abnehmer bzw. Lieferanten des marktbeherrschenden Unternehmens (vgl. BGE 139 I 72, Publigroupe, E. 10.1.1; BVGer, B-7633/2009, ADSL II, E. 388). Da wirtschaftliche Verhaltensweisen sowohl einen behindernden als auch einen benachteiligenden Charakter aufweisen können, bedarf es keiner strengen Abgrenzung der beiden Missbrauchstypen (vgl. BGE 139 I 72, Publigroupe, E. 10.1.1; BVGer, B-7633/2009, ADSL II, E. 388). Die Beurteilung der Wettbewerbswidrigkeit eines bestimmten Verhaltens ist für jeden Einzelfall danach vorzunehmen, ob die infolge einer Behinderung oder Benachteiligung eingetretene Wettbewerbsverfälschung sich durch sachlich angemessene Gründe rechtfertigen lässt oder nicht (vgl. BGE 139 I 72, Publigroupe, E. 10.1.2; BGE 129 II 497, EEF, E. 6.5.1; BVGer, B-7633/2009, ADSL II, E. 388). Massstab für die Beurteilung bildet dabei die ausreichende Gewährleistung eines wirksamen Wettbewerbs, die sowohl den Institutionenschutz als auch den Individualschutz umfasst (vgl. BGE 139 I 72, Publigroupe, E. 10.1.2; BGE 129 II 497, EEF, E. 6.4.2; BGE 129 II 18, Buchpreisbindung I, E. 5.2.1; BVGer, B-7633/2009, ADSL II, E. 388). Dies bedeutet, dass der Schutz des Wettbewerbs gemäss Art. 7 KG nicht nur darauf ausgerichtet ist, Endverbraucher vor einem unmittelbaren Schaden durch ein missbräuchliches Verhalten zu bewahren, sondern er umfasst angesichts der dominanten Stellung des marktbeherrschenden Unternehmens auch allgemein die Sicherstellung von sachgerechten Wettbewerbsbedingungen zur Aufrechterhaltung oder Ausbildung eines ausreichenden Wettbewerbs auf allen durch das jeweilige Verhalten beeinflussten Märkten (vgl. BVGer, B-7633/2009, ADSL II, E. 388). Angesichts dessen, dass der Wettbewerb durch die marktbeherrschende Stellung eines Unternehmens bereits eingeschränkt ist, kommt diesem eine besondere Verantwortung dafür zu, dass der Wettbewerb keine weitere Beeinträchtigung durch seine Verhaltensweisen erfährt, die nicht den Mitteln eines ordnungsgemässen Leistungswettbewerbs entsprechen (vgl. E. 1119 m.w.H.; BGE 139 I 72, Publigroupe, E. 10.1.1; BVGer, B-7633/2009, ADSL II, E. 388). Daraus ergibt sich, dass einem marktbeherrschenden Unternehmen einzelne wirtschaftliche Verhaltensweisen untersagt sein können, die nicht zu beanstanden wären, wenn sie von einem Unternehmen ohne marktbeherrschende Stellung vorgenommen würden (vgl. E. 1120 m.w.H.; BVGer, B-7633/2009, ADSL II, E. 388).  

511.  Um die Transparenz und Kohärenz einer wettbewerbsrechtlichen Beurteilung zu gewährleisten, wurden von Praxis und Literatur bestimmte Missbrauchsformen als Fallgruppen bestimmter missbräuchlicher Verhaltensweisen ausgearbeitet, von denen die am häufigsten auftretenden Missbrauchsformen als sog. Regelbeispiele in Art. 7 Abs. 2 KG ausdrücklich abgebildet werden. Im Einzelfall kann ein konkretes wirtschaftliches Verhalten aber auch den Tatbestand verschiedener Missbrauchsformen verwirklichen (vgl. E. 522 ff. m.w.H.; BGE 139 I 72, Publigroupe, E. 10.1.1 a.E.; vgl. auch die Darstellung mit zahlreichen Beispielen bei Eilmannsberger Thomas/Bien Florian, in: Bornkamm/Montag/Säcker [Hrsg.], Münchener Kommentar, Europäisches und Deutsches Wettbewerbsrecht, Bd. 1 - Europäisches Wettbewerbsrecht, 2. Aufl. 2015, zit. MüK-EuWBR, Art. 102 Rn. 630 f.). Ein wirtschaftliches Verhalten kann aber auch verschiedene Tatbestandsmerkmale unterschiedlicher Fallgruppen bzw. Regelbeispiele erfüllen. Diese Verhaltensweisen sind je nach inhaltlicher Gewichtung ihrer Handlungsakte grundsätzlich einem Regelbeispiel des Art. 7 Abs. 2 KG oder als eigenständige Fallgruppe der Generalklausel des Art. 7 Abs. 1 KG zuzuordnen (vgl. BVGer, B-7633/2009, ADSL II, E. 388).

512.  Im Rahmen der rechtlichen Beurteilung eines marktmissbräuchlichen Verhaltens durch ein marktbeherrschendes Unternehmen in einem behördlichen oder gerichtlichen Kartellverfahren mit oder ohne Sanktionierung ist die Wettbewerbspraxis der Europäischen Union prinzipiell rechtsvergleichend mit Ausnahmevorbehalt zu berücksichtigen (vgl. ausführlich BVGer, B-7633/2009, ADSL II, E. 167 ff.; grundlegend BGE 139 I 72, Publigroupe, E. 8.2.3; für vertikale Wettbewerbsabreden nunmehr BGE 143 II 297, Gaba, E. 5.4.2; noch zurückhaltend BGE 137 II 199, Terminierung Mobilfunk, E. 4.3.1 f.; Kubli Linda, Zum Grundsatz der Parallelität im Kartellrecht - eine rechtsvergleichende Auslegung, AJP 2018, 199). Denn die Ausgestaltung des materiellen schweizerischen Kartellgesetzes - und dabei insbesondere diejenige von Art. 7 KG - orientiert sich seit der Revision des Kartellgesetzes im Jahr 1995 an den Vorschriften des EU-Wettbewerbsrechts. Hierdurch lassen sich die auf europäischer Ebene bereits gewonnenen Erkenntnisse über die Beurteilung eines bestimmten wirtschaftlichen Verhaltens zur Herstellung von Rechtssicherheit für das schweizerische Recht nutzen (vgl. Botschaft KG 2004, 2041). Dies dient letztlich auch der schweizerischen Wirtschaft, die eine starke Vernetzung mit dem EU-Binnenmarkt aufweist (vgl. Botschaft KG 1995, 530). Dies bedeutet, dass im Einzelfall ungeachtet der autonomen Auslegung des schweizerischen Kartellgesetzes auch die einschlägige EU-Wettbewerbspraxis mit zu berücksichtigen ist (in diesem Sinne sind die im Urteil aufgeführten Verweise auf Rechtsprechung und Literatur zum EU-Wettbewerbsrecht zu verstehen). Die konkreten Umstände des Einzelfalls sowie besondere tatsächliche nationale Eigenheiten können deren Berücksichtigung dabei einerseits auch ausschliessen (vgl. BGE 143 II 297, Gaba, E. 6.2.3 a.E.; BGE 139 I 72, Publigroupe, E. 8.2.3; BGE 137 II 199, Terminierung Mobilfunk, E. 4.3.1 f.) oder andererseits gerade verlangen (vgl. BGE 143 II 297, Gaba, E. 6.2.3, wonach der Gesetzgeber "ohne rechtstechnisch gleich vorzugehen, eine materiell identische Regelung zwischen Art. 5 Abs. 4 KG und dem EU-Wettbewerbsrecht in Bezug auf vertikale Abreden" habe herstellen wollen).

2)             Missbrauchsformenübergreifende Sach- und Rechtsfragen

513.  Die Vorinstanz hat im Rahmen der angefochtenen Verfügung festgestellt, dass der Sachverhalt die Tatbestände von mehreren Regelbeispielen des Art. 7 Abs. 2 KG verwirklicht.

514.  Die Beschwerdeführerinnen haben im Rahmen ihrer Vorbringen zu diesen Tatbestandsvarianten verschiedene tatsächliche und rechtliche Aspekte in gleicher oder ähnlicher Weise vorgebracht, mit denen die fehlende Wettbewerbswidrigkeit des Verhaltens der SIX-Gruppe dargelegt oder zumindest eine ausreichende sachliche Rechtfertigung des Verhaltens belegt werden sollte.

515.  Diese Einwände der Beschwerdeführerinnen sind im Sinne einer übergreifenden Prüfung zu den einzelnen Missbrauchsformen vorab zu beurteilen.

a)             Fehlende Verwirklichung verschiedener Fallgruppen

516.  Zwischen den Parteien ist streitig, ob ein Sachverhalt mehrere Missbrauchsformen erfüllen kann oder nicht.

(1)          Vorbringen der Beschwerdeführerinnen

517.  Nach Ansicht der Beschwerdeführerinnen könne nicht ernsthaft angenommen werden, dass ein relativ einfacher Sachverhalt wie die Verweigerung von Schnittstelleninformationen dazu führe, dass neben der Generalklausel von Art. 7 Abs. 1 KG weite Teile des Beispielskatalogs von Art. 7 Abs. 2 KG anwendbar sein sollen.

518.  Die Vermischung von allgemeineren mit spezielleren Tatbeständen belege, dass der Kartellrechtsverstoss im Sinne des Legalitätsprinzips nicht sauber definiert werden könne. Die Begründung der angefochtenen Verfügung vermöge denn auch keine Behinderung der Wettbewerber darzulegen.

519.  Bei dem Verhalten handle es sich um eine blosse Übergangsproblematik, weil einer Lizenzierung nach Abschluss der Test- und Zertifizierungsphase nichts mehr im Wege gestanden habe. Die Vorenthaltung des Verkaufs von Zahlungskartenterminals mit einer bestimmten Funktion habe nämlich nur einen beschränkten Zeitraum von einigen Monaten gedauert.

520.  Nach Ansicht der Beschwerdeführerinnen könne der Diskriminierungstatbestand nicht parallel zum Tatbestand der Geschäftsverweigerung zur Anwendung gelangen. Denn die Geschäftsverweigerung werde im Grundsatz in den meisten Fällen gleichzeitig auch eine Diskriminierung darstellen, weil entweder ein Drittunternehmen oder ein internes Unternehmen einen Input geliefert bekomme, welcher einem anderen Unternehmen nicht zur Verfügung gestellt werde. Umgekehrt sei jedoch nicht jede Diskriminierung von Handelspartnern gleichzeitig auch eine Geschäftsverweigerung. Demnach sei Art. 7 Abs. 2 lit. a KG als Spezialtatbestand gegenüber Art. 7 Abs. 2 lit. b KG anzusehen. Eine vorübergehende Verweigerung der Lizenzierung von Schnittstelleninformationen, die nicht als Geschäftsverweigerung zu qualifizieren sei, könne demzufolge auch keine Diskriminierung darstellen.

(2)          Vorbringen der Vorinstanz

521.  Die Vorinstanz stützt sich im Wesentlichen auf die Gründe ab, die im Rahmen der nachfolgenden Würdigung durch das Gericht dargestellt werden.

(3)          Würdigung durch das Gericht

522.  Nach ganz überwiegender Auffassung in Praxis und Literatur kann ein bestimmtes wirtschaftliches Verhalten sowohl den Tatbestand mehrerer Regelbeispiele von Art. 7 Abs. 2 KG als auch den Tatbestand eines Regelbeispiels und eine Fallgruppe der Generalklausel gemäss Art. 7 Abs. 1 KG erfüllen (vgl. BGE 139 I 72, Publigroupe, E. 10.1.1; BVGer, B-7633/2009, ADSL II, E. 388; Stäuble/Schraner, Dike-KG, Art. 7 Rn. 49; Weber/Volz, FHB-WBR, Rn. 2.778; Bulst, EU-WBR, Art. 102 Rn. 8; Eilmannsberger/Bien, MüK-EuWBR, Art. 102 Rn. 630 f.; Schröder/Bartl, SJKM-EUWBR, Art. 102 Rn. 174). Dies ergibt sich schon allein daraus, dass ein bestimmtes wirtschaftliches Verhalten sowohl auf die Behinderung von Konkurrenten als auch auf die Benachteiligung von Geschäftspartnern ausgerichtet sein kann und demzufolge unterschiedliche Missbrauchsformen der beiden Missbrauchstypen verwirklicht werden. Dies gilt unabhängig davon, ob es sich um einen einfachen oder einen komplexen Sachverhalt handelt.

523.  Daher ist der gegenteilige generelle Einwand der Beschwerdeführerinnen (vgl. E. 517) unbeachtlich.

524.  Soweit ein wirtschaftliches Verhalten mehrere Tatbestände der Generalklausel gemäss Art. 7 Abs. 1 KG oder der Regelbeispiele gemäss Art. 7 Abs. 2 KG potenziell erfüllt, ist jede Missbrauchsform für sich und unabhängig von den anderen Missbrauchsformen zu prüfen (vgl. EuGH, 17.2.2011, C-52/09, Konkurrensverket gg. TeliaSonera Sverige AB u.a., EU:C:2011:83, zit. TeliaSonera, Ziff. 57 f.; EuG, 23.10.2003, T-65/98, Van den Bergh Foods Ltd. gg. EU-Kom, EU:T:2003:281, zit. Van den Bergh Foods, Ziff. 161; Bulst, EU-WBR, Art. 102 Rn. 8 m.w.H.). Erfüllt ein wirtschaftliches Verhalten die Tatbestandsmerkmale einer Missbrauchsform, ist es als wettbewerbswidrig zu qualifizieren, ohne dass auch die Tatbestandsvoraussetzungen der übrigen Missbrauchsformen vorliegen müssen, weshalb letztere auch keiner Prüfung bedürfen. Insbesondere ist es unerheblich, ob auch eine Missbrauchsform mit allenfalls strengeren Tatbestandsvoraussetzungen erfüllt ist (vgl. Bulst, EU-WBR, Art. 102 Rn. 8).

525.  Aus diesen Gründen ist der gegenteilige Einwand der Beschwerdeführerinnen (vgl. 518), wonach aus der Anwendung verschiedener Tatbestände abgeleitet werden könne, dass sich ein wettbewerbswidriges Verhalten nicht bestimmen lasse, ebenfalls unbeachtlich.

526.  Die vorstehend genannten Grundsätze gelten auch im Hinblick auf die Missbrauchsformen einer Geschäftsverweigerung gemäss Art. 7 Abs. 2 lit. a KG und einer Diskriminierung gemäss Art. 7 Abs. 2 lit. b KG. Soweit anerkannt wird, dass eine Diskriminierung auch bereits durch eine selektiv angewendete Ablehnung von Geschäftsbeziehungen gegenüber anderen Wirtschaftsteilnehmern verwirklicht werden kann (vgl. Sekretariat, RPW 1997/2, 138, Post PTT-Adressaktualisierungen, Ziff. 15 ff.; Amstutz/Carron, BSK-KG, Art. 102 Rn. 108; Weber/Volz, FHB-WBR, Rn. 2.779; a.A. Clerk, CR-Concurrence, Rn. 121), stellt sich für den Einzelfall die Möglichkeit einer gleichzeitigen Verwirklichung der beiden Regelbeispiele ein (vgl. Eilmannsberger/Bien, MüK-EuWBR, Art. 102, Rn. 630). Dabei ergibt sich entgegen dem Einwand der Beschwerdeführerinnen (vgl. E. 520) kein Anwendungsvorrang des Regelbeispiels der Diskriminierung, der eine Anwendung des Regelbeispiels der Geschäftsverweigerung ausschliessen würde (a.A. Amstutz/Carron, BSK-KG, Art. 102 Rn. 108; Weber/Volz, FHB-WBR, Rn. 2.779). Da die Verwirklichung der Missbrauchsform einer Geschäftsverweigerung nachfolgend bejaht wird (vgl. E. 1250), bedarf es keiner darüber hinausgehenden Abklärung, ob das in Frage stehende Verhalten auch die Missbrauchsform einer Diskriminierung erfüllt oder nicht (vgl. E. 1424 f.). Im Übrigen ergibt sich bei den vorstehend genannten Ansichten, welche einerseits einen Anwendungsvorrang des Regelbeispiels der Diskriminierung gegenüber dem Regelbeispiel der Geschäftsverweigerung propagieren und andererseits für die Verwirklichung einer Geschäftsverweigerung als zwingendes Tatbestandsmerkmal eine Wettbewerbsbeseitigung voraussetzen (vgl. E. 1153) ein inhaltlicher Widerspruch. Denn eine vollständige Ausschaltung des Wettbewerbs auf dem jeweiligen, gegebenenfalls nachgelagerten Markt schliesst ein Verbleiben von Konkurrenten auf diesem Markt aus, weshalb eine Ungleichbehandlung von Konkurrenten durch das marktbeherrschende Unternehmen neben einer Geschäftsverweigerung gar nicht erfolgen könnte.

527.  Die Einwendung der Beschwerdeführerinnen, es habe sich im vorliegenden Fall nur um eine wettbewerbsrechtlich zulässige Übergangsproblematik gehandelt (vgl. E. 519), wird durch die nachfolgenden Abklärungen zur Bedeutung der von den Beschwerdeführerinnen geltend gemachten Test- und Re-Zertifizierungsphasen inhaltlich widerlegt (vgl. E. 686 ff.).

b)            Kartellrechtliche Behandlung von Schnittstelleninformationen

528.  Zwischen den Parteien ist strittig, welche urheberrechtliche Qualifikation Schnittstellen zukommt und welche Auswirkungen sich daraus auf die Anwendbarkeit des Kartellgesetzes angesichts des Immaterialgüterrechtsvorbehalts gemässs Art. 3 Abs. 2 KG sowie auf die kartellrechtliche Beurteilung einer Verweigerung der Offenlegung von Schnittstelleninformationen ergeben. Inhalt und Tragweite des Immaterialgüterrechtsvorbehalts für den vorliegenden Sachverhalt sind unter Berücksichtigung der massgeblichen materiellen Aspekte vorzunehmen (vgl. E. 88). Hierbei ist die Unterscheidung zwischen der formell-rechtlichen Abgrenzung des sachlichen Anwendungsbereichs des Kartellgesetzes einerseits und der materiell-rechtlichen Überprüfung der jeweiligen Sachverhalte andererseits zu beachten.

(1)          Vorbringen der Beschwerdeführerinnen

529.  Die Beschwerdeführerinnen machen geltend, dass das Kartellgesetz aufgrund des Immaterialgüterrechtsvorbehalts gemäss Art. 3 Abs. 2 KG auf den vorliegenden Sachverhalt nicht anwendbar sei.

530.  Ungeachtet dessen sei das Verhalten der SIX-Gruppe jedenfalls deshalb nicht kartellrechtswidrig, weil sie angesichts einer Gruppengesellschaft als Rechtsinhaberin eines urheberrechtlichen Schutzes an den DCC-Schnittstellen nicht zur Herausgabe von Informationen über diese DCC-Schnittstellen verpflichtet gewesen sei. 

531.  Die Beschwerdeführerinnen behaupten, dass sich die grundsätzliche Schutzfähigkeit von Schnittstellen klar aus Art. 21 URG und Art. 17 URV ergäbe. Würde es sich bei Schnittstellen um gemeinfreie Teile handeln, wäre eine solche gesetzliche Regelung der Dekompilierung überflüssig.

532.  Auf jeden Fall würden Schnittstellen aber als Teile des Computerprogramms an dessen Schutz teilhaben. Im vorliegenden Sachverhalt geniesse das Computerprogramm für die Abwicklung und Bearbeitung der DCC-Funktion ohne Zweifel urheberrechtlichen Schutz. Entsprechend seien auch die DCC-Schnittstellen als Teil der DCC-Funktion geschützt.

533.  Zudem seien die Voraussetzungen von Art. 21 URG auf jeden Fall - d.h. nicht nur dann, wenn die Schnittstellen selbst urheberrechtlichen Schutz geniessen - einzuhalten. Denn die in Art. 21 URG und Art. 17 Abs. 3 URV vorgesehene Dekompilierung sei eine Schranke des Urheberrechts am Computerprogramm selbst.

534.  In diesem Zusammenhang bringen die Beschwerdeführerinnen vor, dass die Schrankenbestimmung in Art. 21 URG zwar dazu diene, die Herstellung von kompatiblen Programmen und damit einen Wettbewerb für interoperable Drittsoftware zu ermöglichen. Dies umfasse jedoch nicht die Herstellung von konkurrenzierenden Programmen.

535.  Ungeachtet dessen könne aus Art. 21 URG keine Pflicht zur Bekanntgabe der Schnittstelleninformationen durch den Urheber abgeleitet werden. Vielmehr bestehe allenfalls ein Recht des Entwicklers eines Zweitprogramms, sich die Informationen selbst zu beschaffen. Die Beschwerdeführerinnen hätten sich daher die Schnittstelleninformationen mittels einer Dekompilierung selbst beschaffen können bzw. müssen.

536.  Die Offenlegung der DCC-Schnittstelleninformationen habe zudem zu einer blossen Kopie eines bereits bestehenden Produkts und nicht zu einer Entwicklung ergänzender Produkte geführt. Die anderen Terminalhersteller hätten keine ergänzenden Produkte zur DCC-Funktion der Card Solutions, sondern die identische DCC-Funktion anbieten wollen. Die angestrebte Leistung gehe demnach nicht über die Nachahmung der schon bestehenden Funktion von Card Solutions hinaus und sei mit ihr identisch. Dies diene weder dem Markt noch den Kunden.

537.  Überdies seien die von der Vorinstanz im Zusammenhang mit der Marktverschliessung durch technische Behinderung aufgeführten internationalen Leitentscheide AT&T (Hush-A-Phone v. United States, 238 F.2d 266 [D.C. Cir. 1956]; Carterphone (Federal Communications Commission, 13 F.C.C.2d 420 [1968]), IBM (EU-Kom, Vierzehnter Bericht über die Wettbewerbspolitik 1984, 1985, Rz. 94 f.) sowie Microsoft (EU-Kom, 24.3.2004, Comp/C-3/37.792) nicht einschlägig. So sei insbesondere in den Entscheiden IBM und Microsoft den Unternehmen vorgeworfen worden, die Interoperabilität mit einem marktbeherrschenden Produkt zu verhindern. Demgegenüber beschränke sich die vorliegende Frage auf die Schnittstelleninformationen hinsichtlich der Funktionalität für eine Zusatzdienstleistung der Card Solutions, bei der gerade keine marktbeherrschende Stellung bestehe. 

(2)          Vorbringen der Vorinstanz

538.  Die Vorinstanz bringt demgegenüber vor, dass sich die Statuierung der Dekompilierung in Art. 21 URG nicht aus einer Notwendigkeit eines Schutzes von Schnittstellen ergebe, sondern aus der Notwendigkeit des Schutzes von Programmcodes, in die bei einer Dekompilierung eingegriffen werden müsse. Bereits daraus lasse sich ableiten, dass Schnittstellen selbst urheberrechtlich nicht geschützt seien.

539.  Selbst dann, wenn für Schnittstellen ein urheberrechtlicher Schutz zu bejahen wäre, ergäbe sich dennoch kein Anwendungsvorbehalt zu Lasten des Kartellrechts, weil allein Schnittstelleninformationen und nicht Schnittstellen in Frage stünden. Schnittstelleninformationen, die den Schnittstellen zu Grunde liegen und die von anderen Terminalherstellern zur Schaffung ihrer eigenen Schnittstellensequenzen in ihrer eigenen Terminalsoftware angefordert würden, seien urheberrechtlich gar nicht erst schutzfähig.

540.  Die Vorinstanz ist demzufolge der Ansicht, dass der Inhalt des Urheberrechts einer kartellrechtlichen Pflicht zur Bekanntgabe von Schnittstelleninformationen nicht entgegenstehen könne. 

541.  Unabhängig von der Frage der urheberrechtlichen Schutzfähigkeit von Schnittstellen und Schnittstelleninformationen würde der vorliegende Sachverhalt über den Schutzzweck des Urheberrechts hinausgehen. So zeige insbesondere die Schrankenbestimmung von Art. 21 Abs. 2 URG, dass das Immaterialgüter- und das Kartellrecht nicht im Konflikt zueinander stünden, sondern letztlich dieselben Ziele verfolgten. Denn das Ziel der Dekompilierung sei letztlich die Ermöglichung von Wettbewerb im Bereich der Soft- und Hardwareanbieter. Dafür müsse die Interoperabilität zwischen den verschiedenen Softwareprodukten zwingend gewährleistet sein. Der vorliegende Sachverhalt falle daher nicht unter den Immaterialgüterrechtsvorbehalt gemäss Art. 3 Abs. 2 KG.

542.  Und selbst wenn von urheberrechtlich geschützten Rechtspositionen zur Herstellung einer Interoperabilität auszugehen wäre, so sei die konkrete Informationsverweigerung nicht ausschliesslich auf die Ausübung des Urheberrechts zurückzuführen, sondern primär auf die marktbeherrschende Stellung der Beschwerdeführerinnen.

(3)          Würdigung durch das Gericht

543.  Für die Beurteilung eines Anwendungsvorrangs des Immaterialgüterrechts gemäss Art. 3 Abs. 2 KG bei Schnittstelleninformationen für EDV-Plattformen zur Herstellung der Interoperabilität mit EDV-Geräten liegt keine höchstrichterliche Rechtsprechung vor. Zur Feststellung, ob Wettbewerbswirkungen vorliegen, die in den Anwendungsbereich des Kartellgesetzes fallen, bedarf es daher einer Abwägung der für diese Konstellation massgeblichen immaterialgüterrechtlichen und wettbewerblichen Aspekte (vgl. E. 88 f.).

544.  Voraussetzung für eine entsprechende Abwägung stellt dabei das Vorhandensein eines rechtmässigen Immaterialgüterrechts dar. Vorliegend wird von den Beschwerdeführerinnen ein Urheberrecht sowohl an der DCC-Funktion als auch der DCC-Schnittstelle geltend gemacht.

