Abteilung II
B-7411/2006{T 0/2}
Urteil vom 22. Mai 2007
Mitwirkung:
Richter
Hans Urech (vorsitzender Richter); Richterin Maria Amgwerd; Richter David Aschmann;
Gerichtsschreiber
Marc Hunziker
S._______,
vertreten durch Schneider Feldmann AG,
Beschwerdeführerin
gegen
Eidgenössisches
Institut für Geistiges Eigentum,
Vorinstanz
betreffend
Schutzverweigerung
gegenüber der internationalen Registrierung IR 819'223 BELLAGIO
Sachverhalt:
A.
Die Beschwerdeführerin ist Inhaberin der am 9. Januar 2004 aufgrund einer in den Benelux-Staaten
eingetragenen Basismarke registrierten internationalen Marke IR 819'223 BELLAGIO. Sie beansprucht für
dieses Zeichen auch Schutz in der Schweiz, und zwar für die folgenden Waren:
Klasse 29:
Fruits
et légumes conservés, séchés, cuits et congelés.
Klasse 31:
Produits
agricoles, horticoles et forestiers, ainsi que graines (non compris dans d'autres classes); fruits et
légumes frais; semences, plantes vivantes, plants, boutures, jeunes plantes et autres parties de
plantes ou de jeunes plantes et pouvant servir à la multiplication.
Die Registrierung
der Marke wurde den Behörden der bezeichneten Bestimmungsländer am 11. März 2004 mitgeteilt.
B.
Die Vorinstanz erliess am 2. März 2005 gegen den Schutz dieser Marke in der Schweiz eine provisorische
Schutzverweigerung mit der Begründung, dass es sich beim Zeichen um eine Herkunftsangabe handle,
es freihaltebedürftig und in Bezug auf die Herkunft der Waren täuschend sei.
C.
In ihrer Stellungnahme vom 19. Juli 2005 bestritt die Beschwerdeführerin die Auffassung der Vorinstanz
und machte geltend, dass die Marke BELLAGIO unterscheidungskräftig sowie weder freihaltebedürftig
noch täuschend sei.
D. Mit Schreiben vom 12. Oktober 2005 hielt die Vorinstanz an ihrer
Zurückweisung fest.
E. Am 1. November 2005 verzichtete die Beschwerdeführerin auf
eine weitere Stellungnahme und bat um Erlass einer beschwerdefähigen Verfügung.
F.
Mit Verfügung vom 1. Februar 2006 verweigerte die Vorinstanz der internationalen Registrierung für
alle beanspruchten Waren der Klassen 29 und 31 die Eintragung.
G. Hiergegen richtete sich
die Beschwerde vom 6. März 2006 der Beschwerdeführerin mit dem Antrag, die Verfügung der
Vorinstanz aufzuheben und das Zeichen BELLAGIO vollumfänglich in das Schweizerische Markenregister
einzutragen. Zur Begründung machte die Beschwerdeführerin im Wesentlichen geltend, dass die
Marke vom massgeblichen Verkehrskreis nicht als Hinweis auf die geografische Herkunft der beanspruchten
Ware vom Ort Bellagio sondern als fantasievoller Produktname verstanden werde, weshalb keine Gefahr der
Irreführung bestehe. Einerseits sei das Städtchen zu unbekannt, anderseits wüssten diejenigen
Verkehrsteilnehmer, welche es kennen, dass es nicht Ursprung der beanspruchten Waren in solch namhaftem
Umfang sein könne. Darüber hinaus könnte die Bezeichnung genauso gut mit dem gleichnamigen
berühmten Hotel in Las Vegas, dem gleich klingenden Nachnamen oder dem Ausdruck "un bel agio"
(ein schöner Gewinn) in Verbindung gebracht werden. Im Übrigen geniesse das Zeichen als EU
Gemeinschaftsmarke selbst in Italien, als Staat auf dessen Territorium der Ort Bellagio liege, Schutz.
H.
Auf Ersuchen der Vorinstanz wurde das Verfahren mit Verfügung vom 12. Juni 2006 sistiert, bis das
Bundesgericht über die bei ihm hängige Beschwerde gegen die Zurückweisung des Markeneintragungsgesuches
Nr. 25566/2004 COLORADO (fig.) entschieden habe.
