Das Bundesverwaltungsgericht zieht in Erwägung:
1.Prozessvoraussetzungen
Das Bundesverwaltungsgericht prüft die Prozessvoraussetzungen von Amtes wegen. Die vorliegende
Beschwerde richtet sich gegen die Sanktionsverfügung der Vorinstanz vom 28. November 2011 und damit
gegen ein Beschwerdeobjekt im Sinne von Art. 31 VGG in Verbindung mit Art. 5 VwVG. Das Bundesverwaltungsgericht
ist gemäss Art. 33 Bst. f VGG in Verbindung mit Art. 47 Abs. 1 Bst. b VwVG zur Behandlung
der vorliegenden Streitsache zuständig, zumal keine Ausnahme im Sinne von Art. 32 VGG vorliegt.
Die Beschwerdeführerin ist als Verfügungsadressatin zur Beschwerdeführung legitimiert
(Art. 48 VwVG). Die Beschwerdefrist von 30 Tagen wurde bei Zustellung der angefochtenen Verfügung
am 15. Dezember 2011 (vgl. U-act. 397) mit Postaufgabe der vorliegenden Beschwerde am 30. Januar
2012 gewahrt (Art. 50 i.V.m. Art. 20 ff. VwVG). Der Kostenvorschuss im Betrag von Fr. 50'000.00
wurde rechtzeitig geleistet. Auf die Beschwerde ist damit grundsätzlich einzutreten.
2.Verfahrensanträge
2.1Einvernahmen
Mit Beschwerde vom 30. Januar 2012 hatte die Beschwerdeführerin beantragt, die formellen Beweisaussagen
von G._______, vormals Präsident und Delegierter des Verwaltungsrats der Beschwerdeführerin,
sowie von B._______, vormals Verkaufsleiter der Beschwerdeführerin (Verfahrensantrag Ziff. 7), einzuholen.
Die Vorinstanz hatte die beiden Unternehmensvertreter am 5. und 19. September 2011 im
Rahmen von
Art. 40 KG unter anderem zur beschlagnahmten elektronischen Firmenkorrespondenz befragt
(U-act. 388, 389). Auf die von der Beschwerdeführerin in der Folge beantragte förmliche
Befragung im Rahmen von Art. 42 Abs. 1 KG in Verbindung mit Art. 64 des Bundesgesetzes über
den Bundeszivilprozess (BZP, SR 273) verzichtete die Vorinstanz mit der Begründung, eine erneute
Befragung sei weder geboten noch verhältnismässig, zumal von einer Beweisaussage unter Strafandrohung
keine neuen Erkenntnisse zu erwarten seien (U-act. 389, S. 32; angefochtene Verfügung, Rz. 66).
Vor Bundesverwaltungsgericht hat die Beschwerdeführerin geltend gemacht, der Inhalt der erhobenen
Aussagen sei weiterhin strittig und der Beweiswert höher, wenn die Aussagen unter Strafandrohung
erfolgten (Beschwerde, Rz. 156 ff., 945 f.; Replik, Verfahrensantrag Ziff. 1; Rz. 384).
Weitere Parteieingaben hierzu erfolgten am 6. November bzw. 5. Dezember 2013. Mit instruktionsrichterlicher
Zwischenverfügung vom 28. Januar 2014 wurde der Verfahrensantrag der Beschwerdeführerin
nach vorläufiger Beurteilung abgewiesen. Anlässlich der mündlichen Verhandlung vom 3. Juni
2014 stellte die Beschwerdeführerin den modifizierten Verfahrensantrag, es seien G._______ als Zeuge
und B._______ als Auskunftsperson einzuvernehmen, eventualiter seien deren förmliche Beweisaussagen
einzuholen (Verhandlungsprotokoll, S. 3). Mit verfahrensleitendem Beschluss gleichen Datums wies
das Bundesverwaltungsgericht den Verfahrensantrag ab mit der Begründung, von einer erneuten Befragung
sei kein Erkenntnisgewinn zu erwarten, im Übrigen sei der modifizierte Antrag verspätet (Protokoll,
S. 3). Ergänzend ist Folgendes festzuhalten:
2.1.1 Das Kartellsanktionsverfahren ist zunächst
Verwaltungsverfahren (BGer, 2C_1065/2014, 26. Mai 2016, Publikationsverfügung
i.S. Nikon, E. 8.2). Zur Anwendung gelangen mithin die einschlägigen Vorschriften des
Kartell- und Verwaltungsverfahrensgesetzes (vgl. BGE 140 II 384, Spielbank,
E. 3.3.1, m.w.H.; BVGer, B-6513/2015, 18. Februar 2016, Alluvia,
E. 4.2.2, 4.3; B-7633/2009, 14. September 2015, Swisscom ADSL,
Rz. 62, 79 ff.). Ergänzende Bestimmungen des Bundesrechts bleiben vorbehalten (Art. 4 VwVG). Im
Übrigen sind für das Kartellsanktionsverfahren die strafprozessualen Garantien von Art. 6
Ziff. 1 EMRK zu beachten (BGE 139 I 72, Publigroupe, E. 2.2.2,
m.w.H.), welche indes im Verwaltungssanktionsverfahren weder in voller Strenge zur Anwendung gelangen
noch absolut gelten (s.u., E. 5.1). Teilweise wird in der Lehre ergänzend die analoge Anwendung
einzelner Bestimmungen der Strafprozessordnung (StPO, SR 312.0) gefordert (Thomi/Wohlmann,
Der Täter als Zeuge im Kartellverfahren, in: Jusletter vom 13. Juni 2016, Rz. 14 ff.; vgl.
BVGer, B-7633/2009, 14. September 2015, Swisscom ADSL,
Rz. 651, m.w.H.).
Nach Art. 40 KG haben Beteiligte an Abreden sowie Dritte den Wettbewerbsbehörden alle für
deren Abklärung erforderlichen Auskünfte zu erteilen; das Recht zur Auskunftsverweigerung richtet
sich nach Art. 16 f. VwVG. Art. 16 Abs. 1 VwVG verweist diesbezüglich auf Art. 42
BZP. Im Weiteren können die Wettbewerbsbehörden nach Art. 42 Abs. 1 KG Dritte als Zeugen
einvernehmen und die von einer Untersuchung Betroffenen zur Beweisaussage verpflichten; Art. 64
BZP ist sinngemäss anwendbar. Nach Art. 64 Abs. 1 BZP kann der Richter eine Partei zur Beweisaussage
über bestimmte Tatsachen unter Strafandrohung bei falscher Aussage verhalten, wenn er es nach dem
Ergebnis des einfachen Parteiverhörs für geboten erachtet. Ist die Partei eine juristische
Person, wird sie im Parteiverhör durch ein vom Richter bestimmtes Mitglied mit Organeigenschaft
vertreten (Art. 63 Abs. 2 BZP). Als Organe gelten bei der Aktiengesellschaft Verwaltungsrat,
Generalversammlung und Revisionsstelle sowie im Rahmen der Übertragung der Geschäftsführung
die Geschäftsleitung (Art. 698 ff., 716b OR).
2.1.2 Die Beschwerdeführerin sieht in der Befragung
unter Strafandrohung keinen Verstoss gegen das Verbot des Selbstbelastungszwangs im Sinne von Art. 6
Ziff. 1 EMRK (während umgekehrt unter Berufung auf dieses Verbot die Verwertung belastender Angaben
gerügt wird: s.u., E. 5.3.1), sondern begründet vielmehr den Antrag auf förmliche
Befragung mit dem angeblich höheren Beweiswert der Aussagen. Sie übersieht allerdings, dass
formellen Beweisaussagen ebenso wie Zeugenaussagen gegenüber Angaben von Auskunftspersonen trotz
Strafandrohung bei falscher Aussage keine per se höhere Beweiskraft beizumessen ist; eine generelle
Rangordnung der Beweise existiert nicht (vgl. zur analogen Rechtslage im Strafverfahren: Hauser/Schweri/Hartmann,
Schweizerisches Strafprozessrecht, 6. Aufl. 2005, § 54 Rz. 5; § 63 Rz. 4;
Niklaus Schmid, Schweizerische Strafprozessordnung, Praxiskommentar,
2. Aufl. 2013, Art. 10 StPO N. 5; Franz Riklin, Kommentar
zur StPO, 2. Aufl. 2014, Art. 10 StPO N. 3; Wolfgang
Wohlers, in: Donatsch/Hansjakob/Lieber [Hrsg.], Kommentar zur Schweizerischen Strafprozessordnung,
2. Aufl. 2014, Art. 10 StPO N. 28). Die prozessuale Rolle des Befragten ist in erster Linie
ausschlaggebend für die Frage des Aussageverweigerungsrechts, das vorliegend nicht zur Debatte steht.
In Bezug auf den Beweiswert der Aussagen gilt der Grundsatz der freien Beweiswürdigung (vgl. Art. 65
Abs. 1 BZP, Art. 19 VwVG i.V.m. Art. 40 BZP; vgl. auch Art. 10 Abs. 2 StPO). Abzustellen ist
auf Inhalt und Kontext der Aussagen, insbesondere auf Widerspruchsfreiheit, Schlüssigkeit und Aussageverhalten,
sowie auf die Übereinstimmung mit der objektiven Beweislage. Diesbezüglich ist festzuhalten,
dass G._______ und B._______ bereits anlässlich der Anhörung vor der Vorinstanz vom 5. und
19. September 2011 ausführlich befragt wurden (vgl. U-act. 388, 389). Deren Ausführungen
betreffend einzelne E-Mails und Vertragsklauseln sind aus den Protokollen vom 5. und 19. September
2011 ersichtlich, wobei an dieser Stelle offen bleiben kann, inwieweit die Vorinstanz überhaupt
darauf abgestellt hat. Dass die protokollierten Antworten in sich widersprüchlich oder unklar seien,
wurde auch von der Beschwerdeführerin nicht behauptet. Von einer erneuten Befragung unter Strafandrohung
waren daher keine neuen Erkenntnisse zu erwarten (wobei Art. 64 Abs. 1 BZP, wonach der Richter eine Partei
zur Beweisaussage verhalten "kann", wenn er es nach
dem Ergebnis des einfachen Parteiverhörs für geboten erachtet, dem Richter ein Ermessen einräumt).
Im Übrigen ist aufgrund der Akten zweifelhaft, ob die vorinstanzlich als Unternehmensvertreter
befragten G._______ und B._______ überhaupt noch für die Beschwerdeführerin tätig
sind. Anlässlich der mündlichen Verhandlung vom 3. Juni 2014 hat die Beschwerdeführerin,
offenbar aufgrund des Ausscheidens von B._______ aus dem Unternehmen, ihren ursprünglichen Verfahrensantrag
modifiziert und im Hauptpunkt dessen Befragung als Zeuge beantragt (Verhandlungsprotokoll, S. 3,
Verfahrensantrag Ziff. 2). Bezüglich Zeugenaussagen gilt indes das zum Beweiswert förmlicher
Beweisaussagen von Parteivertretern Gesagte. Ebenfalls mit modifiziertem Verfahrensantrag vom 3. Juni
2014 hat die Beschwerdeführerin im Hauptpunkt die Befragung von G._______ als Auskunftsperson im
Sinne von Art. 178 Bst. g StPO beantragt (Verhandlungsprotokoll, S. 3, Verfahrensantrag Ziff. 2).
In der Lehre wird teilweise eine Einvernahme von Unternehmensmitarbeitern im Kartellsanktionsverfahren
in analoger Anwendung von Art. 178 Bst. g StPO als Auskunftsperson postuliert; zur Begründung
wird auf das Aussageverweigerungsrecht des für den Kartellrechtsverstoss möglicherweise Verantwortlichen
verwiesen (Thomi/Wohlmann, a.a.O., Rz. 14 ff.). Eine Aussageverweigerung
ist vorliegend jedoch nicht geltend gemacht worden, zudem ist G._______ mittlerweile aus dem Verwaltungsrat
der Beschwerdeführerin ausgeschieden (SHAB [...]). Im Übrigen ist für eine (erneute) formlose
Befragung auch kein Rechtsschutzinteresse erkennbar.
2.2Sistierung
Ebenfalls abgewiesen wurde anlässlich der mündlichen Verhandlung vom 3. Juni 2014
der Antrag der Beschwerdeführerin auf Sistierung des Beschwerdeverfahrens bis zum Entscheid des
Bundesgerichts über die hängigen Beschwerden gegen die Urteile des Bundesverwaltungsgerichts
vom 19. Dezember 2013 in Sachen Elmex (B-506/2010, B-463/2010).
Im Unterschied zum Verfahren in Sachen Publigroupe, in welchem
unter anderem die Tragweite der strafprozessualen Verfahrensgarantien im Kartellsanktionsverfahren
höchstrichterlich zu klären war (BGE 139 I 72, E. 2 ff.),
was eine zwischenzeitliche Sistierung des vorliegenden Verfahrens angezeigt erscheinen liess (s.o., C.b),
waren in den Elmex-Fällen vor Bundesgericht keine
Rechtsfragen von vergleichbarer präjudizieller Wirkung in Bezug auf das vorliegende Verfahren zu
beantworten. Eine erneute Sistierung war daher verfahrensökonomisch nicht angezeigt. Mit Urteil
vom 28. Juni 2016 hat das Bundesgericht die Beschwerden in Sachen Elmex
inzwischen abgewiesen (2C_180/2014; noch nicht publiziert).
2.3Akteneinsicht
Mit Beschwerde vom 30. Januar 2012 hatte die Beschwerdeführerin beim Bundesverwaltungsgericht
Einsicht in vorinstanzlich nicht offengelegte Akten beantragt, eventualiter die Entfernung der betreffenden
Aktenstücke aus den Verfahrensakten (Verfahrensantrag Ziff. 3). In Substantiierung ihres Antrags
bezeichnete die Beschwerdeführerin mit Eingabe vom 24. Juni 2013 zahlreiche geschwärzte Stellen
in den vorinstanzlichen Akten, welche offenzulegen seien; eventualiter sei deren Inhalt zu umschreiben.
Mit instruktionsrichterlicher Zwischenverfügung vom 16. Juli 2013 hiess das Bundesverwaltungsgericht
das Einsichtsbegehren der Beschwerdeführerin im beantragten Umfang gut und ordnete die Offenlegung
an. Anlässlich der mündlichen Verhandlung vor Bundesverwaltungsgericht vom 3. Juni 2014
erneuerte die Beschwerdeführerin ihren Verfahrensantrag, "soweit
damit die Entfernung von geschwärzten Aktenteilen aus den Akten beantragt werde" (Verhandlungsprotokoll
vom 3. Juni 2014, S. 3), allerdings ohne Erläuterung, auf welche Aktenstellen sich der Antrag
beziehe. Auch wurde nicht dargelegt, inwiefern und aus welchen Gründen der Antrag über das
mit Zwischenverfügung vom 16. Juli 2013 gutgeheissene Begehren vom 24. Juni 2013 hinausgehe. Unklar
blieb damit auch, ob Aktenstellen betroffen seien, auf welche in der angefochtenen Verfügung Bezug
genommen werde, und inwiefern es diesbezüglich an einem überwiegenden Geheimhaltungsinteresse
fehle. Der Verfahrensantrag ist mithin abzuweisen, soweit darauf (noch) einzutreten ist.
2.4Geschäftsgeheimnisse
Die Beschwerdeführerin hatte ferner beantragt, es sei ihr Frist anzusetzen zur Bezeichnung von
Geschäftsgeheimnissen (Beschwerde, Verfahrensanträge Ziff. 4 und 5). Mit instruktionsrichterlicher
Zwischenverfügung vom 25. April 2013 hat das Bundesverwaltungsgericht festgehalten, dass es der
Beschwerdeführerin frei stehe, Informationen bzw. Aktenstücke zu bezeichnen, welche ihrer Ansicht
nach als Geschäftsgeheimnisse zu behandeln seien; auf die Verfahrensanträge betreffend diesbezügliche
Fristansetzung bzw. vorgängige Gehörseinräumung wurde indes nicht eingetreten. Die Beschwerdeführerin
hat in der Folge keine Geschäftsgeheimnisse benannt (s.u., E. 11).
2.5Ökonomisches
Gutachten
Schliesslich hatte die Beschwerdeführerin beantragt, es sei ein ökonomisches Gutachten
einzuholen zur Frage der Marktauswirkungen (Beschwerde, Verfahrensantrag Ziff. 8). Zur Begründung
wurde geltend gemacht, die Feststellungen der Vorinstanz würden teilweise von den Ergebnissen des
Gutachtens der BAK Basel Economics AG vom 25. Juli 2011 abweichen (Beschwerde, Rz. 947 f.). Mit
instruktionsrichterlicher Zwischenverfügung vom 28. Januar 2014 wurde der Verfahrensantrag
abgewiesen.
Ergänzend festzuhalten ist, dass die Vorinstanz eine vertiefte Marktanalyse gestützt
unter
anderem auf die elektronischen Geschäftsdaten (SAP) der Beschwerdeführerin, auf die Daten
einer
von der Beschwerdeführerin in Auftrag gegebenen Analyse des Marktforschungsinstituts GfK Switzerland
AG sowie auf Daten von Erhebungen des Sekretariats der Wettbewerbskommission vorgenommen hat (vgl. angefochtene
Verfügung, Rz. 387 ff., 430 ff., 453 ff., 462 ff., 480 ff., 494 ff.;
Anhänge, S. 149 ff.; U-act. 66). Die Beschwerdeführerin hat zudem vorinstanzlich
ein Parteigutachten der BAK Basel Economics AG vom 25. Juli 2011 im Umfang von über 120 Seiten
eingereicht (U-act. 333, Beilage 1) sowie im Beschwerdeverfahren - nebst drei Rechtsgutachten
- ein ökonomisches Ergänzungsgutachten der BAK Basel Economics AG vom Januar 2012 (Replikbeilage
24). Weitere Beweiserhebungen erschienen vor diesem Hintergrund sowie angesichts der Rechts- und Beweislage
(s.u., E. 7.5.6 ff.) nicht angezeigt.
3.Sachverhalt
und Verfahrensgegenstand
Die Vorinstanz gelangte zum Schluss, verschiedene Klauseln
in den Vertriebsverträgen der Beschwerdeführerin
sowie mehrerer ausländischer Konzern-Gesellschaften bezweckten eine vertikale Marktaufteilung im
Sinne von Art. 5 Abs. 4 KG. Dabei handelt es sich um folgende Verträge bzw. Klauseln (angefochtene
Verfügung, Dispositivziffer 1; Rz. 98 ff.):
-
Vertriebsverträge zwischen der Beschwerdeführerin und sechs inländischen Grosshändlern
(Ende 2004 bis Ende August 2009) mit folgender Bestimmung (U-act. 66, Beilagen 14 ff.):
§ 6 Ziff. 1:
"Der Distributor und dessen Tochter- und Schwestergesellschaften
dürfen die Vertragserzeugnisse nur von Nikon oder einem anderen von Nikon autorisierten Distributor
im Vertragsgebiet beziehen."
-
Vertriebsverträge für die Kameramodelle "D3S" sowie "D3X" zwischen
der Beschwerdeführerin und diversen Einzelhändlern in der Schweiz (ab November 2008 bzw. November
2009) mit folgender Bestimmung (U-act. 66, Beilagen 32, 33):
Ziff. 3:
"Der Händler verpflichtet sich, die Nikon D3X/D3S nur bei
Nikon oder bei einem von Nikon autorisierten Nikon D3X/D3S[-]Händler in der Schweiz oder dem Fürstentum
Liechtenstein zu beziehen."
-
Vertriebsverträge "Nikon Professional Dealer" zwischen der Beschwerdeführerin
und sechs Einzelhändlern in der Schweiz (2007 bis Oktober 2010) mit folgender Bestimmung (U-act. 11,
S. 68):
§ 4 Ziff. 1:
"Der 'NPSD' [Nikon Professional Service Dealer] darf die Vertragserzeugnisse
nur von Nikon oder einem anderen von Nikon autorisierten 'NPSD' im Vertragsgebiet beziehen."
-
Selektivvertriebsverträge zwischen den Nikon-Niederlassungen in Deutschland (2004 bis 2009),
Österreich (ab 2006), Slowenien (ab 2007) und Ungarn sowie diversen Gross- und Einzelhändlern
in den jeweiligen Ländern (U-act. 66, Beilagen 34, 35, 38, 39, 45, 46) mit folgender Bestimmung
(Wortlaut gemäss deutscher Vertragsfassung):
Art. 4 Ziff. 1:
"Im Übrigen verpflichtet sich der Grosshändler bzw.
der Vertragshändler, die Nikon[-]Produkte ausserhalb des EWR nicht zu verkaufen."
-
"Retail Dealer Sales Agreements" und "Internet Dealer Sales Agreements" zwischen
Nikon Inc., USA, und diversen amerikanischen Einzelhändlern (U-act. 353, 354), unter anderem
mit folgender Bestimmung:
Ziff. 13:
"In no event shall customer [dealer] directly or indirectly,
transmit, send, or export any product outside the territory [USA]."
-
Vertriebsvertrag zwischen Nikon UK limited, Grossbritannien, und verschiedenen britischen Einzel-
und Grosshändlern mit folgender Bestimmung (U-act. 66, Beilagen 54, 55):
Ziff. 1.1.:
"The distributor shall sell throughout the United Kingdom the
products mentioned in the attached schedule [...]."
-
Vertriebsvertrag zwischen Nikon Europe B.V., Niederlande, und dem griechischen Generalimporteur
mit folgender Bestimmung (U-act. 66, Beilage 73):
Ziff. 5 Abs. 2:
"However, the [D]istrib[u]tor may sell the products direc[tl]y
or indirectly within any country of the European Community (EC), and[,] after its entry into force[,]
[of] the European Economic Area (EEA), but the Distributor shall refrain, outside the territory and in
[the] relation to the Products, from seeking customers, from establishing any branch and from maintaining
any distribution depot."
-
Vertriebsverträge zwischen Nikon Polska Sp. Z O.O, Polen, und verschiedenen Gross- und Einzelhändlern
in Polen mit jeweils folgender Bestimmung (U-act. 66, Beilagen 49, 50):
Ziff. 2.3.:
"The Purchaser shall therefore acquire the right to purchase
Products from Nikon for the purpose of further resale on the Territory [Poland]".
Die Vorinstanz hat im angefochtenen
Entscheid die Unzulässigkeit der genannten Vertragsklauseln
gemäss Art. 5 Abs. 1 KG festgestellt (Dispositivziffer 1) und gestützt darauf die Beschwerdeführerin
gemäss Art. 49a KG mit einem Betrag von rund 12.5 Mio. Fr. belastet (Dispositivziffer 2). Dabei
ging die Vorinstanz von einer ungleichen Interessenlage zwischen den verschiedenen Abredepartnern aus
und stellte die Untersuchung gegen die mitbeteiligten Vertragshändler in der Folge ein (angefochtene
Verfügung, Rz. 347 ff.: "Interessenasymmetrie";
Rz. 327, 330: "dem Druck von Nikon gebeugt").
Der Tatbestand von Art. 7 KG (unzulässige Verhaltensweisen marktbeherrschender Unternehmen) wurde
in die Untersuchung nicht einbezogen (zur Normkonkurrenz: Franz
Hoffet, in: Homburger et al. [Hrsg.], Kommentar zum Kartellgesetz, 2. Aufl. 1997, Art. 5
N. 132 f.). Der Missbrauchstatbestand bildet damit nicht Gegenstand des vorliegenden Beschwerdeverfahrens
(vgl. angefochtene Verfügung, Dispositivziffern 1 und 2; in analoger Weise verfuhr die Europäische
Kommission in mehreren Wettbewerbsfällen im Zusammenhang mit dem Vertrieb von Automobilen: vgl.
angefochtene Verfügung, Rz. 348).
Die Beschwerdeführerin macht im Wesentlichen geltend, das schweizerische Kartellgesetz sei auf
ausländische Vereinbarungen sowie den Vertrieb patentrechtlich geschützter Güter nicht
anwendbar (Beschwerde, Rz. 216 ff.). Ferner rügt die Beschwerdeführerin verschiedene
Verfahrensmängel sowie die Verletzung verfassungsmässiger Rechte (Rz. 59 ff., 96 ff.,
104 ff., 119 ff., 125 ff., 161 ff., 169 ff., 173 ff., 183 ff., 187 ff.).
In der Sache macht sie geltend, weder eine erhebliche Wettbewerbsbeeinträchtigung bezweckt noch
eine solche bewirkt zu haben (Rz. 296 ff., 447 ff., 611 ff., 774 ff., 811 ff.).
Im Übrigen treffe die Beschwerdeführerin kein Verschulden (Rz. 104 ff., 119 ff.,
894 ff.). Schliesslich sei die Sanktionshöhe unangemessen (Rz. 900 ff.).
4.Geltungsbereich
Zunächst ist zu prüfen, ob der vorliegende Sachverhalt vom Geltungsbereich des Kartellgesetzes
erfasst wird. Nach Art. 2 Abs. 1 KG gilt das Kartellgesetz für Unternehmen des privaten und des
öffentlichen Rechts, die Kartell- oder andere Wettbewerbsabreden treffen, Marktmacht ausüben
oder sich an Unternehmenszusammenschlüssen beteiligen. Nach Art. 2 Abs. 2 KG ist das Gesetz
auf Sachverhalte anwendbar, die sich in der Schweiz auswirken, auch wenn sie im Ausland veranlasst werden.
4.1.Persönlicher
Geltungsbereich
4.1.1 Nach Art. 2 Abs. 1 KG setzt die Anwendung des Kartellgesetzes
in persönlicher Hinsicht ein Handeln als Unternehmen voraus. Gemäss Legaldefinition von Art.
2 Abs. 1bis KG gelten als Unternehmen
sämtliche Nachfrager oder Anbieter von Gütern und Dienstleistungen im Wirtschaftsprozess, unabhängig
von ihrer Rechts- oder Organisationsform. Die angefochtene Sanktionsverfügung ist an die Adresse
der Beschwerdeführerin als schweizerische Konzernniederlassung gerichtet, das heisst weder an die
involvierten ausländischen Schwestergesellschaften noch an die europäische Muttergesellschaft
bzw. die Konzernzentrale in Japan.
4.1.2 Die Vorinstanz hielt in der angefochtenen
Verfügung fest (Rz. 72): "Sämtliche Konzerngesellschaften
der Nikon-Gruppe sowie die ihr angeschlossenen Vertriebsunternehmen sind als Unternehmen im Sinne von
Art. 2 Abs. 1bis
KG zu qualifizieren." Demnach wäre die Unternehmensqualität nicht dem Konzern als
Ganzem, sondern den einzelnen Vertriebsgesellschaften zuzusprechen. Davon geht auch die Beschwerdeführerin
unter Verweis auf die rechtliche Eigenständigkeit und die behauptete Vertragsautonomie der einzelnen
Konzernniederlassungen aus (Beschwerde, Rz. 24 ff., 115, 124, 889). Gestützt darauf macht sie
geltend, die Verantwortung für die in den ausländischen Verträgen vorgesehenen Exportverbote
könne nicht ihr, sondern allenfalls ihren Schwestergesellschaften bzw. der im Ausland domizilierten
Muttergesellschaft angelastet werden; in der angefochtenen Verfügung werde die Beschwerdeführerin
mithin zu Unrecht für fremdes Verhalten bestraft (Beschwerde, Rz. 119 ff.; Replik, Rz. 159 ff.).
Die Vorinstanz beruft sich demgegenüber im Beschwerdeverfahren auf eine Konzernbetrachtung;
die Ausführungen in der angefochtenen Verfügung seien in diesem Sinne zu verstehen (Vernehmlassung,
Rz. 66). Im Übrigen habe die Beschwerdeführerin an der Umsetzung der ausländischen
Exportverbote aktiv mitgewirkt und auch von der Abschottung des Heimmarktes profitiert; es sei daher
sachgerecht, ihr eine Mitverantwortung an der Gebietsaufteilung anzulasten (Vernehmlassung, Rz. 65 f.;
Duplik, Rz. 91 ff.).
4.1.3 Begrifflich ist zu unterscheiden zwischen persönlichem
Geltungsbereich, Verfügungsadressat und Sanktionssubjekt. Der persönliche Geltungsbereich ist
gemäss Art. 2 Abs. 1 KG an den Unternehmensbegriff geknüpft. Vorliegend stellt sich die Frage
des Unternehmensbegriffs im Kontext eines Konzernsachverhalts. Ein Konzern liegt vor, wenn mehrere rechtlich
selbständig organisierte Unternehmen wirtschaftlich unter
einheitlicher Leitung zu einem Gesamtunternehmen als wirtschaftlicher
Einheit zusammengefasst sind. Als Unternehmen im Sinne von Art.
2 Abs. 1bis KG gilt in Konzernsachverhalten
der Konzern als Ganzes, nicht eine bestimmte Gruppengesellschaft (BGer, 2C_484/2010,
29. Juni 2012, Publigroupe, E. 3 [in BGE 139 I 72
nicht publiziert]; BVGer, B-7633/2009, 14. September 2015, Swisscom ADSL,
Rz. 26 ff.; B-8399/2010, 23. September 2014, Baubeschläge,
E. 2.4; B-2977/2007, 27. April 2010, Publigroupe, E. 4.1;
Jürg Borer, Kommentar zum KG, 3. Aufl. 2011,
Art. 2 KG N. 11; Jens Lehne, in: Basler Kommentar
zum KG, 2010, Art. 2 KG N. 27; Roger Zäch, Schweizerisches
Kartellrecht, 2. Aufl.
2005, Rz. 256; Linda Kubli, Das kartellrechtliche
Sanktionssubjekt im Konzern, 2014, S. 136 ff.). Demzufolge gelten Abreden innerhalb des
Konzerns
nicht als Wettbewerbsabreden im Sinne von Art. 4 Abs. 1 KG bzw. konzerninterne Umstrukturierungen
nicht
als Unternehmenszusammenschlüsse im Sinne von Art. 4 Abs. 3 KG, sofern es den Konzerngesellschaften
trotz rechtlicher Selbständigkeit an wirtschaftlicher Unabhängigkeit fehlt; umgekehrt ist bei
der Beurteilung von missbräuchlichen Verhaltensweisen im Sinne von Art. 7 KG die Marktmacht des
gesamten Konzerns zu berücksichtigen (BVGer, B-7633/2009, 14. September 2015, Swisscom
ADSL, Rz. 26 ff.; B-8399/2010, 23. September 2014, Baubeschläge,
E. 2.4; Lehne, a.a.O., Art. 2 KG N. 27; Borer,
a.a.O., Art. 2 KG N. 11; Zäch, a.a.O., Rz. 256;
Kubli, a.a.O., S. 136 ff.).
An der wirtschaftlichen Selbständigkeit fehlt es, wenn die Muttergesellschaft ihre Tochtergesellschaften
rechtlich zu kontrollieren vermag; strittig ist, inwieweit diese Möglichkeit auch tatsächlich
ausgeübt werden muss (vgl. dazu BVGer, B-7633/2009, 14. September 2015, Swisscom
ADSL, Rz. 26 ff.; B-2977/2007, 27. April 2010, Publigroupe,
E. 4.1; Borer, a.a.O., Art. 2 KG N. 11; Lehne,
a.a.O., Art. 2 KG N. 27; Zäch, a.a.O. Rz. 256;
Lang/Jenny, Keine Wettbewerbsabrede im Konzern - Zum
Konzernprivileg im schweizerischen Kartellrecht, sic! 2009, S. 307 ff.; zur Revision von Art. 963 Abs.
2 OR: Andreas Heinemann, Konzerne als Adressaten des Kartellrechts,
in: Hochreutener/Stoffel/Amstutz [Hrsg.], Wettbewerbsrecht: Jüngste Entwicklungen in
der Rechtsprechung
- Konzernsachverhalte und Konzernbegriff aus kartellrechtlicher Sicht, 2015,
S. 49 ff., m.w.H.; zum europäischen Recht: Mestmäcker/Schweitzer,
a.a.O., § 9 Rz. 18, m.w.H.).
4.1.4 Weder im Kartell- noch im Verwaltungsverfahrensgesetz
ist geregelt, an wen eine kartellrechtliche Verfügung zu richten ist. Parteien sind gemäss
Art. 6 VwVG im erstinstanzlichen Verfahren diejenigen Personen, deren Rechte und Pflichten
durch die Verfügung berührt werden. Die Fähigkeit, als Partei am Verwaltungsverfahren
teilzunehmen und Adressat einer anfechtbaren Verfügung zu werden, setzt demzufolge grundsätzlich
die Rechtsfähigkeit des betroffenen Unternehmens voraus. Die Parteifähigkeit privatrechtlicher
Organisationseinheiten ist anhand der zivilrechtlichen Rechtsfähigkeit zu bestimmen (Isabelle
Häner, Kommentar
VwVG, 2008, Art. 6 VwVG N. 48, Art. 48 VwVG N. 5;
Kölz/Häner/Bertschi, Verwaltungsverfahren und Verwaltungsrechtspflege des
Bundes, 3. Aufl. 2013, Rz. 444, 934 f.). Trotz fehlender Rechtspersönlichkeit wird
die Parteifähigkeit von Gesetzes wegen auch den Kollektiv- und Kommanditgesellschaften (Art. 562,
602 OR) zugesprochen (Kölz/Häner/Bertschi, a.a.O.,
Rz. 444; Häner, a.a.O., Art. 48 VwVG N. 5; Marantelli/Huber,
in: Waldmann/Weissenberger, Praxiskommentar VwVG, 2. Aufl. 2016, Art. 6 VwVG N. 13). Sonstige,
nicht rechtsfähige Rechtsgemeinschaften, wie insbesondere einfache Gesellschaften, scheiden
als
Partei eines Verwaltungsverfahrens und demzufolge als Verfügungsadressaten aus.
Bei solchen nicht
rechtsfähigen Rechtsgemeinschaften ist eine Verfügung an diejenigen natürlichen
oder juristischen
Personen zu richten, welche Mitglieder dieser Rechtsgemeinschaft sind (vgl. BGE 132
I 256, E. 1.1; BVGer,
A-1513/2006, E. 3.4; Häner, a.a.O.,
Art. 48 VwVG
N. 5; Kölz/Häner/ Bertschi,
a.a.O., Rz.
