Bundesverwaltungsgericht
Tribunal administratif fédéral
Tribunale amministrativo federale
Tribunal administrativ federal

Abteilung II
B-738/2008
{T 0/2}

Urteil vom 15. September 2008

Besetzung
Richter Frank Seethaler (Vorsitz), Richter Stephan Breitenmoser, Richter Francesco Brentani,

Gerichtsschreiberin Marion Spori.

Parteien
X._______,
Beschwerdeführer,

gegen

Vollzugsstelle für den Zivildienst,
Aarestube, Uttigenstrasse 19, 3600 Thun,
Vorinstanz.

Gegenstand
Nichtzulassung zum Zivildienst.

Sachverhalt:

A.
Mit Schreiben vom 3. Oktober 2007 stellte X. (Beschwerdeführer) bei der Vollzugsstelle für den Zivildienst, Regionalzentrum Aarau (Vorinstanz), ein Gesuch um Zulassung zum Zivildienst. Darin führte er aus, nach einer problematischen Kindheit mit vielen erzwungenen Wechseln des sozialen Umfeldes und mehrmaligem Verlust von Bezugspersonen sei es im Moment für ihn sehr wichtig, in seinem Leben Stabilität zu gewinnen und seine Arbeit mit Regelmässigkeit und Konstanz weiterzuführen. Er habe grosse Angst, durch das Leisten des Militärdienstes, insbesondere der Rekrutenschule (RS), diese Stabilität wieder zu verlieren. Aufgrund von Erlebnissen in der Familie habe er zudem einen Umgang mit Autoritätspersonen entwickelt, der mit dem Militär nur schwer zu vereinbaren sei. Befehlen und Anordnungen könne er sich nur dann unterziehen, wenn er darin einen Sinn erkenne und sie ihm korrekt erschienen. Er habe die RS nach 8 Diensttagen aus persönlichen und ethischen Gründen abgebrochen, unter anderem weil er Angstzustände gehabt habe, Angst vor den vielen fremden Menschen und den Jugendlichen, die er nie zuvor gesehen habe und die bereits am zweiten Tag eine Waffe bekämen. Das Leisten von Zivildienst entspräche hingegen seinen persönlichen Ansprüchen und Zielen, da der Zivildienst ihm geregelte Tages- und Wochenabläufe, die Möglichkeit zur Mitsprache, aber auch zum Rückzug und zur Übernahme von Verantwortung biete. Auch gebe es dort keine Waffen.
Am 3. Oktober 2007 forderte die Vorinstanz den Beschwerdeführer auf, sein Gesuch um Zulassung zum Zivildienst bis am 17. Oktober 2007 zu ergänzen. Sie hielt fest, die Darlegung des geltend gemachten Gewissenskonfliktes und der Lebenslauf, der aufzeige, wie der geltend gemachte Gewissenskonflikt entstanden sei und sich bisher geäussert habe, fehlten oder seien nicht genügend ausführlich.
Am 15. Oktober reichte der Beschwerdeführer eine Ergänzung zu seinem Gesuch ein. Darin führte er unter anderem zusätzlich aus, er habe seinen Vater und seinen Grossvater als Autoritätspersonen sehr negativ erlebt; diese hätten ihn sehr grob behandelt und der Grossvater habe ihn teilweise auch geschlagen. Auch nach der Scheidung seiner Eltern habe er Gewalttätigkeiten seines Vaters gegenüber der Mutter und deren neuem Lebenspartner miterlebt. Aufgrund dieser Erfahrungen habe er ein Problem mit allen Formen der Gewalt, auch der verbalen, und deshalb könne er den im Militär herrschenden Befehlston nicht akzeptieren und ertragen. Im Alltag gehe er Autoritätspersonen, Befehlen und Gewalt aus dem Weg.
Mit Schreiben vom 9. November 2007 forderte die Vorinstanz den Beschwerdeführer unter Androhung des Nichteintretens erneut auf, sein Gesuch um Zulassung zum Zivildienst bis am 30. November 2007 zu ergänzen. Er habe zwar ein ausführliches und sorgfältiges zweites Schreiben verfasst, dieses erfülle die gesetzlichen Anforderungen an ein Gesuch indessen immer noch nicht, da er darin von psychologischen und nicht von ethisch-moralischen Gründen spreche.
Der Beschwerdeführer reichte keine weitere Ergänzung zu seinem Gesuch ein.
Mit Entscheid vom 17. Januar 2008 trat die Vorinstanz auf das Gesuch des Beschwerdeführers um Zulassung zum Zivildienst nicht ein. Unter Verweis auf die gesetzlichen Grundlagen hielt sie fest, die Beweislast für das Vorliegen eines Gewissenskonflikts liege beim Gesuchsteller. Bringe er die geforderten Unterlagen nicht bei, so verletze er seine Mitwirkungspflicht, und es werde auf sein Gesuch nicht eingetreten. Die Darlegung des Gewissenskonflikts könne mit Blick auf die Eintretensfrage dann als hinreichend angesehen werden, wenn sachlich auf den Zivildienst bezogen argumentiert werde, d.h. es müssten Anhaltspunkte erkennbar sein, auf Grund derer nachvollzogen werden könne, mit welcher Argumentation der Gesuchsteller einen Gewissenskonflikt glaubhaft machen wolle. In seinen Schreiben erläutere der Gesuchsteller die Gründe, weshalb er keinen Militärdienst leisten könne. Dabei träten als Hauptgründe die Erteilung von Befehlen von Autoritätspersonen und das Herausgerissensein aus seinem Umfeld hervor. Dabei handle es sich um psychologische, nicht um moralisch-ethische Gründe. Ein Gewissenskonflikt setze tiefe persönliche und verpflichtende moralische Überlegungen voraus, die im Widerspruch stünden zur Pflicht, Militärdienst zu leisten. Der Gesuchsteller habe indessen in seinem Gesuch keine Normen, Prinzipien, Gebote oder Verbote genannt, welche mit dem Militärdienst unvereinbar wären. Daher sei es ihm nicht gelungen, einen Gewissenskonflikt geltend zu machen.