I. Am 24. November 2006 teilte die Rekurskommission
für geistiges Eigentum den Parteien mit, dass die Akten des Beschwerdeverfahrens per 1. Januar 2007
an das Bundesverwaltungsgericht als neu zuständige Beschwerdebehörde überwiesen würden.
Mit Schreiben vom 22. Januar 2007 bestätigte das Bundesverwaltungsgericht die Übernahme der
hängigen Beschwerde.
J. Mit Schreiben vom 16. Februar 2007 liess sich die Beschwerdeführerin
zum Entscheid des Bundesgerichts vom 8. September 2006 (BGE
132 III 770 Colorado) vernehmen. Sie führte
aus, dass sie an ihren Anträgen in der Beschwerdeschrift sowie an ihrer Begründung, wonach
es sich beim Zeichen BELLAGIO nicht um eine geografische Herkunfts- sondern um eine Fantasieangabe handle,
vollumfänglich festhalte. Vorliegend gehe es um eine andere Situation als den vom Bundesgericht
beurteilten Sachverhalt, wonach die Verkehrskreise das Zeichen COLORADO zutreffend als Name des gleichnamigen
Bundesstaates auffassen würden. Das Zeichen BELLAGIO sei vielmehr vergleichbar mit Marken wie GIMEL
(BGE
79 II 101 Solis; BGer in SMI 1986 II 253 Carrera; RKGE in sic! 2005, 743 Gimel). Falls wider Erwarten
von einer mit COLORADO vergleichbaren Situation ausgegangen würde, so sei darauf hingewiesen, dass
sich der Bundesgerichtsentscheid nur auf die Markeneintragung und daher ausschliesslich auf die abstrakte
Täuschungsgefahr der Marke beziehe. Dagegen mache er keinerlei Aussagen zur Wirkung der Beschränkung
von Warenlisten und somit zur konkreten Täuschungsgefahr der Marke in ihrem nachfolgenden Rechtsleben.
K.
Mit Vernehmlassung vom 28. März 2007 beantragte die Vorinstanz, die Beschwerde unter Kostenfolge
abzuweisen. Zur Begründung brachte sie im Wesentlichen vor, dass es sich bei Bellagio um eine beliebte
Touristendestination am Comersee handle, welche einem grossen Teil der Schweizer Bevölkerung bekannt
sei. Aus dem Umstand, dass der Ort lediglich knapp 3'000 Einwohner zähle, könne nicht geschlossen
werden, dass er unbedeutend und unbekannt sei. Auch stehe bei der Bezeichnung BELLAGIO kein Fantasiecharakter
im Vordergrund, lasse sich doch der geografischen Angabe kein klar erkennbarer Symbolgehalt beimessen,
weshalb die Marke zu einer Ideenverbindung mit dem betreffenden Land führe. Des Weiteren sei nicht
nachvollziehbar, weshalb die Schweizer Konsumenten in Zusammenhang mit den beanspruchten Waren eher an
ein Hotel in Las Vegas als an einen bekannten Ort in unmittelbarer geografischer Nachbarschaft denken
sollten. Auch seien die Vergleiche mit den Zeichen CLARO und GIMEL nicht stichhaltig, handle es sich
doch um weit weniger bekannte Ortschaften. Ebenfalls sei aufgrund der geografischen Lage von Bellagio
und des dort herrschenden milden Klimas naheliegend, dass in dieser Umgebung landwirtschaftliche Produkte
angebaut werden können. In Verbindung mit den beantragten Waren stelle der Begriff BELLAGIO eine
direkte Herkunftsangabe dar. Aufgrund seiner fehlenden Unterscheidungskraft gehöre er somit dem
Gemeingut an und sei er vom Markenschutz ausgeschlossen. Bereits heute würden in der Umgebung von
Bellagio zumindest Oliven angebaut, weshalb ein aktuelles Freihaltebedürfnis am Zeichen bestehe.
Da der Schweizer Konsument im Begriff BELLAGIO im Zusammenhang mit den beanspruchten Waren ohne Gedankenarbeit
und Fantasieaufwand einen Hinweis auf deren Herkunft aus Italien erkenne, werde er getäuscht, sobald
die Produkte von anderswo stammen. Diese Täuschungsgefahr könne lediglich mit einer Einschränkung
der Warenliste auf Produkte italienischer Herkunft beseitigt werden. Dabei sei darauf hinzuweisen, dass
selbst die Rekurskommission für geistiges Eigentum gemäss Entscheid des Bundesgericht vom 8.
