Das
Bundesverwaltungsgericht zieht in Erwägung:
1.
Ob
die Prozessvoraussetzungen erfüllt sind und auf eine Beschwerde einzutreten ist, prüft das
Bundesverwaltungsgericht von Amtes wegen und mit freier Kognition (Art. 7 Abs. 1 des Verwaltungsverfahrensgesetzes
vom 20. Dezember 1968, VwVG, SR 172.021; BVGE 2007/6 E. 1 m.H.).
1.1 Gemäss
Art. 31 des Verwaltungsgerichtsgesetzes vom 17. Juni 2005 (VGG, SR 173.32) beurteilt das Bundesverwaltungsgericht
Beschwerden gegen Verfügungen nach Art. 5 VwVG. Eine solche liegt mit der angefochtenen Verfügung
der WEKO vom 19. Oktober 2015 vor.
1.2 Die
zur Beurteilung stehende Sache fällt nicht unter die Ausnahmebestimmungen des Art. 32 VGG, und die
WEKO ist eine Vorinstanz im Sinne von Art. 33 Bst. f VGG, gegen deren Verfügungen die Beschwerde
an das Bundesverwaltungsgericht zulässig ist.
1.3 Als
belastete Adressatin der angefochtenen Verfügung ist die Beschwerdeführerin zur Beschwerde
berechtigt (Art. 48 Abs. 1 VwVG).
1.4 Die
Beschwerdeschrift wurde fristgemäss eingereicht (Art. 50 Abs. 1 VwVG); sie entspricht den gesetzlichen
Anforderungen hinsichtlich Form und Inhalt (Art. 52 Abs. 1 VwVG). Ebenso wurde der Kostenvorschuss (Art. 63
Abs. 4 VwVG) fristgerecht bezahlt. Der Vertreter der Beschwerdeführerin hat sich rechtsgenüglich
ausgewiesen (Art. 11 VwVG).
1.5 Nach
Art. 49 VwVG kann mit der Beschwerde die Verletzung von Bundesrecht, einschliesslich Überschreitung
oder Missbrauch des Ermessens (Bst. a), die unrichtige oder unvollständige Feststellung des rechtserheblichen
Sachverhalts (Bst. b) sowie Unangemessenheit (Bst. c) gerügt werden.
Die Beschwerdeführerin rügt neben der Verletzung von Bundesrecht eine unrichtige und unvollständige
Feststellung des rechtserheblichen Sachverhalts durch die Vorinstanz. Sie macht damit nach Art. 49 VwVG
zulässige Beschwerdegründe geltend.
1.6 Auf
die Beschwerde ist daher einzutreten.
2.
Gemäss
seinem Art. 2 Abs. 1 gilt das Kartellgesetz vom 6. Oktober 1995 (KG, SR 251) in persönlicher Hinsicht
für Unternehmen des privaten und des öffentlichen Rechts. Als Unternehmen gelten nach der Legaldefinition
von Art. 2 Abs. 1bis KG sämtliche Nachfrager
oder Anbieter von Gütern und Dienstleistungen im Wirtschaftsprozess, unabhängig von ihrer Rechts-
oder Organisationsform. Der Unternehmensbegriff des KG basiert damit auf einer funktionalen, ökonomischen
Betrachtungsweise (vgl. Botschaft des Bundesrates vom 23. November 1994 zu einem Bundesgesetz über
Kartelle und andere Wettbewerbsbeschränkungen, BBl 1995 I 468 ff., 533, nachfolgend "Botschaft
KG 1995"). Folglich ist die Z._______ AG ein Unternehmen im Sinne des KG.
3.
Art.
3 KG regelt das Verhältnis dieses Gesetzes zu anderen Rechtsvorschriften. Solche bleiben vorbehalten,
soweit sie auf einem Markt für bestimmte Waren oder Leistungen Wettbewerb nicht zulassen, insbesondere
Vorschriften, die eine staatliche Markt- oder Preisordnung begründen (Art. 3 Abs. 1 Bst. a KG) oder
einzelne Unternehmen zur Erfüllung öffentlicher Aufgaben mit besonderen Rechten ausstatten
(Art. 3 Abs. 1 Bst. b KG). Nicht unter das Gesetz fallen nach Art. 3 Abs. 2 KG Wettbewerbswirkungen,
die sich ausschliesslich aus der Gesetzgebung über das geistige Eigentum ergeben, während Einfuhrbeschränkungen,
die sich auf Rechte des geistigen Eigentums stützen, dem KG unterliegen. Entsprechende Vorschriften,
Wettbewerbswirkungen oder Beschränkungen, welche hier relevant sein könnten, sind keine ersichtlich.
4.
Thema
des vorliegenden Verfahrens bildet die Frage, ob sich die Beschwerdeführerin an einer unzulässigen,
zu sanktionierenden Wettbewerbsabrede betreffend Rabatte und Ablieferungspauschalen beim Verkauf neuer
Fahrzeuge bestimmter Marken beteiligte. Die Beschwerdeführerin hält eine solche Abrede für
von vornherein ausgeschlossen, weil die Q._______ AG als Selbstanzeigerin Preisführerin sei. Notwendigerweise
hätten sich die unabhängigen Händler an den Preisen des Retailbereichs der Q._______ AG
orientieren müssen. Dementsprechend hätte die Q._______ AG nicht als Kronzeugin akzeptiert
und vorzeitig aus dem Verfahren entlassen werden dürfen.
Ob die Selbstanzeigerin zu Recht von der Bonusregelung profitierte,
ist vorliegend nicht zu beurteilen.
Der Beschwerdeführerin fehlt ein dahingehendes schutzwürdiges Interesse (Urteil des BVGer B-5113/2016
vom 3. Mai 2018 E. 2.6, die Beschwerdeführerin betreffend, bestätigt durch Urteil des
BGer 2C_525/2018 vom 8. Mai 2019, insbesondere E. 2.5.3; vgl. BGE 145 II 259 E. 2.5.3), sodass auf ihre
entsprechenden Darlegungen nicht weiter einzugehen ist. Geprüft werden muss jedoch, ob die Selbstanzeigerin
Preisführerschaft, welche einer Abrede entgegenstehen könnte, innehatte. Diese Thematik wird
deshalb im Kontext der Frage, ob eine Abrede nach Art. 4 Abs. 1 KG vorlag, näher analysiert (siehe
dazu unten E. 8).
Zunächst aber werden die formellen Rügen der Beschwerdeführerin behandelt.
5.
Zu
einem grossen Teil erstreckt sich die Darstellung der Beschwerdeführerin auch auf formelle Rügen.
So beanstandet sie Verstösse der Vorinstanz gegen Verfahrensrecht, namentlich Verletzungen der Untersuchungsmaxime,
des Gleichbehandlungsgebotes, der Unschuldsvermutung, der Persönlichkeit und des rechtlichen Gehörs.
Überdies macht sie Voreingenommenheit sowie eine Vorverurteilung in der Öffentlichkeit geltend.
5.1 Erstens
rügt die Beschwerdeführerin, die Vorinstanz habe den Sachverhalt nicht im notwendigen Ausmass
untersucht.
5.1.1 Als
Begründung hält sie fest, die Vorinstanz habe während des 27 Monate dauernden Verfahrens
keinerlei Abklärungen zu den tatsächlichen Marktgegebenheiten getätigt. Es seien nicht
einmal minimale Untersuchungshandlungen zum Bestehen, geschweige denn zu Wirkungen einer vermeintlichen
Wettbewerbsabrede erkennbar. Zum Nachweis einer Marktwirkung habe die WEKO lediglich (falsch berechnete)
Marktanteile sowie eine (falsche) Marktabgrenzung herangezogen. In ihrer gesamten Untersuchung habe sie
sich im Wesentlichen auf eine Wiederholung der Behauptungen der Selbstanzeigerin, welche nicht weiter
substantiiert worden seien, beschränkt. Deutlich hätten dies die vorinstanzlichen Anhörungen
gemacht, an denen weder Fragen zur Umsetzung einer möglichen Kartellabsprache noch solche zur Rolle
der Selbstanzeigerin oder zur Funktionsweise des Marktes gestellt worden seien.
Insbesondere habe es die Vorinstanz unterlassen, auch für die Beschwerdeführerin günstige
Tatsachen zu ermitteln und dies, obschon sich Abklärungen aufgrund verschiedener Hinweise der Beschwerdeführerin,
der übrigen Parteien und der Selbstanzeigerin (Preisführerschaft derselben, Prozess der Preisgestaltung
von der Erstofferte bis zum Vertrag, Rabattpraxis, Marktwirkungen etc.) aufgedrängt hätten.
Die Vorinstanz stütze den Sachverhalt, wie sie selbst eingeräumt habe, mehrheitlich auf die
36 von der Selbstanzeigerin eingereichten Beweismittel. Dass diese verschiedene Unterlagen zu Beweiszwecken
beigebracht habe, entbinde die Behörde aber nicht davon, ein Mindestmass an eigenen Beweiserhebungen
anzustellen. Die Einvernahmen der Beschwerdeführerin und der anderen Parteien seien nur pro forma
erfolgt, die dabei gewonnenen Erkenntnisse jedoch nicht berücksichtigt worden.
Ohne weitere Prüfung und ohne Nachweis erachte es die Vorinstanz als "zweifellos"
feststehend, dass sich die Parteien und die Selbstanzeigerin über die Vereinbarung und die Umsetzung
von gemeinsamen Preisnachlässen und Ablieferungspauschalen abgesprochen hätten. Die internen
Konditionenlisten, die in der Praxis nicht eingesetzt worden seien, hätten aber lediglich den in
einer Erstofferte zu verwendenden Rabatt betroffen, was auch die Vorinstanz festgestellt habe (z.B. in
Ziff. 151 der angefochtenen Verfügung). Jeder Händler sei immer frei, weitere Zusatzkonditionen
zu gewähren, und diese würden stets separat ausgewiesen.
Zu keinem Zeitpunkt habe sich die Beschwerdeführerin an einer Abrede über einen Wettbewerbsparameter
beteiligt. Aufgrund der Preisführerschaft der Selbstanzeigerin sei eine Wettbewerbsabrede von vornherein
ausgeschlossen. Eine Kalkulationshilfe und die Darstellung der Erstofferte könnten diesen Zweck
auch gar nicht erfüllen. Ausserdem habe die Beschwerdeführerin an den Stammtischen eine eigene
Präsentation gezeigt, die von derjenigen vom 11. Februar 2013, welche die WEKO ihr vorhalte, abweiche.
Die Präsentation der Beschwerdeführerin habe keine Konditionenvereinbarung zum Gegenstand gehabt.
Die Vorinstanz verkenne, dass die vermeintliche Abrede in keinem Moment
Wirkung entfaltet habe. Zum
Nachweis der von ihr behaupteten Auswirkungen der Abrede auf den Markt hätte die WEKO lediglich
Verträge, die in der relevanten Periode geschlossen worden seien, vorlegen oder nachfragen müssen.
Tatsächlich habe sie aber keine solchen Verträge vorgelegt (also keine Auswirkungen nachgewiesen)
oder sie habe gar nicht danach gesucht (also die Untersuchungsmaxime verletzt).
5.1.2 Unter
Hinweis auf die angefochtene Verfügung entgegnet die Vorinstanz, die Q._______ AG habe ihre Selbstanzeige
vom 3. April 2013 mit Eingaben vom 4., 18. und 25. April 2013 ergänzt und Beweismaterial übergeben.
Der Inhalt der Selbstanzeige setze sich deshalb aus den Protokollaussagen der Selbstanzeigerin und insgesamt
36 Beweismitteln zusammen. Diese enthielten E-Mail-Korrespondenz über die Vorbereitung, die Umsetzung
und den Abbruch des Projekts "Repo 2013" sowie Kopien der vereinbarten Konditionenliste und
der Präsentation der VPVW-Stammtische. Aus diesen Dokumenten gehe eindeutig hervor, dass sich die
Beschwerdeführerin und die anderen beteiligten Parteien auf eine gemeinsame Rabattpolitik geeinigt,
anschliessend eine gemeinsame Konditionenliste für maximale Preisnachlässe und minimale Ablieferungspauschalen
zur Abgabe der Erstofferte für Neufahrzeuge der Marken des VW-Konzerns vereinbart und zur Umsetzung
des abgestimmten Rabattverhaltens die regionalen Stammtische des VPVW durchgeführt und die Präsentation
"Projekt Repo 2013" gehalten hätten.
Im Rahmen der Untersuchung habe die Vorinstanz die Beschwerdeführerin und die anderen Parteien
einvernommen. Zudem seien Auskunftsbegehren an beteiligte Dritte und den Präsidenten des VPVW gerichtet
worden. Die Aussagen der Parteien und ihre Vorbringen im Rahmen der Einvernahmen, der Stellungnahmen
zum Antrag des Sekretariats und während der Anhörungen durch die WEKO sowie sämtliche
Antworten zu den Auskunftsbegehren gegenüber Dritten seien in der angefochtenen Verfügung aufgeführt
und gewürdigt worden.
Der Sachverhalt sei nicht einfach aufgrund der Aussagen der Selbstanzeigerin,
sondern mehrheitlich
auf der Grundlage der zahlreichen von ihr im Rahmen der Selbstanzeige eingereichten
Beweismittel und
der vorerwähnten Ermittlungsmassnahmen erstellt und abgeklärt worden. Die Aussagen der Selbstanzeigerin
stellten nicht einfache Behauptungen ihrerseits dar, sondern entsprächen dem Inhalt des von ihr
vorgelegten Beweismaterials. Die wenigen Passagen, die auf der Protokollaussage der Selbstanzeigerin
beruhten, seien immer durch andere Beweismittel gestützt.
Die kurze Dauer der Abrede und die entsprechenden Auswirkungen auf
den Markt seien im Rahmen der
Sanktionsbemessung berücksichtigt worden. Hingegen hänge die Beurteilung der Beseitigung des
Wettbewerbs und der Erheblichkeit einer Wettbewerbsabrede gemäss Art. 5 KG nicht von der Dauer ihrer
Umsetzung, sondern von wirtschaftlichen Aspekten (der sachlichen und räumlichen Marktabgrenzung,
dem Vorliegen verbleibenden aktuellen und potentiellen Aussen- und Innenwettbewerbs sowie der Gesamtbetrachtung
qualitativer und quantitativer Kriterien) ab. Alle diese Faktoren seien in der angefochtenen Verfügung
praxisgemäss untersucht und beurteilt worden.
5.1.3 Sowohl
im Kartellverwaltungsverfahren als auch im Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht ist der
Sachverhalt gemäss Art. 12 VwVG i.V.m. Art. 39 KG bzw. Art. 37 VGG
von Amtes wegen zu untersuchen (vgl. Urteile des BVGer B-7633/2009 vom 14. September 2015, Swisscom AG
u.a. gg. Weko, ADSL II, E. 185, bestätigt durch Urteil des
BGer 2C_985/2015 vom 9. Dezember 2019, publiziert in BGE 146 II 217, B-506/2010 vom 19. Dezember
2013, Gaba International AG gg. Weko, Gaba, E. 5 und B-2977/2007
vom 7. April 2010, Publigroupe u.a. gg. WEKO, Publigroupe, E. 3).
Dieser Untersuchungsgrundsatz verpflichtet Behörde und Beschwerdeinstanz, den Sachverhalt aus eigener
Initiative richtig und vollständig abzuklären, sowohl hinsichtlich unzulässiger Wettbewerbsbeschränkungen
als auch rechtfertigender Umstände (vgl. BGE 141 V 281 E. 3.4.2.2, BGE 138 V 218
E. 6, BGE 117 V 282 E. 4a, BVGE 2012/21 E. 5.1 sowie Urteile des BVGer
B-829/2012 vom 25. Juni 2018, Granella Holding AG u.a. gg. Weko, Granella,
E. 6.3, B-8404/2010 vom 23. September 2014, SFS unimarket AG gg. Weko, SFS,
E. 3.2.4 und B-2050/2007 vom 24. Februar 2010, Swisscom (Schweiz) AG gg. Weko, Terminierung
Mobilfunk, E. 6.1; Patrick L. Krauskopf/Katrin
Emmenegger, in: Bernhard Waldmann / Philippe Weissenberger (Hrsg.): Praxiskommentar Verwaltungsverfahrensgesetz
(VwVG), 2. A., 2016, Art. 12 N. 16; André Moser/Michael
Beusch/Lorenz Kneubühler, Prozessieren vor dem Bundesverwaltungsgericht, 2. A., 2013, N. 3.119;
René Rhinow/Heinrich Koller/Christina
Kiss/Daniela Thurnherr/Denise Brühl-Moser, Öffentliches Prozessrecht, 3. A., 2014, N. 991 f.,
994 f., 1660 f.; Thierry Tanquerel, Manuel
de droit administratif, 2011, N. 1559). Hierfür sind alle rechtserheblichen Aspekte zu ermitteln,
sämtliche notwendigen Unterlagen zu beschaffen und die erforderlichen Beweise abzunehmen (vgl.
Alfred Kölz/Isabelle Häner/Martin
Bertschi, Verwaltungsverfahren und Verwaltungsrechtspflege des Bundes, 2013, N. 456, 1133; Krauskopf/Emmenegger,
Art. 12°N. 20 f.; Moser/Beusch/Kneubühler,
N. 3.119 f.).
Die Wettbewerbsbehörde hat allen einschlägigen Tatsachen nachzugehen und darf sich nicht
auf die Aussagen, Informationen und Beweismittel von Verfahrensbeteiligten beschränken (vgl. Urteile
des BVGer B-829/2012 vom 25. Juni 2018, Granella, E. 6.3, B-8404/2010
vom 23. September 2014, SFS, E. 3.2.4 und B-2050/2007 vom 24.
Februar 2010, Terminierung Mobilfunk, E. 6.1; vgl. auch BGE 141
V 281 E. 3.4.2.2). Als rechtserheblich gelten alle Tatsachen, welche den Ausgang des Entscheids beeinflussen
können (vgl. BGE 117 V 282 E. 4a; Urteil des BVGer B-7633/2009 vom 14. September
2015, ADSL II, E. 185; Krauskopf/Emmenegger,
Art. 12 N. 28; Moser/Beusch/Kneubühler, N. 3.120 f.).
Der Untersuchungsgrundsatz gilt allerdings nicht uneingeschränkt. Vielmehr ist das Ausmass der
Untersuchung von vornherein auf solche Aspekte beschränkt, die zur Aufklärung des Sachverhalts
notwendig sind und deren Abklärung vernünftigerweise erwartet werden kann (vgl. BGE 112 Ib 65 E. 3;
Urteil des BVGer B-7633/2009 vom 14. September 2015, ADSL II,
E. 186; Krauskopf/Emmenegger, Art. 12 N. 28 f.;
ähnlich Moser/Beusch/Kneubühler, N. 3.144). Grenzen
der amtlichen Ermittlung können sich im Einzelfall zudem durch Mitwirkungspflichten der Parteien,
die objektive Beweislast, die Tauglichkeit von Beweismitteln und treuwidriges Verhalten einer Partei
ergeben (vgl. Kölz/Häner/Bertschi, N. 457 f.,
1134 f.; Krauskopf/Emmenegger, Art. 12 N. 17;
Moser/Beusch/Kneubühler, N. 1.49, 3.123c;
Tanquerel, N. 1560 f.).
Die Sachverhaltsuntersuchung bezieht sich auf Tatsachen und Erfahrungssätze. Demgegenüber
untersteht die Rechtsanwendung, d.h. die Beurteilung rechtlicher Aspekte, nicht dem Untersuchungsgrundsatz
(vgl. Krauskopf/Emmenegger, Art. 12 N.°17; Moser/Beusch/Kneubühler,
N. 3.119b). Daher bedarf es einer inhaltlichen Abgrenzung zwischen Sach- und Rechtsfragen (vgl.
BVGE 2009/35 E. 7.4). Soweit zwischen den Kartellbehörden und den Parteien eines Kartellverwaltungsverfahrens
abweichende Rechtsauffassungen bestehen, die einen unterschiedlichen Umfang an sachlicher Abklärung
erfordern, ergibt sich demzufolge nicht allein deshalb eine Verletzung des Untersuchungsgrundsatzes,
weil die Kartellbehörden keine Abklärungen über Tatsachen oder Erfahrungssätze vorgenommen
haben, auf die eine Partei ihre abweichende Rechtsposition stützt (Urteil des BVGer B-7633/2009
vom 14. September 2015, ADSL II, E. 187).
5.1.4 Der
die Behörde verpflichtende Untersuchungsgrundsatz (Art. 12 VwVG) und das ihn ergänzende Parteirecht
des Gehörsanspruchs (Art. 29 VwVG; vgl. dazu unten E. 5.4.4; vgl. BGE 144 II 194, Bayerische Motoren
Werke AG gg. Weko, BMW, E. 4.4.2) sollen sicherstellen, dass zur
vollständigen Ermittlung des erheblichen Sachverhalts alle notwendigen Beweise erhoben und in zutreffender
Weise gewürdigt werden. Zudem soll gewährleistet werden, dass der Entscheid auf alle wesentlichen
Elemente abgestützt und entsprechend auf nachvollziehbare Weise begründet wird. Freilich darf
sich die Begründung eines Entscheids auf diejenigen Aspekte beschränken, welche die Behörde
ohne Willkür als wesentlich betrachtet. Die Behörde muss aber begründen, weshalb sie vorgebrachte
Parteistandpunkte für nicht erheblich, unrichtig oder allenfalls unzulässig hält (Urteil
des BVGer B-2050/2007 vom 24. Februar 2010, Terminierung Mobilfunk,
E. 6).
5.1.5 Die
Selbstanzeige ("Bonusmeldung gemäss Art. 49a Abs. 2 KG") beinhaltet erstens ein achtseitiges
Schreiben der Selbstanzeigerin vom 4. April 2013 im Sinne einer Protokollaussage gegenüber der Vorinstanz.
Unter dem Titel "Art des angezeigten Wettbewerbsverstosses" werden darin namentlich die "Vereinbarung
einer Konditionenliste", eine "Besprechung zu Konditionenempfehlungen für Flottengeschäfte",
die "Erstellung einer Präsentation für regionale Stammtische des VPVW" und die "Durchführung
regionaler Stammtische des VPVW" geschildert. Als Beilagen waren diesem Schreiben Konditionenlisten
bzw. -empfehlungen, eine "Präsentation VPVW Stammtisch Region [...]" sowie E-Mails
und andere Schreiben angefügt (insgesamt 11 Beilagen). Zweitens wurde die Selbstanzeige durch eine
vom 18. April 2013 datierende Protokollaussage der Selbstanzeigerin ergänzt. Sie enthält 18
weitere Beilagen, überwiegend E-Mail-Korrespondenz zwischen Führungskräften der beteiligten
Unternehmen betreffend Konditionenlisten für den Neuwagenverkauf sowie Präsentationen für
Verbandsanlässe des VPVW. Drittens umfasst die Selbstanzeige eine ergänzende Protokollaussage
der Selbstanzeigerin vom 25. April 2013, welche zusätzliche Beilagen beinhaltet, insbesondere wiederum
E-Mail-Korrespondenz zwischen leitenden Vertretern der beteiligten Unternehmen sowie eine Präsentation
mit Konditionenlisten und Offertbeispielen. Viertens wurde die Selbstanzeige durch eine mündliche
Aussage des vormaligen Managing Directors der Q._______ AG vom 11. Juni 2013 gegenüber dem Sekretariat
der WEKO ergänzt.
Vernehmlassungsweise erklärte die Vorinstanz, der Inhalt der Selbstanzeige setze sich aus den
Protokollaussagen der Selbstanzeigerin und insgesamt 36 Beweismitteln zusammen. Freilich erlauben einige
dieser Aktenstücke keine Rückschlüsse auf (möglicherweise gesetzwidriges) Verhalten
von Rechtssubjekten (z.B. die Unterlagen zur Verbandsorganisation des VPVW, dessen Umfragen oder die
"Übersicht Partnernetze [Q.________ AG] Import", act. 23). Manche sind weitestgehend
identisch (act. 31, 33, 34 und 36) oder beinhalten eigene Beurteilungen der Selbstanzeigerin (act. 30,
31, 32 und 34). So handelt es sich etwa bei mehreren der mit der Selbstanzeige eingereichten Unterlagen
um Schreiben, welche die Selbstanzeigerin erstellt hatte und welche teilweise deren eigene rechtliche
Würdigung der Geschehnisse enthalten. Andererseits besteht die Selbstanzeige dennoch nicht nur aus
Äusserungen der Selbstanzeigerin und von dieser verfassten Dokumenten, sondern beispielsweise auch
aus E-Mail-Korrespondenz mit oder zwischen Dritten. Überdies ergänzte die Vorinstanz die Selbstanzeige
durch eigene Untersuchungshandlungen, insbesondere Einvernahmen und Befragungen. So vernahm das Sekretariat
den Geschäftsleiter der Beschwerdeführerin am 20. Juni und am 2. Juli 2013. Die Wettbewerbskommission
hörte die Beschwerdeführerin am 7. September 2015 an. Ferner richtete das Sekretariat Auskunftsbegehren
an beteiligte Dritte sowie den Präsidenten des VPVW.
Schwergewichtig beruht die Beweisführung hinsichtlich einer verpönten Abrede daher auf
dem mit der Selbstanzeige bei der Vorinstanz eingegangenen E-Mail-Verkehr. Selber reichte die Beschwerdeführerin
allerdings keine ergänzenden E-Mails ein, welche die rechtliche Würdigung des inkriminierten
Verhaltens zu ihren Gunsten beeinflussen könnten.
5.1.6 Die
Vorbringen der Beschwerdeführerin betreffend Verletzung des Untersuchungsgrundsatzes haben einen
engen Konnex zum Inhalt der angefochtenen Verfügung. Hinweise auf eine formelle Rechtsverletzung
der Vorinstanz im Kontext des Untersuchungsgrundsatzes bestehen keine, zumal die WEKO nicht nur ihre
Pflicht zur Feststellung des Sachverhalts von Amtes wegen, sondern auch ihre Beweisführungslast
und das zu erfüllende Beweismass anerkannt hat. Ihr kann auch nicht vorgeworfen werden, eine unzulässige
Beweislastumkehr zum Nachteil der Beschwerdeführerin praktiziert zu haben (vgl. Urteil des BVGer
B-807/2012 vom 25. Juni 2018, Erne Holding AG u.a. gg. Weko, Erne,
E. 6.3).
Wegen ihres engen Bezugs zum Inhalt der Sanktionsverfügung werden die entsprechenden Vorbringen
der Beschwerdeführerin deshalb bei der materiellen Prüfung näher gewürdigt (vgl.
Urteile des BVGer B-829/2012 vom 25. Juni 2018, Granella, E. 6.3
m.H. und B-807/2012 vom 25. Juni 2018, Erne, E. 6.3), d.h. nicht
in einem separaten Abschnitt unter dem Gesichtspunkt eines formellen Rechtsfehlers (vgl. in diesem Sinne
bereits die Urteile des BVGer B-2050/2007 vom 24. Februar 2010, Terminierung
Mobilfunk, E. 1.1.2, B-8404/2010
vom 23. September 2014, SFS, E. 3.2.5, sowie
B-581/2012 vom 16. September 2016, Nikon AG gg. Weko, Nikon,
E. 5.5).
5.2 Zweitens
beanstandet die Beschwerdeführerin eine Verletzung des verfassungsmässigen Anspruchs auf gleiche
und gerechte Behandlung in Verfahren vor Verwaltungsinstanzen sowie einen Verstoss gegen Treu und Glauben.
5.2.1 Sie
argumentiert, die Vorinstanz habe die einvernehmliche Regelung allein aufgrund der Angaben der Selbstanzeigerin
entworfen, bevor die anderen Parteien überhaupt angehört worden seien. Das Sekretariat sei
nie in echte Verhandlungen mit diesen eingetreten, sondern habe ihnen die einvernehmliche Regelung im
Sinne von "take it or leave it" vorgelegt, ohne ihre Aussagen zu berücksichtigen. Dadurch
seien die übrigen Parteien ganz erheblich schlechter behandelt worden als die Selbstanzeigerin.
Nur so sei auch erklärbar, dass Letztere ohne Not vorzeitig aus dem Verfahren entlassen worden sei,
indem vorab in einer Teilverfügung über ihre "rechtliche und tatsächliche"
Situation entschieden worden sei.
Vom Zeitpunkt des ersten Entwurfs einer einvernehmlichen Regelung an
sei folglich keine unvoreingenommene,
unparteiische, gleiche und gerechte Verfahrensführung mehr möglich gewesen. Von einer ergebnisoffenen
und fairen Untersuchung könne daher nicht die Rede sein. Eine solche Verfahrensführung widerspreche
überdies dem Grundsatz von Treu und Glauben, hätte die Vorinstanz doch auch die für die
Parteien günstigen Faktoren berücksichtigen müssen, was sie offensichtlich unterlassen
habe.
In der angefochtenen Verfügung habe die Vorinstanz ausgeführt, die Parteien hätten
den Abschluss einer einvernehmlichen Regelung in der im Schreiben des Sekretariats vom 8. Oktober 2013
dargelegten Form abgelehnt, ohne einen eigenen konkreten Vorschlag zu präsentieren, während
alle Parteien ihre Bereitschaft erklärt hätten, mit dem Sekretariat zu kooperieren. Das Sekretariat
habe den Parteien jedoch eine im Wesentlichen unveränderte Fassung der ursprünglichen und noch
vor den Parteieinvernahmen erstellten einvernehmlichen Regelung erneut vorgelegt. Über die Auswertung
der Selbstanzeige und die Einvernahmen der Parteien hinaus habe es keine erkennbaren eigenen Untersuchungshandlungen
vorgenommen, insbesondere nicht bezüglich der Parteivorbringen und der entlastenden Hinweise der
Selbstanzeigerin. Es hätte an der Vorinstanz gelegen, die Regelung im Einvernehmen mit den Parteien
auszugestalten. Stattdessen habe das Sekretariat den Parteien später erneut eine unveränderte
Fassung der ursprünglichen einvernehmlichen Regelung vorgelegt und sie dadurch unter Druck gesetzt,
diese zu unterzeichnen.
Unter dem Gesichtspunkt der Verfahrensfairness missbilligt die Beschwerdeführerin ferner die
in der Gratiszeitung "20 Minuten" vom 23. Mai 2013 zitierte Äusserung des stellvertretenden
Direktors des Sekretariats, man rechne bei der WEKO damit, dass die Untersuchung vergleichsweise rasch
durchgeführt werden könne und die Verfahrensdauer kürzer als die sonst üblichen 12
bis 18 Monate sein werde. Die Beschwerdeführerin meint dazu, offensichtlich habe die Vorinstanz
bereits zu diesem Zeitpunkt einen klar bestimmten Verfahrensausgang vor Augen gehabt, was auch das Erstellen
einer einvernehmlichen Regelung vor den Parteieinvernahmen erkläre. Die Vorinstanz würde kaum
eine Untersuchung eröffnen und gleich im Anschluss die Öffentlichkeit informieren, man gehe
von einem kurzen Verfahren aus, wenn sie damit gerechnet hätte, dass kein Kartellrechtsverstoss
festzustellen sei. Diese Mitteilung habe es faktisch verunmöglicht, von dem ins Auge gefassten Ziel
abzuweichen. Durch überstürzte Information habe sich die Vorinstanz selber gezwungen, nur belastende
Elemente zu suchen und so quasi die Erwartung der Öffentlichkeit auch zu erfüllen.
Schliesslich macht die Beschwerdeführerin geltend, die Verfügung über die Genehmigung
der einvernehmlichen Regelung habe faktisch eine präjudizielle Wirkung auf die Sanktionsverfügung
gehabt. Durch die vorzeitige Entlassung der Q._______ AG aus dem Verfahren habe die Vorinstanz in selbstverschuldeter
Weise einen Sachverhalt geschaffen, der falsch und unvollständig gewesen sei. Eine Ergänzung
oder Änderung desselben im Anschluss an die Genehmigungsverfügung sei für die Vorinstanz
faktisch unmöglich geworden.
5.2.2 Hierauf
erwidert die Vorinstanz, das Sekretariat habe von Anfang an allen Parteien die Möglichkeit gegeben,
inhaltlich identische einvernehmliche Regelungen abzuschliessen. Die Vorschläge des Sekretariats
hätten nicht einfach auf den Aussagen der Selbstanzeigerin, sondern auf der eindeutigen Beweislage
mit über 30 Beweismitteln, welche die Vereinbarung einer Konditionenliste und die Durchführung
von Stammtischen klar nachwiesen, basiert. Das Sekretariat habe der Beschwerdeführerin sowie den
anderen beteiligten Unternehmen innerhalb von acht Monaten insgesamt dreimal den Abschluss einer einvernehmlichen
Regelung vorgeschlagen. Nur die Selbstanzeigerin habe jedoch Interesse an einer solchen Regelung bekundet.
Die Beschwerdeführerin sowie die übrigen Untersuchungsadressatinnen hätten alle Vorschläge
des Sekretariats abgelehnt, ohne ihrerseits einen konkreten Gegenvorschlag einzureichen oder ihre Bereitschaft
zu entsprechenden Verhandlungen zu bekunden. Demzufolge sei die Aussage der Beschwerdeführerin,
das Sekretariat sei nie in echte Verhandlungen mit den Parteien eingetreten, bösgläubig. Eine
Ungleichbehandlung der Beschwerdeführerin bestehe somit nicht.
Zur Rüge, gegen Treu und Glauben verstossen zu haben, erklärt die Vorinstanz, es bestehe
keine Vertrauensgrundlage, da weder das Sekretariat noch die WEKO unrichtige Zusicherungen, Auskünfte,
Mitteilungen oder Empfehlungen erteilt habe, aufgrund derer die Beschwerdeführerin Dispositionen
getroffen habe, die nicht ohne Nachteil rückgängig gemacht werden könnten. Wie in der
angefochtenen Verfügung und in der Vernehmlassung dargelegt, sei die von der Beschwerdeführerin
geltend gemachte "bereitwillige Kooperationsbereitschaft" wegen ihres Verhaltens während
der Untersuchung fraglich.