545.  Zur Beurteilung der von den Parteien vorgebrachten Einwände bedürfen für diese Abwägung verschiedene Aspekte zunächst der Klärung: (i) Funktion und Bedeutung von Schnittstellen und Schnittstelleninformationen (vgl. E. 546 ff.); (ii) Zweck und Schutzumfang der urheberrechtlichen Regelungen in Art. 10, 12 und 21 URG (vgl. E. 557 ff.); (iii) Voraussetzungen eines Urheberrechts an Schnittstellen (vgl. E. 570 ff.); (iv) Voraussetzungen einer Dekompilierung gemäss Art. 21 URG (vgl. E. 580 ff.); (v) Bestehen einer urheberrechtlichen Pflicht zur Offenlegung von Schnittstelleninformationen (vgl. E. 604 ff.). Aufgrund dieser Abklärung sind danach anhand der konkreten Feststellungen zum gegenseitigen Verhältnis von Kartell- und Urheberrecht allfällige konkrete Auswirkungen auf die materiellrechtliche Beurteilung zu bestimmen (vgl. E. 609 ff.).

(a)          Schnittstellen und Schnittstelleninformationen

546.  Ein Kartenzahlungssystem unter Einsatz von POS-Terminals sowie Zahlungskarten mit Magnetstreifen, Chips oder sonstigen Sicherheitskomponenten baut im Wesentlichen auf einem System der elektronischen Datenverarbeitung (nachfolgend: EDV) auf. Die massgebliche Grundlage für die Beurteilung einer urheberrechtlichen Schutzfähigkeit der DCC-Schnittstellen zur Anbindung von POS-Terminals an die jeweiligen Akzeptanz-Plattformen bildet demzufolge die Beurteilung der urheberechtlichen Schutzfähigkeit von Schnittstellen in EDV-Systemen.

547.  Unabhängig von ihrer Grösse und ihrem Zweck setzen EDV-Systeme jeweils eine Infrastruktur voraus, die aus verschiedenen Komponenten in Gestalt von Computerprogrammen bzw. Software, wie z.B. Betriebssystemen, Anwendungs- und Funktionsprogrammen, sowie Einzelgeräten bzw. Hardware, wie z.B. Computern, Bildschirmen, Lesegeräten und Servern, besteht sowie allenfalls auch sog. Plattformen - die umgangssprachlich eine übergeordnete, d.h. über Einzelgeräte hinausgehende Zusammenfassung von Hard- und Software zum Anschluss von Einzelgeräten als Satelliten innerhalb eines Netzes zur Datenverarbeitung darstellen - umfasst.

548.  Um die vorgesehene Datenverarbeitung durchzuführen, bedarf es der Interoperabilität, d.h. einer wechselseitigen Interaktion zwischen den verschiedenen Komponenten eines EDV-Systems (vgl. SV F.c). Hierzu müssen technische Verbindungen in Form von Leitungen oder Funktechnik aller Arten zwischen den einzelnen Komponenten innerhalb eines Geräts oder einer Plattform sowie eine Vernetzung zwischen einer Plattform und den angebundenen Geräten hergestellt werden. An den Übergängen der jeweiligen Verbindung bzw. Vernetzung befinden sich die Hardware-Schnittstellen als technische Verbindung des elektronischen Datenverkehrs und zudem die Software-Schnittstellen als elektronische Verbindung der Computerprogramme, wobei der Begriff "Schnittstellen" nachfolgend ausschliesslich letztere umfasst. Zur Herstellung der Verbindung müssen die Schnittstellen entweder besondere Computerprogramme in Form von eigenständigen Funktionsprogrammen aufweisen oder als besondere Teile von Computerprogrammen ausgestaltet sein (vgl. Neff
Emil F./Arn Matthias, in: von Büren/David [Hrsg.], Schweizerisches Immaterialgüter- und Wettbewerbsrecht, Band 2, 2. Teilband Urheberrecht im EDV-Bereich, 1. Teil Urheberrechtlicher Schutz der Software, 1998, zit. SIWR II/2, 302; Staffelbach Oliver, Die Dekompilierung von Computerprogrammen, 2003, zit. Dekompilierung, 70 f.), mit denen die gegenseitige Interaktion der zugehörigen EDV-Komponenten durch eine gleichförmige Transformation des jeweiligen Informationsflusses ermöglicht wird. Die Schnittstellenspezifikationen umfassen als Schnittstelleninformationen Art und Aufbau des Informationsflusses der jeweiligen Schnittstelle, insbesondere die funktions- und sicherheitstechnische Ausgestaltung und Anordnung der am Übergang anzuliefernden bzw. abzunehmenden Daten. Aufgrund der Kenntnis der jeweiligen Schnittstelleninformationen können die einzelnen Hersteller die Interoperabilität ihrer EDV-Komponenten sicherstellen.

549.  Diese allgemeine Charakterisierung von Schnittstellen und Schnittstelleninformationen entspricht deren Definition in Bezug auf Computerprogramme im Urheberrecht der Schweiz (Bundesgesetz über das Urheberrecht und verwandte Schutzrechte vom 1.6.1993, zit. Urheberrechtsgesetz, URG, SR 231.1; Verordnung über das Urheberrecht und verwandte Schutzrechte vom 26. April 1993, zit. Urheberrechtsverordnung, URV, SR 231.11) und der Europäischen Union (Richtlinie 2009/24/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23.4.2009 über den Schutz von Computerprogrammen, ABl. 2009 L 111/16, zit. Software-RL; vormals Richtlinie 91/250/EWG des Rates vom 14.5.1991 über den Rechtsschutz von Computerprogrammen, ABl. 1991 L 122/42).

550.  Nach Erwägungsgrund 10 der Software-RL besteht die Funktion von Computerprogrammen darin, mit den anderen Komponenten eines Computersystems und den Benutzern in Verbindung zu treten und zu operieren. Zu diesem Zweck sei eine logische und, wenn zweckmässig, physische Verbindung und Interaktion notwendig, um zu gewährleisten, dass Software und Hardware mit anderer Software und Hardware wie beabsichtigt funktionieren können. Die Teile des Programms, die eine solche Verbindung und Interaktion zwischen den Elementen von Software und Hardware ermöglichen sollen, seien allgemein als "Schnittstellen" bekannt. Bei dieser funktionalen Verbindung und Interaktion handle es sich um "Interoperabilität". Diese Interoperabilität könne definiert werden als die Fähigkeit zum Austausch von Informationen und zur wechselseitigen Verwendung der ausgetauschten Informationen.

551.  Gemäss Art. 17 Abs. 2 URV gelten als erforderliche Informationen über Schnittstellen im Sinne von Art. 21 Abs. 1 URG solche, die zur Herstellung der Interoperabilität eines unabhängig geschaffenen Programms mit anderen Programmen unerlässlich und dem Benutzer oder der Benutzerin von Programmen nicht ohne Weiteres zugänglich sind. Unter Schnittstellen werden Berührungspunkte und Mechanismen verstanden, die dem Austausch von Daten und somit der Gewährleistung von Interoperabilität von Programmen dienen (vgl. Neff/Arn, SIWR II/2, 304; Oertli Reinhard, in: Müller/Oertli [Hrsg.], Urheberrechtsgesetz, 2. Aufl. 2012, zit. SHK-URG, Art. 21 Rn. 22). Bei Interoperabilität handelt sich um die Fähigkeit zum Austausch von Informationen und zur wechselseitigen Verwendung der ausgetauschten Informationen. Interoperabilität setzt dabei eine logische und, wenn zweckmässig, physische Verbindung zwischen einem Erst-Programm und einem Zweit-Programm voraus (vgl. Barrelet Denis/Egloff Willi, Das neue Urheberrecht, Kommentar zum Bundesgesetz über das Urheberrecht und verwandte Schutzrechte, 3. Aufl. 2008, zit. Urheberrecht, Art. 21 Rn. 2; Neff/Arn, SIWR II/2, 304; Oertli, SHK-URG, Art. 21 Rn. 14, jeweils unter Verweis auf die Software-RL).

552.  Demzufolge bildet die Interoperabilität von einzelnen Komponenten eines EDV-Systems die notwendige Voraussetzung für deren bestimmungsgemässen Gebrauch. Denn ohne Möglichkeit der Interoperabilität sind einzelne Komponenten eines EDV-Systems offensichtlich ohne Verwendungsmöglichkeit. Dies gilt insbesondere auch für Einzelgeräte, wie in diesem Falle POS-Terminals, die an eine Plattform, in diesem Falle eine Akzeptanzplattform, angebunden werden sollen. Zur Herstellung der notwendigen Interoperabilität ist die Angleichung der Schnittstellen der einzelnen EDV-Komponenten unabdingbar. Hierfür ist wiederum die Festlegung der jeweils massgeblichen Schnittstelleninformationen erforderlich.

553.  Regelmässig werden die einzelnen Komponenten in einem offenen EDV-System eingesetzt, bei dem dessen jeweilige Betreiber bzw. Nutzer Komponenten unterschiedlicher Hersteller einsetzen können. Hierbei bedarf es von Seiten der Hersteller von EDV-Komponenten entweder (i) eines Rückgriffs auf bestehende Standards der Datenübermittlung, oder (ii) der Schaffung eines entsprechenden Standards, oder (iii) einer Offenlegung der einzelnen Schnittstelleninformationen für die eigenen EDV-Komponenten, weil ansonsten eine Einbindung der eigenen Komponente zusammen mit verschiedenen anderen Komponenten in ein EDV-System von vornherein nicht bewerkstelligt werden könnte.

554.  Zahlungskartensysteme sind aus mehreren Gründen als offene EDV-Systeme zu qualifizieren. Zum einen weisen die jeweiligen Kartenlizenzgeber die Oberaufsicht über die technische Ausgestaltung eines Kartenzahlungssystems auf, wie dies von den Beschwerdeführerinnen im Hinblick auf die notwendige Re-Zertifizierung ausdrücklich geltend gemacht wird (vgl. E. 673). Zudem wurde in der Schweiz von den an Kartenzahlungssystemen beteiligten Unternehmen mit dem ep2-Standard eine generelle Abstimmung der Schnittstellen und Schnittstelleninformationen zur Datenübertragung zwischen den Akzeptanz-Plattformen und den POS-Terminals vorgenommen, um die Kompatibilität aller Komponenten des Zahlungskartensystems bei deren Einsatz sicherzustellen (vgl. SV F.e). Daher bildet die technische Ausgestaltung der Schnittstellen von vornherein keine Eigenentwicklung einzelner Terminalhersteller oder sonstiger Unternehmen. Zum anderen wird sowohl den an einem Zahlungskartensystem angeschlossenen Kartenakquisiteuren ermöglicht, ihre Acquring-Plattformen nach eigenen Vorstellungen auszugestalten, als auch den jeweiligen Händlern zugestanden, nach eigener Wahl POS-Terminals unterschiedlicher Hersteller einzusetzen.

555.  Allfällge Besonderheiten eines absolut geschlossenen EDV-Sys-tems, dessen gesamte Infrastruktur vom jeweiligen Betreiber als einheitliches Gesamtsystem nachgefragt und von seinem Hersteller als Einheit zur Verfügung gestellt und gewartet wird, bedürfen demzufolge im vorliegenden Zusammenhang keiner Abklärung und Berücksichtigung.

556.  Entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerinnen (vgl. E. 532) ergibt sich ein urheberrechtlicher Schutz der DCC-Schnittstellen demzufolge nicht bereits aus einer tatsächlichen Verbindung mit der DCC-Funktion, d.h. dem Programmcode, der die Währungsumrechnung ausführt. Denn Schnittstellen dienen ausschliesslich der Verbindung von mindestens zwei anderen Computerprogrammen, weshalb sie von diesen gesondert zu betrachten sind. Dies gilt unabhängig davon, ob die Schnittstelle unmittelbar in den Quellcode eines Computerprogramms integriert oder als eigenständiges Funktionsprogramm an andere Computerprogramme angedockt wird. Im Übrigen ist es für den Aspekt einer Verpflichtung zur Herausgabe von Schnittstelleninformationen entgegen ihrem Einwand letztlich unerheblich, ob den Beschwerdeführerinnen ein Urheberrecht an der DCC-Funktion und dem entsprechenden Anwendungsprogramm zukommt oder nicht (vgl. E. 578).

(b)          Rechtliche Ausgangslage

557.  Da Schnittstellen und die jeweiligen Schnittstelleninformationen eine zwingende Voraussetzung für den bestimmungsgemässen Einsatz von einzelnen Komponenten in offenen EDV-Systemen zur Herstellung der notwendigen Interoperabilität bilden (vgl. E. 552), bedarf es einer sachgerechten Ausgestaltung der urheberrechtlichen Regelungen, damit gegebenenfalls eine Möglichkeit zur Kenntnisnahme der Schnittstelleninformationen durch die (potenziellen) Hersteller von zugehörigen Komponenten des jeweiligen EDV-Systems besteht, um die notwendige Interaktion der einzelnen Komponenten untereinander auch zu gewährleisten.

558.  Hiervon zu unterscheiden ist die Sachverhaltskonstellation, bei der die Schnittstelle als solche in technischer Hinsicht eine besondere Qualität aufweist, die über den üblichen Datentransfer hinausgeht, sodass ihr aufgrund von anderen Rechtsvorschriften, wie dem Patentrecht, ein über den Werkschutz des Urheberrechts hinausgehender Schutzbereich zukommt, der auch eine andere rechtliche Beurteilung nach sich ziehen würde (vgl. E. 602).

559.  Diese allgemeine Beurteilung spiegelt sich in den gesetzlichen Bestimmungen des Urheberrechtsgesetzes und der Urheberrechtsverordnung sowie den hierzu bestehenden Ansichten in der Literatur wider.

560.  Gemäss Art. 2 Abs. 3 URG gilt ein Computerprogramm als Werk im Sinne des Urheberrechts, soweit es sich um eine geistige Schöpfung mit individuellem Charakter handelt. Teile von Werken sind gemäss Art. 2 Abs. 4 URG dabei nur dann geschützt, wenn es sich hierbei wiederum selbst um geistige Schöpfungen mit individuellem Charakter handelt.

561.  Art. 10 URG statuiert das grundsätzliche Recht des Urhebers, ausschliesslich über die Verwendung seines Werks zu entscheiden. Dieses ausschliessliche Verwendungsrecht erfährt gewisse Einschränkungen durch verschiedene Vorschriften des Urheberrechtsgesetzes.

562.  Art. 12 URG legt den Umfang der Nutzungsberechtigung eines Nutzers fest, dem das Computerprogramm durch den Schutzrechtsinhaber, d.h. dem Urheber bzw. einem von ihm mit dessen Absatz beauftragten Dritten als Lizenznehmer, zum Gebrauch überlassen wurde.

563.  Gemäss Art. 21 Abs. 1 URG darf sich derjenige, der das Recht hat, ein Computerprogramm zu gebrauchen, die erforderlichen Informationen über Schnittstellen zu unabhängig entwickelten Programmen durch Entschlüsselung des Programmcodes beschaffen oder durch Drittpersonen beschaffen lassen. Gemäss Art. 21 Abs. 2 URG dürfen die so gewonnenen Schnittstelleninformationen allerdings nur zur Entwicklung, Wartung sowie zum Gebrauch von interoperablen Computerprogrammen verwendet werden, soweit dadurch weder die normale Auswertung des Programms noch die rechtmässigen Interessen der Rechtsinhaber unzumutbar beeinträchtigt werden. Eine unzumutbare Beeinträchtigung der normalen Auswertung des Programms im Sinne von Art. 21 Abs. 2 URG liegt gemäss Art. 17 Abs. 3 URV insbesondere dann vor, wenn die im Rahmen der Entschlüsselung gewonnenen Schnittstelleninformationen für die Entwicklung, Herstellung oder Vermarktung eines Programms mit im Wesentlichen ähnlicher Ausdrucksform verwendet werden.

564.  Der inhalltichen Ausgestaltung dieser Vorschriften liegt die Absicht des Gesetzgebers zu Grunde, im Ergebnis eine am EU-Recht orientierte Rechtslage herzustellen (vgl. Botschaft des Bundesrats zu einem Bundesgesetz über das Urheberrecht vom 19.6.1989, BBl 1989 III 477, zit. Botschaft URG, 478; Berichterstatter Fischer-Sursee, AmtBull NR 27.1.1992, 4). Zu diesem Zweck wurde im Rahmen der parlamentarischen Überarbeitung des der Botschaft zu Grunde liegenden Vorentwurfs die Bestimmung des Art. 21 URG aufgenommen (AmtBull NR 1992 I 42), um - zumal im Vorfeld der Abstimmung über einen Beitritt zum Europäischen Wirtschaftsraum - im Ergebnis eine dem EU-Recht entsprechende Rechtslage, die 1991 durch den Erlass der Software-RL konkretisiert worden war, zu gewährleisten (vgl. Barrelet/Egloff, Urheberrecht, Art. 21 Rn. 1; Cherpillod Ivan, Urheberrecht, in: von Büren/David [Hrsg.], Schweizerisches Immaterialgüter- und Wettbewerbsrecht, Bd. 2, 1. Teilband, Urheberrecht, zit. SIWR II/1, Rn. 850, 852; Fröhlich-Bleuler, Urheberrechtliche Nutzungsbefugnisse des EDV-Anwenders, AJP 1995, 569, zit. Nutzungsbefugnisse, 569; Neff/Arn, SIWR II/2, 39; Rauber Georg, Computersoftware, in: Streuli-Youssef [Hrsg.], Urhebervertragsrecht, 2006, zit. Computersoftware, 123). Die Regelungen in Art. 21 Abs. 1 URG und Art. 17 URV sind inhaltlich demnach Art. 6 Software-RL nachgebildet, auch wenn formal-sprachliche Unterschiede bestehen (vgl. Oertli, SHK-URG, Art. 21 Rn. 2). Nach überwiegender Auffassung im schweizerischen Schrifttum ist Art. 21 URG daher vollumfänglich im Sinne von Art. 6 Software-RL zu interpretieren (vgl. Barrelet/Egloff, Urheberrecht, Art. 21 Rn. 1; Cherpillod, SIWR II/1, Rn. 284; Fröhlich-Bleuler, Nutzungsbefugnisse, 569; Oertli, SHK-URG, Art. 21 Rn. 3; Neff/Arn, SIWR II/2, 17 ff., 25, 39, 300 f.; a.A. Staffelbach, Dekompilierung, 74, nach dem Abweichungen denkbar seien).

565.  Der Zweck der entsprechenden EU-Regelungen besteht im Schutz der jeweiligen Computerprogramme vor einer unerlaubten Vervielfältigung (vgl. Erwägung 2 Software-RL). Hingegen bilden der Schutz vor konkurrenzierenden Produkten und damit die generelle Ausschaltung des Wettbewerbs keinen Zweck dieser Vorschriften (vgl. EuGH, 2.5.2012, C-406/10, SAS Institute Inc. gg. World Programming Ltd, EU:C:2012:259, zit. SAS Institute, Ziff. 40, 41). Dies wird auch durch die Regelung in Erwägung 17 Software-RL bestätigt, wonach ausdrücklich eine Anwendung der Wettbewerbsregeln von Art. 101 und 102 AEUV vorbehalten bleibt, wenn ein marktbeherrschender Anbieter den Zugang zu Informationen verweigert, die für die Interoperabilität von Computerprogrammen notwendig sind. Zudem kann ein erworbenes Computerprogramm gemäss Art. 5 Abs. 3 Software-RL auch durch Ausprobieren erkundet werden, um die dem Programmelement zu Grunde liegenden Ideen und Grundsätze zu ermitteln und zu eigenen Zwecken zu nutzen (vgl. EuGH, EU:C:2012:259, SAS Institute, Ziff. 59).

566.  In Bezug auf Schnittstellen und die entsprechenden Schnittstellenprogramme bzw. Teile von Anwendungsprogrammen wurde durch die Europäische Kommission im Rahmen der Microsoft-Entscheidung eine Differenzierung zwischen den eigentlichen Schnittstelleninformationen dieser Programme (interface specifications) einerseits und der Ausführung dieser Programme (implementation) andererseits vorgenommen. Schnittstelleninformationen würden dabei ausschliesslich beschreiben, was eine Anwendung erfüllen muss und nicht, wie sie dies erfüllt. Schnittstelleninformationen müssten bzw. könnten demzufolge auch nicht durch eine Maschine ausführbar sein. Folglich würden sich Schnittstelleninformationen auch nicht mit den Details einer Anwendung bzw. Ausführung eines Programms befassen (EU-Kom, 24.3.2004, Comp/C-3/37.792 Microsoft, Microsoft Corporation, zit. Microsoft, Ziff. 570 f.). Damit verweist die Europäische Kommission auf zentrale Aspekte, die in der Literatur bei einer Gegenüberstellung von Schnittstelleninformationen einerseits und Quellcode andererseits gegen die urheberrechtliche Schutzfähigkeit von Schnittstelleninformationen geltend gemacht werden.

567.  Trotz dieser Differenzierung und einer faktischen Abgrenzung von Schnittstelleninformationen gegenüber Quellcodes hat die Europäische Kommission die allgemeine Frage, ob Schnittstellen urheberrechtlich geschützt sind, in ihrer Microsoft-Entscheidung hinsichtlich der Betriebssysteme von Arbeitsgruppen-Servern für die Anbindung der Betriebssysteme von Personalcomputern offengelassen (EU-Kom, Comp/C-3/37.792, Microsoft, Ziff. 1003, 1004). Die Europäische Kommission hat auch für den konkreten Sachverhalt weder festgestellt noch ausgeschlossen, dass das beanstandete Verhalten von Microsoft aufgrund bzw. ungeachtet eines bestehenden Immaterialgüterrechts als Lizenzverweigerung zu qualifizieren sei (EuG, 17.7.2007, T-201/04, Microsoft Corp. gg. EU-Kom, EU:T:2007:289, zit. Microsoft, Ziff. 287), wobei das Verhalten insbesondere als eine unzulässige Einschränkung der technischen Entwicklung qualifiziert und eine Rechtfertigung unter Berufung auf ein Immaterialgüterrecht letztlich abgelehnt wurde (vgl. EU-Kom, Comp/C-3/37.792, Microsoft, Ziff. 783).

568.  Ungeachtet dessen wurde allerdings auch die Möglichkeit, dass Immaterialgüterrechte an Schnittstellen grundsätzlich bestehen könnten, nicht ausgeschlossen. Denn für den Einzelfall wurde darauf hingewiesen, dass es nicht möglich gewesen sei, eine abschliessende Überprüfung vorzunehmen, ob entsprechende Rechte zu Gunsten von Microsoft tatsächlich bestanden hätten (EU-Kom, Comp/C-3/37.792, Microsoft, Ziff. 190 und Fn. 249, Ziff. 546). Letztlich wurde die materiell-rechtliche Prüfung auf der Grundlage einer "als ob-Betrachtung" durchgeführt. Diese Vorgehensweise wurde durch das Europäische Gericht ausdrücklich bestätigt, weil es für das betroffene Unternehmen die günstigste Variante darstelle (EuG, EU:T:2007:289, Microsoft, Ziff. 283, 284).

569.  Demzufolge liegt zum einen keine verbindliche Abklärung vor, ob Schnittstelleninformationen im IT-Bereich überhaupt ein für das Kartellrecht relevanter immaterialgüterrechtlicher Schutz zukommt oder nicht. Zum anderen ergibt sich aus den Microsoft-Verfahren aber, dass jedenfalls diese spezifischen Schnittstelleninformationen des IT-Bereichs keine Ausschliesslichkeitswirkung im Sinne des schweizerischen Immaterialgüterrechtsvorbehalts gemäss Art. 3 Abs. 2 KG aufweisen. Ansonsten hätte die Verweigerung der Schnittstelleninformationen durch die Schutzrechtsinhaberin nicht als nachteilige Einwirkung auf den Wettbewerb qualifiziert werden können bzw. es hätte eine ausreichende Rechtfertigung für diese Einwirkung vorliegen müssen.

(c)           Urheberrechtlicher Schutz von Schnittstellen

570.  Vor diesem Hintergrund ist in der schweizerischen Literatur umstritten, ob Schnittstellen urheberrechtlich geschützt sind.

571.  Nach einer Ansicht könne den in den Algorithmen des Computerprogramms enthaltenen Schnittstellencodes kein urheberrechtlicher Schutz zugesprochen werden, weil es ihnen an der erforderlichen Individualität und Originalität mangle und sie aufgrund ihrer Zweckbestimmung die Form zu weit vorgeben würden (vgl. Stirnimann Franz, Urheberkartellrecht, 2004, zit. Urheberkartellrecht, 137, Fn. 480) oder weil die Schnittstelleninformationen nicht ausführbar seien (vgl. Straub Wolfgang, Softwareschutz, 2011, zit. Softwareschutz, 250).

572.  Demgegenüber leitet die überwiegende Auffassung in der Literatur aus der gesetzgeberischen Ausgestaltung der massgeblichen Vorschriften ab, dass auch Schnittstellen ein urheberrechtlicher Schutz zukommen könne (vgl. Brändli Sandra, Die Flexibilität urheberrechtlicher Systeme, 2017, zit. Flexibilität, Rn. 351; Neff/Arn, Urheberrecht, 146, 302 f.; Oertli, SHK-URG, Art. 21 Rn. 22; Staffelbach, Dekompilierung, 61).

