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Abteilung II

B-6498/2020

 

 

 

 

 

Urteil vom 28. Januar 2021

Besetzung

 

Richter Daniel Willisegger (Vorsitz),

Richter Ronald Flury, Richter Pascal Richard,  

Gerichtsschreiberin Astrid Hirzel.

 

 

 

Parteien

 

Verein X._______ in Liquidation,
vertreten durch das
Konkursamt Aussersihl-Zürich,

Beschwerdeführer,

 

 

 

gegen

 

 

Kanton Zürich,
Volkswirtschaftsdirektion,
Amt für Wirtschaft und Arbeit,
Finanzen und Controlling,

Vorinstanz.

 

Gegenstand

 

Beiträge für arbeitsmarktliche Massnahmen.

 


Sachverhalt:

A.   

A.a  Der Verein X._______ in Liquidation (nachfolgend: Beschwerdeführer) führte gestützt auf einen Rahmenvertrag sowie jährliche Leistungsvereinbarungen mit dem Amt für Wirtschaft und Arbeit des Kantons Zürich (nachfolgend: Vorinstanz) arbeitsmarktliche Massnahmen (AMM) durch und erhielt dafür Beiträge aus der Arbeitslosenversicherung. Dabei handelte es sich um Motivationssemester (SEMO) und Programme zur vorübergehenden Beschäftigung (PvB). Der Rahmenvertrag (gültig vom 1. August 2019 bis zum 31. Juli 2023) regelte die grundsätzlichen Bedingungen der Rechtsbeziehung und sah vor, dass die Vorinstanz bei Bedarf die zu erbringenden Leistungen jährlich mittels separater Leistungsvereinbarung, welche die Leistungsmenge sowie die näher zu spezifizierenden Leistungsinhalte umfasst, im Sinne eines Abrufs bestellt. Vergütet wurde die jährlich effektiv angefallenen, nachgewiesenen und anrechenbaren Kosten für die Durchführung der Beschäftigungsmassnahmen. Die vom 1. August 2019 bis zum 31. Juli 2020 geltende Leistungsvereinbarung regelte den Abruf der AMM (Bezeichnung der AMM) für den genannten Zeitraum.

A.b  Mit Urteil vom 14. Juli 2020, 9 Uhr, eröffnete das zuständige Bezirksgericht den Konkurs über den Beschwerdeführer und beauftragte das Konkursamt Aussersihl-Zürich mit dem Vollzug.

A.c  Mit "Abrechnungsverfügung" vom 8. Dezember 2020 verfügte die Vorinstanz gegenüber dem Beschwerdeführer eine Rückforderung durch die kantonale Arbeitslosenkasse von Fr. 22'451.55 für das Programm (Bezeichnung der AMM) im Zeitraum vom 1. Januar bis zum 30. Juni 2020.

A.d  Mittels dieser Verfügung meldete die Vorinstanz die Forderung von Fr. 22'451.55 im Konkurs über den Beschwerdeführer an.

B. 
Mit Eingabe vom 23. Dezember 2020 erhob das Konkursamt Aussersihl-Zürich gegen diese Verfügung Beschwerde vor Bundesverwaltungsgericht und ersuchte gleichzeitig um Einstellung des Beschwerdeverfahrens i.S.v. Art. 207 Abs. 2 SchKG (zit. in E. 2.4). Das Konkursamt erklärte, es erhebe die Beschwerde zur Wahrung allfälliger Gläubigerrechte, die Forderung beruhe auf öffentlichem Recht und sei gegenwärtig noch nicht rechtskräftig veranlagt.

C. 
Mit Instruktionsverfügung vom 29. Dezember 2020 holte das Bundesverwaltungsgericht Angaben und Unterlagen zum Zeitpunkt der Konkurseröffnung und zur Grundlage der Rückforderung ein. Diese gingen am 4. und am 6. Januar 2021 ein.

 

Das Bundesverwaltungsgericht zieht in Erwägung:

1. 
Das Bundesverwaltungsgericht beurteilt Beschwerden gegen Verfügungen nach Art. 5 des Verwaltungsverfahrensgesetzes vom 20. Dezember 1968 (VwVG, SR 172.021; Art. 31 des Verwaltungsgerichtsgesetzes vom 17. Juni 2005 [VGG, SR 173.32]) und beurteilt auch Beschwerden gegen Verfügungen kantonaler Instanzen, soweit ein Bundesgesetz gegen ihre Verfügungen die Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht vorsieht (Art. 33 Bst. l VGG). Ferner ist es zuständig für die Beurteilung von Beschwerden gegen Verfügungen der Instanzen oder Organisationen ausserhalb der Bundesverwaltung, die in Erfüllung ihnen übertragener öffentlich-rechtlicher Aufgaben des Bundes verfügen (Art. 33 Bst. h VGG). Das Bundesverwaltungsgericht ist auch zuständig für die Beurteilung von Beschwerden gegen Entscheide und Beschwerdeentscheide des SECO sowie gegen Entscheide der Ausgleichsstelle, die gestützt auf das Arbeitslosenversicherungsgesetz ergehen (Art. 101 des Arbeitslosenversicherungsgesetzes vom 25. Juni 1982 [AVIG, SR 837]). Ausserdem beurteilt das Bundesverwaltungsgericht auf Klage als erste Instanz Streitigkeiten aus öffentlich-rechtlichen Verträgen des Bundes, seiner Anstalten und Betriebe und der Organisationen i.S.v. Art. 33 Bst. h VGG. Nachfolgend ist jedoch vorab zu prüfen, ob ein taugliches Anfechtungsobjekt vorliegt.

2.   

2.1  Zur Verhütung und Bekämpfung der Arbeitslosigkeit leistet die Versicherung u.a. finanzielle Beiträge für arbeitsmarktliche Massnahmen für versicherte Personen (Art. 7 Abs. 1 Bst. b AVIG). Die Versicherung erbringt finanzielle Leistungen für arbeitsmarktliche Massnahmen zu Gunsten von versicherten Personen und von Personen, die von Arbeitslosigkeit bedroht sind (Art. 59 Abs. 1 AVIG). Die Versicherung kann Organisationen der Arbeitgeber und Arbeitnehmer, gemeinsamen Einrichtungen der Sozialpartner, Kantonen und Gemeinden sowie anderen öffentlichen und privaten Institutionen Beiträge an die Kosten der Durchführung von arbeitsmarktlichen Massnahmen gewähren (Art. 59cbis Abs. 1 AVIG). Sie erstattet den Organisationen die nachgewiesenen und notwendigen Kosten zur Durchführung von arbeitsmarktlichen Massnahmen (Art. 59cbis Abs. 2 AVIG). Die zuständige Amtsstelle gewährt durch Verfügung oder Leistungsvereinbarung Beiträge an die Veranstalter von arbeitsmarktlichen Massnahmen (Art. 81d Abs. 1 der Arbeitslosenversicherungsverordnung vom 31. August 1983 [AVIV, SR 837.02]).

2.2  Der verfügten Rückforderung liegt eine Leistungsvereinbarung zugrunde. Die Vorinstanz macht somit eine Forderung aus öffentlich-rechtlichem Vertrag gegenüber dem Beschwerdeführer geltend, wofür die Klage nach Art. 35 VGG vorgesehen ist, was denn auch im Rahmenvertrag ausdrücklich festgehalten ist ("Für die Beurteilung von Streitigkeiten aus dem vorliegenden verwaltungsrechtlichen Vertrag ist das Bundesverwaltungsgericht zuständig [Art. 35 lit. a VGG]"). Die Vorinstanz hat demnach diesbezüglich keine Verfügungskompetenz. Die Konkurseröffnung über den Beschwerdeführer führt zwar dazu, dass die Klage nicht mehr erhoben werden kann, ändert aber nichts an der diesbezüglichen fehlenden Verfügungskompetenz der Vorinstanz, da sie Vertragspartnerin des Beschwerdeführers ist. Die Verfügung erweist sich damit als fehlerhaft.

2.3  Eine Verfügung ist nur ausnahmsweise nichtig, wenn der ihr anhaftende Mangel besonders schwer und offensichtlich oder zumindest leicht erkennbar ist und die Rechtssicherheit durch die Annahme der Nichtigkeit nicht ernsthaft gefährdet wird. Als Nichtigkeitsgrund kommen namentlich die sachliche und funktionelle Unzuständigkeit der verfügenden Behörde in Betracht, es sei denn, der verfügenden Behörde komme auf dem betreffenden Gebiet allgemeine Entscheidungsgewalt zu, sowie schwerwiegende Verfahrensfehler (BGE 139 II 243 E. 11.2 m.H.; BGE 137 III 217 E. 2.4.3). Das Fehlen der Verfügungskompetenz der Vorinstanz mit Bezug auf die Rückforderung ist angesichts der ausdrücklichen Regelung im Rahmenvertrag ein offensichtlicher Mangel und führt ohne weiteres zur Nichtigkeit der angefochtenen Verfügung. Die Nichtigkeit einer Verfügung ist jederzeit und von sämtlichen staatlichen Instanzen von Amtes wegen zu beachten; sie kann auch im Rechtsmittelweg festgestellt werden (BGE 140 III 651 E. 3; BGE 139 II 243 E. 11.2) und ist im Urteilsdispositiv festzustellen (BGE 132 II 342 E. 2.3). Nichtigen Verfügungen geht jede Verbindlichkeit und Rechtswirksamkeit ab. Die Frage der Rückforderung kann mangels Verfügungsbefugnis der Vorinstanz somit nicht streitgegenständlich werden.