5.2.3 Gemäss
Art. 29 Abs. 1 BV hat jede Person in Verfahren vor Gerichts- und Verwaltungsinstanzen Anspruch auf gleiche
und gerechte Behandlung. Grundrechtlich verbrieft wird damit das allgemeine Gebot eines fairen Verfahrens.
Als "gleiche Behandlung" statuiert Art. 29 Abs. 1 BV insbesondere das Recht auf Waffengleichheit,
welches bereits dann als verletzt gilt, wenn eine Partei bevorteilt wird; die Gegenpartei muss dadurch
nicht unbedingt einen Nachteil erleiden (vgl. Bernhard Waldmann, BSK BV, 2015,
Art. 29 N. 8 ff.; BGE 139 I 121, R. gg. Basler Versicherung AG, E. 4.2.1 m.H.).
5.2.4 Am
3. Juli 2014 ersuchte das Sekretariat die WEKO mit Blick auf deren Plenarsitzung vom 14. Juli 2014 schriftlich,
ein Mitglied ihres Präsidiums gestützt auf Art. 19 Abs. 1 KG zu ermächtigen, gemäss
Art. 30 Abs. 1 KG über den Sekretariatsantrag gegen die Selbstanzeigerin zu entscheiden (act. 271).
Zur Begründung führte das Sekretariat Folgendes aus (Zitat):
Neben der Beschleunigung des Verfahrens dient dieses Vorgehen im vorliegenden
Fall der Rechtssicherheit,
indem eine Vorabverfügung der [Selbstanzeigerin] erlaubt, ohne weitere zusätzliche Kosten aus
dem Verfahren auszuscheiden und so innert kürzester Frist ihre Rechtslage zu klären sowie negative
Reputationseffekte abzuwenden oder zu begrenzen. Diesem Vorgehen könnte darüber hinaus auch
insofern eine besondere Bedeutung zukommen, als es für fehlbare Unternehmen den Anreiz erhöhen
kann, eine Selbstanzeige einzureichen und mittels einer einvernehmlichen Regelung einen raschen Verfahrensabschluss
herbeizuführen.
In ihrer Plenarsitzung vom 14. Juli 2014 hiess die WEKO dieses Ansinnen
gut und delegierte den Entscheid
über die Genehmigung der einvernehmlichen Regelung des Sekretariats mit der Selbstanzeigerin an
ein Mitglied ihres Präsidiums. Aus der zitierten Begründung des Sekretariatsantrags vom 3.
Juli 2014 lässt sich herauslesen, dass das Sekretariat eine Weiterführung der Untersuchung
mit negativen Reputationseffekten verbindet und eine Vorabverfügung als Anreiz sieht, um solche
Effekte abzuwenden oder zu begrenzen.
Da das Sekretariat nach seiner oben zitierten Begründung Rechtssicherheit anstrebte, kann der
Eindruck entstehen, es wäre nach Abschluss der einvernehmlichen Regelung mit der Selbstanzeigerin
ausserstande gewesen, eine abweichende juristische Beurteilung gegenüber den anderen Parteien vorzunehmen,
zumal es um ein- und dieselbe mutmassliche Abrede ging. Mit anderen Worten kann sich die Frage aufdrängen,
ob es nicht seinem Konzept der frühzeitigen, separaten Verfahrenserledigung gegenüber der Selbstanzeigerin
zuwidergelaufen wäre, wenn es in der fortgesetzten Untersuchung beispielsweise hätte feststellen
müssen, dass sie eine führende oder anstiftende Rolle innegehabt habe. Dann nämlich hätte
sich etwa die Befreiung der Selbstanzeigerin von einer Sanktion nachträglich eventuell als unrechtmässig
erweisen können (vgl. dazu unten E. 8.4.3 f.).
Dem lässt sich allerdings entgegenhalten, dass sich die Äusserung des Sekretariats betreffend
Rechtssicherheit ausschliesslich auf das Verhältnis zur Selbstanzeigerin bezog, mit welcher als
einziger Verfahrenspartei eine einvernehmliche Regelung abgeschlossen wurde. Dadurch entstand aber keine
Bindungswirkung der Wettbewerbsbehörden hinsichtlich der Entscheidung gegenüber den anderen
Verfahrensbeteiligten (vgl. Urteile des BGer 2C_525/2018 vom 8. Mai 2019 E. 2.5.3 und des BVGer B-5113/2016
vom 3. Mai 2018 E. 2.6). Ausserdem blieb es der Wettbewerbskommission als Entscheidungsinstanz unbenommen,
das Sekretariat mit ergänzenden Untersuchungsmassnahmen zu beauftragen oder eine Anhörung der
Beschwerdeführerin abzuhalten (Art. 30 Abs. 2 Satz 2 KG), wovon sie Letzteres denn auch tat.
Einvernehmliche Regelungen bot das Sekretariat allen Untersuchungsadressatinnen
an. Am 20. Juni 2013
vernahm das Sekretariat den Geschäftsleiter der Beschwerdeführerin, wobei dieser ein Vorschlag
für eine einvernehmliche Regelung unterbreitet wurde. Mit Schreiben vom 8. Oktober 2013 präsentierte
das Sekretariat den Verfahrensparteien sein vorläufiges Beweisergebnis und gab ihnen Gelegenheit
zur Akteneinsicht. Gleichzeitig schlug es ihnen nochmals eine einvernehmliche Regelung vor. Mit Schreiben
vom 5. Dezember 2013 an die Vorinstanz lehnte die Beschwerdeführerin die ihr unterbreitete einvernehmliche
Regelung ab. In einem Brief an die Vorinstanz vom 17. Januar 2014 hielt sie jedoch fest, sie prüfe
die Möglichkeit einer akzeptablen einvernehmlichen Regelung. Zu diesem Zweck werde sie sich mit
den anderen Verfahrensparteien austauschen, um das weitere Vorgehen abzuklären. Gerne halte sie
das Sekretariat über diese Entwicklung informiert. Mit Schreiben vom 11. Februar 2014 setzte das
Sekretariat der Beschwerdeführerin Frist bis 3. März 2014 für eine endgültige Stellungnahme
zum Abschluss einer einvernehmlichen Regelung. In ihrer Stellungnahme vom 28. Februar 2014 hielt die
Beschwerdeführerin gegenüber dem Sekretariat fest, sie habe die Möglichkeit einer einvernehmlichen
Regelung zu keinem Zeitpunkt abgelehnt. Allein die einvernehmliche Regelung in der Form, wie sie die
Wettbewerbsbehörde bereits vor den ersten Parteianhörungen verfasst und in der Folge erneut
sowie unverändert im Herbst 2013 zugestellt habe, werde abgelehnt. Es liege an der Wettbewerbsbehörde,
das Verfahren weiterzuführen. Nichtsdestotrotz werde die Beschwerdeführerin die Wettbewerbsbehörde
weiterhin über allfällige parallel verlaufende Bemühungen ihrerseits für eine einvernehmliche
Regelung informieren.
In einer Stellungnahme vom 22. August 2014 zu Verfahrensanträgen der Beschwerdeführerin
erklärte die Vorinstanz, sie erinnere gerne an die Möglichkeit, einen Gegenvorschlag zu dem
vom Sekretariat am 8. Oktober 2013 zugestellten Entwurf einer einvernehmlichen Regelung einzureichen,
falls die Beschwerdeführerin ein aktuelles und konkretes Interesse am Abschluss einer solchen habe.
Das Sekretariat sei nach wie vor bereit, über eine einvernehmliche Regelung zu verhandeln, sofern
die Beschwerdeführerin ihre Bereitschaft dazu mitteile. Mangels eines solchen Vorschlags in den
folgenden drei Wochen gehe das Sekretariat davon aus, dass die Beschwerdeführerin an einer einvernehmlichen
Regelung nicht interessiert sei. Laut einer Telefonnotiz vom 9. September 2014 erwartete das Sekretariat
bis spätestens 20. September 2014 eine Rückmeldung seitens der Beschwerdeführerin hinsichtlich
des Abschlusses einer einvernehmlichen Regelung. Eine solche kam jedoch nicht zustande, nachdem die geforderte
Rückmeldung ausgeblieben war. Einzig die Selbstanzeigerin schloss eine einvernehmliche Regelung
mit dem Sekretariat ab.
Folglich hätte auch die Beschwerdeführerin die Möglichkeit gehabt, mit dem Sekretariat
eine einvernehmliche Regelung zu treffen (Urteil des BVGer B-5113/2016 vom 3. Mai 2018 E. 2.6). Dabei
hätte sie vom Sekretariatsentwurf abweichende Klauseln vorschlagen können. Immerhin räumte
ihr das Sekretariat rund ein Jahr Bedenkzeit ein. Insofern wirkt es nicht überzeugend, wenn die
Beschwerdeführerin erklärt, das Sekretariat habe sie unter Druck gesetzt, eine unveränderte
Fassung seiner ursprünglichen einvernehmlichen Regelung zu unterzeichnen.
Kommt eine einvernehmliche Regelung innert nützlicher Frist nicht zustande, so unterbreitet
das Sekretariat der WEKO einen Antrag, und diese entscheidet mittels Verfügung (Botschaft KG 1995,
BBl 1995 I 604). Es besteht kein Anspruch auf eine einvernehmliche Regelung (Urteil des BGer 2A.430/2006
vom 6. Februar 2007, Schweizerischer Buchhändler- und Verlegerverband sowie Börsenverein des
dt. Buchhandels e.V. gg. Weko, Buchpreisbindung II, E. 6.2). Das
Sekretariat trifft keine Pflicht, eine einvernehmliche Regelung vorzuschlagen; ebensowenig ist ein Unternehmen
verpflichtet, eine solche einzugehen (Urteil des BGer 2C_525/2018 vom 8. Mai 2019 E. 2.5.1 f.).
Inhaltlich kann sich eine einvernehmliche Regelung nicht auf die Rechtslage,
d.h. auf die Frage der
Zulässigkeit einer Wettbewerbsbeschränkung, erstrecken; ebensowenig kann sie sich auf den Sachverhalt
beziehen, denn beides ist nicht verhandelbar (vgl. zum Ganzen BGE 139 I 72, Publigroupe,
nicht veröffentlichte E. 6.2, 7.4 und 7.5, publiziert im Urteil des BGer 2C_484/2010 vom 29. Juni
2012; Urteile des BGer 2A.430/2006 vom 6. Februar 2007, Buchpreisbindung
II, E. 6 und 2A.415/2003 vom 19. Dezember 2003, Eidgenössisches Volkswirtschaftsdepartement
gg. Sellita Watch Co SA, Weko u.a., E. 3.4.2 ff.; Urteile des BVGer B-5113/2016 vom 3. Mai 2018 E. 2.3,
B-5290/2014 vom 13. April 2016 E. 5.7 und B-1324/2010 vom 2. Juli 2010, Jelmoli Bonus Card
AG gg. Weko, E. 5.1.1 f., je m.H.).
Dementsprechend erwuchs der Beschwerdeführerin kein relevanter Nachteil aus der Vorgehensweise
des Sekretariats hinsichtlich des Abschlusses einvernehmlicher Regelungen, sodass insbesondere auch nicht
von einer Ungleichbehandlung gesprochen werden kann. Ein Verstoss gegen die Prinzipien der Verfahrensfairness
seitens der Vorinstanz im Sinne der Rüge der Beschwerdeführerin lässt sich vor diesem
Hintergrund nicht feststellen.
5.2.5 Hinsichtlich
der Rüge einer überstürzten Information der Öffentlichkeit durch das Sekretariat
ist ergänzend auf die nachfolgende E. 5.3 zu verweisen.
5.2.6 Inwiefern
die Verfahrensführung Teilgehalte des Grundsatzes von Treu und Glauben, welche über die in
anderen Erwägungen abgehandelten Aspekte hinausgehen, tangiert, hat die Beschwerdeführerin
nicht näher dargelegt. Beim verfassungsmässigen Grundsatz von Treu und Glauben handelt es sich
um eine Generalklausel, die dort greift, wo loyales und vertrauenswürdiges Verhalten zur Debatte
steht und keine spezifischen Vorgaben existieren (vgl. Astrid Epiney, BSK
BV, 2015, Art. 5 N. 75). Auf die Rüge, die Verfahrensführung widerspreche auch dem Grundsatz
von Treu und Glauben (Art. 5 Abs. 3 sowie Art. 9 BV), braucht demnach nicht eingegangen zu werden.
Was schliesslich die im Schriftenwechsel eingebrachten Bemerkungen
der WEKO zum Vertrauensprinzip
angeht, so dürfte ein Missverständnis vorliegen. Die Rüge der Beschwerdeführerin,
der Grundsatz von Treu und Glauben sei verletzt worden, erstreckt sich allem Anschein nach nicht auf
das Vertrauensprinzip, welches unter anderem eine spezifische Vertrauensgrundlage und darauf gestützte
Dispositionen voraussetzen würde (vgl. Urteil des BVGer B-7633/2009 vom 14. September 2015, ADSL
II, E. 216 ff.).
5.2.7 Hinsichtlich
des Standpunkts der Beschwerdeführerin, die Verfügung über die Genehmigung der einvernehmlichen
Regelung habe faktisch eine präjudizielle Wirkung auf die Sanktionsverfügung gehabt, und durch
die vorzeitige Entlassung der Selbstanzeigerin aus dem Verfahren habe die Vorinstanz einen falschen,
unvollständigen Sachverhalt geschaffen, kann auf das Urteil des Bundesgerichts 2C_525/2018 vom 8.
Mai 2019 (die gleiche Beschwerdeführerin wie im vorliegenden Verfahren B-7834/2015 betreffend) verwiesen
werden. In E. 2.5.3 desselben erwog das Bundesgericht, die Beschwerdeführerin werde durch die einvernehmliche
Regelung und deren Genehmigung nicht direkt betroffen, auch nicht durch den damit verbundenen Sanktionserlass
zu Gunsten der Beschwerdegegnerin (Selbstanzeigerin). Direkt betroffen sei die Beschwerdeführerin,
soweit sie selber sanktioniert worden sei. Gegen diese Sanktionsverfügung könne sie sich aber
rechtsmittelweise zur Wehr setzen, was sie auch getan habe. Weder in jenem Verfahren, in welchem Sachverhalt
und Rechtsanwendung gerichtlich frei überprüft werden könnten, noch darüber hinaus
habe die streitige Genehmigungsverfügung irgendeine präjudizielle Wirkung zum Nachteil der
Beschwerdeführerin.
5.3 Drittens
rügt die Beschwerdeführerin eine Verletzung ihrer Persönlichkeitsrechte durch öffentliche
Vorverurteilung seitens des Sekretariats. Wie nachfolgend dargelegt, erweist sich auch dieser Einwand
als unbegründet.
5.3.1 Die
Beschwerdeführerin erklärt, die Vorinstanz würde kaum eine Untersuchung eröffnen
und gleich im Anschluss daran die Öffentlichkeit informieren, man gehe von einem kurzen Verfahren
aus, wenn sie damit gerechnet hätte, dass kein Kartellrechtsverstoss festzustellen sei. Zur Untermauerung
ihrer Rüge verweist sie auf folgende, am 23. Mai 2013, einen Tag nach Eröffnung der Untersuchung
22-0439, in der Gratiszeitung "20 Minuten" zitierte Äusserung des stellvertretenden
Direktors des Sekretariats der Vorinstanz (Zitat):
Bei der Weko rechnet man damit, dass die Untersuchung vergleichsweise
rasch durchgeführt werden
kann. ]Voraussichtlich werde die Verfahrensdauer kürzer sein als die sonst üblichen 12 bis
18 Monate, sagte [...], stellvertretender Direktor der Weko, am Donnerstag auf Anfrage.
Mit Blick auf diese Passage legt die Beschwerdeführerin dar, die Vorinstanz habe den Eindruck
erweckt, die Sachlage sei so klar, dass bereits am Tag nach Untersuchungseröffnung ein schneller
Entscheid abzusehen gewesen wäre. Dadurch seien die betroffenen Unternehmen quasi an den Pranger
gestellt worden, noch ehe die Vorinstanz (theoretisch) über stichhaltige und sachliche Argumente
habe verfügen können.
Die Kunden der Beschwerdeführerin und der übrigen Verfügungsadressatinnen hätten
entsprechend auf die öffentliche Denunzierung reagiert, was sich in teilweise verletzenden Worten,
aber vor allem auch durch weniger Aufträge und Meidung von Geschäftsbeziehungen geäussert
habe. Den Betroffenen sei deswegen ein erheblicher, nicht wiedergutzumachender Nachteil aus der misslichen
Kommunikation der Vorinstanz entstanden.
5.3.2 Inhaltlich
negiert die WEKO die zitierte Äusserung ihres stellvertretenden Sekretariatsdirektors nicht. Allerdings
sieht sie darin weder eine öffentliche Vorverurteilung, noch eine Verletzung der Unschuldsvermutung.
In ihrer Pressemitteilung zur Untersuchungseröffnung sei ebensowenig eine Vorverurteilung ersichtlich
wie in den von der Beschwerdeführerin erwähnten Presseartikeln. Diese sei im Übrigen jederzeit
frei gewesen, ein Ausstandsbegehren gegen die Vorinstanz zu stellen, was sie aber nicht getan habe.
5.3.3 Äussert
sich eine Behörde in der Öffentlichkeit zu einem laufenden Verfahren, muss sie sich generell
eine gewisse Zurückhaltung auferlegen; sie darf das Verfahren nicht als bereits entschieden erscheinen
lassen (Urteil des BVGer B-7483/2010 vom 9. Juni 2011, A. GmbH gg. Weko betr. Ausstand von Sekretariatsmitarbeitern,
E. 4.2.4 m.H.). Unter dem Gesichtspunkt möglicher Persönlichkeitsverletzungen hat die Wettbewerbsbehörde
insbesondere auf unverhältnismässige oder unnötig herabsetzende Äusserungen gegenüber
Presse und Öffentlichkeit zu verzichten (vgl. durch Urteil des BGer 2C_1065/2014 vom 26. Mai 2016,
Nikon, bestätigtes Urteil des BVGer B-3588/2012 vom 15. Oktober
2014 E. 7, mit zahlreichen Hinweisen auf Rechtsprechung und Literatur in E. 6). Staatliche Organe sind
mit Blick auf die Presseberichterstattung zu sachlicher und zurückhaltender Information verpflichtet
(Urteil des BVGer B-5858/2014 vom 30. Oktober 2017, A. gg. Weko, E. 3.3.2 m.H. und E. 5.4).
Äusserungen über den Verfahrensausgang können Zweifel an der Unbefangenheit wecken, wenn
sie konkret sind, die notwendige Distanz vermissen lassen und dadurch auf eine abschliessende Meinungsbildung
hindeuten (vgl. BGE 134 I 238 E. 2 und 133 I 89 E. 3.3; Urteil des BVGer B-6830/2015
vom 12. Februar 2016, X. AG u.a. gg. Weko betr. Ausstand von Sekretariatsmitarbeitern, E. 4.4).
5.3.4 Am
3. April 2013 reichte die Q._______ AG beim Sekretariat eine Selbstanzeige ein, welche sie am 4., 18.
und 25. April 2013 durch Protokollaussagen und Beweismittel ergänzte. Am 22. Mai 2013 eröffnete
das Sekretariat im Einvernehmen mit einem Mitglied des Präsidiums der WEKO die kartellgesetzliche
Untersuchung 22-0439.
Art. 27 Abs. 1 Satz 1 KG bestimmt, dass das Sekretariat im Einvernehmen
mit einem Mitglied des Präsidiums
eine Untersuchung eröffnet, wenn Anhaltspunkte für eine unzulässige Wettbewerbsbeschränkung
bestehen. Aufgrund der Selbstanzeige verfügte die Vorinstanz bereits im April 2013 über eine
beträchtliche Zahl einschlägiger Akten. Dadurch konnte sie sich schon relativ früh ein
klareres Bild machen als etwa in Fällen, in denen keine entsprechende Selbstanzeige eingereicht
wird. Vor diesem Hintergrund lässt sich die zitierte Äusserung des hochrangigen Vertreters
des Sekretariats nicht als persönlichkeitsverletzend bezeichnen, zumal sie sich nur auf die Verfahrensdauer
bezog (vgl. Ziff. 174 der angefochtenen Verfügung, wonach das Sekretariat aufgrund einer prima-facie-Prüfung
der durch die Selbstanzeigerin eingereichten Beweismittel von einer Verfahrensdauer unter den sonst üblichen
12 bis 18 Monaten ausging). Insofern kann der betreffende Sekretariatsvertreter auch nicht etwa als voreingenommen
bezeichnet werden.
5.3.5 In
diesem Zusammenhang sei noch auf Art. 28 Abs. 1 und 2 KG hingewiesen, wonach das Sekretariat die Eröffnung
einer Untersuchung durch amtliche Publikation bekanntgibt und dabei den Gegenstand und die Adressaten
der Untersuchung nennt. Art. 25 Abs. 4 KG bestimmt, dass die Veröffentlichungen der Wettbewerbsbehörden
keine Geschäftsgeheimnisse preisgeben dürfen. Beim Gegenstand und den Adressaten der Untersuchung
handelt es sich nicht um Geschäftsgeheimnisse. Im Rahmen der Bekanntgabe einer Untersuchungseröffnung
muss der Gegenstand das kartellrechtswidrige Verhalten so umschreiben, dass sich Dritte ein Bild von
der geplanten Untersuchung machen können, um zu entscheiden, ob sie sich daran beteiligen wollen
(BGE 142 II 268, Nikon, E. 5.1). Diese Angaben - Gegenstand
und Adressaten der Untersuchung - wurden demnach ohnehin veröffentlicht.
5.3.6 Ein
Begehren um Ausstand des betreffenden Sekretariatsmitarbeiters hätte nach Kenntnisnahme vom entsprechenden
Anlass unverzüglich eingereicht werden müssen. Wer mit einem solchen Begehren grundlos zuwartet,
verstösst gegen Treu und Glauben (Art. 5 Abs. 3 BV) und verwirkt das Recht, sich auf eine allfällige
Ausstandspflicht zu berufen (vgl. BGE 134 I 20 E. 4.3.1; Urteil des BGer 2C_732/2008 vom 24. März
2009, SIX Multipay AG und SIX Card Solutions AG gg. Weko betr. Wiederholung von Verfahrenshandlungen,
SIX, E. 2.2.1 und Urteil des BVGer B-506/2010 vom 19. Dezember
2013, Gaba International AG gg. Weko, Gaba, E. 7.2 m.H.). Die
Beschwerdeführerin hat kein Ausstandsbegehren gestellt.
5.4 Viertens
erklärt die Beschwerdeführerin, die WEKO habe ihren Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt.
Sie habe keine tatsächlich vertretungsbefugte Person der Beschwerdeführerin angehört.
Seitens der Selbstanzeigerin habe sie einen ungeeigneten Vertreter vorgeladen und ihn als Zeugen statt
als Partei befragt. Auch die Vorgehensweise bei der diesbezüglichen Terminfestlegung sei unhaltbar.
5.4.1 Der
Anspruch auf rechtliches Gehör ergibt sich aus Art. 29 Abs. 2 BV; zumindest für Teilbereiche
wird er auch aus Art. 6 der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschrechte und
Grundfreiheiten (EMRK, SR 0.101) abgeleitet. Gemäss Art. 29 VwVG haben sodann die Parteien einen
Anspruch auf rechtliches Gehör (zum Ganzen BGE 137 II 266, Gemeinde Riniken u.a. gg. Axpo AG und
Bundesamt für Energie, Riniken, E. 3.2 m.H., Urteil des BVGer
B-807/2012 vom 25. Juni 2018, Erne, E. 5.1 m.H. und Bernhard
Waldmann / Jürg Bickel, in: Waldmann / Weissenberger, Art. 29 N. 46 ff.). Der Anspruch auf
rechtliches Gehör umfasst einerseits Mitwirkungsrechte, insbesondere das Recht auf vorgängige
Anhörung (Art. 30 VwVG), das Recht, erhebliche Beweise beizubringen (Art. 33 VwVG), Beweisanträge
zu stellen und damit gehört zu werden, sowie das Recht, an der Erhebung wesentlicher Beweise mitzuwirken
oder wenigstens zum Beweisergebnis Stellung nehmen zu können, wenn es geeignet ist, den Entscheid
zu beeinflussen (vgl. Art. 12 - 19 VwVG i.V.m. Art. 37, 39 - 41 und 43 - 61 des Bundesgesetzes über
den Bundeszivilprozess vom 4. Dezember 1947, BZP, SR 273). Andererseits beinhaltet der Anspruch auf rechtliches
Gehör Informationsansprüche, namentlich das Recht auf Orientierung, Akteneinsicht (Art. 26
- 28 VwVG) und auf hinreichende Begründung (Art. 35 VwVG). Auch der Gehörsanspruch steht unter
dem Vorbehalt der Rechtsausübung nach dem Grundsatz von Treu und Glauben (Art. 5 Abs. 3 BV).
Demnach verlangt das rechtliche Gehör im Sinne von Teilgarantien die ordnungsgemässe Durchführung
folgender Schritte: (i) vorgängige Orientierung über Gegenstand und Inhalt des Verfahrens sowie
den Vorwurf gegenüber dem Betroffenen; (ii) Mitwirkung bei der Feststellung des Sachverhalts, insbesondere
durch eigene Beweisanträge; (iii) persönliche Teilnahme am Verfahren einschliesslich der Möglichkeit
zur Verbeiständigung; (iv) Akteneinsicht; (v) Möglichkeit zur Abgabe einer vorgängigen
Stellungnahme einschliesslich deren Berücksichtigung durch die verfahrensleitende Instanz; (vi)
Eröffnung und Begründung des Entscheids (vgl. statt vieler BGE 135 II 286, S.X. u.a. gg. Stadt
Chur u.a., E. 5.1; Urteile des BVGer B-807/2012 vom 25. Juni 2018, Erne,
E. 5.1, B-7633/2009 vom 14. September 2015, ADSL
II, E. 199,
m.w.H. auf Lehre und Rechtsprechung sowie B-2050/2007 vom 24. Februar
2010, Terminierung Mobilfunk, E. 6.1;
Kölz/Häner/Bertschi, Verwaltungsverfahren und Verwaltungsrechtspflege
des Bundes, 3. A., 2013, S. 173 ff.). Um den Betroffenen eine Stellungnahme vor Erlass
der Verfügung zu ermöglichen, muss ihnen die Verwaltungsbehörde den voraussichtlichen
Inhalt der Verfügung, zumindest ihre wesentlichen Elemente, bekanntgeben (vgl. Ulrich
Häfelin/Georg Müller/Felix Uhlmann, Allgemeines Verwaltungsrecht,
8. A., 2020, N. 1011).
Im Kartellverwaltungsverfahren wird der Anspruch auf rechtliches Gehör durch Art. 30 Abs. 2
KG insofern erweitert, als die Verfahrensbeteiligten schriftlich zum Verfügungsantrag des Sekretariats
Stellung nehmen können, bevor die Wettbewerbskommission ihren Entscheid trifft (vgl. Urteil des
BGer 2A.492/2002 vom 17. Juni 2003, Elektra Baselland Liestal gg. Watt Suisse u.a., EBL,
E. 3.4; BGE 129 II 497, Entreprises Electriques Fribourgeoises gg. Watt
Suisse u.a., EEF, E. 2.2; Urteile des BVGer B-3938/2013
vom 30. Oktober 2019, Dargaud (Suisse) SA gg. Weko, Dargaud, E.
4 und B-807/2012 vom 25. Juni 2018, Erne, E. 5.1; Entscheid der
Reko Wef FB/2006-8 vom 9. November 2006, veröffentlicht in: RPW 2006/4 S. 722 ff.;
Botschaft KG 1995, 605; Stefan Bilger, Das Verwaltungsverfahren zur Untersuchung
von Wettbewerbsbeschränkungen, 2002, S. 275, 277).
Der Anspruch auf rechtliches Gehör ist formeller Natur. Daher führt seine Verletzung grundsätzlich
ungeachtet der Erfolgsaussichten der Beschwerde in der Sache selbst zur Aufhebung der angefochtenen Verfügung.
Eine Verletzung des Gehörsanspruchs kann jedoch dann geheilt werden, wenn sie nicht besonders schwer
wiegt und die Gehörsgewährung in einem Rechtsmittelverfahren nachgeholt wird, in welchem die
Beschwerdeinstanz mit der gleichen Prüfungsbefugnis entscheidet wie die untere Instanz. Von der
Rückweisung der Sache an die Verwaltung zur Gewährung des rechtlichen Gehörs ist -
ebenfalls im Sinn einer ausnahmsweisen Heilung des Mangels - selbst bei einer schwerwiegenden Gehörsverletzung
abzusehen, sofern die Rückweisung zu einem formalistischen Leerlauf und damit zu unnötigen
Verzögerungen führen würde, die mit dem (der Anhörung gleichgestellten) Interesse
der betroffenen Partei an einer beförderlichen Beurteilung der Sache nicht zu vereinbaren wären
(BGE 132 V 387 E. 5.1, 127 V 431 E. 3d/aa und 126 V 130 E. 2b je m.H.; vgl. Urteile des BVGer B-312/2014
vom 14. August 2014, X. gg. Staatssekretariat für Bildung, Forschung und Innovation SBFI, E. 2.3
f. m.H.). Dies ist vor allem dann der Fall, wenn die Vorinstanz mit erheblicher Wahrscheinlichkeit eine
gleichlautende Verfügung erlassen würde (vgl. BGE 133 I 201, X. u.a. gg. Amt für AHV und
IV TG u.a., E. 2.2 und 132 V 387 E. 5.1 m.H.; Urteil des BGer 9C_419/2007 vom 11. März
2008, A. gg. Winterthur-Columna Sammelstiftung 2. Säule, E. 2.2; Urteile des BVGer B-807/2012
vom 25. Juni 2018, Erne, E. 5.1, B-7633/2009 vom 14. September
2015, ADSL II,
E. 201, m.H., B-463/2010 vom 19. Dezember 2013, Gebro Pharma
GmbH gg. Weko, Gebro, E. 4.3, B-506/2010 vom 19. Dezember
2013, Gaba, E. 4.2 und B-2050/2007 vom 24. Februar 2010,
Terminierung Mobilfunk, E. 6.1).
5.4.2 Zunächst
ist auf die Rüge der Anhörung eines nicht (allein) Vertretungsberechtigten einzugehen.
5.4.2.1 Zur
Begründung legte die Beschwerdeführerin dar, am 24. August und am 7. September 2015 habe die
Vorinstanz mit den Verfügungsadressatinnen je ein Hearing durchgeführt, sich aber trotz entsprechenden
Antrags geweigert, eine tatsächlich vertretungsbefugte Person der Beschwerdeführerin anzuhören.
Der von der Vorinstanz geladene Geschäftsleiter sei nicht allein vertretungsbefugt gewesen und habe
somit nicht für die Beschwerdeführerin aussagen können.
5.4.2.2 In
ihrer Vernehmlassung entgegnete die WEKO, als Geschäftsführer der Z._______ AG sei [...]
die einzige Person dieses Unternehmens gewesen, welche in der betroffenen E-Mail-Korrespondenz erschienen
sei; er habe den Stammtisch für die Regionen [...] und [...] am 26. März 2013
allein geleitet. Die Beschwerdeführerin habe im Rahmen ihrer Stellungnahme zum Antrag des Sekretariats
auch keine anderen Personen erwähnt, welche an dem ihr vorgeworfenen Verhalten beteiligt gewesen
wären. Zudem sei ihr Geschäftsleiter bereits im Rahmen der Parteieinvernahme durch das Sekretariat
als Vertreter der Beschwerdeführerin vernommen worden. Diese habe weder damals noch in ihrer Beschwerde
entsprechende Einwände geltend gemacht. Schliesslich habe sie während der gesamten Untersuchung
nie andere Personen bestimmt, welche in ihrem Namen hätten aussagen können. Das erst in der
Beschwerde geltend gemachte Vorbringen, der Geschäftsleiter sei nicht allein vertretungsberechtigt
und habe somit nicht für die Beschwerdeführerin aussagen können, sei daher widersprüchlich
und verletze den Grundsatz von Treu und Glauben. Im Übrigen sei das System der Kollektivunterschrift
ein Mittel, um Missbrauch von Vertretungsbefugnis zu verhindern. Dies gelte aber nicht für die Bestimmung
des Unternehmensvertreters, welcher durch die Wettbewerbsbehörde einvernommen oder angehört
werde.
5.4.2.3 Hinsichtlich
der Rüge, die WEKO habe sich trotz Antrags geweigert, am 24. August und am 7. September 2015 eine
tatsächlich vertretungsbefugte Person anzuhören, muss zunächst auf das Schreiben des Rechtsvertreters
der Beschwerdeführerin an die Vorinstanz vom 7. August 2015 verwiesen werden. Darin informierte
dieser die WEKO, an der Anhörung vom 24. August 2015 würden voraussichtlich er selbst sowie
zwei oder drei weitere Rechtsvertreter teilnehmen, an derjenigen vom 7. September 2015 wiederum er selbst
sowie der Geschäftsleiter der Beschwerdeführerin und ein oder zwei weitere Rechtsvertreter.
Bezugnehmend auf dieses Schreiben liess die Vorinstanz den beschwerdeführerischen Anwalt mit E-Mail
vom 12. August 2015 wissen, zur Teilnahme an der Anhörung der Beschwerdeführerin seien nur
deren Geschäftsleiter und gegebenenfalls bevollmächtigte Rechtsvertreter zugelassen ["nur"
im Original unterstrichen, "bevollmächtigte Rechtsvertreter" in Fettschrift]. In einem
E-Mail vom 17. August 2015 an die Vorinstanz erwiderte der Rechtsvertreter der Beschwerdeführerin,
mit Befremden habe er das Schreiben der WEKO sowie die Festlegung der anzuhörenden Personen zur
Kenntnis genommen; er mache darauf aufmerksam, dass die von ihm eingereichte Anwaltsvollmacht, wie üblich
im Schweizer Recht, die Möglichkeit beinhalte, sich substituieren zu lassen, weshalb es keiner weiteren
Vollmachten bedürfe. Einen Antrag, statt oder neben dem Geschäftsleiter der Beschwerdeführerin
sei eine andere Person anzuhören, stellte er dabei jedoch nicht. Ebensowenig thematisierte er die
Frage der (kollektiven) Vertretungsbefugnis mit Blick auf die Organe seiner Klientin. Erst bei der Anhörung
des Geschäftsleiters der Beschwerdeführerin durch die WEKO am 7. September 2015 tat er dies.