573.  Entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerinnen (vgl. E. 531) lässt sich jedenfalls nicht bereits aus dem Vorhandensein der Regelung zur Dekompilierung von Computerprogrammen in Art. 21 URG herleiten, dass Schnittstellen urheberrechtlich geschützt sein müssen, weil die entsprechende Regelung ansonsten überflüssig wäre (a.A. Neff/Arn, SIWR II/2, 146). Denn Art. 21 URG schützt die Schnittstellen - selbst dann, wenn es sich um ein selbständiges Schnittstellenprogramm handelt - gerade nicht, sondern sieht die Möglichkeit einer Entschlüsselung der Schnittstellen und eine Verwendung der dadurch erlangten Schnittstelleninformationen durch Dritte ausdrücklich vor. Hierzu wird sogar ein Eingriff in den Quellcode eines Programms als zentrales urheberrechtliches Schutzgut vom Gesetzgeber zugelassen. Demnach besteht der Zweck des Art. 21 URG vielmehr im Schutz des (sonstigen) Quellcodes von Computerprogrammen. Ein Eingriff in diesen Bereich des urheberechtlichen Werkschutzes bedarf einer ausdrücklichen gesetzlichen Gestattung, weil er aufgrund der allgemeinen Vorschriften (vgl. E. 561, 562) über das Gebrauchsrecht am Computerprogramm nicht abgedeckt ist (vgl. Neff/Arn, SIWR II/2, 301; Oertli, SHK-URG, Art. 21 Rn. 10, 11). Zur Sicherstellung, dass sich Dritte diesen Quellcode nicht zu anderen Zwecken als der Entschlüsselung von Schnittstellen bemächtigen, statuiert Art. 21 URG die Modalitäten einer Dekompilierung (vgl. Neff/Arn, SIWR II/2, 302; Oertli, SHK-URG, Art. 21 Rn. 26 f.). Ein faktischer Schutz von Schnittstelleninformationen ergibt sich demzufolge nur als zusätzliche Reflexwirkung für den Einzelfall, dass die Voraussetzungen einer Dekompilierung hinsichtlich Erst- und Zeitprogramm nicht gegeben sind.

574.  Die notwendige Voraussetzung für einen urheberrechtlichen Schutz von Schnittstellen besteht aber in jedem Fall darin, dass die jeweilige Schnittstelle gemäss Art. 2 URG auch als geschütztes Werk zu qualifizieren ist.  

575.  Voraussetzung für die Anerkennung von Computerprogrammen als urheberrechtliches Werk bildet gemäss Art. 2 Abs. 1 URG das Vorhandensein einer geistigen Schöpfung mit individuellem Charakter (vgl. Neff/Arn, SIWR II/2, 131; Cherpillod Ivan, in: Müller/Oertli [Hrsg.], Urheberrechtsgesetz, 2. Aufl. 2012, zit. SHK-URG, Art. 2 Rn. 1; Rauber, Computersoftware, 124). Geschützt ist ein Werk, wenn es sich als individuelle Schöpfung von den tatsächlichen oder natürlichen Vorbedingungen im Rahmen der Zweckbestimmung abhebt (vgl. BGE 143 III 373 E. 2.1; BGE 125 III 328 E. 4b). Eine geistige Schöpfung liegt vor, wenn das Werk die Äusserung einer gedanklichen Tätigkeit eines Menschen darstellt und damit auf einer zumindest geringen geistigen Leistung beruht (vgl. BGE 130 III 168 E. 4.5; Barrelet/Egloff, Urheberrecht, Art. 2 Rn. 5; Cherpillod, SHK-URG, Art. 2 Rn. 9). Ein Computerprogramm beruht grundsätzlich auf der geistigen Leistung eines Programmierers und stellt damit eine geistige Schöpfung dar (vgl. Neff/Arn, SIWR II/2, 132), ungeachtet dessen, dass es in einem komplexen Entwicklungsprozess vielfach auch mittels automatisierter technischer Verfahren hergestellt wird (vgl. Neff/Arn, SIWR II/2, 126 f., 130). Der individuelle Charakter eines Werks spiegelt sich darin wider, dass ein Dritter bei gleicher Aufgabenstellung nicht das gleiche oder im Wesentlichen das gleiche Werk schaffen wird, und grenzt sich gegenüber der Banalität oder einer routinemässigen Arbeit ab (vgl. BGE 143 III 373 E. 2.1; BGE 134 III 166 E. 2.3.1; Cherpillod, SHK-URG, Art. 2 Rn. 20). Dabei genügt bereits ein geringerer Grad an individuellem Gepräge, je geringer der Gestaltungsspielraum für einen Urheber ist (vgl. BGE 143 III 373 E. 2.1; BGE 136 III 225 E. 4.2; Cherpillod, SHK-URG, Art. 2 Rn. 19). Prinzipiell bietet die Entwicklung eines Computerprogramms einen gewissen Gestaltungsspielraum, auch wenn dieser aufgrund der jeweiligen Zweckbestimmung vielfach niedrig ausfällt (vgl. Neff/Arn, SIWR II/2, 131, 138 f.). Die Schutzfähigkeit von Computerprogrammen hängt demzufolge davon ab, ob dem Programmierer angesichts der Aufgabenstellung und der übrigen Rahmenbedingungen ein genügender Spielraum für eine persönliche Gestaltung in Auswahl, Sammlung, Anordnung und Einteilung der Informationen und Befehle zur Verfügung stand und er diesen Spielraum auch entsprechend genutzt hat (vgl. Neff/Arn, SIWR II/2, 132; Thomann, Grundriss, 30). Ungeachtet eines bestehenden Gestaltungsspielraums fehlt einem Computerprogramm allerdings dann die notwendige Individualität, wenn es als banal bzw. trivial zu qualifizieren ist (vgl. Botschaft URG, 523), weil sein Inhalt eine blosse Aneinanderreihung von bekanntem, zum Gemeingut gehörendem Material darstellt, oder wenn es vollständig auf rein alltäglicher, standardisierter Programmierarbeit beruht (vgl. Neff/Arn, SIWR II/2, 132).

576.  Massgebend für die Feststellung der Werkqualität einer Schnittstelle ist demzufolge allein, ob sie eine ausreichende schöpferische Individualität aufweist oder nicht. Prinzipiell wird diese Voraussetzung bei Schnittstellen in geringerem Masse als bei sonstigen Computerprogrammen gegeben sein, weil der Gestaltungsspielraum eines Programmierers aufgrund der Vorgaben zur jeweiligen Datenübermittlung der einzelnen EDV-Komponenten noch enger ist. Zudem werden für den Datentransfer vielfach bestimmte Standards durch Regulierungsorganisationen, Branchenverbände oder die in diesem Bereich tätigen Unternehmen festgelegt, wodurch die Geltendmachung eines Urheberrechts durch einen einzelnen Hersteller einer EDV-Komponente ausscheidet. Dadurch wird die Qualifizierung von Schnittstellen als Werk im Sinne von Art. 2 URG für einen konkreten Einzelfall jedoch nicht von vornherein völlig ausgeschlossen.

577.  Entgegen der Behauptung der Vorinstanz (vgl. E. 538) kann im Einzelfall demnach auch ein Urheberrecht an Schnittstellen bestehen. Daher lassen sich die Anwendung des Kartellrechts und ein Ausschluss des Immaterialgüterrechtsvorbehalts gemäss Art. 3 Abs. 2 KG nicht auf diese Weise begründen.

578.  Unabhängig davon, ob Schnittstellen als selbständige Computerprogramme oder als Teil eines Computerprogramms ausgestaltet werden, kommt ihnen allerdings nur dann ein urheberrechtlicher Schutz zu, wenn sie auch selbst eine ausreichende schöpferische Individualität aufweisen. Als selbständige Computerprogramme ergibt sich dies unmittelbar aus Art. 2 Abs. 1 URG. Als Teile eines Computergrogramms weist ihnen Art. 2 Abs. 4 URG nur dann einen urheberrechtlichen Schutz zu, wenn sie selbst über eine ausreichende schöpferische Individualität verfügen (vgl. Neff/Arn, SIWR II/2, 303; vgl. allgemein Botschaft URG, 523; Barrelet/Egloff, URG, Art. 2 Rn. 27; Cherpillod, SHK-URG, Art. 2 Rn. 67; Hilty Reto M., Urheberrecht, 2011, zit. Urheberrecht, 121 a.E.; Neff/Arn, SIWR II/2, 113). Nach überwiegender Ansicht ist bei Schnittstellen eine ausreichende schöpferische Individualität im Regelfall nicht gegeben (vgl. Brändli, Flexibilität, Rn. 351; Neff/Arn, SIWR II/2, 146; Oertli, SHK-URG, Art. 21 Rn. 11).

579.  Entgegen der Behauptung der Beschwerdeführerinnen (vgl. E. 531) sind Schnittstellen demzufolge jedenfalls nicht bereits deshalb urheberrechtlich geschützt, weil sie einen unselbständigen Teil eines ansonsten geschützten Computerprogramms darstellen oder als selbständiges Funktionsprogramm die Interoperabilität eines geschützten Computerprogramms sicherstellen.

(d)          Dekompilierung

580.  Ungeachtet dessen, dass an Schnittstellen bei einer ausreichenden schöpferischen Individualität ein Urheberrecht bestehen kann, ergibt sich aufgrund der durch Art. 21 URG gesetzlich ausdrücklich vorgesehenen Möglichkeit zu einer Dekompilierung von Computerprogrammen zwecks Feststellung von Schnittstelleninformationen eine ganz wesentliche Einschränkung des üblichen urheberrechtlichen Schutzumfangs.

581.  Unter Dekompilierung ist ein Verfahren zu verstehen, bei dem der nicht verständliche Objekt- bzw. Maschinencode eines Computerprogramms in seinen, durch einen Fachmann bearbeitbaren Quellcode mittels eines Verfahrens des Re-Engeneerings zurückübersetzt wird. Damit wird eine Umkehrung der ursprünglichen Erstellung eines Computerprogramms vorgenommen, bei dem der vom Programmentwickler geschaffene Quellcode mittels eines Hilfsprogramms, dem sog. Compiler, zu einem maschinenverständlichen und damit ablauffähigen Objektcode kompiliert, d.h. transformiert wird (vgl. Barrelet/Egloff, URG, Art. 21 Rn. 1a; Neff/Arn, SWIR II/2, 300; Oertli, SHK-URG, Art. 21 Rn. 16). Eine Dekompilierung stellt ein aufwendiges und kostspieliges Verfahren dar, das mit vielen technischen Risiken behaftet und dessen Erfolg nicht absehbar ist (vgl. Neff/Arn, SWIR II/2, 302; Oertli, SHK-URG, Art. 21 Rn. 21; Staffelbach, Dekompilierung, 37 f.; Straub, Softwareschutz, 242). Einer der Gründe hierfür besteht darin, dass Softwarehersteller regelmässig technische Hilfsmittel zum Schutz vor Entschlüsselungsmassnahmen anwenden (vgl. Lowenheim/Spindler, in: Schricker/Loewenheim [Hrsg.], Urheberrecht, 5. Aufl. 2017, zit. Urheberrecht, Art. 69e Rn. 1).

582.  Zur Herstellung der notwendigen Interoperabilität schränkt Art. 21 URG das Urheberrecht an Computerprogrammen im Hinblick auf eine Feststellung der Schnittstelleninformationen ein und versagt Schnittstellen einen urheberrechtlichen Schutz (vgl. Oertli, SHK-URG, Art. 21 Rn. 11).

583.  Der Zweck von Art. 21 URG besteht darin, die Interoperabilität von EDV-Komponenten mittels Dekompilierung zu gewährleisten, um dadurch den Wettbewerb zwischen den Herstellern von EDV-Komponenten sicherzustellen (vgl. Hilty, Urheberrecht, 224; Neff/Arn, SIWR II/2, 305; Oertli, SHK-URG, Art. 21 Rn. 1; Staffelbach, Dekompilierung, 95; Straub, Softwareschutz, 245; vgl. auch Grützmacher Malte, in: Wandtke/Bullinger [Hrsg.], UrhR - Praxiskommentar zum Urheberrecht, 4. Aufl. 2014, zit. Urheberrecht, Art. 69e Rn. 1, sowie Lowenheim/Spindler, Urheberrecht, Art. 69e Rn. 21, in Bezug auf den wortgleichen, auf Art. 6 Software-RL beruhenden Art. 69e UrhG in Deutschland). Denn die Möglichkeit einer Dekompilierung verhindert, dass die Hersteller von EDV-Komponenten von einzelnen anderen Herstellern dadurch abhängig werden, dass ihnen der Zugang zu den Schnittstelleninformationen anderer EDV-Komponenten verwehrt wird. Die gesetzliche Regelung hat somit zur Folge, dass einzelne Hersteller keine Abschottungspolitik ihrer EDV-Komponenten gegenüber Konkurrenzprodukten umsetzen können. Ziel der Gewährleistung von Interoperabilität durch Dekompilierung ist also letztlich die Ermöglichung von Wettbewerb auf dem Markt von Computerprogrammen und sonstigen EDV-Komponenten.

584.  Entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerinnen (vgl. E. 529) begründet das Urheberrecht demnach keinen prinzpiellen Schutz der DCC-Schnittstellen und der jeweiligen DCC-Schnittstelleninformationen innerhalb eines EDV-Systems von POS-Terminals und Akzeptanz-Plattformen im Verhältnis zu anderen Herstellern von entsprechenden EDV-Komponenten. Dies gilt unabhängig davon, ob eine Schnittstelle als selbständiges Computerprogramm oder lediglich als unselbständiger Teil eines Computerprogramms zu qualifizieren ist.

585.  Die Voraussetzungen einer rechtmässigen Dekompilierung von Computerprogrammen bilden gemäss Art. 21 URG entsprechend Art. 6 Software-RL folgende Kriterien: (i) interoperables Computerprogramm als Erstprogramm; (ii) rechtmässiger Gebrauch des Erstprogramms; (iii) Zusammenhang mit interoperablem unabhängigem Computerprogramm als Zweitprogramm; (iv) Sicherstellung der notwendigen Interoperabilität des Zweitprogramms; (v) fehlende Zugänglichkeit der Schnittstelleninformationen; (vi) Erforderlichkeit der Massnahmen; (vii) ausschliessliche Ausrichtung auf die Ermittlung der Schnittstelleninformationen; (viii) keine unzumutbare Beeinträchtigung; (ix) keine Weitergabe an Dritte; (x) Fehlen eines Patentrechts. Demgegenüber bildet die Zustimmung des Rechtsinhabers keine Voraussetzung einer Dekompilierung.

586.  Grundlage der Dekompilierung bildet ein interoperables Computerprogramm als Erstprogramm. Als Computerprogramm gelten alle in einer Programmiersprache verfassten Folgen von Befehlen, die nach Aufnahme in einen maschinenlesbaren Träger fähig sind zu bewirken, dass eine Maschine mit informationsverarbeitenden Fähigkeiten eine bestimmte Funktion oder Aufgabe oder ein bestimmtes Ergebnis anzeigt, ausführt oder erzielt (vgl. Oertli, SHK-URG, Art. 21 Rn. 5). Das Computerprogramm ist interoperabel, wenn eine Anbindung in einem EDV-System über Schnittstellen zur wechselseitigen Informationsübertragung vorgenommen werden kann (vgl. E. 550 f.).

587.  Ein rechtmässiger Gebrauch des Erstprogramms liegt vor, wenn dem jeweiligen Dekompilierer ein Recht zur Nutzung des Erstprogramms zusteht, unabhängig davon, ob es sich hierbei um eine Lizenz oder um Eigentum am Erstprogramm handelt (vgl. Barrelet/Egloff, URG, Art. 21 Rn. 3; Oertli, SHK-URG, Art. 21 Rn. 26; Rauber, Computersoftware, 188; Staffelbach, Dekompilierung, 108; a.A. Neff/Arn, SIWR II/2, 301, unter Verweis auf den Wortlaut von Art. 12 URG). Dies entspricht sowohl der ausdrücklichen Ausgestaltung von Art. 6 Abs. 1 Software-RL, der ausdrücklich auf den Lizenznehmer abstellt, als auch dem Zweck von Art. 21 URG, weil (i) sich der Gebrauch eines Computerprogramms anhand einer Differenzierung von Kauf oder Lizenzierung nicht unterscheidet, (ii) der Rechtscharakter der jeweiligen Gebrauchsüberlassung ausschliesslich im Ermessen des Herstellers eines Computerprogramms liegt, und (iii) ein Hersteller ansonsten dadurch die Möglichkeit einer Dekompilierung seines Computerprogramms von vornherein ausschliessen und infolgedessen die zwingende gesetzliche Dekompilierungsregelung in Art. 21 URG einfach umgehen könnte (so bereits Staffelbach, Dekompilierung, 109). Der Umfang der in Art. 12 URG gesetzlich vorgesehenen Nutzungsberechtigung, die eine Lizenzierung nicht ausdrücklich umfasst, ist hingegen für die Beurteilung der Dekompilierungsberechtigung gemäss Art. 21 URG nicht massgeblich. Der Dekompilierer kann auch einen Dritten mit der Ausführung der Dekompilierung beauftragen, wobei die übrigen Voraussetzungen einer Dekompilierung aber auch durch den Beauftragten einzuhalten sind (vgl. Barrelet/Egloff, URG, Art. 21 Rn. 3; Neff/Arn, SIWR II/2, 302; Oertli, SHK-URG, Art. 21 Rn. 26; Staffelbach, Dekompilierung, 109).

588.  In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass bei Computerprogrammen, die proprietär und stationär ausgestaltet sind und demzufolge von Dritten nicht erworben werden können, die Möglichkeit einer Dekompilierung von vornherein ausgeschlossen ist, weil ein Dritter sie gar nicht rechtmässig in Gebrauch nehmen kann.

589.  Die Dekompilierung muss in Zusammenhang mit einem unabhängigen Computerprogramm als Zweitprogramm stehen. Das Zweitprogramm ist dann unabhängig, wenn es gegenüber dem Erstprogramm nach den allgemeinen Grundsätzen eine ausreichende Abweichung seiner Ausdrucksform aufweist, um das Urheberrecht am Erstprogramm nicht zu verletzen (vgl. Neff/Arn, SIWR II/2, 305; Oertli, SHK-URG, Art. 21 Rn. 39). Dabei ist unerheblich, ob das Zweitprogramm erst nachträglich hergestellt wird, worauf der Wortlaut von Art. 21 Abs. 1 URG hinweist, oder bereits zuvor geschaffen wurde, worauf der Wortlaut von Art. 17 Abs. 2 URV hinweist (vgl. Oertli, SHK-URG, Art. 21 Rn. 39; Staffelbach, Dekompilierung, 112; a.A. Cherpillod, SIWR II/2, 40).  

590.  Nach herrschender Auffassung im Schrifttum kann eine Dekompilierung nicht nur zur Herstellung eines zugehörigen Zweitprogramms, d.h. eines Computerprogramms, für das eine Anbindung an das Erstprogramm vorgesehen ist, eingesetzt werden, sondern auch zur Herstellung eines konkurrenzierenden Zweitprogramms, d.h. eines Computerprogramms, durch welches das Erstprogramm ersetzt werden kann (vgl. Fröhlich-Bleuler, Nutzungsbefugnisse, 577; Neff/Arn, SIWR II/2, 304; Oertli, SHK-URG, Art. 21 Rn. 45; Staffelbach, Dekompilierung, 127; Straub, Softwareschutz, 247; EU-Kom, Comp/C-3/37.792, Microsoft, Ziff. 762; Dreier Thomas, Rechtsschutz von Computerprogrammen, Die Richtlinie des Rates der EG vom 14. Mai 1991, CR 10/1991, 577 ff., 581 f.; Vinje Thomas C., Die EG-Richtlinie zum Schutz von Computerprogrammen und die Frage der Interoperabilität, GRUR Int. 4/1992, 250 ff.; dies entspricht auch der h.M. zu Art. 69e des deutschen UrhG, vgl. Grützmacher, Urheberrecht, Art. 69e Rn. 6 m.w.N.; Loewenheim/ Spindler, Urheberrecht, Art. 69e Rn. 12).

591.  Nach einer Minderheitsmeinung ist die Dekompilierung im Rahmen der Herstellung eines Konkurrenzprodukts hingegen ausgeschlossen (vgl. Rauber, Computersoftware, 189; Rehbinder Manfred/Viganò Adriano, URG, 3. Aufl. 2008, zit. URG, Art. 21 Rn. 4).

592.  Durch eine Auslegung von Art. 21 URG wird die Auffassung der herrschenden Ansicht in der Literatur entgegen dem Einwand der Beschwerdeführerinnen (vgl. E. 534) bestätigt. Denn aufgrund des Wortlauts von Art. 21 URG, der auf die Entwicklung eines "unabhängigen Computerprogramms" sowie auf die Verwendung der Schnittstelleninformationen für "interoperable Computerprogramme" abstellt, ergibt sich weder eine Einschränkung auf zugehörige Zweitprogramme noch ein Ausschluss von substituierenden Zweitprogrammen. Auch systematische Aspekte für einen solchen Ausschluss sind nicht ersichtlich. Gleiches gilt auch für eine teleologische Betrachtung. Der Zweck der Vorschrift, der in einer Förderung des Wettbewerbs bei EDV-Komponenten durch die Gewährleistung von deren Interoperabilität besteht, spricht für eine Gleichstellung von substituierenden und zugehörigen Zweitprogrammen; denn es ist angesichts des Schutzzwecks der Vorschrift (vgl. E. 583) kein Grund ersichtlich, warum die gesetzlich vorgesehene Förderung des Wettbewerbs bei EDV-Komponenten durch die Gewährleistung der Interoperabilität nur bestimmten EDV-Komponenten zukommen sollte und anderen nicht.

593.  Zudem würde eine entsprechende Differenzierung aus praktischen Überlegungen keine sachgerechte Abgrenzung ermöglichen. Denn eine Differenzierung zwischen substituierenden und zugehörigen Komponenten innerhalb eines EDV-Systems lässt sich zwar bei einem blossen Vergleich von zwei EDV-Komponenten vornehmen, läuft aber bei einer Gesamtbetrachtung aller EDV-Komponenten ins Leere, weil jede EDV-Komponente innerhalb des Systems sowohl zugehörig als auch substituierend ist. Wenn ein Hersteller verschiedener EDV-Komponenten innerhalb eines EDV-Systems mehrere EDV-Komponenten anbietet, würde ihm die Möglichkeit offenstehen, für die Entwicklung einer eigenen, als zugehörig zu qualifizierenden EDV-Komponente auch die EDV-Komponente eines Dritten zu dekompilieren, die er am Markt durch eine andere, von ihm bereits hergestellte EDV-Komponente ersetzen will. Demzufolge würde ein Hersteller bereits aufgrund der Durchführung von Entwicklungstätigkeiten für eine zugehörige EDV-Komponente die Möglichkeit erlangen, eine EDV-Komponente zu dekompilieren, die er durch eine von ihm bereits hergestellte EDV-Komponente ersetzen will, und zwar ohne dass die zugehörige EDV-Komponente später jemals tatsächlich auf dem Markt angeboten werden müsste.

594.  Darüber hinaus spricht auch ein weiterer Aspekt für ein weites inhaltliches Verständnis von Art. 21 URG. Die dekompilierten Schnittstelleninformationen dürfen durch einen Dekompilierer gegenüber Dritten nicht bekannt gegeben werden, weshalb alle Hersteller von EDV-Komponenten zwingend eine Dekompilierung für die Ermittlung der gleichen Schnittstelleninformationen durchführen müssen. Aus wettbewerblicher Sicht stellt dies eine ineffiziente Ressourcenallokation dar, welche die EDV-Komponenten des jeweiligen EDV-Systems verteuert. Bei einer rechtmässigen Dekompilierung werden ausschliesslich diejenigen Schnittstelleninformationen ermittelt, die für die Herstellung der Interoperabilität des Zweitprogramms erforderlich sind. Diese Schnittstelleninformationen können im Rahmen eines EDV-Systems an mindestens zwei EDV-Komponenten, regelmässig sogar an mehreren, u.U. auch unterschiedlichen EDV-Komponenten ausgelesen werden. Da Dekompilierungen mit erheblichen Problemen behaftet sind, ist es grundsätzlich sinnvoll, dass die jeweiligen Schnittstellen über diejenigen EDV-Komponenten ermittelt werden können, die aus Sicht des Dekompilierers die besten Erfolgschancen aufweisen. Letztere können sich dabei auf eine Feststellung von möglichst umfassenden Schnittstelleninformationen, eine möglichst einfache und kostengünstigste Feststellung der Schnittstelleninformationen oder sonstige Aspekte beziehen. Durch diese Wahlmöglichkeit wird die durch Art. 21 URG vorgegebene ineffiziente Ressourcenallokation aus wettbewerblicher Sicht zumindest verringert. 

595.  Eine andere Einschätzung ergibt sich auch nicht aufgrund von Art. 17 Abs. 3 URV, wonach eine Dekompilierung zu einer unzumutbaren Beeinträchtigung des Urhebers führt, wenn "[die Schnittstelleninformationen zur Entwicklung] eines Programms mit im Wesentlich ähnlicher Ausdrucksform verwendet werden". Zunächst ist bereits in formaler Hinsicht zu berücksichtigen, dass diese Verordnungsregelung des Bundesrats keine substantielle Einschränkung der gesetzlich vorgesehenen Dekompilierungsmöglichkeit statuieren kann. Da es sich bei einer Differenzierung zwischen substituierenden und zugehörigen Zweitprogrammen um eine substantielle Einschränkung handeln würde, scheidet ein entsprechendes Verständnis dieser Vorschrift im Rahmen einer gesetzeskonformen Auslegung aus. Zudem lässt sich dem Begriff eines "Programms mit im Wesentlichen ähnlicher Ausdrucksform" auch inhaltlich kein sachlicher Bedeutungsgehalt zuordnen. Das Zweitprogramm muss ausnahmslos eine ausreichend abweichende Ausdrucksform gegenüber derjenigen des Erstprogramms aufweisen, damit es dessen Urheberrecht nicht verletzt. Insoweit handelt es sich allenfalls um eine Wiederholung der gesetzlichen Voraussetzungen zum Werkcharakter durch die Verordnungsregelung (vgl. Barrelet/Egloff, Urheberrecht, Art. 21 Rn. 6; Neff/Arn, SIWR II/2, 305; Oertli, SHK-URG, Art. 21 Rn. 44; Staffelbach, Dekompilierung, 80). Für eine Differenzierung von substituierenden Zweitprogrammen, die urheberrechtlich über eine ausreichend abweichende Ausdrucksform wie das Erstprogramm verfügen, anhand ihrer über diese Abweichung hinausgehenden stärkeren oder schwächeren Ähnlichkeit mit der Ausdrucksform des Erstprogramms fehlen zum einen die hierfür erforderlichen sachgerechten Kriterien (vgl. z.B. Straub, Softwareschutz, 247, wonach sich das Zweitprogramm vom Erstprogramm im Wesentlichen von dessen "Struktur" unterscheiden müsse). Zum anderen würde eine solche Differenzierung dem Zweck von Art. 21 URG widersprechen, weil die Förderung des Wettbewerbs als Zielsetzung in keine sinnhafte Abhängigkeit von einer "gewissen Ähnlichkeit" der Ausdrucksformen einzelner EDV-Komponenten gesetzt werden kann. Art. 17 Abs. 3 URV ist daher insoweit unbeachtlich.