B.
Gegen diesen Entscheid erhob der Beschwerdeführer mit Eingabe vom 1. Februar 2008 Beschwerde beim Bundesverwaltungsgericht (BVGer). Er beantragte sinngemäss, der Entscheid der Vorinstanz sei aufzuheben, auf sein Gesuch um Zulassung zum Zivildienst sei einzutreten und es sei eine Anhörung durchzuführen. Er hielt fest, er verbinde das Militär und das Hantieren mit Waffen mit Gewalt. Er empfinde einen Gewissenskonflikt, wenn er zu einer Handlung gezwungen werde, die im Widerspruch zu seiner ethisch-moralischen Vorstellung stehe. Bei der Aushebung habe er noch gedacht, dass er bei den Rettungstruppen etwas Sinnvolles bewirken und die moralischen Bedenken beiseite schieben könne. Leider sei dies aber nicht der Fall gewesen. Da er sich schriftlich nicht gut ausdrücken könne, sei sein Lebenslauf von der Vorinstanz missverstanden worden. Seine Schreiben basierten auf seinen Erlebnissen und daraus könne geschlossen werden, wie sich seine ethisch-moralische Einstellung entwickelt habe. Er sei sehr erstaunt, dass er nicht einmal die Chance einer Anhörung erhalten habe.

C.
Mit Vernehmlassung vom 11. März 2008 beantragte die Vorinstanz die Abweisung der Beschwerde. Sie führte aus, nach dem Willen des Gesetzgebers solle auf ein Zulassungsgesuch nicht eingetreten werden, wenn der Aspekt des Gewissens darin nicht angesprochen sei und die persönlichen Überlegungen keinen erkennbaren Bezug zu einer moralischen Forderung aufwiesen. Im Gesuch des Beschwerdeführers seien zwar gewichtige Gründe gegen den Militärdienst erkennbar, diese wiesen jedoch keinen Bezug zu einer moralischen Forderung auf. Auch die Ablehnung von Waffen begründe der Beschwerdeführer nicht moralisch, sondern mit der Angst vor fremden Jugendlichen, welche er nicht einschätzen könne. Im zweiten Schreiben des Beschwerdeführers vom 15. Oktober 2007 seien Passagen zu finden, die auf eine moralische Forderung deuten könnten. So beschreibe er etwa den "Schmerz der Gewalt". Seine Ausführungen machten aber deutlich, dass es ihm um die schmerzliche Erfahrung gehe, Opfer von Gewalt zu sein, und sich dagegen nicht wehren zu können, sowie um die Angst, dass ihm in der Armee dasselbe nochmals widerfahren könnte. Diese Angst werde von ihm aber gleich wieder relativiert mit den Worten "Was nicht heisst, dass dies im Militär der Fall ist". Sowohl die Opferperspektive als auch die Relativierung, dass die Angst unbegründet sein könnte, sprächen gegen die Annahme, dass diese Angst moralisch begründet sei. Der Beschwerdeführer erwähne auch seine "Überzeugung gegen die Gewalt", die ihn daran gehindert habe, sich gegen seinen Stiefvater zu wehren. Diese Bemerkung, mit welcher der Beschwerdeführer die Perspektive des Gewaltopfers verlasse, deute zwar allenfalls auf eine moralische Forderung hin. Dieser Hinweis sei aber im Gesamtzusammenhang und in Würdigung beider Schreiben zu wenig gewichtig, um als Grundlage eines möglichen Gewissenskonflikts gewertet zu werden. In seiner Beschwerde nenne der Beschwerdeführer zwar zentrale Begriffe wie "Gewalt", "Widerspruch mit meiner ethisch-moralischen Vorstellung" und "Gewissenskonflikt", fülle diese aber nicht mit neuem Inhalt.