Im Protokoll gleichen Datums findet sich dazu folgende Passage (Zitat):
Zudem möchte er zu Handen des Protokolls festhalten, dass den Organen der Z._______ AG entgegen
seinem Antrag verwehrt worden sei, an diesem Hearing teilzunehmen. Er verweist auf eine E-Mail des Sekretariats,
dass man nur Herrn [Geschäftsleiter der Z._______ AG] anhören wolle, obwohl dieser nicht allein
vertretungsberechtigt sei.
Einerseits lässt sich den Akten also nicht entnehmen, dass die Beschwerdeführerin schon
vor der Anhörung ihres Geschäftsleiters vom 7. September 2015 geltend gemacht hätte, dieser
sei nicht "allein vertretungsberechtigt" und / oder dass sie um Anhörung sonstiger Personen,
namentlich von Organvertretern, ersucht hätte. Andererseits hat sie die fehlende Alleinvertretungsbefugnis
ihres Geschäftsleiters auch nicht erst in ihrer Beschwerde zur Sprache gebracht. Allerdings trifft
es zu, dass die Beschwerdeführerin, wie die WEKO bemerkte, nie die Anhörung einer bestimmten
anderen Person beantragt hat. Vor diesem Hintergrund kann nicht gesagt werden, die WEKO habe sich geweigert,
eine tatsächlich vertretungsbefugte Person anzuhören. Ausserdem hätte die Beschwerdeführerin
ein entsprechendes Begehren um Anhörung namentlich bezeichneter Personen in einem früheren
Verfahrensstadium, jedenfalls vor der Anhörung vom 7. September 2015, stellen können. Wenn
sie sich nun in ihrer Beschwerde auf eine angebliche Weigerung der Vorinstanz, eine tatsächlich
vertretungsbefugte Person anzuhören, beruft, so setzt sie sich damit in Widerspruch zum Grundsatz
des Handelns nach Treu und Glauben, an den auch Private im Verkehr mit Behörden gebunden sind (Art.
5 Abs. 3 BV; vgl. etwa BGE 143 V 66 E. 4.3).
Abgesehen davon ist festzuhalten, dass die ausschliessliche Anhörung des nicht "allein
vertretungsberechtigten" Geschäftsleiters entgegen der Meinung der Beschwerdeführerin
als zulässig erscheint. Deren Einwand bezieht sich nämlich auf die kollektive Zeichnungsberechtigung
von Mitarbeitern eines Unternehmens im kaufmännischen Verkehr (vgl. Art. 32 ff., 458 ff., insbesondere
460 Abs. 2, des Obligationenrechts vom 30. März 1911, OR, SR 220). Wäre Einzelvertretungsbefugnis
erforderlich, könnte in vielen Fällen kaum jemand oder jedenfalls keine geeignete Person befragt
werden. Ausserdem dient die privatrechtliche Regelung der kaufmännischen Vertretung einem Sicherheitsbedürfnis
des Unternehmens im Geschäftsverkehr, nicht aber dazu, den Kreis aussagebefugter Unternehmensvertreter
im Kartellverwaltungsverfahren zu bestimmen. Ob Kollektiv- oder Einzelzeichnungsberechtigung vorliegt,
ist hingegen für eine Befragung, wie sie hier zur Debatte steht, irrelevant.
Im Übrigen haben die Wettbewerbsbehörden gestützt auf Art. 12 VwVG i.V.m. Art. 40
KG eine weite Befugnis, natürliche Personen einzuvernehmen.
5.4.3 Sodann
ist die Rüge, seitens der Selbstanzeigerin habe die WEKO einen ungeeigneten Vertreter vorgeladen
und ihn als Zeugen statt als Partei befragt, zu prüfen.
5.4.3.1 Die
Beschwerdeführerin legt zur Begründung dar, anlässlich des Hearings vom 7. September 2015
sei beantragt worden, auch die Selbstanzeigerin anzuhören. Auf dieses Begehren sei die Vorinstanz
nicht wirklich eingetreten, als sie mit [...] den Leiter Dealer Operations von [Q._______ AG] Import
vorgeladen habe; wenn schon, hätte sie [...] von [Q._______ AG] Retail vorladen müssen.
Als Leiter Dealer Operations sei [...] für Entscheidungen darüber zuständig, welche
Händler ins Händlernetz aufgenommen würden oder welchen gekündigt werde. Aus nachvollziehbaren
Gründen hätten die (noch) zugelassenen Händler, darunter die Beschwerdeführerin,
keine kritischen Fragen oder Fragen, welche der Selbstanzeigerin hätten unangenehm sein können,
stellen wollen, da ihre Verträge direkt vom "Wohlwollen" derselben abhingen. Diesbezüglichen
Schutz hätten sie von der Vorinstanz nicht erwarten können, wie die jüngeren Entwicklungen
im Händlernetz der Selbstanzeigerin (und anderer Importeure) zeigten. Die Vorinstanz billige die
Kündigung zahlreicher Händler, insbesondere auch wichtiger noch verbleibender Konkurrenten,
ohne Weiteres.
Abgesehen davon sei der Leiter Dealer Operations nicht geeignet gewesen,
die im Raum stehenden Fragen
nach der Preisführerschaft, den Auswirkungen, der Funktion der Konditionenliste und der Power-Point-Präsentation
beantworten zu können. Seine Anhörung habe somit von Anfang an nichts zur Untersuchung beitragen
können; sie sei eher eine Farce gewesen. Es sei nicht ersichtlich, weshalb es nicht möglich
gewesen sei, eine Person vorzuladen, welche zu den relevanten Punkten hätte Auskunft geben können
und welche keine "einschüchternde" Wirkung auf die Parteien gehabt hätte. Nach
einiger Konfusion in den Reihen der Vorinstanz sei der Leiter Dealer Operations schliesslich als Zeuge,
nicht als Partei, befragt worden. Das habe bedeutende Konsequenzen für seine Pflichten bei den Aussagen
und zeige zudem (einmal mehr), dass die Vorinstanz die Selbstanzeigerin ihres Erachtens endgültig
aus dem Verfahren entlassen gehabt habe. Nach Ansicht der Beschwerdeführerin hätte die Selbstanzeigerin
als Partei angehört werden müssen. Aufgrund der Nichtigkeit der Verfügung vom 8. August
2014 sei die Selbstanzeigerin im September 2015 nicht rechtswirksam vorab aus dem Verfahren entlassen
worden und daher immer noch Partei gewesen. Daraus ergäben sich die entsprechenden Konsequenzen
für die Aussagepflichten auf Seiten der Selbstanzeigerin.
Ferner habe die Vorinstanz die Anhörung der Selbstanzeigerin auf falsche Themen, nämlich
auf Fragen zum Anteil des Flottengeschäfts sowie zu den Netto- und Sondermodellen, fokussiert. Stattdessen
hätte erfragt werden müssen, ob zwischen den Parteien überhaupt eine Absprache vorgelegen
habe. Damit sei das rechtliche Gehör in unzureichender Weise gewährt worden.
5.4.3.2 Die
Vorinstanz erwidert, die Beschwerdeführerin und die anderen Parteien hätten in ihrer Stellungnahme
oder während ihrer Anhörungen mehrmals geltend gemacht, dass der Anteil des Flottengeschäfts
und der Netto- und Sondermodelle erheblich gewesen sei. Da das Flottengeschäft sowie die Netto-
und Sondermodelle zur Vertriebspolitik der [Q._______ AG] Import gehörten, habe nur ein Vertreter
dieser Abteilung solche Fragen beantworten können. Deshalb habe die Vorinstanz [...], den CEO
der Selbstanzeigerin, vorgeladen. Diese habe ihr mitgeteilt, dass er den Anhörungstermin voraussichtlich
nicht wahrnehmen könne und sinnvollerweise [...], der Leiter Dealer Operations, vorzuladen wäre.
Da die Selbstanzeigerin keine Verfahrenspartei mehr gewesen sei, sei
sie von der Vorinstanz als Zeugin
angehört worden. Die Vorinstanz habe darauf verzichtet, die Selbstanzeigerin zur Absprache zu befragen,
weil in der Selbstanzeige von Beginn weg eine Abrede über die Festsetzung von Preisnachlässen
und Ablieferungspauschalen zugegeben worden sei.
5.4.3.3 Mit
Blick auf die für den 21. September 2015 vorgesehene Anhörung der Selbstanzeigerin erklärte
der Rechtsvertreter der Beschwerdeführerin in einer Eingabe an die WEKO vom 17. September 2015,
Herrn [...; Leiter Dealer Operations] fehle als Vertreter von [Q._______ AG] Import jegliche Kenntnis
namentlich des untersuchten Gegenstandes sowie des Retailmarktes. Als Auskunftsperson sei er ungeeignet,
weshalb Sinn und Zweck der Anhörung in Frage gestellt würden. Unverständlich sei auch,
warum die WEKO mit dem Leiter Dealer Operations just jene Person vorlade, welche darüber entscheide,
wer als Vertriebspartner der Selbstanzeigerin auch weiterhin über Händler- und Werkstattverträge
verfüge.
Zur erwähnten Eingabe der Beschwerdeführerin vom 17. September 2015 äusserte sich
die Vorinstanz nicht. Implizite wies sie die darin enthaltenen Bemerkungen durch die Einvernahme des
Leiters Dealer Operations der Selbstanzeigerin am 21. September 2015 jedoch zurück, ohne besondere
Anordnungen im Sinne des zitierten Rechtsbegehrens der Beschwerdeführerin getroffen zu haben. Freilich
erscheinen deren schriftliche Ausführungen vom 17. September 2015 vage. Einen Antrag, näher
bezeichnete Personen aus dem Unternehmen der Selbstanzeigerin vorzuladen, stellte sie nicht, obwohl sie
den Leiter Dealer Operations als ungeeignete Auskunftsperson charakterisiert hatte. Ihr Rechtsbegehren
beschränkte sich vielmehr darauf, begleitende Schutzmassnahmen im Kontext der Anhörung der
Selbstanzeigerin zu verlangen. Erst anlässlich des Beschwerdeverfahrens erklärte sie, "wenn
schon, hätte [die WEKO] [...] von [Q._______ AG] Retail vorladen müssen". Wiederum
handelt es sich folglich um eine verspätet vorgebrachte Rüge, auf welche nicht näher einzugehen
ist (Art. 5 Abs. 3 BV).
Abgesehen davon war es der Vorinstanz aufgrund ihrer Verfahrensherrschaft
anheimgestellt, im Sinne
einer antizipierten Beweiswürdigung (vgl. dazu BGE 146 III 203 E. 3.3.2, 144 II 427 E. 3.1.3 und
134 I 140 E. 5.3, je m.H.; Urteil des BVGer B-807/2012 vom 25. Juni 2018 E. 6.5.4.1 m.H.) darüber
zu befinden, wen sie anhören wollte. Nach Art. 33 Abs. 1 VwVG nimmt die Behörde die ihr angebotenen
Beweise nämlich ab, wenn diese zur Abklärung des Sachverhalts tauglich erscheinen (vgl. auch
BGE 144 II 194, BMW, E. 4.4.2).
5.4.3.4 Was
die Anhörung der Selbstanzeigerin durch die WEKO betrifft, so stehen drei Varianten zur Diskussion.
Tatsächlich einvernommen wurde der Leiter Dealer Operations am 21. September 2015 als Zeuge, weil
die Selbstanzeigerin, wie die Vorinstanz erklärte, keine Verfahrenspartei mehr gewesen sei. Nach
Meinung der Beschwerdeführerin hätte die Selbstanzeigerin hingegen als Partei angehört
werden müssen, denn sie war - infolge der Nichtigkeit der Verfügung vom 8. August 2014
über die Genehmigung der einvernehmlichen Regelung - noch nicht auf rechtsgültige Weise
aus der Untersuchung entlassen worden. Laut den im Anhörungsprotokoll wiedergegebenen Bemerkungen
des Rechtsvertreters der Selbstanzeigerin hätte diese jedoch als betroffene Dritte im Sinne von
Art. 40 KG befragt werden müssen.
Eine Befragung als Partei (mit Aussageverweigerungsrecht) statt einer
Einvernahme als Zeugin (mit
Pflicht zur wahrheitsgemässen Aussage) hätte nach Darstellung der Beschwerdeführerin "bedeutende
Konsequenzen für [die] Pflichten bei den Aussagen" gehabt. Welche Konsequenzen sie damit genau
meinte, hat die Beschwerdeführerin freilich nicht erläutert. Vor allem aber hat sie nicht aufgezeigt,
inwiefern ihr durch die Art der Anhörung der Selbstanzeigerin ein Nachteil erwachsen sein könnte
(vgl. Urteil des BGer 2C_87/2020 vom 8. März 2021, A. AG gg. Weko betr. Vorladung als Zeugin, E.
3.3, wo die Beschwerde nur dann zulässig gewesen wäre, wenn die Beschwerdeführerin hinreichend
substantiiert hätte, dass sie selbst durch die Zeugenbefragung einen nicht wiedergutzumachenden
Nachteil, insbesondere in Form einer Verletzung des nemo-tenetur-Grundsatzes, erleiden könnte).
Sodann berührt die (uneingeschränkte) Einvernahme ehemaliger Gesellschaftsorgane im Kartellsanktionsverfahren
"nemo tenetur" grundsätzlich nicht (BGE 147 II 144 E. 5.2.3; Urteil des BGer 2C_87/2020
vom 8. März 2021 E. 3.3).
Selbstanzeiger müssen gewisse Tatsachen offenlegen und sich damit möglicherweise (auch)
selber belasten, um von der Bonusregelung profitieren zu können (vgl. Art. 49a Abs. 2 und 3 KG i.V.m.
Art. 8 Abs. 2 Bst. b und c der Verordnung über die Sanktionen bei unzulässigen Wettbewerbsbeschränkungen
vom 12. März 2004 [KG-Sanktionsverordnung, SVKG, SR 251.5]). Mit einer Aussageverweigerung etwa
hätte die Q._______ AG ihre Rolle als Selbstanzeigerin untergraben. Vor diesem Hintergrund lässt
sich nicht erkennen, welches schutzwürdige Interesse die Beschwerdeführerin an einer Parteibefragung
der Selbstanzeigerin haben könnte. Deshalb ist - schon mangels Substantiierung - nicht
weiter auf die Rüge einzugehen.
Im Übrigen darf die anlässlich einer Zeugenbefragung allenfalls drohende Verletzung des
Grundsatzes "nemo tenetur" nur durch Personen geltend gemacht werden, die sich auch selbst
auf diese Garantie berufen können (vgl. BGE 147 II 144 E. 5.2.3; Urteile des BGer 2C_87/2020 vom
8. März 2021 E. 3.2.4 und 2C_88/2020 vom 8. März 2021, A. gg. Weko betr. Vorladung als Zeugin,
E. 3.2.4). Die Beschwerdeführerin, deren Geschäftsleiter nicht als Zeuge einvernommen wurde,
kann sie folglich nicht geltend machen.
5.4.4 Schliesslich
bleibt die Rüge der Beschwerdeführerin, die Vorgehensweise der WEKO bei der Festlegung des
Termins für die Anhörung der Selbstanzeigerin sei aus rechtsstaatlicher Sicht unhaltbar, zu
analysieren.
5.4.4.1 Die
Beschwerdeführerin bringt vor, am 7. September 2015 seien die Parteien aufgefordert worden, ihre
Verfügbarkeit am angesetzten Termin vom 21. September 2015 bis zum 9. September 2015 bekanntzugeben.
Ohne die Reaktionen abzuwarten und trotz der Ersuchen der Parteien, den Termin zu verschieben, habe ihn
die WEKO am 8. September 2015 bilateral mit der Selbstanzeigerin bestätigt. Auf die Einwände
bezüglich des Termins und der vorgeladenen Person sei sie nicht eingegangen.
5.4.4.2 Dem
hält die Vorinstanz entgegen, die Beschwerdeführerin habe die Möglichkeit gehabt, der
Anhörung der Selbstanzeigerin beizuwohnen und ihr Fragen zu stellen oder, falls sie oder ihre Rechtsvertreter
verhindert gewesen seien, dem Sekretariat Fragen einzureichen, damit sie der Präsident der WEKO
bei der Anhörung hätte stellen können. Davon habe die Beschwerdeführerin jedoch keinen
Gebrauch gemacht. Zur Organisation des Anhörungstermins werde im Übrigen auf die Ausführungen
in der angefochtenen Verfügung verwiesen.
5.4.4.3 Zur
Festsetzung des Termins für die Anhörung der Selbstanzeigerin führte die Vorinstanz in
ihrer Sanktionsverfügung (Ziff. 183 ff.) Folgendes aus (Zitat):
Anlässlich ihrer Anhörung am 7. September 2015 beantragte die Z._______ AG die Anhörung
der Q._______ AG durch die WEKO. [...] Die WEKO beauftragte das Sekretariat, die Anhörung der
Q._______ AG anlässlich der nächsten Plenarsitzung am 21. September 2015 zu organisieren.
Mit E-Mail vom gleichen Tag informierte das
Sekretariat die Parteien und Q._______ AG darüber
und forderte sie auf, bis am 9. September 2015
mitzuteilen, ob sie an der Anhörung der Q._______
AG teilnehmen werden. Nach Rücksprache mit der Q._______ AG bestätigte das Sekretariat den
Anhörungstermin für den 21. September 2015 um 14 Uhr und teilte dies den Parteien am 8. September
2015 per E-Mail mit.
Der Rechtsvertreter der Z._______ AG teilte
am 8. September 2015 per E-Mail dem Sekretariat mit,
dass es ihm "aufgrund der Kurzfristigkeit der anberaumten Anhörung [...] fast unmöglich
[mache] daran teilzunehmen", da er am Montagnachmittag sechs Stunden Vorlesungen an der ZHAW in
Winterthur habe und in sieben Arbeitstagen einen Ersatz zu finden ihm kaum möglich sei.
[...]
Mit Schreiben vom 10. September 2015 (am gleichen
Tag vorab per E-Mail gesendet) lud das Sekretariat
die Parteien zur Anhörung der Q._______ AG am 21. September 2015 um 14:30 Uhr ein. Das Sekretariat
wies die Parteien zudem darauf hin, dass sie die Möglichkeit hätten, anlässlich der Anhörung
der Q._______ AG Fragen zu stellen und/oder, falls sie oder bevollmächtigte Rechtsvertreter nicht
anwesend sein könnten, bis am 18. September ihre Fragen an die Q._______ AG, welche dann vom Präsidenten
anlässlich der Anhörung gestellt werden könnten, einzureichen.
[...]
Eine mündliche Anhörung der Selbstanzeigerin hätte die Beschwerdeführerin früher
fordern können, nicht erst bei ihrer eigenen Anhörung vom 7. September 2015. Insofern
trägt sie zumindest eine gewisse Mitverantwortung für die dargestellte Terminkollision. Deshalb
bleibt es ihr unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben (Art. 5 Abs. 3 BV) verwehrt, sich erfolgreich
auf eine Verletzung ihres rechtlichen Gehörs zu berufen. Abgesehen davon konnte sich der Anwalt
der Beschwerdeführerin - wie in der zitierten Passage der Sanktionsverfügung festgehalten
- substituieren lassen. Aufgrund des relativ breiten Teilnehmerkreises der Anhörung erscheinen
Terminüberschneidungen jedenfalls nicht gänzlich vermeidbar. Schliesslich kann das Recht auf
Mitwirkung bei der Einvernahme im Sinne eines Mindesterfordernisses nach der Praxis auch durch Stellungnahme
zum Beweisergebnis ausgeübt werden (Waldmann / Bickel, Art. 29 N. 91).
Sodann ist daran zu erinnern, dass die WEKO der Beschwerdeführerin die Möglichkeit gab, vorgängig
schriftliche Fragen einzureichen, welche der Präsident der WEKO bei der Anhörung hätte
stellen können. Eine Verletzung des rechtlichen Gehörs der Beschwerdeführerin lässt
sich daher nicht konstatieren.
5.5 Fünftens
wirft die Beschwerdeführerin der WEKO vor, die Unschuldsvermutung, die sich aus Art. 32 Abs. 1 BV
sowie aus Art. 6 Ziff. 2 EMRK ergibt, verletzt zu haben.
5.5.1 Als
Begründung macht die Beschwerdeführerin geltend, durch die Äusserung in der Gratiszeitung
"20 Minuten" vom 23. Mai 2013, welche einen Tag nach Untersuchungseröffnung erfolgt
sei, habe die Vorinstanz suggeriert, dass "der Fall klar" sei und sich die Parteien eines
Kartellrechtsverstosses schuldig gemacht hätten. Zudem zeige die Verfahrensführung, dass die
Vorinstanz von Anfang an auf einen bestimmten Verfahrensausgang, nämlich die Sanktionierung der
Parteien, abgezielt habe. Dass begünstigende Faktoren ignoriert sowie jegliche Untersuchungshandlungen
unterlassen worden seien, zeuge davon, dass die WEKO voreingenommen und nicht ergebnisoffen gewesen sei.
Das Verfahren stelle eine Art "Rosinenpicken" zu Ungunsten der Beschwerdeführerin und
der anderen Parteien dar. Diese Verletzung der Unschuldsvermutung sei besonders heikel, weil im Kartellrecht
aufgrund des strafrechtlichen Charakters der Sanktionen die allgemeinen (Verfahrens-) Grundsätze
des Strafrechts gälten.
5.5.2 Die
WEKO hält dem entgegen, weder in ihrer Pressemitteilung zur Untersuchungseröffnung noch in
den von der Beschwerdeführerin erwähnten Presseartikeln sei eine Vorverurteilung ersichtlich.
Ebensowenig bestehe eine Verletzung der Unschuldsvermutung. Im Übrigen beschränke sich die
Beschwerdeführerin ohne Begründung auf die pauschale Aussage, die Vorinstanz habe von Anfang
an auf einen bestimmten Verfahrensausgang abgezielt, nämlich die Sanktionierung der Parteien. Schliesslich
hätte die Beschwerdeführerin jederzeit ein Ausstandsbegehren gegen die Vorinstanz einreichen
können, was sie aber nicht getan habe.
5.5.3 Die
Unschuldsvermutung ergibt sich aus Art. 32 Abs. 1 BV und Art. 6 Ziff. 2 EMRK. Sie bedeutet, dass jede
Person bis zu ihrer rechtskräftigen Verurteilung als unschuldig gilt. Mit anderen Worten muss jedermann
als unschuldig behandelt werden, bis das zuständige Gericht seine strafrechtliche Schuld aufgrund
eines fairen Verfahrens in rechtskonformer Weise nachgewiesen und festgestellt hat. Ohne solches Verfahren
darf niemand einer strafbaren Handlung bezichtigt werden. Die Unschuldsvermutung erstreckt sich grundsätzlich
auch auf Verfahren nach Art. 49a KG, denn Sanktionen wegen unzulässiger Wettbewerbsbeschränkungen
haben nach bundesgerichtlicher Diktion strafrechtsähnlichen Charakter (BGE 139 I 72, Publigroupe,
E. 2.2.2; BGE 143 II 297, Gaba, E. 9.1). Vor dem förmlichen
Abschluss eines gesetzmässig geführten Verfahrens darf die Wettbewerbsbehörde Unternehmen
nicht als schuldig behandeln, beispielsweise, indem sie ihren Entscheid vorzeitig der Presse kundtut.
Einerseits sollen Angeschuldigte nicht öffentlich vorverurteilt, andererseits die Beweiswürdigung
nicht antizipiert werden, sodass die zuständige Instanz den Sachhergang nicht mehr unvoreingenommen
prüfen könnte. Die Unschuldsvermutung richtet sich an alle staatlichen Organe oder Behörden,
insbesondere an Amtsträger und Gerichtsmitglieder (vgl. BGE 142 II 268, Nikon,
nicht publizierte E. 8.1 f. m.H., publiziert im Urteil des BGer 2C_1065/2014 vom 26. Mai 2016; Urteile
des BVGer B-807/2012 vom 25. Juni 2018, Erne, E. 6.3, B-5858/2014
vom 30. Oktober 2017, A. gg. WEKO betr. Publikation Sanktionsverfügung, E. 3.3.2, B-3588/2012 vom
15. Oktober 2014, Nikon, E. 6.2 und B-506/2010 vom 19. Dezember
2013, Gaba, E. 6, je m.H.).
Allerdings zählt das Kartellsanktionsverfahren primär zum Verwaltungsrecht (Urteil des
BGer 2C_1065/2014 vom 26. Mai 2016, Nikon, E. 8.2, in
BGE 142 II 268 nicht publizierte Erwägung), weshalb die erwähnten Verfahrensgarantien nicht
in voller Strenge zur Anwendung gelangen und im Übrigen keine absolute Geltung beanspruchen, sondern
in einer einzelfallbezogenen Interessenabwägung mitzuberücksichtigen sind (BGE 140 II 384,
A. AG gg. Eidgenössische Spielbankenkommission ESBK, Spielbanken,
E. 3.3.5 m.H.; Urteil des Europäischen Gerichtshofs für
Menschenrechte (EGMR) Nr. 73053/01 in Sachen Jussila
vom 23. November 2006 N. 43; vgl. auch die Urteile des BVGer B-829/2012 vom 25. Juni 2018,
Granella, E. 6.3, B-581/2012 vom 16. September 2016, Nikon,
E. 5.1, E. 8.1.1 und B-7633/2009 vom 14. September
2015, ADSL II, E. 651). Es ist mithin im Einzelfall ein sachverhaltsbezogener
Ausgleich zu finden.
Die Unschuldsvermutung hat Auswirkungen auf die Verteilung der Beweislast
sowie auf das Beweismass
(vgl. BGE 139 I 72, Publigroupe, E. 8.3; Urteile des BVGer
B-829/2012 vom 25. Juni 2018, Granella, E. 6.3, B-581/2012 vom
16. September 2016, Nikon, E. 5.5.1;
Marcel Alexander Niggli/Christof Riedo,
in: Marc Amstutz / Mani Reinert (Hrsg.): Kartellgesetz, Basler Kommentar, 2. A., 2021, Vor Art. 49a
N. 248 ff.; BSK-StPO Esther Tophinke,
Art. 10 StPO N. 79). Als Beweislastregel besagt die Unschuldsvermutung, dass es Sache der Behörde
ist, die Schuld zu beweisen. Unzulässig wäre eine Beweislastumkehr zulasten des Unternehmens,
gegen welches sich die Untersuchung richtet (vgl. Urteile des BVGer B-829/2012 vom 25. Juni 2018, Granella,
E. 6.3 und B-581/2012 vom 16. September 2016, Nikon, E. 5.5.2
f.). Als Beweismassregel folgt aus der Unschuldsvermutung,
dass das Gericht eine Tatsache nur dann als gegeben voraussetzen darf, wenn es an deren Vorhandensein
keine unüberwindlichen Zweifel hegt; andernfalls hat das Gericht von dem für den Beschuldigten
günstigeren Sachverhalt auszugehen (Art. 10 Abs. 3 der Schweizerischen Strafprozessordnung
vom 5. Oktober 2007, StPO, SR 312.0).
5.5.4 Die
fragliche Äusserung eines hochrangigen Vertreters des Sekretariats gegenüber einer Gratiszeitung
bezog sich lediglich auf die Verfahrensdauer. Sie lässt sich nicht in einem inhaltlichen Sinne dahingehend
verstehen, dass die Wettbewerbsbehörde praktisch von Beginn weg ein bestimmtes Untersuchungsergebnis
zu Lasten der Beschwerdeführerin angepeilt hätte. Entsprechende Schlüsse erlaubt auch
die Verfahrensführung nicht. Immerhin verfügte die Vorinstanz aufgrund der Selbstanzeige bereits
im April 2013 über eine beträchtliche Zahl von Akten. So konnte sie sich schon relativ früh
ein klareres Bild machen als etwa in Fällen, in denen keine (vergleichbare) Selbstanzeige eingereicht
wird. Zudem führte sie eigene Untersuchungshandlungen, insbesondere Einvernahmen und Befragungen,
durch. Mithin bestätigt sich nicht, dass begünstigende Faktoren ignoriert sowie jegliche Untersuchungshandlungen
unterlassen worden wären, wie die Beschwerdeführerin geltend macht. Ebensowenig entsteht der
Eindruck, die WEKO sei voreingenommen und nicht ergebnisoffen gewesen.
5.5.5 Folglich
bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass die Vorinstanz die Unschuldsvermutung durch ihre Verfahrensführung
oder ihre Verlautbarungen gegenüber der Presse im Verhältnis zur Beschwerdeführerin verletzt
hätte.
6.
Die
Beschwerdeführerin hält die ihr zur Last gelegten Verstösse gegen das Kartellgesetz für
nicht bewiesen. Sie beanstandet Beweisführung und Beweiswürdigung der Vorinstanz in verschiedener
Hinsicht. Dementsprechend sind zunächst die Beweisregeln für kartellrechtliche Sanktionsverfahren
näher darzustellen.
6.1 Verstösse
gegen das KG müssen gemäss dem auch im Kartellverfahren anwendbaren Untersuchungsprinzip grundsätzlich
durch die Behörden erforscht werden (Art. 39 KG i.V.m. Art. 12 VwVG). Diese haben den
rechtserheblichen Sachverhalt aus eigener Initiative richtig und vollständig abzuklären. Dazu
sind alle rechtserheblichen Aspekte zu ermitteln, sämtliche notwendigen Unterlagen zu beschaffen
und die erforderlichen Beweise abzunehmen. Aufgrund dieser Pflicht zur richtigen und vollständigen
Abklärung des rechtserheblichen Sachverhalts liegt die Beweisführungslast im kartellrechtlichen
Sanktionsverfahren bei den Wettbewerbsbehörden. Der Untersuchungsgrundsatz erfährt jedoch eine
Einschränkung durch die in Art. 13 VwVG statuierte Mitwirkungspflicht der Parteien (vgl. zum
Ganzen BGE 129 II 18, Börsenverein des dt. Buchhandels e.V. sowie Schweizerischer Buchhändler-
und Verlegerverband gg. Weko, Buchpreisbindung I, E. 7.1
m.H.; Urteil des BGer 2A.430/2006 vom 6. Februar 2007, Buchpreisbindung
II, E. 10.2 sowie die Urteile des BVGer B-807/2012
vom 25. Juni 2018, Erne,
E. 8.4.1, B-5685/2012 vom 17. Dezember 2015, Altimum SA gg. Weko, Altimum,
E. 4.5.1; B-7633/2009
vom 14. September 2015, ADSL II,
E. 185 ff., B-8404/2010 vom 23. September 2014, SFS,
E. 3.2.4 und B-463/2010 vom 19. Dezember 2013,
Gebro, E. 5).
6.2 Nach
dem auch im Kartellverwaltungsverfahren anwendbaren Grundsatz der freien Beweiswürdigung haben die
Wettbewerbsbehörden die erhobenen Beweismittel ohne Bindung an förmliche Beweisregeln umfassend
und pflichtgemäss zu würdigen (vgl. Art. 39 KG i.V.m. Art. 19 VwVG und
Art. 40 des Bundesgesetzes vom 4. Dezember 1947 über den Bundeszivilprozess, BZP, SR 273;
BGE 137 II 266, Riniken,
E. 3.2; Urteil des BGer 2A.430/2006 vom 6. Februar 2007, Buchpreisbindung
II, E. 10.4; Urteil
des BVGer B-5685/2012 vom 17. Dezember 2015, Altimum,
E. 4.5.2 m.w.H.). Soweit eine Sanktion gemäss Art. 49a KG in
Frage kommt, sind wegen des strafrechtsähnlichen Charakters dieser Massnahme grundsätzlich
die Garantien von Art. 6 und 7 EMRK sowie Art. 30 bzw. 32 BV zu beachten. Sachverhaltsmässige
Unklarheiten sind daher aufgrund der Unschuldsvermutung nach Art. 6 Ziff. 2 EMRK bzw. Art. 32
Abs. 1 BV zu Gunsten der sanktionsbedrohten Parteien zu werten (vgl. BGE 139 I 72, Publigroupe,
E. 2.2.2 und E. 8.3.1).
6.3 Für
die Prüfung der Beweislage entscheidend ist die Frage, welches Beweismass erfüllt sein muss,
damit ein rechtserheblicher Sachumstand als bewiesen erachtet werden kann.
6.3.1 Nach
dem Regelbeweismass des Überzeugungsbeweises gilt ein Beweis als erbracht, wenn ein Gericht oder
eine Behörde nach objektiven Gesichtspunkten von der Richtigkeit einer Sachbehauptung überzeugt
ist. Dabei wird allerdings keine absolute Gewissheit vorausgesetzt.
Die Verwirklichung der Tatsache braucht nicht mit Sicherheit festzustehen; es genügt, wenn das Gericht
oder die Behörde am Vorliegen des rechtserheblichen Sachumstands keine ernsthaften Zweifel mehr
hat oder allenfalls verbleibende Zweifel als leicht erscheinen (vgl. BGE 130 III 321, X. gg. Versicherung
Y., E. 3.2; Urteil des BGer 2A.500/2002 vom 24. März 2003, A. X. u.a. gg. Steuerverwaltung
des Kantons BE, E. 3.5; Urteile des BVGer B-807/2012
vom 25. Juni 2018, Erne,
E. 8.4.4.1 m.H., B-5685/2012 vom 17. Dezember 2015, Altimum,
E. 4.5.3.1, B-7633/2009 vom 14. September
2015, ADSL II, E. 157).