596.  Der Einwand der Beschwerdeführerinnen (vgl. E. 536), wonach die anderen Terminalhersteller keine neue zugehörige EDV-Komponente zu den POS-Terminals von Card Solutions, sondern nur eine blosse Kopie der DCC-Funktion einschliesslich der DCC-Schnittstellen herstellen wollten, um damit den Händlern eine Substitution der POS-Terminals von Card Solutions zu ermöglichen, wäre demzufolge bereits im Rahmen einer urheberrechtlichen Prüfung unbeachtlich.

597.  Die Dekompilierung darf gemäss Art. 21 Abs. 2 URG ausschliesslich auf die Herstellung der notwendigen Interoperabilität des Zweitprogramms ausgerichtet sein. Der Dekompilierer kann keine anderen Zwecke im Rahmen einer Entschlüsselung des Erstprogramms verfolgen (vgl. Neff/Arn, SIWR II/2, 302, 305; Oertli, SHK-URG, Art. 21 Rn. 41; Staffelbach, Dekompilierung, 110).

598.  Die Dekompilierung muss gemäss Art. 21 Abs. 1 URG und Art. 17 Abs. 2 URV erforderlich sein, weil die jeweiligen Schittstelleninformationen für den Dekompilierer nicht zugänglich sind. Die fehlende Zugänglichkeit ist dann nicht gegeben, wenn der Urheber die betreffenden Informationen vollständig offengelegt hat, sodass sie von einem Dekompilierer unmittelbar entgegengenommen werden können, z.B. durch Abruf einer Internetseite, oder ihm auf erste Anfrage hin innerhalb angemessener Frist und unter sachgerechten Bedingungen (z.B. Bestätigungen der ordnungsgemässen Zweckverwendung, Zahlung von administrativen Kosten) übermittelt werden (vgl. Neff/Arn, SIWR II/2, 303; Oertli, SHK-URG, Art. 21 Rn. 31 f.; Rauber, Computersoftware, 189; Staffelbach, Dekompilierung, 117 f.).

599.  Die Dekompilierung muss gemäss Art. 21 Abs. 1 URG auf diejenigen Massnahmen beschränkt werden, die zur Entschlüsselung der jeweiligen Schnittstellen erforderlich, d.h. notwendig, sind. Je nach Ausgestaltung der Schnittstellen als Teil eines Computerprogramms oder als eigenständiges Computerprogramm schliesst die Dekompilierung eine begrenzte oder umfassendere Bearbeitung des geschützten Quellcodes mit ein (vgl. Neff/Arn, SIWR II/2, 303, 305; Oertli, SHK-URG, Art. 21 Rn. 28 f.; Staffelbach, Dekompilierung, 113).

600.  Die Dekompilierung darf gemäss Art. 21 Abs. 2 URG nicht zu einer unzumutbaren Beeinträchtigung der normalen Auswertung des Erstprogramms oder der rechtmässigen Interessen des Schutzrechtsinhabers führen. Soweit die vorstehenden Voraussetzungen vom Dekompilierer eingehalten werden, kann sich ein derartiges Ergebnis nur in Einzelfällen aufgrund von aussergewöhnlichen Umständen einstellen (vgl. hierzu Staffelbach, Dekompilierung, 129, 134 f.; sowie die Beispiele bei Loewenheim/Spindler, Urheberrecht, Art. 69e Rn. 22).

601.  Obwohl der Wortlaut von Art. 21 URG anders als Art. 6 Abs. 2 Software-RL kein ausdrückliches Verbot einer Weitergabe der entschlüsselten Schnittstelleninformationen vorsieht, wird von der ganz überwiegenden Auffassung in der Literatur die Untersagung einer Weitergabe der entschlüsselten Schittstelleninformationen als ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal einer Dekompilierung qualifiziert (vgl. Neff/Arn, SIWR II/2, 305; Oertli, SHK-URG, Art. 21 Rn. 47; Staffelbach, Dekompilierung, 136). Vorliegend ist daher davon auszugehen, dass dem Dekompilierer eine Weitergabe der durch die Entschlüsselung ermittelten Schnittstelleninformationen an andere Hersteller von EDV-Komponenten untersagt ist.

602.  Art. 21 URG bezieht sich lediglich auf das Urheberrecht, womit andere ausschliesslichen Rechte vorbehalten bleiben. Entsprechend findet Art. 21 URG keine Anwendung, wenn die Schnittstelle des Erst-Programms durch ein Patent geschützt ist (vgl. Oertli, SHK-URG, Art. 21 Rn. 53; Staffelbach, Dekompilierung, 147).

603.  Eine Zustimmung zur Dekompilierung seitens des Schutzrechtsinhabers am Erstprogramm ist nicht erforderlich. Vielmehr handelt es sich bei Art. 21 URG um eine zwingende Vorschrift, die von den Parteien nicht abbedungen werden kann (vgl. Oertli, SHK-URG, Art. 21 Rn. 1; Neff/Arn, SIWR II/2, 305; Oertli, SHK-URG, Art. 21 Rn. 44; Rehbinder/Viganò, URG, Art. 21 Rn. 3; Rauber, Computersoftware, 189; Staffelbach, Dekompilierung, 137). Dies wird im EU-Recht durch Art. 8 Abs. 2 Software-RL ausdrücklich statuiert. Ein Schutzrechtsinhaber kann demzufolge das Verbot einer Dekompilierung nicht rechtswirksam als Klausel in einen Kauf- oder Lizenzvertrag über ein Computerprogramm aufnehmen.

(e)          Urheberrechtliche Pflicht zur Offenlegung bzw. Herausgabe

604.  Der Schutzrechtsinhaber eines Erstprogramms kann die Möglichkeit von dessen Dekompilierung auf der Grundlage von Art. 21 URG dadurch unterbinden, dass er dessen Schnittstelleninformationen offenlegt (vgl. E. 598; Oertli, SHK-URG, Art. 21 Rn. 24, 37; für das deutsche Recht vgl. Grützmacher, Urheberrecht, Art. 69e Rn. 14). Denn dadurch wird die Voraussetzung einer Dekompilierung in Gestalt der fehlenden Zugänglichkeit der Schnittstelleninformationen aufgehoben.

605.  Auch wenn Art. 21 URG eine Dekompilierung von Schnittstellen zur Gewährleistung der Interoperabilität von Zweitprogrammen zulässt, ergibt sich daraus nach ganz überwiegender Auffassung aber umgekehrt kein Anspruch der Hersteller von Zweitprogrammen auf Offenlegung der jeweiligen Schnittstelleninformationen eines Erstprogramms durch dessen Schutzrechtsinhaber (vgl. Oertli, SHK-URG, Art. 21 Rn. 24, 37). Dies soll unabhängig davon gelten, ob es sich beim Zweitprogramm um ein ergänzendes oder substituierendes Computerprogramm handelt.

606.  Diese urheberrechtliche Rechtslage bildet jedoch wiederum keinen zwingenden Ausschluss einer Offenlegungspflicht des Urhebers aufgrund anderer Rechtsvorschriften.

607.  Das Recht zur Dekompilierung gemäss Art. 21 URG statuiert die Möglichkeit zu einem Eingriff in den Quellcode eines Computerprogramms und damit in die wesentliche Substanz eines Werks im Sinne von Art. 2 URG, mit dem zur Gewährleistung der Interoperabilität von EDV-Komponenten der Schutz von Schnittstellen und deren Informationen vollständig aufgehoben und der Schutz eines Computerprogramms eingeschränkt wird. Vorschriften des Kartellrechts oder anderer Rechtsgebiete können einen derartigen Eingriff in die wesentliche Substanz eines Computerprogramms als urheberrechtliches Werk zu Gunsten Dritter von vornherein nicht vorsehen. Daraus lässt sich allerdings nicht ableiten, dass nicht auch Vorschriften des Kartellrechts oder anderer Rechtsgebiete zur Gewährleistung der Interoperabilität von EDV-Komponenten den Schnittstelleninformationen einen rechtlichen Schutz versagen. Vielmehr lässt sich die Sicherstellung der Interoperabilität nur durch einen Zugriff auf die jeweiligen Schnittstelleninformationen mittels einer Verpflichtung zu deren Offenlegung durch den Schutzrechtsinhaber des Erstprogramms gegenüber den Herstellern von Zweitprogrammen bewerkstelligen.

608.  Entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerinnen (vgl. E. 533) ist es für eine kartellrechtliche Beurteilung demzufolge unerheblich, ob sich aus dem Urheberrecht für ein marktbeherrschendes Unternehmen eine Verpflichtung zur Herausgabe von Schnittstelleninformationen ergibt oder nicht.

(f)            Kartellrechtliche Beurteilung

609.  Vor diesem Hintergrund ist im Hinblick auf eine Anwendung des Immaterialgüterrechtsvorbehalts der massgebliche Grundsatz für die allgemeine Beurteilung der Schnittstellen von EDV-Komponenten sowie den entsprechenden Schnittstelleninformationen im Rahmen eines kartellrechtlichen Sachverhalts festzulegen.

610.  Der Zweck des Urheberrechts besteht im Schutz des jeweiligen Rechtsinhabers vor einer unrechtmässigen Vervielfältigung seiner EDV-Komponente als geschütztem Werk, nicht aber vor einer Konkurrenzierung der EDV-Komponente durch EDV-Komponenten anderer Wirtschaftsteilnehmer (vgl. E. 565; 583). Unabhängig davon, ob an der Schnittstelle einer EDV-Komponente und den damit einhergehenden Schnittstelleninformationen wegen ihrer schöpferischen und individuellen Ausgestaltung im Einzelfall ein Urheberrecht besteht oder nicht, eröffnet das Urheberrecht Herstellern von EDV-Komponenten daher die Möglichkeit, im Wege einer Dekompilierung die jeweiligen Schnittstelleninformationen einer anderen EDV-Komponente zu ermitteln, um sie für die Ausrüstung von eigenen EDV-Komponenten mit einer entsprechenden Schnittstelle nutzen zu können, damit auch die eigenen EDV-Komponenten innerhalb eines EDV-Systems über diese Schnittstelle angebunden werden können. Die Sicherstellung der Interoperabilität von EDV-Komponenten steht somit aus der Sicht des Urheberrechts über dem Schutz von Schnittstellen und deren Schnittstelleninformationen.

611.  Der Zweck des Kartellrechts besteht sowohl im institutionellen Schutz des Wettbewerbs vor einer nachteiligen Einwirkung als auch im individuellen Schutz der einzelnen Unternehmen, die auf einem Markt am jeweiligen Wettbewerb teilnehmen (vgl. E. 510). Eine Vorenthaltung der Schnittstelleninformationen von einzelnen EDV-Komponenten führt zu einer Monopolisierung der mit diesen Schnittstellen ausgestatteten EDV-Komponenten und damit zu einer Wettbewerbsbeschränkung in Gestalt einer Marktabschottung gegenüber konkurrierenden EDV-Komponenten von anderen Wirtschaftsteilnehmern auf den jeweiligen Märkten der betroffenen EDV-Komponenten oder EDV-Systeme. Dadurch stellt sich eine nachteilige Einwirkung auf den Wettbewerb ein, die bei Vorliegen einer Wettbewerbsabrede oder einer marktbeherrschenden Stellung sowie allfälligen weiteren tatbestandlichen Voraussetzungen der materiell-rechtlichen Vorschriften eine unzulässige Wettbewerbsbeschränkung gemäss Kartellgesetz darstellt. Die Sicherstellung der Interoperabilität von EDV-Komponenten stellt somit aus der Sicht des Kartellrechts eine notwendige Massnahme zur Gewährleistung eines wirksamen Wettbewerbs dar.

612.  Sowohl das Urheberrecht als auch das Kartellrecht sind demzufolge darauf ausgerichtet, die Verfügbarkeit von untereinander austauschbaren EDV-Komponenten zur Nutzung innerhalb eines EDV-Systems zu gewährleisten, um dadurch im Interesse der Nutzer von EDV-Systemen den Wettbewerb unter den Herstellern entsprechender EDV-Komponenten sicherzustellen und wettbewerbsfeindliche Monopolisierungen und sonstige Einschränkungen der Interoperabilität von EDV-Komponenten durch einzelne Anbieter zu unterbinden. 

613.  Angesichts dieser Ausgangslage ergibt sich für die rechtliche Behandlung der Schnittstellen von EDV-Komponenten und deren Schnittstelleninformationen kein inhaltlicher Konflikt zwischen Urheber- und Kartellrecht. Vielmehr sind beide Gesetzesordnungen auf die Gewährleistung von ausreichenden wettbewerblichen Marktbedingungen ausgerichtet.

614.  Das Bestehen eines Urheberrechts an einer Schnittstelle von EDV-Komponenten begründet demnach keinen Anwendungsvorbehalt gemäss Art. 3 Abs. 2 KG. Soweit Schnittstellen von EDV-Komponenten im Einzelfall mangels Werkqualität kein urheberrechtlicher Schutz zukommt, scheidet eine Anwendung des Immaterialgüterrechtsvorbehalts ohnehin bereits von vornherein aus.

615.  Die materiell-rechtlichen Vorschriften des Kartellgesetzes sind demzufolge auf die Beurteilung einer Verweigerung der Herausgabe von Schnittstelleninformationen für EDV-Komponenten anzuwenden. Dies gilt umso mehr, als der Immaterialgüterrechtsvorbehalt nach herrschender Ansicht restriktiv anzuwenden ist (vgl. E. 86). Der gegegenteile grundlegende Einwand der Beschwerdeführerinnen (vgl. E. 529) ist daher unbegründet.

616.  Dieses Ergebnis entspricht sowohl der Ausrichtung, die in Erwägung 17 der Software-RL zum Ausdruck gebracht wird, wonach die Anwendung der Wettbewerbsvorschriften ausdrücklich vorbehalten bleibt, wenn der Zugang zu Schnittstelleninformationen, die für die Interoperabilität von EDV-Komponenten notwendig sind, durch ein marktbeherrschendes Unternehmen verweigert wird, als auch dem Urheberrechtsgesetz, weil dieses eine inhaltliche Umsetzung der Vorschriften der Software-RL beabsichtigt (vgl. E. 564).  

617.  Ein anderes Ergebnis stellt sich im Übrigen auch dann nicht ein, wenn der Regelungsgehalt von Art. 21 URG einschränkend ausgelegt würde und darunter nur zugehörige, nicht aber substituierbare EDV-Komponenten erfasst würden. Denn das Urheberrecht anerkennt mit der Statuierung einer Möglichkeit zur Dekompilierung von Computerprogrammen zwecks Erlangung von dessen Schnittstelleninformationen, dass zum einen die Kenntnis der jeweiligen Schnittstelleninformationen innerhalb eines EDV-Systems von grundlegender Bedeutung für die Hersteller von EDV-Komponenten sind, um eine Anbindung im System vornehmen zu können, und dass zum anderen diese Möglichkeit der Kenntniserlangung für die Gewährleistung von Wettbewerb auf dem Markt der EDV-Komponenten und EDV-Systeme zur Abwehr von Abschottungsmassnahmen und Monopolisierungen erforderlich ist. Selbst wenn daher unterstellt wird, dass eine Dekompilierung von Erstprogrammen zu deren Substitution durch Zweitprogramme aus bestimmten Gründen urheberrechtlich nicht zulässig sei, so kann dadurch der Anspruch des Kartellrechts auf eine Gewährleistung des wirksamen Wettbewerbs hinsichtlich aller Arten von EDV-Komponenten, unabhängig davon, ob sie als zugehörig oder substituierend zu bezeichnen sind, nicht negiert werden. Dies gilt umso mehr, als eine Differenzierung zwischen zugehörigen und zu substituierenden Computerprogrammen wie aufgezeigt in der Praxis nicht zu einer sachgerechten Abgrenzung führt. Deshalb kann zum einen der Charakter als zu substituierendes Computerprogramm innerhalb eines EDV-Systems auch nicht als zwangsläufige Beschränkung des Urheberrechts qualifiziert werden, und zum anderen kann im Einzelfall darauf aufbauend auch keine sinnvolle Feststellung vorgenommen werden, ob wirksamer Wettbewerb im Sinne des Kartellgesetzes vorliegt oder nicht. Ein Anwendungsausschluss des Kartellgesetzes aufgrund des Immaterialgüterrechtsvorbehalts wäre deshalb auch bei einem engeren Regelungsgehalt von Art. 21 URG nicht gegeben.

618.  Dieses grundlegende Verhältnis von Kartellrecht und Urheberrecht in Bezug auf Schnittstellen und Schnittstelleninformationen führt im Hinblick auf die konkrete Anwendung der materiellrechtlichen Vorschriften des Kartellrechts zur folgenden grundsätzlichen Beurteilungslage.

619.  Das Urheberrecht statuiert für Schnittstelleninformationen von EDV-Komponenten weder einen allgemeinen immaterialgüterrechtlichen Vorbehalt im Sinne von Art. 3 Abs. 2 KG noch weist Art. 21 URG einen generellen Vorbehalt gegenüber kartellrechtlichen Vorschriften zur Begründung einer Offenlegung von Schnittstelleninformationen auf, selbst wenn an den Schnittstellen ein Urheberrecht bestehen sollte. Demzufolge geniessen Schnittstelleninformationen aus kartellrechtlicher Sicht keinen beachtenswerten urheberrechlichen Schutz im Hinblick auf die Herstellung bzw. Gewährleistung einer notwendigen Kompatibilität von EDV-Komponenten. Dies gilt unabhängig von der Art der jeweiligen EDV-Komponente, insbesondere wird hierdurch auch die Kompatibilität von Peripheriegeräten oder Konkurrenzprodukten mit einer Plattform erfasst. Die Anwendung der materiell-rechtlichen Vorschriften des Kartellrechts zur Gewährleistung eines wirksamen Wettbewerbs wird daher bei entsprechenden Sachverhalten nicht durch urheberrechtliche Aspekte eingeschränkt.

620.  Diese Vorgabe gilt für alle Schnittstelleninformationen in gleicher Weise, unabhängig davon, ob die jeweiligen Schnittstelleninformationen sich im Einzelfall auf eine EDV-Komponente beziehen, für die ein Unternehmen eine marktbeherrschende Stellung aufweist oder nicht. Der Aspekt der Marktbeherrschung und dessen inhaltliche Anforderungen erlangen im Rahmen der materiell-rechtlichen Prüfung von Art. 7 KG Bedeutung, nicht aber im Hinblick auf die Feststellung einer Anwendbarkeit bzw. eines Ausschlusses des Kartellgesetzes gemäss Art. 3 Abs. 2 KG. Entgegen der Ansicht der Vorinstanz (vgl. E. 542 ) ist es daher unerheblich, ob die Informationsverweigerung auf die marktbeherrschende Stellung der Beschwerdeführerin zurückzuführen ist oder nicht. Und entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerinnen (vgl. E. 537) ist es für eine Anwendung des Kartellgesetzes gleichfalls unerheblich, inwieweit die Sachverhaltskonstellationen in den Fällen IBM oder Microsoft mit dem vorliegenden Sachverhalt vergleichbar sind. Im Übrigen betrifft die Verweigerung einer Herausgabe der DCC-Schnittstelleninformationen für die Akzeptanz-Plattform entgegen dem Einwand der Beschwerdeführerinnen vorliegend gerade dasjenige Produkt, bei denen der SIX-Gruppe eine marktbeherrschende Stellung zukommt.

621.  Ebensowenig kommt im Einzelfall den konkreten Modalitäten einer Dekompilierung eine Bedeutung für die Anwendung der materiell-rechtlichen Vorschriften des Kartellgesetzes zu. Daher ist es unerheblich, ob eine Dekompilierung im Einzelfall rechtmässig durchgeführt werden kann oder tatsächlich rechtmässig durchgeführt wurde. Diese Aspekte erlangen allenfalls im Rahmen einer Prüfung des materiellen Tatbestands eine Bedeutung (vgl. E. 1005 ff.). Demzufolge ist der Einwand der Beschwerdeführerinnen (vgl. E. 535), wonach sich die anderen Terminalhersteller die Schnittstelleninformationen mittels einer Dekompilierung hätten selbst beschaffen können, in diesem Zusammenhang unbeachtlich.

(g)          Sachverhalt

622.  Der konkrete Sachverhalt verlangt nicht nach einer Ausnahme von der vorstehend festgestellten grundsätzlichen kartellrechtlichen Beurteilung der Schnittstelleninformationen von EDV-Komponenten. Denn die vorliegende Sachverhaltskonstellation entspricht der beschriebenen Ausgangskonstellation und den damit verbundenen Wettbewerbseinschränkungen bei einer Vorenthaltung von Schnittstelleninformationen für EDV-Komponenten. Gründe für eine Abweichung vom vorstehend festgestellten Grundsatz und eine dadurch bedingte unterschiedliche Beurteilung sind nicht ersichtlich.

623.  Im Übrigen wären in diesem Zusammenhang zudem verschiedene weitere Aspekte in Bezug auf den vorliegenden Sachverhalt der Vollständigkeit halber zu berücksichtigen.

624.  Die Beschwerdeführerinnen machen das Bestehen eines Urheberrechts an den DCC-Schnittstellen geltend, wobei im vorliegenden Zusammenhang dahingestellt bleiben kann, ob als massgeblicher Schutzrechtsinhaber Card Solutions oder Multipay zu qualifizieren ist (vgl. E. 644 ff.). Von den Beschwerdeführerinnen wird hingegen von vornherein nicht geltend gemacht, dass ein Patentrecht an den Schnittstellen besteht, weshalb es hierzu keiner weiteren Ausführungen bedarf (vgl. E. 558, 602).

625.  Zum Nachweis des Urheberechts an den DCC-Schnittstellen verweisen die Beschwerdeführerinnen auf das Urheberrecht, das am Computerprogramm der DCC-Funktion bestehe. Wie vorstehend dargelegt, müssen die DCC-Schnittstellen allerdings selbst über eine ausreichende schöpferische Individualität verfügen, um als urheberrechtliches Werk qualifiziert werden zu können (vgl. E. 578).

626.  Von den Beschwerdeführerinnen wird in keiner Weise konkret dargelegt, dass und weshalb die DCC-Schnittstelle selbst eine ausreichende schöpferische individuelle Qualität aufweist, um gemäss Art. 2 Abs. 4 URG als urheberrechtliches Werk gelten zu können.

627.  Eine allgemeine Vermutung zugunsten der Werkqualität von Schnittstellen besteht nicht (vgl. Arn/Neff, SIWR II/2, 133).

628.  Im vorliegenden Fall wäre eine entsprechende Vermutung auch nicht zu rechtfertigen, weil die nachfolgenden Umstände gegen eine ausreichende schöpferische Individualität der Schnittstellen sprechen: (i) Die DCC-Schnittstelle ist als Zusatz in die allgemeine Schnittstelle zwischen POS-Terminals und Akzeptanz-Plattform eingebunden (vgl. E. 554); (ii) diese Ergänzung ist von der inhaltlichen Überprüfung und Zustimmung der Kartenlizenzgeber abhängig und bedarf auf deren Veranlassung hin der Anpassungen; (iii) eine DCC-Schnittstelle war bereits im Rahmen der erstmaligen Implementation der DCC-Umrechnung im Ausland durch ein anderes Unternehmen eingeführt und vom Visa Card Scheme abgenommen worden.

629.  Insbesondere schon deshalb ist nicht davon auszugehen, dass die DCC-Schnittstellen eine ausreichende schöpferische Individualität aufweisen, weil die DCC-Funktion und damit auch die DCC-Schnittstellen, aufgrund der Vorgaben des Visa Card Scheme ausgestaltet werden mussten, wie die Beschwerdeführerinnen in Zusammenhang mit der Geltendmachung einer Re-Zertifizierungsphase als Rechtsfertigungsgrund selbst geltend machen. Im dortigen Zusammenhang führen sie aus, dass die Ausgestaltung der Schnittstellen aufgrund der Intervention des Visa Card Schemes bis zum Abschluss der Re-Zertifizierung einem konstanten Wandel unterworfen gewesen wäre (vgl. E. 665, 677).

630.  Zudem führt die Ausführung der DCC-Funktion über den Datentransfer hinaus, der im Rahmen des bestehenden ep2-Standards die allgemeinen Kartendaten und den Zahlungsbetrag in inländischer Währung umfasst, lediglich zur zusätzlichen Übermittlung eines weiteren Zahlungsbetrags in ausländischer Währung und des Wechselkurses. Deshalb handelt es sich bei der Ausgestaltung der DCC-Schnittstelle eher um eine triviale Entwicklungstätigkeit bzw. eine bloss alltägliche, standardisierte Programmierarbeit ohne besonderen eigenen individuellen Beitrag seitens der Beschwerdeführerinnen.