September 2006 (BGE
132 III 770 Colorado) bei Bodenprodukten zufolge Vorliegens eines qualifizierten
Schutzbedürfnisses nach wie vor an der Einschränkungspraxis festhalte. Im Übrigen sei
die Kritik am Bundesgerichtsurteil unsubstantiiert und unbegründet.
Auf die Argumente der Parteien
wird, soweit sie für den Entscheid erheblich erscheinen, in den nachfolgenden Erwägungen eingegangen.
Das
Bundesverwaltungsgericht zieht in Erwägung:
1. Der Entscheid der Vorinstanz vom 1. Februar
2006 stellt eine Verfügung im Sinne des Bundesgesetzes vom 20. Dezember 1968 über das Verwaltungsverfahren
dar (VwVG,
SR 172.021; Art. 5 Abs. 1 Bst. c). Diese Verfügung kann im Rahmen der allgemeinen Bestimmungen
der Bundesverwaltungsrechtspflege beim Bundesverwaltungsgericht angefochten werden (Art. 44 ff
. VwVG
i.V.m. Art. 31 ff
. des Verwaltungsgerichtsgesetzes vom 17. Juni 2005, VGG,
SR 173.32). Gemäss Art.
53 Abs. 2
VGG übernimmt das Bundesverwaltungsgericht bei Zuständigkeit die Beurteilung der
beim Inkrafttreten des Verwaltungsgerichtsgesetzes am 1. Januar 2007 bei Eidgenössischen Rekurs-
oder Schiedskommissionen oder bei Beschwerdediensten der Departemente hängigen Rechtsmittel, wobei
die Beurteilung nach neuem Verfahrensrecht erfolgt.
2. Die Beschwerdeführerin ist als
Adressatin der angefochtenen Verfügung durch diese beschwert und hat ein schutzwürdiges Interesse
an ihrer Aufhebung oder Änderung. Sie ist daher zur Beschwerdeführung legitimiert (Art. 48
Abs. 1
VwVG). Eingabefrist und -form sind gewahrt (Art. 50 Abs. 1
und 52 Abs. 1
VwVG), der Kostenvorschuss
wurde fristgerecht bezahlt (Art. 63 Abs. 4
VwVG), und die übrigen Sachurteilsvoraussetzungen liegen
vor (Art. 48 ff
.
VwVG).
Auf die Verwaltungsbeschwerde ist daher einzutreten.
3. Nach
der Legaldefinition von Art. 1 Abs. 1
des Markenschutzgesetzes vom 28. August 1992 (
MSchG,
SR 232.11)
ist die Marke ein Zeichen, das geeignet ist, Waren oder Dienstleistungen eines Unternehmens von solchen
anderer Unternehmen zu unterscheiden. Art. 1 Abs. 2
MSchG zählt Beispiele von Markenformen auf.
Danach können Marken aus Wörtern, Buchstaben, Zahlen, bildlichen Darstellungen, dreidimensionale
Formen oder Verbindungen solcher Elemente untereinander oder mit Farben bestehen.
4. Zwischen
den Benelux-Staaten und der Schweiz gelten das Madrider Abkommen über die internationale Registrierung
von Marken (MMA) sowie die Pariser Verbandsübereinkunft zum Schutz des gewerblichen Eigentums (PVÜ)
gemäss den am 14. Juli 1967 in Stockholm revidierten Fassungen (
SR 0.232.112.3 und 0.232.04). Die
Beurteilung internationaler Markenregistrierungen mit Gesuch um Schutzausdehnung auf das Gebiet der Schweiz
richtet sich nach Art. 6quinquies lit. B Ziff. 2 und 3 PVÜ. Demgemäss können Marken, die
der Unterscheidungskraft entbehren und folglich als Gemeingut zu qualifizieren sind oder die gegen die
guten Sitten verstossen, weil sie geeignet sind, das Publikum zu täuschen, vom Markenschutz ausgeschlossen
werden. Dieser zwischenstaatlichen Regelung entsprechen die in Art. 2
MSchG vorgesehenen Ablehnungsgründe,
nach denen namentlich Zeichen, die Gemeingut sind (lit. a), sowie irreführende Zeichen (lit. c)
vom Markenschutz ausgeschlossen sind (BGE
128 III 454 E. 2 Yukon;
117 II 327 E. 1a Montparnasse).
5.