6.3.2 Als
Ausnahme vom Regelbeweis mit dem Beweismass der vollen Überzeugung ist der Wahrscheinlichkeitsbeweis
anerkannt, welcher auf das Beweismass der überwiegenden Wahrscheinlichkeit abstellt. Diesem zufolge
gilt ein Beweis als erbracht, wenn nach objektiven Gesichtspunkten derart gewichtige Gründe für
die Richtigkeit der Sachbehauptung sprechen, dass andere denkbare Möglichkeiten vernünftigerweise
nicht massgeblich sind (vgl. BGE 140 III 610 E. 4.1; BGE 132 III 715 E. 3.1). Eine
überwiegende Wahrscheinlichkeit wird als ausreichend betrachtet, wo ein strikter Beweis nicht nur
im Einzelfall, sondern der Natur der Sache nach nicht möglich oder nicht zumutbar ist und wo insofern
"Beweisnot" besteht (vgl. BGE 132 III
715 E. 3.1; BGE 130 III 321 E. 3.2; BGE 128 III 271 E. 2b/aa; Urteil
des BVGer B-807/2012 vom 25. Juni 2018, Erne,
E. 8.4.4.2).
Bei Vorliegen multipler Wirkungszusammenhänge ist das Beweismass der überwiegenden Wahrscheinlichkeit
ausreichend, also kein Überzeugungsbeweis erforderlich (vgl.
BGE 139 I 72, Publigroupe,
E. 8.3.2 und 144 II 246, Altimum, E. 6.4.4, betreffend
Abreden; vgl. Urteile des BVGer B-807/2012
vom 25. Juni 2018, Erne,
E. 8.4.4.4, B-7633/2009 vom 14. September
2015, ADSL II, E. 162).
"Gewöhnliche" Lebenssachverhalte
ohne multiple Wirkungszusammenhänge liegen beispielsweise vor, wenn festgestellt werden muss, ob
bestimmte Personen Preise oder Bestandteile derselben untereinander abgesprochen haben. Demgegenüber
gestaltet sich die Beurteilung möglicher Auswirkungen kartellrechtlicher Sachverhalte auf den Wettbewerb
naturgemäss als komplexer. Neben der objektiven Datenlage stehen hier wirtschaftliche Analysen und
Hypothesen im Zentrum der Betrachtung. Auch das Vorliegen allfälliger Effizienzgründe (Art. 5
Abs. 2 KG) kann nur unter Berücksichtigung wirtschaftlicher Überlegungen beurteilt werden.
Ökonomischen Erkenntnissen haftet allerdings immer eine gewisse Unsicherheit an.
Deswegen muss es genügen, dass die von Art. 5 Abs. 1 KG geforderten Auswirkungen
einer Abrede auf den Wettbewerb, wie auch allfällige Effizienzgründe, nach Art. 5 Abs. 2
KG mit überwiegender Wahrscheinlichkeit gegeben sind (so - betreffend das Vorliegen von Effizienzgründen
- ausdrücklich das Urteil des BGer 2A.430/2006 vom 6. Februar 2007, Buchpreisbindung
II, E. 10.4; Urteil des BVGer B-807/2012 vom 25. Juni 2018, Erne,
E. 8.4.4.5 m.H.).
6.3.3 Dem
erforderlichen Beweismass kann nicht nur direkt, sondern auch indirekt, nämlich gestützt auf
Indizien, Genüge getan werden (vgl. BGE 93 II 345, Deutsche Lufthansa AG gg. Basler Transport-Versicherungs-Gesellschaft
(AG), E. 2 m.H.; Urteil des BVGer B-807/2012 vom 25. Juni 2018, Erne,
E. 8.4.4.6 m.H.). Ein Indiz ist eine Tatsache, die auf eine andere, unmittelbar erhebliche Tatsache
schliessen lässt. Beim Indizienbeweis wird vermutet, dass eine nicht bewiesene Tatsache effektiv
gegeben ist, weil sich diese Schlussfolgerung nach der Lebenserfahrung kraft bewiesener Tatsachen (Indizien)
aufdrängt (vgl. Urteil des BGer 6B_332/2009 vom 4. August 2009, X.
gg. StA St. Gallen, E. 2.3 m.H.; Urteil des BVGer B-807/2012
vom 25. Juni 2018, Erne,
E. 8.4.4.6; Entscheid der Reko Wef FB/2002-1 vom 22. Dezember 2004 E. 8.1, veröffentlicht
in: RPW 2005/1 S. 183 ff.).
6.3.4
Kann das geforderte Beweismass
nicht erreicht werden, stellt sich die Frage, zu wessen Lasten der beweislose Zustand geht. Die Antwort
darauf ergibt sich aus dem Rechtsgrundsatz, dass derjenige die (objektive) Beweislast für das Vorliegen
einer Tatsache trägt, der aus ihr Rechte ableitet (Art. 8 des Schweizerischen Zivilgesetzbuches
vom 10. Dezember 1907, ZGB, SR 210; vgl. Urteil des BGer 2C_988/2014 vom 1. September 2015,
A. gg. Polizei- und Militärdirektion des Kantons BE, E. 3.1; Urteil des BVGer C-563/2011
vom 10. September 2014, A. gg. Bundesamt für Migration BFM, E. 4.2, BVGE 2008/23
E. 4.2 m.w.H.).
Die objektive Beweislastverteilung hinsichtlich der gestützt
auf Art. 49a i.V.m. Art. 5 Abs.1 und 3 KG verhängten Sanktion muss auf differenzierende
Weise betrachtet werden. Wettbewerbsabreden im Sinne von Art. 4 Abs. 1 i.V.m. Art. 5 Abs. 3
KG bilden die Vermutungsbasis, gestützt auf welche die Wettbewerbsbehörden gegebenenfalls schliessen,
der wirksame Wettbewerb sei vermutungsweise beschränkt oder beseitigt worden. Deshalb ist davon
auszugehen, dass die Wettbewerbsbehörden neben der Beweisführungslast auch die objektive Beweislast
betreffend Wettbewerbsabreden im Sinne von Art. 4 Abs. 1 i.V.m. Art. 5 Abs. 3 KG
tragen. Folglich trifft die objektive Beweislast bezüglich einer Beteiligung der Beschwerdeführerin
an den fraglichen Preisabsprachen die Vorinstanz
(vgl. Urteil des BVGer B-807/2012 vom 25. Juni 2018, Erne,
E. 8.4.5 m.H.).
6.4 Nach
der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts dürfen die Anforderungen an das Beweismass hinsichtlich
belasteter Dritter auch bei einer Selbstanzeige nicht herabgesetzt werden. Dabei ist die Vorinstanz verpflichtet,
den Sachverhalt für jede einzelne Verfahrenspartei separat zu erstellen und abzuklären. Entsprechend
muss sie den Kartellrechtsverstoss jeder Verfahrenspartei einzeln zur Last legen. Insbesondere hat sie
die jeweilige Beteiligung an der Absprache individuell nachzuweisen (zum Ganzen vgl. Urteil des BVGer
B-807/2012 vom 25. Juni 2018, Erne,
E. 8.5 m.H.).
6.5 Die
allgemeinen Beweisregeln gelten auch, wenn eine Selbstanzeige vorliegt (Urteil des BVGer B-771/2012 vom
25. Juni 2018, Cellere, E. 6.5.4.3) und damit für die
nachfolgende Beurteilung der Beweislage. Ob es in einem kartellrechtlichen Verwaltungsverfahren keine,
eine oder mehrere Selbstanzeigen gibt, kann keinen Einfluss darauf haben, welches Beweismass für
den Nachweis eines rechtserheblichen Sachumstandes erforderlich ist. Ebensowenig wirkt sich das Vorhandensein
von Selbstanzeigen auf die Frage aus, wer die objektive Beweislast und damit die Folgen der Beweislosigkeit
trägt.
Bei Aussagen sowie Urkunden von Selbstanzeigern und "nicht kooperierenden" Unternehmen
handelt es sich um Parteiauskünfte im Sinne des Art. 12 Bst. b VwVG, welche der freien Beweiswürdigung
unterliegen (Urteil des BVGer B-771/2012 vom 25. Juni 2018, Cellere,
E. 6.5.5.4 m.H.).
6.6 Somit
haben die Wettbewerbsbehörden insbesondere den Überzeugungsbeweis dafür
zu erbringen, dass bestimmte Händler von Fahrzeugen der VW-Konzernmarken untereinander maximale
Rabatte sowie minimale Ablieferungspauschalen vereinbarten, um diese anschliessend über sog. Stammtische
im Rahmen des VPVW weiterzuverbreiten und letztlich zu Lasten der Kunden höhere Margen aus ihren
Automobilverkäufen zu erzielen. Dementsprechend liegt es auch an der Vorinstanz, der Beschwerdeführerin
mit dem Regelbeweismass des Überzeugungsbeweises individuell nachzuweisen, dass sich diese in der
vorgeworfenen Form an der fraglichen Absprache beteiligte.
7.
Als
zusammenfassende Würdigung der Beweismittel sowie der Darlegungen der Verfahrensparteien hielt die
Vorinstanz in ihrer Sanktionsverfügung fest, die Verfahrensparteien und die Selbstanzeigerin hätten
sich auf eine gemeinsame Rabattpolitik geeinigt. Anschliessend hätten sie eine gemeinsame Konditionenliste
für maximale Preisnachlässe und minimale Ablieferungspauschalen zur Abgabe der Erstofferte
für Neufahrzeuge der Marken des VW-Konzerns vereinbart. Zur Umsetzung des abgestimmten Rabattverhaltens
hätten sie regionale Stammtische des VPVW durchgeführt und die Präsentation "Projekt
Repo 2013" gehalten. Dies stelle eine Wettbewerbsabrede im Sinne von Art. 4 Abs. 1 KG i.V.m. Art.
5 Abs. 3 Bst. a KG über die direkte oder indirekte Festsetzung von Preisen dar. Die gesetzlich statuierte
Vermutung der Beseitigung wirksamen Wettbewerbs könne durch den vorhandenen Aussenwettbewerb widerlegt
werden. Die Abrede beeinträchtige den Wettbewerb jedoch auf allen relevanten Märkten erheblich
im Sinne von Art. 5 Abs. 1 KG. Gründe der wirtschaftlichen Effizienz gemäss Art. 5 Abs. 2 KG
lägen keine vor. Es handle sich somit um eine unzulässige Wettbewerbsabrede gemäss Art.
5 Abs. 3 i.V.m. Abs. 1 KG.
8.
Materiell
muss vorerst geprüft werden, ob sich die Beschwerdeführerin an einer Wettbewerbsabrede nach
Art. 4 Abs. 1 KG beteiligte.
8.1 Die
Beschwerdeführerin verneint, eine Abrede im Sinne von Art. 4 Abs. 1 KG geschlossen zu haben. Zur
Begründung legte sie in der Beschwerdeschrift dar, die Parteien hätten wiederholt vorgebracht,
dass der Gegenstand der vermeintlichen Abrede, namentlich die Konditionenliste, nie als eine Vereinbarung
im Sinne von Art. 4 Abs. 1 KG über die gemeinsame Festsetzung des Verkaufspreises oder einen Verzicht
auf abweichende Konkurrenzangebote zu verstehen gewesen sei.
Die Vorinstanz halte fest (z.B. in Ziff. 151 der Sanktionsverfügung), dass die internen Konditionenlisten
nur den in einer Erstofferte zu verwendenden Rabatt beträfen. Weitere Zusatzkonditionen seien separat
auszuweisen. Dies zeige klar, dass es um einen Verkaufsvorgang gegangen sei, welcher allenfalls strukturiert
zu gestalten gewesen sei, um mehr Transparenz in der Offertdarstellung zu erreichen. Es sei den Händlern
mithin freigestellt gewesen, weitere "Zusatzkonditionen" zu gewähren. Die Annahme setze
zudem voraus, dass die Konditionenlisten überhaupt eingesetzt worden wären. Dies sei indes
nicht der Fall. Die Vorinstanz habe zu keinem Zeitpunkt behauptet, geschweige denn aufgezeigt, dass die
Beschwerdeführerin die Konditionenlisten eingesetzt habe. Der relevante Parameter sei folglich eine
reine Kalkulationshilfe.
Dies gehe auch aus dem Zusammenhang mit den Händlerumfragen bzw. der Präsentation hervor.
Offensichtlich habe unter den Händlern eine gewisse Unzufriedenheit bestanden, gerade auch was die
Administration anbelange. Vor diesem Hintergrund habe der VPVW Massnahmen wie die Konditionenliste(n)
beschlossen, um den Händlern eine Erleichterung bei der Offertdarstellung zu bieten. Es erfordere
keine allzu grossen Kenntnisse des Marktes, um zu wissen, dass Erstofferten gegenüber dem Konsumenten
in der Praxis irrelevant seien. Hätte die Vorinstanz auch nur minimste Untersuchungshandlungen vorgenommen,
wäre auch ihr erschliessbar geworden, dass es bei der Erstofferte einzig um den Versuch einer Systematisierung
im Sinne einer Kalkulationshilfe gegangen sei.
Der Austausch unter den Parteien habe folglich nicht zu einer Sanktionierung
führen können,
denn er habe keinen Wettbewerbsparameter zum Gegenstand gehabt. Dass es die
Vorinstanz versäumt
habe, nebst den Informationen des Kronzeugen eine Kalkulationshilfe der Beschwerdeführerin zu finden
und zu den Akten zu geben, dürfe nicht den Parteien angelastet werden. Die Wahrheit sei zudem viel
einfacher: Mögliche Kalkulationshilfen habe die Beschwerdeführerin zu keinem Zeitpunkt eingesetzt.
Von einem Zusammenwirken könne nicht gesprochen werden. Ein solches würde eine abgestimmte
Verhaltensweise beinhalten. Diese sei von der Preisführerschaft abzugrenzen. Unverständlich
sei, warum die Vorinstanz die Problematik der Preisführerschaft nicht einmal ansatzweise abzuklären
versucht habe, zumal neben den Parteien auch die Selbstanzeigerin auf ihre Preisführerschaft aufmerksam
gemacht habe. Erklärbar sei dieses Untätigbleiben der Vorinstanz nur mit dem vorgefassten Ergebnis
der Untersuchung.
Als zentrales Indiz bezeichne die Vorinstanz neben der Konditionenliste
die Präsentation, welche
am 11. Februar 2013 erstellt und versandt worden sein solle (Ziff. 34 der
Sanktionsverfügung). Die
Beschwerdeführerin habe dargelegt, dass sie die von der Vorinstanz erwähnte Präsentation
nie selbst verwendet habe. Insbesondere habe sie weder die entsprechende Präsentation noch die Konditionenliste
an Stammtischen abgegeben. Dass die Beschwerdeführerin die besagte Konditionenliste und die Präsentation
nie verwendet habe, übersehe die Vorinstanz. Die Beschwerdeführerin habe an den Stammtischen
eine eigene Präsentation gezeigt. Diese weiche von der Präsentation (gemäss Vorinstanz)
vom 11. Februar 2013 ab und habe keine Konditionenvereinbarung zum Gegenstand.
Eine angebliche Vereinheitlichung der Preisnachlässe und Ablieferungspauschalen sei von den
Parteien stets bestritten und von der Vorinstanz nicht ansatzweise belegt worden (Ziff. 234-238 der Sanktionsverfügung).
Die Beschwerdeführerin habe sich zu keinem Zeitpunkt an einer Abrede über einen Wettbewerbsparameter
beteiligt. Aufgrund der Preisführerschaft der Selbstanzeigerin sei zudem eine Wettbewerbsabrede
im Sinne von Art. 4 Abs. 1 KG von vornherein ausgeschlossen. Der Gegenstand der angeblichen Wettbewerbsabrede
sei schliesslich auch gar nicht geeignet gewesen, eine solche zu bezwecken oder zu bewirken. Eine Kalkulationshilfe
und die Darstellung einer Erstofferte könnten diesen Zweck gar nicht erfüllen.
Ergänzend erklärte die Beschwerdeführerin in ihrer Replik, die Konditionenliste habe
die Händler in Bezug auf die Gewährung von Rabatten nicht eingeschränkt. Die Händler
hätten immer die Möglichkeit, Rabatte zu gewähren. In der Konditionenliste seien entsprechende
Rabatte explizit aufgeführt worden: Kundenrabatte, Mengenrabatte, Ausstellungsrabatte, Rabatte für
Lagerfahrzeuge sowie weitere Zusatzkonditionen. Sie seien jederzeit frei gewesen, die Konditionenliste
anzuwenden. Für Ausscherer habe es zu keinem Zeitpunkt Sanktionsmassnahmen seitens der Kronzeugin
gegeben. Das habe auch die Vorinstanz nicht bestritten und sich diesbezüglich im Rahmen ihrer Ausführungen
lediglich auf sehr allgemein gehaltene Passagen in E-Mails gestützt. Es lägen denn auch keine
E-Mails vor, die etwaige Sanktionsmassnahmen gegen Ausscherer erwähnen würden.
Auf Preisführerschaft der Selbstanzeigerin gebe es objektive Hinweise, so z.B. ihren hohen Marktanteil,
die Strukturen und Abhängigkeiten im Markt für den Verkauf der von ihr importierten Fahrzeugmarken,
die Vorteile aus der vertikalen Integration der Selbstanzeigerin sowie die wesentliche Übereinstimmung
der Konditionenliste mit der von der Selbstanzeigerin unilateral erstellten Liste. Dementsprechend sei
es wenig überraschend, dass die Konditionenliste erstmals von Herrn [...] von [Q._______ AG]
Retail, dem Preisführer, mit E-Mail vom 22. Januar 2013 an die Parteien versandt worden sei.
Die Konditionenliste sei allein das Ergebnis der führenden Stellung der Selbstanzeigerin im
Markt. Diese Stellung spiegle sich auch in der Vorabklärung 22-0449, in der sich die WEKO mit den
willkürlichen und diskriminierenden Massnahmen der Selbstanzeigerin gegen ihre Handelspartner auseinandersetze,
wobei diese versuche, die eigenen Retailbetriebe besserzustellen und deren Position auf dem Retailmarkt
zu stärken.
8.2 Auf
ihre Sanktionsverfügung und ihre Bekanntmachung vom 1. Januar 2006 betreffend die Voraussetzungen
für die kartellgesetzliche Zulässigkeit von Abreden über die Verwendung von Kalkulationshilfen
verweisend, erwiderte die WEKO, es gehe um eine vereinbarte Konditionenliste über maximale Preisnachlässe
und minimale Ablieferungspauschalen, also um Beträge und Prozentsätze für die Offertstellung,
die im Rahmen der Verkaufsverhandlungen mit den Endkunden hätten verwendet werden müssen. Somit
handle es sich nicht um Angaben und Formeln zur Kalkulation der Kosten oder um eine Bestimmung der Preise
oder einen Austausch über die Kostenrechnung. Die vereinbarte Konditionenliste könne also nicht
als Kalkulationshilfe qualifiziert werden. Es liege daher eine Wettbewerbsabrede im Sinne von Art. 4
Abs. 1 KG vor. Aus der E-Mail-Korrespondenz und der Präsentation gehe zudem eindeutig hervor, dass
Gegenstand des Projekts "Repo 2013" nicht die Offertdarstellung, sondern die Vereinbarung
und die Umsetzung eines einheitlichen Rabattverhaltens (die Reduzierung der Preisnachlässe um 2
%) gewesen sei.
Zum Vorbringen der Beschwerdeführerin betreffend Preisführerschaft der Selbstanzeigerin
gelte es, wie bereits in der angefochtenen Verfügung dargelegt, Folgendes klarzustellen: Zwischen
einer kollektiven, bewussten und gewollten Aktion verschiedener Unternehmen für das Bezwecken oder
das Bewirken einer Wettbewerbsbeschränkung (Wettbewerbsabrede) und einer reinen Orientierung der
kleinen Konkurrenten an den Vorgaben des Preisführers bestehe ein entscheidender Unterschied. Preisführerschaft
liege vor, wenn andere Unternehmen dem Preisführer bezüglich der Preise ohne Abstimmung folgten.
Vorliegend hätten die Beschwerdeführerin und die anderen beteiligten Unternehmen nicht einfach
entschieden, die Preise einer Konkurrentin zu befolgen, sondern eine Konditionenliste für maximale
Preisnachlässe und minimale Ablieferungspauschalen vereinbart und Stammtische zur Verbreitung der
abgestimmten Rabattpolitik abgehalten. Die Tatsache, dass die Selbstanzeigerin möglicherweise über
Preisführerschaft verfüge, könne jedoch nicht mit dem Ausschluss einer Wettbewerbsabrede
im Sinne von Art. 4 Abs. 1 KG beim vorgeworfenen Verhalten gleichgesetzt werden.
Aus dem Beweismaterial gehe klar hervor, dass die Parteien und die
Q._______ AG die einzelnen Konditionen,
d.h. Preisnachlässe und Ablieferungspauschalen, gemeinsam abgestimmt hätten und sich nicht
einfach an den Konditionen oder Angeboten von [Q._______ AG] Retail orientiert hätten. Die Tatsache,
dass die Q._______ AG gleichzeitig in den Bereichen Import und Retail tätig sei, schliesse ein koordiniertes
Verhalten, wie im vorliegenden Fall zwischen den zugelassenen Händlern der Q._______ AG, nicht aus.
Die Beschwerdeführerin und die anderen beteiligten Unternehmen, einschliesslich [Q._______] Retail,
hätten ein gemeinsames Interesse gehabt, die vorliegende Wettbewerbsabrede abzuschliessen, da ihnen
durch das koordinierte Wettbewerbsverhalten ein Vorteil (Gewinn) habe zukommen können. Mit der Senkung
der Preisnachlässe um 2 % seien "Mehreinnahmen von ca. 75'000.- pro 100 Einheiten"
vorgesehen gewesen. Herr [R._______ AG] habe sogar von "einer Chance von ca. 24 Mio." gesprochen.
Duplizierend hielt die WEKO fest, entgegen der Behauptung der Beschwerdeführerin seien ihre
Händler- und Serviceverträge mit der Q._______ AG gemäss ihren eigenen Aussagen bereits
Ende Juni 2014 gekündigt worden. Das Verfahren gegenüber der Q._______ AG sei jedoch erst mit
der Verfügung vom 8. August 2014 abgeschlossen worden, also mehr als einen Monat nach den oben erwähnten
Kündigungen. Zudem erkläre die Beschwerdeführerin den Zusammenhang zwischen diesen Vertragskündigungen
und dem untersuchten Sachverhalt, welcher Gegenstand der angefochtenen Verfügung sei, nicht. Die
Tatsache, dass die Q._______ AG ihr Vertragsverhältnis mit der Beschwerdeführerin mehr als
ein Jahr nach dem Abbruch des Projekts "Repo 2013" beendet habe, vermöge deren Teilnahme
an der in der angefochtenen Verfügung festgestellten unzulässigen Wettbewerbsabrede nicht in
Frage zu stellen oder zu rechtfertigen. Aus den Beweismitteln gehe klar hervor, dass sich die Beschwerdeführerin
und die anderen beteiligten Unternehmen auf eine gemeinsame Rabattpolitik geeinigt, anschliessend eine
gemeinsame Konditionenliste für maximale Preisnachlässe sowie minimale Ablieferungspauschalen
zur Abgabe der Erstofferte für Neufahrzeuge der Marken des VW-Konzerns vereinbart, zur Umsetzung
des abgestimmten Rabattverhaltens die regionalen Stammtische des VPVW durchgeführt und die Präsentation
"Projekt Repo 2013" gehalten hätten.
Die Vorabklärung "22-0449: [Q._______ AG] Vertriebsnetz" und die Untersuchung "22-0439:
VPVW Stammtische / Projekt Repo 2013" seien voneinander unabhängig. Eine Beurteilung des in
der Untersuchung "22-0439 VPVW Stammtische / Projekt Repo 2013" sanktionierten Verhaltens
der Beschwerdeführerin und der anderen beteiligten Unternehmen sei auch nicht Gegenstand der Vorabklärung
"22-0449: [Q._______ AG] Vertriebsnetz". Im Rahmen dieser Vorabklärung untersuche das
Sekretariat der WEKO das Vertriebsnetz und das Verhalten von [Q._______ AG] Import gegenüber deren
Handels- und Servicepartnern. Thema der Untersuchung "22-0439. VPVW Stammtische / Projekt Repo
2013" sei hingegen die Vereinbarung einer Konditionenliste über maximale Preisnachlässe
und minimale Ablieferungspauschalen zwischen zugelassenen Händlern der Q._______ AG, an welcher
sich die Beschwerdeführerin beteiligt habe.
8.3 Art.
4 Abs. 1 KG definiert Wettbewerbsabreden als "rechtlich erzwingbare oder nicht erzwingbare Vereinbarungen
sowie aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen von Unternehmen gleicher oder verschiedener Marktstufen,
die eine Wettbewerbsbeschränkung bezwecken oder bewirken".
8.3.1 Eine
Vereinbarung manifestiert sich in einem bewussten und gewollten Zusammenwirken der beteiligten Unternehmen.
Ob solches vorliegt, beurteilt sich nach den allgemeinen Regeln über den Vertragsschluss (Art. 1
ff. des Obligationenrechts vom 30. März 1911, OR, SR 220), welche eine - ausdrückliche
oder stillschweigende - übereinstimmende gegenseitige Willensäusserung verlangen. Dabei
entscheidet der wirkliche Wille der Parteien, nicht aber eine unrichtige Bezeichnung oder Ausdrucksweise
(Art. 18 Abs. 1 OR). Rein unilaterale (beabsichtigte) Wettbewerbsbeschränkungen gelten nicht als
Abreden. Allerdings kann eine einseitige Erklärung, verbunden mit entsprechender Durchsetzungsmacht,
in eine Abrede nach Art. 4 Abs. 1 KG münden, wenn der Adressat den Willen des Erklärenden zu
erkennen vermag und sich ihm explizite oder konkludenterweise unterzieht. Vereinbarungen nach Art. 4
Abs. 1 KG gehen über den obligationenrechtlichen, auf Austausch oder Gesellschaft beruhenden Vertrag
hinaus, da sie sich auch auf rechtlich nicht erzwingbare Verhältnisse erstrecken (vgl. zum Ganzen:
BGE 147 II 72, Pfizer, E. 3 und 144 II 246, Altimum,
E. 6.4.1 sowie Urteil des BVGer B-552/2015 vom 14. November 2017, X. AG gg. WEKO, Türbeschläge,
E. 4.1, je m.H.; Simon Bangerter / Beat Zirlick, in: Roger Zäch et al.
(Hrsg.): KG-Kommentar, Zürich / St. Gallen 2018, Art. 4 Abs. 1 N. 19 ff.; Marc
Amstutz / Blaise Carron / Mani Reinert, in: Vincent Martenet / Pierre Tercier / Christian Bovet
(Hrsg.), Droit de la concurrence, Commentaire, 2. A., 2013, Art. 4 Abs. 1 KG N. 1 ff., 21 ff. m.H.).
8.3.2 Für
die zweite Tatbestandsvariante des Art. 4 Abs. 1 KG bedarf es einer Abstimmung, eines darauf gestützten
Verhaltens sowie eines Kausalzusammenhangs zwischen diesen beiden Elementen. Aufeinander abgestimmte
Verhaltensweisen umfassen zwar keinen auf Konsens gerichteten Austausch von Willensbekundungen, doch
erfordern sie eine minimale Kommunikation, eine gegenseitige Fühlungnahme. Dazu fällt nicht
nur ein bi- oder multilateraler Informationsaustausch, sondern auch ein einseitiges Informationsverhalten
eines Unternehmens in Betracht, wenn davon ausgegangen werden kann, dass Wettbewerber ihr Marktverhalten
entsprechend anpassen. Sodann muss die Abstimmung umgesetzt worden sein. Dieser Abstimmungserfolg zeigt
sich in der Regel in einem mehr oder weniger sichtbaren, tatsächlichen Marktverhalten. Auch innerbetriebliche
Massnahmen können eine Umsetzung belegen. Zwischen Abstimmung und Abstimmungserfolg muss eine Kausalbeziehung
vorliegen; ob allenfalls weitere Ursachen bestehen, ist unbeachtlich.
Mit der Aufnahme abgestimmter Verhaltensweisen in den Begriff der Abrede
verdeutlichte der Gesetzgeber,
dass sich die beteiligten Unternehmen nicht ausdrücklich
ins Einvernehmen über ihr Marktverhalten gesetzt haben müssen. Der Begriff der Abrede soll
lückenlos alle denkbaren Mittel der Verhaltenskoordination erfassen, welche die praktische Zusammenarbeit
an die Stelle des mit Risiken behafteten Wettbewerbs treten lassen.
Aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen im Sinne von Art. 4 Abs. 1
KG beruhen, wie erwähnt,
kausal auf einem Mindestmass an Koordination. Letzteres unterscheidet sie
vom erlaubten Parallelverhalten,
einer legitimen Anpassung an das Handeln anderer Marktteilnehmer (vgl.
zum Ganzen BGE 147 II 72, Pfizer,
E. 3.4 und 129 II 18, Buchpreisbindung I, E. 6.3; Urteile des
BVGer B-552/2015 vom 14. November 2017, Türbeschläge,
E. 4.1 und B-8404/2010 vom 23. September 2014, SFS, E. 5.3.7,
je m.H.; Bangerter / Zirlick, Art. 4 Abs. 1 N. 22 und 53 ff.; Amstutz
/ Carron / Reinert, Art. 4 Abs. 1 KG N. 35).
Der Tatbestand der abgestimmten Verhaltensweise ist von der Preisführerschaft sowie von einseitigen
Verhaltensweisen, die allenfalls von Art. 7 KG erfasst werden, abzugrenzen; diese Fälle stellen
keine Wettbewerbsabreden dar, da das Element der Abstimmung fehlt (Roger Zäch,
Schweizerisches Kartellrecht, 2. A., 2005, N. 368 f.; vgl. Patrick L. Krauskopf
/ Olivier Schaller, in: Marc Amstutz / Mani Reinert (Hrsg.), Kartellgesetz, Basler Kommentar,
2. A., 2021, Art. 5 N. 65, wonach der Tatbestand einer Abrede gemäss Art. 4 Abs. 1 KG bei Preisführerschaft
nicht erfüllt ist; Rolf H. Weber / Stephanie Volz, Wettbewerbsrecht -
Fachhandbuch Expertenwissen für die Praxis, 2013, N. 2.117). Preisführerschaft, wie sie die
Beschwerdeführerin behauptet, kann sich ergeben, wenn ein Unternehmen seinen Preis aufgrund von
Effizienzvorteilen so festzulegen vermag, dass die anderen gerade noch kostendeckend verkaufen können.
Erhöht das führende Unternehmen den Preis, werden die schwächeren Konkurrenten nachziehen.
Sie werden es nicht wagen, ihm mittels tieferer Preise Marktanteile abzunehmen, denn er könnte seine
Preise jederzeit wieder senken und den Preiskampf letztlich gewinnen (vgl. Zäch,
N. 369; Bangerter / Zirlick, Art. 4 Abs. 1 KG N. 67 m.H.; Amstutz
/ Carron / Reinert, Art. 4 Abs. 1 KG N. 119; Krauskopf / Schaller,
Art. 5 KG N. 65).
8.3.3 Beim
Bezwecken oder Bewirken einer Wettbewerbsbeschränkung handelt es sich schon dem Wortlaut von Art.
4 Abs. 1 KG nach um alternative Voraussetzungen. Von Bezwecken geht die Rechtsprechung aus, wenn
bereits der Gegenstand der Verhaltenskoordination auf Begrenzung oder Ausschaltung eines oder mehrerer
relevanter Wettbewerbsparameter abzielt (Urteile des BVGer B-807/2012 vom 25. Juni 2018, Erne,
E. 9.3.1 m.H.) oder den Wettbewerb potentiell beeinträchtigen kann (vgl. BGE 143 II 297, Gaba,
E. 5.4.2 und 5.6; Urteil des BVGer B-807/2012 vom 25. Juni 2018, Erne,
E. 9.3.1 m.H.).
Mit der Variante des Bewirkens bestimmt Art. 4 Abs. 1 KG, dass es für Abreden oder aufeinander
abgestimmte Verhaltensweisen keine besondere subjektive Absicht der Beteiligten braucht. Ebensowenig
muss aus dem Inhalt einer Abrede auf einen objektiven Zweck derselben geschlossen werden können.
Entscheidend ist vielmehr, in welchem Ausmass der wirksame Wettbewerb durch eine Abrede oder aufeinander
abgestimmte Verhaltensweisen eingeschränkt wird. Es genügt, wenn eine Wirkung am Markt, die
auf ein koordiniertes Verhalten der Beteiligten zurückzuführen ist, nachgewiesen werden kann.
Die Verhaltenskoordination muss also kausal für die Wettbewerbsbeschränkung sein; diese darf
nicht durch äussere Umstände hervorgerufen worden sein (vgl. zum Ganzen BGE 147 II 72, Pfizer,
E. 3.6).
8.4 Nach
Ansicht der Beschwerdeführerin hatte die Selbstanzeigerin nicht nur Preisführerschaft, sondern
auch weitergehend eine führende oder anstiftende Rolle inne. Da jedenfalls Preisführerschaft
einer Abrede möglicherweise entgegenstehen könnte, ist die Frage nach einer führenden
Stellung der Selbstanzeigerin in diesem Sinne zuerst zu behandeln.
8.4.1 Die
Beschwerdeführerin argumentiert, damit ein Unternehmen den Status einer Selbstanzeigerin erlangen
könne, dürfe es keine anstiftende oder führende Rolle innehaben. Als Managing Director
von [Q._______ AG] Retail habe [...] aber eine solche Rolle eingenommen. Aus mehreren E-Mails
werde ersichtlich, dass er die treibende Kraft gewesen sei. Er habe koordiniert und zudem die Empfänger
seiner E-Mails wiederholt angestiftet, indem er Schreiben aufgesetzt, Listen verschickt und über
seine internen Kommunikationsvorkehrungen informiert habe, was die Empfänger gewissermassen motiviert
und unter Druck gesetzt habe, dasselbe zu tun. Von ihm sei der Erstversand einer Konditionenliste per
E-Mail ausgegangen, d.h. das tatsächliche Konkretisieren und Ansetzen zum Startschuss. Die Relevanz
der Rolle der Q._______ AG zeige sich auch daran, dass die endgültige Konditionenliste überwiegend
ihrer unilateral erstellten Liste entsprochen habe.