444, 935 f.). Entsprechend kommt dem Konzern mangels eigener Rechtspersönlichkeit
im Kartellverfahren
praxisgemäss keine Parteistellung zu (BVGer, B-7633/2009, 14. September
2015, Swisscom ADSL, Rz. 68 ff.; B-2977/2007, 27. April
2010, Publigroupe, E. 4.1 ff.). Generell wird in der
schweizerischen Lehre die Auffassung vertreten, dass Verfügungsadressat und Unternehmen im Sinne
von Art. 2 Abs. 1bis KG bzw. Unternehmen
und Sanktionssubjekt nicht identisch zu sein haben (vgl. Kubli,
a.a.O., S. 181 ff., m.w.H.; zur Unterscheidung zwischen formellen und materiellen Verfügungsadressaten:
Heinemann, Konzerne als Adressaten des Kartellrechts, a.a.O.,
S. 59 ff.). Gleiches gilt im europäischen Recht (Mestmäcker/Schweitzer,
a.a.O., § 22 Rz. 27, m.w.H.).
Im Fall Publigroupe hat das Bundesgericht festgehalten, dass
es grundsätzlich nicht zu beanstanden ist, wenn eine Kartellsanktion der verantwortlichen Muttergesellschaft
auferlegt wird (2C_484/2010, 29. Juni 2012, E. 3.4 [in BGE 139 I 72 nicht publiziert]). Diese
Auffassung wird in der schweizerischen Lehre überwiegend geteilt (Heinemann,
Konzerne als Adressaten des Kartellrechts, a.a.O., S. 60 f.; Christoph
Tagmann, Die direkten Sanktionen nach Art. 49a Abs. 1 Kartellgesetz, 2007, S. 18, 35 ff.;
Tagmann/Zirlick, in: Basler Kommentar zum KG, 2010, Art.
49a KG N. 98; Laurent Moreillon, Commentaire Romand LCart,
2. Aufl. 2012, Art. 50 KG N. 8; Patrik Ducrey, in:
Homburger et al. [Hrsg.], Kommentar zum KG, 2. Aufl. 1997, Art. 50 N. 8),
teilweise aber auch abgelehnt (Peter Reinert, in:
Baker & McKenzie [Hrsg.], Handkommentar zum KG, 2007, Art. 49a KG N. 13; ders.,
Die Sanktionsregelung gemäss revidiertem Kartellgesetz, in: Zäch [Hrsg.], Das revidierte
Kartellgesetz in der Praxis, 2006, S. 157; Boris Kasten, Sippenhaftung
vs. Konzernprivileg? Wettbewerbsrechtliche Entscheide bei Konzernsachverhalten, in:
Hochreutener/Stoffel/Amstutz [Hrsg.], Wettbewerbsrecht: Jüngste Entwicklungen
in der Rechtsprechung
- Konzernsachverhalte und Konzernbegriff aus kartellrechtlicher Sicht, 2015,
S. 15 ff., 30 ff.; Kubli, a.a.O., S. 208 ff.,
210 ff.). Die höchstrichterliche Praxis entspricht in diesem Punkt jener der europäischen
Wettbewerbsbehörden (EuGH, Rs. C-97/08 P, 10. September 2009, Akzo,
Slg. 2009 I 8237, Rz. 58; Mestmäcker/Schweitzer,
a.a.O., § 9 Rz. 14 ff.). Im Urteil in Sachen Swisscom
ADSL vom 14. September 2015 hat das Bundesverwaltungsgericht in einem obiter dictum erwogen,
dass sich auch eine Sanktionierung der in der Schweiz domizilierten Tochtergesellschaft
als zulässig erweisen kann, wenn die Muttergesellschaft und alle weiteren beteiligten Konzerngesellschaften
ihren Sitz im Ausland haben (B-7633/2009, Rz. 74; nicht rechtskräftig). Dies wird auch in
der Lehre so vertreten (Heinemann, Konzerne als Adressaten
des Kartellrechts, a.a.O., S. 61; ablehnend: Tagmann/Zirlick,
a.a.O., Art. 49a KG N. 98). In der Europäischen
Union wird von einer gesamtschuldnerischen Haftung sämtlicher Konzerngesellschaften einer Wirtschaftseinheit
ausgegangen (Mestmäcker/Schweitzer, a.a.O., §
9 Rz. 23 ff.).
4.1.5 Dazu ist vorliegend festzuhalten, dass das Konzernprivileg
von Art. 2 Abs. 1bis KG zwar bedeutet,
dass konzerninterne Absprachen und Umstrukturierungen nicht vom Anwendungsbereich des Gesetzes erfasst
werden, nicht aber, dass eine Tochtergesellschaft gegenüber Sachverhalten, welche von der Mutter-
oder einer Schwestergesellschaft veranlasst werden, unter Berufung auf die eigene Rechtspersönlichkeit
ohne Weiteres einwenden kann, es handle sich um "fremdes" Verhalten. So ist nach dem Gesagten
im Rahmen von Art. 7 KG unbestritten, dass sich die Tochtergesellschaft die kumulierte Konzernmacht anrechnen
lassen muss. Die von der Beschwerdeführerin anerkanntermassen zu verantwortenden inländischen
Importverbote sind entsprechend im Lichte der konzernweiten Vertriebspolitik zu beurteilen, zu welcher
auch die von der Vorinstanz beanstandeten ausländischen Exportverbote gehören. Ohnehin nicht
von "fremdem" Verhalten gesprochen werden kann zudem, soweit die Vorinstanz der Beschwerdeführerin
eine aktive Mitwirkung bei der Umsetzung der ausländischen Exportverbote anlastet. Insofern kann
vorliegend offen bleiben, ob die Beschwerdeführerin tatsächlich teilweise vertragsautonom gehandelt
hat.
Im Übrigen ist zu unterscheiden zwischen persönlicher Anwendbarkeit des Kartellgesetzes
einerseits und Verantwortlichkeit im Konzernverhältnis andererseits. Soweit die Beschwerdeführerin
aufgrund der vorinstanzlich verfügten Sanktion für angeblich fremdes Verhalten eine Verletzung
des Schuldprinzips rügt (Beschwerde, Rz. 104 ff., 119 ff.), ist nicht der persönliche
Geltungsbereich des Kartellgesetzes angesprochen, sondern die Frage der Zurechnung der Sanktion;
darauf
wird zurückzukommen sein (wobei auch der Einwand der Beschwerdeführerin zu prüfen
sein
wird, sie habe die Vertriebsverträge ihrer Schwestergesellschaften nicht gekannt: Beschwerde,
Rz.
115; s.u., E. 8.2.5). In persönlicher Hinsicht erweist sich das Kartellgesetz jedenfalls als
anwendbar.
4.2Sachlicher
Geltungsbereich
In sachlicher Hinsicht ist das Kartellgesetz nach Art.
2 Abs. 1 KG anwendbar auf Kartell- oder andere
Wettbewerbsabreden, auf die Ausübung von Marktmacht und auf die Beteiligung an Unternehmenszusammenschlüssen.
Nach Art. 4 Abs. 1 KG gelten als Wettbewerbsabreden rechtlich erzwingbare oder nicht erzwingbare Vereinbarungen
sowie aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen von Unternehmen gleicher oder verschiedener Marktstufen,
die eine Wettbewerbsbeschränkung bezwecken oder bewirken. Dabei ist gemäss Lehre und Rechtsprechung
ein objektivierter Zweckbegriff massgebend; entscheidend ist, ob eine Vereinbarung ihrem Wesen nach,
das heisst objektiv geeignet erscheint, den Wettbewerb zu beschränken (Nydegger/Nadig,
a.a.O., Art. 4 Abs. 1 KG N. 71; BVGer, B-8399/2010, 23. September 2014, Baubeschläge,
E. 5.3.2.6; B-3332/2012, 13. November 2015, BMW, E. 2.2.3;
B-5685/2012, 17. Dezember 2015, Altimum, E. 4.1; der Verweis
der Beschwerdeführerin auf RPW 1999/3, S. 509 ff., E. 4.4., ist hingegen nicht einschlägig;
s.u. E. 6.2.1). In vergleichbarer Weise wird in der Europäischen Union auf die der Vereinbarung
objektiv innewohnende Tendenz bzw. auf den sich aus dem Verhalten der Beteiligenden objektiv erschliessenden
Unternehmensplan abgestellt (vgl. Art. 101 AEUV; EU-Kommission, Leitlinien zur Anwendung von Art. 81
Abs. 3 EGV, ABl. 2004 C 101/97, Rz. 21; Mestmäcker/Schweitzer,
a.a.O., § 11 Rz. 33 ff., m.w.H.; EuGH, Rs. C-501/06 P, 6. Oktober 2009, Slg. 2009 I 9291,
GlaxoSmithKline, Rz. 58; Rs. C-31/11, 14. März
2013,
Allianz Hungária, Rz. 37; vgl. auch Rechtsgutachten
Nettesheim/Thomas,
Replik-Beilage 1, S. 32 ff.), wobei im Falle einer sogenannten "Kernbeschränkung"
(u.a. vertikale Gebietsaufteilung) per se ein wettbewerbsbeschränkender Zweck angenommen wird (Art.
4 Verordnung [EU] Nr. 330/2010 der Kommission vom 20. April 2010 über die Anwendung von
Art. 101 Abs. 3 AEUV auf Gruppen von vertikalen Vereinbarungen und abgestimmten Verhaltensweisen,
ABl.
2010 L 102/1; EuGH, Rs. C-31/11, 14. März 2013, Allianz
Hungária, Rz. 41; Mestmäcker/Schweitzer,
a.a.O., § 11 Rz. 40; vgl. auch Gutachten Nettesheim/Thomas, Replik-Beilage 1, S. 33 f.).
Die Beteiligung der Beschwerdeführerin an einer wettbewerbsrelevanten Vereinbarung ist vorliegend
im Grundsatz unbestritten (s.u., E. 7.1). Bestritten wird hingegen, dass die beanstandeten in- und ausländischen
Vertriebsverträge des Nikon-Konzerns eine Behinderung von Parallelimporten in der Schweiz bezweckt
oder bewirkt hätten; darauf ist nachstehend näher einzugehen (E. 4.3).
4.3Räumlicher
Geltungsbereich
4.3.1 Die Beschwerdeführerin rügt, es fehle
in casu an einem ausreichenden Bezug zur Schweiz im Sinne von Art. 2 Abs. 2 KG. Voraussetzung einer Anwendbarkeit
des Kartellgesetzes (und damit der Zuständigkeit der Schweizer Kartellbehörden) sei das Vorliegen
von qualifizierten Auswirkungen der strittigen Abrede im Inland. Die reine Möglichkeit einer Wettbewerbsbeschränkung
auf dem hiesigen Markt genüge nicht. Die Vorinstanz habe es unterlassen, den entsprechenden Nachweis
zu führen. Sie gehe fälschlicherweise davon aus, dass vertragliche Exportverbote, die
sich
lediglich theoretisch auf dem schweizerischen Markt auswirkten, vom Anwendungsbereich des Kartellgesetzes
erfasst würden; dies verstosse gegen völkerrechtliche Prinzipien (Beschwerde, Rz. 223 ff.,
247 ff., 378 ff.; Replik, Rz. 17 ff.; Stellungnahme vom 25. Juli 2011, U-act. 333,
Rz. 349).
Die Vorinstanz bringt dagegen vor, zum Zeitpunkt der
Eröffnung einer kartellrechtlichen Untersuchung
sei in der Regel nicht bekannt, welche Auswirkungen
eine strittige Wettbewerbshandlung habe; dies herauszufinden
sei Sache der Untersuchung. Folglich müsse auch im Hinblick auf den Anwendungsbereich des Kartellgesetzes
gemäss Art. 2 Abs. 2 KG die blosse Möglichkeit substanzieller Auswirkungen genügen;
die materielle Beurteilung bleibe der Erheblichkeitsprüfung nach Art. 5 KG vorbehalten. Entscheidend
sei daher nicht, ob ausländische Exportklauseln explizit im Hinblick auf den Schweizer Markt verfasst
seien, sondern ob diese objektiv geeignet seien, den Wettbewerb in der Schweiz zu beeinträchtigen
(angefochtene Verfügung, Rz. 74 ff.; Vernehmlassung, Rz. 112 ff.; Duplik, Rz. 5,
8 ff.).
4.3.2 Gemäss dem im Völkerrecht verankerten
Territorialitätsprinzip ist die Befugnis von Staaten zu hoheitlichem Handeln auf deren Staatsgebiet
beschränkt; dasselbe gilt für den Geltungsbereich staatlicher Gesetze. Hingegen lässt
das Auswirkungsprinzip die Anwendung von Gesetzen auf Sachverhalte zu, die sich zwar im Ausland zutragen,
jedoch im Inland auswirken (vgl. Rolf Bär, Das Auswirkungsprinzip
im schweizerischen und europäischen Wettbewerbsrecht, in: von Büren/Cottier [Hrsg.], Die neue
schweizerische Wettbewerbsordnung im internationalen Umfeld, 1997, S. 102 f., m.w.H.; zur Terminologie:
Max Gutzwiller, Geltungsbereich und Anwendungsbereich der
Gesetze, in: Anton Heini [Hrsg.], Elemente der Rechtsidee, 1964, S. 149 ff., m.w.H.).
Die völkerrechtliche Zulässigkeit und Tragweite des Auswirkungsprinzips war bis in die
zweite Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts umstritten, gilt heute aber bei moderater Handhabung
als im Grundsatz international anerkannt (BGE 127 III 219, Rhône-Poulenc,
E. 3.a; Andreas R. Ziegler, Einführung in das Völkerrecht,
3. Aufl. 2015, Rz. 593 ff., mit Hinweis auf den Lotus-Entscheid
des Ständigen Internationalen Gerichtshofs von 1927; Zäch,
a.a.O., Rz. 271 ff., m.w.H.; Borer,
a.a.O., Art. 2 KG N. 20;
Lehne, a.a.O., Art. 2 KG N. 42 ff., m.w.H.; Mestmäcker/Schweitzer,
a.a.O., § 7 Rz. 87; ebenso: Rechtsgutachten Nettesheim/Thomas, Replik-Beilage 1, S.
12 ff., 32 ff., 38). Allerdings werden in Theorie und Praxis teilweise qualifizierte Anforderungen
an den Binnenbezug gestellt. Die US-amerikanische Jurisdiktion hat die Formel entwickelt,
wonach die
Auswirkungen unmittelbar, wesentlich und vorhersehbar zu sein haben ("direct,
substantial and reasonably foreseeable"); in der Praxis legen die US-Behörden
ihre Zuständigkeit jedoch teilweise extensiv aus, was im Ausland wiederholt auf Kritik gestossen
ist (vgl. Lehne, a.a.O., Art. 2 KG N. 45 f., 47;
Mestmäcker/Schweitzer, a.a.O., § 7 Rz. 13 ff.,
m.w.H.). Die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs stützt sich nicht explizit auf das
Auswirkungsprinzip; die Zulässigkeit extraterritorialer Anwendung von Gemeinschaftsrecht
auf Sachverhalte
mit Auswirkung auf den Gemeinsamen Markt ist jedoch im Grundsatz unbestritten (Mestmäcker/Schweitzer,
a.a.O., § 7 Rz. 50 ff., m.w.H.; vgl. auch Rechtsgutachten Nettesheim/Thomas, Replik-Beilage
1, S. 26 ff.). Voraussetzung für eine Anwendung EU-rechtlicher Wettbewerbsregeln ist das
Vorliegen einer zwischenstaatlichen Handelsbeeinträchtigung (Binnenmarktkriterium), ferner die Spürbarkeit
der Auswirkungen (Aufgreifkriterium; EU-Kommission, De minimis-Bekanntmachung
vom 30. August 2014, ABl. 2014 C 291/01; Mestmäcker/Schweitzer,
a.a.O., § 11 Rz. 69 ff., m.w.H.).
4.3.3 In der Schweiz ist das Auswirkungsprinzip in Art.
2 Abs. 2 KG verankert. Im Hinblick auf die Vereinbarkeit mit dem völkerrechtlichen Territorialitätsprinzip
sowie in Anlehnung an die US-amerikanische und europäische Praxis wird in der schweizerischen Kartellrechtslehre
überwiegend eine einschränkende Auslegung von Art. 2 Abs. 2 KG vertreten. Die Terminologie
ist allerdings nicht einheitlich: Mit der Forderung, die Wettbewerbsbeschränkung habe "unmittelbar"
und "vorhersehbar" zu sein, ist primär der Kausalzusammenhang zwischen vorgeworfenem Tun
und wettbewerbsbehinderndem Erfolg sowie die Vorwerfbarkeit des Verhaltens angesprochen, mit der Forderung,
die Auswirkung habe "wesentlich" bzw. "spürbar" zu sein, das Ausmass der Wettbewerbsbeeinträchtigung
(vgl. Borer, a.a.O., Art. 2 KG N. 21; Lehne,
a.a.O., Art. 2 KG N. 51 ff.; Zäch, a.a.O.,
Rz. 268; Wiederkehr/Richli, Praxis des allgemeinen Verwaltungsrechts,
Bd. I, 2012, Rz. 926). Dabei ergibt sich ein Abgrenzungsproblem zu den materiellen Beurteilungskriterien
gemäss Art. 5 und Art. 49a KG, insbesondere zum Begriff der erheblichen Wettbewerbsbeeinträchtigung
sowie zur Verantwortlichkeitsproblematik (s.u., E. 7, 8.2). Vereinzelt wird daher auch gefordert, die
Intensität der Auswirkungen sei gesamthaft im Rahmen von Art. 5 KG zu prüfen (Bär,
a.a.O., S. 93; Lehne, a.a.O., Art. 2 KG N. 53),
zumal zu Beginn einer Untersuchung in der Regel nicht feststehe, welche Auswirkungen eine strittige Wettbewerbshandlung
im Einzelnen habe, weshalb für die Einleitung eines Kartellverfahrens die blosse Möglichkeit
von Auswirkungen genügen müsse (Lehne, a.a.O.,
Art. 2 KG N. 53). Ein entsprechendes Ermessen ergibt sich allerdings bereits aus Art. 27
KG, wonach für die Eröffnung einer Untersuchung blosse Anhaltspunkte einer unzulässigen
Wettbewerbsbeschränkung ausreichen (BVGer, B-7633/2009, 14. September 2015, Swisscom
ADSL, Rz. 21). Zu beachten ist im Übrigen die Legaldefinition von Art. 4 Abs. 1 KG,
wonach als Wettbewerbsabreden Vereinbarungen gelten, welche eine Wettbewerbsbeschränkung "bezwecken
oder bewirken". Entgegen der Darstellung der Beschwerdeführerin (Beschwerde, Rz. 257 f.,
382 ff.) folgt daraus, dass unter den sachlich-räumlichen Anwendungsbereich des Gesetzes nicht
nur tatsächliche, sondern auch potenzielle Auswirkungen von Wettbewerbsabreden fallen (BGE 127 III
219, Rhône-Poulenc, E. 3.b; BVGer, B-8399/2010, 23. September
2014, Baubeschläge, E. 5.3.2.6; B-3332/2012, 13. November
2015, BMW, E. 2.2.3; Lehne,
a.a.O., Art. 2 KG N. 53; Nydegger/ Nadig, in:
Basler Kommentar zum KG, 2010, Art. 4 Abs. 1 KG N. 11, m.w.H.; Borer,
a.a.O., Art. 2 N. 21; Zäch, a.a.O.,
Rz. 244).
4.3.4 Das Bundesverwaltungsgericht hat sich wiederholt
einlässlich mit dem räumlichen Anwendungsbereich des Kartellgesetzes befasst. Es hielt fest,
dass Art. 2 Abs. 2 KG keine besondere Intensität der Auswirkungen vorschreibe. Der Anwendungsbereich
des Kartellgesetzes sei weit zu fassen, wobei die Unterstellung unter den Geltungsbereich des Kartellgesetzes
noch nichts über die wettbewerbsrechtliche Würdigung eines unternehmerischen Verhaltens aussage.
Erst im Rahmen der materiellen Beurteilung habe eine vertiefte Prüfung der strittigen Verhaltensweise
zu erfolgen. Abstrakte Kriterien wie Unmittelbarkeit, Wesentlichkeit und Vorhersehbarkeit seien nur beschränkt
justiziabel (B-506/2010, 19. Dezember 2013, Elmex,
E. 3.3; BVGer, B-7633/2009, 14. September 2015, Swisscom ADSL,
Rz. 21; B-3332/2012, 13. November 2015, BMW, E. 2.3).
Diese Praxis ist in der Lehre teilweise begrüsst (Baldi/Schraner,
Gaba-Urteil des Bundesverwaltungsgerichts als wettbewerbspolitischer Markstein, SJZ 2014, S. 508),
teilweise unter Verweis auf völkerrechtliche Prinzipien sowie im Hinblick auf bestehende Vollzugsschwierigkeiten
im Ausland kritisiert worden (Reto Jacobs, Entwicklungen
im Kartellrecht, SJZ 2014, S. 231; Gerald Brei, Fragwürdige
extraterritoriale Anwendung schweizerischen Kartellrechts, SJZ 2016, S. 325).
In casu zu beurteilen ist das in den schweizerischen
Verträgen der Beschwerdeführerin statuierte
Importverbot für im Ausland vertriebene Vertragsware (s.o., E. 3). Ergänzend dazu sehen die
Vertriebsverträge der Nikon-Gruppe in Deutschland, Österreich, Slowenien und Ungarn ein ausdrückliches
Exportverbot für Vertragswaren in Länder ausserhalb des EWR vor. Ebenso ist in den US-Verträgen
ein generelles Exportverbot verankert. Zudem enthalten die Vertriebsverträge in Grossbritannien,
Griechenland und Polen Klauseln, welche den Vertrieb auf das jeweilige Vertragsgebiet beschränken.
Zu Recht ist die Vorinstanz vor diesem Hintergrund zum Schluss gelangt, die genannten Klauseln
seien
insgesamt objektiv geeignet, Parallelimporte in die Schweiz zu beeinträchtigen (angefochtene
Verfügung, Rz. 147 ff., 170 ff.). Potenzielle Auswirkungen auf die Schweiz bzw. Anhaltspunkte
für eine erhebliche Wettbewerbsbeeinträchtigung sind damit gegeben. Auf den konkreten Inhalt
der Verträge sowie deren Umsetzung wird zurückzukommen sein (s.u., E. 7.1, 7.2.3). Den
Nachweis einer direkten Absicht der Abredepartner hatte die Vorinstanz entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerin
(Beschwerde, Rz. 257 f., 382 ff.) hingegen nicht zu führen (s.o., E. 4.2; zur Vorwerfbarkeit:
s.u., E. 8.2). Dies gilt im Übrigen, wie ausgeführt, auch in der Europäischen Union. Zwar
verweist das von der Beschwerdeführerin eingereichte Parteigutachten der Professoren Nettesheim
und Thomas (Replik-Beilage 1, S. 29 ff., 34 ff., 37 f., 40) auf den Umstand, dass der Europäische
Gerichtshof in seinem Urteil in Sachen Javico zum Schluss gelangt
ist, dass eine Vertragsklausel, welche einem in der EU ansässigen Händler den Vertrieb ausserhalb
des europäischen Binnenmarkts überträgt, zugleich jeden Verkauf in einem anderen Gebiet,
einschliesslich jenes der Europäischen Gemeinschaft, sowohl durch Direktverkauf als auch durch Rücklieferung
aus dem Vertragsgebiet, untersagt, eine Wettbewerbsbeschränkung im Binnenmarkt weder bezwecke noch
bewirke (28. April 1998, C-306/96, Rz. 19 ff.), doch
hat der Gerichtshof in späteren Urteilen unmissverständlich festgehalten, dass eine Vereinbarung,
die ihrer Natur nach auf eine Wettbewerbsbeschränkung gerichtet sei, sich nicht damit rechtfertigen
lasse, dass mit ihr auch andere Zwecke verfolgt werden (EuGH, Rs. T-4902, 27. Juli 2005, Brasserie
Nationale, Slg. 2005 II-3033, Rz. 85; Mestmäcker/Schweitzer,
a.a.O., § 11 Rz. 36, m.w.H.).
Davon abgesehen lässt sich das in den US-Verträgen statuierte umfassende und absolute Exportverbot
(Ziff. 13 US-Verträge; U-act. 353, 354) auch nicht mit angeblicher Rücksichtnahme
auf US-amerikanische Exportrestriktionen (Beschwerde, Rz. 265 ff.)
plausibel begründen; die Berufung auf die territoriale Vermarktung von Schutzrechten (Beschwerde,
Rz. 268 ff.) wiederum ändert nichts an der Anwendbarkeit des Kartellgesetzes auf Einfuhrbeschränkungen
(Art. 3 Abs. 2 Satz 2 KG; s.u., E. 4.4). Überhaupt erscheint die Einwendung der Beschwerdeführerin,
die Vertragsparteien hätten bei der Redaktion der strittigen Exportverbotsklauseln in den ausländischen
Händlerverträgen nicht an die Schweiz gedacht (Beschwerde, Rz. 262, 268 ff., 275 ff.),
schon angesichts der starken wirtschaftlichen Verflechtung der Schweiz mit dem Ausland sowie aufgrund
der institutionellen Unabhängigkeit der hiesigen Wettbewerbsbehörden wenig glaubhaft, wobei
es sich bei den regionalen Vertriebsgesellschaften um Niederlassungen eines in Compliance-Fragen keineswegs
unerfahrenen international tätigen Konzerns handelt; im Übrigen schützt blosse Unkenntnis
nicht vor den Rechtsfolgen (s.u., E. 8.2). Nicht von extraterritorialer Anwendung des Kartellgesetzes
gesprochen werden kann, soweit die im Inland ansässige Konzernniederlassung an der Durchsetzung
der ausländischen Vertragsklauseln von ihrem schweizerischen Sitz aus aktiv mitgewirkt hat. Die
Frage des ausreichenden Binnenbezugs stellt sich überdies nur hinsichtlich der ausländischen
Verträge; in Bezug auf die schweizerischen Verträge liegt ein Inlandsachverhalt vor (wobei
zwischen Import- und Exportverboten ein Sachzusammenhang besteht). Die Vorinstanz ist daher in
räumlicher Hinsicht zu Recht von der Anwendbarkeit des Kartellgesetzes ausgegangen und damit von
ihrer Zuständigkeit zur Beurteilung des vorliegenden Sachverhalts.
4.4Immaterialgüterrechte
Art. 3 Abs. 1 KG enthält einen Vorbehalt im Hinblick auf Vorschriften, soweit sie
auf einem Markt für bestimmte Waren oder Leistungen Wettbewerb nicht zulassen. Insbesondere fallen
nach Art. 3 Abs. 2 KG Wettbewerbswirkungen nicht unter das Gesetz, die sich ausschliesslich
aus der Gesetzgebung über das geistige Eigentum ergeben; Einfuhrbeschränkungen, die sich auf
Rechte des geistigen Eigentums stützen, unterliegen hingegen der Beurteilung nach dem Kartellgesetz.
4.4.1 Die Vorinstanz vertrat in der angefochtenen Verfügung
die Auffassung, Beschränkungen von Parallelimporten gestützt auf Immaterialgüterrechte
würden in jedem Fall der kartellrechtlichen Beurteilung unterliegen (angefochtene Verfügung,
Rz. 79 ff.). Die Beschwerdeführerin wendet ein, die von den amerikanischen und europäischen
Vertriebsverträgen betroffenen Produkte seien teilweise patentrechtlich geschützt. Das US-amerikanische
Patentrecht beruhe auf dem Prinzip der nationalen Erschöpfung, das EWR-Recht auf dem Prinzip der
regionalen Erschöpfung. Die vertraglichen Ausfuhrbeschränkungen entsprächen internationalen
Standards und seien aus immaterialgüterrechtlicher Sicht nicht zu beanstanden. Im Hinblick auf den
strafähnlichen Charakter direkter Sanktionen sei der Wortlaut von Art. 3 Abs. 2 KG eng auszulegen
(Beschwerde, Rz. 83 ff., 244 ff., 268 ff.).
4.4.2 Zwischen staatlich verliehenen Monopolrechten und
der Zielsetzung des Kartellgesetzes, den Wettbewerb zu fördern (Art. 1 KG), besteht naturgemäss
ein gewisses Spannungsverhältnis: Immaterialgüterrechte dienen dem Schutz geistiger Schöpfungen
sowie der marktwirtschaftlichen Innovationsförderung; von ihnen geht (je nach Betrachtungshorizont)
sowohl eine wettbewerbsfördernde als auch (zeitlich begrenzt) eine wettbewerbsbeschränkende
Wirkung aus. Insoweit das Kartellgesetz "wirksamen Wettbewerb" als dynamischen Prozess versteht,
sind ihm solche Ambivalenzen immanent. Hinzu kommt das generelle Missbrauchspotenzial subjektiver Rechte
(zum Ganzen: Botschaft KG 1995, S. 511 ff.; Reto Hilty,
in: Basler Kommentar zum KG, 2010, Art. 3 Abs. 2 KG N. 1 ff., m.w.H.; Borer,
a.a.O., Art. 1 KG N. 21 f.; Zäch, a.a.O.,
Rz. 20 ff., 290 ff.). Immaterialgüterrechte sind in der Regel befristet; im Übrigen
gelten mit Inverkehrsetzung der immaterialgüterrechtlich geschützten Ware die daran bestehenden
Schutzrechte im Allgemeinen als erschöpft. Dies ist nach dem Grundsatz der nationalen Erschöpfung
bei Inverkehrsetzung im Inland der Fall; nach dem Grundsatz der internationalen Erschöpfung genügt
bereits die Inverkehrsetzung im Ausland. Von regionaler Erschöpfung wird dagegen gesprochen, wenn
Immaterialgüterrechte bei Inverkehrsetzung in bestimmten Ländern erlöschen (z.B. gemeinsamer
Markt). In der Rechtspraxis sind sämtliche Idealtypen verbreitet (zum Ganzen: BGE 126 III 129, Kodak,
E. 1.a, m.w.H.).
Ist ein Immaterialgüterrecht an einer im Ausland rechtmässig in Verkehr gebrachten Sache
aus Sicht des rechtsanwendenden Staates im Inland erschöpft, lassen sich Parallelimporte nicht unter
Berufung auf Schutzrechte verhindern. Gemäss höchstrichterlicher Rechtsprechung gilt im schweizerischen
Marken- und Urheberrecht der Grundsatz der internationalen Erschöpfung (BGE 122 III 469, Chanel;
124 III 321, Nintendo). Mit Urteil vom 7. Dezember 1999 erkannte
das Bundesgericht im Patentrecht hingegen auf nationale Erschöpfung; zugleich hielt es fest, das
Kartellgesetz sei auf die Verhinderung von Einfuhren patentrechtlich geschützter Güter anwendbar,
sofern die Inverkehrsetzung im Ausland unter vergleichbaren Bedingungen wie im Inland erfolgt sei (BGE
126 III 129, Kodak, E. 9). Vor dem Hintergrund dieser Rechtsprechung
wurde im Zuge der Kartellgesetzrevision im Jahr 2003 in Art. 3 Abs. 2 KG der Satz eingefügt, wonach
Einfuhrbeschränkungen, die sich auf Rechte des geistigen Eigentums stützen, der Beurteilung
nach dem Kartellgesetz unterliegen. Den Materialien lässt sich entnehmen, dass die Gesetzesnovelle
vorwiegend durch das Anliegen der Marktöffnung sowie der Senkung des inländischen Preisniveaus
motiviert war (Botschaft KG-Revision 2003, BBl 2002, S. 2022, 2029, Ziff. 1.3.2.). Ebenfalls in Reaktion
auf die Kodak-Rechtsprechung des Bundesgerichts wurde im Jahr
2008 in Art. 9a Abs. 1 PatG (SR 232.14) die europaweite Erschöpfung festgeschrieben (mit Ausnahme
u.a. pharmazeutischer Produkte; zum Ganzen: Hilty, a.a.O.,
Art. 3 Abs. 2 KG N. 16 ff., m.w.H.).