Vom Markenschutz ausgeschlossen sind nach Art. 2 Bst. a
MSchG Zeichen, die Gemeingut sind, da ihnen die
erforderliche Unterscheidungskraft fehlt oder an ihnen ein Freihaltebedürfnis besteht. Als Gemeingut
im Sinne dieser Bestimmungen gelten unter anderem Hinweise auf Eigenschaften oder die Beschaffenheit
der Erzeugnisse, für welche das Zeichen bestimmt ist (so genannte beschreibende Angaben; BGE
114
II 171 E. 2a Eile mit Weile mit Hinweisen). Hierzu gehören auch Zeichen, die nach der allgemeinen
Verkehrsauffassung frei verfügbar bleiben müssen und daher nicht von einem einzelnen Anbieter
monopolisiert werden dürfen, wie etwa die direkten, unmittelbaren Herkunftsangaben (z.B. Namen von
Ländern, Städten etc.). Geografische Bezeichnungen stellen jedoch nicht in allen Fällen
Herkunftsangaben mit Gemeingutcharakter dar. Das Bundesgericht unterschied in BGE
128 III 454 E. 2.1.1
ff. Yukon sechs Kategorien von geografischen Namen und Zeichen, die von den massgeblichen Verkehrskreisen
nicht als Hinweis auf eine bestimmte Herkunft der Waren oder Dienstleistungen verstanden werden. Darunter
fallen insbesondere die Namen von Städten, Ortschaften, Talschaften, Regionen und Ländern,
die den relevanten Kreisen nicht bekannt sind und demzufolge als Fantasiezeichen und nicht als Herkunftsangabe
verstanden werden, aber auch bekannte geografische Angaben, wenn der Ort oder die Gegend aus deren Sicht
offensichtlich nicht als Produktions-, Fabrikations- oder Handelsort der damit gekennzeichneten Erzeugnisse
oder entsprechend bezeichneter Dienstleistungen in Frage kommt.
6. Bellagio ist eine am Lago
di Como in der Lombardei, Italien gelegene Gemeinde mit 3'008 Einwohnern (Stand 31. Juli 2006). Das Städtchen
Bellagio befindet sich an der Spitze der Halbinsel, die die beiden südlichen Arme des Sees trennt.
Trotz seiner malerischen Lage mit Blick auf die Alpen sowie des milden Klimas und der mediterranen Vegetation
entwickelte sich Bellagio nie zu einer Tourismushochburg. Stattdessen gelang es den ursprünglichen
Charakter eines kleinen aber gehobenen Kurortes mit einem Luxus- und mehreren Mittelklassehotels aufrechtzuerhalten.
Von der Region rund um Bellagio liess sich auch das gleichnamige, im Zentrum von Las Vegas, im Bundesstaate
Nevada der Vereinigten Staaten von Amerika gelegene Luxushotel inspirieren. Zu der Hotelanlage, welche
über rund 4'000 Zimmer und Suiten verfügt, gehört eine grosse, der Lombardei nachempfundene,
künstliche Seelandschaft. Im Übrigen stellt das mit zwei "G" geschriebene, aber phonetisch
identische Wort "Bellaggio" einen italienischen Nachnamen dar.
7. Auch wenn es sich
bei der Lombardei insgesamt um eine beliebte Tourismusdestination handelt, so ist die Ortschaft Bellagio
entgegen der Ansicht der Vorinstanz bei der Schweizer Bevölkerung kaum bekannt. Dies dürfte
daher rühren, dass es sich um ein sehr kleines Städtchen handelt, welches weder dem Massentourismus
ausgesetzt noch - trotz seiner Exklusivität - Ziel des internationalen Jetsets und Gegenstand der
damit verbundenen Medienpräsenz ist. Dagegen geniesst das Hotel Bellagio einen weit höheren
Bekanntheitsgrad. Es dürfte wegen seiner Grösse und Luxuriosität sowie seines imposanten
Wasserspiels den meisten Besuchern von Las Vegas, aber auch den Betrachtern von Reisesendungen sowie
infolge des hohen Glamourfaktors den Lesern von Klatschmagazinen und damit insgesamt einem nicht unerheblichen
Teil der Schweizer Bevölkerung ein Begriff sein. Es ist deshalb obendrein zu vermuten, dass das
Gros des Kennerkreises, dem die Ortschaft bekannt ist, ebenfalls das gleichnamige Hotel kennt, weshalb
es im Begriff BELLAGIO keinen Herkunftshinweis auf das lombardische Städtchen bzw. Italien sondern
eine Anspielung auf Luxus und Eleganz erblickt. Daher ist davon auszugehen, dass das Zeichen beim überwiegenden
Teil der massgeblichen Verkehrskreise als Fantasiebezeichnung verstanden wird und somit Unterscheidungskraft
geniesst.