631.  Dies wird zudem von den Beschwerdeführerinnen auch durch ihr Vorbringen (vgl. E. 536) bestätigt, wonach die anderen Terminalhersteller nur eine Kopie der DCC-Funktion der Card-Solutions hätten herstellen können. Wenn die anderen Terminalhersteller keine Möglichkeit gehabt hätten, im Rahmen des vorgegebenen ep2-Standards eine DCC-Funktion bzw. eine DCC-Schnittstelle mit einer urheberrechtlich zulässigen abweichenden Ausdrucksform zu gestalten, dann hätte auch für Card Solutions keine Möglichkeit bestanden, eine DCC-Funktion bzw. eine DCC-Schnittstelle mit einer ausreichenden schöpferischen Individualität herzustellen, welche die Voraussetzungen der Werkqualität gemäss Art 2 URG erfüllt hätte. Wenn nicht einmal die DCC-Funktion selbst mit einer ausreichenden schöpferischen Qualität hergestellt werden kann, dann kann den DCC-Schnittstellen erst recht kein urheberrechtlicher Schutz zugesprochen werden.

632.  Aus diesen Gründen ist demnach nicht davon auszugehen, dass überhaupt ein Urheberrecht der SIX-Gruppe an der DCC-Schnittstelle besteht, weshalb der Immaterialgüterrechtsvorbehalt gemäss Art. 3 Abs. 2 KG vorliegend bereits deshalb von vornherein keine Bedeutung erlangen kann (vgl. E. 614).

c)             Massgebliche Schnittstellen und Schnittstelleninformationen

633.  Zwischen den Parteien ist strittig, welche Schnittstelleninformationen - und damit welcher Anküpfungspunkt für die Geschäftsbeziehungen zwischen der SIX-Gruppe und den anderen Terminalherstellern - für die Beurteilung der Angelegenheit und die dabei auftretenden einzelnen Sach- und Rechtsfragen von Bedeutung sind. Die Vorinstanz stellt in der angefochtenen Verfügung auf die Schnittstelle der Akzeptanz-Plattform zur Anbindung der Zahlungskartenterminals und als Folge hiervon auf die Offenlegung der entsprechenden Schnittstelleninformationen als Anknüpfungspunkt der Geschäftsverweigerung ab. Demgegenüber verweisen die Beschwerdeführerinnen wiederkehrend auf die Massgeblichkeit der DCC-Funktion sowie die DCC-Terminals von Card Solutions, weshalb die Schnittstelleninformationen der DCC-Terminals von Card Solutions relevant seien. Diese Divergenz in der Zuordnung der tatsächlichen Gegebenheiten verlangt nach einer entsprechenden Abklärung, die dann der Beurteilung der weiteren Rechtsfragen zu Grunde zu legen ist.

(1)          Vorbringen der Beschwerdeführerinnen

634.  Die Beschwerdeführerinnen räumen zwar ein, dass die auf der DCC-Funktion aufbauenden DCC-Dienstleistungen durch Multipay als Kartenakquisiteur erbracht wurden. Dieser Aspekt sei aber irrelevant, weil in der angefochtenen Verfügung weder behauptet werde, die anderen Terminalhersteller hätten DCC-Dienstleistungen nachgefragt, noch dass ihnen entsprechende DCC-Dienstleistungen vorenthalten worden seien.

635.  Vielmehr hätten die anderen Terminalhersteller versucht, Zugriff auf die von Card Solutions entwickelte DCC-Funktion und damit auf die Software der DCC-Terminals von Card Solutions zu erlangen. Hierbei handle es sich um eine Entwicklung und ein Produkt von Card Solutions, weshalb dieser die Urheberrechte an der DCC-Funktion bzw. den damit ausgerüstenen DCC-Terminals und damit auch an den entsprechenden Schnittstelleninformationen zustehe.

636.  Die anderen Terminalhersteller hätten demzufolge von Multipay die Offenlegung von Schnittstelleninformationen verlangt, die der Card Solutions zugestanden hätten.

(2)          Vorbringen der Vorinstanz

637.  Die angefochtene Verfügung geht auf diesen Sachpunkt nicht ausdrücklich ein. Allerdings ergibt sich implizit aus ihr, dass die Vorinstanz die Schnittstelleninformationen der Akzeptanz-Plattform und nicht die Schnittstelleninformationen der DCC-Terminals als massgeblich erachtet.

(3)          Würdigung durch das Gericht

638.  Die allgemeine Intention der Terminalhersteller, die mit der SIX-Gruppe auf dem Markt der ep2-Terminals konkurrieren, ist auf die Herstellung eines technischen Anschlusses an die Akzeptanz-Plattform der SIX-Gruppe zur Sicherstellung eines ordnungsgemässen Datenaustausches zwischen ep2-Terminals und Akzeptanz-Plattform ausgerichtet. Dies gilt in gleicher Weise auch in Bezug auf die Akzeptanz-Plattformen der anderen Unternehmen im Akzeptanzgeschäft. Dieser Anschluss und der darauf aufbauende Datenaustausch sind innerhalb der Schweiz aufgrund des bestehenden ep2-Standards und der damit verbundenen Festlegung und Offenlegung von Schnittstelleninformationen prinzipiell gewährleistet, weshalb Zahlungskartentransaktionen ohne Einsatz der DCC-Währungsumrechnung mit ep2-Terminals unterschiedlicher Hersteller prinzipiell ohne Schwierigkeiten ordnungsgemäss mit der Akzeptanz-Plattform der SIX-Gruppe oder anderen Akzeptanz-Plattformen durchgeführt werden können (vgl. SV F.e).

639.  Im Hinblick auf die im relevanten Zeitraum eingeführte DCC-Währungsumrechnung ist die spezifische Intention der anderen Terminalhersteller in entsprechender Weise auf den Anschluss ihrer Zahlungskartenterminals an die Akzeptanz-Plattform der SIX-Gruppe gerichtet, um einen ordnungsgemässen Datentransfer zur Umsetzung der DCC-Währungsumrechnung zu gewährleisten. Da die DCC-Währungsumrechnung nicht Bestandteil des ep2-Standards ist und diesbezüglich auch kein internationaler Standard bestand, bildete die Offenlegung der Schnittstelleninformationen gegenüber den anderen Terminalherstellern eine notwendige Voraussetzung, um die Funktionsfähigkeit von DCC-Terminals im Zahlungskartensystem sicherzustellen. Dies gilt nicht nur in Bezug auf die Akzeptanz-Plattformen der SIX-Gruppe, sondern auch hinsichtlich der Akzeptanz-Plattformen von Drittunternehmen. Das Interesse der Terminalhersteller war demnach auf die Erlangung der notwendigen Schnittstelleninformationen für die einzelnen Akzeptanz-Plattformen zur Anbindung ihrer DCC-Terminals ausgerichtet.

640.  Entgegen den wiederkehrenden Behauptungen der Beschwerdeführerinnen waren die anderen Terminalhersteller demzufolge nicht an den DCC-Schnittstelleninformationen der ep2-Terminals von Card Solutions interessiert. Vielmehr waren diese Schnittstelleninformationen überhaupt nicht von Interesse. Denn die anderen Terminalhersteller wollten ihre ep2-Terminals nicht mit den ep2-Terminals der Card Solutions verbinden, sondern ausschliesslich mit der Akzeptanz-Plattform der Multipay. Die hierfür notwendigen Informationen waren Gegenstand der Herausgabeverlangen durch die anderen Terminalhersteller. Ob es sich dabei um die gleichen Daten wie für die DCC-Schnittstelle der ep2-Terminals der Card Solutions oder um Daten für eine anders ausgestaltete DCC-Schnittstelle gehandelt hätte, weil an der DCC-Schnittstelle für die ep2-Terminals der Card Solutions ein Urheberrecht bestand, war völlig irrelevant. Denn die SIX-Gruppe hätte die DCC-Schnittstelle zwischen ihrer Akzeptanz-Plattform und den ep2-Terminals der anderen Terminalhersteller anders ausgestalten müssen als diejenige zu ihren eigenen ep2-Terminals, um ein allfälliges Urheberrecht an der DCC-Schnittstelle der ep2-Terminals von Card Solutions gegenüber einer Offenlegung zu schützen. Die anderen Terminalhersteller wollten zudem auch kein Zusatzprodukt für die ep2-Terminals der Card Solutions herstellen.

641.  Den DCC-Schnittstelleninformationen der ep2-Terminals der Card Solutions kommt ungeachtet dessen, dass ohnehin eine kartellrechtliche Unternehmensidentität besteht (vgl. E. 653 ff.), demnach keinerlei Bedeutung für die rechtliche Beurteilung der vorliegenden Angelegenheit zu. Infolgedessen ist es entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerinnen auch unerheblich, ob der Card Solutions Urheberrechte an den DCC-Schnittstelleninformationen ihrer ep2-Terminals zustehen oder nicht, und zwar ungeachtet dessen, dass an derartigen Schnittstelleninformationen wie dargelegt wohl keine Urheberrechte bestehen.

642.  Massgebend für die rechtliche Beurteilung der einzelnen Sach- und Rechtsfragen sind vorliegend demzufolge allein die notwendigen DCC-Schnittstelleninformationen für die Anbindung von ep2-Terminals der anderen Terminalhersteller an die Acquring-Plattform der Multipay.

643.  Dies entspricht im Übrigen auch dem tatsächlichen Geschehensablauf, weil die Multipay als Betreiberin der Akzeptanz-Plattform auch als Vermarkterin der DCC-Währungsumrechnung und als Anbieterin der entsprechenden DCC-Dienstleistungen aufgetreten ist. Dies wird von den Beschwerdeführerinnen selbst bestätigt. Demzufolge war sie für die anderen Terminalhersteller offensichtlich die zutreffende Ansprechperson für eine Anbindung ihrer DCC-Terminals an die Acquring-Plattform der Multipay. Entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerinnen ist es hierbei auch unbeachtlich, dass die anderen Terminalhersteller keine DCC-Dienstleistungen nachgefragt haben.

d)            Einwand der Unternehmensdifferenzierung

644.  Die Vorbringen der Beschwerdeführerinnen beruhen wiederkehrend auf einer Abgrenzung zwischen Multipay und Card Solutions als eigenständige Geselllschaften mit unterschiedlichen Interessen, weshalb eine Zuordnung von Verantwortlichkeiten und eine Zurechnung des Verhaltens, wie dies die Vorinstanz in der angefochtenen Verfügung vorgenommen habe, in tatsächlicher Hinsicht unzutreffend und daher rechtlich unzulässig seien.

(1)          Vorbringen der Beschwerdeführerinnen

645.  Nach Auffassung der Beschwerdeführerinnen versucht die angefochtene Verfügung, die massgeblichen Zuständigkeiten zu verwischen. Eine Lizenzierung des nachgefragten Gutes falle schon rein zivilrechtlich in den Zuständigkeitsbereich des Inhabers des Immaterialgüterrechts. Multipay verfüge aber über keinerlei Rechte an den DCC-Schnittstelleninformationen als nachgefragtem Gut. Multipay hätte daher aus eigenem Recht überhaupt nicht über die DCC-Schnittstelleninforma-tionen verfügen können.

646.  Die wirtschaftliche und rechtliche Kontrolle über die Offenlegung der Schnittstelleninformationen habe einzig bei der nicht marktbeherrschenden Card Solutions vorgelegen. Card Solutions habe aber kein Interesse an einer Behinderung anderer Terminalhersteller gehabt. Card Solutions sei vielmehr daran interessiert gewesen, die von ihr selbst als Akzeptanzdienstleister verarbeiteten DCC-Transaktionen zu maximieren. Dies sei wirtschaftlich wesentlich interessanter als der geringe Gewinn von Terminalverkäufen gewesen. Card Solutions sei nicht marktbeherrschend und daher auch nicht zur Herausgabe der Schnittstelleninformationen verpflichtet gewesen. Multipay habe keine Einwirkungsmöglichkeiten auf Card Solutions gehabt.

647.  Der Entscheid über die Anfragen der anderen Terminalhersteller sei durch die Card Solutions als Eigentümerin der DCC-Funktion getroffen worden. Der Umstand, dass dies auch an gemeinsamen Geschäftsleitungssitzungen von Multipay und Card Solutions thematisiert worden sei, sei darauf zurückzuführen, dass die Anfragen von Jeronimo jeweils fälschlicherwise an Multipay gerichtet worden seien. Multipay hätte entsprechend mit Card Solutions Rücksprache halten müssen. Hieraus den Schluss zu ziehen, dass die Verweigerung de facto durch Multipay erfolgt sei, sei folglich falsch. Zudem handle es sich bei diesen Protokollen um blosse Beschlussprotokolle und nicht um ausführliche Inhaltsprotokolle. In Bezug auf die den Beschlüssen zu Grunde liegenden Diskussionen und die Entscheidfindung seitens der Card Solutions könne demnach nichts aus den Protokollen abgeleitet werden.

648.  Der Umweg über eine Konzernbetrachtung sei nicht zielführend, weil im Rahmen der Untersuchung des Sekretariats der Konzern zu keinem Zeitpunkt involviert und auch nicht Gegenstand der Untersuchung gewesen sei. Bezüglich der Verhaltensweise des Konzerns würden sich denn auch keine Abklärungen, Sachverhaltsfeststellungen oder rechtliche Beurteilungen finden.

649.  Ungeachtet dessen müssten auch innerhalb eines Konzerns die einzelnen Interessen eines Unternehmens Berücksichtigung finden. Der Vorwurf gegenüber Multipay, durch die Vorgehensweise die Verkäufe von Zahlungskartenterminals durch die Schwestergesellschaft zu unterstützen, setze die Möglichkeit der Multipay voraus, auf eine Offenlegung der Schnittstellen durch Card Solutions Einfluss nehmen zu können. Eine solche Möglichkeit habe gerade nicht bestanden.

650.  Es sei falsch, die Thematik unter dem Titel "DCC bei Multipay" abzuhandeln. Es handle sich vielmehr um eine Entwicklung und ein Produkt von Card Solutions. Die DCC-Funktion und das Processing seien durch Card Solutions erbracht worden. Diese Leistungen seien mit dem Transaktionsverarbeiter verbunden, welcher wiederum vom Kartenakquisiteur und nicht vom Händler gewählt werde. Die Vorinstanz führe hierzu aus, dass dies nicht korrekt sei, weil für den vorliegenden Fall die Händlersicht massgebend sei. Dieses Argument sei nicht konsistent mit dem Rest der angefochtenen Verfügung. Der Vorwurf der Wettbewerbskommission laute dahingehend, dass den anderen Terminalherstellern die Schnittstellen nicht offengelegt worden seien. Relevant sei demnach die Optik der Terminalhersteller und nicht diejenige der Händler. Für die Terminalhersteller könnte jedoch nicht die Verhaltensweise der Multipay relevant sein, weil diese auch nicht über die notwendigen Rechte an der DCC-Funktion habe verfügen und auch gar keine Schnittstelleninformationen habe offenlegen können.

651.  Nachdem es sich bei SCA nicht um ein marktbeherrschendes Unternehmen handle, sei auch nicht einzusehen, weshalb sie ihre Produkte und Funktionen ungehindert, kostenfrei und noch vor Abschluss der eigentlichen Produktentwicklung ihren Wettbewerbern zur Verfügung stellen sollte.

(2)          Vorbringen der Vorinstanz

652.  Die Vorinstanz verweist darauf, dass es sich bei Multipay und Card Solutions um Gruppengesellschaften des gleichen Konzerns handle, weshalb eine Differenzierung nicht vorgenommen werden könne.

(3)          Würdigung durch das Gericht

653.  Im Hinblick auf die von den Beschwerdeführerinnen zu Grunde gelegte Differenzierung zwischen Multipay und Card Solutions ist zum einen das massgebliche Kartellrechtssubjekt zu beachten und zum anderen der Gegenstand des missbräuchlichen Verhaltens sowie das Verhalten der beiden Wirtschaftsteilnehmer gegenüber ihren bestehenden und potenziellen Geschäftspartnern zu berücksichtigen.

654.  Der Einwand der Beschwerdeführerinnen, wonach Multipay für die DCC-Funktion und die Offenlegung von DCC-Schnittstelleninformationen sowie deren allfällige Lizenzierung nicht zuständig gewesen sei, weil Card Solutions die Inhaberin der einschlägigen Immaterialgüterrechte hinsichtlich der DCC-Funktion gewesen sei, weshalb keine unzulässige Handlung der Multipay vorliegen könne, ist zum einen widersprüchlich angesichts des tatsächlichen Marktauftritts der beiden Konzerngesellschaften und zum anderen aber ohnehin unbeachtlich, weil es sich beim massgeblichen Kartellrechtssubjekt um die SIX-Gruppe handelt.

655.  Wie vorstehend dargelegt wurde, ist das massgebliche Kartellrechtssubjekt des schweizerischen Kartellgesetzes der Konzern und nicht eine oder mehrere einzelne Konzerngesellschaften (vgl. E. 119 ff.). Daher stehen weder Multipay noch Card Solutions als einzelne Konzerngesellschaft, sondern die SIX-Gruppe als Ganzes in der kartellrechtlichen Verantwortung.

656.  Eine konzerninterne Differenzierung zwischen den einzelnen Konzerngesellschaften ist grundsätzlich nicht vorzunehmen. Sinn und Zweck der Qualifizierung des Konzerns als Kartellrechtssubjekt besteht gerade darin, auf eine kartellrechtliche Untersuchung und allfällige Verfolgung von konzerninternen Transaktionen zu verzichten. Einerseits wären ansonsten eine nach eigenen Vorstellungen erfolgende Aufteilung von Funktionen und Tätigkeiten innerhalb eines Konzerns sowie die gruppenweite Zusammenarbeit zwischen einzelnen Konzerngesellschaften ausgeschlossen. Vielmehr müssten alle Handlungen und damit die gesamte interne Organisation des Konzerns und der Konzerngesellschaften in solch einer Weise ausgestaltet werden, dass sämtliche Transaktionen einem Drittvergleich standhielten, mit der Folge, dass alle konzerninternen Transaktionen vollumfänglich wettbewerbskonform ausgestaltet sein müssten. Damit wäre ein Konzern der Vorteile, welche dieses Rechtsgebilde im Hinblick auf eine kartellrechtliche Beurteilung bietet, gerade beraubt. Andererseits liesse sich die Entscheidfindung zu einzelnen Sachentscheidungen innerhalb eines Konzerns überhaupt nicht verfolgen und nachweisen. Da der Konzern per Definition unter einer gesamtheitlichen (Gruppen-)Führung steht (vgl. E. 39 ff.), können zudem Anweisungen an nachgeordnete Funktionsträger von anderen Konzerngesellschaften in mannigfaltiger Weise ausgestaltet und umgesetzt werden, weshalb sie einer Nachverfolgung von vornherein nicht zugänglich sind. Letztlich könnte ein marktmissbräuchliches Verhalten durch einen marktbeherrschenden Konzern mit derartigen Behauptungen ohne Schwierigkeiten verschleiert werden. Dies wird durch die Beschwerdeführerinnen aufgrund ihres Vorbringens zum Verhalten von Multipay und Card Solutions geradezu eindrücklich bestätigt.

657.  Ob und inwieweit Ausnahmen von diesem Grundsatz bestehen, ist umstritten. Teilweise werden von der EU-Wettbewerbspraxis Ausnahmen vorgesehen. Ob eine entsprechene Anwendung dieser Differenzierung mit dem schweizerischen Kartellgesetz angesichts von dessen unterschiedlicher Statuierung eines eigenständigen Kartellrechtssubjekts kompatibel wäre, bedarf vorliegend keiner abschliessenden Beantwortung, weil der Sachverhalt keinen Anlass zur Begründung einer Ausnahme darstellt. Vielmehr stellt er geradezu ein Exempel für die wettbewerbsrechtliche Verantwortlichkeit des Konzerns und dessen kartellrechtliche Heranziehung dar.

658.  Für die kartellrechtliche Beurteilung sind die DCC-Schnittstellen der Akzeptanz-Plattform von Multipay zur Anbindung von DCC-Terminals massgebend (vgl. E. 638). Denn diese Schnittstellen werden von der Multipay als Betreiberin der Akzeptanz-Plattform verwendet. Daher waren diese Schnittstelleninformationen an die anderen Terminalhersteller herauszugeben (vgl. E. 638 f.), unabhängig davon, ob der Multipay ein Urheberrecht an diesen Schnittstellen zustand oder nicht. Wobei von einer urheberrechtlichen Schutzfähigkeit der DCC-Schnittstellen nicht auszugehen ist (vgl. E. 546 ff.). Ungeachtet dessen standen sie der Multipay rechtlich uneingeschränkt zur Verfügung. Entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerinnen war die Multipay daher nicht aufgrund eines bestehenden Immaterialgüterrechts der Card Solution in ihrer Verfügungsgewalt über die DCC-Schnittstelleninformationen ihrer Akzeptanz-Plattform eingeschränkt. Die Entscheidung über eine Offenlegung der DCC-Schnittstelleninformationen an andere Terminalhersteller oblag demzufolge ausschliesslich dem Verantwortungsbereich von Multipay. Zudem ist auf dem Markt ausschliesslich Multipay als Vermarkterin der DCC-Währungsumrechnung aufgetreten, schon allein deshalb, weil die DCC-Währungsumrechnung nur im Rahmen der Kartenakzeptanz umgesetzt werden kann. Es ist daher nur sachlogisch, dass die anderen Terminalhersteller von der Multipay die Offenlegung der Schnittstelleninformationen für die Anbindung ihrer DCC-Terminals an die Akzeptanz-Plattform der Multipay verlangt haben.

659.  Die Einwände der Beschwerdeführerinnen im Hinblick auf ein allfällig bestehendes Urheberrecht der Card Solutions an der DCC-Schnittstelle der ep2-Terminals sind daher unerheblich, weil auch bei einer von ihnen verlangten Unternehmensdifferenzierung die alleinige Zuständigkeit der Multipay gegeben gewesen wäre und Card Solutions gerade keine Ansprüche oder Rechte im Hinblick auf die DCC-Schnittstelleninformationen der Akzeptanz-Plattform, die den anderen Terminalherstellern hätten bekannt gegeben und zur Verfügung gestellt werden müssen, geltend machen konnte.

660.  Die Vorbringen der Beschwerdeführerinnen zeigen allerdings auf, dass nachträglich der Versuch unternommen wird, diese tatsächlichen Gegebenheiten zu verschleiern. Hierbei handelt es sich im Verhältnis zu den Geschäftspartnern um ein fragwürdiges und im Rahmen eines Kartellverfahrens um ein widersprüchliches Verhalten. Zudem wird dadurch belegt, dass eine vollständige Durchdringung und Aufklärung von konzerninternen Verhältnissen durch die Wettbewerbsbehörden mitunter an Grenzen stossen. 

661.  Die Beschwerdeführerinnen übersehen zudem, dass sich auch bei Annahme ihrer Vorbringen zur Unternehmensdifferenzierung ein marktmissbräuchliches Verhalten ergeben würde. Wenn die Multipay als eigenständig zu behandelndes Unternehmen sich geweigert hätte, den anderen Terminalherstellern die DCC-Schnittstelleninformationen ihrer Akzeptanz-Plattform - die dann in jedem Fall ungeachtet einer urheberrechtlichen Schutzfähigkeit auch unabhängig von den DCC-Schnittstelleninformationen für die DCC-Terminals der Card Solutions zu betrachten gewesen wären - herauszugeben, hätte dies zur Folge gehabt, dass deswegen die DCC-Terminals der anderen Terminalhersteller nicht an die Akzeptanz-Plattform hätten angebunden werden können. Demzufolge hätte Multipay die verschiedenen Terminalhersteller unterschiedlich behandelt. Für eine derartige unterschiedliche Behandlung der Terminalhersteller und eine Bevorzugung von Card Solutions durch Multipay hätte unter unabhängigen Unternehmen kein sachlich angemessener Grund bestanden. Mithin hätte Multipay bei dieser Sichtweise gegenüber den anderen Terminalherstellern in jedem Fall die Missbrauchsform einer Diskriminierung gemäss Art. 7 Abs. 2 lit. KG verwirklicht.

e)             Einwand der Test- und Re-Zertifizierungsphase

(1)          Vorbringen der Beschwerdeführerinnen

662.  Die Beschwerdeführerinnen machen zu allen von der Vorinstanz festgestellten Missbrauchsformen in ähnlicher Weise wiederkehrend geltend, dass ein wettbewerbswidriges Verhalten nicht vorgelegen habe, weil die DCC-Funktion und damit auch die DCC-Terminals sich zum Zeitpunkt der Anfragen der anderen Terminalhersteller noch in einer Test- bzw. in einer Re-Zertifizierungsphase befunden hätten.

663.  Eine Geschäftsverweigerung oder eine Koppelung liegt nach den Beschwerdeführerinnen nur vor, wenn das nachgefragte Gut oder die nachgefragte Leistung überhaupt erbracht werden könne. Bei Fehlen eines definitiven Produkts sei eine Geschäftsverweigerung oder ein anderes missbräuchliches Verhalten ausgeschlossen. Zum Zeitpunkt der jeweiligen Anfragen habe kein definitives Produkt bestanden, weil das Test- und Re-Zertifizierungsverfahren noch gar nicht abgeschlossen gewesen sei. Eine Offenlegung hätte daher nicht vor Beendigung der Test- und Re-Zertifizierungsphase erfolgen müssen.

664.  Eine Offenlegung der Schnittstelleninformationen sei grundsätzlich auch im damaligen Zeitpunkt geplant gewesen und sollte nach der endgütigen Fertigstellung der DCC-Funktion, d.h. nach deren definitiver Re-Zertifizierung durch das Visa Card Scheme, erfolgen.

665.  Vor Abschluss der Re-Zertifizierung am 11. Mai 2006 habe keine definitive DCC-Funktion bestanden und die Schnittstellen seien aufgrund der noch laufenden Entwicklung und der sich ändernden Zertifizierungsanforderungen des Visa Card Scheme einem konstanten Wandel unterworfen gewesen.