D.
Am 7. Mai 2008 nahm das Eidgenössische Volkswirtschaftsdepartement (EVD) als Fachinstanz Stellung. Es beantragte, die Beschwerde gutzuheissen, die angefochtene Verfügung aufzuheben und die Sache zur Durchführung einer Anhörung mit anschliessendem Entscheid über das Gesuch an die Vorinstanz zurückzuweisen. Es führte aus, die in den Akten enthaltenen Unterlagen des Beschwerdeführers erfüllten die Anforderungen an die Vollständigkeit des Gesuchs. Die Vorinstanz habe ihrer Nichteintretensverfügung eine Motivation zugrunde gelegt, die über die Anforderungen des Zivildienstgesetzes an die Vollständigkeit des Gesuchs hinausgehe. Nach der Rechtsprechung seien an Umfang und Gehalt der persönlichen Überlegungen zum geltend gemachten Gewissenskonflikt keine hohen Anforderungen zu stellen. Vorliegend seien sowohl im ersten als auch im zweiten Schreiben des Beschwerdeführers Ansatzpunkte ersichtlich (Abscheu vor Gewalt, Umgang mit Autoritätspersonen, Waffen, berufliche Gründe), wie der Gesuchsteller argumentieren wolle, um vom Militärdienst befreit zu werden. Einige davon - insbesondere die Ablehnung von Gewalt - seien objektiv geeignet, Grundlage für einen Gewissenskonflikt mit dem Leisten von Militärdienst zu bilden.

E.
Mit Stellungnahme vom 12. Juni 2008 führte die Vorinstanz aus, sie halte am Antrag auf Abweisung der Beschwerde fest. Die Aussage des EVD, dass sie überhöhte Anforderungen an die Vollständigkeit des Gesuchs stelle, sei nicht richtig. Die Eintretensvoraussetzungen seien im Rahmen der Revision des Zivildienstgesetzes präzisiert worden. Gemäss den Ausführungen in der Botschaft hierzu sei im Rahmen der Eintretensfrage zu prüfen, ob der Gesuchsteller sich überhaupt auf eine moralische Forderung berufe und ob das Gesuch Aussagen zu Kernfragen des Zulassungsverfahrens enthalte. Sie habe das Gesuch des Beschwerdeführers daher auf Ansatzpunkte untersucht, welche als Grundlage eines - schliesslich gegenüber der Zulassungskommission glaubhaft zu machenden - Gewissenskonflikts dienen könnten. Dabei habe sie durchaus einige Hinweise auf mögliche moralische Forderungen zur Kenntnis genommen. Insgesamt sei sie aber zum Schluss gekommen, dass der Beschwerdeführer sich nicht auf eine moralische Forderung berufe, durch die sein Gewissen aus seiner Sicht mit der Militärdienstpflicht in einen unauflösbaren Konflikt gerate.
Das Bundesverwaltungsgericht zieht in Erwägung:

1.
Der Nichteintretensentscheid der Vorinstanz vom 17. Januar 2008 ist eine Verfügung im Sinne von Art. 5 Abs. 1 Bst. c des Bundesgesetzes vom 20. Dezember 1968 über das Verwaltungsverfahren (VwVG, SR 172.021). Diese Verfügung kann nach Art. 63 des Zivildienstgesetzes vom 6. Oktober 1995 (ZDG, SR 824.0) und im Rahmen der allgemeinen Bestimmungen über die Bundesverwaltungsrechtspflege (Art. 44 ff. VwVG i.V.m. Art. 31 ff. und 37 ff. des Verwaltungsgerichtsgesetzes vom 17. Juni 2005 [VGG, SR 173.32]) mit Beschwerde beim BVGer angefochten werden. Da Eingabefrist sowie die Anforderungen an Form und Inhalt der Beschwerdeschrift gewahrt sind (Art. 50 und 52 Abs. 1 VwVG) und der Beschwerdeführer im Sinne von Art. 48 Abs. 1 VwVG zur Beschwerde legitimiert ist, ist auf die Beschwerde einzutreten.