8. Es ist weiter zu prüfen, ob am als unterscheidungskräftig befundenen
Zeichen BELLAGIO allenfalls ein Freihaltebedürfnis zugunsten ortsansässiger Unternehmen besteht.
Grundsätzlich muss es ja jedem Anbieter möglich sein, auf die Herkunft seiner Waren oder Dienstleistungen
hinzuweisen. In diesem Zusammenhang wird nicht nur darauf abgestellt, ob gegenwärtig am betreffenden
Ort die beanspruchten Waren hergestellt werden können, sondern auch darauf, ob dort in Zukunft -
unter Berücksichtigung der künftigen wirtschaftlichen Entwicklung - mit der Herstellung der
beanspruchten Waren ernsthaft gerechnet werden muss (RKGE in sic! 2005, 744 E. 5 Gimel, BGE
128 III 454
E. 3 Yukon). Die Region von Como ist bekannt für ihre Seidenverarbeitungstradition und traditionelles
Handwerk wie Holzschnitzerei, Glasbläserei und -malerei sowie die Bearbeitung von Lederwaren, insbesondere
die Herstellung handgefertigter Schuhe. Ebenfalls eignet sich das milde lombardische Klima gut für
den landwirtschaftlichen Anbau. Die Gemeinde Bellagio befindet sich jedoch auf einem alpinen Ausläufer,
welcher den Lago di Como in seinem südlichen Bereich in zwei Arme teilt. Das Gemeindegebiet ist
sehr hügelig und ziemlich dicht bewaldet, was eine Agrikultur im grösseren Stile verunmöglicht.
Da unter diesen Voraussetzungen auch in Zukunft nicht mit einer bedeutenden landwirtschaftlichen Nutzung
des Gebietes gerechnet werden muss, kann ein ernsthaftes Bedürfnis, das Zeichen BELLAGIO für
Waren der Klassen 29 und 31 zugunsten von Produzenten der Gemeinde Bellagio freizuhalten, nicht ausgemacht
werden. Dementsprechend ist festzustellen, dass kein Schutzausschlussgrund im Sinne von Art. 2 Bst. a
MSchG vorliegt.
9. Es ist letztlich noch zu prüfen, ob das nicht zum Gemeingut gehörende
Zeichen BELLAGIO allenfalls irreführend im Sinne von Art. 2 Bst. c
MSchG und somit vom Markenschutz
ausgeschlossen ist. Irreführend ist jedes Zeichen, das wegen seines Sinngehalts einen falschen Rückschluss
auf die Art oder Beschaffenheit der damit versehenen Ware zulässt (L. David, Basler Kommentar, N
50 zu Art. 2), oder das beim Publikum Erwartungen weckt, die mit dem effektiven Angebot nicht übereinstimmen
(E. Marbach, Markenrecht, SIWR III, 68). Betreffend Herkunftsangaben will das Verbot der Irreführung
sicherstellen, dass die Abnehmer der mit einer Herkunftsangabe versehenen Ware darauf vertrauen können,
dass die verwendeten Angaben der Wirklichkeit entsprechen und die Erwartungen des Publikums nicht enttäuscht
werden. Eine Täuschungsgefahr ist aber nur dort relevant, wo die Marktteilnehmer den Herkunftscharakter
des Zeichens überhaupt erkennen. Im Wesentlichen unbekannte Namen von Örtlichkeiten können
deshalb die Verbraucher nicht über die Herkunft irreführen. Da die Gemeinde Bellagio dem Grossteil
der schweizerischen Bevölkerung nicht bekannt ist, muss nicht ernsthaft befürchtet werden,
dass sie annimmt, die unter der Marke BELLAGIO vertriebenen Waren seien italienischen Ursprungs.