4.4.3 Im Lichte des vorstehend Gesagten kommt es vorliegend
für die Anwendbarkeit des Kartellgesetzes nicht auf die Erschöpfung des Schutzrechts und damit
auch nicht auf die Bedingungen der Inverkehrsetzung der von Nikon im Ausland vertriebenen Produkte an,
da Art. 3 Abs. 2 Satz 2 KG keinen entsprechenden Vorbehalt enthält; in der Lehre wird dies als qualifiziertes
Schweigen ausgelegt und angenommen, das revidierte Gesetz gehe über das Bundesgerichtsurteil in
Sachen Kodak hinaus (Hilty,
a.a.O., Art. 3 Abs. 2 KG N. 7; Zäch, a.a.O.,
Rz. 305; Georg Rauber, Verhältnis des neuen Rechts
zum Immaterialgüterrecht, in: Walter A. Stoffel/Roger Zäch [Hrsg.], Kartellgesetzrevision 2003,
2004, S. 205 f.; Felix Schraner, Kartellrecht
und Immaterialgüterrecht, 2010, Rz. 171). Zu diesem Schluss gelangte im Übrigen auch ein
internes Rechtsgutachten der Beschwerdeführerin aus dem Jahr 2008 (U-act. 10, S. 8). Die
Ausführungen der Beschwerdeführerin zur Vergleichbarkeit der Bedingungen der Inverkehrsetzung
(Beschwerde, Rz. 91 f.) zielen daher an der Sache vorbei. Soweit die Beschwerdeführerin überdies
geltend macht, in Art. 3 Abs. 2 Satz 2 KG sei lediglich von "Einfuhrbeschränkungen"
die Rede, nicht von Ausfuhrbeschränkungen (Beschwerde, Rz. 84 ff.), ist festzuhalten,
dass vertragliche Exportverbote ebenso wie vertragliche Importverbote geeignet sind, eine Beschränkung
des Parallelhandels und damit der Einfuhren zu bewirken. Dass der Wortlaut von Art. 3 Abs. 2 KG
im Hinblick auf den strafähnlichen Charakter direkter Sanktionen eng auszulegen wäre (Beschwerde,
Rz. 93), trifft überdies nicht zu; der Grundsatz nulla poena
sine lege findet wohl im Rahmen von Art. 49a KG sinngemäss Anwendung, nicht aber im Rahmen
von Art. 3 Abs. 2 KG. Im Übrigen ergäbe eine solch enge Auslegung in casu auch keinen Sinn:
Da vertragliche Importverbote ebenso wie vertragliche Exportverbote lediglich die jeweiligen Vertragshändler
im Inland bzw. Ausland binden, während vertragsungebundene Händler keiner Beschränkung
unterworfen sind, entfaltet erst eine Kombination von Import- und Exportklauseln, wie sie die Vorinstanz
der Beschwerdeführerin zur Last legt, umfassende Wirkung. Die Frage, ob auf ausländische Verträge
auch in räumlicher Hinsicht das Kartellgesetz zur Anwendung gelangt, ist wiederum gestützt
auf Art. 2 Abs. 2 KG nach dem Auswirkungsprinzip zu beantworten (s.o.). Ist dies der Fall, entspricht
es durchaus dem Willen des Gesetzgebers, eine wettbewerbsrechtlich nicht gerechtfertigte Abschottung
des inländischen Markts auch nicht unter Berufung auf die nationale Erschöpfung von Immaterialgüterrechten
zuzulassen (BVGer B-506/2010, 19. Dezember 2013, Elmex,
E. 8.2.2, 8.3.3).
5.Prozessuale
Rügen
Die Beschwerdeführerin rügt weiter die Verletzung verfassungsmässiger Rechte. Soweit
sie geltend macht, die Vorinstanz habe das Legalitäts- und Schuldprinzip (Beschwerde, Rz. 59 ff.,
104 ff., 119 ff.), das Rückwirkungsverbot (Beschwerde, Rz. 96 ff.) sowie die Beweisführungs-
und Begründungspflicht (Beschwerde, Rz. 125 ff., 183 ff.) verletzt, wird auf die entsprechenden
Vorbringen im Rahmen der materiellen Beurteilung zurückzukommen sein. Darüber hinaus macht
die Beschwerdeführerin verschiedene Verfahrensmängel geltend: die fehlende Unabhängigkeit
der Sanktionsbehörde (Beschwerde, Rz. 187 ff.), die Verwertung widerrechtlich erlangter
Beweise (Beschwerde, Rz. 169 ff., 173 ff.) sowie die Verletzung des Gehörsanspruchs
(Beschwerde, Rz. 161 ff.). Darauf ist im Folgenden näher einzugehen. Im Anschluss daran
folgen allgemeine Erwägungen zum Beweismass.
5.1Strafähnliche
Rechtsnatur
Die in Art. 49a KG vorgesehenen direkten Sanktionen
zeichnen sich durch einen abschreckenden sowie
vergeltenden Zweck aus und sind hinsichtlich ihrer Höhe von der Schwere des Verstosses abhängig.
Ihnen kommt daher ein pönaler bzw. strafähnlicher (oder "strafrechtsähnlicher")
Charakter zu, und zwar unbesehen des Umstands, dass die Massnahmen im Kartellrecht verankert sind. Dies
hat das Bundesgericht im Publigroupe-Urteil klargestellt (BGE
139 I 72, E. 2.2.2, m.w.H.). Die Qualifizierung hat zur Folge,
dass im kartellrechtlichen Sanktionsverfahren grundsätzlich die verfassungs- und EMRK-rechtlichen
Garantien zu beachten sind, die für das Strafverfahren gelten (BGE 139 I 72, E. 2.2.2). Allerdings
zählt das Kartellsanktionsverfahren primär zum Verwaltungsrecht (vgl. BGer, 2C_1065/2014,
26. Mai 2016, Publikationsverfügung i.S. Nikon, E. 8.2),
weshalb die Verfahrensgarantien der EMRK nach der Praxis des Europäischen Gerichtshofs für
Menschenrechte (EGMR) nicht in voller Strenge zur Anwendung gelangen (EGMR, Nr. 73053/01, 23. November
2006, Jussila, Rz. 43; vgl. auch BVGer, B-7633/2009, 14. September
2015, Swisscom ADSL, Rz. 651). Zu beachten ist ferner,
dass
Kartellsanktionen gemäss Art. 49a Abs. 1 KG einem Unternehmen auferlegt werden;
Verfügungsadressaten sind juristische oder natürliche Personen (s.o., E. 4.1). Auch juristische
Personen sind grundsätzlich Träger verfassungsrechtlicher Verfahrensgarantien, doch sind Einschränkungen
zu beachten, soweit sich solche aus der körperschaftlichen Rechtsnatur ergeben (BGE 140 II 384,
Spielbank, E. 3.3.4; BVGer, B-7633/2009, 14. September
2015, Swisscom ADSL, Rz. 645; Häfelin/Haller/Keller,
Schweizerisches Bundesstaatsrecht, 8. Aufl. 2012, Rz. 294 ff.). Schliesslich gelten
die strafprozessualen Garantien nicht absolut; vielmehr sind sämtliche involvierten Interessen einzelfallbezogen
gegeneinander abzuwägen (BGE 140 II 384, Spielbank, E. 3.3.5,
m.w.H.). Diese Grundsätze werden im Folgenden zu berücksichtigen sein.
5.2.Unabhängigkeit
der Behörde
Die Beschwerdeführerin rügt die fehlende Unabhängigkeit der Sanktionsbehörde
(Beschwerde, Rz. 187 ff.). Zutreffend ist, dass die Zusammensetzung der Wettbewerbskommission
angesichts des Einbezugs von Interessenvertretern sowie von öffentlichen Funktionsträgern
den
Anforderungen von Art. 6 EMRK und Art. 30 BV bezüglich Unabhängigkeit und Gewaltenteilung
nicht
in jeder Hinsicht entspricht. Das Bundesgericht hat im Publigroupe-Entscheid
festgehalten, dass es gemäss EGMR-Rechtsprechung ausreicht, wenn die konventionsrechtlichen
Vorgaben
in einem Rechtsmittelverfahren vor einem unabhängigen Gericht eingehalten werden, in welchem
die
kartellrechtliche Sanktion in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht auf Beschwerde hin mit
voller
Kognition überprüft wird (BGE 139 I 72, E. 4.3 ff.,
m.w.H.). Dies ist im Rahmen des Beschwerdeverfahrens vor Bundesverwaltungsgericht grundsätzlich
der Fall (vgl. Art. 2 VGG und Art. 12, 32, 49 VwVG; BVGer, B-7633/2010, 14. September 2015, Swisscom
ADSL, Rz. 58 ff.; s.u. E. 7.5.6 ff.). Die Rüge der Beschwerdeführerin in diesem
Punkt erweist sich damit als unbegründet.
5.3Beweiserhebung
Nach Art. 40 Satz 1 KG haben Beteiligte an einer Wettbewerbsabrede
sowie betroffene Dritte den Wettbewerbsbehörden
alle für deren Abklärungen erforderlichen Auskünfte zu erteilen und die notwendigen Urkunden
vorzulegen (s.o., E. 2.1). Das Recht zur Verweigerung der Auskunft richtet sich nach Art. 16 und 17 VwVG
(Art. 40 Satz 2 KG). Die Wettbewerbsbehörden können Dritte als Zeugen einvernehmen und die
von einer Untersuchung Betroffenen zur Beweisaussage verpflichten; Art. 64 BZP ist sinngemäss anwendbar
(Art. 42 Abs. 1 KG). Die Wettbewerbsbehörden können Hausdurchsuchungen anordnen und Beweisgegenstände
sicherstellen; für diese Zwangsmassnahmen sind Art. 45 ff. VStrR sinngemäss anwendbar
(Art. 42 Abs. 2 KG). Im Übrigen gelten die Bestimmungen des Verwaltungsverfahrensgesetzes (Art.
39 KG). Ein Unternehmen, das die Auskunftspflicht oder die Pflichten zur Vorlegung von Urkunden nicht
ordnungsgemäss erfüllt, wird gemäss Art. 52 KG mit einem Betrag bis Fr. 100'000.-
belastet. Wer vorsätzlich Verfügungen der Wettbewerbsbehörden zur Auskunftspflicht nicht
ordnungsgemäss befolgt, wird mit einer Busse bis Fr. 20'000.- bestraft (Art. 55 KG).
5.3.1 Die Beschwerdeführerin macht geltend, das Sekretariat
der Wettbewerbskommission habe ihr mit Schreiben vom 27. April 2010 unter Hinweis auf die Auskunftspflicht
nach Art. 40 KG einen Fragebogen zugesandt mit der Aufforderung, sämtliche Vertriebsverträge
von Nikon mit Gross- und Detailhändlern in der EU sowie in den USA und in Hongkong einzureichen.
Dieses Vorgehen verstosse gegen das Verbot des Selbstbelastungszwangs; die Verträge dürften
daher nicht zulasten der Beschwerdeführerin berücksichtigt werden (Beschwerde, Rz. 169 ff.).
Zudem habe die Vorinstanz am 24. März 2010 eine Hausdurchsuchung in den Räumlichkeiten
der
Beschwerdeführerin durchgeführt und dabei unter anderem die elektronische Firmenkorrespondenz
beschlagnahmt; mangels ausreichenden Anfangsverdachts sei die Massnahme widerrechtlich, weshalb zulasten
der Beschwerdeführerin nicht auf die entsprechenden Dokumente abgestellt werden dürfe (Beschwerde,
Rz. 173 ff.).
5.3.2 Voraussetzungen und Inhalt des Aussage- und Herausgabeverweigerungsrechts
im Kartellsanktionsverfahren (Verbot des Selbstbelastungszwangs bzw. Grundsatz "nemo
tenetur se ipsum prodere vel accusare") sind in der Lehre umstritten (vgl. Borer,
a.a.O., Art. 40
KG N. 4; Simon Bangerter, in: Basler Kommentar zum
KG, 2010, Art. 42 KG N. 16 ff., m.w.H.; Christoph
Lang, Untersuchungsmassnahmen der Wettbewerbskommission
im Spannungsverhältnis zwischen Wahrheitsfindung und Verteidigungsrechten eines Angeschuldigten,
in: Jusletter vom 27. September 2004, Rz. 16 ff., 23 ff.; Martin
Rauber, Verteidigungsrechte von Unternehmen im kartellrechtlichen Verwaltungsverfahren, insbesondere
unter Berücksichtigung des "legal privilege", 2010, S. 166 ff., m.w.H.; Stefan
Bilger, Das Verwaltungsverfahren zur Untersuchung von Wettbewerbsbeschränkungen, 2002, S.
238 ff., 257 ff.; Daniel Zimmerli, Zur Dogmatik des Sanktionssystems
und der "Bonusregelung" im Kartellrecht, 2007, S. 578 ff., m.w.H.; Kölz/Häner/Bertschi,
a.a.O., Rz. 2008 ff.; vgl. auch BVGer, B-7633/2009, 14. September 2015, Swisscom
ADSL, Rz. 81 ff., 90 ff., m.w.H.). Art. 16 VwVG, der vorliegend sinngemäss anwendbar
ist (Art. 40 KG), verweist auf Art. 42 BZP. Aus dieser Bestimmung lässt sich bei
weiter Auslegung ein Aussage- und Herausgabeverweigerungsrecht des an einer Abrede beteiligten Unternehmens
herleiten (BVGer, B-7633/2010, 14. September 2015, Swisscom ADSL,
Rz. 86 ff.; Lang, a.a.O., Rz. 16; a.M.: Bangerter,
a.a.O., Art. 42 KG N. 16; Stefan Bilger, in: Basler
Kommentar zum KG, 2010, Art. 40 KG N. 17 ff.). Im Übrigen besteht gemäss EGMR-Rechtsprechung
gestützt auf Art. 6 EMRK ein generelles Recht des Beschuldigten, in einem Strafverfahren nicht zu
seiner eigenen Verurteilung beitragen zu müssen, bzw. ein generelles Verbot, im Strafverfahren auf
Beweismittel zurückzugreifen, die durch ungebührlichen Druck oder Zwang gegen den Willen des
Beschuldigten erlangt wurden (BGE 140 II 384, Spielbank, E. 3.3.2,
mit Verweis auf die EGMR-Praxis). Nach der Praxis des Bundesgerichts können sich auch Unternehmen
bzw. juristische Personen auf ein entsprechendes Aussage- und Herausgabeverweigerungsrecht berufen (BGE
140 II 384, Spielbank, E. 3.3.4, m.w.H.; vgl. auch BVGer,
B-7633/2009, 14. September 2015, Swisscom ADSL, Rz. 81 ff.,
90 ff.). Allerdings gilt dieses Recht nicht absolut; vielmehr ist unter Abwägung sämtlicher
involvierter Interessen im konkreten Einzelfall zu prüfen, ob ein ungebührlicher Druck oder
Zwang ausgeübt wurde (BGE 140 II 384, Spielbank, E. 3.3.5,
m.w.H.).
In diesem Sinne hat das Bundesgericht festgehalten,
dass es nicht von vornherein gegen verfassungsmässige
Rechte verstösst, ein Unternehmen in einem Sanktionsverfahren zur Herausgabe von sachverhaltsbezogenen
Dokumenten zu verpflichten. Die Mitwirkungspflicht nach Art. 13 Abs. 1 Bst. c VwVG ist nicht
EMRK-widrig; im verwaltungsrechtlichen Sanktionsverfahren besteht keine generelle Verpflichtung, auf
das Aussageverweigerungsrecht hinzuweisen (BGE 140 II 384, Spielbank,
E. 3.3.6, 3.4.). Art. 40 VStrR und Art. 158 StPO, welche eine entsprechende Belehrung
für das Verwaltungsstrafverfahren bzw. die Strafuntersuchung vorschreiben, sind im Kartellverfahren
- jedenfalls im Rahmen schriftlicher Beweiserhebung - nicht unmittelbar anwendbar (Art. 39
KG; BVGer, B-7633/2010, 14. September 2015, Swisscom ADSL, Rz. 134 ff.).
Mit Urteil vom 24. Februar 2010 hat das Bundesverwaltungsgericht festgehalten, lediglich eine selbständige,
auf vorgängige Bestreitung der Mitwirkungspflicht hin ergangene, spezifische Auskunftsverfügung
sei allenfalls als unzulässiger Zwang im Sinne von Art. 6 EMRK zu werten, nicht aber ein formloses
Auskunftsformular mit Hinweis auf die gesetzliche Auskunftspflicht (B-2050/2007, 24. Februar 2010,
Mobilfunkterminierung, E. 5.7.5.1, m.w.H.). Vorliegend beschränkte
sich die Vorinstanz auf die Zusendung eines Fragebogens mit formloser (nicht in die Form einer anweisenden
Verfügung gekleideter) Aufforderung. Ein ungebührlicher Druck oder Zwang ist mithin vorliegend
nicht gegeben. Zudem wurde erstinstanzlich, soweit ersichtlich, kein Aussage- bzw. Editionsverweigerungsrecht
geltend gemacht (vgl. Stellungnahme vom 25. Juli 2011, U-act. 333). Die Rüge erscheint damit
im Beschwerdeverfahren auch als verspätet (vgl. BGE 132 II 485 E. 4; Kiener/Rütsche/Kuhn,
Öffentliches Verfahrensrecht, 2. Aufl. 2015, Rz. 1623 f.).
Im Übrigen enthält der strittige Fragebogen, der überdies auf eine Strafandrohung
verzichtet, entgegen der Darstellung der Beschwerdeführerin einen ausdrücklichen Verweis auf
das in Art. 16 VwVG statuierte Aussageverweigerungsrecht (U-act. 45). Abgesehen davon besteht gemäss
EGMR-Rechtsprechung kein Verwertungsverbot für Beweismittel, welche unabhängig vom Willen des
Beschuldigten existieren (EGMR, 19187/91, 17. Dezember 1996, Saunders,
Rz. 69; vgl. auch BVGer, B-7633/2010, 14. September 2015, Swisscom
ADSL, Rz. 101 ff., m.w.H.). Dies gilt insbesondere für Dokumente, die im Rahmen einer
Hausdurchsuchung oder bei Dritten beschafft werden könnten (Rauber,
a.a.O., S. 192 ff.; vgl. Art. 42 KG). Die Rüge in Bezug auf das Aussage- und
Editionsverweigerungsrecht erweist sich damit in diesem Punkt als unbegründet; die strittigen Angaben
sind verwertbar, auf die herausgegebenen Verträge kann abgestellt werden.
5.3.3 Hausdurchsuchungen und Beschlagnahmen werden auf
Antrag des Sekretariats der Wettbewerbskommission von einem Mitglied des Präsidiums angeordnet (Art.
42 Abs. 2 Satz 3 KG). Vorliegend wurde die Hausdurchsuchung mit Durchsuchungsbefehl des Präsidenten
der Wettbewerbskommission vom 22. März 2010 angeordnet (U-act. 7). Beim Durchsuchungsbefehl
handelt es sich um eine selbständig anfechtbare Zwischenverfügung (Art. 46 Abs. 1 Bst.
a VwVG). Für die Durchsuchung von Dokumenten sieht Art. 50 Abs. 3 VStrR ein Einsprache-
bzw. Entsiegelungsverfahren vor. Unabhängig davon ist eine Beschwerde gegen die Beschlagnahme möglich
(Bangerter, a.a.O., Art. 42 KG N. 149/150,
m.w.H.). Unterbleibt sowohl die Anfechtung des Durchsuchungsbefehls (Art. 46 Abs. 2 VwVG) als auch die
Einsprache gegen die Durchsuchung der Dokumente bzw. die Beschwerde gegen deren Beschlagnahme, kann nachträglich
kein Verwertungsverbot geltend gemacht werden (Hangartner, a.a.O.,
S. 259; Bangerter, a.a.O., Art. 42 KG N. 150,
m.w.H.). Vorliegend hat die Beschwerdeführerin weder den Durchsuchungsbefehl angefochten noch vorinstanzlich
Einsprache gegen die Beschlagnahme und Sichtung der elektronischen Dateien erhoben. Sie ist daher mit
der Rüge im vorliegenden Verfahren nicht zu hören.
Im Übrigen ist der hinreichende Tatverdacht entgegen der Darstellung der Beschwerdeführerin
vorliegend zu bejahen, zumal an den Anfangsverdacht keine hohen Anforderungen zu stellen sind; insbesondere
ist eine substantiierte Anzeige, wie sie in casu vorlag, als ausreichend zu erachten (Bangerter,
a.a.O., Art. 42 KG N. 52). Ein weitergehender "dringender"
Tatverdacht ist hingegen nicht erforderlich (vgl. Bangerter, a.a.O.,
Art. 42 KG N. 51). Auch die für den Eingriff in die Rechte der Beschwerdeführerin erforderliche
Verhältnismässigkeit (vgl. Bangerter, a.a.O.,
Art. 42 KG N. 48 ff.) ist angesichts der Schwere des in Frage stehenden Verstosses bei
vertikalen Gebietsschutzabreden im Sinne von Art. 5 Abs. 4 KG grundsätzlich zu bejahen (Bangerter,
a.a.O., Art. 42 KG N. 61). Die Rüge erscheint daher auch in der Sache als unbegründet.
Auf die anlässlich der Hausdurchsuchung erhobenen Beweise, insbesondere die elektronische Firmenkorrespondenz,
kann abgestellt werden.
5.4Akteneinsicht
Die Beschwerdeführerin rügt, sie habe vorinstanzlich
nicht Einsicht in sämtliche Verfahrensakten erhalten; für nicht vollständig offengelegte
Aktenstücke gelte ein Verwertungsverbot (Beschwerde, Rz. 161 ff.).
Die Vorinstanz beruft sich demgegenüber auf ihre Pflicht zur Wahrung von Geschäftsgeheimnissen
Dritter; soweit Akten nicht vollständig offengelegt worden seien, habe sie deren Inhalt umschrieben
(Vernehmlassung, Rz. 90 ff.).
5.4.1 Das Akteneinsichtsrecht ergibt sich aus dem verfassungsmässig
verankerten Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 32 Abs. 2 BV). Im Verwaltungsverfahren sieht Art.
26 VwVG ein Akteneinsichtsrecht vor. Nach Art. 27 VwVG darf die Einsichtnahme verweigert werden,
soweit wesentliche private oder öffentliche Interessen die Geheimhaltung erfordern. Wird einer Partei
die Einsichtnahme in ein Aktenstück verweigert, darf auf dieses zum Nachteil der Partei nur abgestellt
werden, wenn ihr die Behörde vom wesentlichen Inhalt Kenntnis und ausserdem Gelegenheit zur Stellungnahme
und zur Bezeichnung von Gegenbeweismitteln gegeben hat (Art. 28 VwVG). Nach Art. 25 Abs. 4 KG dürfen
die Wettbewerbsbehörden keine Geschäftsgeheimnisse preisgeben (vgl. Bangerter,
a.a.O., Art. 25 KG N. 47).
5.4.2 Mit Beschwerde vom 30. Januar 2012 beantragte die
Beschwerdeführerin beim Bundesverwaltungsgericht Einsicht in vorinstanzlich nicht offengelegte Akten
(Verfahrensanträge, Ziff. 3). Mit instruktionsrichterlicher Zwischenverfügung vom 16. Juli
2013 hiess das Bundesverwaltungsgericht das Einsichtsbegehren im beantragten Umfang gut. Gemäss
Bundesgerichtspraxis gilt eine nicht schwerwiegende oder wiederholte Gehörsverletzung trotz formeller
Natur des Anspruchs als geheilt, wenn die Gehörsgewährung vor einer Rechtsmittelinstanz mit
umfassender Kognition nachgeholt wird (BGE 127 V 431, E. 3.d.aa; Kiener/Rütsche/Kuhn,
a.a.O., Rz. 273).
Dies ist vorliegend geschehen (vgl. Art. 12, 32, 49 VwVG; s.o., E. 5.2). Dabei hat das Bundesverwaltungsgericht
die Akteneinsicht mit der Zustimmung der Betroffenen begründet (Zwischenverfügung vom 16. Juli
2013, S. 2); aus der nachträglichen Einräumung kann daher nicht ohne Weiteres auf eine vorinstanzliche
Gehörsverletzung geschlossen werden. Vielmehr hat sich die Vorinstanz auf ein Geheimhaltungsinteresse
berufen und den Inhalt der nicht vollständig offengelegten Akten umschrieben. Eine Verletzung von
Verfahrensrechten ist nicht erkennbar.
5.5Beweismass
Die Beschwerdeführerin rügt in verschiedenen Punkten die Beweiswürdigung der Vorinstanz
und macht gestützt darauf eine Verletzung der Unschuldsvermutung geltend (Beschwerde, Rz. 125 ff.).
Im Einzelnen werden die entsprechenden Rügen im Rahmen der materiellen Beurteilung zu prüfen
sein (s.u., E. 7 und 8). Es erscheint indes angezeigt, vorweg in allgemeiner Weise auf die sich
in diesem Zusammenhang stellenden Grundsatzfragen einzugehen.
5.5.1 Nach Art. 32 Abs. 1 BV gilt jede Person bis zur
rechtskräftigen Verurteilung als unschuldig. Die Unschuldsvermutung hat Auswirkungen auf die Verteilung
der Beweislast sowie auf das Beweismass (vgl. BGE 139 I 72, Publigroupe,
E. 8.3; BVGer, B-8399/2010, 23. September 2014, Baubeschläge,
E. 6.4.4; Niggli/Riedo, in: Basler Kommentar zum KG,
2010, vor Art. 49a - 53 KG, Rz. 248 ff.; Esther Tophinke,
Basler Kommentar zur StPO, Bd. I, 2. Aufl. 2014, Art. 10 StPO N. 79). Im Strafprozessrecht
und Verwaltungsstrafrecht gilt der Grundsatz in dubio pro reo (Art.
10 Abs. 1 StPO). Als Beweislastregel besagt der Grundsatz, dass es Sache der Behörde ist, die Schuld
zu beweisen. Als Beweismassregel folgt daraus, dass das Gericht eine Tatsache nur als gegeben voraussetzen
darf, wenn es an deren Vorhandensein keine unüberwindlichen Zweifel hegt; andernfalls hat das Gericht
von dem für den Beschuldigten günstigeren Sachverhalt auszugehen (Art. 10 Abs. 3 StPO). Der
Grundsatz gilt nur für Tatfragen, nicht für Rechtsfragen (BGE 139 I 72, Publigroupe,
E. 8.3.1; Niggli/Riedo, a.a.O., vor Art. 49a -
53 KG, Rz. 248 ff.; Tophinke, a.a.O., Art. 10
StPO N. 76). Das Strafgericht würdigt die Beweise nach freier Überzeugung (Art. 10
Abs. 2 StPO); dabei ist es an sein pflichtgemässes Ermessen gebunden (Tophinke,
a.a.O., Art. 10 StPO N. 54 ff.).
Im Verwaltungsverfahren gilt grundsätzlich die Untersuchungsmaxime, wonach die Behörde
den Sachverhalt von Amtes wegen feststellt (Art. 12 VwVG). Bei belastenden Verfügungen ist die Verwaltung
beweisbelastet (BGE 130 II 482, E. 3.2; Auer, in: Auer/Müller/Schindler
[Hrsg.], Kommentar VwVG, 2008, Art. 12 VwVG N. 16). Allgemein gelangt im Verwaltungsrecht das Regelbeweismass
des vollen Beweises (Überzeugungsbeweis, certitude) zur Anwendung,
das heisst, eine Behörde darf eine Tatsache nur als bewiesen annehmen, wenn sie deren Vorhandensein
nicht ernsthaft bezweifelt (vgl. BGE 130 III 321, E. 3.2; BVGer, B-5685/2012, 17. Dezember 2015,
Altimum, E. 4.5.3; Kiener/Rütsche/Kuhn,
a.a.O., Rz. 727;
Kölz/ Häner/Bertschi, a.a.O., Rz. 482). In Einzelfällen sowie in bestimmten
Bereichen des Verwaltungsrechts (u.a. im Sozialversicherungsrecht) wird der reduzierte Beweisgrad der
überwiegenden Wahrscheinlichkeit (vraisemblance prépondérante)
als genügend erachtet; die Behörde folgt dabei jener Sachverhaltsdarstellung, welche als wahrscheinlichste
aller Möglichkeiten erscheint (vgl. BGE 119 V 7, E. 3.c.bb; BVGer, B-5685/2012, 17. Dezember
2015, Altimum, E. 4.5.3; Kölz/Häner/Bertschi,
a.a.O., Rz. 482). Im Rahmen vorsorglicher Massnahmen genügt generell ein blosses Glaubhaftmachen
(Kiener/Rütsche/Kuhn, a.a.O.,
Rz. 729; Kölz/ Häner/Bertschi, a.a.O.,
Rz. 482). Auch im Verwaltungsverfahren gilt der Grundsatz der freien Beweiswürdigung (Art.
19 VwVG i.V.m. Art. 40 BZP; vgl. Kiener/Rütsche/Kuhn, a.a.O.,
Rz. 723; Kölz/Häner/Bertschi, a.a.O., Rz.
483).
5.5.2 Die Unschuldsvermutung gilt grundsätzlich auch
im Verwaltungssanktionsverfahren (BGE 105 Ib 117, E. 1.a;
Kölz/Häner/Bertschi, a.a.O., Rz. 486;
Kiener/Rütsche/Kuhn, a.a.O.,
Rz. 728), doch ist strittig, ob im Kartellrecht
das reguläre Beweismass (so Krauskopf/Schaller, in:
Basler Kommentar zum KG, 2010, Art. 5 KG N. 617; David/Jacobs,
Schweizerisches Wettbewerbsrecht, 5. Aufl. 2012, S. 288 f.; David
et al., Der Rechtsschutz im Immaterialgüter- und Wettbewerbsrecht, in: Schweizerisches Immaterialgüter-
und Wettbewerbsrecht, Bd. I/2, 3. Aufl. 2011, Rz. 1293 ff.; Zimmerli,
a.a.O., S. 616 ff.; Michael Tschudin, Glauben,
Wissen, Zweifeln - über das Beweismass im Kartellrecht, AJP 2014, S. 1345) oder ein reduziertes
Beweismass (so Zirlick/Tagmann, in: Basler Kommentar zum
KG, 2010, Art. 30 KG N. 101 f.; Walter A. Stoffel,
Unzulässige Wettbewerbsabreden, in: Roger Zäch [Hrsg.], Das Kartellgesetz in der Praxis, 2000,
S. 23; Baldi/Schraner, Die kartellrechtlichen Urteile
des Bundesverwaltungsgerichts im Fall "Baubeschläge" - revisionistisch oder nur
beiläufig falsch?, AJP 2015, S. 275 ff.; Carl Baudenbacher,
Kartellrecht: Mit wie vielen Zungen spricht das Bundesverwaltungsgericht?, in: Jusletter vom 2. Februar
2015, Rz. 8 ff.; Amstutz/Keller/Reinert,
"Si unus cum una...": Vom Beweismass im Kartellrecht, Baurecht 2005, S. 119; Hans-Ueli
Vogt, Auf dem Weg zu einem Kartellverwaltungsverfahrensrecht,
AJP 1999, S. 844) zur Anwendung gelangen soll. Die Forderung nach Beweiserleichterungen im Kartellrecht
wird mit der Komplexität ökonomischer Sachverhalte, der Interdependenz des Verhaltens von Marktbeteiligten,
den in der Regel nur beschränkt vorhandenen bzw. nur schwer zu beschaffenden Marktdaten sowie der
faktischen Unmöglichkeit empirischer Aussagen zu künftigen oder hypothetischen Entwicklungen
begründet. Da wirksamer Wettbewerb von seinem Wesen her dynamisch angelegt ist, sind Aussagen zu
künftigen oder alternativen Marktentwicklungen in der Regel unumgänglich, während eine
Vielzahl von Annahmen, wie beispielsweise zur Substituierbarkeit von Gütern oder zur Preiselastizität
der Nachfrage, zwangsläufig auf Hypothesen beruhen. Im Urteil in Sachen Publigroupe
hat das Bundesgericht festgehalten, dass in Kartellverfahren in der Regel "die
Analyse der Marktverhältnisse komplex und die Datenlage oft unvollständig und die Erhebung
ergänzender Daten schwierig ist. [...] Die Bestimmung der massgeblichen Güter sowie die Einschätzung
des Ausmasses der Substituierbarkeit ist kaum je exakt möglich, sondern beruht zwangsläufig
auf gewissen ökonomischen Annahmen. In diesem Sinne erscheint eine strikte Beweisführung [...]
kaum möglich." Die Anforderungen an den Nachweis entsprechender Tatsachen dürfen
daher gemäss Bundesgericht mit Blick auf die Zielsetzung des Kartellgesetzes nicht übertrieben
werden. "Eine gewisse Logik der wirtschaftlichen Analyse und Wahrscheinlichkeit
der Richtigkeit müssen aber überzeugend und nachvollziehbar erscheinen" (BGE 139
I 72, E. 8.3.2).
Dem folgt die Praxis des Bundesverwaltungsgerichts.
Zwar ist das Bundesverwaltungsgericht in den
Urteilen in Sachen Baubeschläge zum Schluss gelangt, im Kartellsanktionsverfahren
gelte grundsätzlich das Erfordernis des "Vollbeweises" (B-8399/2010, 23. September
2014, E. 4.3.2, 6.4.5), was in der Lehre teilweise kritisiert und als Widerspruch zum Urteil des
Bundesverwaltungsgerichts in Sachen Elmex dargestellt wurde
(Carl Baudenbacher,
a.a.O., Rz. 9; Baldi/Schraner, Die kartellrechtlichen
Urteile des Bundesverwaltungsgerichts im Fall "Baubeschläge", a.a.O., S. 275).
Allerdings hat das Bundesverwaltungsgericht in den Elmex-Urteilen
keinen bestimmten Beweisgrad festgelegt, sondern einerseits auf das im Verwaltungsverfahrensrecht geltende
Regelbeweismass verwiesen, andererseits auf die zitierte Rechtsprechung des Bundesgerichts in Sachen
Publigroupe (B-506/2010, 19. Dezember 2013, E. 5). Derselbe
relativierende Hinweis findet sich auch in den Baubeschläge-Urteilen
(B-8399/2010, 23. September 2014, E. 4.3.7 f., m.w.H.; zur unterschiedlichen Sachverhaltskonstellation:
Stephan Breitenmoser, Beweis- und verfahrensrechtliche Fragen
in Kartellrechtsfällen, in: Jusletter vom 20. April 2015, Rz. 6 ff., 9 ff.). Dies
steht im Einklang mit der früheren Praxis des Bundesverwaltungsgerichts (A-2969/2010, 28. Februar
2012, Swisscom/ COLT,
E. 13.2; BVGE 2009/35, Swisscom Bitstrom, E. 7.4). Im Fall Swisscom
ADSL hat das Bundesverwaltungsgericht erneut festgehalten, dass im Kartellsanktionsverfahren
ein
strikter Beweis entfällt, wo ein solcher objektiv nicht möglich ist, wie im Falle der Beurteilung
künftiger oder alternativer Marktentwicklungen; diesbezüglich gelangt das Beweismass
der überwiegenden Wahrscheinlichkeit zur Anwendung. Hingegen ist der ordentliche Überzeugungsbeweis
zu erbringen, soweit für den Nachweis einer rechtserheblichen Tatsache keine der genannten Beweisschwierigkeiten
bestehen, beispielsweise in Bezug auf die Teilnahme an einem Kartelltreffen (B-7633/2009, 14. September
2015, Rz. 162 f.; ebenso: BVGer, B-3332/2012, 13. November 2015, BMW,
E. 3.11.3; B-5685/ 2012, 17. Dezember 2015, Altimum,
E. 4.5.3). Im Zivilprozessrecht wird analog etwa für den Nachweis des natürlichen Kausalzusammenhangs
nach Art. 41 OR die blosse Wahrscheinlichkeit als ausreichend erachtet (vgl. Roland
Brehm, Berner Kommentar zum OR, Art. 41 OR N. 117 ff.), während ein empirischer
Nachweis einer hypothetischen Kausalität von vornherein ausser Betracht fällt (vgl. BVGer,
B-5685/2012, 17. Dezember 2015, Altimum, E. 4.5.3.1,
m.w.H.).