2.
Mit der vorliegenden Beschwerde wird der vorinstanzliche Nichteintretensentscheid angefochten. Das BVGer hat daher nur zu prüfen, ob die Vollzugsstelle auf das Gesuch des Beschwerdeführers zu Recht nicht eingetreten ist. Ergibt die Beurteilung der Beschwerde, dass der vorinstanzliche Nichteintretensentscheid rechtmässig ist, so ist die dagegen erhobene Beschwerde als unbegründet abzuweisen, andernfalls ist sie gutzuheissen, der angefochtene Entscheid aufzuheben und die Angelegenheit zur Weiterführung des Verfahrens an die Vorinstanz zurückzuweisen.

3.
Militärdienstpflichtige, die glaubhaft darlegen, dass sie den Militärdienst mit ihrem Gewissen nicht vereinbaren können, leisten einen zivilen Ersatzdienst (Zivildienst) nach dem Zivildienstgesetz (Art. 1 Abs. 1 ZDG). Der Gewissenskonflikt nach Absatz 1 zeichnet sich dadurch aus, dass die betreffende Person sich auf eine moralische Forderung beruft, durch die ihr Gewissen aus ihrer Sicht mit der Militärdienstpflicht in einen unauflösbaren Konflikt gerät (Art. 1 Abs. 2 ZDG). Diese moralische Forderung hat im Einklang mit dem persönlichen Moralverständnis der betreffenden Person zu stehen (Art. 1 Abs. 3 ZDG).
Eingeleitet wird das Zulassungsverfahren durch das Gesuch des Stellungs- bzw. Militärdienstpflichtigen (Art. 16 ZDG). Die gesuchstellende Person reicht das Gesuch schriftlich bei der Vollzugsstelle ein. Das Gesuch enthält: a. eine Darlegung des geltend gemachten Gewissenskonflikts (Art. 1 Abs. 2 und 3); b. einen Lebenslauf, der aufzeigt, wie der geltend gemachte Gewissenskonflikt entstanden ist und sich bisher geäussert hat; c. das Dienstbüchlein (Art. 16a ZDG).