666.  Nachdem im Januar 2005 eine probeweise Aufschaltung des nicht vollendeten DCC-Systems als Pilotversuch vorgenommen worden sei, habe im März 2005 eine erste Phase zu Testzwecken mit einer Aufschaltung der DCC-Lösung begonnen. Ein regulärer Betrieb im Sinne einer uneingeschränkten Verwendung und Umsetzung der DCC-Funktion sei zu diesem Zeitpunkt nicht möglich gewesen. Im Rahmen der vorhergehenden Pilotphase und der Phase zu Testzwecken hätten sich diverse Probleme ergeben, die Änderungen an der DCC-Funktion nach sich gezogen hätten.

667.    Die Testphase sei nur auf einem bestimmten Terminalprodukt durchgeführt worden. Denn zunächst habe die Systemstabilität festgestellt werden müssen, bevor weitere Terminalprodukte hätten eingebunden werden können. Dies habe insbesondere auch für die Terminalprodukte der anderen Terminalhersteller gegolten.

668.  Den verschiedenen Marketingaussagen der Multipay über die DCC-Währungsumrechnung gegenüber den Marktteilnehmern käme keine Bedeutung zu, weil zu diesem Zeitpunkt noch wesentliche Änderungen vorzunehmen gewesen seien. Die Vorinstanz versuche, den Marketingaussagen der Beschwerdeführerinnen ein höheres Gewicht beizumessen als den objektiven Fakten.

669.  Der Abschluss von DCC-Verträgen habe die Voraussetzung für die Durchführung der Testphase gebildet und sei gerade nicht eine Folge der behaupteten Marktfähigkeit. Denn eine Zertifizierung setze voraus, dass eine Funktion im effektiven Betrieb und nicht nur im Labor getestet worden sei.

670.  Die Behauptung der Vorinstanz, dass es sich ab März 2005 bei der DCC-Währungsumrechnung der Card Solutions um ein marktfähiges Produkt gehandelt habe, sei daher rein spekulativ und unbewiesen und werde durch die vorgenommenen erheblichen Anpassungen widerlegt.

671.  Die Notwendigkeit einer Re-Zertifizierung durch das Visa Card Scheme belege, dass Card Solutions sich nicht unabhängig habe verhalten können.

672.  Dass die SIX-Gruppe die Firma Redpoint mit der Entwicklung einer Implementierung von DCC für eine Hotellösung beauftragt habe, widerspreche dem nicht, weil es sich hierbei um eine Auftragsentwicklung für eine Integration in Kassensysteme gehandelt habe. Das Projekt habe nicht beendet werden können, sondern sei eingestellt worden.

673.  Am 16. Dezember 2005 sei das Visa Card Scheme eingeschritten und habe mit Blick auf die DCC-Funktion eine Sistierung angeordnet. Die Risiken im Zusammenhang mit der Sistierung der Zertifizierung durch das Visa Card Scheme hätten nicht unterschätzt werden dürfen. Aufgrund der Anforderungen des Visa Card Scheme seien zusätzliche Zertifizierungsbedingungen festgelegt worden und es hätten signifikante Anpassungen der technischen Ausgestaltung der DCC-Funktion vorgenommen werden müssen. Diese Massnahme des Visa Card Scheme habe auch andere Kartenakquisiteure und Anbieter von DCC-Dienstleistungen ausserhalb der Schweiz betroffen. Diese hätten bis zu 12 Monate für die Durchführung der Re-Zertifizierung benötigt.

674.  Der Umstand, dass zu Testzwecken bei einigen Händlern bereits ein Vertragsabschluss und eine Installation vorgenommen worden seien, sei gerade Bestandteil der Test- und Zertifizierungsphase. Denn eine definitive Zertifizierung sei überhaupt nur möglich, wenn das Card Scheme das Produkt im effektiven Betrieb begutachten könne.

675.  Bis zum Abschluss dieser Re-Zertifizierung habe die Card Solutions keine neuen, nicht zertifizierten DCC-fähigen Zahlungskartenterminals mit der DCC-Funktion aufschalten dürfen. Daher seien die Beschwerdeführerinnen überhaupt nicht in der Lage gewesen, weitere nicht zertifizierte DCC-fähige Zahlungskartenterminals von Drittherstellern mit DCC-Funktion aufzuschalten.

676.  Auch wenn der Aufwand im Rahmen der Re-Zertifizierung nicht übermässig gewesen sei, habe dies nicht bedeutet, dass die Konsequenzen bei einer nicht ordnungsgemässen Durchführung nicht ernsthaft gewesen wären, weil diese bis hin zum Entzug der Akzeptanz-Lizenz gereicht hätten. Der Aufwand sei im Übrigen deshalb nicht übermässig gewesen, weil angesichts der homogenen Terminalpopulation die Anpassungen speditiv hätten durchgeführt werden können.

677.  Die notwendigen Anpassungen an der DCC-Software seien umfangreich und komplex gewesen. Bis zur definitiven Re-Zertifizierung seien weite Bereiche der notwendigen Terminalsoftware, Terminal-Menüführung und der Backed-Application für das Processing grundlegend überarbeitet worden. Die Softwareversion 1.0 habe sich zur Version 3.0 entwickelt. Die Quellcodes seien grundlegend überarbeitet oder neu erstellt worden. Diese Anpassungen hätten auch Auswirkungen auf die Spezifikationen der Schnittstellen gehabt, sodass mangels Vorhandenseins eines definitiven Produkts auch keine definitiven Schnittstellen vorhanden gewesen seien.

678.  Die Anfragen der anderen Terminalhersteller, einschliesslich derjenigen vom 10. Juni 2005 und 5. Juli 2005 sowie vom 20. Februar 2006 und vom 17. März 2006, seien vor der verbindlichen Re-Zertifizierung durch das Visa Card Scheme am 11. Mai 2006 gestellt worden. Sämtlichen Terminalherstellern sei mitgeteilt worden, dass sich die DCC-Funktion in einer Pilotphase befinde, noch nicht ausgereift sei und aus diesem Grunde nicht zur Verfügung gestellt werden könne.

679.  Bei diesem Sachverhalt handle es sich demnach um eine blosse Übergangsproblematik, weil einer Lizenzierung nach Abschluss der Test- und Zertifizierungsphase nichts mehr im Wege gestanden habe.

680.  Der Card Solutions könne daher nur angelastet werden, dass sie während des sehr beschränkten Zeitraums vom Abschluss der Re-Zertifizierung am 11. Mai 2006 und der Anzeige von Jeronimo bei der Wettbewerbskommission am 20. Juli 2006 nicht von sich aus auf Jeronimo zugegangen sei und ihr die Lizenzierung der DCC-Schnittstellen-informationen nicht von sich aus angeboten habe. Dabei handle es sich allerdings nicht um ein missbräuchliches Verhalten.

681.  Die Berücksichtigung der Test- und Re-Zertifizierungsphase müsse bereits auf der Ebene des Tatbestands erfolgen und sei für die Verweigerung einer Offenlegung von zentraler Relevanz; in jedem Fall sei sie im Rahmen der sachlichen Rechtfertigungsgründe zu berücksichtigen.

682.  Das angewandte Verfahren der Entwicklung, Zertifizierung und schliesslich Lizenzierung sei der übliche Ablauf bei sämtlichen Produktentwicklungen innerhalb der Card Solutions. Neuentwicklungen würden nur beschränkt eingeführt, bis das neue Produkt und die neuen Prozesse unter Kontrolle seien. Erst danach werde ein Produkt auf andere Produktfamilien ausgeweitet und später extern lizenziert. Gründe für diese Vorgehensweise seien die Sicherheit des Gesamtsystems und der Zahlungsflüsse sowie nicht zuletzt auch Haftungs- und Reputationsrisiken. Unerlaubte Eingriffe, Rückrufaktionen oder eine fehlerhafte Transaktionsabwicklung hätten erhebliche finanzielle Konsequenzen. Eine ausreichende Testphase mit beschränkter Einführung sei demnach zwingend erforderlich. In einer derart heiklen Phase zusätzliche Hersteller einzubinden und damit zusätzliche Kommunikationsstellen und Risiken von Fehlprogrammierungen einzugehen, wäre betriebswirtschaftlich und sicherheitstechnisch unverantwortlich gewesen. Insbesondere hätten in dieser Phase der Änderungen nicht noch Zahlungskartenterminals anderer Hersteller angepasst werden können. Dass der Änderungsaufwand nicht erheblich gewesen sei, ändere daran nichts.

(2)          Vorbringen der Vorinstanz

683.  Die Vorinstanz kommt im Rahmen ihrer Prüfung zum Ergebnis, dass sowohl die behauptete Testphase als auch die Re-Zertifizierungsphase keine ausreichende Rechtfertigung darstellen würden, weil derartige Phasen tatsächlich nicht vorgelegen bzw. nicht zu einer Einschränkung des Absatzes der DCC-Währungsumrechnung und der DCC-Terminals geführt hätten.

684.  Nach Ansicht der Vorinstanz sei ab dem 1. März 2005 ein marktfähiges und auch tatsächlich kommerzialisiertes Produkt vorhanden gewesen. Zum Zeitpunkt der Anfrage von Jeronimo am 5. Juli 2005 könne die Markteinführung bereits als fortgeschritten bezeichnet werden. Entsprechend wäre die Offenlegung der Schnittstellen möglich gewesen.

685.  Der von den Beschwerdeführerinnen im Hinblick auf eine Re-Zertifizierung durch das Visa Card Scheme geltend gemachte erhebliche und daher unverhältnismässige Anpassungsbedarf im Verarbeitungssystem der SIX-Gruppe für die Zulassung eines Zahlungskartenterminals von einem anderen Terminalhersteller sei nicht stichhaltig dargelegt worden. Insbesondere habe die SIX-Gruppe nicht ernsthaft geprüft, welche technischen Lösungsmöglichkeiten bestehen könnten. Namentlich sei auch die durch Jeronimo vorgeschlagene Lösung zunächst unter Berufung auf technische Gründe kategorisch abgelehnt worden. Erst anlässlich des Treffens vom 8. Dezember 2006 sei von Seiten der SIX-Gruppe die Bereitschaft gezeigt worden, Lösungsmöglichkeiten auszuloten.

(3)          Würdigung durch das Gericht

686.  Aufgrund der eigenen Vorbringen der Beschwerdeführerinnen ist unstrittig, dass im relevanten Zeitraum von Juli 2005 bis Januar 2007 mangels einer Offenlegung von Datenverarbeitungs-Schnittstellen für den Anschluss von DCC-fähigen Zahlungskartenterminals an die Akzeptanz-Plattform der SIX-Gruppe zur Übermittlung der DCC-Funktion eine Einschränkung der anderen Terminalhersteller im Hinblick auf deren Möglichkeit, DCC-fähige Zahlungskartenterminals an Händler mit einem Akzeptanz-Vertrag der SIX-Gruppe zu verkaufen, bestand.

687.  Die SIX-Gruppe begründet diese Einschränkung damit, dass die Offenlegung dieser Schnittstellen zumindest im relevanten Zeitraum aus technischen und operativen Gründen habe verweigert werden können, weil zum einen eine Testphase sowie zum anderen eine Re-Zertifizierungsphase durch das Visa Card Scheme noch nicht abgeschlossen gewesen sei. Die SIX-Gruppe macht somit jedenfalls eine Rechtfertigung für die Einschränkung der anderen Terminalhersteller wegen des Vorliegens eines sachlich angemessenen Grundes geltend.

688.  Entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerinnen (vgl. E. 681) ist die Begründetheit des geltend gemachten Sachgrunds im Rahmen einer Prüfung der Geschäftsverweigerung nicht bereits auf der Tatbestandsebene im Rahmen des Merkmals der Ablehnungshandlung zu prüfen. Denn auch bei Vorliegen einer Test- oder Re-Zertifizierungsphase für ein bestimmtes Produkt ergibt sich nicht zwingend, dass dadurch die Offenlegung von Schnittstelleninformationen ausgeschlossen ist. Vielmehr bedarf es auch in einem solchen Fall einer Bewertung, ob die Anforderungen an eine Rechtfertigung aufgrund der sachlichen Begründetheit und Angemessenheit der konkreten Einschränkung gegeben sind.

(a)          Grundlagen einer Rechtfertigung

689.  Die Möglichkeit einer Rechtfertigung für ein tatbestandliches marktmissbräuchliches Verhalten wird - vielfach unter Verweis auf die aus dem US-amerikanischen Wettbewerbsrecht stammende Doktrin der "legitimate business reasons" - überwiegend grundsätzlich für zulässig erachtet, soweit entsprechende sachgerechte Gründe geltend gemacht werden (vgl. BGE 139 I 72, Publigroupe, E. 10.1.2; BGE 129 II 497, EEF, E. 6.5.4, spricht von "motifs objectifs d´ordre commercial"; Amstutz/Carron, BSK-KG, Art. 7 Rn. 63 ff.; Clerc, CR-Concurrence, Art. 7 Abs. 2 Rn. 101 ff.; Stäuble/Schraner, Dike-KG, Art. 7 Rn. 109; Weber/Volz, FHB-WBR, Rn. 2.561 ff.; Fuchs/Möschel, IM-EUWBR, Art. 102 Rn. 163).

690.  Eine Rechtfertigung für ein missbräuchliches Verhalten ist danach grundsätzlich gegeben, wenn objektiv zwingende Gründe, wie zum Beispiel technische oder sicherheitsrelevante Aspekte, für die jeweilige Einschränkung des Wettbewerbs sprechen (vgl. BVGer, B-3618/2013, Hallenstadion, E. 265, unter Verweis auf Botschaft KG 1995, 576; Amstutz/ Carron, BSK-KG, Art. 7 Rn. 63 ff., 545 ff.; Borer, KG, Art. 7 Rn. 27; Stäuble/Schraner, Dike-KG, Art. 7 Rn. 115 f.; Weber/Volz, FHB-WBR, Rn. 2.564; Fuchs/Möschel, IM-EUWBR, Art. 102 Rn. 163).

691.  Ob und inwieweit auch rein wirtschaftliche Aspekte, insbesondere in Form einer Einsparung von Produktions-, Vertriebs- und Transaktionskosten, als Rechtfertigungsgrund für eine nachteilige Einwirkung auf den Wettbewerb durch ein marktbeherrschendes Unternehmen anzuerkennen sind, wurde bislang nicht abschliessend geklärt (vgl. Botschaft KG 1995, 576, verweist nur auf "zwingende wirtschaftliche" Gründe; BGE 139 I 72, Publigroupe, E. 10.1.2, zählt hierzu unter Verweis auf die Literatur beispielhaft die Zahlungsfähigkeit des Vertragspartners, eine veränderte Nachfrage, Kosteneinsparungen, administrative Vereinfachungen sowie Transport- und Vertriebskosten auf; BGE 129 II 497, EEF, E. 6.5.4, hält eine Berücksichtigung von Effizienzgründen als Rechtsfertigungsgrund ohne nähere Erläuterung für möglich; Weko, RPW 2008/3, 385, Documed, Ziff. 203 f., wobei jedoch nicht ersichtlich wird, ob die geringfügige Kosteneinsparung als Rechtfertigungsgrund zu gelten hat oder ob angesichts der Notwendigkeit zur Vornahme gewisser Korrekturen bei jeglicher Publikation die entsprechenden Arbeiten überhaupt das Ausmass selbständiger Korrekturarbeiten angenommen haben; die Möglichkeit wird grundsätzlich anerkannt durch Amstutz/Carron, BSK-KG, Art. 7 Rn. 547; Weber/Volz, WBR, Rn. 2.565; EU-Kom, Prioritätenmitteilung, Ziff. 62; Fuchs/Möschel, IM-EUWBR, Art. 102 Rn. 163, und wird teilweise auch ausdrücklich abgelehnt, vgl. Stäuble/Schraner, Dike-KG, Art. 7 Rn. 125, unter Verweis auf den durch das Kartellgesetz bezweckten Individualschutz, vgl. E. 510). Dabei müssen auf alle Fälle weitere mittelbare Wettbewerbsbeschränkungen, wie z.B. Verdrängungsstrategien, ausgeschlossen sein (vgl. BVGer, B-3618/2013, Hallenstadion, E. 266, mit Hinweis auf Quersubventionierungen; BVGer, B-7633/2009, ADSL II, E. 556 m.w.N., mit Hinweis auf sachwidrige Subventionierungstransfers; in diesem Sinne auch die EU-Kom, Prioritätenmitteilung, Rz. 60, wonach bei einer preisbezogenen Anreizkoppelung die Preise für beide Produkte über den durchschnittlichen langfristigen Zusatzkosten liegen müssen; Fuchs/Möschel, IM-EUWBR, Art. 102 Rn. 163, wonach dies nicht zu einer völligen Aushebelung wettbewerblicher Prozesse führen dürfe).

692.  Im Rahmen der Beurteilung potenzieller Rechtfertigungsgründe findet jedenfalls der Verhältnismässigkeitsgrundsatz Anwendung (vgl. BVGer, B-3618/2013, Hallenstadion, E. 267, Amstutz/Carron, BSK-KG, Art. 7 Rn. 69 f.; Clerc, CR-Concurrence, Art. 7 I Rn. 99; Stäuble/ Schraner, Dike-KG, Art. 7 Rn. 130; Weber/Volz, WBR, Rn. 2.567; Fuchs/Möschel Rn. 292; a.A. David/Jacobs, WBR, Rn. 754). Demzufolge muss ein zur Rechtfertigung geltend gemachter Sachgrund (i) geeignet sein, den Zweck der Einschränkung auch tatsächlich herbeizuführen, und (ii) erforderlich sein, den Zweck der Einschränkung herbeizuführen, d.h. der Zweck kann nicht auf eine andere Weise erreicht werden, welche die Marktgegenseite oder die Konkurrenten weniger beeinträchtigt, und (iii) zur Erzielung des mit der Einschränkung verbundenen Zwecks gegenüber den mit der Einschränkung verbundenen Nachteilen angemessen sein, mit der Folge, dass für eine Rechtfertigung allfällige Vorteile umso höher ausfallen müssen, je schwerwiegender die Beeinträchtigung des Wettbewerbs zu qualifizieren ist.

(b)          Sachverhalt

693.  Vorliegend verweisen die Beschwerdeführerinnen auf Sicherheitsaspekte, die im Rahmen einer Einführung der DCC-Währungsumrechnung und der Re-Zertifizierung durch das Visa Card Scheme zur Folge gehabt hätten, dass eine Offenlegung der Schnittstelleninformationen ausgeschlossen gewesen sei und deshalb gezwungenermassen eine Kombination von Akzeptanz--Dienstleistungen, DCC-Dienstleistungen und DCC-Terminals durch die SIX-Gruppe während dieses Zeitraums stattgefunden habe.

694.  Die Anerkennung einer Testphase und einer Re-Zertifizierungsphase als Rechtfertigungsgrund für die Einschränkung der anderen Terminalhersteller setzt voraus, dass eine solche Testphase und eine Re-Zertifizierungsphase überhaupt stattgefunden haben, und falls dies zu bejahen ist, dass das beanstandete wirtschaftliche Verhalten - vorliegend zum einen die Verweigerung der Herausgabe von Schnittstelleninformationen und zum anderen die zwingende Kombination von Acquring-Dienstleistungen mit DCC-Leistungen und DCC-Terminals der SIX-Gruppe - einen aus objektiver Sicht sachlich angemessenen und verhältnismässigen Grund für die Einschränkung der anderen Wirtschaftsteilnehmer - vorliegend zum einen die anderen Terminalhersteller und zum anderen die Händler - darstellt. Die Feststellung eines objektiv ausreichenden Sachgrunds erübrigt sich aber, wenn bereits in tatsächlicher Hinsicht keine Testphase und/oder keine Re-Zertifizierungsphase vorgelegen haben.

695.  Die Testphase soll nach dem Vorbringen der Beschwerdeführerinnen ab dem 1. März 2005 mit der Aufschaltung der DCC-Funktion bei bestehenden Kunden begonnen haben. Ein konkretes Ende der Testphase wird von den Beschwerdeführerinnen jedoch nicht bezeichnet. Die Testphase geht demnach nahtlos in die Re-Zertifizierungsphase über, welche im Dezember 2005 begann und am 11. Mai 2006 abgeschlossen wurde. Für die Zeit ab 11. Mai 2006 bis zur Anzeige von Jeronimo bei der Wettbewerbskommission am 20. Juli 2006 wird von den Beschwerdeführerinnen selbst eingeräumt, dass die Card Solutions in diesem Zeitraum Jeronimo hätte kontaktieren und ihr die Schnittstelleninformationen von sich aus hätte anbieten müssen; allerdings könne diese Unterlassung nicht als missbräuchlich qualifiziert werden (vgl. E. 680).

696.  Bei einem unterstellten Geschehensablauf wie dargestellt ergibt sich demzufolge, dass zumindest für einen Zeitraum von sieben Monaten zwischen dem Abschluss der Re-Zertifizierung am 11. Mai 2006 und der Offenlegung der Schnittstelleninformationen durch die SIX-Gruppe gegenüber den anderen Terminalherstellern am 22. bzw. 25. Januar 2006 (vgl. SV J.e) bereits nach dem eigenen Vortrag der Beschwerdeführerinnen keine Rechtfertigung für die Verweigerung einer Offenlegung der DCC-Schnittstelleninformationen vorlag.

697.  Aus diesem Grund ist nur für den Zeitraum zwischen Juli 2005 und Mai 2006 zu prüfen, ob hierfür ein sachlich angemessener Grund als Rechtfertigung für die fehlende Offenlegung gegeben war. Dabei ist zwischen der angeblichen Testphase und der Re-Zertifizierungsphase zu unterscheiden.

(c)           Testphase

698.  Die Behauptung der Beschwerdeführerinnen, wonach ab dem 1. März 2005 eine Testphase eingeleitet worden sei, wird durch wesentliche Aspekte des tatsächlichen Geschehensablaufs eindeutig widerlegt. Massgebend hierfür sind die am Markt erkennbaren Massnahmen wie die Einführung der Produkte, der uneingeschränkte Absatz der Produkte, der reguläre Betrieb der DCC-Kartenterminals sowie sonstige Geschehnisse, wie die interne Projektbeschreibung der SIX-Gruppe und die Argumentation der Beschwerdeführerinnen gegenüber der Vorinstanz.

699.  Eine Testphase zeichnet sich dadurch aus, dass sie mit ausgewählten Versuchsteilnehmern unter Offenlegung des Testcharakters und unter dem Vorbehalt von Nutzungsausfällen oder -einschränkungen und einem sich daraus ergebenden ausserordentlichen Aufwand einschliesslich allfällig erhöhter Kosten durchgeführt wird. Regelmässig werden dabei auch ein Ausschluss der Haftung des den Test durchführenden Unternehmens und ein Ausschluss von Regressansprüchen der Nutzer vorgesehen.

700.  Demgegenüber stellt die allgemeine Ankündigung eines Produkts gegenüber den Wirtschaftsteilnehmern im jeweiligen Markt die Einführung eines verkehrsfähigen Produkts dar und lässt für die Wirtschaftsteilnehmer aus objektiver Sicht einzig und allein den Schluss zu, dass eine ausreichende Testphase des jeweiligen Produkts bereits abgeschlossen ist. Dies gilt umso mehr, wenn das Produkt auf dem jeweiligen Markt frei verfügbar ist und der reguläre Betrieb ohne Nutzungseinschränkungen aufgenommen wird.

701.  Im Rahmen der Vermarktung von Akzeptanz-Dienstleistungen und von ep2-Terminals durch die SIX-Gruppe wurden - wie von der Vor-instanz vorgetragen und von den Beschwerdeführerinnen nicht bestritten wurde - bereits seit dem Jahr 2004 auch die DCC-Funktion und die DCC-Terminals beworben. So enthält das Kundenmagazin "accept" von Multipay seit März 2004 wiederkehrende Artikel zur DCC-Währungs-umrechnung, wobei von Januar bis März 2005 jeden Monat mindestens ein Artikel veröffentlicht wurde. Darüber hinaus wurde auf der Homepage von Multipay und von Card Solutions ausdrücklich die DCC-Währungsumrechnung als neue zusätzliche Akzeptanz-Dienstleistung und als neue Funktion der ep2-Terminals vorgestellt und erläutert. Dabei wurde ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die DCC-Währungsum-rechnung im Rahmen einer vorgängigen Pilotphase umfassend - "auf Herz und Nieren" - überprüft worden sei.

702.  Als Beispiele der Vermarktung der DCC-Währungsumrechnung durch die SIX-Gruppe sind insbesondere die folgenden Anpreisungen zu nennen (Anm.: Bei den Hervorhebungen handelt es sich um Verlinkungen auf weitere Seiten):

(i) Hinweis Homepage Card Solutions ab 6. Februar 2005:

"Automatische Währungsumwandlung (DCC).
Die Dynamic Currency Conversion funktioniert auf allen ep2-Terminals der Telekurs Card Solutions.             
Die Dynamic Currency Conversion (DCC) ist eine neue Dienstleistung von Telekurs Multipay. [...]             
DCC verlangt Terminals der neuesten Generation. Die Dynamic Currency Conversion funktioniert auf ep2-fähigen Terminals (davinci, EPSYS smash). Wenn Sie bereits Terminals der neuen Generation im Einsatz haben, können Sie die Software mit wenig Aufwand updaten. Zudem benötigen Sie einen gültigen DCC-Vertrag mit Telekurs Multipay. Verfügbar ist unsere neue Dienstleistung ab Februar 2005."

(ii) Hinweis Homepage Multipay ab 18. Februar 2005:

"DCC: Dynamisch auf Erfolgskurs. Die Dynamic Currency Conversion (DCC) bewährte sich in einem Pilotversuch mit namhaften Schweizer Hotels. Die Vorteile von DCC liegen auf der Hand, für Sie und Ihre internationale Kundschaft: Kredit- oder Maestro-Zahlungen werden bequem, schnell, sicher und automatisch in 13 Fremdwährungen umgerechnet. Und dabei profitieren Sie sogar noch von tieferen Gebühren und der neuesten Terminalgeneration! Dass sich DCC im täglichen Einsatz bewährt, davon überzeugten sich rund 10 führende Schweizer Hotels in einem zweimonatigen Pilotversuch. Die Hotellerie, mit vielen ausländischen Kunden eine ideale Testbranche, prüfte die neue Dienstleistung von Telekurs Multipay auf Herz und Nieren - und war begeistert. [...]             
Als erster Schweizer Acquirer bietet Ihnen Telekurs Multipay diese vorteilhafte Dienstleistung mit einem EMV/ep2-fähigen Terminal (z.B. EPSYS smash, Telekurs davinci) an. Im Kapitel "Service" finden Sie unter Dynamic Currency Conversion weitere Informationen dazu. Haben wir Ihr Interesse geweckt? Kontaktieren Sie uns, wir unterbreiten Ihnen gerne ein Angebot."