2.4  Eine Konversion der (nichtigen) Verfügung in eine blosse Forderungsanmeldung scheidet mangels Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts für das Konkursverfahren des Beschwerdeführers aus. Ohnehin wurde die Forderung gemäss Angaben des Konkursamtes bereits (mittels der fraglichen Verfügung) angemeldet. Bei der eingegebenen Forderung handelt es sich um eine Konkursforderung, d.h. sie ist vor der Konkurseröffnung entstanden. Das Konkursamt hat diese zu erwahren (Art. 244 des Bundesgesetzes über Schuldbetreibung und Konkurs vom 11. April 1889 [SchKG, SR 281.1]). Dass die Forderung noch nicht rechtskräftig veranlagt ist, führt nicht zur Sistierung nach Art. 207 Abs. 2 SchKG. Die Bestimmung setzt voraus, dass das Verwaltungsverfahren im Zeitpunkt der Konkurseröffnung bereits rechtshängig ist bzw. die (nachmalig) angefochtene Verfügung bereits zugestellt worden ist (vgl. Heiner Wohlfart/Caroline B. Meyer, in: Adrian Staehelin/Thomas Bauer/Daniel Staehelin [Hrsg.], Basler Kommentar, Bundesgesetz über Schuldbetreibung und Konkurs II, 2. Aufl., Basel 2010). Die Konkurseröffnung erfolgte hier am 14. Juli 2020. Da die Abrechnung vom 8. Dezember 2020 nach der Konkurseröffnung zugestellt wurde, liegt kein Anwendungsfall von Art. 207 Abs. 2 SchKG vor.

2.5  Der Entscheid über die fragliche Rückforderung ergeht im Rahmen des Kollokationsverfahrens. Wird die Forderung nicht oder nicht im vollen Umfang kolloziert, steht es der Vorinstanz frei, gegen die Masse zu klagen (Art. 250 Abs. 1 SchKG).

3. 
Mangels tauglichen Anfechtungsobjekts ist auf die Beschwerde nicht einzutreten.

4. 
Die Beschwerdeinstanz auferlegt in der Entscheidungsformel die Verfahrenskosten, bestehend aus Spruchgebühr, Schreibgebühren und Barauslagen, in der Regel der unterliegenden Partei (Art. 63 Abs. 1 VwVG). Die Spruchgebühr richtet sich nach Umfang und Schwierigkeit der Streitsache, Art der Prozessführung und finanzieller Lage der Parteien (Art. 63 Abs. 4bis VwVG). In Anwendung von Art. 6 Bst. b des Reglements vom 21. Februar 2008 über die Kosten und Entschädigungen vor dem Bundesverwaltungsgericht (VGKE, SR 173.320.2) ist vorliegend auf die Erhebung von Verfahrenskosten zu verzichten.


Demnach erkennt das Bundesverwaltungsgericht:

1. 
Es wird festgestellt, dass die Abrechnungsverfügung "2020; Schlussrechnung per 30.06.2020 - Verein X.______ SEMO (...)" vom 8. Dezember 2020 nichtig ist.

2. 
Auf die Beschwerde wird nicht eingetreten.

3. 
Es werden keine Verfahrenskosten erhoben.

4. 
Dieses Urteil geht an:

-        den Beschwerdeführer (Gerichtsurkunde)

-        die Vorinstanz (Ref-Nr. [...]; Gerichtsurkunde)

 

Für die Rechtsmittelbelehrung wird auf die nächste Seite verwiesen.

 

Der vorsitzende Richter:

Die Gerichtsschreiberin:

 

 

Daniel Willisegger

Astrid Hirzel

 


Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Entscheid kann innert 30 Tagen nach Eröffnung beim Bundesgericht, Schweizerhofquai 6, 6004 Luzern, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten geführt werden (Art. 82 ff., 90 ff. und 100 BGG). Die Frist ist gewahrt, wenn die Beschwerde spätestens am letzten Tag der Frist beim Bundesgericht eingereicht oder zu dessen Handen der Schweizerischen Post oder einer schweizerischen diplomatischen oder konsularischen Vertretung übergeben worden ist (Art. 48 Abs. 1 BGG). Die Rechtsschrift ist in einer Amtssprache abzufassen und hat die Begehren, deren Begründung mit Angabe der Beweismittel und die Unterschrift zu enthalten. Der angefochtene Entscheid und die Beweismittel sind, soweit sie die beschwerdeführende Partei in Händen hat, beizulegen (Art. 42 BGG).

 

Versand: 1. Februar 2021

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