Auch im Kernstrafrecht sind die Beweisanforderungen
nicht per se höher. Erforderlich ist im
Hinblick auf die Unschuldsvermutung in objektiver Hinsicht
eine erhebliche Wahrscheinlichkeit sowie in
subjektiver Hinsicht die volle Überzeugung des Richters (Riklin,
a.a.O., Art. 10 StPO N. 9; Hauser/ Schweri/Hartmann,
a.a.O., § 54 Rz. 11); ein Schuldspruch ist beispielsweise auch möglich, wenn Aussage
gegen Aussage steht (vgl. Wohlers, a.a.O., Art. 10 StPO
N. 27). Im Übrigen gilt die Unschuldsvermutung (auch) im Kartellverfahren nicht absolut, und zwar
unbesehen des Umstands, dass die strafrechtlichen Verfahrensgarantien im Verwaltungssanktionsverfahren
nicht in voller Schärfe zur Anwendung gelangen (BGE 140 II 384, Spielbank,
E. 3.3.4 f.; s.o., E. 5.1). Es ist mithin im Einzelfall ein sachverhaltsbezogener Ausgleich
zu finden. Dabei spielt auch das Beweisthema eine Rolle. So ist mit Blick auf das vorliegende Verfahren
zu beachten, dass der Tatbestand des absoluten Gebietsschutzes typischerweise ein ganzes Bündel
regionaler Bezugs- und Lieferbeschränkungen mit einer Vielzahl involvierter ausländischer Vertragshändler
voraussetzt; darauf wird im Rahmen der Beweiswürdigung zurückzukommen sein (s.u., E. 7.2.2).
5.5.3 Unzulässig erscheint nach dem Gesagten eine
Beweislastumkehr zulasten des Unternehmens, gegen welches sich die Untersuchung richtet. Hingegen hat
das Bundesverwaltungsgericht in Sachen Baubeschläge festgehalten,
dass eine blosse Beweislastverschiebung zulasten des angeschuldigten Unternehmens zulässig ist,
sofern das Unternehmen ausreichend Gelegenheit erhält, sich wirksam zu verteidigen (B-8399/2010,
23. September 2014, E. 6.4.5). Beweisvermutungen im Sinne von tatsächlichen Schlüssen
aus bewiesenen Tatsachen sind gemäss EGMR-Praxis mit der Unschuldsvermutung vereinbar, sofern sie
widerlegbar sind (Niggli/Riedo, a.a.O., vor Art. 49a -53
KG N. 252, m.w.H.; Baldi/ Schraner, Die kartellrechtlichen
Urteile des Bundesverwaltungsgerichts im Fall "Baubeschläge", a.a.O., S. 276).
Dies gilt zum einen für gesetzliche Beweisvermutungen, wie sie Art. 5 Abs. 3 und 4 KG darstellen.
Zum andern hat dies aber auch für Annahmen gestützt auf bewiesene Tatsachen im Rahmen der Beweiswürdigung
zu gelten, beispielsweise indem aus einem schriftlichen Vertrag mangels gegenteiliger Indizien in widerlegbarer
Weise geschlossen wird, das schriftlich Fixierte gebe die tatsächlichen Verhältnisse wieder
bzw. entspringe in Bezug auf seine Auswirkungen dem Wissen und Willen der Vertragsparteien (s.u., E.
7.2.2 ff.; vgl. BGE 135 II 161, E. 3; 130 II 482, E. 3.2; Kölz/Häner/Bertschi,
a.a.O., Rz. 484). Dies ist auch in der europäischen Praxis anerkannt (EuGH, Rs. T-550/08,
12. Dezember 2014, Tudapetrol, Rz. 86 ff.; Mestmcker/Schweitzer,
a.a.O., § 22 Rz. 11 ff., m.w.H.). Die Beweislast der Behörde bleibt davon unberührt,
ebenso die Pflicht der Behörde zur Feststellung des Sachverhalts von Amtes wegen (Art. 12 VwVG),
doch ist das angeschuldigte Unternehmen im Rahmen seiner Behauptungslast gehalten, gegenteilige Indizien
zu benennen bzw. im Rahmen seiner Mitwirkungspflicht (Art. 13 Abs. 1 Bst. c VwVG i.V.m. Art. 40
KG) entlastende Tatsachen und Beweismittel zu bezeichnen (Kiener/Rütsche/Kuhn,
a.a.O., Rz. 677 ff.;
Kölz/Häner/ Bertschi, a.a.O., Rz. 460, 463 ff.); eine entsprechende Obliegenheit
ergibt sich im Beschwerdeverfahren ohnehin aus Begründungspflicht und Rügeprinzip (Art. 52
Abs. 1 VwVG). Diese allgemeinen Vorgaben werden im Rahmen nachfolgender materieller Beurteilung (E. 7)
zu beachten sein.
6.Feststellungsinteresse
Die Vorinstanz hat - ergänzend zur Sanktion gemäss Dispositivziffer 2 - in
Dispositivziffer 1 der angefochtenen Verfügung die Unzulässigkeit der strittigen Abreden festgestellt.
Die Beschwerdeführerin rügt nicht ausdrücklich, dass für Ziffer 1 der angefochtenen
Verfügung ein Feststellungsinteresse fehle; insoweit die Beschwerdebegehren jedoch die Aufhebung
der entsprechenden Dispositivziffer umfassen, sind im Rahmen vorliegender Beschwerde die formellen Voraussetzungen
einer selbständigen Feststellung zu prüfen.
Das Bundesgericht hat wiederholt festgehalten, grundsätzlich gehöre die Frage, ob die für
die Sanktionierung erforderlichen Tatbestandselemente vorliegen, beim Fehlen eines eigenständigen
Feststellungsinteresses nicht ins Dispositiv der Verfügung. Sie bilde vielmehr Bestandteil der Begründung.
Im Erkenntnis sei darum in der Regel "weder festzuhalten, ob eine
marktbeherrschende Stellung vorliegt, noch ob eine solche allenfalls missbraucht wurde"
(BGE 137 II 199, Mobilfunkterminierung, E. 6.2; analog: 2C_484/2010,
Publigroupe, E. 14 [nicht in BGE 139 I 72 publiziert]). Dies hat
bei Anordnung einer Sanktion nach Art. 49a Abs. 1 KG grundsätzlich unabhängig davon zu
gelten, ob sich die Unzulässigkeit aus Art. 7 oder Art. 5 KG herleitet (zumal sich eine allfällige
zivilrechtliche Nichtigkeit unmittelbar aus Art. 20 OR ergibt, ohne dass eine Feststellung der Unzulässigkeit
notwendig wäre, vgl. Jacobs/Giger, in: Basler Kommentar
zum KG, 2010, vor Art. 12 - 17 KG N. 32). Zu beachten ist indes, dass das Bundesgericht in
den genannten Urteilen die Feststellungen der Wettbewerbskommission entgegen den zitierten Erwägungen
lediglich in Bezug auf die Marktbeherrschung aufgehoben hat, wobei in Sachen Mobilfunkterminierung
der erstinstanzliche Entscheid abweichend vom Fall Publigroupe
im Missbrauchspunkt bereits von der Beschwerdeinstanz aufgehoben worden war (vgl. BGE 137 II 199, E. 6.6
i.V.m. lit. B, D; 2C_484/2010, E. 14 i.V.m. lit. B.c, C.b [nicht in BGE 139 I 72 publiziert]).
Unbesehen dieser unterschiedlichen Ausgangslage ist festzuhalten, dass die Vorinstanz rechtliche Qualifikationen,
im Unterschied zu den daraus folgenden Sanktionen und Massnahmen sowie des zugrundeliegenden Verstosses
gegen die allenfalls verletzte Rechtsnorm, grundsätzlich nicht im Dispositiv der Verfügung
festzustellen hat.
Demzufolge ist Ziffer 1 der angefochtenen Verfügung bereits aus formellen Gründen aufzuheben.
Daher ist nicht näher einzugehen auf den Umstand, dass die Vorinstanz nur zum Teil auf die in Dispositivziffer
1 genannten Verträge abgestellt und im Übrigen unberücksichtigt gelassen hat, dass die
Beschwerdeführerin nicht an allen Verträgen als Partei beteiligt war. Ebenso ist bei diesem
Ergebnis die Rüge der Beschwerdeführerin nicht zu prüfen, die angefochtene Dispositivziffer
1 sei in zeitlicher und persönlicher Hinsicht zu wenig bestimmt (vgl. Beschwerde, Rz. 183 ff.).
7.Unzulässige
Wettbewerbsabrede (Art. 5 KG)
Nach Art. 5 Abs. 1 KG sind Abreden, die den Wettbewerb
auf einem Markt für Waren oder Leistungen
erheblich beeinträchtigen und sich nicht durch Gründe der wirtschaftlichen Effizienz rechtfertigen
lassen, sowie Abreden, die zur Beseitigung wirksamen Wettbewerbs führen, unzulässig. Wettbewerbsabreden
sind durch Gründe der wirtschaftlichen Effizienz gerechtfertigt, wenn sie notwendig sind, um die
Herstellungs- oder Vertriebskosten zu senken, Produkte oder Produktionsverfahren zu verbessern, die Forschung
oder die Verbreitung von technischem oder beruflichem Wissen zu fördern oder um Ressourcen rationeller
zu nutzen, sofern sie den beteiligten Unternehmen in keinem Fall die Möglichkeit eröffnen,
wirksamen Wettbewerb zu beseitigen (Art. 5 Abs. 2 KG). Die Beseitigung wirksamen Wettbewerbs wird unter
anderem vermutet bei Abreden in Vertriebsverträgen über die Zuweisung von Gebieten, soweit
Verkäufe in diese durch gebietsfremde Vertriebspartner ausgeschlossen werden (Art. 5 Abs. 4 KG).
Die Vorinstanz gelangte zum Schluss, die von der Beschwerdeführerin vereinbarten Importverbote
sowie die Exportverbotsklauseln in ausländischen Vertriebsverträgen stellten unzulässige
Abreden über die Zuweisung von Gebieten im Sinne von Art. 5 Abs. 4 KG dar (angefochtene Verfügung,
Rz. 98 ff.). Gestützt darauf habe die Beschwerdeführerin wirksamen Wettbewerb auf
dem inländischen Markt für Fotoapparate, Wechselobjektive und Blitzlichtgeräte zwar nicht
beseitigt (angefochtene Verfügung, Rz. 352 ff.), doch im Sinne von Art. 5 Abs. 1 KG erheblich
beeinträchtigt (angefochtene Verfügung, Rz. 487 ff.). Rechtfertigungsgründe im Sinne
von Art. 5 Abs. 2 KG seien nicht ersichtlich (angefochtene Verfügung, Rz. 520 ff.).
Die Beschwerdeführerin wendet im Wesentlichen ein, die vorinstanzlich beanstandeten Klauseln
bezweckten keine Wettbewerbsbeeinträchtigung und stellten keine absoluten Gebietsschutzabreden im
Sinne von Art. 5 Abs. 4 KG dar (Beschwerde, Rz. 192 ff.; 296 ff., 382 ff., 447 ff.).
Überdies seien die Vertragsklauseln nicht gelebt worden (Beschwerde, Rz. 611 ff.). Folglich
könne auch keine erheblich wettbewerbsbeschränkende Wirkung angenommen werden; im Gegenteil
habe im fraglichen Zeitraum auf den relevanten Märkten ein intensiver Intrabrand- und Interbrand-Wettbewerb
geherrscht (Beschwerde, Rz. 754 ff., 774 ff.).
7.1Abrede
Art. 5 Abs. 1 KG setzt zunächst eine Abrede voraus. Nach der Legaldefinition von Art. 4 Abs.
1 KG gelten als Wettbewerbsabreden rechtlich erzwingbare oder nicht erzwingbare Vereinbarungen sowie
aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen von Unternehmen gleicher oder verschiedener Marktstufen, die
eine Wettbewerbsbeschränkung bezwecken oder bewirken.
Die Beschwerdeführerin bestreitet im Grundsatz nicht, dass es sich bei den strittigen Vertragsklauseln
um wettbewerbsrelevante Vereinbarungen handelt. Sie macht jedoch geltend, die Vorinstanz habe es
unterlassen,
die einzelnen Abredepartner zu bezeichnen; dies verletze den Gehörsanspruch und die
Verteidigungsrechte
der Beschwerdeführerin (vgl. Beschwerde, Rz. 742 ff.). Zudem sei eine
Wettbewerbsbeschränkung weder bezweckt noch bewirkt worden (Rz. 447 ff., 611 ff., 774 ff.).
7.1.1 In der angefochtenen Verfügung werden die sechs
Parteien der inländischen Grossistenverträge genannt (vgl. angefochtene Verfügung, Dispositivziffer
1; Rz. 99 ff., 324 f.: Geschäftsgeheimnis). Von der Beschwerdeführerin selbst
werden im Hinblick auf den "Nikon Professional Dealer"-Vertrag sechs inländische Einzelhändler
als Vertriebspartner genannt (Beschwerde, Rz. 332); die entsprechenden Verträge finden sich
bei den Akten (s.o., E. 3, m.w.H.). Nicht einzeln aufgeführt in der Sanktionsverfügung
sind die am Vertriebsvertrag für die Kameramodelle "3DS" und "3DX" beteiligten
inländischen Einzelhändler sowie generell die ausländischen Vertragshändler. Dabei
stellt sich die Vorinstanz auf den Standpunkt, die jeweiligen Vertragspartner seien der Beschwerdeführerin
bekannt (angefochtene Verfügung, Rz. 326, 329). Dies wird von der Beschwerdeführerin auch nicht
bestritten (Beschwerde, Rz. 743). Soweit sie darüber hinaus geltend macht, die Vorinstanz
habe
aufzuzeigen, wer an der Umsetzung im Einzelnen beteiligt gewesen sei (Beschwerde, Rz. 743 f.),
wird darauf zurückzukommen sein (E. 6.2.3).
7.1.2 Auch der wettbewerbsbeschränkende Zweck der
Vereinbarungen ist nach dem Gesagten zu bejahen; es kann auf vorstehende Erwägungen verwiesen werden
(E. 4.2 f., 4.3.3). Der Einwand der Beschwerdeführerin, die britischen und polnischen
Verträge (U-act. 66, Beilagen 53, 54, 55; 49, 50) hätten nicht die Verkaufsrechte, sondern
die Vertriebspflicht des Händlers zum Gegenstand (Beschwerde, Rz. 290, 361 ff., 363 f.),
während der Vertrag zwischen der europäischen Konzernzentrale und dem griechischen Generalimporteur
lediglich Aktivverkäufe ins Ausland betreffe (U-act. 66, Beilagen 71, 73, 75), zielt insofern
an der Sache vorbei, als die Vorinstanz diesbezüglich nicht auf den Wortlaut der Verträge,
sondern auf deren konkrete Umsetzung abgestellt hat (angefochtene Verfügung, Rz. 127, 132,
242 f., 286; 136, 283); darauf wird zurückzukommen sein. Eine Abrede im Sinne von Art. 5 Abs.
1 in Verbindung mit Art. 4 Abs. 1 KG ist vorliegend gegeben, unbesehen der Frage der Umsetzung und der
tatsächlichen Auswirkungen (E. 7.2).
7.2Wettbewerbsbeeinträchtigung
Nach Art. 5 Abs. 1 KG setzt
die Unzulässigkeit einer Abrede eine Wettbewerbsbeeinträchtigung
von mindestens erheblichem
Ausmass voraus. Diesbezüglich macht die Beschwerdeführerin geltend,
vom Gesetzeswortlaut seien
nur tatsächliche Auswirkungen von Wettbewerbsabreden erfasst; die strittigen
Vertragsklauseln seien
aber nie umgesetzt worden. Mit dem blossen Verweis auf den Vertragswortlaut bzw.
die aus dem Zusammenhang
gerissene interne E-Mail-Korrespondenz der Beschwerdeführerin
sei der erforderliche Nachweis der
Umsetzung nicht erbracht (Beschwerde, Rz. 219 ff., 250 ff.,
300 ff., 399, 611 ff., 635 ff., 670 ff.).
Die Vorinstanz wendet ein,
die bei der Beschwerdeführerin beschlagnahmte Korrespondenz
belege, dass die Beschwerdeführerin durch Testkäufe, Rückverfolgung von Seriennummern
und Abmahnung von Händlern aktiv auf die Behinderung von Einfuhren in die Schweiz hingewirkt habe
(angefochtene Verfügung, Rz. 259 ff., 270 ff.). Dabei sei sie auch gegen passive Verkäufe
vorgegangen (angefochtene Verfügung, Rz. 279). Bei fehlender Kooperation der involvierten Unternehmen
habe sie die Kündigung bestehender Verträge veranlasst (angefochtene Verfügung, Rz. 280 ff.).
7.2.1 Der wohl überwiegende Teil der Lehre schliesst
aus dem Tatbestandsmerkmal der Wettbewerbsbeeinträchtigung, die Auswirkungen auf den relevanten
Markt hätten im Rahmen von Art. 5 KG tatsächlicher Natur zu sein; die Abrede müsse effektiv
umgesetzt worden sein. Die Rede ist von einem auswirkungsbasierten Ansatz ("effects
based approach"). Zur Begründung wird teils auf den Wortlaut von Art. 5 Abs. 1 KG ("beeinträchtigen";
Zäch, a.a.O., Rz. 250; Nydegger/Nadig,
a.a.O., Art. 4 Abs. 1 KG N. 70; Hoffet, a.a.O., Art.
5 N. 63), teils auf Art. 96 BV sowie Art. 1 KG verwiesen, wonach das Kartellgesetz die Verhinderung
volkswirtschaftlich oder sozial schädlicher Auswirkungen von Wettbewerbsbeschränkungen zum
Ziel hat (Amstutz/Carron/Reinert, in:
Commentaire Romand
LCart, 2. Aufl. 2012, Art. 5 KG N. 118 ff.; Jacobs,
a.a.O., SJZ 2014, S. 231; ders., Entwicklungen im Kartellrecht,
SJZ 2015, S. 232; David/Jacobs, a.a.O., Rz. 612;
Klaus Neff, in: Basler Kommentar zum Kartellgesetz, 2010,
Art. 6 N. 5 ff.; Einleitung VertBek N. 3; Ziff. 12 VertBek N. 1 ff.). Umgekehrt findet
sich, wie schon unter Art. 2 KG, die Auffassung, es komme (auch) im Rahmen von Art. 5 KG nicht auf
die tatsächlichen Wirkungen einer Wettbewerbsbeschränkung an; vielmehr reiche gemäss Legaldefinition
von Art. 4 Abs. 1 KG ein blosses Bezwecken einer erheblichen Wettbewerbsbeeinträchtigung aus
(Borer, a.a.O., Art. 5 KG N. 8, Art. 4 N. 4; Krauskopf/Schaller,
a.a.O., Art. 5 KG N. 3, 5; in diesem Sinne auch: Ralf
M. Straub, Die Erheblichkeit von Wettbewerbsbeeinträchtigungen, AJP 2016, S. 571 f.,
574 f.). Ferner wird eine vermittelnde Position vertreten; demnach soll zumindest bei Abreden qualifizierten
Inhalts, bei welchen von Gesetzes wegen ein besonderes Schädlichkeitspotenzial zu vermuten sei,
das blosse Bezwecken genügen (Andreas Heinemann,
Die Erheblichkeit bezweckter und bewirkter Wettbewerbsbeschränkungen, in: Jusletter vom 29.
Juni 2015, Rz. 46 ff.). Die genannten Lehrmeinungen unterscheiden dabei nicht zwischen der Umsetzung
einer Abrede und dem Eintritt des bezweckten Erfolgs; allerdings ist denkbar, dass eine Vereinbarung
zwar umgesetzt wird, die bezweckten Wirkungen aufgrund äusserer Umstände aber ausbleiben. Ebenso
ist denkbar, dass eine Abrede lediglich zum Teil umgesetzt wird, im Ergebnis aber dennoch erhebliche
Auswirkungen zeitigt. Vereinzelt werden die tatsächlichen Auswirkungen auch als Aspekt der Erheblichkeit
aufgefasst (Krauskopf/Schaller, a.a.O.,
Art. 5 KG N. 150; David/Jacobs, a.a.O., Rz.
607; vgl. auch Vertikalbekanntmachung 2010, Ziff. 12, 13; angefochtene Verfügung, Rz. 505 ff.).
Dabei ist allerdings im Auge zu behalten, dass die Frage der Umsetzung sowie das Vorliegen tatsächlicher
Auswirkungen Tatfrage ist, die Qualifikation der (tatsächlichen oder potenziellen) Wirkungen
hingegen
Rechtsfrage. Zu beachten ist schliesslich, dass bei Abreden im Sinne von Art. 5 Abs. 3 und Abs.
4 KG
der Erfolgseintritt (Beseitigung wirksamen Wettbewerbs) von Gesetzes wegen vermutet wird; die Vermutung
kann widerlegt werden (statt vieler: BGE 129 II 18, Buchpreisbindung,
E. 8.3.1; BVGer, 1. Juni 2010, RPW 2010/2, S. 368 ff., Strassenbelagskartell,
E. 7, m.w.H.; Zäch, a.a.O., Rz. 449).
Im Wettbewerbsrecht der Europäischen Union genügt für ein wettbewerbsbehördliches
Eingreifen alternativ ein Bezwecken oder Bewirken; steht der wettbewerbsbeschränkende
Zweck einer Abrede (sowie eines entsprechenden Potenzials) fest, ist die Prüfung der tatsächlichen
Auswirkungen entbehrlich (Mestmäcker/Schweitzer,
a.a.O.,
§ 11 Rz. 35, 69 ff. m.w.H.; EuGH, Rs. C-226/11, 13. Dezember 2012, Expedia,
Rz. 35 ff.; C-67/13 P, 11. September 2014, Groupement des Cartes
bancaires, Rz. 57; T-4902, 27. Juli 2005, Brasserie Nationale,
Slg. 2005 II-3033, Rz. 97, m.w.H.; vgl. auch Urteile des EuGH, Rs. 56, 58/64, 13. Juli
1966, Consten/Grundig, Slg. 1966, S. 321 ff., 390, sowie
vom 30. Juni 1966, LTM/Maschinenbau Ulm,
Slg. 1966, S. 281 ff., 303; Art. 101 AEUV; EU-Kommission, De
minimis-Bekanntmachung vom 30. August 2014, ABl. 2014 C 291/01; Leitlinien zur Anwendung
von Art. 81 Abs. 3 EGV, ABl. 2004 C 101/97, Rz. 20). Insofern lässt sich im EU-Recht von
einem (abstrakten) "Gefährdungstatbestand" sprechen (vgl. Mestmäcker/Schweitzer,
a.a.O., § 11 Rz. 35, m.w.H.). In Abgrenzung davon berufen sich die zitierten Vertreter
des auswirkungsbezogenen Ansatzes in der schweizerischen Lehre auf den historischen Kontext des sogenannten
"Missbrauchsprinzips", welches ein von konkreten Auswirkungen unabhängiges "per
se-Verbot" ausschliesse. Dazu ist allerdings festzuhalten, dass im schweizerischen System
im Rahmen von Art. 5 Abs. 2 KG eine ebenfalls auswirkungsbezogene Rechtfertigungsmöglichkeit besteht.
Zu beachten ist zudem, dass die typologische Unterscheidung zwischen schweizerischer "Missbrauchs-"
und europäischer "Verbotsgesetzgebung" spätestens mit Einführung direkter Sanktionen
in der Schweiz sowie dem Wechsel von einem Verbot mit Erlaubnisvorbehalt zu einem Verbot mit Legalausnahme
in der Europäischen Union konzeptionell überholt sein dürfte (vgl.: Marino
Baldi, Für eine "informierte" Wettbewerbspolitik, AJP 2012, S. 1184 f.;
Borer, a.a.O., Art. 1 KG N. 6 ff.). Auch stellen Art. 96
BV sowie Art. 1 KG nach allgemeinem Verständnis offene Zielvorgaben dar (vgl. Zäch,
a.a.O., Rz. 397; Borer, a.a.O., Art. 1 KG N. 6 ff.,
11 ff.).
Allerdings spricht sich die Botschaft des Bundesrats
zum Gesetz von 1995 für eine wirkungsbasierte
Einzelfallprüfung aus, welche sich nicht nur am Schädlichkeitspotenzial, sondern auch an den
konkreten Folgen orientiert (vgl. Botschaft KG 1995, S. 555). Zu beachten ist ferner, dass Art. 5
KG nicht nur die Unzulässigkeit bestimmter Wettbewerbsabreden statuiert, sondern dass das Vorliegen
einer unzulässigen Abrede überdies - seit der Gesetzesrevision von 2003 - mit der
Sanktionsdrohung von Art. 49a Abs. 1 KG verknüpft ist. Die Formulierung in Art. 49a
Abs. 3 Bst. b KG, wonach eine Sanktion für eine unzulässige Wettbewerbsabrede entfällt,
wenn die Abrede bei Eröffnung der Untersuchung länger als fünf Jahre nicht mehr ausgeübt
worden ist, legt den (Umkehr-)Schluss nahe, die Abrede müsse im Hinblick auf eine Sanktion zumindest
ursprünglich umgesetzt worden sein (unabhängig vom bewirkten Erfolg). Die Botschaft zur Gesetzesrevision
schweigt sich dazu aus (vgl. BBl 2002, S. 2036 f.). Der pönale Charakter direkter Sanktionen
spricht nicht für eine weite Auslegung von Art. 49a KG. Diese Einschränkung gilt allerdings
nur für die Sanktions-, nicht auch für die Unzulässigkeitsfolge. Dogmatisch ergibt es
an sich wenig Sinn, die Zulässigkeit einer Vereinbarung von deren Umsetzung bzw. vom Erfolgseintritt
abhängig zu machen. In der Lehre wird daher auch der Vorschlag gemacht, zwischen Unzulässigkeitsfolge
und Sanktionsfolge zu unterscheiden und lediglich im Rahmen von Art. 49a KG eine Umsetzung
der Abrede
zu fordern (Herbert Wohlmann, Verstösse
gegen bundesrechtliche
Grundsätze des Strafverfahrensrechts bei Sanktionsverfahren im Kartellrecht,
in: Jusletter vom 10. August 2015, Rz. 21 ff.). Nichts herleiten lässt sich hingegen aus
dem auf Kartellsachverhalte nicht anwendbaren allgemeinen Teil des Strafgesetzbuchs und insbesondere
aus Art. 105 Abs. 2 StGB, wonach der Versuch einer Übertretung nur aufgrund ausdrücklicher
gesetzlicher Vorschrift strafbar ist (a.M.: Niggli/Riedo,
a.a.O., vor Art. 49a - 53 KG, N. 105 ff.); trotz der pönalen Rechtsnatur
von Kartellsanktionen handelt es sich beim Kartellverwaltungsrecht nicht um Nebenstrafrecht im
Sinne
von Art. 333 Abs. 1 StGB (vgl. BGE 140 II 384, Spielbank,
E. 3.3.1; 2C_1065/2014, 26. Mai 2016, Pubblikationsverfügung
i.S. Nikon, E. 8.2; s.u., E. 8.1).
Laut einem Entscheid der Rekurskommission für Wettbewerbsfragen aus dem Jahr 1999 (vor
Einführung direkter Sanktionen), auf den sich die Beschwerdeführerin beruft (Beschwerde, Rz. 388),
setzt Art. 5 KG im Vergleich zum europäischen Recht mehr als nur "eine
objektive Eignung zur Wettbewerbsbeschränkung" voraus (RPW 1999/3, S. 503 ff.,
Öl- und Gasbrenner, E. 4.4, ohne nähere Begründung).
Im Urteil in Sachen Tessiner Strassenbelagskartell aus dem Jahr
2010 hat das Bundesverwaltungsgericht in einem obiter dictum festgehalten, eine Abrede, welche nicht
praktiziert worden sei und daher keine Auswirkungen auf den Markt gehabt haben könne, falle nicht
unter Art. 5 KG (RPW 2010/2, S. 368 ff., E. 7, 9.2.2.4). Mit Urteilen in Sachen Baubeschläge
hielt das Bundesverwaltungsgericht überdies fest, dass die tatsächlichen Auswirkungen
einer Abrede im Einzelfall nachzuweisen seien (B-8399/2010, 23. September 2014, E. 6.1.3).
Entsprechend hat das Bundesverwaltungsgericht wiederholt einen "Kausalzusammenhang" zwischen
Vereinbarung und Wettbewerbswirkung geprüft (B-8399/2010, 23. September 2014, Baubeschläge,
E. 5.3.1.1.38, 5.3.2.6 ff., 5.4.23, 5.4.26, 6.1.2, 6.3.30, 6.4.2; ebenso: B-506/2010,
19. Dezember 2013, Elmex, E. 8.1.1 ff., 12.1 ff.;
B-7633/2009, 14. September 2015, Swisscom ADSL,
Rz. 561 ff.). Im Fall BMW hat das Bundesverwaltungsgericht
demgegenüber erwogen, bei Abreden mit qualifiziertem Inhalt (hardcore-Vereinbarungen)
erübrige sich die Prüfung der tatsächlichen Auswirkungen (B-3332/2012, 13. November 2015,
BMW, E. 9.1.4 f.). Mit Urteil vom 28. Juni 2016 hat
das Bundesgericht entschieden, dass in den von Art. 5 Abs. 3 bzw. Abs. 4 KG erfassten Sachverhalten im
Rahmen der Erheblichkeitsprüfung grundsätzlich nicht auf quantitative Kriterien abzustellen
ist (2C_180/2014; noch nicht publiziert). Inwieweit dies nicht nur für den gemeinsamen Marktanteil
der beteiligten Unternehmen, sondern auch für den Nachweis tatsächlicher Auswirkungen der Abrede
zu gelten hat, wird die schriftliche Urteilsbegründung zeigen (vgl. auch unten, E. 6.5). Eine
Dispensation vom Umsetzungserfordernis ist damit, soweit ersichtlich, jedenfalls nicht verbunden. Es
wird daher im Folgenden zu prüfen sein, ob die strittigen Klauseln in casu tatsächlich gelebt
wurden (E. 7.2.3).
7.2.2 Vorab ist festzuhalten,
dass in einem Kartellsanktionsverfahren trotz Unschuldsvermutung und Untersuchungsgrundsatz (E.
5.5.2,
5.5.3) der Behauptung einer Vertragspartei, die strittige Abrede sei nicht gelebt worden, nicht
leichthin
zu folgen ist. Zwar kann nach dem Gesagten von einem Vertrag nicht ohne Weiteres auf dessen
Vollzug geschlossen
werden. Umgekehrt ist die fehlende Umsetzung einer schriftlichen Wettbewerbsabrede
nach der Praxis des
Bundesverwaltungsgerichts nur anzunehmen, wenn Indizien vorliegen, dass die Parteien
die Abrede tatsächlich nicht gelebt haben, und zugleich Indizien fehlen, welche eine Einhaltung
der Vereinbarung als überwiegend wahrscheinlich erscheinen lassen (B-3332/2012, 13. November
2015, BMW, E. 9.2.4.5). Von der schriftlichen Vereinbarung geht
insofern ein doppelter Rechtsanschein aus: einerseits im Hinblick auf die Übereinstimmung mit dem
wirklichen Willen der Parteien (innere Umstände), andererseits im Hinblick auf die Übereinstimmung
mit den tatsächlichen Verhältnissen (äussere Umstände; vgl. BGer, 4C.259/2005, 14. Dezember
2005, Courtage, E. 2; BGE 135 II 161, E. 3; 130 II 482, E.
3.2; Kölz/Häner/Bertschi, a.a.O., Rz. 484). Die
Beschwerdeführerin trifft dabei im Rahmen der Beweisführung
eine Mitwirkungspflicht (s.o., E. 5.3, 5.5).
Weiter ist in beweisrechtlicher Hinsicht zu beachten,
dass der Tatbestand des absoluten Gebietsschutzes
typischerweise ein ganzes Bündel regionaler Bezugs- und Lieferbeschränkungen mit einer Vielzahl
involvierter Vertragshändler voraussetzt. Die Beschwerdeführerin überspannt daher die
Beweisanforderungen, wenn sie den Nachweis der Umsetzung in Bezug auf jeden einzelnen Vertragshändler
und darüber hinaus den Nachweis des Disziplinierungserfolgs in jedem Einzelfall fordert (vgl. Beschwerde,
Rz. 714, 720, 743). Zum einen kann der Nachweis der Umsetzung in Bezug auf mehrere Händler
nach Massgabe der konkreten Umstände durchaus als Indiz für die Umsetzung des Abredesystems
als Ganzes gewertet werden, sofern keine gegenteiligen Hinweise vorliegen. Zum andern bedeutet das Umsetzungserfordernis
nicht, dass die vollständige Umsetzung der Abrede nachzuweisen
wäre; vielmehr erscheint aufgrund des Wortlauts von Art. 5 Abs. 1 KG eine zumindest teilweise Umsetzung
jedenfalls ausreichend, sofern insgesamt von einer erheblichen Wettbewerbsbeeinträchtigung auszugehen
ist (E. 6.2.1, 6.5). Daran ändern auch die Erwägungen des Bundesverwaltungsgerichts in den
Baubeschläge-Urteilen nichts
(B-8399/2010, 23. September 2014, E. 5.3.1.1.38, 5.3.2.8, 5.4.26), zumal sich diese auf eine Sachverhaltskonstellation
beziehen, in welcher zu beurteilen war, ob die festgestellten Marktwirkungen dem Verhalten der Abredepartner
oder aber dem Einfluss eines nicht in die Untersuchung einbezogenen ausländischen Kartells geschuldet
waren (vgl. Breitenmoser, a.a.O., Rz. 2 ff.).
Im Übrigen setzt die Befolgung einer Kartellvereinbarung keineswegs zwingend Disziplinierungsmassnahmen
voraus, wie die Beschwerdeführerin suggeriert; sie übersieht, dass es vorliegend nicht um den
Missbrauch von Marktmacht geht. Beweisthema war vielmehr die Behauptung der Beschwerdeführerin,
die strittigen Vertragsklauseln seien nicht gelebt worden bzw. der durch den Vertragswortlaut geweckte
Rechtsanschein stehe in Bezug auf Inhalt und Umsetzung nicht mit der Rechtswirklichkeit überein.