4.
Im Verwaltungsverfahren gilt grundsätzlich die Untersuchungsmaxime, wonach der Sachverhalt von Amtes wegen festzustellen ist (Art. 12 VwVG; vgl. zum Ganzen Ulrich Häfelin/Georg Müller/Felix Uhlmann, Allgemeines Verwaltungsrecht, 5. Aufl., Zürich/Basel/Genf 2006, Rz. 1623 ff.). Der Untersuchungsgrundsatz gilt indessen nicht uneingeschränkt und findet sein Korrelat in den Mitwirkungspflichten der Parteien. Diese sind gehalten, sich an der Feststellung des Sachverhalts zu beteiligen, insbesondere wenn sie das Verfahren durch eigenes Begehren eingeleitet haben oder darin eigene Rechte geltend machen (Art. 13 Abs. 1 Bst. a - c VwVG), aber auch, wenn Tatsachen abzuklären sind, welche eine Partei naturgemäss besser kennt als die Behörde und welche diese ohne ihre Mitwirkung nicht oder nicht mit vernünftigem Aufwand erheben kann (BGE 124 II 361 E. 2b, BGE 122 II 385 E. 4c/cc). Die Behörde braucht auf Begehren der Parteien nicht einzutreten, wenn diese die notwendige und zumutbare Mitwirkung verweigern (Art. 13 Abs. 2 VwVG). Generell erweist sich die Mitwirkung als umso notwendiger, je schwieriger es für die zuständige Behörde ist, die massgeblichen Umstände zu erfassen.
Im Verfahren um Zulassung zum Zivildienst ist die Mitwirkung des Gesuchstellers unerlässlich, da nur dieser selbst in der Lage ist, über den geltend gemachten Gewissenskonflikt mit dem Militärdienst Auskunft zu geben und seine moralischen Werte und Überzeugungen zu erklären. Der Gesuchsteller hat daher den Gewissenskonflikt zunächst in einem schriftlichen Gesuch darzulegen (Art. 16a ZDG). Die zentrale Rolle innerhalb des Zulassungsverfahrens spielt nach dem Willen des Gesetzgebers indessen die persönliche Anhörung, in welcher die Darlegung des Gewissenskonflikts in Bezug auf ihre Glaubhaftigkeit beurteilt wird (Art. 18a und 18b ZDG).
Die Vorinstanz führte im angefochtenen Entscheid aus, der Beschwerdeführer habe als Hauptgründe gegen das Leisten von Militärdienst psychologische Motive genannt und nicht moralisch-ethische. Es sei ihm daher nicht gelungen, einen Gewissenskonflikt geltend zu machen, weshalb auf sein Gesuch um Zulassung zum Zivildienst nicht einzutreten sei. Vorliegend ist somit zu prüfen, welche Anforderungen an die Darlegung des Gewissenskonflikts bereits im Gesuch um Zulassung zum Zivildienst zu stellen sind, damit auf dieses eingetreten werden kann.
4.1 Nach Art. 16a ZDG hat das Gesuch Folgendes zu enthalten:
a) eine Darlegung des geltend gemachten Gewissenskonflikts (Art. 1 Abs. 2 und 3);
b) einen Lebenslauf, der aufzeigt, wie der geltend gemachte Gewissenskonflikt entstanden ist und sich bisher geäussert hat;
c) das Dienstbüchlein.
4.1.1 Gemäss ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichts ist eine Gesetzesbestimmung in erster Linie nach ihrem Wortlaut auszulegen. An einen klaren und unzweideutigen Gesetzeswortlaut ist die rechtsanwendende Behörde gebunden, sofern dieser den wirklichen Sinn der Norm wiedergibt (BGE 125 III 57 E. 2b, BGE 120 II 112 E. 3a). Ist eine Bestimmung trotz ihres scheinbar klaren Wortlauts unklar, so ist nach dem wahren Sinn und Zweck der Norm zu suchen. Dieser ergibt sich in erster Linie aus der Entstehungsgeschichte und dem Willen des Gesetzgebers. Die Gesetzesauslegung hat sich vom Gedanken leiten zu lassen, dass nicht schon der Wortlaut die Rechtsnorm darstellt, sondern erst das an Sachverhalten angewandte und konkretisierte Gesetz. Gefordert ist die sachlich richtige Entscheidung im normativen Gefüge, ausgerichtet auf ein befriedigendes Ergebnis aus der ratio legis. Massgebend ist damit der Rechtssinn des Rechtssatzes (BGE 122 V 362 E. 4, mit weiteren Hinweisen; vgl. zur Auslegung allgemein Häfelin/Müller/Uhlmann, a.a.O., Rz. 214 ff., mit weiteren Hinweisen; Ernst A. Kramer, Juristische Methodenlehre, 2. Auflage, Bern 2005, S. 47 ff.).
Bei der Auslegung gelangen die grammatikalische, historische, zeitgemässe, systematische und teleologische Auslegung zur Anwendung. Nach herrschender Meinung kommt keiner dieser Auslegungsmethoden ein grundsätzlicher Vorrang zu. Vielmehr befolgt das Bundesgericht einen "pragmatischen Methodenpluralismus". Die teleologische Auslegungsmethode steht gemäss bundesgerichtlicher Praxis jedoch im Vordergrund (BGE 128 I 34 E. 3b, BGE 125 II 206 E. 4a, BGE 124 III 266 E. 4, mit weiteren Hinweisen auf die Rechtsprechung; Häfelin/Müller/Uhlmann, a.a.O., Rz. 214 ff.; Hans Peter Walter, Der Methodenpluralismus des Bundesgerichts bei der Gesetzesauslegung, recht 1999, S. 157 ff.).
4.1.2 In Art. 16a ZDG werden die Elemente aufgezählt, welche ein Gesuch um Zulassung zum Zivildienst aufweisen muss. Indessen geht aus dem gesetzlichen Wortlaut nicht hervor, wie präzis oder umfassend die "Darlegung des geltend gemachten Gewissenskonflikts" sein muss und wann ein Lebenslauf genügend exemplarisch ist, um die Entstehung und bisherige Äusserung des Gewissenskonflikts aufzuzeigen.
4.1.3 Betreffend den Zweck des Gesuchs führte der Bundesrat in der Botschaft vom 21. September 2001 zur Änderung des Bundesgesetzes über den zivilen Ersatzdienst (Botschaft, BBl 2001 6127, 6181) aus, das schriftliche Gesuch müsse Grundlage und Ausgangspunkt der persönlichen Anhörung bilden. Deren Vorbereitung müsse auf Grund des Gesuchs möglich sein. Das Gesuch müsse deshalb Aussagen zu den Kernfragen des Zulassungsverfahrens enthalten. Es erfülle seinen Zweck nur, wenn es den Gewissensentscheid zum Thema habe, wenn es ihn zu erläutern versuche und die in Art. 1 beschriebene Grundhaltung der gesuchstellenden Person vermittle. Der Lebenslauf solle Entstehung und Entwicklung des geltend gemachten Gewissenskonflikts aufzeigen und auch Hinweise darauf geben, ob und wie die im Spiel stehenden moralischen Forderungen auch anderweitig im Leben der gesuchstellenden Person zum Ausdruck kämen. Das Gewissen werde erst anhand seiner konkreten Äusserungen fassbar. Der Lebenslauf sei daher für die Arbeit der Zulassungskommission wichtig.
4.1.4 Art. 16a ZDG wurde im Rahmen der Revision des Zivildienstgesetzes neu eingeführt (Änderung vom 21. März 2003, in Kraft seit 1. Januar 2004, AS 2003 4843, 4854).
Nach der ursprünglichen Fassung von Art. 16 Abs. 2 und 3 ZDG (AS 1996 1445) mussten Militärdienstpflichtige, die Zivildienst leisten wollen, im Gesuch ausdrücklich erklären, dass sie Zivildienst nach diesem Gesetz leisten wollen, ihre persönlichen Überlegungen darlegen, welche sie zu einem Gewissensentscheid gegen den Militärdienst geführt haben, sowie einen ausführlichen Lebenslauf, einen aktuellen Strafregisterauszug und das Dienstbüchlein beilegen.