Weiter sei zu berücksichtigen, dass sich die "unabhängigen" Händler notwendigerweise
an den Preisen von [Q._______ AG] Retail orientieren müssten, da sie von der [Q._______ AG] Import,
welche bekanntlich zu ein- und demselben Konzern angehöre, abhängig seien, dass die Q._______
AG mithin Preisführerin sei. Dieser Umstand habe die Wirkung der Bemühungen von [Managing Director]
auf die anderen Verfahrensbeteiligten verstärkt.
Es entspreche nicht dem Willen des Gesetzgebers, dass der "Grosse" kleine Unternehmen
aufgrund seiner Marktmacht zu möglicherweise kartellrechtswidrigen Verhaltensweisen veranlasse und
anschliessend über das Bonusprogramm straflos ausgehe. Die ratio legis sei es bestimmt nicht gewesen,
dass der Konzern [...], zum dem die Kronzeugin gehöre, in der Folge die Vertragsbeziehungen
zu den anderen noch unabhängigen Unternehmen - wie der Beschwerdeführerin - kündige
und damit seine eigene Marktmacht stärke.
8.4.2 Nach
Auffassung der Vorinstanz lässt sich aus der E-Mail-Korrespondenz zwischen den Parteien nicht schliessen,
dass [Managing Director] bzw. die Selbstanzeigerin eine anstiftende oder führende Rolle beim inkriminierten
Wettbewerbsverstoss gespielt hätte. Im Gegenteil sei, wie bereits in der angefochtenen Verfügung
ausgeführt, ein grosser Teil des Projekts "Repo 2013" von [...] (Geschäftsführer
der R._______ AG) vorbereitet und organisiert worden. Die Behauptung der Beschwerdeführerin, dass
die Voraussetzungen für einen vollständigen Sanktionserlass nicht erfüllt seien, treffe
daher nicht zu.
Die Tatsache, dass die Selbstanzeigerin gleichzeitig in den Bereichen
Import und Retail tätig
sei, schliesse ein koordiniertes Verhalten zwischen ihren zugelassenen Händlern nicht aus. Die Beschwerdeführerin
und die anderen beteiligten Unternehmen, einschliesslich [Q._______ AG] Retail, hätten ein gemeinsames
Interesse gehabt, die ihnen vorgeworfene Wettbewerbsabrede zu vereinbaren, da ihnen dadurch ein Vorteil
habe zukommen können. Mit der Senkung der Preisnachlässe um 2 % seien Mehreinnahmen von ca.
Fr. 75'000.- pro 100 Einheiten vorgesehen gewesen. Herr [R._______ AG] habe sogar von "einer
Chance von ca. 24 Mio." gesprochen.
Es sei davon auszugehen, dass die Beschwerdeführerin nicht die Einzige sei, der die Q._______
AG den Händler- bzw. den Servicevertrag gekündigt habe. Die ersten Resultate der entsprechenden
Vorabklärung zeigten, dass die in den letzten Jahren von der Q._______ AG ausgesprochenen Kündigungen
zu einer geplanten Umstrukturierung ihres Netzes von Handelspartnern gehörten und von dem in der
Untersuchung "22-0439: VPVW Stammtische / Projekt Repo 2013" beanstandeten Verhalten unabhängig
seien. Die kartellrechtliche Konformität dieser Kündigungen werde im Rahmen der Vorabklärung
"22-0449: [Q._______ AG] Vertriebsnetz" geprüft.
8.4.3 Vorab
ist das Argument der Beschwerdeführerin, die Selbstanzeigerin habe eine anstiftende oder führende
Rolle innegehabt, zu betrachten.
8.4.3.1 Wenn
ein an einer unzulässigen Abrede nach Art. 5 Abs. 3 KG beteiligtes Unternehmen an deren Aufdeckung
und Beseitigung mitwirkt, kann auf eine Sanktion ganz oder teilweise verzichtet werden (Art. 49a Abs. 2
KG). Gemäss Art. 8 Abs. 2 Bst. a SVKG erlässt die WEKO die Sanktion aber (neben weiteren Voraussetzungen)
nur, wenn das Unternehmen kein anderes zur Teilnahme am Wettbewerbsverstoss gezwungen und nicht die anstiftende
oder führende Rolle bei diesem Verstoss eingenommen hat.
Was als anstiftende Rolle im Sinne von Art. 8 Abs. 2 Bst. a SVKG zu
verstehen ist, wird in dieser
Verordnung nicht definiert. Art. 24 des Schweizerischen Strafgesetzbuches
vom 21. Dezember 1937 (StGB,
SR 311.0) lässt sich entnehmen, dass Anstiftung darin besteht, jemanden zu einer Tat zu bestimmen.
Kartellrechtlich bedeutet Anstiftung im Wesentlichen, dass ein (oder mehrere) Unternehmen - im
Bewusstsein der Kartellrechtswidrigkeit eines bestimmten Verhaltens - allein oder gemeinsam den
Entschluss eines (oder mehrerer) anderer Unternehmen weckt / wecken, eine Wettbewerbsbeschränkung
zu begehen bzw. sich daran zu beteiligen. Analog zum Strafrecht kommt als Mittel grundsätzlich jedes
motivierende Verhalten in Frage (Christoph Tagmann / Beat
Zirlick, in: Marc Amstutz / Mani Reinert (Hrsg.): Kartellgesetz, Basler Kommentar, 2. A., 2021,
Art. 49a N. 76).
8.4.3.2 Art.
8 Abs. 2 Bst. a SVKG setzt voraus, dass die Selbstanzeigerin an einer unzulässigen Wettbewerbsabrede
beteiligt war. Sollte sie zu Unrecht als Selbstanzeigerin anerkannt worden sein, wie die Beschwerdeführerin
meint, wäre eine Abrede also nicht ausgeschlossen. Fraglich mag nach den Vorbringen der Beschwerdeführerin
allenfalls scheinen, ob die Selbstanzeigerin auf eine Weise dominierend wirkte, dass eine Wettbewerbsabrede
jedenfalls zwischen ihr und der Beschwerdeführerin gar nicht entstehen konnte.
8.4.3.3 Indizien
dafür, dass die Selbstanzeigerin die Beschwerdeführerin zur Teilnahme am angezeigten Wettbewerbsverstoss
gezwungen hätte, sind nicht ersichtlich. Auch die Beschwerdeführerin beruft sich nicht auf
eigentlichen Zwang. Ebensowenig lässt sich aber feststellen, dass die Selbstanzeigerin die Beschwerdeführerin
zum vorgeworfenen Verhalten speziell motiviert hätte. Die Beschwerdeführerin hätte sich
auch ohne Weiteres davon distanzieren können, was sie jedoch nicht tat. Wie die nachfolgenden Erwägungen
deutlich machen, vereinbarte sie vielmehr eine Wettbewerbsabrede mit der Selbstanzeigerin und anderen
Unternehmen. Von einer anstiftenden oder führenden Rolle der Selbstanzeigerin gegenüber der
Beschwerdeführerin in dem Sinne, dass zwischen ihnen keine Abrede hätte zustandekommen können,
ist daher nicht auszugehen.
8.4.4 Sodann
ist die Frage der Preisführerschaft der Selbstanzeigerin näher zu beleuchten. Wie erwähnt,
könnte eine solche Konstellation einer Abrede möglicherweise entgegenstehen.
8.4.4.1 Bei
ihrer Protokollaussage vom 4. April 2013 gegenüber den Wettbewerbsbehörden legte die Selbstanzeigerin
unter anderem Folgendes dar (Zitat):
Die Q._______ AG ist autorisierter Importeur
für Neufahrzeuge der Volkswagen-Konzernmarken VW
PW, VW Nutzfahrzeuge, Audi, SEAT und Skoda in der
Schweiz und im Fürstentum Liechtenstein (Geschäftsbereich
Q._______ IMPORT). Zudem ist sie
auf der Einzelhandelsebene mit eigenen autorisierten Händler- und
Werkstatt-Betrieben für die erwähnten Fahrzeugmarken sowie die Volkswagen-Konzernmarke Porsche
tätig (Geschäftsbereich Q._______ AG RETAIL).
[...]
Aufgrund der Preisführerschaft der Q._______ AG deckt sich die vereinbarte Konditionenliste
weitgehend mit der internen Konditionenliste der Q._______ AG für ihre [...] RETAIL-Betriebe.
Die aktuelle Fassung dieser [...]-internen Konditionenliste hat die Q._______ AG am 15. März
2013 an alle [ihre] RETAIL-Betriebe verteilt [...]. Die Verteilung dieser Konditionenliste erfolgt
zwar jeweils nur [...] intern. Naturgemäss gelangt die Liste aber bisweilen in die Hände
anderer autorisierter Händler, die nicht zu Q._______ AG RETAIL gehören. Dies führt in
der Praxis dazu, dass sich das Preisniveau aufgrund des normalen Marktverhaltens der Marktteilnehmer
jeweils in einem gewissen Masse angleicht.
In ihrem Begleitschreiben vom 15. März 2013 zur Verteilung der vorstehend erwähnten Konditionenliste
an ihre Retailbetriebe hielt die Selbstanzeigerin fest (Zitat):
Im Januar haben Sie von uns die neue Konditionenliste
2013 erhalten und bereits gibt es eine neue
Version davon.
Warum?
Wie Sie alle wissen, haben nun die Marken VW-PW,
VW-NF und Skoda ihre Preise ebenfalls repositioniert
und dies ist für Q._______ AG RETAIL und den Handel generell die einmalige Gelegenheit (wie wir
das bei Audi letztes Jahr nach der Repositionierung erfolgreich gemacht haben), durch ein leicht reduziertes
Rabattverhalten unsere Profitabilität nachhaltig zu steigern, denn wir haben es trotz massiven Ergebnisverbesserungen
in 2012 (von [...] CHF in 2011 auf [...] CHF in 2012) noch immer dringend nötig, um das
erstrebte Ziel, schwarze Zahlen zu erreichen.
Um nicht weiter an Ertragskraft zu verlieren,
bitten wir Sie alle dringend, diese neue Liste per
sofort anzuwenden und umzusetzen.
Sollten Sie in Ihrer Tätigkeit Offerten von Mitbewerbern sehen oder zugespielt erhalten, welche
ggü. unserer Liste erhöhte Rabatte enthalten, bitten wir Sie, diese über ihre Geschäftsführer
an die Leiter der Region weiterzuleiten.
[...]
Es gilt nach wie vor der Grundsatz, dass die
Geschäftsführer vor Ort in eigener Kompetenz
die Konditionen für Service- und Vertriebspartner in ihrem eigenen Verkaufsgebiet festlegen.
[...].
Hierzu bleibt festzuhalten, dass kartellrechtlich nicht relevant ist,
was die Selbstanzeigerin gegenüber
ihren Retailbetrieben anordnete. Konzerninterne Absprachen fallen
nicht in den Anwendungsbereich des
KG (vgl. Urteile des BVGer B-3962/2013 vom 30 Oktober 2019, Diffulivre,
E. 6.1, B-831/2011 vom 18. Dezember 2018, SIX, E. 51 und
B-581/2012 vom 16. September 2016, Nikon, E. 4.1.5, zu Art.
2 Abs. 1bis KG). Das Konzernprivileg erlaubt
Massnahmen im Innenverhältnis, jedoch keine Disziplinierung unabhängiger Händler (vgl.
zum Konzernprivileg die Urteile des BGer 2C_43/2020 vom 21. Dezember 2021, Dargaud,
E. 7.2 f. m.H., sowie des BVGer B-581/2012 vom 16. September 2016, Nikon,
E. 7.2.3).
8.4.4.2 Laut
Anhörungsprotokoll der Vorinstanz vom 7. September 2015 erklärte der Rechtsvertreter der Beschwerdeführerin,
KMU-Garagen hätten von Anfang an keine Chance, im Grossflottenbereich tätig zu sein. Diesen
lukrativen Markt habe sich [Q._______ AG] selbst vorbehalten. Für Unternehmen wie die Beschwerdeführerin
bleibe das sog. Kleinflottengeschäft übrig. Zur Erstellung entsprechender Offerten habe die
Beschwerdeführerin Preislisten von [Q._______ AG]. Entweder orientiere sie sich daran und erhalte
eine Rückvergütung für den Vertragsschluss oder sie offeriere tiefer und verliere die
Rückvergütung des Importeurs, der einen Anteil von [...] % am Retailmarkt habe.
Weiter argumentiert die Beschwerdeführerin, aufgrund des hohen Marktanteils verfüge die
Selbstanzeigerin nicht nur über eine grosse Macht und ein flächendeckendes Vertriebsnetz, sondern
auch über Grössen- und Verbundvorteile, welche die von ihr unabhängigen zugelassenen Händler
der VW-Marken nicht nutzen könnten. Die Struktur und die Abhängigkeiten im Markt für den
Verkauf der von der Selbstanzeigerin importierten Fahrzeugmarken deuteten ebenfalls auf Preisführerschaft
hin. Die Selbstanzeigerin sei vertikal integriert. Die Beschwerdeführerin und die übrigen Verfügungsadressatinnen
seien Konkurrentinnen von [Q._______ AG] Retail. Diese gehöre zur Selbstanzeigerin, ebenso wie die
[Q._______ AG] Import, welche alle zugelassenen Händler (sowohl unabhängige, wie die Verfügungsadressatinnen,
als auch [Q._______ AG]-Retail-Betriebe) beliefere. Folglich sei die Selbstanzeigerin zugleich Konkurrentin
und Lieferantin, was eine Abhängigkeit der zugelassenen Händler von ihrer grössten Konkurrentin
bedeute. Durch die vertikale Integration der Selbstanzeigerin verfügten deren eigene Retailbetriebe
hinsichtlich der Entwicklung der Modellpalette, der Einführung von Sondermodellen etc. über
privilegierte Bezugskonditionen und einen grossen Informationsvorsprung gegenüber den unabhängigen
zugelassenen Händlern. Dies erlaube es der Selbstanzeigerin, im Intrabrand-Wettbewerb eine führende
Rolle zu übernehmen.
8.4.4.3 Unter
der Überschrift "Vorbringen der Verfahrensparteien" stellte die WEKO in Ziff. 71 der
Sanktionsverfügung vom 19. Oktober 2015 zum Thema "Preisführerschaft" fest, die
Untersuchungsadressatinnen machten geltend, die Selbstanzeigerin habe eine führende Rolle bei der
allfälligen Absprache gespielt, da sie hohe Marktanteile besitze und ihr ausserdem die Preisführerschaft
zukomme. Insbesondere machten diese Parteien geltend, dass die Selbstanzeigerin [...] % des Verkaufs
von Neuwagen der Marken des VW-Konzerns kontrolliere und ihre interne Konditionenliste mit der angeblich
vereinbarten übereinstimme.
Die WEKO würdigte dieses Vorbringen in Ziff. 86 der angefochtenen Verfügung mit den Worten,
die Tatsache, dass die Selbstanzeigerin möglicherweise über hohe Marktanteile und die Preisführerschaft
verfüge, könne nicht ohne Weiteres mit einer führenden Rolle beim vorgeworfenen Verhalten
gleichgesetzt werden. In Bezug auf den untersuchten Sachverhalt bestünden keine Hinweise auf eine
anstiftende oder eine führende Rolle der Selbstanzeigerin. Es gelte im Gegenteil darauf hinzuweisen,
dass ein grosser Teil des Projekts "Repo 2013" von der [R._______ AG] vorbereitet und organisiert
worden sei. So habe Herr [R._______ AG] die Diskussion während der VW PW MVR-Tagung und die Idee
des Projekts "Repo 2013" für die anderen Teilnehmer zusammengefasst, diese angehalten,
sich zu engagieren und mitzuziehen und ihnen die Terminvorschläge für die gemeinsame Besprechung
(unter anderem auch den 6. Februar 2013) unterbreitet. Herr [R._______ AG] habe ausserdem vorgeschlagen,
weitere wichtige Händler zur Teilnahme am Projekt "Repo 2013" einzuladen. Er habe auch
dafür gesorgt, Herrn [...] (Direktor der X.______ AG), der am Treffen vom 6. Februar 2013 abwesend
gewesen sei, zu informieren. Herr [R._______ AG] sei ausserdem der Autor der Präsentation, was ihn
als wichtigen Urheber des Projekts "Repo 2013" auszeichne.
Sodann erwog die WEKO in Ziff. 230 f. ihrer Sanktionsverfügung, zwischen einer kollektiven,
bewussten und gewollten Aktion von verschiedenen Unternehmen für das Bezwecken oder Bewirken einer
Wettbewerbsbeschränkung (Wettbewerbsabrede) und einer reinen Orientierung der kleinen Konkurrenten
an den Vorgaben des Preisführers bestehe ein entscheidender Unterschied. Bei ihrer Anhörung
sei die Selbstanzeigerin mit dem Vorwurf der Preisführerschaft konfrontiert worden. Gemäss
ihrer Aussage orientierten sich ihre zugelassenen Händler, die sog. freien Vertragspartner, aufgrund
der starken Präsenz der Retailbetriebe der Selbstanzeigerin in gewissen Regionen der Schweiz an
deren Konditionen oder Angeboten. Wörtlich lautet die entsprechende Aussage des Leiters "Dealer
Operations" der Selbstanzeigerin zur Preisführerschaft (Zitat):
In diesem Zusammenhang gemeint ist, dass die [Q._______ AG] Retail als
Organisation in gewissen Regionen
der Schweiz sehr stark vertreten ist und somit andere freie Vertragspartner
sich an den Konditionen oder
Angeboten der [Q._______ AG] Retail orientieren. Wenn ein grosser Betrieb
wie die [Q._______ AG] Retail
am Markt agiert, ist es früher oder später offensichtlich, wo das Rabattverhalten ist, was
auch einem kleineren Partner ermöglicht, sich am Verhalten der [Q._______ AG] Retail zu orientieren.
Zusammenfassend erwog die WEKO in Ziff. 233 ihrer Sanktionsverfügung, die Tatsache, dass die
Selbstanzeigerin möglicherweise über Preisführerschaft verfüge, könne nicht
mit dem Ausschluss einer Wettbewerbsabrede im Sinne von Art. 4 Abs. 1 KG beim vorgeworfenen Verhalten
gleichgesetzt werden. Aus dem Beweismaterial gehe klar hervor, dass die Parteien und die Selbstanzeigerin
die einzelnen Konditionen, d.h. Preisnachlässe und Ablieferungspauschalen, gemeinsam abgestimmt
und sich nicht einfach an den Konditionen oder Angeboten von [Q._______ AG] Retail orientiert hätten.
8.4.4.4 Die
Formulierung, bei ihrer Anhörung sei die Selbstanzeigerin mit dem Vorwurf der Preisführerschaft
konfrontiert worden, erscheint unglücklich, denn sie vermag die tatsächlichen Ereignisse in
ein falsches Licht zu rücken. Unerwähnt blieb in den vorinstanzlichen Erwägungen nämlich,
dass sich die Selbstanzeigerin schon in ihrer Protokollaussage vom 4. April 2013 ausdrücklich als
Preisführerin charakterisiert hatte. Auch die oben (E. 8.4.4.1 a.E.) aus dem Begleitschreiben
vom 15. März 2013 zitierte Passage, grundsätzlich würden die Geschäftsführer
vor Ort in eigener Kompetenz die Konditionen für Service- und Vertriebspartner in ihrem Verkaufsgebiet
festlegen, könnte auf Preisführerschaft der Selbstanzeigerin hindeuten. Solche schloss die
WEKO in ihrer Sanktionsverfügung (vgl. Ziff. 233) denn auch nicht aus, beleuchtete die Problematik
allerdings nicht näher, weil jedenfalls eine Abrede vorliege.
8.4.4.5 Mit
E-Mail vom 5. März 2013 an [R._______ AG], [...] (Geschäftsleiter der Y._______ AG), [X._______
AG] und [...] (Geschäftsführer der Z._______ AG) äusserte sich [Q._______ AG] betreffend
"Konditionenliste nach unserem Meeting vom 6. Februar in [...]" folgendermassen (auszugsweise
zitiert):
Wenn ich mir nun die Konditionen anschaue, dann
haben wir bei den Detail-Kunden beim Polo von [...]
% auf [...] % korrigiert und beim Golf von [...] % auf [...] %. Ich habe dabei ganz ehrlich
Bedenken, dass wir das umgesetzt kriegen (insbesondere bei mir) da der Rabattunterschied - und
die Polos, Golfs Einstiegsmodelle eben nicht günstiger werden - evtl. zu gross ist und wir
ggü. Kunde Argumentationsnotstand haben werden.
Ich habe mich deshalb gefragt, ob wir die Konditionen Detail nicht auf
[...] % anheben, so dass
es leichter umsetzbar wird.
Hätte die Selbstanzeigerin im betreffenden Zeitraum tatsächlich als Preisführerin
agiert, so hätte sie keine Veranlassung gehabt, sich bei (kleineren) Konkurrenzunternehmen zu erkundigen,
ob sie mit bestimmten (Mindest-) Rabatten einverstanden wären. Vor allen Dingen hätte sie sich
der von ihrer eigenen Präferenz abweichenden Meinung dieser Unternehmen kaum angeschlossen, wenn
sie allfällige Preisführerschaft effektiv hätte ausspielen können. Vielmehr hätte
sie sich dann einfach auf ihre Preissetzungsmacht verlassen, ohne sich mit der Konkurrenz abzusprechen.
Umgekehrt wären die übrigen Beteiligten, darunter die Beschwerdeführerin, nicht in der
Position gewesen, mit der Selbstanzeigerin über Verkaufskonditionen zu verhandeln, wenn sie sich
im Rahmen des inkriminierten Sachverhalts mit Preisführerschaft konfrontiert gesehen hätten.
Gerade die oben zitierte Äusserung zeichnet daher das Bild gleichgestellter Verhandlungspartner.
Unter diesen Umständen bedarf es im vorliegenden Zusammenhang keiner näheren Abklärungen
zur Frage eventueller Preisführerschaft der Selbstanzeigerin.
8.4.4.6 Mit
Blick auf vertikale Verhältnisse bleibt zu beachten, dass Vereinbarungen oder abgestimmte Verhaltensweisen
nicht durch ein "Preisdiktat" der Hersteller ausgeschlossen werden; massgebend ist allein,
ob die Beteiligten auf der gleichen Marktstufe eine Abrede getroffen haben, die Preise in bestimmter
Höhe festzusetzen (Urteil des BGer 2C_1016/2014 vom 9. Oktober 2017, Eidgenössisches Departement
für Wirtschaft, Bildung und Forschung gg. Siegenia-Aubi AG, WEKO, E. 3.2).
8.4.4.7 Mitte
Juni 2014, kurz nach ihrer Entlassung aus der Untersuchung, kündigte die Selbstanzeigerin Händler-
und Serviceverträge, namentlich gegenüber der Beschwerdeführerin. Laut eigener Darstellung
war die Beschwerdeführerin bis dahin als zugelassene Markengarage von der Selbstanzeigerin abhängig
gewesen und hatte ihre Geschäftsbeziehungen sowie Investitionspläne auf eine Zukunft mit [Q._______
AG] Import als Geschäftspartnerin ausgerichtet.
Die Vorinstanz ging davon aus, dass die Selbstanzeigerin Händler- bzw. Serviceverträge
auch gegenüber anderen Partnern kündigte, und sie liess die kartellrechtliche Konformität
dieser Kündigungen in der Vorabklärung "22-0449: [Q._______ AG] Vertriebsnetz"
prüfen. Diesbezüglich wurde in [...] Folgendes ausgeführt (Zitat):
In einer Vorabklärung untersuchte das Sekretariat, ob Anhaltspunkte für eine unzulässige
Wettbewerbsbeschränkung durch die Q._______ AG bestehen. Verschiedene Händler und Werkstätten
der Marken des Volkswagen-Konzerns hatten Anzeige erstattet, weil die Q._______ AG versuche, durch willkürliche
und diskriminierende Massnahmen gegenüber ihren Handelspartnern ihre [...] Retail-Betriebe besserzustellen
und deren Position auf dem Detailhandelsmarkt zu stärken.
Mit Schlussbericht vom 1. Mai 2018 folgerte das Sekretariat, es bestünden Anhaltspunkte für
unzulässige Wettbewerbsbeschränkungen im Sinne von Art. 5 Abs. 1 und Art. 7 KG, die zur Eröffnung
einer Untersuchung gemäss Art. 27 KG führen könnten. Bezüglich der Märkte für
den Vertrieb neuer Kraftfahrzeuge sei davon auszugehen, dass die [Q._______ AG] nicht über eine
marktbeherrschende Stellung verfüge.
Zwecks Beseitigung der fraglichen Umstände regte das Sekretariat gestützt auf Art. 26 Abs.
2 KG verschiedene Massnahmen hinsichtlich Preisgestaltung und Geschäftsbedingungen betreffend den
Vertrieb neuer Kraftfahrzeuge sowie bezüglich Kundendaten, Berichterstattung und Informationssystem
an und hielt fest, die Wettbewerbsbehörden verzichteten aus Gründen der Verhältnismässigkeit
vorläufig auf die Eröffnung einer Untersuchung nach Art. 27 KG, sofern die [Q._______ AG] die
Massnahmen umsetze (vgl. Schlussbericht des Sekretariats der WEKO vom 1. Mai 2018 in Sachen Vorabklärung
gemäss Art. 26 KG betreffend 22-0449, [Q._______ AG] Vertriebsnetz, wegen allenfalls unzulässiger
Wettbewerbsbeschränkungen gemäss Art. 5 und 7 KG).
Für das vorliegende Beschwerdeverfahren B-7834/2015 sind die Erkenntnisse dieser Vorabklärung
nicht entscheidend, zumal das inkriminierte Verhalten früher stattfand und im Lichte auch der nachfolgenden
Erwägungen als eigenständige Aktion bestimmter Händler unter Beteiligung von [Q._______
AG] Retail hinsichtlich des Verkaufs neuer Fahrzeuge erscheint.
8.5 In
Ziff. 228 der angefochtenen Verfügung wurde eine Abrede im Sinne von Art. 4 Abs. 1 KG konstatiert
(Zitat):
Durch die Erstellung einer einheitlichen Konditionenliste für maximale Preisnachlässe und
minimale Ablieferungspauschalen für Neufahrzeuge der Marken des VW-Konzerns (A. 3.3) haben die Parteien
und die [Selbstanzeigerin] eine gemeinsame Rabattpolitik vereinbart. Um die Umsetzung des abgestimmten
Rabattverhaltens durch eine möglichst grosse Zahl autorisierter Händler der Marken des VW-Konzerns
in der Schweiz sicherzustellen, haben die Parteien und die [Selbstanzeigerin] zudem gemeinsam die Durchführung
regionaler Stammtische im Rahmen des VPVW geplant und durchgeführt. Während dieser Anlässe
wurde die vereinbarte Rabattpolitik den Teilnehmern mittels einer Präsentation mitgeteilt (A. 3.4).
Aufgrund der vorliegenden Korrespondenz betreffend das "Projekt Repo 2013", des Inhalts der
vereinbarten Konditionenliste sowie der von ihnen gehaltenen Präsentation ist festzuhalten, dass
die betroffenen Unternehmen eine Vereinbarung i.S.v. Art. 4 Abs. 1 KG über die gemeinsame indirekte
Festsetzung des Verkaufspreises respektive einen Verzicht auf abweichende Konkurrenzangebote getroffen
haben.
8.6 Hintergrund
der strittigen Wettbewerbsabrede ist, dass die [Q._______ AG] Import per 1. März 2013 die Listenpreise
für VW-Personenwagen, VW-Nutzfahrzeuge und Skoda um durchschnittlich 13 %, per 1. April 2013 diejenigen
für Seat um durchschnittlich 14,5 % reduzierte. Mit dieser sog. Preisrepositionierung ("Repo")
sollten namentlich die zuvor eingeräumten Währungsrabatte ersetzt werden. Im Hinblick darauf
unterhielten sich [Q._______ AG], [R._______ AG] und [Y._______ AG] an einer Tagung der Markenverantwortlichen
für VW-Personenwagen vom 10. und 11. Januar 2013 über die Preisnachlässe der Fahrzeughändler.
8.6.1 Am
22. Januar 2013 informierte [R._______ AG] die Vorstandsmitglieder des VPVW, darunter [X._______ AG],
wie folgt (E-Mail auszugsweise zitiert):
Wir haben ja anlässlich der letzten MVR Tagung in [...] das Thema besprochen, in welcher
Form wir uns auf die Repo von VW PW bzw. auch von Seat und Skoda vorbereiten möchten. Es steht in
der Diskussion, dass wir unsere Nachlässe um -2 % reduzieren möchten.
[...]
Zudem sprechen wir von einer "Chance" von ca. 24 Mio.
Am 23. Januar 2013 schrieb [Q._______ AG] per E-Mail an [Y._______
AG] (mit Kopie an [R._______ AG]),
was folgt (Zitat):
[...]
Wir haben ja unsere Liste vorerst genauso belassen
wie 2012. Was wir aber unbedingt tun müssen,
ist dass wir zusammensitzen und eine gemeinsame Liste
erstellen, die wir dann wiederum in den regionalen
Meetings besprechen können.
Wie [R._______ AG] schon gesagt hat, ist die
Herausforderung die konsequente Umsetzung des Rabattverhaltens
und vor allem die KONTROLLE dazu und hier
müssen wir uns was überlegen (und auch darüber
nachdenken, was wir tun, wenn wir "Verfehlungen" feststellen).
Deshalb unterstütze ich eine Meeting mit den von [R._______ AG] vorgeschlagenen Teilnehmern,
wo wir dies alles klären und die Kommunikation in die Händlerregionen organisieren, denn wir
müssen alle dasselbe sagen und sicherstellen.
In einem E-Mail vom 24. Januar 2013 an [Y._______ AG] (mit Kopie an
Q._______ AG) führte [R._______
AG] unter anderem Folgendes aus (Zitat):
Hoi [...] und [...]
[...] Ich denke, dass es nicht so wichtig ist was bei den einzelnen Beträgen geschrieben
wird sondern das erste Ziel wäre, dass wirklich alle Offerten bei allen Händlern separiert
dargestellt werden und selbstverständlich auch ohne grosse Vermischung mit dem Eintauschpreis.
[...] Aber mit diesem Restrisiko der Überzahlung des Eintausches müssen wir leben können.
[...]
Was wir bei dieser Gelegenheit auch ansprechen
müssen ist die Ablieferungspauschale. [...]
Also eine um Fr. 100.- höhere Abl.p. ergibt pro 100NW bekanntlich + Fr. 10'000.-
in der Kasse !!
Ich habe noch kurz mit [X._______ AG] und [Z._______
AG] sprechen können. Wie auch in den Antwortmails
bestätigt, sind auch diese beiden Parteien einverstanden mitzuziehen und sich auch zu engagieren.
[...]
Am 6. Februar 2013 übermittelte [Q._______ AG] [R._______ AG], [Z._______ AG] und [Y._______
AG] in einem E-Mail unter der Überschrift "Konditionenlisten Audi und restliche Marken nach
Repo" zwei vom 6. Februar 2013 datierende Tabellen mit dem Logo von [Q._______ AG] Retail, welche
Ablieferungspauschalen sowie prozentuale Rabatte für die verschiedenen Modelle ausweisen und die
Titel "Verkaufskonditionen Endkunden Neufahrzeuge 2013 (verbindliche Weisung) - generell
zu überprüfen je nach Umfang / Höhe der Repo, ersetzt die Liste vom 18. Februar 2012,
gültig ab Juni 2013, Anpassung Repo VW, Skoda, Seat" bzw. "Verkaufskonditionen Endkunden
Neufahrzeuge 2013 (verbindliche Weisung), ersetzt die Liste vom 19. Januar 2012, gültig ab 18. Februar
2013 (Anpassung Audi)" tragen.
Ebenfalls am 6. Februar 2013 trafen sich [Q._______ AG], [R._______
AG], [Y._______ AG] und [Z._______
AG] zu einer Besprechung in [...].
Am 4. März 2013 sandte [Q._______ AG] zwei Tabellen per E-Mail an [R._______ AG], [Y._______
AG], [X._______ AG] und [Z._______ AG]. Begleitend hielt er fest (Zitat):
Beiliegend wie heute morgen vereinbart die am
6. Feb. vereinbarte Konditionenliste für die Stammtische
bzg. Rabattverhalten nach Repo.
[eingefügtes Dokument mit den Verkaufskonditionen für VW, Skoda und Seat per 1. März
2013]
Zum Vergleich noch die Tabelle von [...], die er auf der Basis der obigen Liste dann für
sich selbst erstellt hat.
[Tabelle]
Eine Frage gibt es allerdings noch, denn in
der neuen Konditionenliste sind wir auch bei Seat von
einer Repo ausgegangen, die es jetzt ja (noch)
nicht gibt: Frage: Sollten wir trotzdem die reduzierten
Nachlässe bei Seat verwenden oder möchtet ihr die alten Sätze, die zwischen [...]
% höher waren in der Liste? Bitte mir Bescheid geben - ich würde dann die Liste nochmals
für Seat anpassen.
In einem E-Mail vom 5. März 2013 (10.35 h; Betreff: "Konditionentabelle nach unserem Meeting
vom 6. Februar in [...]") an [R._______ AG], [Y._______ AG], [X._______ AG] und [Z._______
AG] schrieb [Q._______ AG] unter anderem Folgendes (auszugsweise zitiert):
[...]
Wenn ich mir nun die Konditionen anschaue, dann
haben wir bei den Detail-Kunden beim Polo von [...]
% auf [...] % korrigiert und beim Golf von [...] % auf [...] %. Ich habe dabei ganz ehrlich
Bedenken, dass wir das umgesetzt kriegen (insbesondere bei mir), da der Rabattunterschied - und
die Polos, Golf Einstiegsmodelle eben nicht günstiger werden - evtl. zu gross ist und wir
ggü. Kunde Argumentationsnotstand haben werden.
Ich habe mich deshalb gefragt, ob wir die Konditionen Detail nicht auf
[...] % anheben, so dass
es leichter umsetzbar wird.