Zum Beweismass kann dabei auf die vorstehenden Erwägungen verwiesen werden (E. 5.5). Entgegen
der Darstellung der Beschwerdeführerin (Replik, Rz. 164) ist im Übrigen daran zu erinnern,
dass es auch im Rahmen der strafrechtlichen Mittäterschaft nicht
erforderlich ist, dass ein Tatbeteiligter bei der Planung oder Ausführung jedes einzelnen Delikts
mitwirkt; vielmehr genügt es, wenn er insgesamt einen massgeblichen Tatbeitrag leistet (vgl. BGE
126 IV 84, E. 2c/aa; 125 IV 134, E. 3a; 120 IV 17, E. 2d; 120 IV 136, E. 2b; 120 IV 265, E. 2c/aa).
7.2.3 Vorliegend wird der durch die strittigen Vertragsklauseln
erweckte Anschein nach Auffassung der Vorinstanz durch die bei der Beschwerdeführerin beschlagnahmte
E-Mail-Korrespondenz bestätigt (angefochtene Verfügung, Rz. 254 ff.). Konkret wirft
die Vorinstanz der Beschwerdeführerin vor, sie habe bei Parallelhändlern systematisch
Testkäufe getätigt und anhand der Seriennummern die Herkunft der gekauften Produkte eruiert;
in der Folge habe sie ihre ausländischen Schwestergesellschaften angehalten, entsprechende Ausfuhren
zu unterbinden (angefochtene Verfügung, Rz. 270 ff.). Bei fehlender Kooperation der Handelspartner
habe sie auf die Auflösung bestehender Verträge hingewirkt (angefochtene Verfügung, Rz. 280 ff.).
Die Beschwerdeführerin räumt ein, Warenströme zurückverfolgt zu haben (Beschwerde,
Rz. 616). Sie macht jedoch geltend, dabei sei es um die Einhaltung des konzerninternen Mindestpreises
gegangen ("NNN", "triple-N",
"BDNNN"). Dass einzelne Ländergesellschaften zur Umsatzsteigerung wiederholt Verkäufe
unter dem "Mindesthändlerpreis" vorgenommen hätten, zum Nachteil der mit entsprechenden
Importen konfrontierten ausländischen Schwestergesellschaften, habe eine Studie vom 30. Juni
2011 gezeigt, wonach die konzerninternen Richtpreise in Deutschland, Polen, Holland, Schweden und Ungarn
regelmässig unterschritten worden seien (U-act. 333, Beilage 4, S. 48 f.). Zu demselben
Befund gelange man gestützt auf eine Übersicht der Rechnungspreise von Nikon Deutschland und
Nikon Polen für die Spiegelreflexkamera D700 (U-act. 333, Beilage 5 und 6). Die von der Vorinstanz
zitierte interne Korrespondenz sei vor diesem Hintergrund zu interpretieren (Stellungnahme vom 25. Juli
2011, U-act. 333, Rz. 154 ff., 573 ff.; Beschwerde, Rz. 617 ff., 670 ff.,
Beilage 10).
Dazu ist zunächst festzuhalten, dass die von der Beschwerdeführerin angeführte konzerninterne
Vergleichsanalyse lediglich einige wenige ausgewählte Länder und Produkte umfasst, welche zudem
von der vorliegenden kartellrechtlichen Untersuchung teilweise nicht betroffen sind (vgl. U-act. 333,
Beilage 4, S. 48 f.). Eine aussagekräftigere Übersicht über Verkaufszahlen und
-preise für die in Frage stehenden Produkte der Schwestergesellschaften im relevanten Zeitraum hat
die mitwirkungspflichtige Beschwerdeführerin nicht vorgelegt. Immerhin ist aus den zitierten Dokumenten
ersichtlich, dass Unterschreitungen der Konzernvorgaben in Bezug auf den Preis tatsächlich stattgefunden
haben, wenn auch gemäss Angaben der genannten Studie in Bezug auf einige der genannten Länder
(Holland, Deutschland) nur in begrenztem Umfang (vgl. U-act. 333, Beilage 4, S. 49). Im Übrigen
kann sich die Beschwerdeführerin bezüglich der unternehmensinternen Preisharmonisierung zwar
auf das Konzernprivileg berufen (Art. 2 Abs. 1bis
KG); doch weist die Vorinstanz zu Recht darauf hin (angefochtene Verfügung, Rz. 273, 285),
dass
das Konzernprivileg zwar Massnahmen im Innenverhältnis erlaubt, nicht aber eine Disziplinierung
unabhängiger Händler (wobei konzerninterne Mindestpreise typischerweise dann unter Druck geraten,
wenn sie gemessen an regionalen Kaufkraftunterschieden besonders hoch angesetzt sind). Aufgrund der internen
Korrespondenz erwiesen ist, dass die Beschwerdeführerin bei ausländischen Schwestergesellschaften
bzw. auf Konzernebene wiederholt Massnahmen gegen unliebsame Parallelhändler gefordert hat
bzw.
sich in Aussicht stellen liess (vgl. U-act. 19, S. 230; U-act. 16, S. 55,
62,
154; U-act. 17, S. 127, 175). Dass es sich dabei lediglich um Massnahmen gegen Aktivverkäufe,
nicht auch gegen Passivverkäufe gehandelt habe, wie die Beschwerdeführerin einwendet (Beschwerde,
Rz. 658 ff.), geht aus der zitierten Korrespondenz (vgl. angefochtene Verfügung, Rz. 259,
272, 273, 276, 279) nicht hervor; vielmehr legen die strittigen Schreiben den Schluss nahe, die Beschwerdeführerin
habe im Rahmen ihrer Bemühung zur Unterbindung des Parallelhandels nicht zwischen Aktiv- und Passivverkäufen
unterschieden (s.u., E. 7.3).
So heisst es in einer Nachricht des Vertriebsverantwortlichen
der Beschwerdeführerin, B._______,
vom 20. April 2009 an den Verantwortlichen der deutschen Konzernniederlassung:
"Darf
ich Euch bitten zu schauen, dass [...] Palettenschieber keine
Ware in die Schweiz liefern" (U-act. 19,
S. 230). Der polnischen Schwestergesellschaft wurde mit Datum vom 5. Juni 2009 mitgeteilt (Kopie
an Nikon Deutschland sowie die europäische Muttergesellschaft): "Unfortunately,
it seems that your efforts to better control exports from Poland did not show the (desired) success"
(U-act. 16, S. 55). In Reaktion darauf schreibt der polnische Verantwortliche am 3. Juli
2009 (zu einem Zeitpunkt, in welchem weder in Polen noch in der Schweiz Selektivvertriebsstrukturen bestanden):
"We have just introduced a complex of countermeasures against grey",
und: "countermeasures will lead to grey elimination however
it is not possible in 100 %" (U-act. 16, S. 62). Mit Bezug auf die Lieferung
eines ausländischen Grosshändlers in die Schweiz ergeht am 8. Januar 2009 an die deutsche Nikon-Niederlassung
die Aufforderung: "Please do your outmost and stop [wholesaler]
to do such things" (U-act. 16, S. 154; Kopie an
die Europazentrale). Ferner teilt der schweizerische Vertriebsverantwortliche am 17. Februar
2009
seinen Mitarbeitern mit: "Soeben hat mich [Nikon] Deutschland
informiert,
dass [Schweizer Importeur] wie wahnsinnig D90 auf
dem deutschen
Markt sucht. GmbH [Nikon Deutschland] wird die Lieferungen
blockieren" (U-act. 17, S. 127). Am 14. Juli 2009 schreibt die Beschwerdeführerin
mit Bezug auf parallelimportierte Ware aus Griechenland: "we need
to control the involved box movers and take necessary actions" (U-act. 17, S. 175).
Dabei ist einzig in der zitierten Korrespondenz zwischen
der Beschwerdeführerin und den polnischen
Vertriebsverantwortlichen sowie im Schreiben der Beschwerdeführerin betreffend die Importe aus Griechenland
eine mögliche Mindestpreisproblematik erkennbar; allerdings fehlt es in diesen Fällen an einer
Rechtfertigung für Massnahmen im Konzern-Aussenverhältnis. Dass die beschlagnahmte Korrespondenz
keinen unmittelbaren Beleg für das Ergreifen entsprechender Massnahmen durch die ausländischen
Schwestergesellschaften liefert, wie die Beschwerdeführerin einwendet (Beschwerde, Rz. 629,
714 ff.), ist nicht massgebend; entscheidend ist vielmehr, dass die strittige Korrespondenz den
Eindruck vermittelt, die Beschwerdeführerin habe gegenüber ihren ausländischen Schwestergesellschaften
sowie der europäischen Konzernzentrale unterschiedslos auf die Durchsetzung von Massnahmen gegen
Arbitrage-Geschäfte gedrängt. Auch was die Beschwerdeführerin weiter vorträgt, überzeugt
nicht. Dass das Rückverfolgen von Warenströmen der Identifikation von Diebesgut und Fälschungen
gedient habe (Stellungnahme vom 25. Juli 2011, U-act. 333, Rz. 158; Beschwerde, Rz. 674),
mag auf Einzelfälle zutreffen, erklärt aber keinesfalls das Ausmass des betriebenen Aufwands
sowie die Systematik des Vorgehens. Nicht glaubhaft erscheint zudem, dass Abmahnungen der Beschwerdeführerin
gegenüber der polnischen Schwestergesellschaft zum Schutz der deutschen Selektivvertriebsstrukturen
erfolgt sein sollen (Stellungnahme vom 25. Juli 2011, U-act. 333, Rz. 156; Beschwerde, Rz. 672);
ein diesbezügliches Interesse der Beschwerdeführerin ist jedenfalls nicht erkennbar, zumal
sie eigenen Angaben zufolge unter der Preispolitik der deutschen Niederlassung besonders gelitten haben
will (Beschwerde, Rz. 624 ff.). Am Rechtsanschein der Verträge vermögen die Einwendungen
der Beschwerdeführerin daher nichts zu ändern; vielmehr verfestigt sich der Eindruck, die Beschwerdeführerin
habe zur Verteidigung ihrer Inlandpreise auf die Unterbindung von Parallelimporten in die Schweiz aktiv
hingewirkt.
7.2.4 Die Beschwerdeführerin macht weiter geltend,
keiner der befragten in- und ausländischen Händler habe ausgesagt, beim Parallelhandel behindert
worden zu sein. Auch habe die Vorinstanz bezeichnenderweise keinen einzigen Passivverkauf in die Schweiz
identifiziert, gegen den die Beschwerdeführerin vorgegangen wäre. Im Gegenteil habe die Beschwerdeführerin
aktiv verhindert, dass die europäische Konzernzentrale Parallelimporte aus den USA in die Schweiz
unterband (Beschwerde, Rz. 273 ff., 300 ff., 404, 422 ff., 432, 580, 597 ff.,
884). Die Vorinstanz stellt sich demgegenüber auf den Standpunkt, der Umstand, dass die befragten
Händler grossmehrheitlich angegeben hätten, keine Ware aus dem Ausland bezogen zu haben, zeige,
dass die vertraglichen Importverbote auf Gross- und Einzelhandelsstufe umgesetzt worden seien. Die Ausübung
von Druck sei entbehrlich gewesen, da sich die Händler offensichtlich vertragskonform verhalten
hätten (angefochtene Verfügung, Rz. 103 ff., 326).
Dazu ist erneut festzuhalten, dass die Vorinstanz das
vorliegende Verfahren nicht wegen Missbrauchs
von Marktmacht, sondern wegen Verdachts auf Wettbewerbsabreden
geführt hat. Die befragten Abredepartner
sahen sich also einem Risiko ausgesetzt, in die Untersuchung
miteinbezogen zu werden; die von der Vorinstanz
verschickten Fragebogen verwiesen denn auch (teilweise)
ausdrücklich auf das Aussageverweigerungsrecht
im Falle drohender Selbstbelastung (vgl. U-act. 122). Die Mehrzahl der Händler hatte überdies
im Hinblick auf die Einführung selektiver Vertriebsstrukturen durch die Beschwerdeführerin
ein Interesse an intakten Geschäftsbeziehungen. Ferner stellt eine Disziplinierung von Vertragspartnern
vorliegend nicht das entscheidende Beweisthema dar: Halten sich die Abredepartner an eine Vereinbarung,
woran beide Seiten naturgemäss ein gewisses Interesse haben, oder bleibt ein Verstoss dagegen unentdeckt,
bleibt auch eine entsprechende Reaktion aus. Gegenüber nicht vertragsgebundenen Händlern sowie
ausländischen Exporteuren verfügte die Beschwerdeführerin zudem nicht über direkte
Einflussmöglichkeiten.
Im Übrigen ist aus dem vorstehend zitierten E-Mail-Verkehr zwar ersichtlich, dass Parallelimporte
in gewissem Umfang stattfanden; die Aussagen der inländischen Vertragshändler lassen allerdings
darauf schliessen, dass dies jedenfalls auf Grosshandelsstufe nur in begrenztem Umfang der Fall war.
So gaben vier der sechs Grossisten an, im fraglichen Zeitraum keine Parallelimporte getätigt zu
haben (U-act. 205, 122, 150, 147). Einer der befragten Grosshändler gab an, nur in geringfügigem
Ausmass importiert zu haben, wobei es zu keinen Behinderungen gekommen sei (U-act. 195, Frage 7;
U-act. 300, Ziff. 1; Beschwerde, Rz. 302 ff.). Ein Grosshändler sagte aus, in
erheblichem Umfang Vertragsware aus dem Ausland bezogen zu haben (U-act. 236, Frage 4.b), wofür
er von der Beschwerdeführerin mehrfach gerügt und am 3. Oktober 2007 schriftlich abgemahnt
worden sei (U-act. 236, Frage 5). Die Beschwerdeführerin wendet ein, die schriftliche Mahnung
habe sich auf Exporte, nicht auf Importe bezogen (Beschwerde, Rz. 310 ff.), was aufgrund der Untersuchungsakten
zutreffend erscheint (vgl. U-act. 267). Dies bedeutet jedoch nicht, dass auch die mündlichen
Rügen sich lediglich auf Exporte bezogen; vielmehr muss im Antwortkontext angenommen werden, mit
dem gerügten "Parallelhandel" seien (auch) die
in der Befragung zuvor angesprochenen Einfuhren gemeint (U-act. 236, Frage 4.b). Ein ähnliches
Bild ergibt sich auch auf Einzelhandelsstufe. Auch hier haben lediglich zwei der befragten Händler
angegeben, Vertragsware ausserhalb des Vertragsgebiets bezogen zu haben; die entsprechenden Parallelimporte
erreichten dabei nur begrenzten Umfang (vgl. U-act. 163, 171; angefochtene Verfügung, Rz. 326).
Kaum Angaben macht die Vorinstanz zu den Aussagen von Nichtvertragshändlern und ausländischen
Exporteuren (angefochtene Verfügung, Rz. 327 ff.). Soweit ersichtlich gingen vier zumindest
teilweise einlässliche Stellungnahmen von ausländischen Händlern ein (U-act. 146,
156, 212, 237). Eine US-amerikanische Händlerin (Z._______) gab an, von der amerikanischen Nikon-Tochtergesellschaft
sowie der Konzernspitze in Japan mehrfach zum Verzicht auf Verkäufe ausserhalb des zugewiesenen
Vertragsgebiets angehalten worden zu sein (U-act. 156). Eine deutsche Vertragshändlerin (Y._______
GmbH, Deutschland) sagte aus, sie habe über ihre Schwestergesellschaft in Liechtenstein Parallelhandel
mit der Schweiz betrieben und sei in der Folge von der deutschen Nikon-Niederlassung wiederholt zum Verzicht
auf Exporte ausserhalb des Vertragsgebiets aufgefordert worden, wobei die Vertragskündigung drohte
(U-act. 237, Fragen 4, 5, 7; Beilagen 2 - 4). Vor diesem Hintergrund ist die Beweiswürdigung
der Vorinstanz, wonach die Befragung der Händler den Rechtsanschein der Verträge sowie die
von der internen E-Mail-Korrespondenz ausgehende Indizienlage bestärke, nicht zu beanstanden.
Daran ändert auch die Behauptung der Beschwerdeführerin nichts, sie habe sich aktiv dafür
eingesetzt, dass die europäische Konzernzentrale Exporte aus den USA in die Schweiz nicht behindert
habe (Beschwerde, Rz. 277). Durch den zitierten Schriftenwechsel zwischen der Beschwerdeführerin
und Nikon Europe B.V., Amsterdam, ist diese Aussage jedenfalls nicht belegt. Mit Schreiben vom 30. September
2009 (notabene nach der vorinstanzlich beurteilten Zeitspanne)
informierte die europäische Muttergesellschaft die Beschwerdeführerin, dass sie die amerikanische
Nikon-Niederlassung aufgefordert habe, deren amerikanische Vertragshändlerin Z._______ anzuhalten,
die Vertragsware nicht mehr in Europa im Internethandel anzubieten; dennoch seien die fraglichen Produkte
weiterhin auf der schweizerischen Internetplattform der amerikanischen Vertragshändlerin im Angebot
(U-act. 16, S. 77). Am 1. Oktober 2009 wies die Beschwerdeführerin darauf hin, dass das
schweizerische Kartellrecht keine Handhabe biete für ein Vorgehen gegen das amerikanische Unternehmen
(U-act. 16, S. 76; was auf Aktivverkäufe allerdings gerade nicht zutrifft: s.u., E. 7.3).
Vorliegend zu beachten ist, dass die Beschwerdeführerin selbst in keiner Rechtsbeziehung zur amerikanischen
Vertragshändlerin stand, ein Vorgehen daher nur über die amerikanische Nikon-Niederlassung
als Lieferantin der US-Händlerin Erfolg versprechen konnte. Dass die Beschwerdeführerin ihre
europäische Muttergesellschaft von einer entsprechenden Intervention abgehalten hätte, lässt
sich dem Schreiben hingegen nicht entnehmen.
7.2.5 Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass
sich aus der internen Korrespondenz der Beschwerdeführerin sowie den Antworten der befragten Händler
konkrete Indizien für eine gezielte Umsetzung sowohl der inländischen Importverbote als auch
der deutschen, amerikanischen, griechischen und polnischen Exportverbote ergeben; für eine Umsetzung
der britischen Klauseln spricht immerhin der Rechtsanschein der Verträge, für eine Umsetzung
der österreichischen, slowenischen und ungarischen Klauseln darüber hinaus das Verhalten der
für den Vertrieb in den genannten Ländern zuständigen deutschen Konzernniederlassung.
7.3Absoluter
Gebietsschutz
Bei Sachverhalten, die unter Art. 5 Abs. 4 KG fallen,
ist von Gesetzes wegen die Beseitigung wirksamen
Wettbewerbs zu vermuten. Nur soweit die Vermutung in
der Folge umgestossen werden kann, ist allenfalls
zu prüfen, ob eine erhebliche Wettbewerbsbeeinträchtigung vorliegt. Nach Art. 5 Abs. 4
KG wird die Beseitigung wirksamen Wettbewerbs unter anderem vermutet bei Abreden in Vertriebsverträgen
über die Zuweisung von Gebieten, soweit Verkäufe in diese durch gebietsfremde Vertriebspartner
ausgeschlossen werden.
Die Vorinstanz vertritt die Auffassung, vom Gesetz
erfasst sei sowohl die direkte als auch die indirekte
Zuweisung von Gebieten; im Übrigen verbiete die Vorschrift den Ausschluss sogenannter Passivverkäufe,
ein Ausschluss von Aktivverkäufen sei hingegen zulässig. Die beanstandeten inländischen
Vertriebsverträge der Beschwerdeführerin enthielten ein Importverbot, die ausländischen
Vertriebsverträge ein direktes bzw. indirektes Exportverbot, welches auch Passivverkäufe umfasse;
der Vermutungstatbestand sei damit erfüllt (angefochtene Verfügung, Rz. 189 ff.,
200 ff., 222 f., 226 ff., 237 ff.).
Die Beschwerdeführerin wendet ein, Art. 5 Abs. 4 KG setze nebst einem inländischen
Vertriebsvertrag eine exklusive Gebietszuweisung an einen Vertragshändler voraus, verbunden mit
der Verpflichtung des Lieferanten, Verkäufe in das zugewiesene Gebiet durch gebietsfremde Vertriebspartner
zu unterbinden. Blosse Bezugsbeschränkungen, wie sie in den schweizerischen Verträgen statuiert
seien, genügten den gesetzlichen Anforderungen nicht, zumal der Gesetzeswortlaut nach dem Grundsatz
nulla poena sine lege eng auszulegen sei. Unbeachtlich zu bleiben
hätten Vereinbarungen in ausländischen Verträgen, an denen die Beschwerdeführerin
nicht beteiligt gewesen sei (Beschwerde, Rz. 213 ff., 449 ff., 460, 524, 532 ff, 539 ff.,
556 ff.).
7.3.1 Der Vermutungstatbestand von Art. 5 Abs. 4 KG setzt
nach dem Gesetzeswortlaut dreierlei voraus: erstens einen Vertriebsvertrag, zweitens eine Gebietszuweisung,
drittens einen gebietsübergreifenden Verkaufsausschluss. Die Bestimmung wurde 2003 anlässlich
der parlamentarischen Beratung der Revisionsvorlage in das Gesetz aufgenommen. Hintergrund bildeten
verschiedene
politische Vorstösse im Rahmen der öffentlichen Debatte um die "Hochpreisinsel
Schweiz" (vgl. NR Raggenbass, Fasel, Strahm, in: AB NR 2002, S. 1436 f.; 1437 f.;
1438; Zäch, a.a.O., Rz 493, m.w.H.; Krauskopf/Schaller,
a.a.O., Art. 5 KG N. 36). In der Beratung der Gesetzesvorlage standen sich redaktionell das
Konzept des absoluten Gebietsschutzes, beruhend auf dem Wortlaut des heutigen Art. 5 Abs. 4 KG ("[...]
Zuweisung von Gebieten, soweit Verkäufe in diese durch gebietsfremde Vertriebspartner ausgeschlossen
werden"), sowie das Konzept der Marktabschottung ("[...]
Aufteilung von Märkten [...], welche eine Marktabschottung bezwecken oder bewirken")
gegenüber, wobei das Marktabschottungskonzept aufgrund der offeneren Formulierung in der Folge nicht
umgesetzt wurde (vgl. AB NR 2002, S. 1434 ff.; AB SR 2003, S. 317 ff.; Beschwerde, Rz. 473 ff.).
In der Lehre herrscht Einigkeit, dass gemäss geltender Textfassung lediglich ein Ausschluss von
Passivverkäufen unter den Vermutungstatbestand fällt, während eine Beschränkung von
Aktivverkäufen weiterhin zulässig ist (Zäch, a.a.O.,
Rz. 469 f.; Amstutz/ Reinert, Vertikale Preis-
und Gebietsabreden - eine kritische Analyse von Art. 5 Abs. 4 KG, in: Jusletter vom 27. September
2004, Rz. 70; Borer, a.a.O., Art. 5 KG N. 42 f.;
Krauskopf/Schaller, a.a.O., Art. 5 KG N. 555; David/Jacobs,
a.a.O., Rz. 668 f.). Als Passivverkauf gilt die Annahme eines unaufgeforderten Kaufangebots,
als Aktivverkauf der Vertrieb durch gezielte Vermarktungsmassnahmen, wozu die Gründung und der Unterhalt
von Niederlassungen und Auslieferungslagern, die direkte Kundenansprache durch persönliche Kommunikation
oder öffentliche Verkaufsförderungsmassnahmen sowie der Betrieb einer spezifisch auf das Vertragsgebiet
zugeschnittenen Internetseite gezählt werden (vgl. Krauskopf/ Schaller,
a.a.O., Art. 5 KG N. 564 ff.). Unbestritten ist ferner, dass unter das geltende Gesetz
lediglich die Zuweisung von Gebieten, nicht auch die Zuweisung von Geschäftspartnern fällt
(vgl. AB SR 2003, S. 330 [Büttiker]; Amstutz/Reinert, a.a.O.,
Rz. 65).
7.3.2 Weiter unterscheidet Art. 5 Abs. 4 KG nicht zwischen
direkter und indirekter Zuweisung von Gebieten. Vereinzelt wird in der Lehre daraus der Schluss gezogen,
lediglich direkte Formen der Gebietszuweisung seien vom Gesetz erfasst. Zur Begründung wird auf
Art. 5 Abs. 3 Bst. a KG verwiesen, wonach eine Beseitigung wirksamen Wettbewerbs insbesondere vermutet
wird bei Abreden über die direkte oder indirekte Festsetzung von Preisen; eine entsprechende Erwähnung
indirekter Gebietszuweisungen fehle in Art. 5 Abs. 3 Bst. c bzw. in Art. 5 Abs. 4 KG (Amstutz/Reinert,
a.a.O., Rz. 65). Der Vergleich lässt jedoch angesichts der besonderen praktischen Bedeutung
indirekter Preisangleichungsinstrumente (Rabatte, Skonti, Margen, Provisionen, Empfehlungen, Bandbreitenvorgaben,
vgl. BVGer B-8399/2010, 23. September 2014, Baubeschläge,
E. 5.4.22; Borer, a.a.O., Art. 5 KG N. 34)
nur begrenzt Rückschlüsse zu. Der Wortlaut von Art. 5 Abs. 4 KG nimmt in Bezug auf Gebietsklauseln
jedenfalls keine Einschränkung vor. Nach Auffassung der wohl herrschenden Lehre werden indirekte
Formen der Gebietszuweisung denn auch ohne Weiteres erfasst (Zäch,
a.a.O., Rz. 469; Krauskopf/Schaller, a.a.O.,
Art. 5 KG N. 533). Dazu zählen etwa die Verknüpfung produktbezogener Vertragsleistungen
(z.B. Garantieleistungen) mit dem Erwerbsort der Vertragsware oder die Vereinbarung von Bezugs- oder
Lieferpflichten (vgl. Krauskopf/ Schaller, a.a.O.,
Art. 5 KG N. 533, 537). Eine solche Bezugspflicht findet sich vorliegend in den inländischen
Vertriebsverträgen der Beschwerdeführerin: In Art. 3 Ziff. 1 des Vertriebsvertrags mit sechs
Schweizer Grosshändlern heisst es: "Das Vertragsgebiet ist
die Schweiz und das Fürstentum Liechtenstein" (U-act. 66, Beilage 14 ff.).
Passivverkäufe von der Schweiz ins Ausland sind nach § 4 Ziff. 1 des Vertrags
zwar nicht untersagt; hingegen sind Importe aus dem Ausland in die Schweiz gemäss § 6
Ziff. 1 unzulässig: "Der Distributor und dessen Tochter-
und Schwestergesellschaften dürfen die Vertragserzeugnisse nur von Nikon oder von einem anderen
von Nikon autorisierten Distributor im Vertragsgebiet beziehen." Analoge Vorschriften sind
in Ziff. 3 der Selektivvertriebsverträge der Beschwerdeführerin
für die Kameramodelle "D3S" sowie "D3X" mit diversen Einzelhändlern in
der Schweiz (U-act. 66, Beilagen 32, 33) sowie in § 2 Abs. 1 sowie § 4 Ziff. 1
der Vertriebsverträge "Nikon Professional Dealer" zwischen der Beschwerdeführerin
und diversen schweizerischen Einzelhändlern enthalten (U-act. 11, S. 68). Dabei handelt
es sich um indirekte Gebietszuweisungen im Sinne von Art. 5 Abs. 4 KG (die an den Verkaufsort der Ware
geknüpfte "Swiss Garantie" wurde vorinstanzlich als unbedenklich eingestuft: angefochtene
Verfügung, Rz. 292 ff., 308).
Das Bundesverwaltungsgericht hat in den Elmex-Urteilen die
Auffassung vertreten, dass auch eine indirekte Gebietszuweisung vom Vermutungstatbestand erfasst wird,
da es andernfalls ein Leichtes wäre, das Gesetz zu umgehen, und es überdies dem klaren Willen
des Gesetzgebers entspreche, absolute Gebietsschutzabreden unabhängig von der Form der Zuweisung
zu verhindern (B-506/2010, 19. Dezember 2013, E. 8.2.2). Daran ist im Grundsatz festzuhalten. Dem
zitierten Entscheid lag allerdings keine indirekte Gebietszuweisung im beschriebenen Sinne zugrunde,
sondern ein generelles Ausfuhrverbot, wie es sich auch in mehreren ausländischen Nikon-Vertriebsverträgen
findet. In den Selektivvertriebsverträgen der Nikon-Niederlassungen in Deutschland, Österreich,
Slowenien und Ungarn mit diversen Gross- und Einzelhändlern in den jeweiligen Ländern (U-act. 66,
Beilagen 34, 35, 38, 39, 45, 46) heisst es (Wortlaut gemäss deutscher Vertragsfassung): "Im
Übrigen verpflichtet sich der Grosshändler bzw. der Vertragshändler, die Nikon Produkte
ausserhalb des EWR nicht zu verkaufen." Die entsprechende Bestimmung in den "Retail
Dealer Sales Agreements" und "Internet Dealer Sales Agreements" zwischen Nikon Inc., USA,
und diversen amerikanischen Einzelhändlern (U-act. 353, 354) lautet: "In
no event shall customer [dealer] directly or indirectly, transmit,
send, or export any product outside the territory [USA]."
Dabei handelt es sich um direkte Formen der Gebietszuweisung. Von Art. 5 Abs. 4 KG werden diese Klauseln
ohne Weiteres erfasst. Einzig den britischen, polnischen und griechischen Verträgen lässt sich
weder ein direkter noch indirekter Ausschluss von Passivverkäufen entnehmen, doch hat die Vorinstanz
in diesen Fällen ausdrücklich nicht auf den Wortlaut, sondern auf die Umsetzung der Verträge
abgestellt (s.o., E. 7.1.2, 7.2.3 f.).
Der Einwand der Beschwerdeführerin, von Art. 5 Abs. 4 KG sei lediglich das Verbot von Einfuhren
in das Vertragsgebiet erfasst (Beschwerde, Rz. 549, 556), findet im Gesetzeswortlaut keine Stütze
("soweit Verkäufe [...] ausgeschlossen werden").
Da vertragliche Importverbote ebenso wie Exportverbote lediglich die jeweiligen Vertragshändler
im In- und Ausland binden, während vertragsungebundene Händler keiner Beschränkung unterliegen,
entfaltet erst eine Kombination von Einfuhr- und Ausfuhrklauseln umfassende Wirkung; bereits im Zusammenhang
mit der Abgrenzung von Immaterialgüter- und Kartellrecht (Art. 3 Abs. 2 KG) wurde festgehalten,
dass es nicht der Intention des Gesetzgebers entsprechen kann, nur inländische Bezugsbeschränkungen
dem Gesetz zu unterstellen (E. 4.3.3). Grundsätzlich nicht entscheidend ist dabei, ob der vertragliche
Ausschluss von Passivverkäufen mit einem Anspruch der Vertragshändler gegenüber dem Lieferanten
auf Durchsetzung des vertikalen Gebietsschutzes verknüpft wird; eine solche Einschränkung lässt
sich dem Gesetz (entgegen der Beschwerde, Rz. 530 f.) jedenfalls nicht entnehmen. In Fällen
wie dem vorliegenden, in welchem die Vorinstanz von einer asymmetrischen Interessenlage ausgeht,
dürfte eine Selbstverpflichtung des Vertragsstipulenten ohnehin die Ausnahme bilden. Das Argument
der Beschwerdeführerin, die strittigen Vertragsklauseln seien nicht spezifisch genug, um für
sich genommen, das heisst ohne Nachweis entsprechender Vollzugshandlungen, als Massnahmen zur Marktabschottung
ausgelegt zu werden (Beschwerde, Rz. 209, 635 ff.), verfängt im Übrigen schon insofern
nicht, als die Beschwerdeführerin nach dem Gesagten auf die Verhinderung von Parallelimporten aktiv
hingewirkt hat.
7.3.3 Die Beschwerdeführerin macht weiter geltend,
ein absoluter Gebietsschutz erfordere die ausschliessliche Zuweisung
eines Verkaufsgebiets an einen einzelnen Händler (Beschwerde, Rz. 456 ff., 466 ff.).
Tatsächlich wird das Konzept des absoluten Gebietsschutzes in der Literatur teilweise als reiner
Anwendungsfall des Alleinvertriebs diskutiert, wobei allerdings nicht-exklusive Vertriebsformen nicht
explizit vom Vermutungstatbestand ausgenommen werden (vgl. Zäch,
a.a.O., Rz 466 ff.; David/Jacobs, a.a.O., Rz. 667 ff.;
wohl ablehnend: Brei, a.a.O., S. 325). Analog ist auch in
der Vertikalbekanntmachung 2010 der Wettbewerbskommission (VertBek, BBl 2010 5078), ebenso wie schon
in der entsprechenden Bekanntmachung aus dem Jahr 2007, von ausschliesslicher Zuweisung an einen einzelnen
Händler die Rede (Ziff. 2 und 3). Andere Autoren rechnen zumindest selektive Vertriebsstrukturen
ausdrücklich dem Vermutungstatbestand zu (Borer, a.a.O.,
Art. 5 KG N. 43; Krauskopf/Schaller, a.a.O., Art. 5
KG N. 533). Darüber hinaus findet sich in der Lehre unter Verweis auf den Gesetzeswortlaut
auch die Auffassung, wonach die Zuweisung an mehrere Händler unabhängig von der Vertriebsform
unter den Vermutungstatbestand fällt (Amstutz/Reinert,
a.a.O., Rz. 67; Amstutz/Carron/ Reinert, a.a.O.,
Art. 5 KG N. 228). Die Praxis hat sich mit der Frage bisher nicht befasst. Tatsächlich ist
im Gesetz weder von exklusiver noch von selektiver Zuweisung die
Rede. Gefordert wird ein "Vertriebsvertrag", kein Alleinvertriebs- oder Selektivvertriebsvertrag.
Dies legt den Schluss nahe, Ausschliesslichkeit oder Geschlossenheit des Vertriebs seien nicht erforderlich.