(iii) Hinweis Homepage Multipay ab 6. Juni 2005:

"DCC: Installieren und sofort profitieren.
Noch nie war es für Sie so einfach, Ihren Kunden einen Extra-Service zu bieten und gleichzeitig Ihren Kommissionssatz bis zu einem vollen Prozentpunkt zu senken. DCC von Telekurs Multipay, die automatische Währungsumwechslung direkt am Terminal, ist sofort betriebsbereit, kinderleicht zu bedienen und dank Währungsgewinn auch finanziell äusserst attraktiv.
Für die Kunden einen Mehrwert zu schaffen, ist nicht nur grossen Häusern vorbehalten und verlangt auch nicht zwingend einen finanziellen Kraftakt. [...] Das zahlt sich für Sie von Beginn an durch zufriedenere und deshalb oftmals kauflustigere Kunden und reduzierte Gebühren ab der ersten Fremdwährungstransaktion aus; nicht nur, wenn Sie ein Fünf-Sterne-Hotel führen, sondern auch als Betreiber einer kleinen Pension oder Besitzer eines Sportgeschäfts. Von Vorteil ist dies vor allem dann, wenn Sie regelmässig internationale Kundschaft bedienen, wie das in erster Linie in Branchen wie Hotellerie, Gastronomie, Tourismus und Sport, Autovermietung, Mode oder Schmuck und Uhren der Fall ist.             
Für alle Vertragspartner gilt aber, dass der Aufwand für den Betrieb der automatischen Währungsumwechslung äusserst gering ist, nicht nur bei der Installation - Sie benötigen Terminals der neuesten, ep2-fähigen Generation -, sondern vor allem auch in der täglichen Arbeit. Dank Plug and Play ist DCC sofort einsatzbereit und die Handhabung einfach und unkompliziert.             
Erste Erfahrungen zeigen, dass Karteninhaber und Vertragspartner gleichermassen auf ihre Rechnung kommen. Gäste und Kunden fühlen sich noch besser umsorgt, Sie steigern Ihr Renommee und reduzieren Ihren Kommissionssatz.             
Weitere Informationen zur automatischen Währungsumrechnung finden Sie auf unserer Webseite im Kapitel "Service" unter Dynamic Currency Conversion. Dort können Sie sich auch direkt für unseren neuen Service anmelden. Sie können nur profitieren."

703.  Aus diesen allgemeinen Anpreisungen gegenüber der Marktgegenseite ergibt sich ohne Weiteres und unzweifelhaft, dass es sich bei den Angeboten DCC-Dienstleistungen und DCC-Terminals um verkehrsfähige Produkte mit uneingeschränkter sachlicher und rechtlicher Gewährleistung handelte und nicht um Produkte, die lediglich zum Testbetrieb unter dem Vorbehalt von eingeschränkter Nutzbarkeit, auftretenden Mängeln, notwendigen Anpassungen sowie einem dadurch notwendig werdenden zusätzlichen Aufwand und damit verbundenen erhöhten Kosten gegenüber einer beschränkten Anzahl von Versuchsteilnehmern eingesetzt werden. Die Verfügbarkeit der Produkte war dabei jedenfalls ab März 2005 gegeben.

704.  Auch die Vertragsdokumente der SIX-Gruppe zu den DCC-Dienstleistungen und den DCC-Terminals sahen keine entsprechenden Einschränkungen der Nutzbarkeit, der Gewährleistung oder des Haftungsausschlusses aufgrund einer Testphase vor. Vielmehr lassen sich auch aus diesen vertraglichen Regelungen keinerlei Hinweise auf eine Testphase ableiten.

705.  Das Vorbringen der Beschwerdeführerinnen (vgl. E. 666 ff.), wonach die flächendeckende Markteinführung der DCC-Funktion und der DCC-Terminals sowie die Aufnahme des regulären Betriebs bei ihren bestehenden Kunden dennoch als Testphase zu qualifizieren seien, ist damit unzutreffend. Selbstredend ist eine flächendeckende Abgabe eines Produkts an alle bestehenden Kunden nicht als eine für die Erwerber und Nutzer des Produkts unerkennbare Testphase zu qualifizieren. Andernfalls würde eine Unterscheidung zwischen einer Testphase und einem regulären Betrieb von Produkten überhaupt nicht existieren. Ansonsten könnten im Übrigen mittels einer Geschäftsverweigerung die eigenen Kunden eines marktbeherrschenden Unternehmens gegenüber dem Wettbewerb durch konkurrierende Produktanbieter durch die blosse Behauptung der Durchführung einer Testphase beliebig abgeschottet werden, mit der Folge, dass dadurch ein jeglicher Verkauf von Produkten an bestehende Kunden durch Konkurrenten seitens des marktbeherrschenden Unternehmens unterbunden werden könnte.

706.  Ab März 2005 wurden die Produkte DCC-Währungsrechnung und DCC-Terminals auch uneingeschränkt abgesetzt. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob diese Produkte tatsächlich nur an bestehende Kunden oder auch an Neukunden abgegeben wurden. Die Daten des Produktabsatzes sowohl für die DCC-Dienstleistungen (vgl. SV I.f) als auch für die DCC-Terminals (vgl. SV I.i) belegen jedenfalls, dass ab März 2005 ein kontinuierlicher und stetig ansteigernder Verkauf der Produkte bis Dezember 2006 sowie darüber hinaus in den Jahren 2007 und 2008 erfolgte. Mit den Händlern wurden in den Jahren 2005 bzw. 2006 jeweils {2´100-[ ´ ]-2´500} bzw. {2´000-[ ´ ]-2´600} DCC-Dienstleistungsverträge abgeschlossen, wobei insgesamt {1´700-[ ´ ]-1´800} DCC-Terminals für diese Verträge ausgeliefert und aufgeschaltet wurden. Dabei ist zu keinem Zeitpunkt ein signifikanter Anstieg des Produktabsatzes zu erkennen, der auf den Abschluss einer Testphase und der Freigabe der DCC-Funktion für den gesamten Markt schliessen liesse.  

707.  Die Beschwerdeführerinnen behaupten nicht und legen auch keine entsprechenden Nachweise vor, dass die Händler mit DCC-Vertrag und DCC-Terminal aufgrund einer unfertigen Ausgestaltung oder den notwendigen Anpassungen der DCC-Funktion die an den DCC-Terminals aufgeschaltete Währungsumrechnung nur in einem eingeschränkten Umfang hätten nutzen können und dass ein erhöhter Aufwand die Folge hiervon gewesen wäre. Insbesondere legen die Beschwerdeführerinnen auch nicht dar, in welcher Art und Weise die Händler bei der Nutzung der Währungsumrechnung mit ihren DCC-Terminals aufgrund der notwendigen Anpassungen der DCC-Funktion eingeschränkt gewesen seien. Vielmehr wird in den Anpreisungen der DCC-Währungsumrechnung sogar darauf hingewiesen, dass die Händler bereits vorhandene ep2-Terminals mit geringem Aufwand mit der DCC-Funktion aufrüsten könnten. Es ist daher a majore ad minus nicht davon auszugehen, dass bei neu ausgelieferten DCC-Terminals durch allfällige notwendige Anpassungen - wenn überhaupt - mehr als ein geringer Aufwand für die Händler angefallen ist.

708.  Auch die internen Dokumente der SIX-Gruppe belegen die Überführung der DCC-Funktion in den regulären Betrieb. So werden in den Projektstatusberichten von Card Solutions der Übergang von einer Testphase im Dezember 2004 zur Pilotphase im Januar/Februar 2005 sowie die Aufnahme des regulären Betriebs ab März 2005 ausdrücklich wie folgt festgehalten:

(i) Projektstatusbericht vom 2. Dezember 2004: 

"Die Testphase ist abgeschlossen [...] die Pilotphase wird ab 18.1. mit zuerst drei Zürcher Hotels starten. Weitere Hotels in Crissier, Arosa, Bad Ragaz und St. Moritz werden folgen [...]."

(ii) Projektstatusbericht vom 8. Februar 2005 

"Der produktive Pilot hat am 20.1. begonnen [...] die anfänglichen Schwierigkeiten mit der Terminalsoftware konnten ausgeräumt werden. Sowohl Terminal wie Host [...] verarbeiten DCC-Transaktionen ohne Probleme. Der Pilot dauert bis Ende Februar (16 Terminals in 10 Hotels). Ab 1.3. beginnt die Ausbreitungsphase. TKM aquiriert bereits heute DCC-Verträge mit Startdatum 1.3."

(iii) Projektstatusbericht vom 8. März 2005 

"Der Pilot wurde Ende Februar abgeschlossen und in den regulären Betrieb überführt."

(iv) Projektstatusbericht vom 14. Juni 2005  

"Bis heute (14.6.) sind knapp {700-[ ]-1´000} Händler mit DCC-Verträgen in PASS erfasst. Davon sind rund {200-[ ]-400} mit einem DCC-fähigen ep2-Gerät ausgerüstet und machen aktiv DCC-Transaktionen. Weitere ca. {50-[ ]-200} VPs haben ein ep2-Terminal, aber machen noch keine DCC-Transaktionen. Rund {40-[ ]-60}% der Händler mit DCC-Vertrag haben noch kein neues ep2-Terminal von TKC."

(iv) Projektstatusbericht vom 5. Juli 2005 

"Im Juni wurden gut {22´000-[ ´ ]-27´000} Transaktionen für knapp {5-[ ]-10} Mio. CHF im DCC-Modus abgewickelt. Bis heute (5.7.) sind rund {1´000-[ ´ ]-1´500} Händler mit DCC-Verträgen im PASS [Payment Acquring Service System] erfasst. Davon sind gut {400-[ ]-600] mit einem DCC-fähigen ep2-Gerät ausgerüstet und machen aktiv DCC-Transaktionen. Weitere {50-[ ]-200} VPs haben ein ep2-Terminal, aber machen noch keine DCC-Transaktionen. Rund {40-[ ]-60}% der Händler mit DCC-Vertrag haben noch kein ep2-Terminal von TKC [=Telekurs Card Solutions]."

(v) Projektstatusbericht vom 13. September 2005  

"Bis heute sind gut {1´800-[ ´ ]-2´400} Händler mit DCC-Verträgen im PASS erfasst. Davon sind gut {500-[ ]-1´000} mit einem DCC-fähigen ep2-Gerät ausgerüstet und machen aktiv DCC-Transaktionen."

709.  Die Beschwerdeführerinnen haben noch im August 2006 die Offenlegung der Schnittstelleninformationen unter Verweis auf die Rechtmässigkeit ihres Verhaltens aufgrund von lizenzrechtlichen Überlegungen abgelehnt, ohne dass dabei auf die Test- und Zertifizierungsphase hingewiesen wurde. Ein entsprechender Verweis auf die Testphase wäre aber nahegelegen, wenn die SIX-Gruppe zu diesem Zeitpunkt tatsächlich von der Durchführung einer Testphase nach März 2005 ausgegangen wäre. Dies gilt umso mehr, als die Beschwerdeführerinnen der Ansicht sind, dass bei Durchführung einer Test- und Re-Zertifizierungphase aufgrund des Fehlens eines "definitiven", d.h. verkehrsfähigen Produkts mangels einer möglichen Ablehnungshandlung bereits der Tatbestand einer Geschäftsverweigerung nicht vorliegen würde und nicht erst eine Rechtfertigung aufgrund von angemessenen Sachgründen gegeben sei.

710.  Angesichts der vorgenannten Tatsachen und Umstände ist unzweifelhaft davon auszugehen, dass die DCC-Funktion einschliesslich der DCC-Terminals ab März 2005 im regulären Betrieb zum Einsatz kamen und sich nicht mehr in einer Testphase befanden. Die nachträglichen umfangreichen Ausführungen der Beschwerdeführerinnen zur Durchführung einer Testphase ab März 2005 (E. 662, 666, 667, 677, 678) sind daher unglaubwürdig und als blosse Schutzbehauptungen zu qualifizieren.

711.  Dies gilt insbesondere auch für die Behauptung der Beschwerdeführerinnen (E. 668), wonach die Marketingaussagen der SIX-Gruppe zur Produkteinführung nicht korrekt gewesen seien. Die Beschwerdeführerinnen behaupten damit nämlich, dass sie ihre Kunden über die Einsatzfähigkeit und Zuverlässigkeit der von ihnen verkauften Produkte getäuscht hätten. Würde diese Behauptung als richtig unterstellt werden, müsste zwangsläufig ein missbräuchliches Verhalten gemäss Art. 7 lit. c KG in Betracht gezogen werden, weil den Kunden für den Bezug eines unfertigen Testprodukts unangemessene Preise und Geschäftsbedingungen durch ein markbeherrschendes Unternehmen aufgezwungen worden wären.

712.  Dieser Qualifizierung als blosse Schutzbehauptungen steht im Übrigen nicht entgegen, dass die SIX-Gruppe im Rahmen des regulären Betriebs auch weiterhin Anpassungen an der DCC-Funktion sowie der Ausgestaltung der DCC-Terminals vorgenommen hat. Gerade im Bereich der Softwareentwicklung und -pflege gelten die nach deren Auslieferung vorgenommenen regelmässigen Anpassungen als notwendige Voraussetzungen zur Erzielung von laufenden Verbesserungen und zur Herstellung eines optimierten Programms. Dabei wird die Zeit nach Inbetriebnahme eines Geräts oder eines Programms nicht als Testphase qualifiziert. Daher sind die entsprechenden ergänzenden Behauptungen der Beschwerdeführerinnen (E. 669, 682) unzutreffend.

713.  Auch die Behauptung der Beschwerdeführerinnen (vgl. E. 667), wonach die Testphase nur auf einem bestimmten Terminaltyp durchgeführt worden sei, ist unzutreffend. Denn die Offenlegung der Schnittstelleninformationen steht in keinem Zusammenhang mit der Anzahl an Zahlungskartenterminals, die in einer Testphase Verwendung finden können, weil die Offenlegung der Schnittstelleninformationen der Entwicklung und Produktion von DCC-Terminals sowie deren Einsatz in einem Zahlungskartensystem vorausgeht. Die Beschwerdeführerinnen machen auch nicht geltend, dass jeder Typ von DCC-Terminal über eine unterschiedliche Schnittstelle an die Akzeptanz-Plattform anzubinden gewesen wäre, was dem Sinn und Zweck von Schnittstellen ebenfalls widersprechen würde. Daher kommt dem Umstand, ob die SIX-Gruppe zwischen Juli und November 2005 nur ein einziges ihrer Terminalprodukte zur DCC-Währungsumrechnung gegenüber der Akzeptanz-Plattform verwendet hat oder nicht, keine sachliche Relevanz zu.

714.  Im Übrigen belegt die Beauftragung der Firma Redpoint mit der Entwicklung einer Implementierung von DCC für eine Hotellösung entgegen der Behauptung der Beschwerdeführerinnen (vgl. E. 672), dass trotz Vorliegens einer angeblichen Testphase durchaus weiterführende Entwicklungsarbeiten hätten vorgenommen werden können. Auch dieser Umstand bestätigt die Möglichkeit zur Offenlegung der Schnittstelleninformationen.

715.  Mangels Vorliegens einer Testphase besteht demzufolge für den Zeitraum zwischen Juli und November 2005 ohne Zweifel keine tatsächliche Grundlage für einen Rechtfertigungsgrund der Verweigerung einer Offenlegung der Schnittstelleninformationen für die DCC-Funktion.

716.  Es bedarf daher keiner weiteren Überprüfung, ob die geltend gemachte Testphase eine sachlich angemessene Rechtfertigung für die Verweigerung einer Offenlegung der DCC-Schnittstelleninformationen und die zwingende Kombination der Akzeptanz-Dienstleistungen mit den DCC-Dienstleistungen und den DCC-Terminals durch die SIX-Gruppe darstellt. Im Übrigen wäre die Verweigerung einer Offenlegung der Schnittstelleninformationen gegenüber den anderen Terminalherstellern angesichts des uneingeschränkten Absatzes von DDC-Terminals im Markt durch die SIX-Gruppe jedenfalls nicht als verhältnismässiges Mittel zur Sicherstellung von allfälligen Sicherheitsüberlegungen zu qualifizieren, weshalb in jedem Fall kein wirksamer Rechtfertigungsgrund gegeben war.

(d)          Re-Zertifizierungsphase

717.  Unbestrittenermassen wurde von Seiten des Visa Card Schemes eine Re-Zertifizierung der durch die SIX-Gruppe ausgearbeiteten und verwendeten DCC-Funktion verlangt, wodurch ein Validierungsprozess durchgeführt werden musste. Die Re-Zertifizierungsphase dauerte insgesamt vom 16. Dezember 2005 bis zum 11. Mai 2006. 

718.  Ungeachtet dessen, dass die Beschwerdeführerinnen Test- und Re-Zertifizierungsphase zu einem einheitlichen Zeitraum verknüpfen, ist der Beginn der Re-Zertifizierungsphase auf den Eingang des Schreibens des Visa Card Schemes am 16. Dezember 2005 festzulegen. Da die DCC-Währungsumrechnung durch die SIX-Gruppe wie dargestellt vorgängig am Markt eingeführt worden war, ist der Aspekt unbeachtlich, ob der SIX-Gruppe die Notwendigkeit der Durchführung einer Re-Zertifizierung bereits bei Markteinführung bekannt war oder ob sie zumindest mit einem späteren Eingreifen eines Kartenlizenzgebers rechnen musste.

719.  Der Abschluss der Re-Zertifizierungsphase erfolgte spätestens am 11. Mai 2006 mit Erteilung der definitiven Re-Qualifikation durch Visa Europe, nachdem bereits am 1. März 2006 die definitive Re-Zertifizierung durch das Visa Card Scheme erfolgt war (vgl. SV I.t).

720.  Die Re-Zertifizierungsphase stellt eine ausreichende Rechtfertigung dar, wenn sie in Anwendung des Verhältnismässigkeitsgrundsatzes als angemessener Sachgrund für das weitere Verhalten der SIX-Gruppe sowohl in Bezug auf die Verweigerung einer Offenlegung der DCC-Schnittstelleninformationen gegenüber den anderen Terminalherstellern als auch im Hinblick auf die zwingende Kombination der Akzeptanz-Dienstleistungen mit den DCC-Dienstleistungen und den DCC-Terminals gegenüber den Händlern zu qualifizieren ist.

721.  Gegen die Qualifizierung der Re-Zertifizierung als potenziellen Sachgrund einer Rechtfertigung und damit bereits gegen die notwendige Geeignetheit der Massnahme sprechen allerdings verschiedene gewichtige Aspekte.

722.  Aus dem tatsächlichen Geschehensablauf ergibt sich, dass die Durchführung einer Re-Zertifizierung durch das Visa Card Scheme keine zwingende Voraussetzung vorgängig zum Einsatz der DCC-Währungsumrechnung im Rahmen des Zahlungsverkehrssystems darstellt. Denn ansonsten hätten sowohl die SIX-Gruppe als auch die anderen Terminalhersteller ausnahmslos für eine vorherige Anmeldung und Überprüfung durch die Kartenlizenzgeber besorgt sein müssen. Vielmehr liegt die Durchführung von entsprechenden Re-Zertifizierungen im Ermessen der jeweiligen Kartenlizenzgeber. Dies wird auch dadurch bestätigt, dass die anderen Kartenlizenzgeber keinen Bedarf für die Durchführung einer gleichen Re-Zertifizierung wie das Visa Card Scheme gesehen hatten.

723.  Da die Beschwerdeführerinnen selbst darauf hinweisen, dass auch andere Kartenakquisiteure eine Re-Zertifizierung durch das Visa Card Scheme vornehmen mussten, ergibt sich offensichtlich, dass die Re-Zertifizierung der DCC-Funktion bei der SIX-Gruppe kein aussergewöhnliches Ereignis darstellt, sondern dass es sich vielmehr um einen Vorgang handelt, von dessen Eintritt die Kartenakquisiteure und demnach auch die Terminalhersteller jedenfalls bei einer Änderung der technischen Ausgestaltung des Zahlungskartensystems sowie bei Einführung neuer Funktionen an Plattformen und Zahlungskartenterminals ausgehen müssen.

724.  Für die Terminalhersteller bedeutet dies folglich, dass sie in der Lage sein müssen, die Re-Zertifizierung von technischen Änderungen und Neuerungen des Zahlungskartensystems verschiedener Kartenakquisiteure nachzuvollziehen und die dadurch bedingten Anpassungen ihrer Zahlungskartenterminals einschliesslich einer Anpassung der jeweiligen Schnittstellen vorzunehmen. Dabei haben sie die jeweiligen Anweisungen und Hinweise der Kartenakquisiteure im Hinblick auf die notwendigen Veränderungen zu beachten und ordnungsgemäss umzusetzen. Demzufolge müssen die Terminalhersteller ständig auf eine notwendige Anpassung ihrer Terminalschnittstellen aufgrund einer Re-Zertifizierung vorbereitet sein. Mangels anderslautender Erkenntnisse oder Vorbringen der Parteien ist davon auszugehen, dass die Abwicklung einer Re-Zertifizierung die Terminalhersteller kein grundsätzliches Problem darstellt. Es ist daher von vornherein nicht ersichtlich, warum gerade eine Re-Zertifizierung der DCC-Funktion anders zu beurteilen gewesen wäre.

725.  Die Beschwerdeführerinnen legen auch weder dar noch weisen sie nach, dass die Re-Zertifizierung der DCC-Funktion als Sonderfall zu behandeln gewesen wäre. Im Rahmen ihrer Argumentation wird jeweils nur integral darauf verwiesen, dass die notwendigen Modifikationen der Benützerführung Änderungen der Terminalsoftware nach sich ziehen und auch Anpassungen der Schnittstellen erfordern würden.

726.  In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass Aduno ebenfalls im Jahr 2005 damit begonnen hatte, in Zusammenarbeit mit FCC als DCC-Provider ihren Händlern die DCC-Währungsumrechnung anzubieten. Dabei hatte Aduno von Anfang an mehreren Terminalherstellern die DCC-Schnittstelleninformationen offengelegt, obwohl Aduno denselben Anforderungen der Card Schemes unterlag wie die SIX-Gruppe.

727.  Allein die Möglichkeit, dass die Schnitttstellen von Zahlungskartenterminals aufgrund einer Re-Zertifizierung von einzelnen Funktionen des Zahlungskartensystems eines Kartenakquisiteurs angepasst werden müssen, stellt einen üblichen Umstand im Rahmen eines solchen Validierungsprozesses dar, der den Terminalherstellern allgemein bekannt ist. Das Risiko eines erhöhten Aufwands oder unnützer Aufwendungen aufgrund einer notwendigen Anpassung von Schnittstellen liegt demzufolge im Geschäftsbereich der Terminalhersteller. Deshalb haben die Terminalhersteller im Rahmen ihrer Geschäftstätigkeit zu entscheiden, zu welchem Zeitpunkt sie die Entwicklung ihrer eigenen Terminalsoftware zur Herstellung einzelner Funktionalitäten vornehmen. Aus dem gleichen Grund besteht für einen marktbeherrschenden Kartenakquisiteur kein Anlass, die Offenlegung der Schnittstelleninformationen für den Anschluss der Zahlungskartenterminals an ihre Akzeptanz-Plattformen abzulehnen.

728.  Während der Re-Zertifizierungsphase bei der SIX-Gruppe wurden sowohl die im Markt vorhandenen DCC-Dienstleistungsverträge fortgeführt als auch die aufgeschalteten DCC-Terminals weiterhin benutzt. Die vom Visa Card Scheme zunächst aufgestellte Anforderung, den Betrieb der DCC-Terminals auf 100 Händler zu beschränken, wurde nach einer Intervention von Multipay aufgehoben. Darüber hinaus wurden zwischen Dezember 2005 und Mai 2006 der Absatz der DCC-Dienstleistungsverträge und die Aufschaltung der DCC-Terminals ungehindert fortgeführt; denn es wurden {800-[ ]-900} neue DCC-Verträge abgeschlossen und {1000-[ ´ ]-1´100} DCC-Terminals aufgeschaltet. Insgesamt wurden rund {400´000-[ ´ ]-500´000} Transaktionen mit DCC-Währungsumrechnung mit einem Umsatz in Höhe von {120-[ ]-160} Mio. CHF durchgeführt (vgl. SV I.f). Diese Tatsachen werden von den Beschwerdeführerinnen auch nicht bestritten. Demzufolge ist nicht erkennbar, dass es erforderlich gewesen wäre, den Betrieb der DCC-Funktion während der Re-Zertifizierungsphase in einem wesentlichen Umfang einzuschränken oder gar auszusetzen.

729.  Vor dem Hintergrund dieser Umstände ist entgegen den Behauptungen der Beschwerdeführerinnen (vgl. 673, 676, 682) von vornherein nicht ersichtlich, warum die Offenlegung der DCC-Schnittstelleninformationen für die Akzeptanz-Plattform der SIX-Gruppe gegenüber anderen Terminalherstellern ein prinzipielles Problem hätte darstellen sollen, die eine Verweigerung durch die SIX-Gruppe hätte begründen können. Vielmehr ist davon auszugehen, dass von einer Offenlegung der DCC-Schnittstelleninformationen keine nachteiligen Auswirkungen auf die ordnungsgemässe Umsetzung der Re-Zertifizierung durch die anderen Terminalhersteller ausgegangen wären.