Auf Grund der altrechtlichen Bestimmung und mit Blick auf die allgemeinen, das Verwaltungsverfahren beherrschenden Grundsätze entwickelte die ehemals zuständige Rekurskommission des Volkswirtschaftsdepartements (REKO/EVD) eine Rechtsprechung, welche keine allzu hohen Anforderungen an die Eintretensvoraussetzungen bei Zivildienstgesuchen stellte. Sie hielt fest, eine schriftliche Begründung genüge den gesetzlichen Anforderungen und auf ein Gesuch sei einzutreten, wenn Anhaltspunkte erkennbar seien, die nachvollziehbar aufzeigten, mit welcher Argumentationslinie der Gesuchsteller seine Zulassung zum Zivildienst erreichen wolle. Es müsse lediglich sachlich auf den Zivildienst bezogen argumentiert werden. Für die Eintretensfrage sei es deshalb unerheblich, ob überhaupt und allenfalls welchen moralischen Forderungen sich der Gesuchsteller verpflichtet fühle und ob seine Darlegungen ausreichten, um im Sinne des ZDG einen zu respektierenden Gewissensentscheid als glaubhaft erscheinen zu lassen. Dies bilde vielmehr die materiell zu prüfende Kernfrage, nach der sich entscheide, ob der Zulassungsentscheid positiv oder negativ ausfalle (vgl. Verwaltungspraxis des Bundes [VPB] 64.128 E. 3.2, bestätigt in weiteren unpublizierten Entscheiden; vgl. zum Ganzen auch Botschaft vom 22. Juni 1994 zum Bundesgesetz über den zivilen Ersatzdienst, BBl 1994 III 1609 ff., 1667 f., je mit weiteren Hinweisen).
Diese Rechtsprechung der REKO/EVD wurde in der Botschaft vom 21. September 2001 kritisiert. Danach entspreche die Praxis, nach welcher auf ein Zulassungsgesuch auch dann einzutreten sei, wenn der Aspekt des Gewissens darin nicht angesprochen werde und die persönlichen Überlegungen keinen erkennbaren Bezug zu einem Gewissensentscheid bzw. zu einer moralischen Forderung aufwiesen, nicht den ursprünglichen Intentionen des Gesetzgebers. Daher sei der Gesetzestext präziser zu fassen (BBl 2001 6181).
Die Räte übernahmen den bundesrätlichen Entwurf von Art. 16a ZDG, in welchem die Absätze 2 und 3 des alten Art. 16 ZDG präzisiert wurden, ohne Wortmeldungen als Endfassung (BBl 2001 6204; Amtliches Bulletin [AB] Nationalrat 2002 1993, AB Ständerat 2003 91).
Die Praxis der REKO/EVD wurde in Bezug auf die Eintretensfrage indessen auch nach Inkrafttreten der revidierten Bestimmungen nicht geändert (vgl. etwa den unveröffentlichten Entscheid vom 17. Januar 2005 [5C/2004-152] E. 4).
4.2 Die Auslegung von Art. 16a ZDG ergibt Folgendes:
Nach dem Wortlaut des Gesetzes muss das Gesuch um Zulassung zum Zivildienst einen "Gewissenskonflikt" zum Thema haben. Das Gewissen drückt sich durch einen innerlich verpflichtenden Handlungsleitsatz aus, der das eigene Verhalten des Gesuchstellers bestimmt. Als Motive, welche der innerlich verpflichtenden Forderung zu Grunde liegen, werden im weitesten Sinne "ethische", "moralische", "sittliche" oder "religiöse" Werte anerkannt. Nicht als Gewissensgrund gelten demgegenüber persönliche Gründe wie beispielsweise persönliche Neigungen, Bequemlichkeiten, Aus- und Weiterbildung oder wirtschaftliche Erwägungen sowie rein politisch-taktische Erwägungen (VPB 64.131, E. 5.2 f.).
Somit müssen die im Gesuch genannten Gründe, mit welchen der Gesuchsteller seine Zulassung zum Zivildienst erreichen will, einen Zusammenhang mit seinem Gewissen und seiner Grundhaltung aufweisen, so dass das Vorhandensein eines Gewissenskonflikts mit der Militärdienstpflicht jedenfalls nicht von Vornherein ausgeschlossen werden kann. Auf ein Gesuch, das ausschliesslich auf rein persönlichen, taktischen oder wirtschaftlichen Gründen beruht, die eine Zulassung zum Zivildienst nicht zu rechtfertigen vermögen, muss daher nicht eingetreten werden.
Bezüglich der Darlegung des Gewissenskonflikts (Art. 16a Abs. 2 Bst. a ZDG) stellt der geltende Gesetzestext im Vergleich zur früheren Fassung keine höheren Anforderungen, sondern bleibt - wie auch vor der Revision - sehr unbestimmt. Nach den Ausführungen in der Botschaft genügt es, wenn die Gründe mindestens in einer Weise dargelegt werden, dass sie als Basis und Ausgangspunkt für die nachfolgende Anhörung dienen können. Eine solche Auslegung entspricht auch dem Zweck des Zulassungsverfahrens, nach dessen Konzept die Anhörung zentral ist. An die theoretische Darlegung des Gewissenskonflikts bzw. die Tiefe und Präzision der schriftlichen Erläuterungen sind im Rahmen der Eintretensfrage somit keine hohen Anforderungen zu stellen. Insbesondere darf keine ausgereifte Argumentation hinsichtlich der Natur und der Tragweite des Gewissenskonflikts sowie des persönlichen Wertsystems verlangt werden.
Im revidierten Gesetzestext werden im Vergleich zur früheren Rechtslage hingegen die Bedeutung und der Zweck des Lebenslaufes (Art. 16a Abs. 2 Bst. b ZDG) hervorgehoben. Dieser soll konkrete Einblicke und Anhaltspunkte bezüglich der Entstehung und Äusserung des geltend gemachten Gewissenskonflikts geben. Ein Gesuchsteller hat in seiner schriftlichen Eingabe demnach aufzuzeigen, wie sich seine Grundhaltung, welche der Militärdienstpflicht entgegen steht, entwickelt hat und wie sie sich in seinem Leben äussert. Auch hierzu dürfen aber nicht ausführliche schriftliche Darlegungen, sondern lediglich einige Hinweise erwartet werden.
Die allgemeinen Rechtsgrundsätze und der Zweck des schriftlichen Gesuchs, der vor allem in der Vorbereitung der mündlichen Anhörung liegt, gebieten im Weiteren, dass die Anforderungen an Zivildienstgesuche nicht zu hoch gesteckt werden. Durch zu strenge Eintretensvoraussetzungen würden sonst jene Gesuchsteller benachteiligt, welche Mühe mit dem schriftlichen Ausdruck haben. Dies ist zu vermeiden. Generell gilt, dass die Vollständigkeit des Gesuchs in einer gesamtheitlichen Betrachtungsweise zu prüfen ist. So darf z. B. nicht in formalistischer Weise auf Nicht-Eintreten geschlossen werden, bloss weil eines der in Art. 16a Bst. a und b ZDG verlangten Elemente fehlt.
Schliesslich ist zu betonen, dass im Rahmen der Eintretensfrage nicht zu untersuchen ist, ob die im Gesuch genannten Gründe genügend substantiiert sind, um die Glaubhaftigkeit eines Gewissenskonflikts mit dem Militärdienst zu begründen. Diese Frage muss in der eigens dafür vorgesehenen persönlichen Anhörung abgeklärt und in der Folge im Rahmen einer Gesamtwürdigung aller schriftlichen und mündlichen Vorbringen eines Gesuchstellers beantwortet werden.
Nachfolgend ist zu untersuchen, ob die hiervor umschriebenen Eintretensvoraussetzungen im vorliegenden Fall erfüllt sind.