Was die Beschwerdeführerin dagegen vorträgt, überzeugt nicht. Sie verweist unter anderem
auf die Beratung der Gesetzesvorlage im Parlament, insbesondere auf ein Votum von Ständerat Schiesser
anlässlich der ständerätlichen Debatte vom 20. März 2003 (AB SR 2003 S. 329 f.),
wonach ein absoluter Gebietsschutz bestehe, wenn ein Unternehmen sein Vertragsgebiet so aufteile, dass
in jedem Teilgebiet "nur ein Händler" über
die fragliche Ware verfüge (Beschwerde, Rz. 468 ff., 483, 486). Abgesehen davon, dass aus der
Meinungsäusserung eines Abgeordneten kaum ein "Wille des Gesetzgebers" konstruiert werden
kann - zumal die parlamentarische Beratung kontrovers und teilweise widersprüchlich verlief
(vgl. SR Büttiker, in: AB SR 2003 S. 331 f.; AB NR 2002, S. 1434) - wird in der
zitierten Aussage in eher allgemeiner und idealtypischer Weise die Konzeption der Gesetzesvorlage am
Bespiel des Alleinvertriebs erläutert, ohne Bezugnahme auf weitere in der Praxis geläufige
Vertriebsmodelle. Antworten auf rechtstechnische Detailfragen vermögen die vorhandenen Materialien
jedenfalls kaum zu liefern; hingegen ist daraus der Wille des Gesetzgebers ersichtlich, unabhängig
vom legislatorischen Konzept aktiv gegen Marktabschottungstendenzen vorzugehen, was wiederum im
Rahmen
der von der Beschwerdeführerin ins Feld geführten teleologischen Gesetzesauslegung (Beschwerde,
Rz. 487 ff.) zu beachten ist. Bezogen auf den inländischen Intrabrand-Wettbewerb ist das
Ausmass des Preisdrucks aus dem Ausland nämlich nicht allein von der Anzahl inländischer Vertragshändler
abhängig, sondern ebenso vom Umfang der Unterbindung ausländischer Exporte an nicht
vertragsgebundene inländische Händler sowie von der Vertragstreue der beteiligten Abredepartner.
Die Zahl der inländischen Vertriebshändler stellt in dieser Gleichung eine ambivalente Grösse
dar: Einerseits vermindert sich mit dem Einbezug zusätzlicher Händler die Zahl nicht vertragsgebundener
potenzieller Parallelimporteure, andererseits steigt mit der Zahl der Vertriebspartner im Inland der
Druck auf die gemeinsamen Regeln bzw. die Gefahr von "Abweichlern" unabhängig davon, ob
die Zuweisung im Rahmen eines offenen oder selektiven Vertriebs erfolgt. Vor diesem Hintergrund
ist die
vorinstanzliche Anwendung des Vermutungstatbestands auf die gleichzeitige Zuweisung eines
Gebiets an
mehrere Händler nicht zu beanstanden. Von extensiver Gesetzesauslegung kann dabei angesichts
des
Gesetzeswortlauts nicht gesprochen werden. Ein Rückgriff auf die Vertikalbekanntmachungen der
Vorinstanz
erübrigt sich, zumal diese, wie die Beschwerdeführerin zu Recht bemerkt (vgl. Beschwerde,
Rz.
503 ff., 550 ff.), lediglich die Rechtsauffassung der Vorinstanz zum Ausdruck bringen.
Auf
die Rüge, die Vorinstanz habe fälschlicherweise auf die Vertikalbekanntmachung aus dem
Jahr
2010 statt auf jene aus dem Jahr 2007 abgestellt und dadurch das Rückwirkungsverbot verletzt
(Beschwerde,
Rz. 96 ff.), muss vor diesem Hintergrund nicht näher eingegangen werden. Die Vermutungsbasis
von Art. 5 Abs. 4 KG ist vorliegend erfüllt.
7.4Vermutungswiderlegung
Die gesetzliche Vermutung der Beseitigung wirksamen
Wettbewerbs gemäss Art. 5 Abs. 4 KG ist
grundsätzlich widerlegbar (Botschaft KG 1995, S. 565; BGE 129 II 18, Buchpreisbindung,
E. 8.3.1; BVGer, 1. Juni 2010, RPW 2010/2, S. 368 ff., Strassenbelagskartell,
E. 7, m.w.H.; Zäch, a.a.O., Rz. 449).
Die Vorinstanz unterschied im Hinblick auf die Beurteilung
der Wettbewerbswirkungen der strittigen
Abrede einen sachlich relevanten Markt für Digitalkameras mit Wechselobjektiv sowie einen solchen
für digitale Kompaktkameras, ferner sachlich relevante Märkte für digitale Wechselobjektive
und für Blitzlichtgeräte; in räumlicher Hinsicht ging sie von einem homogenen schweizerischen
Markt aus (angefochtene Verfügung, Rz. 360 ff., 382 ff.). In der Folge gelangte sie
zum Schluss, für die fraglichen Produkte habe im massgebenden Zeitraum aufgrund schwankender Preise
und Wechselkurse ein Arbitragepotenzial bestanden, welches von einzelnen Händlern nur, aber immerhin
zum Teil genutzt worden sei; insofern habe auf den relevanten Märkten trotz Behinderung des Parallelhandels
durch die Beschwerdeführerin ein gewisser Intrabrand-Wettbewerb geherrscht (angefochtene Verfügung,
Rz. 386 ff., 458 ff.). Angesichts der dynamischen Marktanteilsentwicklung auf Herstellerebene,
der hohen Produktdifferenzierung sowie einer sinkenden Preisentwicklung sei zudem von aktuellem Interbrand-Wettbewerb
auszugehen; auch seien die Markteintrittsschranken für potenzielle Wettbewerber als überwindbar
zu beurteilen. Es sei daher nicht von einer Beseitigung wirksamen Wettbewerbs auszugehen (angefochtene
Verfügung, Rz. 461 ff., 478 ff., 480 ff.). Im Ergebnis wird dieser Befund von der
Beschwerdeführerin geteilt, sowohl in Bezug auf die Marktabgrenzung als auch bezüglich der
Gesamtbeurteilung der Marktkräfte (Beschwerde, Rz. 754).
Zu beachten ist, dass Art. 5 KG nicht von der Beseitigung
jeglichen Wettbewerbs, sondern von der
Beseitigung der Wirksamkeit des Wettbewerbs spricht, ferner dass
sich absolute Gebietsschutzklauseln
naturgemäss primär auf den Intrabrand-Wettbewerb auswirken; selbst bei einer Beseitigung wirksamen
Wettbewerbs im Rahmen des Vertriebs eines bestimmten Markenprodukts bleibt daher typischerweise auf Hersteller-Ebene
ein gewisser Interbrand-Wettbewerb erhalten. Vor diesem Hintergrund wird in der Lehre mitunter die Auffassung
vertreten, die gesetzliche Vermutung einer Beseitigung wirksamen Wettbewerbs im Rahmen einer absoluten
Gebietsschutzabrede könne nicht durch den Nachweis von Interbrand-Wettbewerb umgestossen werden
(Zäch, a.a.O., Rz. 491 ff.). Tatsächlich
kann ein wettbewerbsbeschränkendes Vertikalverhalten eines Herstellers gerade als Indiz aufgefasst
werden für eine fehlende disziplinierende Wirkung des Wettbewerbs auf Herstellerebene. Allerdings
wird auch die gegenteilige Position vertreten, wonach vertikale Gebietsschutzabreden nur dann als problematisch
zu beurteilen seien, wenn der Hersteller nachweislich über Marktmacht verfüge bzw. wenn es
an wirksamem Interbrand-Wettbewerb fehle (Amstutz/Reinert, a.a.O.,
Rz. 81 ff., 91, 93 ff.; Gion Giger, Vertikale
Abreden - Entwicklungen im schweizerischen und europäischen Kartellrecht, sic! 2010, S. 868 ff.).
Die Frage kann an dieser Stelle offen bleiben (s.u., E. 7.5.4), da die Vorinstanz jedenfalls zu
Recht von einer erheblichen Beeinträchtigung des Wettbewerbs auf den relevanten Märkten ausgegangen
ist, wie nachstehend zu zeigen sein wird.
7.5Erheblichkeit
Nach Art. 5 Abs. 1 KG sind Abreden, die nicht zur Beseitigung
wirksamen Wettbewerbs führen,
den Wettbewerb auf einem Markt für bestimmte Waren oder Dienstleistungen aber erheblich beeinträchtigen,
unzulässig, sofern sie sich nicht durch Gründe der wirtschaftlichen Effizienz rechtfertigen
lassen. Die Vorinstanz vertrat die Auffassung, bei absoluten Gebietsschutzabreden handle es sich um besonders
schädliche Praktiken, welche eine in qualitativer Hinsicht erhebliche Wettbewerbsbeeinträchtigung
darstellten. In quantitativer Hinsicht sei daher von geringeren Anforderungen auszugehen. Im Übrigen
sei aufgrund der starken Marktposition der Beschwerdeführerin sowie angesichts ungenutzter Arbitragepotenziale
im fraglichen Zeitraum auch in quantitativer Hinsicht eine erhebliche Wettbewerbsbeeinträchtigung
anzunehmen. Dafür spreche auch die rückläufige Entwicklung der Inlandpreise nach Aufhebung
der strittigen Abreden (angefochtene Verfügung, Rz. 387 ff., 489 ff., 494 ff.,
518 f.).
Die Beschwerdeführerin wendet ein, eine Abrede, für welche in quantitativer Hinsicht lediglich
geringfügige Auswirkungen nachgewiesen seien, könne nicht als erheblich im Sinne des Gesetzes
gelten. Entscheidend sei im Übrigen, dass die Vorinstanz festgestellt habe, dass zwischen
dem In-
und dem Ausland für die betroffenen Produkte keine systematischen Preisunterschiede bestanden
hätten; aus punktuellen Arbitragepotenzialen lasse sich nichts herleiten. Die von der Vorinstanz
angeführten Preissenkungen ab Herbst 2009 entsprächen den Preissenkungen der Konkurrenz; für
eine erhebliche tatsächliche Beeinträchtigung des schweizerischen Markts fehle hingegen jegliche
Evidenz (Beschwerde, Rz. 774 ff., 783 ff., 811 ff., 864 ff.).
7.5.1 Der in Art. 5 Abs. 1 KG verwendete Begriff "erheblich"
(französisch: "notable"; italienisch: "notevolmente")
wird im Gesetz nicht näher umschrieben. Umgangssprachlich ist damit etwas an Bedeutung, Umfang oder
Menge Beträchtliches bzw. Nichtgeringes gemeint (vgl. Brockhaus [Hrsg.], Wahrig
Deutsches Wörterbuch, 9. Aufl. 2011, S. 466). Der in der Botschaft zum Entwurf des Kartellgesetzes
enthaltene Verweis auf die Praxis zum Vorgängererlass (Botschaft KG 1995, S. 554) ist aufgrund konzeptioneller
Differenzen kaum weiterführend (vgl. Borer, a.a.O.,
Art. 5 KG N. 18). Sprachlich klingt im französischen "notable"
bzw. im italienischen "notevolmente" das europäische
Merkmal der Spürbarkeit an, welches als blosses Aufgreifkriterium konzipiert ist (vgl. De
minimis-Bekanntmachung der EU-Kommission, ABl. 2014 C 291/01; französischer Wortlaut:
"sensible"; Mestmäcker/Schweitzer,
a.a.O., § 11 Rz. 69 ff., m.w.H.; s. sogleich);
das deutsche "erheblich" wiederum ist sprachlich verwandt
mit dem Wesentlichkeitsmerkmal der amerikanischen Jurisdiktionsklausel, welche ebenfalls als Bagatellklausel
konzipiert ist ("direct, substantial and reasonably foreseeable",
s.o. E. 4.3.2). Die Botschaft zum Kartellgesetz nimmt einerseits Bezug auf das europäische
Spürbarkeitskriterium, verweist andererseits auf das Erfordernis einer Einzelfallprüfung im
Hinblick auf volkswirtschaftlich oder sozial schädliche Auswirkungen im Sinne von Art. 1 KG
bzw. Art. 96 BV. So heisst es einerseits (S. 554): "Von den
materiellen Bestimmungen des Gesetzesentwurfs soll nicht jede geringfügige Beeinträchtigung
des Wettbewerbs erfasst werden. Mit Bagatellen sollen sich die Wettbewerbsbehörden nicht beschäftigen
müssen. [...] Im übrigen kennen auch die meisten ausländischen Kartellgesetze Erheblichkeits-
oder Spürbarkeitskriterien." Andererseits wird ausgeführt (S. 555):
"Unter dem nach schweizerischem Verfassungsverständnis zum Zuge kommenden Missbrauchsprinzip
kann eine Wettbewerbsbeschränkung nicht an sich unzulässig sein. Massgebend ist, ob die Auswirkungen
einer Wettbewerbsbeschränkung volkswirtschaftlich oder sozial schädlich sind. Nur wenn die
Schädlichkeit im Einzelfall festgestellt wurde, ist die Wettbewerbsbeschränkung unzulässig."
Entsprechend variiert das Auslegungsspektrum in Lehre
und Rechtsprechung. Im Allgemeinen wird zwischen
qualitativen und quantitativen Kriterien unterschieden:
Qualitative Kriterien nehmen auf den Inhalt der
Abrede Bezug, quantitative auf die Marktabdeckung (Reichweite)
bzw. die tatsächlichen Auswirkungen
(vgl. z.B. Borer, a.a.O., Art. 5 KG N. 20 ff.,
23; Krauskopf/Schaller, a.a.O., Art. 5 KG N. 151 ff.;
BGE 129 II 18, Buchpreisbindung, E. 5.2.1). Grundsätzlich
ist das quantitative Schädlichkeitspotenzial einer Abrede anhand der kumulierten Marktanteile der
daran beteiligten Unternehmen zu beurteilen (BGE 129 II 18, Buchpreisbindung,
E. 5.2.1), teilweise wird auch die Berücksichtigung des potenziellen Wettbewerbs sowie
der Marktstellung gefordert (Borer, a.a.O., Art. 5 KG N. 23 f.;
Krauskopf/Schaller, a.a.O., Art. 5 KG N. 230 ff.).
Allerdings wird in Doktrin und Praxis nicht immer unterschieden zwischen quantitativem Schädlichkeitspotenzial
(Marktanteile) und tatsächlichen Auswirkungen einer Abrede (vgl. angefochtene Verfügung, Rz. 494 ff.;
Vertikalbekanntmachung 2010, Ziff. 12 und 13; Neff, a.a.O.,
Art. 6 N. 7). Dies ist in der Sache unpräzis (vgl. Heinemann,
Die Erheblichkeit bezweckter und bewirkter Wettbewerbsbeschränkungen, a.a.O., Rz. 8,
57, 58 ff., 60 ff.) und führt zu prozessualen Unschärfen: Die Feststellung von Inhalt,
Reichweite und Auswirkungen einer Abrede ist Tatfrage, die Qualifikation der potenziellen oder tatsächlichen
Wirkungen Rechtsfrage. Welche Bedeutung qualitativen und quantitativen Kriterien im Einzelfall beigemessen
und wie hoch die "Erheblichkeitsschwelle" dabei angesetzt werden soll, ist umstritten.
7.5.2 In der frühen Praxis der Vorinstanz nehmen
quantitative Kriterien breiten Raum ein, während qualitative Kriterien sowie gesetzliche Rechtfertigungsgründe
kaum eine Rolle spielen (vgl. z.B. RPW 1997/4, S. 490 ff., Rz. 55 ff., Recymet
SA). Diese Rechtsprechung stützte sich auf die in der Lehre unter Berufung auf Art. 96
BV bzw. Art. 1 KG teilweise vertretene Auffassung, die Erheblichkeit einer Wettbewerbsbeschränkung
sei nur zu bejahen, wenn die Abrede in concreto das Potenzial
habe, volkswirtschaftlich oder sozial schädliche Folgen zu verursachen. Dies wiederum setze voraus,
dass die an der Abrede beteiligten Unternehmen gemeinsam über Marktmacht verfügten, was anhand
quantitativer Kriterien zu bestimmen sei (vgl. Adrian Raass,
Eine Frage der Erheblichkeit, sic! 2004, S. 912, 923). Diese Auffassung ist in der Lehre auf Kritik
gestossen. Geltend gemacht wird, Art. 96 BV und Art. 1 KG stellten offene Zielvorgaben dar,
aus
denen sich keine konkreten Aufgreif- oder Eingreifschwellen herleiten liessen (Zäch,
a.a.O., Rz. 397; Heinemann, Die Erheblichkeit
bezweckter und bewirkter Wettbewerbsbeschränkungen, a.a.O., Rz. 41 f.). Die typologische
Unterscheidung zwischen schweizerischer "Missbrauchs-" und europäischer "Verbotsgesetzgebung"
sei seit der Einführung direkter Sanktionen in der Schweiz sowie dem Wechsel von einem generellen
Kartellverbot zu einem solchen mit Legalausnahmen in der Europäischen Union überholt (Baldi,
Für eine "informierte" Wettbewerbspolitik, a.a.O., S. 1184 f.; Borer,
a.a.O., Art. 1 KG N. 6 ff.). Die Verhaltensprüfung habe sich stärker am Inhalt
der Abrede und weniger an der Marktstellung der Abredepartner zu orientieren (Zäch,
a.a.O., Rz. 397; Baldi, Für eine "informierte"
Wettbewerbspolitik, a.a.O., S. 1186; Baldi/Schraner,
Gaba-Urteil des Bundesverwaltungsgerichts als wettbewerbspolitischer Markstein, a.a.O., S. 509).
Ausschweifende ökonomische Marktanalysen seien der Effizienz der Rechtsanwendung sowie der Rechtssicherheit
abträglich, zudem stünde eine zu enge Auslegung der Aufgreifkriterien einer kasuistischen Herausbildung
von Rechtfertigungsgründen nach Art. 5 Abs. 2 KG im Weg; in Anlehnung an die europäische
Kartellrechtspraxis ("Spürbarkeit") sei das Erheblichkeitsmerkmal im Sinne einer Bagatellklausel
zu interpretieren und die Triage zwischen zulässigen und unzulässigen Abreden anhand ökonomischer
Effizienzkriterien vorzunehmen (Baldi/Schraner, Gaba-Urteil
des Bundesverwaltungsgerichts als wettbewerbspolitischer Markstein, a.a.O., S. 509 ff.; Heinemann,
Die Erheblichkeit bezweckter und bewirkter Wettbewerbsbeschränkungen, a.a.O., Rz. 29 f.).
Eine Beschränkung der Rechtsanwendung auf volkswirtschaftlich oder sozial schädliche Abreden
vernachlässige, dass das Kartellgesetz nicht nur den Schutz wirksamen Wettbewerbs, sondern auch
den individuellen Schutz der Wirtschaftsfreiheit bezwecke (Zäch,
a.a.O., Rz. 397; vgl. auch BGE 129 II 18, Buchpreisbindung,
E. 5.2.1).
In Reaktion auf die Kritik kam es in der Praxis der
Vorinstanz zur stärkeren Berücksichtigung
qualitativer Kriterien, indem im Rahmen der Erheblichkeitsprüfung vermehrt auf quantitative und
qualitative Kriterien zurückgegriffen wurde (vgl. z.B. RPW 2000/3, S. 320 ff., Rz. 111 ff.
Sanphar). Zudem wurde vereinzelt bei Abreden, deren Inhalt als
besonders schwerwiegend beurteilt wurde, ausschliesslich auf qualitative Kriterien abgestellt (vgl. z.B.
RPW 2002/3, S. 455 ff., Rz. 24 ff., Citroën; vgl.
Krauskopf/ Schaller,
a.a.O., Art. 5 KG N. 168 ff.). In den Vertikalbekanntmachungen (VertBek) 2002 und 2007 vertrat
die Vorinstanz die Auffassung, bei Abreden, welche unter den Vermutungstatbestand von Art. 5 Abs. 3 und
4 KG fallen, ergebe sich die Erheblichkeit unbesehen quantitativer Kriterien bereits aus dem Inhalt der
Abrede (vgl. Zäch, a.a.O., Rz. 388 ff.).
Die Vertikalbekanntmachung 2010 (BBl 2010 5078) sieht demgegenüber eine Erheblichkeitsprüfung
gestützt auf quantitative wie auch qualitative Kriterien vor, nennt zugleich aber eine Reihe vertikaler
Abreden, welche aufgrund ihres qualifizierten Inhalts unbesehen von Marktanteilsschwellen als potenziell
erheblich zu beurteilen seien (vgl. Ziff. 12 i.V.m. Ziff. 13). In der Lehre ist das verstärkte Abstellen
der Vorinstanz auf qualitative Kriterien von den vorgenannten Autoren begrüsst, teilweise
aber auch
kritisiert worden. Eingewendet wird, der sich aus dem schweizerischen Missbrauchsprinzip ergebende
auswirkungsbasierte
Ansatz, der im Wortlaut von Art. 5 Abs. 1 KG seinen Niederschlag gefunden habe ("beeinträchtigen")
und sich aus Art. 96 BV sowie Art. 1 KG ergebe, wonach das Kartellgesetz die Verhinderung volkswirtschaftlich
oder sozial schädlicher Auswirkungen von Wettbewerbsbeschränkungen bezwecke, erfordere eine
Orientierung an quantitativen Kriterien (Peter Reinert, in:
Handkommentar zum KG, Art. 5 KG N. 6; Neff, a.a.O.,
Art. 6 N. 5 ff.; Einleitung VertBek N. 3; Ziff. 12 VertBek N. 1 ff.; Amstutz/Carron/Reinert,
in: Commentaire Romand LCart, 2. Aufl. 2012, Art. 5 KG N. 118 ff.; Reto
Jacobs, Entwicklungen im Kartellrecht, SJZ 2015, S. 232;
ders., Entwicklungen im Kartellrecht, SJZ 2014, S. 231;
David/Jacobs, a.a.O., Rz. 612; s.o., E. 7.2.1). Als unbestritten
gelten kann, dass eine Abrede, welche einen bedeutsamen Wettbewerbsparameter betrifft, erheblich sein
kann, auch wenn der Marktanteil der beteiligten Unternehmen verhältnismässig gering ist, während
umgekehrt eine Abrede, welche einen unwesentlichen Wettbewerbsparameter betrifft, auch dann als unerheblich
zu beurteilen ist, wenn praktisch alle Marktteilnehmer daran beteiligt sind (Borer,
a.a.O., Art. 5 KG N. 19; David/Jacobs, a.a.O.,
Rz. 616; Walter Stoffel, in: Schweizerisches Immaterialgüter-
und Wettbewerbsrecht, Bd. V/2, S. 95 ff.).
7.5.3 In der Europäischen Union besteht gemäss
Art. 101 Abs. 1 und 3 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV,
ABl. 2012 C 326/49) sowie gestützt auf Verordnung (EG) Nr. 1/2003 des Rates vom 16. Dezember
2002 (Verordnung Nr. 1/2003, ABl. 2003 L 1/1) ein Verbot mit Legalausnahme für wettbewerbsbeschränkende
Abreden (vgl. Mestmäcker/Schweitzer, a.a.O., § 1
Rz. 33 ff., § 2 Rz. 1 ff., § 14 Rz. 1 ff.). Voraussetzung des Verbots ist nach der
Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs die Spürbarkeit der Wettbewerbsbeschränkung
sowie der zwischenstaatlichen Handelsbeeinträchtigung (EuGH, Rs. 56-65, 30. Juni 1966,
Maschinenbau Ulm, Slg. 1966, S. 303 f.; Rs. C-306/96, 28. April
1998, Javico, Slg. 1998 I 1983, Rn. 24 ff.). Gestützt darauf
hat die Europäische Kommission in ihrer De-minimis-Bekanntmachung
Spürbarkeitsvoraussetzungen in Form von Marktanteilsschwellen festgelegt (ABl. 2014
291/01). Ferner erliess der Europäische Rat verschiedene Gruppenfreistellungsverordnungen für
wettbewerbsrechtlich als unbedenklich zu beurteilende Gruppen von Vereinbarungen gestützt auf inhaltliche
Merkmale sowie Marktanteile (Mestmäcker/Schweitzer, a.a.O.,
§ 14 Rz. 20 ff.). Weder die De-minimis-Bekanntmachung
der Kommission noch die Gruppenfreistellungsverordnungen gelangen zur Anwendung beim Vorliegen bestimmter
qualitativer Kriterien ("Kernbeschränkungen"), wozu unter anderem Fälle vertikaler
Marktaufteilung gehören; ebenfalls keine Spürbarkeitsvoraussetzungen gelten für bezweckte
Wettbewerbsbeschränkungen im Unterschied zu bloss bewirkten Beschränkungen, unter Vorbehalt
des integrationsspezifischen Binnenmarktkriteriums zwischenstaatlicher Handelsbeeinträchtigung (EuGH,
Rs. C-226/11, 13. Dezember 2012, Expedia, Rz. 35 ff.;
EU-Kommission, De minimis-Bekanntmachung, 30. August
2014,
ABl. 2014 C 291/01; Mestmäcker/Schweitzer, a.a.O.,
§ 11 Rz. 69 ff., 74 ff.).
In der Schweiz sieht Art. 6 KG vor, dass der Bundesrat
in Verordnungen bzw. die Wettbewerbskommission
in allgemeinen Bekanntmachungen Abreden umschreiben kann,
welche in der Regel aus Gründen der wirtschaftlichen
Effizienz als gerechtfertigt gelten. Gestützt darauf hat die Wettbewerbskommission eine Reihe von
- rechtlich die Gerichte freilich nicht bindende (Borer,
a.a.O., Art. 6 KG N. 3; Neff, a.a.O., Art. 6 KG N. 27
ff., m.w.H.) - Bekanntmachungen veröffentlicht, darunter die Bekanntmachung betreffend Abreden
mit beschränkter Marktwirkung (KMU-Bekanntmachung, BBl 2006 883) sowie die vorstehend genannten
Vertikalbekanntmachungen (s.o., E. 7.5.2). Dabei hat die Wettbewerbskommission über die in
Art. 6 KG genannten Effizienzkriterien hinaus Marktanteilsschwellen definiert, bei deren Unterschreitung
grundsätzlich von der Unbedenklichkeit der in Frage stehenden Vereinbarung auszugehen sei, ausgenommen
Vereinbarungen im Sinne von Art. 5 Abs. 3 und 4 KG (Ziff. 13 VertBek 2007; Ziff. 13 VertBek 2010;
Ziff. 3 Abs. 2 KMU-Bekanntmachung). Abweichend davon werden in der Lehre vereinzelt auch für qualitativ
schwerwiegende Abreden Unbedenklichkeitsschwellen postuliert, wobei teilweise offen bleibt, worauf sich
die Bezifferung im Einzelnen stützen soll (Hoffet, a.a.O.,
Art. 5 N. 67, m.w.H.; Carron/Krauskopf,
Art. 5 KG und
die erhebliche Wettbewerbsbeeinträchtigung: Eine Frage der Auslegung, in: Jusletter
vom 30. Mai
2016, Rz. 15; Straub, a.a.O., S. 576 ff.; vgl.
auch: Botschaft
KG 1995, S. 562 ff.).
7.5.4 Das Bundesgericht hatte im Fall Buchpreisbindung
die Formel geprägt, wonach die Erheblichkeit einer Wettbewerbsabrede zu bejahen sei, "wenn
die Abrede einen auf dem entsprechenden Markt relevanten Wettbewerbsparameter betrifft, wobei die Beteiligten
einen erheblichen Marktanteil halten" (BGE 129 II 18, E. 5.2.1 f.). Massgebend
sind gemäss diesem Entscheid im Rahmen von Art. 5 Abs. 1 KG grundsätzlich quantitative
und qualitative Kriterien. Dabei ist zu beachten, dass horizontale
Abreden bei gleichzeitiger Verschlechterung des eigenen Angebots die Ausweichmöglichkeiten der Marktgegenseite
durch Kumulation von Marktanteilen beschränken. Demgegenüber führen Vertikalabreden nicht
zur Kumulation von Marktanteilen zwischen den unmittelbaren Abredepartnern. Dies hat zur Folge, dass
bei Vertikalabreden qualitative Kriterien in den Vordergrund rücken (im Ergebnis ebenso: Baldi/Schraner,
Gaba-Urteil des Bundesverwaltungsgerichts als wettbewerbspolitischer Markstein, a.a.O., S. 510);
im Übrigen spielt in quantitativer Hinsicht für die Reichweite der Vertikalabrede primär
der Marktanteil der involvierten Händler eine Rolle. Die Marktstellung des Herstellers bzw. Lieferanten
ist dagegen von untergeordneter Bedeutung, da vom Interbrand-Wettbewerb allenfalls mittelbar eine disziplinierende
Wirkung ausgeht.
Letzteres ist allerdings umstritten. Insbesondere die
Wettbewerbstheoretiker der interventionskritischen
Chicago-Schule betonen im Hinblick auf die Selbstregulierungskräfte des Marktes die Bedeutung des
Interbrand-Wettbewerbs. So wird geltend gemacht, im Hinblick auf die vom Interbrand-Wettbewerb ausgehende
disziplinierende Wirkung sei es legitim, "Trittbrettfahrer" auf Händlerstufe (Discounter)
durch vertikale Gebietsschutzklauseln von Service-Leistungen des Fachhandels auszuschliessen oder auf
diese Weise Investitionen in das mit einem Absatzkanal verbundene Produkte-Image zu schützen (vgl.
Amstutz/Reinert, a.a.O., Rz. 82 ff.; Adrian
Künzler, Effizienz oder Wettbewerbsfreiheit?, 2008, S. 366 ff.; Mariel
Hoch Classen, Vertikale Wettbewerbsabreden im Kartellrecht,
2003, S. 52 ff.; vgl. auch angefochtene Verfügung, Rz. 521). Entsprechend wird in
der Kartellrechtslehre teilweise gefordert, vertikale Gebietsschutzabreden seien nur dann als problematisch
einzustufen, wenn der Hersteller über Marktmacht verfüge (Amstutz/Reinert,
a.a.O., Rz. 105 ff., 111 ff.; Giger, a.a.O.,
S. 867 ff.: Adrian Raass, Und Interbrand-Wettbewerb
reicht doch!, sic! 2005, S. 775 ff.). Dabei wird übersehen, dass schon der Umstand, dass
ein Hersteller im Rahmen vertikaler Abreden sein Angebot gegenüber der Marktgegenseite verschlechtert,
ein Indiz für eine mangelnde disziplinierende Wirkung des Interbrand-Wettbewerbs darstellt (während
umgekehrt eine horizontale Abrede gerade auf einen beschränkten Markteinfluss der einzelnen Abredepartner
hinweist; vgl. auch Zäch, a.a.O., Rz. 491 ff.).
Im Übrigen werden die Thesen der Chicago-Schule auch von wirtschaftsempirischen Studien in Frage
gestellt (vgl. Künzler, a.a.O., S. 370 ff.;
Hoch Classen, a.a.O., S. 52 ff.). Eine der Dynamik
der Marktkräfte überlassene Korrektur setzt zudem insbesondere in kleinen Binnenmärkten
lange Zeithorizonte mit entsprechenden volkswirtschaftlichen Adaptionskosten voraus (vgl. Zäch,
a.a.O., Rz. 109). Bei absoluten Gebietsschutzklauseln stellt sich ferner die Frage der Verhältnismässigkeit.
Auch werden allfällige prokompetitive Wirkungen auf Interbrand-Ebene durch den Umstand relativiert,
dass "Trittbrettfahrer"-Effekte typischerweise bei etablierten bzw. im Markt stark verankerten
Marken anzutreffen sind. Schliesslich blendet der Ansatz aus, dass das schweizerische Kartellgesetz nicht
nur den Institutionenschutz (Schutz des Wettbewerbs als wirtschaftliches Ordnungsprinzip), sondern
auch
den Individualschutz (Schutz der Wirtschaftsfreiheit der individuellen Marktteilnehmer) bezweckt
(BGE
129 II 18, Buchpreisbindung, E. 5.2.1). Offen bleiben kann
daher
vorliegend, inwieweit der Katalog der Rechtfertigungsgründe gemäss Art. 5 Abs. 2
KG überhaupt Raum lässt für solche (in casu freilich nicht behauptete) "Effizienzkriterien"
(s.u., E. 7.7).
7.5.5 Das Bundesverwaltungsgericht gelangte mit Urteilen
vom 19. Dezember 2013 in Sachen Elmex zum Schluss,
dass die
Erheblichkeit einer Wettbewerbsbeeinträchtigung zwar grundsätzlich im Sinne der zitierten
bundesgerichtlichen
Rechtsprechung anhand quantitativer und qualitativer Kriterien zu beurteilen sei,
dass indes bei Abreden,
bei welchen von Gesetzes wegen die Beseitigung wirksamen Wettbewerbs vermutet
werde, die Vermutung in
der Folge jedoch umgestossen werden könne, sich die Erheblichkeit bereits
aus dem Inhalt der Abrede
ergebe, unbesehen quantitativer Kriterien, was der Rechtslage in der EU und
dem Willen des Gesetzgebers
entspreche, gegen potenziell besonders schädliche Vereinbarungen vorzugehen;
die Möglichkeit einer Rechtfertigung aus Gründen der wirtschaftlichen Effizienz bleibe unbenommen
(B-506/2010, E. 11.1.8, 11.3.4). Mit Urteilen vom 23. September 2014 in Sachen Baubeschläge
erwog das Bundesverwaltungsgericht, dass das geltende Recht keine "per
se-Erheblichkeit" vorsehe, weshalb die Auswirkungen einer Abrede im Einzelfall nachzuweisen
seien (B-8399/2010, E. 6.1.3, nicht rechtskräftig). In der Lehre sind die beiden Urteilsreihen
als widersprüchlich aufgefasst worden. Autoren, welche eine stärkere Ausrichtung der Praxis
am Inhalt der Abrede sowie eine Fokussierung auf Effizienzkriterien fordern, begrüssten die Rechtsprechung
im Elmex-Verfahren, während sie die Urteile in Sachen Baubeschläge
ablehnten (Baldi/Schraner, Gaba-Urteil des Bundesverwaltungsgerichts
als wettbewerbspolitischer Markstein, a.a.O., S. 508; Baldi/Schraner,
Die kartellrechtlichen Urteile des Bundesverwaltungsgerichts
im Fall "Baubeschläge", a.a.O., S. 273 f.; Carl
Baudenbacher, a.a.O., Rz. 5 ff.); umgekehrt stiess die Elmex-Rechtsprechung
auf Kritik bzw. die Baubeschläge-Praxis auf Zustimmung bei
Autoren, welche unter Berufung auf Art. 96 BV geltend machen, Art. 5 Abs. 1 KG setze in jedem Fall
den Nachweis quantitativ erheblicher Auswirkungen der Abrede voraus (Jacobs,
a.a.O., SJZ 2014, S. 231; ders., a.a.O.,
SJZ 2015, S. 232).