10.
Im Übrigen kann es, geniesst das Zeichen als eingetragene EU Gemeinschaftsmarke doch selbst in Italien
Schutz, nicht die Aufgabe der schweizerischen Behörden sein, ein Freihaltebedürfnis zugunsten
ausländischer Unternehmen zu berücksichtigen, wenn dies nicht einmal der Heimatstaat tut (vgl.
RKGE in sic! 2004, 774 Volterra; BGE
117 II 327 E. 2b Montparnasse).
11. Es lässt sich
demnach festhalten, dass das Zeichen BELLAGIO für Waren der Klassen 29 und 31 weder täuschend
noch freihaltebedürftig ist, weshalb die Beschwerde gutzuheissen und die Vorinstanz anzuweisen ist,
der internationalen Marke für alle angemeldeten Waren in der Schweiz definitiv Schutz zu gewähren.
Bei diesem Ausgang des Verfahrens sind keine Kosten zu erheben (Art. 63 Abs. 2
VwVG), und es ist der
Beschwerdeführerin der geleistete Kostenvorschuss zurück zu erstatten.
12. Der obsiegenden
Beschwerdeführerin ist eine Parteientschädigung "für ihr erwachsene notwendige und
verhältnismässig hohe Kosten" des Beschwerdeverfahrens zuzusprechen (Art. 64 Abs. 1
VwVG).
Die Entschädigung wird auf Grund der von der Beschwerdeführerin eingereichten Kostennote für
das Beschwerdeverfahren auf total Fr. 3'200.-- festgesetzt (Art. 14 Abs. 2
des Reglements vom 11. Dezember
2006 über Kosten und Entschädigungen vor dem Bundesverwaltungsgericht,
VGKE,
SR 173.320.2,
Art. 8 der Verordnung vom 10. September 1969 über Kosten und Entschädigungen im Verwaltungsverfahren,
SR 172.041.0). Besteht keine unterliegende Gegenpartei, ist die Parteientschädigung derjenigen Körperschaft
oder autonomen Anstalt aufzuerlegen, in deren Namen die Vorinstanz verfügt hat (Art. 64 Abs. 2
VwVG).
Nach Art. 1
des Bundesgesetzes vom 24. März 1995 über Statut und Aufgaben des Eidgenössischen
Instituts für Geistiges Eigentum (
IGEG,
SR 172.010.31) handelt die Vorinstanz als autonome Anstalt
mit eigener Rechtspersönlichkeit. Sie ist in eigenem Namen mit dem Vollzug des Markenschutzgesetzes,
namentlich der Führung des Markenregisters beauftragt (Art. 2 Abs. 1 Bst. a
und b IGEG). Gestützt
darauf erliess sie die angefochtene Verfügung in eigenem Namen und kassierte sie auch in eigenem
Namen die dafür vorgesehene Gebühr. Die Vorinstanz ist darum zur Zahlung der Parteientschädigung
zu verpflichten.
Demnach erkennt das Bundesverwaltungsgericht:
1. Die Beschwerde wird
gutgeheissen, die Verfügung des Eidgenössischen Instituts für Geistiges Eigentum vom 1.
Februar 2006 wird aufgehoben und das Institut wird angewiesen, der internationalen Marke IR 819'223 BELLAGIO
für alle angemeldeten Waren in der Schweiz definitiv Schutz zu gewähren.
2. Der geleistete
Kostenvorschuss von Fr. 2'500.-- wird der Beschwerdeführerin zurückerstattet.
3. Der Beschwerdeführerin
wird zulasten des Eidgenössischen Instituts für Geistiges Eigentum eine Parteientschädigung
von Fr. 3'200.-- (inkl. MWST) zugesprochen.
4. Dieses Urteil wird eröffnet:
- der Beschwerdeführerin
(mit Gerichtsurkunde)
- der Vorinstanz (Ref-Nr. IR 819'223; mit Gerichtsurkunde)
- dem Eidg.
Justiz- und Polizeidepartement (mit Gerichtsurkunde)
Der vorsitzende Richter: Der Gerichtsschreiber:
Hans
Urech Marc Hunziker
Rechtsmittelbelehrung
Dieses Urteil kann innert dreissig Tagen
seit Eröffnung beim Schweizerischen Bundesgericht in Lausanne angefochten werden.
Versand
am: 24. Mai 2007