730.  Auch der Einwand der Beschwerdeführerinnen (vgl. E. 675), wonach eine Aufschaltung von DCC-Terminals der SIX-Gruppe sowie anderer Terminalhersteller aufgrund der Re-Zertifizierung ausgeschlossen gewesen sei, zielt von vornherein ins Leere. Gegenstand des Vorwurfs eines wettbewerbswidrigen Verhaltens bildet nicht eine allfällige Verweigerung der Aufschaltung von DCC-Terminals an die Akzeptanz-Plattform der SIX-Gruppe während der Re-Zertifizierungsphase, sondern die Verweigerung einer Offenlegung der DCC-Schnittstelleninformationen für den Anschluss von DCC-Terminals an die Akzeptanz-Plattform der SIX-Gruppe. Die Offenlegung der DCC-Schnittstelleninformationen zur Datenübermittlung zwischen Zahlungskartenterminals und Acquring-Plattform geht einer Aufschaltung von DCC-Terminals offensichtlich voraus, weil die anderen Terminalhersteller nach Erhalt dieser Informationen über die notwendigen Schnittstellen ihre Zahlungskartenterminals erst hätten in entsprechender Weise ausgestalten und erproben müssen. Darüber hinaus widerspricht dieser Einwand offensichtlich auch dem vorstehend dargestellten uneingeschränkten tatsächlichen Absatz von DCC-Dienstleistungsverträgen und der weiteren Aufschaltung von DCC-Terminals während der Re-Zertifizierungsphase von Dezember 2005 bis Mai 2006 durch die SIX-Gruppe.

731.  Im Hinblick auf die Rechtfertigung einer zwingenden Kombination von Akzeptanz-Dienstleistungen, DCC-Dienstleistungen und DCC-Terminals ist in gleicher Weise darauf hinzuweisen, dass hierfür ein Verweis auf die Re-Zertifizierungsphase von vornherein unbehelflich ist.

732.  Die zwingende Kombination von Aquiring-Dienstleistungen, DCC-Dienstleistungen und DCC-Terminals hätte nach der Behauptung der Beschwerdeführerinnen (vgl. E. 682) zur Herstellung einer ausreichenden Sicherheitsstruktur vorgenommen werden müssen, um die Zertifizierung für das Zahlungssystem mit DCC-Funktion zu erlangen. Selbst wenn entsprechend dem Vorbringen der Beschwerdeführerinnen davon auszugehen wäre, dass eine Zertifizierung der DCC-Funktion durch die Kartenaussteller für das gesamte, von der SIX-Gruppe angebotene Zahlungssystem erforderlich war und daher sowohl die Akzeptanz-Plattform als auch die Zahlungskartenterminals der SIX-Gruppe und demzufolge auch diejenigen von anderen Terminalherstellern einer entsprechenden Sicherheitsüberprüfung durch die Kartenaussteller zu unterziehen waren, so stellt dies unzweifelhaft keinen Aspekt dar, der eine zwingende Bindung der Händler mit einem Akzeptanzvertrag der SIX-Gruppe an Zahlungskartenterminals mit DCC-Funktion der SIX-Gruppe zu rechtfertigen vermag. Da in diesem Fall auch Zahlungskartenterminals mit DCC-Funktion von anderen Terminalherstellern eine Zertifizierung erlangen mussten, um im Zahlungsabwicklungssystem der SIX-Gruppe ohne sicherheitstechnische Bedenken eingesetzt werden zu können - und sie diesen Status nach dem relevanten Zeitraum auch ohne Schwierigkeiten erlangten -, besteht kein sachlicher Grund zur Erreichung des Zwecks der Kombination.

733.  Ungeachtet dessen, dass die Geeignetheit der Verweigerung einer Offenlegung der DCC-Schnittstellen und der zwingenden Kombination von Aquiring-Dienstleistungen, DCC-Dienstleistungen und DCC-Terminals nicht gegeben war, ist der Vollständigkeit halber darauf hinzuweisen, dass auch die Erforderlichkeit dieser Massnahmen zur Sicherstellung eines berechtigten Zwecks nicht gegeben war.

734.  Überdies ist nicht ersichtlich und wird von den Beschwerdeführerinnen auch nicht dargelegt, warum die Herausgabe der notwendigen DCC-Schnittstelleninformationen zum Anschluss von DCC-Terminals sonstiger Terminalhersteller an die Akzeptanz-Plattform der SIX-Gruppe wegen der notwendigen Re-Zertifizierung des Zahlungssystems der SIX-Gruppe durch Visa hätte eingeschränkt werden müssen. Die Herausgabe der DCC-Schnittstelleninformationen hätte ohne Weiteres mit einem Verweis auf eine allfällig notwendige Zertifizierung durch das Visa Card Scheme und die sich daraus ergebenden tatsächlichen Weiterungen sowie auf allfällige rechtliche Implikationen verbunden werden können. Hinweise auf mögliche tatsächliche Weiterungen hätten insbesondere die Aspekte eingeschlossen, dass (i) die DCC-Funktion der Zahlungskartenterminals und damit auch die Schnittstellen zur Akzeptanz-Plattform der SIX-Gruppe für die Zertifizierung angepasst werden müssen und (ii) die Zahlungskartenterminals mit DCC-Funktion bis zu einer Zertifizierung nicht an die Akzeptanz-Plattform der SIX-Gruppe angeschlossen werden können. Hinweise zu rechtlichen Implikationen hätten bis hin zu einem Haftungsausschluss für Verluste der anderen Terminalhersteller bei Zahlungskartenterminals, die aufgrund der Modalitäten einer später tatsächlich erfolgten Zertifizierung nicht an die Händler verkauft werden, reichen können. Es wäre dann Sache der anderen Terminalhersteller gewesen zu entscheiden, ob mit der Entwicklung der DCC-Funktion für ihre eigenen Zahlungskartenterminals sofort begonnen oder die endgültige Ausgestaltung einschliesslich allfälliger Anpassungen aufgrund des Ergebnisses der Zertifizierung abgewartet wird. Die Terminalhersteller hätten dabei - in gleicher Weise wie die SIX-Gruppe im Rahmen von deren Vertrieb der Zahlungskartenterminals mit DCC-Funktion auch - die Entscheidung über das entsprechende rechtliche und wirtschaftliche Risiko selbst vornehmen müssen und können.

735.  Zu keinem anderen Ergebnis führt die Behauptung der Beschwerdeführerinnen, es habe sich lediglich um eine zeitlich beschränkte Kombination bis zur Erlangung der Zertifizierung gehandelt. Denn aufgrund der im Recht liegenden Tatsachen ist nachgewiesen, dass die SIX-Gruppe selbst ihre eigenen Zahlungskartenterminals mit DCC-Funktion bereits vor einer Zertifizierung durch Visa als Kartenlizenzgeber gegenüber den Händlern beworben und auch uneingeschränkt vertrieben hat. Das Verhalten der SIX-Gruppe im relevanten Zeitraum widerspricht demzufolge der nun nachträglich im Kartellverfahren vorgebrachten Argumentation.

(e)          Ergebnis

736.  Die gesamten Vorbringen der Beschwerdeführerinnen, wonach sich die DCC-Funktion noch in einer Test- und Zertifizierungsphase befunden habe, widersprechen somit den wesentlichen Tatsachen des Gesche-hensablaufs und sind daher unzutreffend. Dies wird von den Beschwerdeführerinnen in anderem Zusammenhang indirekt bestätigt (vgl. E. 766). Der Einwand einer Rechtfertigung wegen der angeblichen Test- und Re-Zertifizierungsphase ist demzufolge als nachträgliche Schutzbehauptung zu qualifizieren, weshalb die jeweiligen Vorbringen für die rechtliche Beurteilung der Angelegenheit nicht massgeblich sein können.

737.  Eine Rechtfertigung der Verweigerung einer Offenlegung von DCC-Schnittstelleninformationen sowie der Kombination von DCC-Währungsumrechnung und eigenen DCC-Terminals durch die SIX-Gruppe aufgrund der von den Beschwerdeführerinnen geltend gemachten Test- und Re-Zertifizierungsphasen ist deshalb ausgeschlossen.

f)              Einwand des Entwurfs einer einvernehmlichen Regelung

(1)          Vorbringen der Beschwerdeführerinnen

738.  Die Beschwerdeführerinnen machen geltend, dass die fehlende Verpflichtung zur Offenlegung der Schnittstellen dadurch nachgewiesen sei, dass (i) das Sekretariat der Wettbewerbskommission und die Beschwerdeführerinnen über den Abschluss einer einvernehmlichen Regelung verhandelt hätten, und dass (ii) der entsprechende Entwurf der Vereinbarung die Feststellung vorgesehen habe, dass eine Offenlegung der Schnittstellen bis zum Abschluss einer Test- und Re-Zertifizierungsphase und einer Erlangung der Marktreife des Produkts nicht erforderlich sei. 

739.  Im Rahmen der Verhandlungen über den Abschluss einer einvernehmlichen Regelung sei nach mehrfacher Abstimmung im Entwurf der Vereinbarung Folgendes festgehalten worden:

"Die Gewährung von Zugang zu Produkten der SIX Group AG erfolgt, wenn das Produkt marktfähig ist und nicht mehr aufgrund von Tests oder Zertifizierungen potenziell angepasst werden muss. Es besteht somit grundsätzlich keine Pflicht [...] zur Gewährung von Zugang zu Produkten der SIX Group AG (i) bevor die Produkte der SIX Group AG, für welche Zugang verlangt wird, eine Test- und Zertifizierungsphase (z.B. durch die Card Schemes) definitiv abgeschlossen haben, oder (ii) vor definitivem Abschluss der Test- und Zertifizierungsphase ohne Zertifizierung bei Produkten der SIX Group AG, die getestet aber nicht von Card Schemes zertifiziert werden müssen."

740.  Das Sekretariat habe sich nach jahrelanger Auseinandersetzung mit dem Sachverhalt im Rahmen einer einvernehmlichen Regelung klar zu Gunsten der Beschwerdeführerinnen geäussert.

741.  Beim Sekretariat handle es sich um eine eigenständige Wettbewerbsbehörde mit einem erheblichen technischen, rechtlichen und ökonomischen Fachwissen. Das Sekretariat würde gemäss Art. 23 KG andere Amtsstellen und Unternehmen beraten und gemäss Art. 46 KG Stellungnahmen abgeben. Es sei daher davon auszugehen, dass eine Aussage dieser Fachinstanz zu einer kartellrechtlichen Auslegungsfrage inhaltlich belastbar und kohärent mit der wettbewerbsrechtlichen Praxis sei.

742.  Angesichts der im Entwurf der einvernehmlichen Regelung vorgesehenen Ausnahmen einer Zustimmung durch das Card Scheme und der vollständigen Übernahme der Risiken durch den Lizenznehmer würde gerade bestätigt, dass vor einer definitiven Zertifizierung grundsätzlich finanzielle und Reputationsrisiken bestehen würden, weshalb die Verweigerung einer Offenlegung der Schnittstellen gerechtfertigt sei.

743.  Diesen Ansatz des Sekretariats könnten auch die Beschwerdeführerinnen für sich in Anspruch nehmen. Wenn selbst das Sekretariat von einer entsprechenden Ausnahmesituation ausgehe, so dürften auch die Beschwerdeführerinnen so vorgehen. Dies könne ihnen zumindest nicht vorgeworfen werden.

744.  Es sei demzufolge widersprüchlich, wenn von dieser durch das Sekretariat zunächst als zulässig erachteten Vorgehensweise im Rahmen der Verfügung abgerückt worden sei.

745.  Unerheblich sei dabei, dass die einvernehmliche Regelung nicht zustande gekommen sei, weil es sich bei den Sachpunkten, zu denen keine Einigung habe erzielt werden können, um die Aspekte der Lizenzgebühren und der massgeblichen, von der Regelung betroffenen Produkte gehandelt habe.

746.  Dass die Wettbewerbskommission mangels abgeschlossener einvernehmlicher Regelung keine Genehmigung habe erteilen können, sei nicht von Relevanz, weil das Sekretariat sich generisch zur Gesetzesauslegung geäussert und dabei anerkannt habe, dass die Offenlegung von Schnittstellen jeweils in Abhängigkeit des Produktentwicklungsstadiums zu prüfen sei. Diese grundlegende Einschätzung müsse auch im vorliegenden Fall zur Anwendung gelangen, unabhängig davon, ob sie sich auf ein zukünftiges oder ein vergangenes Verhalten beziehe.

(2)          Vorbringen der Vorinstanz

747.  Die Vorinstanz macht gegenüber dem Vorbringen der Beschwerdeführerinnen zum einen geltend, dass den Aussagen des Sekretariats im Rahmen von Verhandlungen über eine einvernehmliche Regelung keine Bedeutung zukomme, weil eine einvernehmliche Regelung einer Genehmigung durch die Wettbewerbskommission bedürfe und diese nicht an den Antrag oder einzelne Aussagen des Sekretariats gebunden sei. Aufgrund des expliziten Wortlauts von Art. 30 Abs. 1 KG stehe die Entscheidbefugnis in der Hauptsache allein der Vorinstanz zu.

748.  Zum anderen führt die Vorinstanz an, dass mit der einvernehmlichen Regelung eine generelle Lösung für die Zukunft und kein Präjudiz für ein vergangenes Verhalten geschaffen werden sollte. Demnach sei es ausgeschlossen, dass die einvernehmliche Regelung die materiell-rechtliche Beurteilung zum Gegenstand haben könne. Sachverhalt und Rechtsfragen seien nicht verhandelbar, sondern von der rechtsanwendenden Behörde hoheitlich zu entscheiden. Da der Entwurf eine generelle Lösung für die Zukunft darstellen sollte, erscheine es überdies umso weniger nachvollziehbar, weshalb er die Beurteilung des vergangenen Verhaltens im konkreten Fall hätte präjudizieren sollen.

(3)          Würdigung durch das Gericht

749.  Auf Anfrage von Multipay und Card Solutions wurden zwischen November 2009 und Juni 2010 mit dem Sekratariat Verhandlungen über Abschluss und Inhalt einer einvernehmlichen Regelung in Bezug auf die Angelegenheit geführt. Diese Verhandlungen wurden vom Sekretariat wegen eines mangelnden Konsenses zwischen den Verhandlungsparteien über wesentliche Elemente einer einvernehmlichen Regelung abgebrochen (vgl. SV J.k).

750.  Der Einwand der Beschwerdeführerinnen, wonach sich aus einzelnen Formulierungen im Entwurf zu einer einvernehmlichen Regelung zwingende verbindliche Rechtswirkungen im Hinblick auf die Behandlung der Angelegenheit im Rahmen einer Verfügung der Wettbewerbskommission oder in Bezug auf die Beurteilug durch eine Rechtsmittelinstanz ergeben würden, vermag bereits allgemein aus mehreren Gründen nicht zu überzeugen. Darüber hinaus liegen auch die geltend gemachten und für eine Berücksichtigung im Rahmen einer rechtlichen Beurteilung notwendigen Umstände im vorliegenden Fall gerade nicht vor.

751.  Wenn das Sekretariat der Wettbewerbskommission eine Wettbewerbsbeschränkung für unzulässig erachtet, kann es gemäss Art. 29 KG den Beteiligten eine einvernehmliche Regelung über die Art und Weise ihrer Beseitigung vorschlagen. Eine einvernehmliche Regelung zwischen dem Sekretariat und einem Unternehmen dient demnach einer inhaltlichen Festlegung der Modalitäten zur Beseitigung einer unzulässigen wirtschaftlichen Verhaltensweise durch das jeweilige Untenehmen. Demgegenüber stellt die Rechtsauffassung des Sekretariats, wonach die betreffende wirtschaftliche Verhaltensweise als kartellrechtswidrig zu qualifizieren sei, die notwendige Voraussetzung für den Abschluss einer einvernehmlichen Regelung dar (vgl. BGer, 19.12.2003, 2A.417/2003, Sellita Watch Co. SA gg. ETA SA Manufacture Horlogère Suisse u.a., in: RPW 2004/2, 661, E. 3.4.4; BVGer, 2.7.2010, B-1324/2010, Jelmoli Bonus Card AG gg. Weko, E. 5.1.2; Beuret Carla, in: Zäch u.a. [Hrsg.], Kartellrecht, 2018, zit. Dike-KG, Art. 29 Rn. 38; Borer, KG, Art. 29 Rn. 4; Tagmann/Zierlick, BSK-KG, Art. 29 Rn. 4). Gegenstand einer einvernehmlichen Regelung bildet demzufolge die Folgenbehandlung einer bestimmten wirtschaftlichen Verhaltensweise und nicht die Feststellung von deren Wettbewerbswidrigkeit.

752.  Demzufolge sind die Einwendungen der Beschwerdeführerinnen, vorliegend müsse aus dem Textentwurf der einvernehmlichen Regelung die Zulässigkeit ihres in Frage stehenden Verhaltens abgeleitet werden, nicht beachtlich. Vielmehr bestätigt der Umstand, dass das Sekretariat Verhandlungen über den Abschluss einer einvernehmlichen Regelung geführt hat, im Gegenteil gerade, dass es die fehlende Offenlegung der Schnittstelleninformationen mangels Vorliegens einer Rechtfertigung aufgrund einer Test- und Zertifizierungsphase oder eines anderen Rechtfertigungsgrunds als unzulässige Wettbewerbsbeschränkung gemäss Art. 7 KG qualifiziert hat.

753.  Die Rechtswirksamkeit einer einvernehmlichen Regelung zwischen einem Unternehmen und dem Sekretariat tritt gemäss Art. 29 Abs. 2 KG erst durch die Genehmigung der Wettbewerbskommission ein. Demzufolge kann das Sekretariat ein wirtschaftliches Verhalten auch nicht mittels einer einvernehmlichen Regelung rechtsverbindlich verhandeln. Soweit die Genehmigung durch die Wettbewerbskommission nicht erteilt wird, kommen einer angestrebten einvernehmlichen Regelung keinerlei Rechtswirkungen zu.

754.  Wenn schon einer abgeschlossenen, aber nicht genehmigten einvernehmlichen Regelung keine Rechtswirkungen zukommen, dann gilt dies umso mehr für den blossen Entwurf einer einvernehmlichen Regelung, die aufgrund der Ablehnung durch eine der beteiligten Partien noch nicht einmal zustandegekommen ist.

755.  Da zum einen die Verhandlungen über den Abschluss einer einvernehmlichen Regelung erst im November 2009 und damit erst nach Durchführung des fraglichen Verhaltens aufgenommen worden waren und zum anderen auch keine einvernehmliche Regelung abgeschlossen wurde, kann sich von vornherein auch keine Notwendigkeit zur Berücksichtigung eines allfällig geschützten Vertrauens der Beschwerdeführerinnen in die Haltung des Sekretariats für einen bestimmten Zeitraum ergeben.

756.  Der Vollständigkeit halber ist ergänzend darauf hinzuweisen, dass diese Vorbringen der Beschwerdeführerinnen im Gesamtzusammenhang zu einem inhaltlichen Widerspruch in der Beschwerde führen. Denn die Beschwerdeführerinnen verlangen einerseits die Berücksichtigung einer vom Sekretariat selbst nicht als rechtsverbindlich qualifizierten Erklärung aufgrund von dessen - in diesem Zusammenhang behaupteter - ausgewiesener Fachkompetenz, während andererseits mittels der vorliegenden Beschwerde nahezu sämtliche Sachpunkte des Antrags des Sekretariats, welche der angefochtenen Verfügung zu Grunde liegen, inhaltlich bestritten werden und damit die Fachkompetenz des Sekretariats nachgerade umfassend in Frage gestellt wird. Aus dieser Argumentationsführung der eigenen Vorbringen ergibt sich demnach, dass die Beschwerdeführerinnen zu den verschiedenen Sachpunkten je nach deren Nützlichkeit für ihren eigenen Standpunkt inhaltlich sich widersprechende Argumente vortragen.

g)            Einwand des Investitions- und Innovationsschutzes

757.  Zwischen den Parteien ist streitig, ob die Schnittstelleninformationen von der SIX-Gruppe berechtigterweise zurückgehalten werden konnten, weil auch zu Gunsten eines marktbeherrschenden Unternehmens zur Sicherstellung eines Investitions- und Innovationsschutzes ein bestimmter Zeitraum anzusetzen ist, während dessen diesem die neu entwickelten Produkte und Produktfunktionen zur ausschliesslich eigenen Nutzung zur Verfügung stehen, weshalb die Schnittstelleninformationen von neu entwickelten Produkten und Produktfunktionen innerhalb dieses Zeitraums nicht herausgegeben werden müssen und demzufolge kein missbräuchliches Verhalten gemäss Art. 7 KG verwirklicht wird.

(1)          Vorbringen der Beschwerdeführerinnen

758.  Die Beschwerdeführerinnen bringen vor, dass der Six-Gruppe als innovativem Unternehmen ein gewisser Investitions- und Innovationsschutz zukäme, der sich in einem bestimmten Zeitraum zur Ausnutzung der eigenen Innovation niederschlage, weshalb die Offenlegung der Schnittstellen gegenüber den anderen Terminalherstellern für diesen Zeitraum hätte verweigert werden können.

759.  Diesen Ansatz habe bereits das Sekretariat im Rahmen der Verhandlungen über den Abschluss einer einvernehmlichen Regelung bestätigt. Der entsprechende Entwurf habe als zusätzliches Kriterium für die grundsätzlich zulässigen Lizenzbedingungen vorgesehen, dass die Zugangsgewährung nach Vollendung der Test- und Zertifizierungsphase erst nach Ablauf eines einjährigen Schutzzeitraums zu leisten sei, soweit sich der Petent nicht an den Investitionskosten beteilige.

760.  Die Beschwerdeführerinnen verweisen hierzu darauf, dass die angefochtene Verfügung anerkenne, dass zur Sicherstellung der Investitions- und Innovationsanreize auch einem marktbeherrschenden Unternehmen die Möglichkeit gewährt werden müsse, die Belieferung Dritter für eine bestimmte Mindestperiode zu verweigern.

761.  Die angefochtene Verfügung verkehre diesen Ansatz allerdings in sein genaues Gegenteil. Denn dadurch müsse ein marktbeherrschendes Unternehmen sämtliche nur denkbaren neuen Funktionen und Dienste und Dienstleistungserweiterungen sofort, uneingeschränkt und allenfalls sogar kostenlos an sämtliche Wettbewerber weiterreichen. Bei einer entsprechenden Anwendung der kartellrechtlichen Missbrauchsvorschrift würde dadurch einem marktbeherrschenden Unternehmen der Anreiz für jegliche Innovation, Investition und Produktdifferenzierung genommen. Denn die Wettbewerber könnten dann ohne eigene Investitionen neue Produkte, Dienste und Funktionen eines marktbeherrschenden Unternehmens sofort kopieren. Daher sei die Annahme der angefochtenen Verfügung unzutreffend, wonach die Offenlegung von Schnittstelleninformationen nicht zu einer Kopie des Produkts, sondern nur zu einer Entwicklung ergänzender Produkte führen würde.

762.  Den Gegenstand des vorliegenden Sachverhalts bilde daher auch keinesfalls die blosse Offenlegung von Schnittstellen, sondern eine Duplizierung bestehender Funktionen. Entgegen der Behauptung der Vorinstanz führe die Offenlegung der Schnittstelleninformationen zu einer Kopie des Produkts und nicht zur Entwicklung ergänzender Produkte. Denn mit der Offenlegung ginge zwingend einher, dass die Wettbewerber ohne irgendeine eigene Investition neue Produkte, Dienste und Funktionen der SIX-Gruppe sofort kopieren könnten. Die anderen Terminalhersteller als Initiatoren wollten gerade keine ergänzenden Produkte zur DCC-Funktion der Card Solutions, sondern unmittelbar selbst die identische DCC-Funktion von Card Solutions anbieten. Die Leistung der Initiatoren würde demnach nicht über die Nachahmung schon bestehender Funktionen der Card Solutions hinausgehen. Dies diene weder dem Markt noch den Kunden.

(2)          Vorbringen der Vorinstanz

763.  Die Vorinstanz hält den Einwand der Beschwerdeführerinnen unter Verweis auf verschiedene, in der ökonomischen Literatur erörterte Aspekte des Innovations- und Investitionsschutzes, die hierzu in den Microsoft-Entscheidungen getroffenen Feststellungen sowie die mangelnde urheberrechtliche Schutzfähigkeit von Schnittstelleninformationen für unzutreffend. Im vorliegenden Fall sei nicht ersichtlich, weshalb durch die Offenlegung der Schnittstelleninformationen die Investitions- und Innovationsanreize bei der SIX-Gruppe verloren gehen sollten. Es sei vielmehr davon auszugehen, dass die positiven Folgen der Offenlegung der Schnittstelleninformationen auf den Innovationswettbewerb überwiegen würden.

764.  Der Einwand der Beschwerdeführerinnen, Jeronimo habe selbst die DCC-Funkion der Card Solutions - und daher keine ergänzenden Produkte zur DCC-Funktion - anbieten wollen, sei unzutreffend. Jeronimo habe zu keinem Zeitpunkt die DCC-Funktion der Card Solutions erhalten. Jeronimo habe die Offenlegung der DCC-Schnittstelleninformationen verlangt, um die Interoperabilität der eigenen Zahlungskartenterminals mit der durch Multipay den Händlern angebotenen DCC-Währungsumrech-nung sicherzustellen. Dies diene entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerinnen sowohl dem Markt als auch den Kunden, werde doch der Innovationswettbewerb auf dem Terminalmarkt nicht mehr durch die fehlende Interoperabilität der Zahlungskartenterminals von Drittherstellern verfälscht.

(3)          Würdigung durch das Gericht

765.  Der Einwand des Investitions- und Innovationsschutzes, den die Beschwerdeführerinnen bereits im Kartellverwaltungsverfahren gegenüber dem Sekretariat vorgebracht haben, ist im vo