Allerdings ist zu beachten, dass den beiden Urteilsreihen
unterschiedliche Sachverhalte zugrunde
liegen. Während in den Elmex-Fällen primär das
Schädlichkeitspotenzial vertikaler Gebietsschutzabreden, die im Wortlaut schriftlich vorlagen, zu
beurteilen war, ging es beim horizontalen Preiskartell in Sachen Baubeschläge
insbesondere um die Frage, ob die festgestellten Marktwirkungen dem Verhalten der Abredepartner oder
aber dem Einfluss eines nicht in die Untersuchung einbezogenen ausländischen Preiskartells zuzuschreiben
waren (B-8399/2010, E. 5.3.1.1.38, 5.3.2.8, 5.4.26). Festzuhalten
ist ferner, dass gemäss Elmex-Urteilen
bei Sachverhalten, welche unter die Vermutungstatbestände fallen, nicht per
se, sondern "grundsätzlich" von der Erheblichkeit
der Wettbewerbsbeeinträchtigung auszugehen sei, das heisst unter Berücksichtigung der besonderen
Umstände des Einzelfalls (B-506/2010, E. 11.1.8). Nach Auffassung eines Teils der Lehre entschärfen
sich die Spannungen zwischen den Urteilsreihen vor diesem Hintergrund (Heinemann,
Die Erheblichkeit bezweckter und bewirkter Wettbewerbsbeschränkungen, a.a.O., Rz. 21 ff.;
Breitenmoser, a.a.O., Rz. 2 ff.). Unbesehen des
Disputs bekräftigte das Bundesverwaltungsgericht mit Urteil vom 13. November 2015 im Fall BMW,
in welchem eine vertikale Marktaufteilung zu beurteilen war, ausdrücklich
seine Rechtsprechung in Sachen Elmex, unter Hinweis darauf, dass
dadurch angesichts der Rechtfertigungsmöglichkeit im Rahmen von Art. 5 Abs. 2 KG kein per
se-Verbot statuiert werde (B-3332/2012, E. 9.1.4, nicht rechtskräftig; zustimmend: Laura
M. Baudenbacher, Schutz von Schweizer Konsumenten vor absoluten Gebietsabreden, in: Jusletter
vom 2. Mai 2016, Rz. 40 ff.; ablehnend: Reto Jacobs,
Entwicklungen im Kartellrecht, SJZ 2016, S. 233 f.; Brei,
a.a.O., S. 326 ff.). Mit Urteil vom 17. Dezember 2015 in Sachen Altimum,
dem eine Preisbindung zweiter Hand zugrunde lag, hielt das Gericht unter Bezugnahme auf die Urteile in
Sachen Baubeschläge sowie Elmex
fest, dass bei Sachverhalten, die unter die Vermutungstatbestände
fallen, eine Erheblichkeit zwar aufgrund der Vermutung anzunehmen sei, zugleich aber die Möglichkeit
einer Widerlegung dieser Annahme im Einzelfall ebenso gegeben sein müsse wie die im Gesetz vorgesehene
Vermutungswiderlegung (B-5685/2012, E. 6.3.4, nicht rechtskräftig; zustimmend: Jacobs,
a.a.O., SJZ 2016, S. 234; ablehnend: Marino Baldi, "Zweimal
hü und zweimal hott" beim Schweizer Kartellgericht, AJP 2016, S. 1 ff.).
Der Kontroverse liegen nebst unterschiedlichen Sachverhaltskonstellationen
auch unterschiedliche
Terminologien zugrunde. Das Schädlichkeitspotenzial einer Abrede ist abhängig vom Inhalt der
Vereinbarung (qualitatives Element) und vom gemeinsamen Marktanteil der beteiligten Unternehmen (quantitatives
Element). Davon zu unterscheiden sind die tatsächlichen Auswirkungen einer Abrede. Diese hängen
insbesondere ab vom Grad der Umsetzung, wobei eine inhaltlich schwerwiegende Vereinbarung im Allgemeinen
auch bei relativ geringer Marktabdeckung bzw. bei begrenzter Umsetzung nicht unerhebliche Auswirkungen
zeitigt. Ausschliesslich in diesem engen, auf Inhalt und Reichweite der Abrede bezogenen Sinn wird der
Begriff der quantitativen Erheblichkeit in den Elmex-Urteilen
verwendet (vgl. B-506/2010, 19. Dezember 2013, E. 11.3.4), während im Fall BMW
vom qualifizierten Inhalt der Abrede auch auf das Vorliegen entsprechender tatsächlicher
Auswirkungen geschlossen wird (B-3332/2012, 13. November 2015, E. 9.1.4 f.). Zwischen Schädlichkeitspotenzial
und tatsächlichen Auswirkungen besteht insofern eine Wechselwirkung, als bei festgestelltem
qualifiziertem
Inhalt der Abrede und gegebener Reichweite im Falle nachgewiesener Umsetzung regelmässig
mit erheblichen
tatsächlichen Auswirkungen zu rechnen sein wird; das Schädlichkeitspotenzial
und die erfolgte
Umsetzung einer Abrede stellen insofern zumindest Indizien dar für die Erheblichkeit
der tatsächlich bewirkten Wettbewerbsbeeinträchtigung (B-5685/2013, 17. Dezember 2015,
Altimum, E. 6.3.5).
7.5.6 Mit Urteil vom 28. Juni 2016 hat das Bundesgericht
in öffentlicher Beratung die Beschwerde gegen die Urteile des Bundesverwaltungsgerichts in Sachen
Elmex abgewiesen (2C_189/2014; noch nicht publiziert). Anlässlich
der mündlichen Beratung hat das Gericht mit Mehrheitsbeschluss erwogen, Abreden im Sinne von Art. 5
Abs. 3 bzw. Abs. 4 KG seien unbesehen quantitativer Kriterien grundsätzlich erheblich, vorbehältlich
blosser Bagatellfälle. Quantitative Kriterien seien allenfalls im Rahmen der Prüfung, ob wirksamer
Wettbewerb beseitigt werde, sowie bei der Sanktionsbemessung zu berücksichtigen. Der höchstrichterliche
Urteilsspruch bezieht sich, soweit ersichtlich, nicht nur auf die Marktanteile der an der Abrede beteiligten
Unternehmen, sondern darüber hinaus auch auf die tatsächlichen Auswirkungen der Abrede. Eine
Abkehr vom Umsetzungserfordernis damit indes offenbar nicht verbunden (s.o., E. 7.2). Näheren
Aufschluss ist in diesem Punkt von der schriftlichen Urteilsbegründung zu erwarten.
Vorliegend ist damit grundsätzlich eine erhebliche Abrede im Sinne der zitierten bundesgerichtlichen
Rechtsprechung gegeben (vertikale Gebietsschutzabrede i.S.v. Art. 5 Abs. 4 KG). Auf eine Prüfung
quantitativer Kriterien kann insofern verzichtet werden. Im Hinblick auf die Sanktionsbemessung (s.u.,
E. 9.2) sowie aufgrund der noch ausstehenden schriftlichen Urteilsbegründung des Bundesgerichts
in Sachen Elmex erscheinen nachfolgende Erwägungen in quantitativer
Hinsicht geboten.
7.5.7 Die quantitative Reichweite einer vertikalen Gebietsaufteilung
ist nach dem Gesagten primär anhand der kumulierten Marktanteile auf Seiten der involvierten Händler
zu beurteilen (s.o., E. 7.5.4). Die angefochtene Sanktionsverfügung macht dazu keine
näheren Angaben (vgl. angefochtene Verfügung, Rz. 500 f.). Zu beachten ist in diesem
Zusammenhang der kumulierte Marktabschottungseffekt komplementärer Vereinbarungen, zumal sich die
Beschwerdeführerin bei der Beurteilung der von ihr vereinbarten inländischen Einfuhrverbote
im Rahmen einer Konzernbetrachtung auch die ausländischen Ausfuhrverbote anrechnen lassen muss (s.o.,
E. 4.1). Eine kumulative Berücksichtigung komplementärer Vereinbarungen entspricht der
neueren Praxis der Wettbewerbskommission (vgl. Ziff. 13 Abs. 2 VertBek 2010) wie auch der europäischen
Wettbewerbsbehörden im Rahmen der sogenannten Bündeltheorie (EU-Kommission, De
minimis-Bekanntmachung, 30. August 2014, ABl. 2014 C 291/01, Ziff. 10; Mestmäcker/Schweitzer,
a.a.O., § 11 Rz. 58 ff.). Insofern die Beschwerdeführerin das Importverbot im Inland auf
mehrere massgebliche Grosshändler sowie zahlreiche Detailhändler ausgedehnt hat, sowie unter
Berücksichtigung der in mehr als einem halben Dutzend europäischer Vertriebsregionen wie auch
in den USA praktizierten Exportverbote ist vorliegend eine erhebliche Reichweite des Gebietsschutzes
gegeben.
Auch die tatsächlichen Marktwirkungen sind als erheblich zu beurteilen. Die Vorinstanz ging
in Bezug auf verschiedene Produkte der Beschwerdeführerin von erheblichen punktuellen Preisunterschieden
zwischen dem In- und dem Ausland aus und schloss daraus auf ungenutzte Arbitragepotenziale in den relevanten
Märkten von insgesamt erheblichem Umfang (angefochtene Verfügung, Rz. 387 ff., 390 f.,
399, 402, 404 f., 407 ff., 413, 419 f.). Gestützt auf Angaben von Händlern sowie
von Rechnungsdaten (SAP) der Beschwerdeführerin gelangte die Vorinstanz zum Schluss, dass ca. 70 - 80 %
der Verkaufsangebote für Digitalkameras der Beschwerdeführerin und ca. 43 % der Verkaufsangebote
für Wechselobjektive der Beschwerdeführerin auf Grosshandelsstufe im fraglichen Zeitraum im
Ausland billiger waren als in der Schweiz, wobei die Differenz in 6 - 11 % der Fälle
bei Digitalkameras und in 14 % der Fälle bei Wechselobjektiven mehr als 15 % betrug (Rz.
399, 402). In einem internen Schreiben der Beschwerdeführerin wird im Normalfall bereits ein Preisunterschied
von 5 % als ausreichend angesehen, um Parallelimporte auf Händlerstufe auszulösen (U-act. 22,
S. 22). Den Parallelimportanteil bei Nikon-Produkten auf Grosshandelsstufe von (...) % und
auf Einzelhandelsstufe von (...) % bzw. (...) % hat die Vorinstanz im Verhältnis zum höheren
Importanteil der Konkurrenz zudem als vergleichsweise gering beurteilt (Rz. 434, 437). Angesichts
des von der Beschwerdeführerin auf (...) Mio. Fr. bezifferten Importvolumens im Jahr 2009
(Beschwerde, Rz. 819; angefochtene Verfügung, Rz. 431) ist jedenfalls nicht von einem Bagatellfall
auszugehen.
Der Preisvergleich der Vorinstanz stützt sich dabei auf die jeweiligen Durchschnittspreise der
fünf umsatzstärksten Produkte der Beschwerdeführerin im Bereich Digitalkameras (vgl. angefochtene
Verfügung, Rz. 404 f., 415, 422 f.). Dies erscheint nach dem Gesagten sachgerecht,
zumal es Parallelimporteuren angesichts der branchentypisch ausgeprägten Angebotsumstellungsflexibilität
und vergleichsweise geringen Sortimentsbindung auf die Preisdifferenz des einzelnen, vorzugsweise umsatzstarken
Produkts ankommt, nicht auf die Durchschnittspreise ganzer Warengruppen, welche dem Parteigutachten der
BAK Basel Economics AG vom 25. Juli 2011 zugrunde liegen (vgl. U-act. 333, Beilage 1; Beschwerde,
Rz. 834 f., 861). Dass der Vergleich auf Länder abstellt, welche unter den Geltungsbereich
des vereinbarten Gebietsschutzes fallen, wozu im Rahmen der vorliegend zu beurteilenden Einfuhrverbote
entgegen der Darstellung der Beschwerdeführerin (Beschwerde, Rz. 822, 824, 829) auch die chinesische
Sonderverwaltungszone Hongkong gehört (angefochtene Verfügung, Rz. 393),
erscheint ebenfalls
korrekt. Die vorinstanzlich vorgenommene Marktanalyse ist daher methodisch
nicht zu beanstanden und stützt im Ergebnis die aus dem Schädlichkeitspotenzial der Abrede
sowie ihrer Umsetzung resultierende Qualifizierung der Abrede als erheblich (s.o., E. 7.5.6).
Nichts herleiten zu ihren Gunsten kann die Beschwerdeführerin zudem aus der Aussage im erwähnten
Parteigutachten, wonach das Preisgefälle zwischen der Schweiz und dem Ausland im fraglichen Zeitraum
bei Produkten der Beschwerdeführerin nicht grösser gewesen sei als bei Konkurrenzprodukten
(BAK-Gutachten 2011, S. 57; Beschwerde, Rz. 834 f.). Die vertikale Vertriebsstruktur eines
Herstellers beschlägt naturgemäss lediglich den Intrabrand-Wettbewerb. Insofern lassen sich
aus einem Vergleich mit Konkurrenzprodukten keine unmittelbaren Schlüsse ziehen auf die Wettbewerbsbedingungen
im Handel mit Produkten der Beschwerdeführerin. Im Übrigen wird im Ergänzungsgutachten
der BAK Basel vom Januar 2012 (Beschwerdebeilage 24) eingeräumt, dass die Differenzen bei den von
der Vorinstanz untersuchten Produkten im fraglichen Zeitraum durchaus "relativ
hoch" gewesen seien (BAK-Gutachten 2012, S. 19). Umgekehrt ist die vorinstanzliche
Einschätzung, wonach ein Parallelimportanteil von Nikon-Produkten auf Grosshandelsstufe von (...) %
und auf Einzelhandelsstufe von (...) % bzw. (...) % im Verhältnis zum höheren Importanteil
der Konkurrenz "bescheiden" gewesen sei (angefochtene Verfügung, Rz. 434, 437), entgegen
der Rüge der Beschwerdeführerin (angefochtene Verfügung, Rz. 840 ff.) nicht
zu beanstanden, zumal die Einfuhren von Sony und Canon im Mittel insgesamt über den genannten Quoten
lagen und beispielsweise bei Wechselobjektiven von Canon ein Mehrfaches betrugen (U-act. 183, Frage 11).
Schliesslich ist zwar zutreffend, dass die Vorinstanz
im Rahmen einer sogenannten Strukturbruchanalyse
für den Zeitraum nach der Änderung der Vertriebsstrategie durch die Beschwerdeführerin
keine Veränderung der Endverkaufspreise in signifikantem Ausmass feststellen konnte (angefochtene
Verfügung, Rz. 510 ff.), doch abgesehen davon, dass vorliegend nicht die Endverkaufspreise,
sondern die von den strittigen Abreden betroffenen Händlerpreise massgebend sind, ist im Hinblick
auf die Differenz zwischen Händler- und Endverkaufspreis nicht nur die jeweilige Handelsmarge, sondern
auch der preisstützende Effekt der Einführung der "Swiss Garantie" im Rahmen des
zeitgleich erfolgten Wechsels vom offenen zum selektiven Vertrieb zu beachten. Daran ändert auch
nichts, dass die Vorinstanz zugleich von "einer gewissen Dynamik"
im Wettbewerb auf Herstellerebene ausgegangen ist (angefochtene Verfügung, Rz. 462 ff.,
500 f.), zumal davon allenfalls mittelbar eine disziplinierende Wirkung auf den Intrabrand-Wettbewerb
ausgeht (s.o., E. 7.5.5). Anzumerken bleibt, dass die starke Verankerung der Marke "Nikon"
in den relevanten Märkten sowie die für die Vermarktung von Systemkomponenten typische Interdependenz
einzelner Produktemärkte für eine eher geringe Preiselastizität sprechen; denn wer ein
Nikon-Kameragehäuse besitzt, kann nicht ohne Weiteres auf ein Canon-Wechselobjektiv ausweichen,
und umgekehrt. Auch die tatsächlichen Auswirkungen der Abrede hat die Vorinstanz damit zu Recht
als erheblich beurteilt.
7.6Kausalität
Soweit in Lehre und Rechtsprechung teils die Auffassung
vertreten wird, wonach ausschliesslich bewirkte
Wettbewerbsbeeinträchtigungen von Art. 5 Abs. 1 KG erfasst werden (s.o., E. 7.2.1), ist
nebst der Erheblichkeit der festgestellten Wirkungen auch deren kausale Verursachung durch die in Frage
stehende Abrede erforderlich. Das Bundesverwaltungsgericht hat wiederholt einen Kausalzusammenhang zwischen
Abrede und Wettbewerbsbeeinträchtigung vorausgesetzt, insbesondere im Fall Baubeschläge,
in welchem unter anderem die Frage der alternativen Kausalität
durch ein nicht in die Untersuchung einbezogenes ausländisches Kartell zu beurteilen war (B-8399/2010,
23. September 2014, E. 5.3.1.1.38, 5.3.2.6 ff., 5.4.23, 5.4.26, 6.1.2, 6.3.30, 6.4.2;
Breitenmoser, a.a.O., Rz. 2 ff.; zur Terminologie:
Brehm, a.a.O., Art. 41 OR N. 145 ff.; ebenso:
BVGer, B-506/2010, 19. Dezember 2013, Elmex, E. 8.1.1 ff.,
12.1 ff.; B-7633/2009, 14. September 2015, Swisscom ADSL,
Rz. 561 ff.; abweichend: B-3332/2012, 13. November 2015, BMW,
E. 9.1.4 f.). Analog wird in der Lehre teilweise von einem Kausalitätserfordernis ausgegangen
(Krauskopf/Schaller, a.a.O., Art. 5 KG N. 78 ff.;
Amstutz/Carron/ Reinert, a.a.O., Art. 5 KG N. 228;
Carl Baudenbacher, a.a.O., Rz. 13 ff.; Jacobs,
a.a.O., SJZ 2015, S. 235; zur Frage der Kausalität im Zusammenhang mit dem Begriff der
abgestimmten Verhaltensweise: EuGH, Rs. C-199/92 P, 8. Juli 1999, Hüls,
Rz. 161; Mestmäcker/Schweitzer, a.a.O., § 10
Rz. 38 ff.; vgl. auch: BVGer, B-8404/2010 [SFS unimarket], 23. September 2014, Baubeschläge,
E. 5.3.5). Mit Urteil vom 28. Juni 2016 hat das Bundesgericht in Sachen Elmex
entschieden, dass für die Beurteilung der Erheblichkeit einer Abrede grundsätzlich nicht
auf quantitative Kriterien abzustellen ist (2C_180/2014). Soweit sich dieser Urteilsspruch über
die Marktanteile der an der Abrede beteiligten Unternehmen hinaus auch auf die tatsächlichen Auswirkungen
der Abrede erstreckt, erübrigt sich damit eine Kausalitätsprüfung (schriftliche Urteilsbegründung
ausstehend). Vorliegend sind konkurrierende Kausalverläufe, vorbehältlich des vorstehend zu
den tatsächlichen Auswirkungen der Abrede bereits Ausgeführten (E. 6.5.7), weder ersichtlich
noch behauptet.
7.7Rechtfertigungsgründe
Nach Art. 5 Abs. 1 KG sind Abreden, die den Wettbewerb
auf einem Markt erheblich beeinträchtigen,
unzulässig, wenn sie sich nicht durch Gründe der wirtschaftlichen Effizienz rechtfertigen lassen.
Abreden sind gemäss Art. 5 Abs. 2 KG gerechtfertigt, wenn sie notwendig sind, um die Herstellungs-
oder Vertriebskosten zu senken, Produkte oder Produktionsverfahren zu verbessern, die Forschung oder
die Verbreitung von technischem oder beruflichem Wissen zu fördern oder um Ressourcen rationeller
zu nutzen, sofern die Abreden den beteiligten Unternehmen in keinem Fall die Möglichkeit eröffnen,
wirksamen Wettbewerb zu beseitigen. Die Aufzählung ist abschliessend (BGE 129 II 18, Buchpreisbindung,
E. 10.3; Borer, a.a.O., Art. 5 KG N. 45, m.w.H.).
Die Beschwerdeführerin macht keine Rechtfertigungsgründe geltend (vgl. Beschwerde, Rz. 886).
Die Vorinstanz vertritt unter Verweis auf ihre Bekanntmachung über die wettbewerbsrechtliche Behandlung
vertikaler Abreden (Ziff. 16 Abs. 4 lit. a VertBek 2010) sowie in Anlehnung an die europäische Praxis
(EU-Kommission, Leitlinien für vertikale Beschränkungen, ABl. 2010 C 130/01) die Auffassung,
als Rechtfertigungsgrund für einen (temporären) absoluten Gebietsschutz komme lediglich ein
zeitlich begrenzter Schutz von Investitionen für die Erschliessung neuer räumlicher Märkte
oder neuer Produktemärkte in Frage; dabei handle es sich um einen Sonderfall der "Trittbrettfahrer"-Problematik.
Ein entsprechender Sachverhalt sei vorliegend nicht gegeben (angefochtene Verfügung, Rz. 521 ff.),
was von der Beschwerdeführerin nicht bestritten wird. In Art. 5 Abs. 2 Bst. a KG ist der Schutz
von Investitionen beim Markteintritt bzw. das Ergreifen von Vertriebsmassnahmen gegen "Trittbrettfahrer"
nicht explizit als Rechtfertigungsgrund erwähnt (s.o., E. 7.5.3). Andere Rechtfertigungsgründe
sind vorliegend nicht ersichtlich. Dabei kann unbeachtet bleiben, dass die vorinstanzlich zitierte Bekanntmachung
jüngeren Datums ist als das strittige Verhalten der Beschwerdeführerin (s.o., E. 7.3.3).
Die strittigen Abreden erweisen sich damit im Ergebnis als unzulässig.
8.Sanktionstatbestand
(Art. 49a KG)
Nach Art. 49a Abs. 1 KG wird ein Unternehmen, das an
einer unzulässigen Abrede nach Art. 5 Abs.
4 KG beteiligt ist, mit einer Sanktion belastet. Die
Beschwerdeführerin macht geltend, die angefochtene
Sanktion verstosse gegen den Grundsatz nulla poena sine lege sowie
das strafprozessuale Schuldprinzip (Beschwerde, Rz. 889 ff., 900 ff.).
8.1Grundsatz
nulla poena sine lege
Die Beschwerdeführerin begründet die Rüge eines vorinstanzlichen Verstosses gegen
den Grundsatz nulla poena sine lege zum einen mit der extensiven
Auslegung von Art. 5 Abs. 4 KG durch die Vorinstanz (Beschwerde, Rz. 73 ff., 83 ff.),
zum andern mit dem Umstand, dass die Vorinstanz die Sanktion nicht auf Art. 5 Abs. 4 KG, sondern
auf
Art. 5 Abs. 1 KG abgestützt habe (Rz. 68 ff.). Im Übrigen sei die in Art. 49a
KG vorgesehene Rechtsfolge zu wenig bestimmt (Rz. 94 ff.).
8.1.1 Bezüglich der strafähnlichen Natur direkter
Sanktionen kann auf vorstehende Erwägungen verwiesen werden (E. 5.1). Die Qualifizierung hat
zur Folge, dass im kartellrechtlichen Sanktionsverfahren die verfassungs- und EMRK-rechtlichen Garantien
zu beachten sind, welche auch für das Strafverfahren gelten (BGE 139 I 72, Publigroupe,
E. 2.2.2). Allerdings gehört das Kartellsanktionsverfahren grundsätzlich zum Verwaltungsverfahrensrecht
(vgl. BGer, 2C_1065/2014, 26. Mai 2016, Publikationsverfügung
i.S. Nikon, E. 8.2), weshalb die Verfahrensgarantien der EMRK nicht in voller Strenge zur Anwendung
gelangen und im Übrigen nicht absolute Geltung beanspruchen, sondern in eine einzelfallbezogene
Interessenabwägung einzubeziehen sind, wobei auch allfällige Besonderheiten zu berücksichtigen
sind, soweit sie sich aus der Rechtsnatur von Unternehmen herleiten (s.o., E. 2.1, 5.1; BGE 140 II 384,
Spielbank, E. 3.3.4, 3.3.5; vgl. auch BVGer, B-7633/2009,
14. September 2015, Swisscom ADSL, Rz. 643 ff., m.w.H.).
Massgebend für das Verfahren sind die einschlägigen Vorschriften des Kartell- und Verwaltungsverfahrensgesetzes,
vorbehältlich ergänzender Bestimmungen des Bundesrechts (Art. 4 VwVG). Grundsätzlich nicht
zur Anwendung gelangen hingegen die Vorschriften des Strafprozessrechts sowie des allgemeinen Teils des
Strafgesetzbuchs, auch nicht gestützt auf Art. 333 Abs. 1 und 7 StGB (BVGer, B-7633/2009, 14.
September 2015, Swisscom ADSL, Rz. 649, 651, m.w.H.;
Heine/Roth, Rechtsgutachten vom 13. Oktober 2010 zur
Sanktionierung natürlicher Personen/Unternehmen im Zuge der Schweizer Kartellrechtsrevision [https://www.news.admin.ch],
S. 14 ff.; a.M.: Niggli/Riedo, a.a.O., vor Art. 49a
- 53 KG N. 105 ff.; Beschwerde, Rz. 106). Teilweise wird in der Lehre ergänzend
die analoge Anwendung einzelner strafprozessualer Bestimmungen postuliert (Thomi/Wohlmann,
a.a.O., Rz. 14 ff.; vgl. dazu BVGer, B-7633/2009, 14. September 2015, Swisscom
ADSL, Rz. 651, m.w.H.).
8.1.2 Nach Art. 7 EMRK und Art. 15 des UNO-Pakts vom 16. Dezember
1966 über bürgerliche und politische Rechte (SR 0.103.2) darf niemand wegen einer Handlung
oder Unterlassung verurteilt werden, die zur Zeit ihrer Begehung nach innerstaatlichem oder internationalem
Recht nicht strafbar war (nulla poena sine lege; vgl. Art. 5 Abs.
1 BV und Art. 1 StGB). Die Straftat muss im Gesetz klar umrissen sein (vgl. Jens
Meyer-Ladewig, Handkommentar zur EMRK, 3. Aufl. 2011, Art.
7 EMRK N. 5; Frowein/ Peukert, Kommentar zur EMRK,
3. Aufl. 2009, Art. 7 EMRK N. 2; Grabenwarter/Pabel,
Europäische Menschenrechtskonvention, 5. Aufl. 2012, S. 462 ff.). Der Grundsatz ist
verletzt, wenn jemand wegen eines Verhaltens strafrechtlich verfolgt wird, das im Gesetz überhaupt
nicht als strafbar bezeichnet wird, wenn das Gericht ein Verhalten unter eine Strafnorm subsumiert, unter
welche es auch bei weitestgehender Auslegung nicht subsumiert werden kann, oder wenn jemand in Anwendung
einer Strafbestimmung verfolgt wird, die rechtlich keinen Bestand hat (BGE 139 I 72, Publigroupe,
E. 8.2.1, m.w.H.). Allerdings bedürfen auch Strafgesetze der Auslegung, wobei sich der
Grad der erforderlichen Bestimmtheit nicht abstrakt festlegen lässt, sondern vom Regelungsgegenstand
sowie von den Normadressaten und der Schwere des Grundrechtseingriffs abhängt (BGE 139 I 72,
Publigroupe, E. 8.2.1, m.w.H.). Beispielsweise hat der Europäische
Gerichtshof für Menschenrechte den in der deutschen Gesetzgebung verwendeten Begriff "verwerflich"
als mit Art. 7 EMRK konform betrachtet (EGMR, 18397/03, 8. Januar 2007, Witt).
Im Urteil in Sachen Publigroupe hat das Bundesgericht festgehalten,
Art. 7 Abs. 1 KG genüge in Verbindung mit Art. 7 Abs. 2 KG den verfassungsrechtlichen Vorgaben
in Bezug auf die im Beispielkatalog erwähnten Verhaltensweisen (BGE 139 I 72, Publigroupe,
E. 8.2.2, m.w.H.). Gestützt darauf hat das Bundesverwaltungsgericht in den Urteilen
in Sachen Elmex die erforderliche Bestimmtheit von Art. 5 Abs.
4 KG in Bezug auf Passivverkaufsverbote im Grundsatz ebenfalls bejaht (B-506/2010, E. 14.1.3 f.).
Zwar beruht die vorliegende Sanktion insofern nicht auf einer engen Auslegung von Art. 5 Abs. 4 KG, als
es sich bei den strittigen Vertriebsklauseln in casu um indirekte und nicht-exklusive Gebietszuweisungen
handelt; ein Verstoss gegen das Legalitätsprinzip ist darin angesichts des Gesetzeswortlauts jedoch
nicht zu erkennen (s.o., E. 7.3), zumal gemäss zitierter höchstrichterlicher Rechtsprechung
das Bestimmtheitsgebot keine einschränkende Gesetzesauslegung vorschreibt. Nichts anderes gilt auch
im Strafrecht (beispielsweise hat das Bundesgericht das Tätigen von gebührenpflichtigen Anrufen
mit einem gestohlenen Mobiltelefon unter den Tatbestand des betrügerischen Missbrauchs einer Datenverarbeitungsanlage
im Sinne von 147 StGB subsumiert: BGE 129 IV 315, E. 2.2.3). Ohnehin nicht auf den Grundsatz nulla
poena sine lege berufen kann sich die Beschwerdeführerin, soweit sie eine einschränkende
Auslegung der Bestimmung von Art. 3 Abs. 2 KG fordert; diese Norm hat nicht einen materiellen
Sanktionstatbestand zum Gegenstand, sondern regelt lediglich die Abgrenzung von Immaterialgüter-
und Kartellrecht (s.o., E. 4.4).
8.1.3 Nach Art. 49a Abs. 1 KG ist Voraussetzung einer
direkten Sanktion, dass ein Unternehmen an einer unzulässigen Abrede nach Art. 5 Abs. 3 oder Abs.
4 KG beteiligt ist. In der Lehre ist umstritten, ob davon auch ein Sachverhalt erfasst wird, der unter
Art. 5 Abs. 3 bzw. Abs. 4 KG fällt, der jedoch nicht zu einer Beseitigung wirksamen Wettbewerbs,
wohl aber zu einer erheblichen Wettbewerbsbeeinträchtigung führt. Die Botschaft zur Gesetzesrevision
von 2003 äussert sich in diesem Sinne. So heisst es (S. 2037): "Vom
Anwendungsbereich der direkten Sanktionen ausgenommen sind [...] nach Artikel 5 Absatz 1 unzulässige
Verhaltensweisen, welche keine Preis-, Mengen- oder Gebietsabreden zum Gegenstand haben. Ebenso wenig
können Preis-, Mengen- und Gebietsabreden direkt sanktioniert werden, die den wirksamen
Wettbewerb
weder beseitigen noch erheblich beeinträchtigen beziehungsweise die durch Gründe
der wirtschaftlichen
Effizienz gerechtfertigt sind." Ein Teil der Lehre vertritt unter Hinweis
auf das strafrechtliche
Bestimmtheitsgebot dennoch die Auffassung, bei widerlegter Vermutung einer Beseitigung
wirksamen Wettbewerbs
sei trotz gegebener Vermutungsbasis von Art. 5 Abs. 3 bzw. Abs. 4 KG eine
Sanktion ausgeschlossen
(Borer, a.a.O., Art. 49a KG N. 8,
m.w.H.; Niggli/ Riedo, a.a.O., vor Art. 49a - 53 KG
N. 101 ff., m.w.H.; David/Jacobs, a.a.O., Rz.
766, m.w.H.; Zimmerli, a.a.O., S. 505). Darauf beruft sich
auch die Beschwerdeführerin (Beschwerde, Rz. 68 ff.).
Mit dem Gesetzeswortlaut erscheinen indes beide Auslegungsmöglichkeiten vereinbar, zumal Art.
49a Abs. 1 KG von "unzulässigen" Abreden und nicht
von wirksamen Wettbewerb beseitigenden Abreden spricht. Da die Widerlegung der gesetzlichen Beseitigungsvermutung
in der Praxis regelmässig gelingt, würde Art. 49a KG bei einschränkender Auslegung kaum
je zur Anwendung gelangen, was auch der mit der Revision von 2003 angestrebten Verbesserung der Präventionswirkung
(Botschaft KG-Revision 2003, S. 2033 f.) zuwiderliefe. Schliesslich liegt es im Interesse der
Rechtssicherheit selbst, auf den Inhalt der Abrede abzustellen und nicht auf die schwer abschätzbare
(und von äusseren Faktoren mitbeeinflusste) Frage, ob wirksamer Wettbewerb beseitigt oder "nur"
erheblich beeinträchtigt wird. Vor dem Hintergrund der Kontroverse
um den Erheblichkeitsbegriff ist im einschränkenden Verweis von Art. 49a KG auf die Verhaltensweisen
gemäss Art. 5 Abs. 3 und 4 KG die im Sinne des Bestimmtheitsgebots erforderliche Konkretisierung
zu erkennen. Im Übrigen ist mit Blick auf die Erheblichkeitsprüfung anzumerken, dass das Bundesgericht
den nicht weniger offenen Begriff des relevanten Marktes als mit dem Bestimmtheitsgebot vereinbar
erachtet
hat, trotz der komplexen Vorfragen, die sich im Rahmen der Marktabgrenzung im Einzelfall stellen;
ebenso
hat das Bundesgericht die in Art. 7 KG verwendeten Begriffe der marktbeherrschenden Stellung sowie
der
Diskriminierung im Hinblick auf den Sanktionstatbestand von Art. 49a KG als ausreichend bestimmt
erachtet (BGE 139 I 72, Publigroupe, E. 8.2.3). Schliesslich
kommt auch das Strafrecht nicht ohne unbestimmte Rechtsbegriffe aus (vgl. z.B. "Arglist" i.S.v.