Gleichentags (18.14 h) erklärte [R._______ AG] gegenüber [Q._______ AG] (mit Kopie an [Z._______
AG], [X._______ AG] und Y._______ AG) per E-Mail, was folgt (Zitat):
Guten Abend miteinander
Auch ich würde es begrüssen, wenn wir an diesen [...] % festhalten könnten. Denn
auch andere Modelle bei anderen Marken sind betroffen und somit kämen dann auch diese Verkäufer
auf die Idee, die Konditionen zu heben. Es ist uns sicher allen bewusst, dass die Ausgangslage der Einpreisung
nicht bei allen Modellen optimal ist, aber auch bei Audi hatte es Modelle, welche teurer wurden. Der
Vorteil ist sicher, dass der Import mächtig Werbung macht mit dem Wort "Volkspreisen"
und zudem werden wir gegenüber der Audi Repo alle Händler informieren können.
Wichtig ist sicher, dass wir uns engmaschig
über die Erfahrungen an der Front und deren Volumenentwicklung
updaten. Ich denke, schon nach 3
Monaten müssen wir darüber sprechen. Korrigieren können
wir immer noch.
[...]
Um 19.11 Uhr desselben Tages antwortete [Q._______ AG] [R._______ AG]
(mit Kopie an [Z._______ AG],
[X._______ AG] und [Y._______ AG]) per E-Mail wie folgt (Zitat):
Ok. Wollte Euch halt nochmals fragen. Wir werden es auch so umsetzen.
Danke für Euren Feedback.
Drei Minuten später hielt [Z._______ AG] in einem E-Mail an [Q._______ AG] (mit Kopie an [R._______
AG], [X._______ AG] und [Y._______ AG] fest (Zitat):
Guten Abend zusammen
Nun gut, wir werden dies auch so umsetzen.
Wichtig wird sein, dass auch die kleineren Betriebe die Spielregeln einhalten.
Nach ergänzender Korrespondenz betreffend den Umsetzungszeitpunkt erklärte [Z._______ AG]
in einem E-Mail vom 6. März 2013 an [R._______ AG] (mit Kopie an [Y._______ AG], [Q._______ AG]
und [X._______ AG]) Folgendes (Zitat):
Geschätzte Kollegen. Für mich war seit gestern klar, dass nachdem der letzte Stammtisch
(bei uns wird es wahrscheinlich auch die letzte Woche März sein, da wir für die Gebietsgrösse
zwei Stammtische durchführen müssen) durch ist, die Liste aktiv wird. [...]
Am 26. März 2013 sandte [Z._______ AG] [R._______ AG] ein E-Mail (mit Kopie an [Q._______ AG],
[...] und [X._______ AG]), worin er unter anderem Folgendes festhielt (Zitat):
Geschätzte Händlerkollegen
Auch wir in [...] haben die beiden Stammtische ([...] heute Morgen und heute Nachmittag in
[...]) durchgeführt.
Analog wie bei Euch positive Einstellung mit
einem Schuss "Bedenken", aber wir wollen
es alle versuchen.
Hinzu kommt, wenn der Verkäufer 2 % weniger Marge geben muss, bleibt auch bei ihm was mehr "hängen".
[...]
8.6.2 Im
Rahmen der Anhörung durch Vorinstanz vom 7. September 2015 sagte [Z._______ AG] unter Bezugnahme
auf die von ihm erwähnten "Spielregeln" sowie die in den oben zitierten E-Mails genannten
Prozentzahlen aus, seinem Verständnis nach hätten sie über Kalkulationshilfen und über
nichts anderes gesprochen. Gleichzeitig gab er zu bedenken, es sei um Erstofferten gegangen, gestützt
auf welche über den Preis verhandelt werde, wobei auch die Bewertung eines Eintauschfahrzeugs zu
berücksichtigen sei. Jeder Betrieb entscheide selbst, wieviel er bezahlen wolle. Er hätte auch
1 oder 5 % schreiben können; die Kalkulationshilfe mache jeder selber. Im Flottengeschäft,
das [...] % ausmache, sei die diskutierte Offertdarstellung erforderlich, um eine Rückvergütung
von [Q._______ AG] zu erhalten. Gegenüber Privatkunden diene sie der Transparenz.
Zu seiner Äusserung "Nun gut, wir werden dies auch so umsetzen", erklärte [Z._______
AG], er verstehe sie nicht im Sinne von Maximalrabatten. Sie hätten die IT-Systeme von [Q._______
AG]. Sie müssten das hinterlegen, und es ändere sich immer wieder. Bei [...] Garagen und
[...] Fahrzeugen, welche in der Schweiz verkauft würden, sei es unmöglich, Maximalrabatte
zu vereinbaren, sonst könne man angesichts der Konkurrenz keine Fahrzeuge mehr verkaufen.
Ergänzend hielt der Rechtsvertreter der Beschwerdeführerin fest, das Grossflottengeschäft
habe sich die [Q._______ AG] selbst vorbehalten. Was für Unternehmen wie die Beschwerdeführerin
übrig bleibe, sei das Kleinflottengeschäft. Für dieses habe die Beschwerdeführerin
Preislisten von [Q._______ AG]. Er spreche dabei von einem Marktanteil zwischen [...] und [...]
%. Der Verkäufer habe zwei Möglichkeiten: Entweder halte er sich an die [Q._______ AG]-Preislisten
und bekomme eine Rückvergütung für den Vertragsschluss oder er biete einen tieferen Preis
und verliere die Rückvergütung seines Importeurs, der gleichzeitig einen Anteil von [...]
% am Retailmarkt habe.
Bei seiner Einvernahme durch das Sekretariat vom 2. Juli 2013 hatte
[Z._______ AG] erklärt,
der VPVW spreche mit dem Importeur [Q._______ AG] über Administratives und das Händlernetz,
nicht aber über die Rabattpolitik. Diese müsse jeder individuell für sich festlegen, weil
man anders im Markt gar nicht bestehen könne.
8.7 Die
Äusserung von [Z.______ AG] vom 5. März 2013, "sie" würden "dies auch
so umsetzen", erstreckt sich auf das in der vorangegangenen E-Mail-Korrespondenz Besprochene. Einerseits
bezieht sie sich auf eine Herabsetzung der Rabatte um 2 %, was sich auch in seiner Bemerkung vom 26.
März 2013, "wenn der Verkäufer 2 % weniger Marge geben muss", widerspiegelt. Andererseits
zielt sie auf die Ablieferungspauschalen, bilden diese doch ebenfalls Bestandteil der Diskussion und
der der Beschwerdeführerin übermittelten Konditionenliste, welche gemäss E-Mail
von [Q._______ AG] vom 4. März 2013 am 6. Februar 2013 vereinbart worden war. In einem E-Mail vom
6. März 2013 hielt [Z._______ AG] denn auch fest, die Liste werde nach dem letzten Stammtisch "aktiv".
Vor diesem Hintergrund erscheint die Aussage, er hätte auch 1 oder 5 % schreiben können, wenig
glaubwürdig, denn dann wären in der Konditionenliste nicht spezifische Zahlen, sondern Bandbreiten
festgelegt worden. Ohne maximale Rabatte und minimale Ablieferungspauschalen hätte allerdings kaum
gewährleistet werden können, dass "der Verkäufer 2 % weniger Marge geben muss".
Wenn jeder die Rabattpolitik für sich selber festlegen muss, wie [Z._______ AG] anlässlich
seiner Einvernahme erklärte: Weshalb sollten sich dann auch die kleineren Betriebe an "die
Spielregeln" halten und Verkäufer 2 % weniger Marge geben müssen, wie er in seinen E-Mails
darlegte? Unter Berücksichtigung des Verlaufs der zitierten E-Mail-Korrespondenz bezieht sich das
Wort "Spielregeln" auf Rabatte sowie Ablieferungspauschalen und damit letztlich auf die Preisgestaltung.
Im Kontext der dargestellten Korrespondenz lassen sich die Ausführungen von [Z._______ AG] nur
dahingehend verstehen, dass sich die Beschwerdeführerin mit den übrigen Beteiligten auf zahlenmässig
bestimmte maximale Rabatte und minimale Ablieferungspauschalen, wie sie in der betreffenden Liste festgesetzt
worden waren, einigte. Wäre es um eine blosse Vereinheitlichung der Offertdarstellung gegangen,
hätten keine ziffernmässig (für jeden einzelnen Fahrzeugtyp) genau bestimmten maximalen
Rabatte und minimalen Ablieferungspauschalen festgesetzt werden müssen.
Die oben wiedergegebene Diskussion erweckt nicht den Eindruck, dass
die Beschwerdeführerin der
Konditionenliste nicht aus freien Stücken zugestimmt hätte. Jedenfalls versuchte sie nicht,
die Anderen von einer Harmonisierung der Rabatte und Ablieferungspauschalen abzubringen oder sich von
diesem Vorhaben zu distanzieren. Vielmehr betonte [Z._______ AG] selber die Bedeutung der Einhaltung
der "Spielregeln" auch durch die kleineren Betriebe. Obwohl die Beschwerdeführerin an
der Diskussion über Rabattsenkungen und minimale Ablieferungspauschalen nicht ganz von Beginn weg
beteiligt war, gab sie in der Folge doch deutlich zu verstehen, dass sie mit den Konditionen gemäss
Liste einverstanden war und diese umzusetzen beabsichtigte.
Wenn es ferner, wie [Z._______ AG] aussagte, "bei [...] Garagen und [...] Fahrzeugen,
welche in der Schweiz verkauft" wurden, unmöglich erschienen wäre, Maximalrabatte zu
vereinbaren, hätte er kaum erklärt, die Liste werde aktiv, nachdem der letzte Stammtisch durch
sei, und es werde wichtig sein, dass auch die kleineren Betriebe die Spielregeln einhielten.
Folglich traf [...] seitens der Beschwerdeführerin mit den an der oben wiedergegebenen Korrespondenz
Beteiligten eine Vereinbarung, sich an bestimmte, pro Fahrzeugtyp festgelegte maximale Rabatte und minimale
Ablieferungspauschalen halten zu wollen. Diese Rabatte und Ablieferungspauschalen sollten die Margen
der Händler durch Erhöhung der tatsächlichen Verkaufspreise für Neufahrzeuge vergrössern.
Sie dienten also der Beeinflussung eines Wettbewerbsparameters, denn sie waren dazu bestimmt, die Gestaltung
der Neuwagenpreise durch eine Vielzahl von Händlern zu vereinheitlichen. Mithin wurde eine Wettbewerbsbeschränkung
im Sinne von Art. 4 Abs. 1 KG bezweckt.
Dass die Rabatte und Ablieferungspauschalen "nur" für Erstofferten vereinbart waren
und bisweilen noch ein individuell zu bewertendes Eintauschfahrzeug an Zahlung genommen worden sein dürfte,
vermag am Zweck der (horizontalen) Abrede nichts zu ändern. Auch unter Berücksichtigung dieser
Umstände bleibt das Bestreben der Beteiligten festzustellen, gemeinsam die Preise anzuheben und
so den Wettbewerb zu beschränken. Erklärtes Ziel der Vereinbarung war schliesslich die Steigerung
der Margen der Händler, und diese sollte durch harmonisierte tiefere Rabatte sowie höhere Ablieferungspauschalen,
also auf Kosten der Kunden, herbeigeführt werden. Erinnert sei in diesem Zusammenhang an die folgenden
Äusserungen von [Z._______ AG] (E-Mail vom 26. März 2013, auszugsweise zitiert):
Geschätzte Händlerkollegen
Auch wir in [...] haben die beiden Stammtische ([...] heute Morgen und heute Nachmittag in
[...]) durchgeführt.
Analog wie bei Euch positive Einstellung mit
einem Schuss "Bedenken", aber wir wollen
es alle versuchen.
Hinzu kommt, wenn der Verkäufer 2 % weniger Marge geben muss, bleibt auch bei ihm was mehr "hängen".
Ich muss nachträglich bei 3 Betrieben separat ein Gespräch führen, da diese nicht
anwesend waren.
[...]
PS. Präsentation: Schade, dass es Betriebe gibt, die es nicht [verstehen] um was es wirklich
geht. Es geht um unsere eigene Zukunft und nicht die des Importeurs!
8.8 Eine
(reine) Kalkulationshilfe liegt sodann nicht vor. Gemäss Art. 2 der Bekanntmachung der WEKO betreffend
die Voraussetzungen für die kartellgesetzliche Zulässigkeit von Abreden über die Verwendung
von Kalkulationshilfen (Beschluss der WEKO vom 4. Mai 1998; Fassung vom 30. März 2021) sind
Kalkulationshilfen standardisierte, in allgemeiner Form abgefasste Hinweise und rechnerische Grundlagen,
welche den Anwendern erlauben, die Kosten von Produkten oder der Erbringung von Dienstleistungen im Hinblick
auf die Preisbestimmung zu berechnen oder zu schätzen (vgl. dazu auch Beat Zirlick
/ Simon Bangerter, in: Roger Zäch et al. (Hrsg.): KG Kommentar, 2018, Art. 5 N. 403; Andrea
Graber Cardinaux / Andreas Maschemer, in: Roger Zäch et al. (Hrsg.): KG Kommentar, 2018,
Art. 6 N. 117 ff.; Jean-Marc Reymond, in: Vincent Martenet / Pierre Tercier
/ Christian Bovet (Hrsg.), Droit de la concurrence, Commentaire, 2. A., 2013, Art. 6 KG N. 96 ff.;
Amstutz / Carron / Reinert, Art. 5 KG N. 442).
Die Vereinbarung maximaler Rabatte und minimaler Ablieferungspauschalen
bezweckte eine Steigerung
des Ertrags der Händler zu Lasten der Fahrzeugkäufer, hatte der Lieferant Ersteren doch keine
Margenerhöhung zugestanden. Erklärtes Ziel war eine möglichst flächendeckende Umsetzung
der harmonisierten Rabatte und Pauschalen. Dies zeigt nicht zuletzt die Äusserung des Geschäftsleiters
der Beschwerdeführerin, es werde wichtig sein, dass auch die kleineren Betriebe die Spielregeln
einhielten. Es ging also nicht darum, den Händlern Hilfe bei der Kalkulation zu bieten, sondern
vielmehr darum, höhere Erträge zu Lasten der Kunden zu generieren, ohne dabei in wesentlichem
Masse von ausscherenden Händlern beeinträchtigt zu werden. Schliesslich spricht auch die Bezeichnung
"Konditionenliste" dagegen, dass eine blosse Kalkulationshilfe intendiert gewesen wäre.
Im Übrigen handelt es sich bei der "Konditionenliste" um eine Tabelle, welche Rabatte
und Ablieferungspauschalen für die einzelnen Fahrzeugtypen ausweist, jedoch insbesondere keine (blosse)
Vorlage für die uniforme Gestaltung von Offerten darstellt.
8.9 Da
Höchstrabatte und Mindestablieferungspauschalen unter Beteiligung der Beschwerdeführerin sowohl
für das Einzel- als auch für das Flottengeschäft mit der Selbstanzeigerin vereinbart
wurden, entfällt, wie erwähnt, auch das Argument der Preisführerschaft, denn ein Charakteristikum
derselben bildet der eigenständige Nachvollzug von Preiserhöhungen (vgl. oben E. 8.4). Zwar
mag [Q._______ AG] Retail als grösster Marktteilnehmer im fraglichen Zeitraum einen gewissen Einfluss
auf den durchschnittlichen Marktpreis für Neuwagen des VW-Konzerns in der Schweiz gehabt haben.
Dies bedeutet aber noch nicht, dass das Unternehmen einen Preiskampf mit anderen Autohändlern unbeschadet
überstanden hätte.
Im Übrigen kann sich ein Unternehmen, wie die obigen Darlegungen (E. 8.3.1) zeigen, auch
einer einseitigen Erklärung unterziehen und auf diese Weise eine Abrede herbeiführen.
8.10 Näherer
Betrachtung bedarf noch die Präsentation, welche der Geschäftsleiter der Beschwerdeführerin
als Vorstandsmitglied des VPVW an den beiden sog. Stammtischen vom 26. März 2013 vor Händlern
von Fahrzeugen des VW-Konzerns der Region [...] hielt. Inhalt und Bedeutung dieser Präsentation
werden von der Beschwerdeführerin und der Vorinstanz unterschiedlich dargestellt.
8.10.1 Die
angefochtene Verfügung enthält insbesondere folgende Passagen zur fraglichen Präsentation
(Zitate):
Ziff. 46:
Am 26. März 2013 leitete Herr [...] ([Z._______ AG]) den Stammtisch für die Regionen
[...] und [...]. Für diesen Stammtisch plante Herr [...], die vereinbarte Konditionenliste
an die Teilnehmer des Stammtisches zu versenden oder abzugeben.
Ziff. 68:
Herr [...] ([Z._______ AG]) sagte aus, dass ihm eine Präsentation verschickt wurde, er aber
die vorgehaltene Präsentation nicht kenne. Er habe eine Präsentation beim Stammtisch gehalten,
aber er habe dafür seine eigene Präsentation angefertigt. Er habe die Folie 24 und die Folien
30, 32 und 33 nicht gezeigt. Zudem habe er die Anmerkungen zu den "Offert-Beispielen", insbesondere
diejenige in Folie 29, "generell nicht gezeigt".
Ziff. 80:
Die letzte Version der Präsentation versendete Herr [R._______ AG] am 13. März 2013, als
Basis für die Stammtische, an die Herren [Q._______ AG], [Z._______ AG], [X._______ AG] und [Y._______
AG].
Ziff. 84:
Gemäss eigener Aussage präsentierte Herr [Z._______ AG] nur die Gründe des Projekts,
die Konditionen und "Offert Beispiele", ohne die Grundsätze für die Umsetzung und
die Auswirkungen (Folien 10 und 16-18 der Präsentation) zu erklären. In diesem Fall wäre
seine Präsentation unvollständig und für die Teilnehmer des Stammtisches schwer verständlich
gewesen. Erstaunlicherweise schien es für Herrn [Z._______ AG] jedoch wichtig zu sein, dass auch
die kleineren Betriebe die Spielregeln (diejenigen auf Folie 17 der Präsentation) einhalten würden.
Es ist somit kein Grund ersichtlich, weshalb Herr [Z._______ AG] vom Inhalt der Präsentation hätte
abweichen sollen. Ohne Folien 10 und 16-18 der Präsentation wären Bedeutung und Ziele des "Projekt
Repo 2013" nur schwer fassbar gewesen. Aus diesen Gründen ist die Aussage von Herrn [Z._______
AG], nach welcher er die Folien 10 und 16-18 nicht in seiner Präsentation gehabt bzw. nicht gezeigt
hat, nicht glaubwürdig. Darüber hinaus bleibt, selbst wenn diese Aussage der Wahrheit entspräche,
die Tatsache, dass Herr [Z._______ AG] plante, die vereinbarte Konditionenliste an die Teilnehmer des
Stammtisches zu versenden oder abzugeben.
Den zuletzt zitierten Satz stützt die Vorinstanz auf folgende Äusserung des Geschäftsleiters
der Beschwerdeführerin (Zitat aus E-Mail vom 6. März 2013, 08.21 Uhr):
Geschätzte Kollegen. Für mich war seit gestern klar, dass nachdem der letzte Stammtisch
(bei uns wird es wahrscheinlich auch die letzte Woche März sein, da wir für die Gebietsgrösse
zwei Stammtische durchführen müssen) durch ist, die Liste aktiv wird. [...] gibt den Termin
des letzten Stammtisches bzw. den nächsten Starttag durch. Wir können nicht jetzt einfach beginnen,
sonst müsste ich Listen versenden, erklären etc.
Dieses E-Mail war an [R._______ AG] adressiert und ging in Kopie an
weitere Händler. Es bezieht
sich auf ein E-Mail, welches Ersterer gleichentags um 07.54 versandt
hatte; darin ist von der "neuen"
[Anführungs- und Schlusszeichen wie im Original] Konditionenliste die Rede.
8.10.2 Darauf
entgegnet die Beschwerdeführerin, sie habe weder die besagte Konditionenliste noch die Präsentation
verwendet. An den Stammtischen habe sie eine eigene Präsentation gezeigt, welche von derjenigen
vom 11. Februar 2013, auf die sich die Vorinstanz stütze, abweiche. Ihre Präsentation habe
keine Konditionenvereinbarung zum Gegenstand gehabt. Schon bei der Parteieinvernahme vom 20. Juni 2013
habe sie zu Protokoll gegeben, dass sie die ihr vorgelegte Präsentation nicht kenne, weil sie selber
eine erstellt und überdies zahlreiche eigene Folien gar nicht erst gezeigt habe. Die Vorinstanz
habe ihre Behauptungen mit keinem einzigen Beweis belegt, mithin den Sachverhalt nicht richtig erstellt.
Bei der Anhörung durch die WEKO vom 7. September 2015 erklärte der Rechtsvertreter der
Beschwerdeführerin, ein Kartellrechtsverstoss beruhe auf Mutmassungen und Spekulationen der untersuchenden
Behörde. In Ziff. 78 des Verfügungsentwurfs heisse es, es sei nicht ersichtlich, warum Herr
[Z._______ AG] vom Inhalt der Präsentation hätte abweichen sollen. Dies sei eine reine Mutmassung.
Eine simple Befragung der Personen, die damals teilgenommen hätten, hätte einer solchen Mutmassung
den Boden entzogen.
Anlässlich der Parteieinvernahme vom 20. Juni 2013 hatte [Z._______ AG] den Zweck der Stammtische
wie folgt beschrieben (Protokollzitat):
Die Idee der Stammtische ist der Informationsaustausch mit den Mitgliedern,
um Informationen vom
Importeur bezüglich Modellen und technischen Sachen als auch Prämien an die Mitglieder zu kommunizieren.
Als Ziel der Präsentation hatte er dabei angegeben (Zitat):
Ziel war ein Informationsaustausch darüber, was der Händlerverband mit dem Importeur bespricht
und die visuelle Darstellung [der Offerten].
8.10.3 Die
Bemerkung in Ziff. 84 der Sanktionsverfügung, es sei kein Grund ersichtlich, warum Herr [Z._______
AG] vom Inhalt der ihm vorgehaltenen Präsentation hätte abweichen sollen, hat in der Tat den
Charakter einer Vermutung. Sie stützt sich nicht auf Befragungen von Teilnehmern der betreffenden
Stammtische und steht der Aussage des Geschäftsleiters der Beschwerdeführerin entgegen. Letztlich
bleibt damit offen, wie sich dessen Präsentation genau darbot. Eine Befragung von Händlern,
welche am Stammtisch teilnahmen, dürfte angesichts der seither verstrichenen Zeit auch kaum verlässliche
Erkenntnisse mehr bringen.
Wenn die Händler an diesen Stammtischen aber Bedenken äusserten, wie [Z._______ AG] in
seinem oben zitierten E-Mail vom 26. März 2013 festhielt, drängt sich doch die Frage auf, ob
es bei der Präsentation lediglich um die visuelle Darstellung der Offerten ging, zumal er gleichzeitig
erklärte, wenn der Verkäufer 2 % weniger Marge geben müsse, bleibe auch bei ihm etwas
mehr "hängen". Diese Frage kann freilich offengelassen werden. Angesichts des oben wiedergegebenen
E-Mail-Verkehrs ändert sich an der Qualifizierung des inkriminierten Verhaltens als Wettbewerbsabrede
nämlich nichts, wenn die Präsentation keine Konditionenvereinbarung zum Gegenstand hatte.
9.
Zu
eruieren bleibt, ob die Wettbewerbsabrede, welche die Beschwerdeführerin mit den anderen Beteiligten
traf, unzulässig war.
9.1 Unzulässig
sind nach Art. 5 Abs. 1 KG Abreden, die den Wettbewerb auf einem Markt für bestimmte Waren oder
Leistungen erheblich beeinträchtigen und sich nicht durch Gründe der wirtschaftlichen Effizienz
rechtfertigen lassen, sowie Abreden, die zur Beseitigung wirksamen Wettbewerbs führen. Gemäss
Art. 5 Abs. 3 KG wird die Beseitigung wirksamen Wettbewerbs bei folgenden Abreden vermutet, sofern sie
zwischen Unternehmen getroffen werden, die tatsächlich oder der Möglichkeit nach miteinander
im Wettbewerb stehen (Zitat):
a. Abreden über
die direkte oder indirekte Festsetzung von Preisen;
b. Abreden über
die Einschränkung von Produktions-, Bezugs- oder Liefermengen;
c. Abreden über
die Aufteilung von Märkten nach Gebieten oder Geschäftspartnern.
Bezüglich der "Vermutungen für die Beseitigung wirksamen Wettbewerbs" wurde
in der Botschaft KG 1995 zu den Tatbeständen des Art. 5 Abs. 3 KG ausgeführt (S. 566), die
angesprochenen Wettbewerbsabreden höben Grundparameter des Wettbewerbs auf, beseitigten mit anderen
Worten den wirksamen Wettbewerb im Innenverhältnis der beteiligten Unternehmen. Wirksamer Wettbewerb
könne folglich nur noch von aussen kommen. Die wettbewerbliche Beurteilung von Sachverhalten, die
einem der Vermutungstatbestände entsprechen, laufe demnach hauptsächlich auf die Beantwortung
der Frage hinaus, ob noch wirksamer Aussenwettbewerb vorhanden sei.
9.2 Bei
der Erheblichkeit im Sinne von Art. 5 Abs. 1 KG handelt es sich gemäss neuerer Rechtsprechung des
Bundesgerichts um eine Bagatellklausel, welche als Aufgreifkriterium dient, um die Verwaltung zu entlasten
(BGE 144 II 194, BMW, E. 4.3.1 und 143 II 297, Gaba,
E. 5.1 f; Urteil des BGer 2C_113/2017 vom 12. Februar 2020, Aktiengesellschaft Hallenstadion / Ticketcorner
AG gg. Starticket AG / ticketportal AG / Weko, E. 7.3.1). Die Erheblichkeit lässt sich sowohl durch
qualitative als auch durch quantitative Merkmale bestimmen. Erweist sich das qualitative als sehr gewichtig,
bedarf es kaum eines quantitativen. Gibt es hingegen keine qualitativen Merkmale oder nur solche von
geringem Gewicht, müssen (vor allem) quantitative herangezogen werden (BGE 143 II 297, Gaba,
E. 5.2.2). Abreden nach Art. 5 Abs. 3 und 4 KG sind grundsätzlich erheblich, wobei es genügt,
dass sie den Wettbewerb beeinträchtigen können (BGE
143 II 297, Gaba, E. 5.6).
9.3 Vermutet
wird die Beseitigung wirksamen Wettbewerbs unter anderem bei Abreden über die direkte oder indirekte
Festsetzung von Preisen zwischen Unternehmen, welche tatsächlich oder der Möglichkeit nach
miteinander im Wettbewerb stehen (Art. 5 Abs. 3 Bst. a KG).
9.3.1 In
der Botschaft KG 1995 (S. 567) wurden Preisabreden nach Art. 5 Abs. 3 Bst. a KG folgendermassen umschrieben
(Zitat):
Für die Unterstellung unter diesen Vermutungstatbestand ist die Wirkung der Preisfestsetzung
entscheidend. Mit welchen Mitteln diese erreicht wird, ist ohne Belang. Der Vermutungstatbestand bezieht
sich auf jede Art des Festsetzens von Preiselementen oder Preiskomponenten. Er erfasst ferner direkte
oder indirekte Preisfixierungen. Er gilt beispielsweise nicht nur für Abreden über Rabatte,
sondern auch für Vereinbarungen über Kriterien zur Anwendung von Rabatten, soweit diese zu
einer Preisfestsetzung führen. Die gleichen Grundsätze gelten auch für Abreden über
Kalkulationsvorschriften, soweit damit letztlich die Wirkung der Preisfestsetzung bezüglich einzelner
Preiselemente erreicht wird.
Unter Hinweis darauf urteilte das Bundesgericht am 14. August 2002
(BGE 129 II 18, Buchpreisbindung
I, E. 6.5.5), zwar legten die Buchhändler die Buchpreise nicht selber in horizontalen Abreden
fest; vielmehr hielten sie bloss die von den Verlagen vorgegebenen Preise ein. Eine Preisabrede liege
indessen nicht nur vor, wenn ein konkreter Preis, sondern auch, wenn bloss einzelne Komponenten oder
Elemente der Preisbildung fixiert würden. Als Preisabrede habe auch die abgestimmte Verhaltensweise
zu gelten, wonach ein einheitlicher Endabnehmerpreis angewendet werde; das sei selbst dann der Fall,
wenn dieser nicht durch die Buchhändler, sondern je durch die einzelnen Verleger bestimmt sei. Die
Buchhändler wüssten, dass infolge des Sammelrevers alle anderen angeschlossenen Buchhändler
jedes Buch zum gleichen Preis verkauften wie sie. Diese Ausschaltung des Preiswettbewerbs auf Stufe Endabnehmer
sei das offensichtliche Ziel des Sammelrevers.
Im Urteil 2C_1017/2014 vom 9. Oktober 2017 betreffend Preiserhöhungen erwog das Bundesgericht,
eine Vereinbarung werde nicht durch ein "Preisdiktat" der Hersteller ausgeschlossen. Massgebend
sei alleine, ob die Beteiligten auf der gleichen Marktstufe eine Abrede getroffen hätten, die Preise
in bestimmter Höhe festzusetzen bzw. weiterzugeben (Eidgenössisches Departement für Wirtschaft,
Bildung und Forschung SBFI gg. Koch Group AG Wallisellen / Weko, Koch,
E. 3.2).
9.3.2 Vor
diesem Hintergrund fragt sich, ob die Verkaufspreise durch die konstatierte Vereinbarung von Höchstrabatten
und minimalen Ablieferungspauschalen im Sinne von Art. 5 Abs. 3 Bst. a KG festgesetzt
wurden. Wie die Beschwerdeführerin betont, betrafen die Rabatte und Ablieferungspauschalen "nur"
Erstofferten, wovon auch die Vorinstanz ausging. Zu bedenken sei ferner, dass bei Autoverkäufen
oftmals Eintauschfahrzeuge, welche einer individuellen Bewertung bedürften, an Zahlung genommen
würden.
9.3.3 Vereinbart
wurden die Rabatte und Ablieferungspauschalen im Kontext der Reduktion der Listenpreise, welche die [Q._______
AG] Import per 1. März bzw. 1. April 2013 vorgenommen hatte (vgl. oben E. 8.6). Wie sich aus
der Umschreibung des Begriffs "Konditionenliste" in Ziff. 9 der Sanktionsverfügung schliessen
lässt, stützte sich die Vorinstanz auf die Prämisse, dass die Rabatte der Händler
jeweils als Prozentsatz des Listenpreises (des Herstellers) festgesetzt wurden. Ein (ausdrücklicher)
Vorwurf an die involvierten Händler, etwa im Sinne einer Bruttopreisabsprache oder einer abgestimmten
Verhaltensweise stets den Listenpreis des Herstellers bzw. des Importeurs als sog. Fahrzeuggrundpreis
in den Offerten verwendet zu haben, findet sich in der Sanktionsverfügung jedoch nicht.
Gleichwohl muss davon ausgegangen werden, dass dieser Listenpreis als
Basis für die vereinbarten
Höchstrabatte diente, denn ohne entsprechenden Referenzwert ergäbe die Festlegung prozentualer
Preisnachlässe wenig Sinn. Ausserdem wurden die Rabatte gerade im Zuge der Senkung der Listenpreise
abgesprochen, um die Rentabilität zu sichern. Auch die Bemerkung der Beschwerdeführerin, die
Händler hätten individuelle Rabatte und andere Vergünstigungen gewähren können,
deutet darauf hin, dass die Listenpreise des Herstellers bzw. des Importeurs den Ausgangspunkt der Offertstellung
bildeten. Bekräftigt wird dies durch die Aussage der Beschwerdeführerin, für das Flottengeschäft,
welches [...] % ausmache, gebe es Preislisten der [Q._______ AG]; wenn man sich daran halte, gewähre
der Importeur eine Rückvergütung auf den Vertragsschluss. In diesem Zusammenhang bleibt ferner
darauf hinzuweisen, dass die Händlermargen laut den Aussagen Beteiligter durch den Hersteller bzw.
den Importeur vorgegeben waren (vgl. zum Einfluss der Handelsmargen Kostka,
N. 1381).
Die Beschwerdeführerin selber beruft sich auf Spielräume der Händler bei anderen Elementen
ihrer Gegenleistung als bei den (von der Vorinstanz als abgesprochen gewerteten) Rabatten und Ablieferungspauschalen,
nicht aber darauf, dass schon die in den Offerten ausgewiesenen Fahrzeuggrundpreise je nach Händler
individuell festgesetzt worden wären.
9.3.4 Folgt
man der bundesrätlichen Botschaft und der oben zitierten Rechtsprechung des Bundesgerichts, liegt
eine Subsumtion der festgestellten Vereinbarung maximaler Rabatte und minimaler Ablieferungspauschalen
unter Art. 5 Abs. 3 Bst. a KG nahe. Auch in der wohl überwiegenden Lehre wird der Begriff der Preisabrede
nach Art. 5 Abs. 3 Bst. a KG weit ausgelegt, so dass er neben dem Preis als solchem sämtliche Komponenten
desselben umfasst (vgl. Bangerter / Zirlick, Art. 5 KG N. 380 m.H. und 418;
Jürg Borer, Wettbewerbsrecht I, Kommentar, 3. A., 2011, Art. 5 KG N.