5.
Der Beschwerdeführer brachte in seinem Gesuch vom 3. Oktober 2007 sowie in der Ergänzung vom 15. Oktober 2007 unter anderem folgende Gründe vor, warum er statt Militärdienst Zivildienst leisten möchte:
- Er habe Angst, durch das Leisten der RS seine innere und äussere Stabilität zu verlieren;
- Befehlen und Anordnungen könne er sich nur unterziehen, wenn er sie als sinnvoll und korrekt erachte;
- er habe Angst vor ihm unbekannten Jugendlichen, die bereits kurz nach dem Einrücken eine Waffe erhielten;
- im Zivildienst gebe es keine Waffen;
- er habe Gewalt in der Familie erlebt, weshalb er ein Problem mit allen Formen der Gewalt habe;
- auch Befehle seien eine Form der Gewalt, wenn man sich nicht dagegen wehren könne. Er wisse auch, dass Befehle zu "mehr" führen würden (wie er dies bei seinem Gross- und Stiefvater erlebt habe);
- seine Überzeugung gegen die Gewalt habe ihn daran gehindert, sich gegen die autoritären Forderungen seines Stiefvaters zu wehren.
Die genannten Gründe lassen erkennen, dass der Beschwerdeführer zum Einen Angst vor Gewalt und dem Verlust von Stabilität hat, zum Andern aber auch, dass er Gewalt grundsätzlich ablehnt. Beide Aspekte begründet der Beschwerdeführer mit seinen in der Kindheit gemachten Erfahrungen. Der Beschwerdeführer hat somit seine Grundhaltung beschrieben und aufgrund von Erlebnissen erläutert. Die grundsätzliche Ablehnung von Gewalt stellt ohne Weiteres ein ethisch-moralisches Motiv dar, welches Grundlage eines Gewissenskonflikts mit dem Leisten von Militärdienst bilden kann.
Weder der Umstand, dass der Beschwerdeführer in seinem Gesuch nicht aufgezeigt hat, wie sich der Gewissenskonflikt bisher geäussert hat, noch die Tatsache, dass er auch andere, nicht gewissensrelevante Gründe nennt, dürfen dazu führen, dass auf sein Gesuch nicht eingetreten wird. Auch dass seine Einstellung gegen die Gewalt in seinen Eingaben noch nicht hinreichend substantiiert und vertieft wurde, spielt im Rahmen der Eintretensfrage keine Rolle. Denn ob und inwiefern die genannten Gründe tatsächlich zu einem Gewissenskonflikt im Sinne des Zivildienstgesetzes führen und ob der Beschwerdeführer den verpflichtenden Charakter dieses Konflikts gegebenenfalls glaubhaft darzulegen vermag, kann nur im Rahmen einer mündlichen Anhörung abgeklärt werden. Eine solche nicht durchzuführen, hiesse, dem Gesuchsteller jegliche Möglichkeit einer näheren Erläuterung seiner Motive zu nehmen, was - wie gesagt - weder dem Zweck des Zulassungsverfahrens entsprechen noch dem Prinzip der Chancengleichheit genügen würde.
Zusammenfassend ist festzuhalten, dass die in den Akten enthaltenen Unterlagen die Anforderungen an die Vollständigkeit des Gesuchs nach Art. 16a Abs. 2 ZDG erfüllen und die Vorinstanz zu Unrecht auf das Gesuch des Beschwerdeführers nicht eingetreten ist.