34 f.; Andreas Heinemann: Bruttopreisabsprachen, in: Inge Hochreutener / Walter
A. Stoffel / Marc Amstutz (Hrsg.), 8. IDé-Tagung zum Wettbewerbsrecht, Grundlegende Fragen, Bern
2017, S. 121 ff., 133; Juhani Kostka, Harte Kartelle, 2010, N. 1317 ff. m.H.,
1371 ff.; Peter Reinert, in: Baker & McKenzie (Hrsg.), SHK-Kartellgesetz,
2007, Art. 5 KG N. 25; Felix Tuchschmid, Die horizontale Preisabrede, Eine
Auslegung des kartellrechtlichen Vermutungstatbestands von Art. 5 Abs. 3 lit. a KG, AJP 2018 S. 848 ff.,
848 f.; Rolf H. Weber / Stephanie Volz, Wettbewerbsrecht, 2013, N. 2.182,
2.191; relativierend hingegen Amstutz / Carron / Reinert, Art. 5 KG N. 398
f.; zum Ganzen vgl. auch Urteil des BVGer B-807/2012 vom 25. Juni 2018, Erne,
E. 10.2.3 m.H.).
Reinert (Art. 5 KG N. 25) legt dar, selbst Abreden über die Rabattgewährung
wirkten sich letztlich auf die Preisfestsetzung aus und fielen damit grundsätzlich unter Art. 5
Abs. 3 Bst. a KG. Eine Ausnahme, bei der eine Vermutung der Wettbewerbsbeseitigung von vorneherein nicht
vorliege, bestehe immerhin dort, wo sich die Vereinbarung auf einen nur sehr kleinen Preisbestandteil
beziehe und damit keine spürbare Auswirkung auf den Endpreis habe. Namentlich bei Abreden über
Rabatte dürfte dies seiner Meinung nach regelmässig der Fall sein, wenn die Ausgangspreise
weiterhin frei festgesetzt werden könnten.
Für eine etwas restriktivere Auslegung plädieren Emch und Gottret
(Daniel Emch / Anna Gottret: Grundsätzliche Erheblichkeit - kritische
Würdigung und mögliche Korrektive, in: sui-generis 2018, S. 374 ff., 379 N. 17). Sie vertreten
die Auffassung, es solle nicht mehr alles, was einen entfernten Bezug zum Wettbewerbsparameter Preis
habe, als horizontale Preisfestsetzung qualifiziert werden. Nur Abreden über Preiskomponenten, die
tatsächlich zu einer einheitlichen Preisfestsetzung führten, gehörten unter den betreffenden
Vermutungstatbestand subsumiert.
Tuchschmid vertritt den Standpunkt, wenn lediglich ein einzelnes Preiselement
abgesprochen werde, bestehe weiterhin Wettbewerb bei allen nicht festgesetzten Preiselementen, und die
Unternehmen blieben bezüglich der Festsetzung des Endpreises grundsätzlich frei. Das Potential
solcher Abreden, den wirksamen Wettbewerb zu beseitigen, sei äusserst gering (S. 850 ff.). Im Unterschied
zu Bruttopreisen bildeten andere Preiselemente keineswegs die Berechnungsgrundlage für den Endpreis.
Der Ausgangspreis könne weiterhin frei festgesetzt werden. So könnten Rabattabreden nur, wenn
andere Faktoren hinzukämen, beispielsweise in Kombination mit Bruttopreisabreden oder weil der Preiswettbewerb
auf einem Markt mit Publikumshöchstpreis und festgesetzter Marge nur über die Rabatte spiele,
zu einer Festsetzung des Endpreises führen. Abreden über Preiselemente erschienen daher für
sich allein nicht als besonders schädliche Abreden, vor denen der wirksame Wettbewerb und der einzelne
Marktteilnehmer durch direkte Sanktionen geschützt werden müssten (S. 862). Alle Abreden, die
lediglich harmonisierende Wirkung auf die Endpreise hätten oder eine solche Wirkung bezweckten,
fielen nicht unter den Tatbestand der horizontalen Preisabrede nach Art. 5 Abs. 3 Bst. a KG. Sie seien
jedoch in der Regel erheblich und vorbehaltlich einer Effizienzrechtfertigung unzulässig. Die WEKO
könne deren Unzulässigkeit mittels Verfügung feststellen und für den Fall einer Zuwiderhandlung
gegen die Verfügung indirekte Sanktionen gemäss Art. 50 KG androhen (S. 863).
Kostka erklärt (N. 1378), bei mehreren wettbewerbsbeschränkenden
Abreden spiele es keine Rolle, ob die einzelne Rabattabrede eine erhebliche Einschränkung des Preiswettbewerbs
bewirke (z.B. mittels Festlegung eines vergleichsweise geringen zulässigen Rabatts) oder nur eine
vergleichsweise geringe Beeinflussung des Preiswettbewerbs zeitige (z.B. mittels Festlegung eines maximal
zulässigen Rabatts von 80 %), da aus der Gesamtheit der Abreden ohnehin ihr wettbewerbsbeschränkender
Zweck hervorgehe und sich aus der kumulativen Wirkung der Gesamtheit der Abreden die preisharmonisierende
Wirkung ergebe. In einem solchen Fall sei die Rabattabrede gemeinsam mit den übrigen Abreden in
ihrer Gesamtheit als Preisabrede zu qualifizieren.
Harmonisierung bedeutet im vorliegenden Kontext nicht, dass die fraglichen
Preise (nahezu) identisch
sein müssten. Harmonisierend können beispielsweise auch eine gleichförmige Erhöhung
des Preisniveaus oder andere koordinierte Preisstrategien zur Erzielung einer Kartellrente wirken, selbst
wenn die Preisniveaus der einzelnen Produkte oder Dienstleistungen unterschiedlich bleiben sollten (vgl.
Bangerter / Zirlick, Art. 5 KG N. 390).
9.3.5 Bei
Fahrzeugpreisen von mehreren zehntausend Franken war die Absprache geeignet, die effektiven Verkaufspreise
zum Nachteil der Kunden um einige hundert bis einige tausend Franken pro Fahrzeug anzuheben. Beträge
dieser Grössenordnung können im vorliegenden Kontext nicht als geringfügig oder gar vernachlässigbar
taxiert werden. Vielmehr handelt es sich bei den abgesprochenen Rabatten und Ablieferungspauschalen um
wesentliche Elemente des Kaufpreises. Auch die Äusserungen eines involvierten Händlers, man
spreche von einer "Chance von ca. 24 Mio.", und eine um Fr. 100.- höhere Ablieferungspauschale
ergebe pro 100 Neuwagen bekanntlich Fr. 10'000.- mehr in der Kasse (vgl. oben E. 8.6.1),
lassen darauf schliessen, dass nicht über unbedeutende Preiselemente diskutiert wurde. Hervorzuheben
bleibt hier auch nochmals, dass die Preissetzung auf einheitlichen Listenpreisen basierte.
9.3.6 Abgesehen
davon würde für eine Verhaltenskoordination bezüglich des Preises nach der Gesetzeskonzeption
schon eine Verständigung über einzelne Preiselemente ausreichen (Botschaft KG 1995, 567). Einer
Verständigung über sämtliche einzelnen Bestandteile zur Ausgestaltung des Preises oder
aller Komponenten zur Ermittlung des Preises durch die Abredebeteiligten bedarf es hingegen nicht. Dementsprechend
genügt eine Verständigung über Rabatte oder Berechnungsmethoden eines für ein Produkt
anzuwendenden Preises für die Qualifizierung als Preisabrede (Botschaft KG 1995, 567).
Überdies hat der Gesetzgeber die Behandlung von Preis- und anderen harten Kartellabreden aus
Gründen der Rechtssicherheit und der Praktikabilität an das EU-Wettbewerbsrecht angekoppelt.
Harte Kartellabreden sollen demzufolge zwar nicht strenger, aber auch nicht milder als im EU-Wettbewerbsrecht
behandelt werden (AB 2003 330, Votum Fritz Schiesser für die Mehrheit der Ständeratskommission).
Dies stellte das Bundesgericht im Sinne einer Parallelität der Rechtslage bereits ausdrücklich
fest (BGE 143 II 297, Gaba, E. 6.2.3; BGE 147 II 72, Pfizer,
E. 3.1, für das Tatbestandsmerkmal der Verhaltenskoordination). Für die Bestimmung des Inhalts
einer Preisabrede und deren wettbewerbliche Einstufung ist daher die entsprechende Qualifizierung von
Preisabreden durch die EU-Wettbewerbspraxis zu berücksichtigen (vgl. hierzu Hengst
Daniela, in: Langen/Bunte (Hrsg.), Kartellrecht, Bd. 2, Europäisches Kartellrecht, 13. A.,
2018; Art. 101 Abs. 1 N. 269 ff.; Schröter Helmuth/Voet
van Vormizeele Philipp, in: Schröter/Jakob/Klotz/Mederer
(Hrsg.), Europäisches Wettbewerbsrecht, 2. A., 2014, Art. 101 Abs. 1 N. 134 ff.; Wollmann
Hanno/Herzog Andrea, in: Bornkamm/Montag/Säker (Hrsg.), Münchener Kommentar Europäisches
und Deutsches Wettbewerbsrecht, Bd. 1, Europäisches Wettbewerbsrecht, 2. A., 2015, Art. 101 Abs.
1 N. 178 f., 253 f.; Zimmer Daniel, in: Immenga/Mestmäcker
(Hrsg.), Wettbewerbsrecht, Bd. I, Europäisches Kartellrecht, 6. A., 2019, Art. 101 Abs. 1 N. 213
ff.).
Das EU-Wettbewerbsrecht sieht bei Preisabreden weder im Hinblick auf
die Eingehung oder die inhaltliche
Ausgestaltung noch die nachteilige Einwirkung der Preiskoordination
eine qualitative Differenzierung
vor. Als Preisabrede wird sowohl jeder Austausch von Informationen über Preiselemente als auch deren
Festlegung zwischen Unternehmen aller Marktstufen erfasst. Dabei werden Preisabreden selbst bei einer
unerheblichen Wettbewerbsbeschränkung generell nicht zugelassen. Dies gilt auch für die Verständigung
über Preisempfehlungen. Als Ausnahme von der generellen Unzulässigkeit sind Höchstpreisabreden
bei vertikalen Wettbewerbsverhältnissen vorgesehen, soweit sich diese nicht faktisch wie übliche
Preisabreden auswirken. Die Zulässigkeit einer Preisabrede im Einzelfall ergibt sich darüber
hinaus nur bei Vorliegen eines ausreichenden Rechtfertigungsgrunds.
Nach der Konzeption der einschlägigen Verbotsnormen des KG bildet der Aspekt der Wesentlichkeit
kein Kriterium für die Abgrenzung oder Differenzierung von Preisabreden. Einerseits würde dies
der vom Gesetzgeber vorgesehenen einheitlichen Beurteilung von Preisabreden widersprechen. Andererseits
sehen weder Art. 4 Abs. 1 KG noch Art. 5 Abs. 3 und 4 KG ein entsprechendes Kriterium vor. Ferner statuiert
Art. 5 KG mit dem Tatbestandsmerkmal der Erheblichkeit von Wettbewerbsbeeinträchtigungen bereits
ein Kriterium, mit dem unerhebliche Sachverhalte von einer Qualifizierung als unzulässige Wettbewerbsabreden
ausgeschlossen werden. Deshalb besteht kein notwendiger Anwendungsbereich für eine zusätzliche
Abgrenzung von unwesentlichen Preisabreden. Darüber hinaus sieht das EU-Wettbewerbsrecht weder ein
Wesentlichkeitskriterium für die Feststellung einer Preisabrede noch ein Erheblichkeitskriterium
für die Beurteilung von Preisabreden vor. Vielmehr ist eine Koordination von Preiselementen ungeachtet
ihrer jeweiligen Bedeutung für den Preis eines Produkts verboten.
Angesichts dessen sind als Preisabreden alle Verhaltenskoordinationen
zu qualifizieren, die in die
eigenständige Preisbildung eines Unternehmens eingreifen und damit dessen Preissetzungsfreiheit
einschränken, weil dadurch das Selbständigkeitspostulat verletzt wird (BGE 147 II 72, Pfizer,
E. 3.5, 144 II 246, Altimum, E. 6.4.2 und 129 II 18, Buchpreisbindung
I, E. 5.1). Ein formaler Eingriff in die Preisgestaltung durch die Festlegung bestimmter
Preiselemente ist bereits nach seinem Inhalt auf eine nachteilige Einwirkung auf den Wettbewerb ausgerichtet.
Daher bezweckt er eine Wettbewerbsbeschränkung (BGE 147 II 72, Pfizer,
E. 3.6, 129 II 18, Buchpreisbindung I, E. 5.1). Dies entspricht
im Ergebnis der Rechtslage im EU-Wettbewerbsrecht.
9.3.7 Die
Beschwerdeführerin erklärt, im Verkauf spielten nebst Rabatten und Konditionen weitere Wettbewerbsparameter
wie z.B. Service, Standort, Reputation und Auswahl eine Rolle. Immer hätten die Händler die
Möglichkeit gehabt, diverse Rabatte zu gewähren. In der Konditionenliste seien dementsprechend
Kunden-, Mengen-, Ausstellungsrabatte, Rabatte für Lagerfahrzeuge sowie weitere Zusatzkonditionen
explizit aufgeführt. Mit Bezug auf den Endpreis hätten bereits minimale empirische Untersuchungen
durch die Vorinstanz zeigen können, dass sich individuelle Rabatte, Eintauschfahrzeuge und andere
preisrelevante Punkte massgeblich auf den Markt auswirkten.
Standort, Reputation und Auswahl stellen keine Aspekte des Preises
dar, weshalb sie bei der Frage,
ob Preise gemäss Art. 5 Abs. 3 Bst. a KG festgesetzt wurden, unberücksichtigt bleiben. Serviceleistungen
können unter Umständen als preisrelevant aufgefasst werden, soweit sie gleichsam als Teil des
Kaufgegenstandes angeboten wurden. Die in den Akten befindlichen Offertbeispiele für Neuwagen sehen
neben dem jeweiligen Preisnachlass Ablieferungspauschalen, Treue- und Ausstellungsrabatte sowie Lagerabverkaufsprämien
als mögliche Preiselemente vor. Zusammen mit dem Fahrzeuggrundpreis und den Kosten der Mehrausstattung
ergeben diese den Gesamtpreis des Neuwagens. Davon wird der Preis eines allfälligen Eintauschfahrzeugs
abgezogen, woraus der Restkaufpreis resultiert. Eintauschfahrzeuge wurden folglich an Zahlung genommen,
bestimmten den Gesamtpreis des Neuwagens aber nicht mit und waren unterhalb desselben separat aufgeführt.
Wohlbemerkt bezieht sich der Vorwurf der Absprache auf die Preise der Neuwagen.
9.3.8 Ausgehend
von den Listenpreisen konnte die individuelle Preissetzung beim Neuwagenverkauf nur über die verschiedenen
Rabatte, die Ablieferungspauschale und über Prämien, z.B. für Verkäufe ab Lager,
stattfinden. Prämien und Rabatte beruhen bisweilen auf koordinierten Aktionen seitens des Herstellers
bzw. des Importeurs, an denen zahlreiche Händler mitwirken, sodass diesbezüglich nicht von
individuellen oder mit den einzelnen Käufern ausgehandelten Preisreduktionen gesprochen werden kann.
Von den wenigen tatsächlich einem individuellen Verhandlungsprozess zugänglichen Preiselementen
wurden zwei, nämlich der allgemeine Preisnachlass (Rabatt) und die Ablieferungspauschale, abgesprochen.
Dies muss unter den gegebenen Umständen als Preisfestsetzung im Sinne von Art. 5 Abs. 3 Bst a KG
qualifiziert werden, zumal es sich um eine kombinierte Abrede handelt, bei welcher niedrige Höchstrabatte
vereinbart wurden (vgl. Kostka, N. 1378 und 1380, wonach Abreden, die einen
geringen maximalen Rabatt festlegen, eine erhebliche Beeinflussung des Preises bzw. eine faktische Beseitigung
des Preiswettbewerbs erzielen).
9.4 Angesichts
dessen stellt sich die Frage, ob im betreffenden Zeitraum entgegen der gesetzlichen Vermutung wirksamer
Wettbewerb herrschte (vgl. BGE 143 II 297, Gaba, E. 4.1 und Urteil
des BGer 2C_1017/2014 vom 9. Oktober 2017 E. 3.3). Als solcher fällt aktueller oder potentieller
Aussen- oder Innenwettbewerb in Betracht (vgl. BGE 143 II 297, Gaba,
E. 4.1 a.E. m.H., Urteil des BGer 2C_63/2016 vom 24. Oktober 2017, BMW,
E. 4.3.2).
Wie die WEKO in Ziff. 289 der angefochtenen Sanktionsverfügung zutreffend schloss, kann "die
in Art. 5 Abs. 3 Bst. a KG verankerte Vermutung der Beseitigung des Wettbewerbs [...] in casu aufgrund
des vorhandenen Aussenwettbewerbs umgestossen werden." Die Analyse desselben habe gezeigt, dass
in allen untersuchten Segmenten trotz der sehr hohen gemeinsamen Marktanteile der Abredeteilnehmer von
einer Vielzahl aktueller und potentieller Wettbewerber auszugehen sei.
9.5 Wird
wirksamer Wettbewerb nachgewiesen, so liegt freilich eine erhebliche Beeinträchtigung
des Wettbewerbs vor, weil eine Preisabrede im Sinne von Art. 5 Abs. 3 Bst. a KG gemäss bundesgerichtlicher
Rechtsprechung grundsätzlich bereits erheblich ist (BGE 147 II 72, Pfizer,
E. 6.5, 143 II 297, Gaba, E. 5.6 und Urteil des BGer 2C_1017/2014
vom 9. Oktober 2017, Koch, E. 3.3). Dabei genügt es, wenn
die Abrede den Wettbewerb potentiell beeinträchtigen kann,
denn schon mit ihrer Vereinbarung und nicht erst mit ihrer praktischen Umsetzung wird laut Bundesgericht
ein Klima der Wettbewerbsfeindlichkeit geschaffen, welches im Sinne von Art. 96 BV und Art. 1 KG hinsichtlich
des Funktionierens des normalen Wettbewerbs volkswirtschaftlich oder sozial schädlich ist (BGE 144
II 194, BMW, E. 4.3.1 f. und 143 II 297, Gaba,
E. 5.4).
Tatsächlicher Auswirkungen oder einer praktischen Anwendung der Abrede bedarf es demnach nicht
(BGE 143 II 297, Gaba, E. 5.4; Urteil des BVGer B-771/2012 vom
25. Juni 2018, Cellere, E. 8.3.1 f.). Insofern erübrigen
sich auch ergänzende Untersuchungsmassnahmen, wie sie die Beschwerdeführerin verlangt. Entsprechend
lässt sich diesbezüglich keine Verletzung des Untersuchungsgrundsatzes konstatieren.
9.6 Die
Beschwerdeführerin rügt, die Abrede sei nicht umgesetzt worden. Hinsichtlich der Anwendung
der streitigen Konditionenliste wird unter Ziff. 55 der Sanktionsverfügung Folgendes ausgeführt
(Zitat):
Aufgrund der vorliegenden Informationen musste die vereinbarte Konditionenliste
allerdings erst am
Tag nach dem letzten Stammtisch, dem 27. März 2013, aktiv werden [...]. Am 2. und 3. April 2013
zeigten sich die ersten Reaktionen seitens der [Q._______ AG] und des VPVW-Präsidenten, um die Umsetzung
des "Projekt Repo 2013" durch alle autorisierten Händler der Marken des VW-Konzerns
und die Teilnehmer der VPVW-Stammtische zu unterbrechen. Am 3. April 2013 hat die [Q._______ AG] ihre
Selbstanzeige eingereicht und am 22. Mai 2013 hat das Sekretariat die Untersuchung gegen die [Q._______
AG] und die Verfahrensparteien eröffnet. Das heisst, dass die vereinbarte Konditionenliste nur zwischen
dem 28. März und dem 3. April 2013 hat angewendet werden können, wovon die vier Tage zwischen
29. März und 1. April 2013 auf die Ostertage entfielen (also insgesamt drei Tage). Die betreffende
Wettbewerbsabrede wurde somit nur kurze Zeit umgesetzt.
Für eine tatsächliche praktische Umsetzung einer Abrede durch die Beschwerdeführerin
finden sich zwar keine Beweise in den Akten. Insbesondere fehlen entsprechende Offerten oder Kaufverträge.
Allerdings bildet bei Vereinbarungen im Sinne von Art. 4 Abs. 1 KG ein konkretes Verhalten den Gegenstand
der erklärten Willensübereinstimmung, während eine Umsetzung derselben nicht erforderlich
ist (BGE 147 II 72, Pfizer, E. 3.4.5; vgl. auch Urteil des BVGer
B-552/2015 vom 14. November 2017, Türbeschläge, E. 4.1).
Insofern sind die Einwände der Beschwerdeführerin betreffend fehlende praktische Umsetzung
der strittigen Abrede irrelevant.
10.
Zu
prüfen bleibt, ob sich die Abrede durch Gründe der wirtschaftlichen Effizienz rechtfertigen
lässt (Art. 5 Abs. 1 KG).
10.1 Art.
5 Abs. 2 KG bestimmt dazu Folgendes (Zitat):
Wettbewerbsabreden sind durch Gründe der wirtschaftlichen Effizienz gerechtfertigt, wenn sie:
a.notwendig sind, um die Herstellungs-
oder Vertriebskosten zu senken, Produkte oder Produktionsverfahren zu verbessern, die Forschung oder
die Verbreitung von technischem oder beruflichem Wissen zu fördern oder um Ressourcen rationeller
zu nutzen; und
b.den beteiligten Unternehmen
in keinem Fall Möglichkeiten eröffnen, wirksamen Wettbewerb zu beseitigen.
10.2 Gestützt
auf Art. 6 KG können in Verordnungen oder allgemeinen Bekanntmachungen die Voraussetzungen umschrieben
werden, unter denen einzelne Arten von Wettbewerbsabreden aus Gründen der wirtschaftlichen Effizienz
in der Regel als gerechtfertigt gelten. Dabei werden gemäss Art. 6 Abs. 1 KG insbesondere die
folgenden Abreden in Betracht gezogen (auszugsweise zitiert):
b.Abreden über die
Spezialisierung und Rationalisierung, einschliesslich diesbezügliche Abreden über den Gebrauch
von Kalkulationshilfen;
[...]
e.Abreden mit dem Zweck,
die Wettbewerbsfähigkeit kleiner oder mittlerer Unternehmen zu verbessern, sofern sie nur eine beschränkte
Marktwirkung aufweisen.
10.3 Durch
die Effizienzanalyse sollen Abreden, die auch im Dienste eines gesamtwirtschaftlich positiven Zwecks
stehen, von jenen unterschieden werden, welche hauptsächlich dem Erzielen einer Kartellrente dienen.
Zur Rechtfertigung einer Abrede müssen die in Art. 5 Abs. 2 KG statuierten Voraussetzungen kumulativ
erfüllt sein, wobei es genügt, wenn ein einzelner der in Art. 5 Abs. 2 Bst. a KG genannten
Effizienzgründe vorliegt. Das in dieser Bestimmung erwähnte Erfordernis der Notwendigkeit wird
vom Bundesgericht im Sinne der Verhältnismässigkeit ausgelegt (zum Ganzen BGE 147 II 72, Pfizer,
E. 7.2, 143 II 297, Gaba, E. 7.1 und 129 II 18, Buchpreisbindung
I, E. 10.3, je m.H.; Urteil des BVGer B-829/2012 vom 25. Juni 2018, Granella,
E. 9.3.5).
Im Lichte des gesamtwirtschaftlichen Effizienzbegriffs reichen rein
individuelle, subjektive, betriebswirtschaftliche
Zugewinne an Leistungsfähigkeit (z.B. betriebsinterne Kostenumlagerungen) oder rein pekuniäre
Vorteile (z.B. blosse Kartellrenten, eine sog. Marktberuhigung oder die Verhinderung ruinösen Wettbewerbs)
der Abredeteilnehmer für eine Rechtfertigung nicht aus (Zirlick / Bangerter,
Art. 5 KG N. 258; zum Ganzen auch Amstutz / Carron / Reinert, Art. 5 KG N.
246 ff.).
10.4 Die
Notwendigkeit der Absprache muss in zeitlicher, örtlicher, persönlicher und wirtschaftlicher
Hinsicht gegeben sein (BGE 144 II 246, Altimum, E. 13.5.1 m.H.).
Preisabreden erfüllen das Kriterium der Notwendigkeit in der Regel nicht (BGE 144 II 246, Altimum,
E. 13.5.1 und 129 II 18, Buchpreisbindung I, E. 10.4, je m.H.).
10.5 Unter
dem Gesichtspunkt einer Rechtfertigung infolge (gesamt-) wirtschaftlicher Effizienz bleibt die Abrede
mit Blick auf das Argument der Beschwerdeführerin, es sei um Transparenz in der Offertdarstellung,
besonders gegenüber Privatkunden, gegangen, zu beurteilen. Andere mögliche Rechtfertigungsgründe
sind nicht erkennbar. Wie oben festgestellt (E. 8.8), liegt namentlich keine (reine) Kalkulationshilfe
vor.
10.5.1 In
den Ziff. 348 ff. der Sanktionsverfügung legte die Vorinstanz dar, zur Beurteilung von Rechtfertigungsgründen
im Fall einer Preisabrede könne die Bekanntmachung der WEKO betreffend die Voraussetzungen für
die kartellrechtliche Zulässigkeit von Abreden über die Verwendung von Kalkulationshilfen als
Orientierungshilfe dienen. Insbesondere liessen sich gemäss dieser Bekanntmachung Abreden über
den Gebrauch von Kalkulationshilfen aus Gründen der wirtschaftlichen Effizienz in der Regel dann
nicht rechtfertigen, wenn sie den Beteiligten Margen, Rabatte, andere Preisbestandteile oder Endpreise
vorgäben oder vorschlügen. A fortiori könne eine Abrede wie die vorliegende, welche die
Verwendung einer gemeinsamen Konditionenliste für Preisnachlässe und Ablieferungspauschalen
zum Gegenstand habe, nur schwerlich gerechtfertigt sein.
Die Erstellung und die Verbreitung einer derartigen Konditionenliste
zwischen den Händlern dienten
lediglich der Abstimmung eines gemeinsamen Rabattverhaltens und der
Ausrichtung der Preispolitik an den
Konkurrenten. Es sei deshalb in keiner Weise ersichtlich, dass eine
solche Abrede einen Zusammenhang
mit einer Senkung von Vertriebskosten, mit Forschung oder Verbreitung
von technischem oder beruflichem
Wissen oder einer rationellen Nutzung von Ressourcen aufweise. Für die vorliegende Abrede seien
daher keine Rechtfertigungsgründe ersichtlich, und die Parteien machten auch keine solchen geltend.
10.5.2 Gewiss
können sich transparente, aufgrund ihrer Darstellung leicht vergleichbare Angebote aus Kundensicht
als vorteilhaft erweisen. Allerdings lässt sich nicht nachvollziehen, weshalb es maximaler Rabatte
und minimaler Ablieferungspauschalen bedürfte, um die Offerten entsprechend zu strukturieren. Hierfür
würde eine rein formale Angleichung genügen. Mithin fehlt es für eine Rechtfertigung bereits
am Erfordernis der Notwendigkeit der festgestellten Abrede.
10.5.3 Durch
die harmonisierten Rabatte und Ablieferungspauschalen sollte den Händlern auf Kosten der Kunden
eine höhere Marge verschafft werden. Die Festlegung maximaler Rabatte und minimaler Ablieferungspauschalen
dient zwar den Verkäufern. Sie belastet aber die Käufer, weil zwei Elemente der Preisbildung
betragsmässig nach oben gedrückt werden. Ein gesamtwirtschaftlicher Effizienzgewinn ergab sich
unter diesen Umständen nicht; er wurde auch nicht (auf substantiierte, nachvollziehbare Weise) geltend
gemacht. Mit anderen Worten verfolgte die Abrede aus objektiver Sicht keinen positiven wirtschaftlichen
Zweck, welcher letztlich via wirksamen Wettbewerb auch der Marktgegenseite zugutegekommen wäre.
10.6 Ein
Rechtfertigungsgrund im Sinne von Art. 5 Abs. 2 und Art. 6 Abs. 1 KG liegt demzufolge nicht vor, weshalb
die festgestellte Wettbewerbsabrede als unzulässig qualifiziert werden muss.
11.
Gemäss
Art. 49a Abs. 1 KG wird ein Unternehmen, das an einer unzulässigen Abrede nach Art. 5 Abs. 3 KG
beteiligt ist, mit einem Betrag von bis zu 10 % des in den letzten drei Geschäftsjahren in der Schweiz
erzielten Umsatzes belastet. Dieser Betrag bemisst sich nach Dauer und Schwere des unzulässigen
Verhaltens, wobei der mutmassliche Gewinn, den das Unternehmen durch die Abrede erzielte, in angemessener
Weise berücksichtigt werden muss.
11.1 Eine
Sanktionierung nach Art. 49a Abs. 1 KG setzt ein Verschulden im Sinne der Vorwerfbarkeit voraus (BGE
147 II 72, Pfizer, E. 8.4.2, 146 II 217, ADSL
II, E. 8.5.2 und 143 II 297, Gaba, E. 9.6.2). Die subjektive
Zurechenbarkeit des unter den Tatbestand subsumierten Verhaltens beruht dabei entweder auf einem objektiven
Sorgfaltsmangel im Sinne eines Organisationsverschuldens seitens des Unternehmens oder auf zumindest
fahrlässigem Handeln der Unternehmensverantwortlichen. Darunter fällt neben pflichtwidrigem
Verhalten von Organen auch solches von Mitarbeitern, welche mit der betroffenen Geschäftstätigkeit
ordnungsgemäss betraut waren (vgl. Urteile des BVGer B-771/2012 vom 25. Juni 2018, Cellere,
E. 9.3.1 und B-581/2012 vom 16. September 2016, Nikon, E. 8.2,
je m.H.; vgl. Robert Roth, in: Vincent Martenet / Christian Bovet / Pierre
Tercier (Hrsg.), Droit de la concurrence, Commentaire, 2. A., 2013, Art. 49a-53 KG N. 37 ff.).
Gemäss bundesgerichtlicher Rechtsprechung ist bei nachweisbarem wettbewerbswidrigem Verhalten
in aller Regel auch die objektive Sorgfaltspflicht verletzt, weil Unternehmen die Normen des KG sowie
die entsprechende Praxis kennen müssen (BGE 147 II 72, Pfizer,
E. 8.4.2, 146 II 217, ADSL II, E. 8.5.2 und 143 II 297, Gaba,
E. 9.6.2).
11.1.1 Unter
dem Titel der Vorwerfbarkeit wurde in der Sanktionsverfügung Folgendes ausgeführt (Zitat):
Vorliegend handeln die Herren [...] ([Z._______ AG]), [...] ([X._______ AG]), [...] ([R._______
AG]) und [...] ([Y._______ AG]) für die betroffenen Unternehmen in einer wichtigen Funktion
der Geschäftsleitung (Präsident, Direktor oder Geschäftsführer) und waren für
die jeweiligen Unternehmen zeichnungsberechtigt. Sodann ist festzuhalten, dass die handelnden natürlichen
Personen (formell und materiell) als Organe der jeweiligen Unternehmen zu bestimmen sind. Die oben erwähnten
Personen haben als Mitglieder der Geschäftsleitung ihrer Unternehmen wissentlich und willentlich
Preisnachlässe und Ablieferungspauschalen zur Abgabe der "Erst-Offerte" für Neufahrzeuge
der Marken des VW-Konzerns gemeinsam vereinbart und die Verbreitung der abgestimmten Rabattpolitik durch
die regionalen Stammtische des VPVW organisiert und umgesetzt. Der Vorsatz der handelnden natürlichen
Personen bezüglich der von ihnen vorgenommenen Handlungen ist daher ohne Weiteres den betroffenen
Unternehmen zuzurechnen.
11.1.2 Die
Beschwerdeführerin hat sich zur Frage der Vorwerfbarkeit nicht geäussert.
11.1.3 Als
Geschäftsleiter der Beschwerdeführerin hatte [...] im fraglichen Zeitraum (faktische) Organstellung.
Wie die oben in E. 8.6 ff. zitierte und gewürdigte E-Mail-Korrespondenz zeigt, beteiligte er sich
in dieser Funktion wissentlich und willentlich an einer Preisabrede betreffend seinerzeit von der Beschwerdeführerin
gehandelte Neufahrzeuge. Sein inkriminiertes Verhalten ist daher entsprechend der oben (E. 11.1) wiedergegebenen
Gerichtspraxis der Beschwerdeführerin zuzurechnen.
11.2 Gestützt
auf Art. 49a Abs. 1 KG ist die Sanktion anhand des in den letzten drei Geschäftsjahren in der Schweiz
erzielten Umsatzes nach Dauer und Schwere des unzulässigen Verhaltens, unter Berücksichtigung
des durch die Abrede erlangten mutmasslichen Gewinns, zu bemessen. Ausführungsbestimmungen dazu
finden sich in der KG-Sanktionsverordnung. Gemäss Art. 2 Abs. 2 SVKG gilt bei der Festsetzung der
Sanktion das Verhältnismässigkeitsprinzip. Art. 3 SVKG definiert den sog. Basisbetrag der Sanktion
als einen Wert von bis zu 10 % des Umsatzes, den das betreffende Unternehmen in den letzten drei Geschäftsjahren
auf den relevanten Märkten in der Schweiz erzielte. Dauerte
der Wettbewerbsverstoss zwischen einem und fünf Jahren, so wird der Basisbetrag um bis zu 50 % erhöht
(Art. 4 Satz 1 SVKG). Art. 5 SVKG statuiert erschwerende, Art. 6 SVKG mildernde Umstände, die zu
einer Erhöhung bzw. Verminderung des nach den Art. 3 und 4 SVKG festgesetzten Betrages führen.
Art. 7 SVKG bestimmt unter Hinweis auf Art. 49a Abs. 1 KG, die Sanktion betrage in keinem Fall mehr als
10 % des in den letzten drei Geschäftsjahren in der Schweiz erzielten Umsatzes des Unternehmens.
11.2.1 Zur
konkreten Sanktionsberechnung wurde in der angefochtenen Verfügung dargelegt, was folgt (Zitat):
In casu drängt es sich aus Gründen der Verhältnismässigkeit auf, Pauschalsanktionen
festzulegen. Eine solche Sanktionierung mittels einer Pauschalsanktion kann zum einen dann zur Anwendung
kommen, wenn ein eher symbolischer Betrag angezeigt ist, weil nur ein sehr unbedeutender Verstoss festgestellt
werden konnte, zum anderen in Fällen, in denen ausserordentliche Umstände vorliegen, die eine
solche Pauschalsanktion rechtfertigen. Solche ausserordentlichen Umstände können z.B. dann
gegeben sein, wenn eine Verfahrenspartei trotz ihres Wettbewerbsverstosses in tatsächlicher Hinsicht
keinen Umsatz auf dem relevanten Markt erzielte.