6.
Die Beschwerde ist daher gutzuheissen und die Sache ist an die Vorinstanz zurückzuweisen mit der Weisung, das Verfahren weiterzuführen.

7.
Nach Art. 65 ZDG sind keine Verfahrenskosten aufzuerlegen und es ist keine Parteientschädigung zuzusprechen.

8.
Dieser Entscheid kann nicht mit Beschwerde an das Bundesgericht weiter gezogen werden (Art. 83 Bst. i des Bundesgerichtsgesetzes vom 17. Juni 2005 [BGG, SR 173.110]). Er ist somit endgültig.

Demnach erkennt das Bundesverwaltungsgericht:

1.
Die Beschwerde wird gutgeheissen und der Entscheid der Vorinstanz vom 17. Januar 2008 aufgehoben. Die Streitsache wird zur Weiterführung des Verfahrens an die Vorinstanz zurückgewiesen.

2.
Es werden keine Verfahrenskosten erhoben und es wird keine Parteientschädigung zugesprochen.

3.
Dieses Urteil geht an:
- den Beschwerdeführer (Einschreiben)
- die Vorinstanz (Ref-Nr. 8.415.34220.0; Einschreiben; Akten zurück)
- das Eidg. Volkswirtschaftsdepartement (zur Kenntnis)

Der vorsitzende Richter: Die Gerichtsschreiberin:

Frank Seethaler Marion Spori

Versand: 16. September 2008
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