Mit einem solchen Sachverhalt ist die hier vorliegende Konstellation vergleichbar,
in der die betreffende
Wettbewerbsabrede, trotz ihrer erheblichen Beeinträchtigung des Wettbewerbs, nur kurze Zeit angewendet
wurde. Nämlich wurde die vorliegende Wettbewerbsabrede anfangs Februar 2013 getroffen und mit der
Durchführung der Stammtische im März 2013 umgesetzt. Das "Projekt Repo 2013" wurde
aufgrund der Interventionen der [Q._______ AG] und des Präsidenten des VPVW vom 2. bzw. 3. April
2013 [Dienstag bzw. Mittwoch], also ungefähr eine Woche nach dem letzten Stammtisch, abgebrochen.
Die Anwendung der vereinbarten Konditionen hat somit mindestens vom Tag nach dem letzten Stammtisch,
am 27. März 2013 [Mittwoch], bis am 3. April 2013 [Mittwoch] gedauert (drei Tage). Der Verkauf eines
Neufahrzeugs erfolgt normalerweise nicht an einem einzigen Tag, da die entsprechenden Verhandlungen länger
dauern können. Es ist daher im vorliegenden Fall davon auszugehen, dass während drei Tagen
nur eine geringe Anzahl von Neufahrzeugen der Marken des VW-Konzerns in Anwendung der vereinbarten Konditionenliste
für die Erst-Offerten verkauft wurden.
In Ziff. 55 der Sanktionsverfügung wurde diesbezüglich noch Folgendes ausgeführt (Zitat):
Das heisst, dass die vereinbarte Konditionenliste nur zwischen dem 28.
März und dem 3. April
2013 hat angewendet werden können, wovon die vier Tage zwischen 29. März und 1. April 2013
auf die Ostertage entfielen (also insgesamt drei Tage). Die betreffende Wettbewerbsabrede wurde somit
nur kurze Zeit umgesetzt.
Hinsichtlich der Berücksichtigung von Art und Schwere des Verstosses findet sich in der Sanktionsverfügung
folgende Passage (Zitat):
Vorliegend muss bei der Bemessung der Pauschalsanktion berücksichtigt werden, dass es sich hier
um eine horizontale Preisabsprache handelt. Zudem muss auch in Betracht gezogen werden, dass die Parteien
nicht aus ihrer eigenen Initiative entschieden haben, das unzulässige Verhalten abzubrechen, sondern
die Intervention des Präsidenten des VPVW und der [Q._______ AG] IMPORT sowie die Selbstanzeige
der [Q._______ AG] sie dazu veranlasst hat. Jedoch gilt es festzuhalten, dass die Abrede nur für
kurze Zeit umgesetzt wurde.
Mit Blick auf erschwerende Umstände hielt die WEKO in ihrer Sanktionsverfügung fest, es
lägen keine Anhaltspunkte vor, wonach eines oder mehrere Unternehmen Vergeltungsmassnahmen angeordnet
oder durchgeführt hätten. Daher rechtfertige sich eine Erhöhung des Sanktionsbetrags aufgrund
von Art. 5 Abs. 2 Bst. b SVKG nicht. Ebensowenig erkannte die Vorinstanz auf eine Herabsetzung desselben
infolge mildernder Umstände. Einerseits hätten alle Parteien eine aktive Rolle im Projekt "Repo
2013" gespielt. Dies ergebe sich aus der Tatsache, dass sie alle die regionalen Stammtische durchgeführt,
die Präsentation gehalten und die vereinbarte Konditionenliste an die Teilnehmer abgegeben hätten.
Andererseits habe nur die kurze Dauer des Projekts "Repo 2013" die Umsetzung allfälliger
Vergeltungsmassnahmen verunmöglicht.
11.2.2 Hierzu
legt die Beschwerdeführerin dar, für den "Abbruch des Projektes" stelle die Vorinstanz
ohne Gründe auf den Brief der Selbstanzeigerin [vom 2. April 2013] an das gesamte Vertriebsnetz
ab. Warum sie nicht "in dubio" auf die E-Mail des Verbandspräsidenten [...] vom
26. März 2013 (Dienstag) abstelle, bleibe ihr Geheimnis. Diese E-Mail sei auch an die Beschwerdeführerin
gerichtet und bezüglich Inhalt (Nichtbefolgung bzw. Nicht-Treffen von Wettbewerbsabreden) so verfasst
gewesen wie das spätere Schreiben. Die Vorinstanz mache schliesslich auch gar nicht geltend, dass
sich der VPVW-Vorstand nicht an die E-Mail seines Präsidenten gehalten hätte. Die angebliche
"Umsetzung" durch die Verfahrensbetroffenen in den Tagen vom 28. März (Donnerstag) bis
zum 3. April 2013 (Mittwoch) sei nur schon deshalb fraglich.
Selbst wenn für den "Abbruch des Projektes" das Schreiben der Selbstanzeigerin massgebend
sein sollte, so wäre zu berücksichtigen, dass dieses Schreiben am 3. April 2013 bereits um
07.58 Uhr, also vor Betriebsbeginn, per E-Mail auch an die Verfügungsadressatinnen versandt worden
sei. Der 3. April 2013 falle somit für eine mögliche Umsetzung weg. Die Vorinstanz hätte
somit nach der eigenen Logik zwei Tage für die Dauer der Umsetzung einrechnen sollen, nämlich
den 28. März (Donnerstag) und den 2. April 2013 (Dienstag). Dass an diesen beiden Tagen, namentlich
am 28. März 2013, einem Gründonnerstag, überhaupt gearbeitet worden sei bzw. kommerzielle
Aktivitäten im Sinne der Vorhaltungen des Sekretariats getätigt worden seien, sei nicht ersichtlich
und von den Verfügungsadressatinnen bestritten worden. Beweise, wie z.B. Rechnungen, Offerten oder
dergleichen von diesen Tagen, fehlten gänzlich.
Unter Hinweis auf den Grundsatz "nulla poena sine lege" erklärt die Beschwerdeführerin
überdies, versuchte Wettbewerbsbeschränkungen ohne Marktwirkungen seien mangels gesetzlicher
Grundlage im Schweizer Kartellrecht nicht strafbar.
11.2.3 Bei
der Sanktionsbemessung handelt es sich um eine Ermessenssache (BGE 147 II 72, Pfizer,
E. 8.5.2). Den Wettbewerbsbehörden kommt in Bezug auf die konkrete Festlegung der einzelnen Sanktionskomponenten
des Basisbetrags, der Dauer sowie der Erhöhungs- und Milderungsgründe ein erheblicher Ermessensspielraum
zu (Urteil des BVGer B-831/2011 vom 18. Dezember 2018, SIX,
E. 1556 m.H.; vgl. Tagmann / Zirlick, Art. 49a N. 41). Wie die nachfolgenden
Erwägungen zeigen, wahrt die von der WEKO gegenüber der Beschwerdeführerin verhängte
Pauschalsanktion diesen Spielraum, wenngleich sich die Sanktionsberechnung nicht in allen Einzelheiten
nachvollziehen lässt (vgl. dazu unten E. 11.2.4 und 11.2.8).
11.2.4 Mit
Blick auf die Argumentation der Beschwerdeführerin ist vorab darzulegen, dass sich am Ergebnis,
wonach die Sanktionshöhe den Ermessensspielraum der Vorinstanz respektiert, selbst bei einer detaillierteren
Berechnung der Sanktion unter Berücksichtigung der einzelnen Tage, an welchen die Abrede umgesetzt
werden konnte, nichts ändern würde.
11.2.4.1 Das
E-Mail des Verbandspräsidenten vom Dienstag, 26. März 2013, auf welches sich die Beschwerdeführerin
beruft, ging an deren Geschäftsleiter sowie weitere Vorstandsmitglieder des VPVW. Es wurde um 10.31
Uhr versandt und trägt den Betreff "Stammtische". Wörtlich heisst es darin insbesondere:
[...]
Ich bitte in meiner Funktion als Verbandspräsident folglich alle Vorstandsmitglieder, im Rahmen
der Stammtische hinsichtlich der Rabatte keine Absprachen zu tätigen und keinen diesbezüglichen
Druck aufzubauen.
Am Abend des gleichen Tages schrieb der Geschäftsleiter der Beschwerdeführerin ein E-Mail
(verschickt um 18.48 Uhr) an Vorstandsmitglieder des VPVW und hielt darin Folgendes fest (Zitat):
Auch wir in [...] haben die beiden Stammtische ([...] heute Morgen und heute Nachmittag in
[...]) durchgeführt.
Analog wie bei Euch positive Einstellung mit
einem Schuss "Bedenken", aber wir wollen es
alle versuchen.
Hinzu kommt, wenn der Verkäufer 2 % weniger Marge geben muss, bleibt auch bei ihm was mehr "hängen".
[...]
Diese mehr als acht Stunden nach dem Aufruf des Verbandspräsidenten seitens der Beschwerdeführerin
abgegebenen Äusserungen erwecken nicht den Eindruck, sie hätte sich schon vor dem 3. April
2013 vom verpönten Verhalten distanziert. Auch sonst fehlen entsprechende Hinweise.
11.2.4.2 Zu
Gunsten der Beschwerdeführerin kann hingegen berücksichtigt werden, dass das erwähnte
Abmahnungsschreiben der Selbstanzeigerin vom Dienstag, 2. April 2013, als Anhang zu einem E-Mail mit
dem Betreff "VPVW Stammtische - Dringende Mitteilung" bereits an diesem Tag um 19.39 Uhr durch
[...] (Leiter Dealer Operations und Vizedirektor der Selbstanzeigerin) an den Geschäftsleiter
der Beschwerdeführerin geschickt wurde. Deshalb ist von einem Verzicht der Beschwerdeführerin
auf eine Umsetzung der Abrede ab dem 3. April 2013, d.h. einschliesslich desselben, auszugehen.
11.2.4.3 Andererseits
lässt sich nicht nachvollziehen, weshalb die Vorinstanz den Samstag, 30. März 2013, hinsichtlich
einer Umsetzung der Abrede ausser Acht liess. Die Sanktionsverfügung enthält dazu keine Erwägungen.
Weil es sich bei diesem Samstag aber nicht um einen Feiertag handelte, ist er ebenfalls einzurechnen.
11.2.4.4 Folglich
konnte die Wettbewerbsabrede von Donnerstag, 28. März 2013, bis und mit Dienstag, 2. April
2013, praktiziert werden. Beim 29. März 2013 handelte es sich allerdings um einen Karfreitag, beim
1. April 2013 um einen Ostermontag; mithin waren beides Feiertage. Für eine tatsächliche
Umsetzung der Abrede kommen daher drei Tage, nämlich der 28. und der 30. März sowie der 2.
April 2013, in Frage. Auch die Sanktionsverfügung geht, wie oben (E. 11.2.1) dargelegt, von drei
Tagen aus.
11.2.5 Hinsichtlich
des Standpunktes der Beschwerdeführerin, versuchte Wettbewerbsbeschränkungen ohne Marktwirkungen
seien nicht strafbar, ist zunächst auf die gesetzliche Definition der Abrede zurückzukommen.
Bezweckt wird eine Wettbewerbsbeschränkung gemäss
Art. 4 Abs. 1 KG nach der Rechtsprechung, wenn bereits der Gegenstand der Verhaltenskoordination
auf Begrenzung oder Ausschaltung eines oder mehrerer relevanter Wettbewerbsparameter abzielt (Urteile
des BVGer B-807/2012 vom 25. Juni 2018, Erne, E. 9.3.1 m.H.) oder
den Wettbewerb beeinträchtigen kann (vgl. BGE 143 II 297, Gaba,
E. 5.4.2 und 5.6; Urteil des BVGer B-807/2012 vom 25. Juni 2018, Erne,
E. 9.3.1 m.H.). Bei Vereinbarungen im Sinne von Art. 4 Abs. 1 KG bildet ein konkretes Verhalten den Gegenstand
der erklärten Willensübereinstimmung, während eine Umsetzung derselben nicht erforderlich
ist (BGE 147 II 72, Pfizer, E. 3.4.5; vgl. auch Urteil des BVGer
B-552/2015 vom 14. November 2017, Türbeschläge, E. 4.1).
Auch eine Abrede, die (noch) ohne Auswirkungen auf den Wettbewerb geblieben ist, gefährdet nämlich
das Funktionieren desselben (BGE 147 II 72, Pfizer, E. 3.6).
Wettbewerbsabreden im Sinne von Art. 4 Abs. 1 i.V.m. Art. 5 Abs. 3
KG bilden demnach die Vermutungsbasis,
gestützt auf welche die Wettbewerbsbehörden gegebenenfalls schliessen, der wirksame Wettbewerb
sei beschränkt oder beseitigt worden (vgl. oben E. 6.3.4). Da die Beschwerdeführerin an einer
unzulässigen Abrede partizipierte, gefährdete sie das Funktionieren des wirksamen Wettbewerbs.
Im Übrigen hat sie keinerlei Beweise dafür vorgelegt, dass die Abrede nicht angewendet worden
wäre.
Demzufolge erübrigen sich Erwägungen zur Frage, ob ein Nichtpraktizieren der Abrede eine
Sanktionierung verhindern würde.
11.2.6 In
der angefochtenen Verfügung legte die Vorinstanz dar, die Sanktionierung müsse mittels einer
im pflichtgemässen Ermessen gebildeten, verhältnismässigen Pauschalsanktion erfolgen,
welche sich nicht an einem am Umsatz auf den relevanten Märkten orientierten Basisbetrag ausrichte.
Die jeweiligen Pauschalsanktionen müssten jedoch immerhin die ungefähren Grössenverhältnisse
zwischen den betroffenen Unternehmen hinsichtlich der jährlichen Umsätze auf den relevanten
Märkten widerspiegeln. Vorliegend kämen weder erschwerende noch mildernde Umstände in
Betracht. Die Obergrenze des Basisbetrags liege für die [X._______ AG] gemäss Art. 3 SVKG bei
10 % des Umsatzes, den das Unternehmen in den drei Geschäftsjahren vor Aufgabe des wettbewerbswidrigen
Verhaltens erzielt habe. Um der Tatsache Rechnung zu tragen, dass der Wettbewerbsverstoss nur drei Tage
gedauert habe, sei dieser Betrag durch 365 geteilt und mit dem Faktor 3 multipliziert worden, woraus
die Sanktion resultiere (Sanktionsverfügung, Ziff. 391). Unklar bleibt, wie die Vorinstanz die der
Beschwerdeführerin auferlegte Sanktion von Fr. [...] genau berechnete. Zur konkreten Sanktionsbemessung
hat sich die Beschwerdeführerin nicht geäussert.
11.2.7 Sollte
die Vorinstanz einerseits den Basisbetrag durch 365 geteilt, also mit Wochentagen gerechnet, andererseits
aber beim Bestimmen des Multiplikators 3 für den Zeitraum der Umsetzung der Abrede von effektiven
Arbeitstagen ausgegangen sein, wäre dies inkonsistent. Da das Ergebnis freilich im Rahmen des der
WEKO zustehenden Ermessens liegt, braucht nicht weiter auf diesen Punkt eingegangen zu werden. Erschwerende
oder mildernde Umstände im Sinne der Art. 5 und 6 SVKG erkannte die Vorinstanz zu Recht keine. Die
Beschwerdeführerin machte schliesslich auch nicht geltend, eine Busse in der Höhe von Fr. [...]
wäre für sie untragbar.
12.
Weiter
vertritt die Beschwerdeführerin den Standpunkt, die im Dispositiv der Sanktionsverfügung angeordneten
Massnahmen seien unzulässig bzw. unverhältnismässig.
12.1 In
Ziff. 1 des Dispositivs der Sanktionsverfügung untersagte die WEKO der Beschwerdeführerin gestützt
auf Art. 30 Abs. 1 KG Folgendes (Zitat):
1.1die Vereinbarungen des
"Projekt Repo 2013" über die Festsetzung von Preisnachlässen und Ablieferungspauschalen
für den Verkauf von Neufahrzeugen der Marken des VW-Konzerns, insbesondere sämtliche gemeinsam
vereinbarten Konditionenlisten, anzuwenden und die "Stammtische" im Rahmen der Vereinigung
von autorisierten Händlern für Neufahrzeuge der Marken des Volkswagenkonzerns (VPVW) oder ausserhalb
dieser, mit dem Ziel gemeinsame Konditionenlisten zu erläutern und deren Einhaltung durch Mitglieder
und Nicht-Mitglieder des VPVW sicherzustellen, durchzuführen,
1.2mit ihren Konkurrenten
im Rahmen der VPVW oder ausserhalb der VPVW Informationen über künftige Preisnachlässe
und Ablieferungspauschalen für den Verkauf von Neufahrzeugen auszutauschen, und
1.3mit ihren Konkurrenten
im Rahmen der VPVW oder ausserhalb der VPVW zum Zweck der Koordination des Wettbewerbsverhaltens andere
preisrelevante Informationen auszutauschen.
12.2 Die
Beschwerdeführerin argumentiert, es könnten ihr keine Massnahmen auferlegt werden, weil kein
Kartellrechtsverstoss nachgewiesen worden sei. Wenn man aber einen Wettbewerbsverstoss unterstelle, wären
die Massnahmen unverhältnismässig, denn:
- Art
und Intensität des konkreten, bestrittenen Kartellrechtsverstosses seien zu gering, um Massnahmen
zu rechtfertigen.
- Die
Massnahmen seien weder geeignet noch notwendig. Falls man unterstelle, dass das ihr vorgeworfene "Verhalten"
überhaupt begonnen worden sei, wäre es wieder eingestellt worden, und Pauschalmassnahmen, die
bereits durch das Gesetz erfasst seien, seien weder geeignet noch notwendig, um einen Kartellrechtsverstoss
zu beseitigen oder auf ein erlaubtes Mass zu reduzieren.
- Die
pauschalen Massnahmen fänden im Gesetz keine Stütze. Informationsaustausch zwischen Konkurrenten
sei in den meisten Fällen gerechtfertigt und notwendig, daher kartellrechtlich zulässig. Eine
Massnahme dürfe nicht zu einer laufenden Verhaltenskontrolle führen. Genau dies täten
aber die in Dispositiv-Ziff. 1 der Sanktionsverfügung angeordneten Massnahmen.
Zudem ergebe sich aus Art. 50 KG, dass eine Anordnung der Behörde genügend bestimmt und
im Sinne des Legalitätsprinzips hinreichend klar umschrieben sein müsse. Für ein betroffenes
Unternehmen müsse klar ersichtlich sein, welche Pflichten und Unterlassungen es zu befolgen habe.
12.3 Darauf
erwidert die WEKO, sie sei der Ansicht, dass sie Massnahmen nicht nur dann treffen könne, wenn die
anvisierten Verhaltensweisen im Verfügungszeitpunkt noch ausgeübt würden. Vielmehr müsse
es genügen, wenn diese Verhaltensweisen in der Vergangenheit ausgeübt worden seien, sich als
kartellrechtswidrig herausgestellt hätten und ihre Wiederholung zu befürchten sei. Die WEKO
könne daher auch präventiv Massnahmen anordnen, soweit sie die entsprechende Verhaltensweise
beurteilt habe.
Allein die Tatsache, dass die angeordneten Massnahmen ihrem Sinn und
Zweck nach bereits im Kartellgesetz
verankert seien, nehme ihnen die Eignung zur Beseitigung einer unzulässigen Wettbewerbsbeschränkung
nicht. Vielmehr bestätige dies, dass es sich um geeignete Massnahmen und nicht um "allgemeine
Pauschalmassnahmen" handle. Andernfalls könnten Massnahmen gemäss Art. 30 KG nie getroffen
werden, und es wäre widersinnig, dass sie gleichwohl im Gesetz vorgesehen würden.
Die WEKO könne nicht ausschliessen, dass das Projekt "Repo 2013" und die vereinbarte
Konditionenliste in Zukunft angewandt oder dass inner- oder ausserhalb des VPVW preisrelevante Informationen
ausgetauscht würden.
12.4 Art. 30
KG geht auf die Totalrevision des Kartellgesetzes aus dem Jahr 1994 zurück und ist seit dem 6. Oktober
1995 in Kraft. Der Gesetzgeber entschied sich für eine offene Formulierung, aus der sich weder ein
Hinweis auf den Inhalt noch auf einen numerus clausus möglicher Massnahmen ergibt (siehe auch Stefan
Bilger, Das Verwaltungsverfahren zur Untersuchung von Wettbewerbsbeschränkungen,
2002, S. 359 f.; Izumi/Krimmer, Art. 30 N. 25).
Demnach haben die Behörden bei der Wahl der zu treffenden Massnahme einen weiten Entscheidungsspielraum
(vgl. Urteil des BVGer B-3938/2013 vom 30. Oktober 2019, Dargaud,
E. 19 m.H.; bezüglich Massnahme bestätigt durch Urteil des BGer 2C_43/2020 vom
21. Dezember 2021 E. 12.2). Die im konkreten Fall angeordneten Massnahmen müssen jedoch -
wie jedes Vorgehen staatlicher Organe - den Grundsätzen rechtsstaatlichen Handelns entsprechen,
d.h. im öffentlichen Interesse liegen und verhältnismässig sein (Art. 5 Abs. 2 BV; zur
Verhältnismässigkeit der Massnahmen nach Art. 30 Abs. 1 KG: Beat Zirlick
/ Christoph Tagmann, in: Marc Amstutz / Mani Reinert (Hrsg.): Kartellgesetz, Basler Kommentar,
2. A., 2021, Art. 30 N. 59 ff.; Kenji Izumi / Simone Krimmer, in: Roger Zäch
et al. (Hrsg.): KG, Bundesgesetz über Kartelle und andere Wettbewerbsbeschränkungen, Kommentar,
2018, Art. 30 N. 25; Romina Carcagni,
in: Baker & McKenzie (Hrsg.), Kartellgesetz Bundesgesetz über Kartelle und andere Wettbewerbsbeschränkungen,
2007, Art. 30 N. 12; Bilger, S. 360).
Im Kartellrecht steht als öffentliches Interesse der Schutz des wirksamen Wettbewerbs (Art.
1 KG) im Vordergrund (vgl. Michael Tschudin, in: Roger Zäch et al. (Hrsg.):
KG-Kommentar, Zürich / St. Gallen 2018, Art. 50 N. 10). Massnahmen nach Art. 30 KG dienen daher
insbesondere dazu, wirksamen Wettbewerb wiederherzustellen (vgl.
Urteil des BVGer B-2157/2006 vom 3. Oktober 2007, Flughafen Zürich,
E. 3.2 und 4.2.2; vgl. auch Urteil des BVGer B-3975/2013 vom 30. Oktober 2019, Les Editions Flammarion
SA gg. Weko, E. 20; insofern bestätigt durch Urteil des BGer 2C_44/2020 vom 3. März 2022
E. 12.7).
12.5 Die
Erforderlichkeit von Massnahmen muss klar begründet sein. Weshalb die in Dispositiv-Ziff. 1 ihrer
Sanktionsverfügung angeordneten Massnahmen erforderlich sein sollen, hat die WEKO aber nicht begründet.
Gemäss Sanktionsverfügung konnte die strittige Abrede nur während kurzer Zeit, zwischen
dem 28. März und dem 3. April 2013, angewendet werden (vgl. oben E. 11.2.1). Wie das Bundesverwaltungsgericht
festgestellt hat (oben E. 11.2.4.4), kommen für eine tatsächliche Umsetzung der 28. und der
29. März sowie der 2. April 2013 in Frage. Nach der Beweislage wurde das kartellrechtswidrige Verhalten
im Zuge der Selbstanzeige aufgegeben. Es bestehen keine Hinweise dafür, dass die Abrede über
den 2. April 2013 hinaus praktiziert worden wäre. Ebensowenig ist eine Wiederholungsgefahr ersichtlich.
Demzufolge müssen die verfügten Massnahmen als nicht erforderlich und damit als unverhältnismässig
qualifiziert werden. Dispositiv-Ziff. 1 der angefochtenen Verfügung ist daher aufzuheben.
13.
In
Ziff. 1 ihrer Rechtsbegehren hat die Beschwerdeführerin neben der Aufhebung der Sanktionsverfügung
vom 19. Oktober 2015 auch die Einstellung des Verfahrens beantragt. Entsprechend den vorangehenden Erwägungen
ist dieser Antrag abzuweisen.
14.
Die
Beschwerdeführerin erklärt, die WEKO werfe den Verfügungsadressatinnen vor, das Verfahren
im Sinne einer gemeinsamen Strategie zur Behinderung eines zügigen Ablaufs verzögert zu haben,
was sie ihnen bei der Berechnung der Verfahrenskosten mindestens indirekt zum Nachteil ausgelegt habe.
14.1 In
Ziff. 168 ff. der Sanktionsverfügung hielt die Vorinstanz fest, die Parteien hätten oftmals
mehrere Fristverlängerungen beantragt oder unbegründete Verfahrensanträge gestellt, welche
das Verfahren de facto verzögert hätten. Der Inhalt der jeweiligen Antworten, so etwa in den
Stellungnahmen zum Abschluss einer einvernehmlichen Regelung, zum provisorischen Beweisergebnis oder
in den Bemerkungen zum Verfügungsantrag des Sekretariats, deute ausserdem auf eine gewisse (gemeinsame)
Strategie zur Behinderung eines zügigen Ablaufs des Verfahrens hin. Ferner habe das Sekretariat
die Parteien drei Mal eingeladen, sich zum Abschluss einer einvernehmlichen Regelung zu äussern.
Sie hätten aber alle Anregungen des Sekretariats abgelehnt, ohne selbst konkrete Vorschläge
für eine einvernehmliche Lösung einzureichen. Somit hätten die Verzögerungsstrategie
der Parteien und die Ablehnung der Vorschläge des Sekretariats für eine einvernehmliche Regelung
zu einer Verlängerung des Verfahrens und zu einer Erhöhung der Verfahrenskosten geführt.
14.2 Art.
53a Abs. 1 Bst. a i.V.m. Abs. 2 KG bestimmt, dass die Wettbewerbsbehörden für Verfügungen
über die Untersuchung von Wettbewerbsbeschränkungen nach den Art. 26 - 31 KG Gebühren
erheben und sich diese nach dem Zeitaufwand bemessen. Im Einzelnen richtet sich die Auferlegung von Kosten
im vorinstanzlichen Verfahren nach der Verordnung über die Gebühren zum Kartellgesetz vom 25. Februar
1998 (Gebührenverordnung KG, GebV-KG, SR 251.2), welche der Bundesrat gestützt auf Art.
53a Abs. 3 KG erliess. Gebührenpflichtig ist gemäss Art. 2 GebV-KG, wer Verwaltungsverfahren
verursacht oder Gutachten und sonstige Dienstleistungen der Wettbewerbskommission oder des Sekretariats
veranlasst. Keine Gebührenpflicht besteht für Beteiligte, die eine Vorabklärung oder eine
Untersuchung verursacht haben, sofern sich keine Anhaltspunkte für eine unzulässige Wettbewerbsbeschränkung
ergeben bzw. sich solche nicht erhärten und das Verfahren aus diesem Grunde eingestellt wird (Art. 3 Abs. 2 GebV-KG).
Wurde eine Verfügung durch mehrere (juristische) Personen gemeinsam veranlasst, haften sie solidarisch
für die Gebühr (Art. 1a GebV-KG i.V.m. Art. 2 Abs. 2 der Allgemeinen Gebührenverordnung
vom 8. September 2004, AllgGebV, SR 172.041.1; vgl. Urteil des BVGer B-880/2012 vom 25. Juni 2018, Umbricht
AG u.a. gg. Weko, E. 13.1.1). Hinter der Gebührenpflicht steht der Wille des Gesetzgebers, das für
Beschwerdeverfahren geltende Unterliegerprinzip auch auf das erstinstanzliche Verfahren anzuwenden (BGE
128 II 247, Eidgenössisches Volkswirtschaftsdepartement gg. BKW FMB Energie AG u. Reko Wef, BKW,
E. 4.1 und 6.1).
14.3 Mit
Verfahrenskosten kann namentlich belastet werden, wer den Wettbewerb in unzulässiger Weise beschränkt
und den Wettbewerbsbehörden dadurch Anlass gibt, Massnahmen nach Art. 30 Abs. 1 KG zu treffen. Einer
Kostenüberwälzung steht selbst dann nichts entgegen, wenn der Verursacher das beanstandete
Verhalten beendet, so dass das Verfahren eingestellt werden kann. Sinngemäss unterliegt der Betreffende
dabei, was eine Kostenauflage grundsätzlich erlaubt (BGE 128 II 247, BKW,
E. 6.1). Allerdings wurde Art. 2 GebV-KG zu weit gefasst, und Art. 3 Abs. 2 GebV-KG zählt die Konstellationen
der Gebührenfreiheit nicht abschliessend auf. So ermöglicht nicht jegliches Veranlassen einer
Untersuchung die Auferlegung von Verfahrenskosten. Erweist sich ein wettbewerbsbeschränkendes Verhalten
aus besonderen Gründen als zulässig, beispielsweise, weil vorbehaltene Vorschriften gemäss
Art. 3 KG es gestatten, kann der Auslöser nicht als unterliegend und damit kostenpflichtig betrachtet
werden. Dann decken sich Unterlieger- und Verursacherprinzip nicht, weshalb letzteres zurücktritt.
Unerlässlich für eine Überwälzung des Verfahrensaufwandes auf den Verursacher ist,
dass das Unterlieger- und das Verursacherprinzip im konkreten Fall zum selben Schluss führen (BGE
128 II 247, BKW, E. 6.2; vgl. Urteil des BGer 2C_869/2020
vom 27. Oktober 2021, SAS AB et al. gg. WEKO betr. Publikation Sanktionsverfügung, E. 7.2 m.H. auf
das Urteil des BGer 2C_973/2019 vom 27. Januar 2019, Einzelunternehmen A. gg. Staatssekretariat für
Wirtschaft SECO, Schweizerische Akkreditierungsstelle SAS, betr. Verwaltungsgebühr, E. 2.3.2).
14.4 Durch
Beteiligung an einer unzulässigen Wettbewerbsabrede hat die Beschwerdeführerin das erstinstanzliche
Verfahren mitverursacht. Umstände, welche nach Gebührenfreiheit im Sinne von Art. 3 Abs. 2
GebV-KG oder nach einer Reduktion der vorinstanzlichen Verfahrenskosten rufen würden, bestehen nicht.
Wie oben dargelegt (E. 5.2.4), hatte das Sekretariat der Beschwerdeführerin rund ein Jahr Bedenkzeit
hinsichtlich des Abschlusses einer einvernehmlichen Regelung eingeräumt. Die Beschwerdeführerin
aber schob eine definitive Stellungnahme oder entsprechende eigene Vorschläge immer wieder hinaus.
Angesichts dessen muss gefolgert werden, dass das Verfahren (auch) seitens der Beschwerdeführerin
unnötigerweise in die Länge gezogen wurde. Im Übrigen hat die Beschwerdeführerin
weder eine konkrete, bezifferbare Kostenreduktion beantragt, noch eine dahingehende substantiierte Begründung
vorgebracht. Ebensowenig lassen sich entsprechende Faktoren ausmachen. Daher ist die angefochtene Verfügung
bezüglich der Beschwerdeführerin im Kostenpunkt zu bestätigen.
15.
15.1 Die
Beschwerdeinstanz auferlegt die Verfahrenskosten in der Regel der unterliegenden Partei. Unterliegt diese
nur teilweise, so werden die Verfahrenskosten ermässigt. Ausnahmsweise können sie ihr erlassen
werden (Art. 63 Abs. 1 VwVG). Keine Verfahrenskosten werden Vorinstanzen oder beschwerdeführenden
und unterliegenden Bundesbehörden auferlegt (Art. 63 Abs. 2 VwVG).
Da die Beschwerdeführerin hinsichtlich der Sanktion unterliegt, hinsichtlich der Massnahmen
aber obsiegt, sind die Verfahrenskosten von Fr. 6'000.- (einschliesslich der Kosten für
die Zwischenverfügung vom 24. März 2016) um Fr. 1'000.- auf Fr. 5'000.- zu ermässigen
und der Beschwerdeführerin aufzuerlegen. Angesichts des geleisteten Kostenvorschusses von Fr. 6'000.-
sind ihr nach Eintritt der Rechtskraft dieses Urteils Fr. 1'000.- zurückzuerstatten.
15.2 Der
Beschwerdeführerin ist nach Massgabe ihres Obsiegens eine reduzierte Parteientschädigung für
ihr erwachsene notwendige und verhältnismässig hohe Kosten zuzusprechen (Art. 64 Abs. 1 VwVG;
Art. 7 ff. des Reglements über die Kosten und Entschädigungen vor dem Bundesverwaltungsgericht
vom 21. Februar 2008, VGKE, SR 173.320.2), welche der Vorinstanz aufzuerlegen ist (Art. 64 Abs. 2 VGKE).
Da keine Kostennote eingereicht wurde, setzt das Gericht die Entschädigung aufgrund der Akten fest.
Entsprechend dem Urteil B-5290/2014 des BVGer vom 13. April 2016 ist
zu berücksichtigen, dass
ein Teil des Aufwandes für das vorliegende Verfahren von der Beschwerdeführerin und einer weiteren
Untersuchungsadressatin, welche die Sanktionsverfügung vom 19. Oktober 2015 ebenfalls angefochten
hat, offensichtlich gemeinsam bestritten wurde, zumal beide durch den selben Anwalt vertreten sind.
Vor diesem Hintergrund erscheint eine reduzierte
Parteientschädigung in der Höhe von Fr.
1'000.- (inkl. Mehrwertsteuerzuschlag im Sinne von Art. 9 Abs. 1 Bst. c VGKE) als angemessen.
(Dispositiv nächste Seite)
Versand: 24. August 2022