Art. 146 StGB oder "Misswirtschaft" i.S.v. Art. 165 StGB). Dabei ist es gemäss
höchstrichterlicher Rechtsprechung zumutbar, wenn das betroffene Unternehmen rechtlichen Rat einholen
muss, um die möglichen Folgen eines bestimmten Handelns zu ermitteln (BGE 139 I 72, Publigroupe,
E. 8.2.2, m.w.H.).
Der wohl überwiegende Teil der Lehre vertritt denn auch die Auffassung, für die Sanktionierung
sei ausschlaggebend, ob ein Sachverhalt gemäss Art. 5 Abs. 3 bzw. Abs. 4 KG vorliegt, unabhängig
davon, ob das verwirklichte Schädlichkeitspotenzial den Grad der Erheblichkeit oder der Beseitigung
wirksamen Wettbewerbs erreicht (Peter Reinert, Handkommentar
zum KG, Art. 49a KG N. 8; ders., Die Sanktionsregelung gemäss
revidiertem Kartellgesetz, S. 154 f., m.w.H.; Tagmann/Zirlick,
a.a.O., Art. 49 KG N. 6 ff., m.w.H.; Tagmann, a.a.O.,
S. 35 ff.; Dähler/Krauskopf, Die Sanktionsbemessung
und die Bonusregelung, in: Stoffel/Zäch [Hrsg.], Kartellgesetzrevision 2003, 2004, S. 130 ff.;
Krauskopf/Senn, Die Teilrevision des Kartellrechts -
Wettbewerbspolitische Quantensprünge, sic! 2003, S. 9; Roth/Bovet,
in: Commentaire Romand LCart, 2. Aufl. 2012, Art. 49 KG N. 10, m.w.H.; Zäch,
a.a.O., Rz. 501, 1119 ff., m.w.H.). Im Beschwerdeverfahren in Sachen Elmex
ist das Bundesverwaltungsgericht zum Schluss gelangt, eine Abrede, welche den Tatbestand von Art. 5 Abs. 4
KG erfüllt und den Wettbewerb im Sinne von Art. 5 Abs. 1 KG erheblich beeinträchtigt, ohne
dass Rechtfertigungsgründe im Sinne von Art. 5 Abs. 2 KG vorliegen, wird von Art. 49a Abs. 1 KG
erfasst (BVGer, B-506/2010, E. 14.2.4; ebenso: B-3332/2012, 13. November 2015, BMW,
E. 11.1). Mit Urteil vom 28. Juni 2016 hat das Bundesgericht diese Rechtsprechung bestätigt
(2C_180/2014; noch nicht publiziert).
8.1.4 Die Beschwerdeführerin rügt weiter die
fehlende ziffernmässige Obergrenze der Sanktion gemäss Art. 49a Abs. 1 KG (Beschwerde, Rz. 94 f.).
Zutreffend ist, dass das strafrechtliche Bestimmtheitsgebot nicht nur für den Tatbestand, sondern
grundsätzlich auch für die Rechtsfolge gilt (Tagmann/Zirlick,
a.a.O., Art. 49a KG N. 19; Luzius Wildhaber, EMRK, Wettbewerbsrecht
und Verwaltungsstrafen, Jusletter vom 4. Juli 2011, Rz. 95, m.w.H.). Art. 49a KG sieht als
Sanktion die Belastung mit einem Betrag bis zu zehn Prozent des in den letzten drei Geschäftsjahren
in der Schweiz erzielten Umsatzes vor. Die Sanktion ist mithin betragsmässig begrenzt; eine bezifferte
Obergrenze wird jedoch nicht genannt. Gestützt darauf wird in der Lehre mitunter die Auffassung
vertreten, Art. 49a KG genüge in diesem Punkt den Bestimmtheitsanforderungen nicht (Niggli/ Riedo,
a.a.O., vor Art. 49a - 53 KG N. 83 ff.). Bundesgericht und Europäischer Gerichtshof
für Menschenrechte haben sich zur Frage bisher nicht geäussert (offen gelassen: BGer, 2C_484/2010,
29. Juni 2012, Publigroupe, E. 8; zur EGMR-Praxis: Wildhaber,
a.a.O., Rz. 95). Bussen ohne ziffernmässige Obergrenze sind unter anderem im schweizerischen
Steuerstrafrecht verbreitet (vgl. Niggli/Riedo, a.a.O.,
vor Art. 49a - 53 KG N. 92 ff.). Zu beachten ist vorliegend die Doppelnatur von Art. 49a
KG als verwaltungsrechtliche Sanktion mit strafähnlichem Charakter. Während im Kernstrafrecht
die Strafe mit der Einziehung unrechtmässig erlangter Gewinne (vgl. Art. 69 ff. StGB) einhergeht,
ist im Kartellrecht eine selbständige Restitution nicht vorgesehen (auch keine adhäsionsweise
Klagemöglichkeit, vgl. Art. 12 ff. KG); insofern dient die Verwaltungssanktion nicht nur der Durchsetzung
der Wettbewerbsordnung, sondern - in pauschaler Form - auch der Abschöpfung der im Einzelfall
nur schwer zu beziffernden Kartellrendite sowie der Kompensation des volkswirtschaftlichen Schadens.
Dies lässt eine umsatzbasierte Sanktion unter Berücksichtigung von Dauer und Schwere des unzulässigen
Verhaltens sowie des mutmasslichen Gewinns als gerechtfertigt erscheinen, zumal dem Unternehmen die eigenen
Umsatzzahlen bekannt sind (vgl. Botschaft KG-Revision 2003, S. 2037). Das Bundesverwaltungsgericht
hat wiederholt die Auffassung vertreten, dass Art. 49a KG den
Bestimmtheitsanforderungen in Bezug auf die Rechtsfolge genügt (B-2977/2009, 27. April 2010,
Publigroupe, E. 8.1.7.2; B-7633/2009, 14. September
2015, Swisscom ADSL, Rz. 619 ff., 625). Diese Auffassung
wird auch in der Lehre vertreten (Tagmann/Zirlick, a.a.O.,
Art. 49a KG N. 20). Die Regelung entspricht überdies jener in der Europäischen Union (vgl.
Verordnung [EG] Nr. 1/2003, ABl. L 1/03; Mestmäcker/Schweitzer,
a.a.O., § 22 Rz. 18). Eine Verletzung des Grundsatzes nulla
poena sine lege ist vorliegend nicht gegeben.
8.2Verantwortlichkeit
Die Beschwerdeführerin macht weiter geltend, sie werde für fremdes Verhalten mit einer
Sanktion belegt (Beschwerde, Rz. 119 ff.). Zudem habe die Vorinstanz weder den Nachweis einer Sorgfaltspflichtverletzung
geführt noch das Bestehen eines Rechtsirrtums geprüft (Beschwerde, Rz. 104 ff., 894 ff.).
Dies verletze das Schuldprinzip.
8.2.1 Anders als der Grundsatz nulla
poena sine lege wird das Schuldprinzip durch die Verfassung nicht unmittelbar garantiert (vgl. Niggli/Riedo,
a.a.O., vor Art. 49a KG N. 112). Teilweise wird es aus der Unschuldsvermutung nach Art. 6
Abs. 2 EMRK bzw. Art. 32 Abs. 1 BV hergeleitet (Niggli/Riedo, a.a.O.,
vor Art. 49a KG N. 116 ff.; Yvo Hangartner, Aspekte
des Verwaltungsverfahrensrechts nach dem revidierten Kartellgesetz, in: Stoffel/Zäch [Hrsg.], Kartellgesetzrevision
2003, 2004, S. 277 f.). Vereinzelt wird auch geltend gemacht, das Schuldprinzip ergebe sich
aus allgemeinen rechtsstaatlichen Prinzipien (Wohlmann, a.a.O.,
Rz. 17 ff.; vgl. auch Niggli/Riedo, a.a.O.,
vor
Art. 49a KG N. 105 ff.). Inhalt und Tragweite des Grundsatzes sind umstritten; insbesondere
sind die Meinungen in der schweizerischen Kartellrechtslehre geteilt, ob im Rahmen von Art. 49a
KG ein Verschulden vorauszusetzen sei (vgl. BVGer, B-7633/2009, 14. September 2015, Swisscom
ADSL, Rz. 643 ff., m.w.H.). Im EU-Recht wird für eine Kartellbusse vorsätzliches
oder fahrlässiges Handeln verlangt (Art. 23 Abs. 1 Verordnung [EG] Nr. 1/2003 vom 16. Dezember
2002 zur Durchführung der in den Artikeln 81 und 82 des Vertrags niedergelegten Wettbewerbsregeln,
ABl. L 1/2003).
8.2.2 Das Bundesverwaltungsgericht hat sich unlängst
ausführlich mit dem Schuldprinzip auseinandergesetzt (B-7633/2009, 14. September 2015, Swisscom
ADSL, Rz. 643 ff., m.w.H.; nicht rechtskräftig). Dabei hat es eine unmittelbare Anwendbarkeit
der allgemeinen Bestimmungen des Strafgesetzbuches (vgl. Art. 333 Abs. 1 und 7 StGB) auf Kartellsanktionen
angesichts der Entstehungsgeschichte des Gesetzes abgelehnt (BVGer, B-7633/2009, Rz. 649, 651; ebenso:
Heine/Roth, a.a.O., S. 14 ff.). Zu beachten ist, dass
das Schuldprinzip auf natürliche Personen zugeschnitten ist (BVGer, B-7633/2009, Rz. 645; vgl.
auch BGE 140 II 384, Spielbank, E. 3.3.4). Demgegenüber
beruht die Strafbarkeit einer juristischen Person stets auf der Zurechnung von Handlungen natürlicher
Personen, unabhängig davon, ob das Verschulden in der Geschäftstätigkeit des Unternehmens
selbst oder in dessen mangelhafter Organisation erkannt wird bzw. ob die Gesellschaft als fiktives oder
reales Gebilde angesehen wird (zur sog. Fiktions- und Realitätstheorie: Meier-Hayoz/Forstmoser,
Gesellschaftsrecht, 11. Aufl.
2012, § 2 N. 11 ff., 36 ff.);
eine Zurechnung höherer Ordnung erfolgt zudem bei Unternehmen, wenn ein Gesamtkonzern bzw. eine
Konzerngesellschaft für das Verhalten einer anderen Konzerngesellschaft einzustehen hat. Das Konstrukt
eines Unternehmensverschuldens kommt daher nie ganz ohne kausales Haftungsmoment aus (vgl. Mestmäcker/Schweitzer,
§ 22 Rz. 30, m.w.H.). Der Hinweis in der Botschaft auf die fehlende strafrechtliche Deliktsfähigkeit
juristischer Personen (Botschaft KG-Revision 2003, S. 2034, Ziff. 2.1.1) gilt hingegen seit Einführung
der originären Strafbarkeit von Unternehmen in bestimmten Fällen von Organisationsverschulden
(Art. 102 Abs. 2 StGB) auch im Strafrecht als überholt (zum Grundsatz societas
delinquere non potest: Niggli/ Gfeller, in
Basler Kommentar zum StGB, Band I, 3. Aufl. 2013, Art. 102 StGB N. 9 f.).
Im Urteil in Sachen Swisscom ADSL gelangte das Bundesverwaltungsgericht
zum Schluss, gestützt auf das EMRK-rechtliche Schuldprinzip sei in Übereinstimmung mit dem
überwiegenden Teil der Lehre eine verschuldensunabhängige Sanktion abzulehnen (B-7633/2009,
14. September 2015, Rz. 654 ff.). Davon ist zuvor schon das Bundesgericht in einem obiter dictum
ausgegangen (2C_484/2010, 29. Juni 2012, Publigroupe, E. 12.2.1. f.
[in BGE 139 I 72 nicht publiziert]). Das Bundesgericht hat festgehalten, die Vorwerfbarkeit des Verhaltens
setze einen objektiven Sorgfaltsmangel im Sinne eines Organisationsverschuldens voraus (E. 12.2.2.;
ebenso: BVGer, B-506/2010, 19. Dezember 2013, Elmex, E. 14.3.5);
ob ein Organisationsmangel eine zwingende Verantwortlichkeitsvoraussetzung oder lediglich eine mögliche
Verschuldensform darstellt, hat das Bundesgericht offen gelassen. Nebst einer Verantwortlichkeit gestützt
auf ein Organisationsverschulden (analog Art. 102 StGB) wird in der Literatur die Zurechnung eines
subjektiv sorgfaltspflichtwidrigen (fahrlässigen) Verhaltens der für das Unternehmen handelnden
natürlichen Personen diskutiert (vgl. Heinemann, Konzerne
als Adressaten des Kartellrechts, a.a.O., S. 62 f.; Hangartner,
a.a.O., S. 277 f.; Tagmann/Zirlick,
a.a.O., Art. 49a KG N. 10; Niggli/Riedo, a.a.O.,
vor Art. 49a - 53 KG N. 126 ff.). Das Bundesverwaltungsgericht hat im Urteil in Sachen
Swisscom ADSL die Meinung vertreten, ein Organisationsverschulden
sei für die Vorwerfbarkeit eines wettbewerbswidrigen Verhaltens zumindest ausreichend (B-7633/2009,
14. September 2015, Rz. 674 ff.). Daran anknüpfend erscheint es sachgerecht, als Voraussetzung
der Verantwortlichkeit des Unternehmens alternativ einen Organisationsmangel oder
ein fahrlässiges Handeln der Unternehmensverantwortlichen zu fordern (ebenso: Niggli/Riedo,
a.a.O., vor Art. 49a - 53 KG N. 132; Peter Reinert, Handkommentar
zum KG, Art. 49a KG N. 5; Hangartner, a.a.O., S. 275; Andreas
Heinemann, Kriminalrechtliche Individualsanktionen im Kartellrecht, in: Kunz/Herren/ Cottier/Matteotti
[Hrsg.], Wirtschaftsrecht in Theorie und Praxis, 2009, S. 598; Fanny
Paucker, Das Recht auf gerichtliche Beurteilung im Lauterkeits- und Kartellrecht - Der Einfluss
von Art. 6 EMRK auf das schweizerische Wettbewerbsrecht, in: Fahrländer/Heizmann [Hrsg.], Europäisierung
der schweizerischen Rechtsordnung, 2013, S. 684).
8.2.3 Die Präzisierung hat Konsequenzen für
die Frage der Schuldausschlussgründe. Strittig ist insbesondere die Wirkung von unternehmensinternen
Compliance-Programmen, denen in der schweizerischen Lehre teils sanktionsbefreiende (Niggli/Riedo,
a.a.O., vor Art. 49a - 53 KG N. 144 ff.; Wohlmann,
a.a.O., Rz. 17 f.), teils sanktionsmindernde Wirkung (Heinemann,
Konzerne als Adressaten des Kartellrechts, a.a.O., S. 62 f.; Heine/Roth,
a.a.O., S. 23 ff.; Tagmann, a.a.O., S. 81 f.)
zuerkannt wird. Für den Fall des Einholens eines externen Gutachtens zur Zulässigkeit bestimmter
Unternehmenstätigkeiten wird überdies in der schweizerischen Lehre ein schuldausschliessender
Rechtsirrtum postuliert (vgl. Niggli/Riedo, a.a.O., vor
Art. 49a - 53 KG N. 162). Strenger ist die Praxis der europäischen Wettbewerbsbehörden,
welche Compliance-Programme weder schuldbefreiend noch sanktionsmindernd berücksichtigt
(EuGH, Rs. C-501/11 P, 18. Juli 2013, Schindler, Rz. 144;
Mestmäcker/ Schweitzer, § 22 Rz. 32 f.,
m.w.H.) und externen Gutachten nur ausnahmsweise schuldbefreiende Wirkung zuspricht (vgl. EuGH, Rs. C-681/11,
18. Juni 2013, Schenker & Co., Rz. 41 ff.; Mestmäcker/ Schweitzer,
§ 22 Rz. 35 f., m.w.H.). Dabei ist in dogmatischer Hinsicht zu beachten, dass ein
lege artis durchgeführtes Compliance-Programm zwar allenfalls das Unternehmen vom Vorwurf
des Organisationsmangels
zu entlasten vermag, nicht aber von der Verantwortung für ein schuldhaftes
Verhalten der im Namen
des Unternehmens kartellrechtswidrig handelnden Personen. Umgekehrt wird ein Rechtsirrtum
zwar die für das Unternehmen handelnden Personen allenfalls von ihrer Schuld befreien, nicht aber
zwingend auch das Unternehmen in Bezug auf seine objektive Sorgfaltspflicht, zu welcher es gehört,
dafür besorgt zu sein, dass die Geschäftstätigkeit auf realistischen Annahmen beruht.
Ein Compliance-Programm wird daher lediglich bei der Sanktionsbemessung Berücksichtigung
finden.
Dies entspricht im Übrigen der Rechtslage im Individualstrafrecht, wo einer zurechnungsfähigen
natürlichen Person deliktpräventive Massnahmen (z.B. Therapien) ebenfalls nicht schuldbefreiend,
sondern allenfalls strafmindernd angerechnet werden; ebenso wird einer natürlichen Person im Strafrecht
nur ausnahmsweise ein Rechtsirrtum zugestanden. Analog wird im Kartellverfahren das Einholen eines externen
Gutachtens ein Unternehmen nur ausnahmsweise von Schuld befreien. Voraussetzung ist, dass das Gutachten
die relevanten Fragen gründlich, eindeutig und detailliert beantwortet, ferner dass das Unternehmen
auf die Richtigkeit der daraus abgeleiteten Handlungsempfehlung vertrauen durfte (vgl. Niggli/Riedo,
a.a.O., vor Art. 94a - 53 KG N. 162).
8.2.4 Im Übrigen sind nach der Rechtsprechung des
Bundesgerichts an die strafrechtliche Zuordnung kartellrechtlich verpönten Verhaltens keine überzogenen
Anforderungen zu stellen, da andernfalls die Bestimmung von Art. 49a KG, die vom Normzweck her auf
juristische Personen zugeschnitten ist, ins Leere liefe (2C_484/2010, 29. Juni 2012, Publigroupe,
E. 12.2.2). Dies wird - in Übereinstimmung mit den Materialien (Botschaft KG-Revision
2003, S. 2037) - auch in der Literatur überwiegend gefordert, zumal das Verhalten der
Unternehmensverantwortlichen kaum je im Einzelnen feststellbar ist (Tagmann,
a.a.O., S. 72; vgl. auch Borer, a.a.O.,
Art. 49a KG N. 11; Kubli, a.a.O.,
S. 152). Ohne gegenteilige Indizien wird daher in der Regel vom Vorliegen einer Abrede auf Inkaufnahme
der mit der Abrede verbundenen Wettbewerbswirkungen zu schliessen sein (Eventualvorsatz), wobei bereits
eine sorgfaltspflichtwidrige Verursachung als tatbestandsmässig zu beurteilen ist (Fahrlässigkeit);
die widerlegbare Vermutung eines entsprechenden Wissens und Willens ist mit der Unschuldsvermutung vereinbar
(s.o., E. 5.5). Ebenso wird im Umstand, dass ein Kartellrechtsverstoss im Rahmen der Unternehmenstätigkeit
stattgefunden hat, ein Hinweis auf eine mangelhafte Organisation zu erkennen sein, es sei denn, es liegen
Hinweise vor, welche das Unternehmen in diesem Punkt entlasten; dabei sind jedoch hohe Anforderungen
an die Ernsthaftigkeit und Eignung eines allfälligen Compliance-Programms zu stellen.
8.2.5 In casu hat die Vorinstanz angenommen, die Geschäftsleitung
der Beschwerdeführerin habe als Vertriebsgesellschaft eines international tätigen Konzerns
wissen müssen, dass die strittigen Vertragsklauseln sowie die Massnahmen zu deren Umsetzung unter
den Tatbestand von Art. 5 Abs. 4 KG fallen (angefochtene Verfügung, Rz. 539 ff.). Die Beschwerdeführerin
macht geltend, sie habe auf die eingeholte Rechtsauskunft eines Anwalts vertraut (Beschwerde, Rz. 111 ff.)
und die ausländischen Verträge nicht gekannt (Beschwerde, Rz. 115 ff.). Allerdings hätte
die Beschwerdeführerin kaum bei Schwestergesellschaften interveniert, wenn sie nicht trotz der behaupteten
Unkenntnis davon ausgegangen wäre, die ausländischen Vertriebsverträge würden eine
entsprechende Handhabe bieten. Dass die Beschwerdeführerin sich bei diesem Vorgehen in einem Rechtsirrtum
befunden habe, erscheint auch unter Berücksichtigung des anwaltlichen Memorandums vom 6. Oktober
2008, welches sich primär mit der Abgrenzung von Immaterialgüter- und Kartellrecht befasst
und sich weder auf konkrete Vertragsklauseln bezieht noch sich vertieft mit den vorliegend massgebenden
Fragen auseinandersetzt (U-act. 10, S. 1 ff.), wenig glaubhaft; es kann diesbezüglich
auf die vorinstanzlichen Erwägungen verwiesen werden (angefochtene Verfügung, Rz. 541).
Dass
sich die Beschwerdeführerin der rechtlichen Problematik einer Unterbindung von Parallelimporten
durchaus bewusst war, belegt das von ihr zitierte Schreiben an die europäische Muttergesellschaft
vom 1. Oktober 2009, in welchem die Beschwerdeführerin darauf hinweist, dass das schweizerische
Recht ein Vorgehen gegen Parallelimporte nicht zulasse (Beschwerdebeilage 3). Soweit an der Umsetzung
des Gebietsschutzes der damalige Verkaufsleiter selbst beteiligt war, muss im Übrigen ein Organisationverschulden
nicht näher geprüft werden. Die Verantwortlichkeit der Beschwerdeführerin ist zu bejahen.
8.2.6 Eng verknüpft mit der Verschuldensfrage ist
die Zuordnung der Verantwortung innerhalb des Konzerns. Da als Verfügungsadressaten nur juristische
Personen in Frage kommen (s.o., E. 4.1), ist die dem Unternehmen aufzuerlegende Sanktion (Art. 49a Abs.
1 KG) innerhalb der Konzernstrukturen entsprechend zuzuweisen. Das Bundesgericht hat festgehalten, dass
es grundsätzlich zulässig ist, eine Kartellsanktion der verantwortlichen Muttergesellschaft
aufzuerlegen (2C_484/2010, 29. Juni 2012, Publigroupe, E.
3.4 [in BGE 139 I 72 nicht publiziert]). Davon geht auch die Beschwerdeführerin aus (Beschwerde,
Rz. 124). Die Auffassung wird in der schweizerischen Lehre überwiegend geteilt (Heinemann,
Konzerne als Adressaten des Kartellrechts, a.a.O., S. 60 f.; Tagmann,
a.a.O., S. 18; Tagmann/Zirlick, a.a.O., Art. 49a
KG N. 98; Moreillon, a.a.O., Art. 50 KG N. 8; Ducrey,
a.a.O., Art. 50 N. 8), teilweise aber auch abgelehnt (Peter
Reinert, Handkommentar zum KG, Art. 49a KG N. 13; ders.,
Die Sanktionsregelung gemäss revidiertem Kartellgesetz, S. 157; Kasten,
a.a.O., S. 15 ff., 30 ff.; Kubli, a.a.O.,
S. 208 ff., 210 ff.). Die höchstrichterliche Praxis entspricht in diesem Punkt jener der
europäischen Wettbewerbsbehörden (EuGH, Rs. C-97/08 P, 10. September 2009, Akzo,
Slg. 2009 I 8237, Rz. 58; Mestmäcker/Schweitzer,
a.a.O., § 9 Rz. 14 ff.).
Vorliegend wurde die Sanktion von der Vorinstanz
allerdings nicht der Muttergesellschaft auferlegt
(Nikon Europe B.V., Amsterdam bzw. Nikon Corporation,
Tokyo), sondern der schweizerischen Konzernniederlassung
(Beschwerdeführerin). Das Bundesverwaltungsgericht hat unlängst in einem obiter dictum festgehalten,
dass ein solches Vorgehen als zulässig zu beurteilen ist, wenn ein Verfahren gegen die im Ausland
domizilierte Muttergesellschaft mit unverhältnismässigem Aufwand verbunden wäre (B-7633/2009,
14. September 2015, Swisscom ADSL, Rz. 74; nicht rechtskräftig).
Die Meinungen in der Lehre dazu sind geteilt (pro: Heinemann, Konzerne
als Adressaten des Kartellrechts, a.a.O., S. 61; contra: Tagmann/Zirlick,
a.a.O., Art. 49a KG N. 98; vgl. ferner die vorstehend zitierten Autoren). In der Europäischen
Union wird von einer gesamtschuldnerischen Haftung sämtlicher Konzerngesellschaften einer Wirtschaftseinheit
ausgegangen (Mestmäcker/Schweitzer, a.a.O., §
9 Rz. 23 ff.). Der Einwand der Beschwerdeführerin, sie werde im Ergebnis für fremdes
Verhalten bestraft (Beschwerde, Rz. 119 ff.), verfängt dabei nicht. So ist im Rahmen von Art. 7
KG unbestritten, dass sich die Tochtergesellschaft die kumulierte Konzernmacht anrechnen lassen muss
(s.o., E. 4.1). Die von der Beschwerdeführerin anerkanntermassen zu verantwortenden inländischen
Importverbote sind entsprechend im Lichte der konzernweiten Vertriebspolitik zu beurteilen, zu welcher
auch die von der Vorinstanz beanstandeten ausländischen Exportverbote gehören. Ohnehin nicht
von "fremdem" Verhalten gesprochen werden kann, soweit die Vorinstanz der Beschwerdeführerin
eine aktive Mitwirkung bei der Umsetzung der ausländischen Exportverbote anlastet. Die Verantwortlichkeit
der Beschwerdeführerin für das ihr vorgeworfene Verhalten ist damit in casu auch innerhalb
des Konzerns gegeben.
9.Sanktionshöhe
Nach Art. 49a Abs. 1 Satz 1 KG beträgt die Sanktion bis zu zehn Prozent des in den letzten drei
Geschäftsjahren in der Schweiz erzielten Umsatzes. Der Betrag bemisst sich nach der Dauer und Schwere
des unzulässigen Verhaltens (Art. 49a Abs. 1 Satz 3 KG). Der mutmassliche Gewinn, den das Unternehmen
dadurch erzielt hat, ist angemessen zu berücksichtigen (Art. 49a Abs. 1 Satz 4 KG).
Die Vorinstanz hat den Umsatz der Beschwerdeführerin zwischen April 2007 und März 2010
in den sachlich relevanten Märkten für Digitalkameras, Wechselobjektive und Blitzlichtgeräte
ermittelt; in der Folge hat sie ausgehend von einem als mittelschwer beurteilten Verstoss die Sanktion
auf 5 % des massgebenden Umsatzes festgelegt. Eine Erhöhung aufgrund der Dauer des Verstosses
sowie das Vorliegen erschwerender bzw. mildernder Umstände wurden verneint. Die so errechnete Sanktion
beträgt [rund 12.5 Mio. Fr.] (angefochtene Verfügung, Rz. 549 ff.). Die Beschwerdeführerin
rügt, die Vorinstanz hätte lediglich auf den Umsatz im Markt für Digitalkameras mit Wechselobjektiv
abstellen dürfen und hätte das Fehlen eines mutmasslichen Gewinns sanktionsmindernd berücksichtigen
müssen; zudem sei der Umstand, dass in casu keine Zwangsmassnahmen zur Durchsetzung der Abrede erfolgt
seien, nach Art. 6 Abs. 2 Bst. b der Verordnung über die Sanktionen bei unzulässigen
Wettbewerbsbeschränkungen (KG-Sanktionsverordnung, SR 251.5) reduzierend
zu berücksichtigen. Im Übrigen sei die Sanktionshöhe unverhältnismässig (Beschwerde,
Rz. 904 ff.). Darauf ist nachstehend einzugehen.
9.1Kognition
Das Bundesverwaltungsgericht überprüft die bei ihm angefochtenen Verfügungen und Entscheide
grundsätzlich mit uneingeschränkter Kognition (Art. 12, 32, 49 VwVG). Der Vorinstanz kommt
bei der Bestimmung der Sanktionshöhe indes ein Ermessen zu. Zu korrigieren sind Ermessensentscheide,
wenn eine Behörde von dem ihr zustehenden Ermessen einen falschen Gebrauch gemacht hat oder wenn
sich das Ergebnis als offensichtlich unbillig oder in stossender Weise ungerecht erweist, doch hat das
Bundesverwaltungsgericht nicht sein Ermessen anstelle desjenigen der Vorinstanz zu setzen (BVGer, A-330/2007,
12. Juli 2007, E. 4.2, m.w.H.). Nach Art. 62 Abs. 2 VwVG kann eine angefochtene Verfügung wegen
Unangemessenheit grundsätzlich nicht zuungunsten einer Partei geändert werden (ausser im Falle
einer Änderung zugunsten der Gegenpartei). Ein weitergehendes, generelles Verbot der reformatio
in peius wird in der Lehre für das Kartellsanktionsverfahren vereinzelt in Anlehnung an strafprozessuale
Grundsätze postuliert (Niggli/Riedo, Quasi-Strafrecht,
Strafrecht im engeren und weiteren Sinne und "Sozialethisches Unwerturteil", in: Amstutz/Hochreutner/Stoffel
[Hrsg.], Die Praxis des Kartellgesetzes im Spannungsfeld von Recht und Ökonomie, 2011, S. 110 f.).
Allerdings lässt sich gemäss bundesgerichtlicher Rechtsprechung weder aus Art. 29 BV noch aus
Art. 6 Ziff. 1 EMRK eine entsprechendes verfassungsmässiges Recht herleiten (BGE 139 IV 282, E. 2.3.1;
6B_332/2009, 4. August 2009, E. 4.2).
9.2Bemessung
9.2.1 Zur Begründung der geforderten Beschränkung
der Umsatzzahlen auf den Markt für Digitalkameras mit Wechselobjektiv macht die Beschwerdeführerin
geltend, der vorinstanzlich angenommene Gebietsschutz habe sich nur auf diesen Markt bezogen; Belege
für die angebliche Behinderung von Parallelimporten in anderen Produktemärkten habe die Vorinstanz
nicht genannt (Beschwerde, Rz. 911). Zutreffend ist, dass für die Umsatzberechnung auf die von der
Abrede betroffenen relevanten Märkte abzustellen ist (Borer,
a.a.O., Art. 49a KG N. 18). In tatsächlicher Hinsicht ist indes festzuhalten, dass die strittigen
Vertriebsverträge mit Ausnahme der Verträge für
die Kameramodelle "D3S" sowie "D3X" nicht zwischen einzelnen Produkten der Beschwerdeführerin
unterscheiden und folglich für sämtliche Märkte gelten (s.o., E. 3). Die erfolgten Vollzugshandlungen
stellen mithin mangels gegenteiliger Hinweise ein Indiz dar, dass die Einfuhrklauseln in ihrer Gesamtheit
umgesetzt wurden. Entgegen der Darstellung der Beschwerdeführerin beziehen sich die vorinstanzlich
als Beleg für die Umsetzung der Abrede herangezogenen Abmahnungen zudem nicht ausschliesslich auf
Digitalkameras mit Wechselobjektiv. So wird im Schreiben des Geschäftsführers vom 8. Januar
2009 an die deutsche Schwestergesellschaft ausdrücklich auf eine digitale Kompaktkamera Bezug genommen
(Modell "S210"; vgl. Beschwerde, Rz. 911) und wiederholt ohne nähere Spezifizierung
eine generelle Unterbindung von Parallelimporten gefordert (Schreiben vom 8. Januar 2009, U-act. 16,
S. 154: "stop [...] to do such things"; Schreiben
vom 22. Juli 2009, U-act. 2, Beilage 2: "Unsere Bedingungen
für eine mögliche Zusammenarbeit sind immer noch dieselben: 1. Keine Importgeschäfte
2. Keine Exportgeschäfte"). Es kann auf vorstehende Erwägungen verwiesen werden
(E. 7.2.3).
9.2.2 Abzustellen ist nach dem ausdrücklichen Wortlaut
von Art. 3 der KG-Sanktionsverordnung auf den Umsatz, der in der Schweiz erzielt worden ist (vgl. auch
Art. 2 Abs. 2 KG; Borer, a.a.O., Art. 49a KG N. 18). Übereinstimmend
hat dies auch die Vorinstanz festgehalten (angefochtene Verfügung, Rz. 559). Die von ihr genannten
Umsatzzahlen umfassen jedoch nebst den Umsätzen im Inland auch die im Ausland (Malta, Gibraltar,
Italien, Liechtenstein) erzielten, getrennt ausgewiesenen Umsätze der Beschwerdeführerin (vgl.
U-act. 66, Beilage 2). Berücksichtigt man aus derselben Zusammenstellung nur schweizerische Umsätze
der Beschwerdeführerin, ergibt sich ein um (...) % tieferer Basisbetrag. Die Sanktionsberechnung
der Vorinstanz (angefochtene Verfügung, Rz. 573 f.) ist mithin nicht korrekt. Basierend auf den
schweizerischen Umsätzen ergibt sich eine Sanktion in der Höhe von [rund 12 Mio. Fr.].
Die
Beschwerdeführerin hat diesen Umstand zwar nicht gerügt (vgl. Beschwerde, Rz. 911 ff.).
Die
Sanktionsberechnung ist insofern jedoch von Amtes wegen zu korrigieren.
Zwar hat die Vorinstanz die Sanktionsberechnung auch
zugunsten der Beschwerdeführerin insofern
nicht korrekt vorgenommen, als sie auf den Umsatz der
schweizerischen Konzernniederlassung abstellte.
In Anwendung des kartellrechtlichen Unternehmensbegriffs
(s.o., E. 4.1) wäre für die Sanktionsbemessung
grundsätzlich auf den gesamten Konzernumsatz im Inland, nicht bloss denjenigen der schweizerischen
Niederlassung, abzustellen gewesen. Von einer Anpassung zu Ungunsten der Beschwerdeführerin ist
jedoch vorliegend abzusehen, zumal die korrekten Angaben sich nicht aus den Akten ergeben.
9.2.3 Die Vorinstanz hat zur Umsatzberechnung auf die
Zeitspanne von April 2007 bis März 2010 abgestellt (angefochtene Verfügung, Rz. 559, 573).
Eine Begründung bezüglich dieses Zeitraums fehlt in der angefochtenen Verfügung. Art.
49a KG und Art. 3 KG-Sanktionsverordnung sprechen vom Umsatz "in
den letzten drei Geschäftsjahren", ohne nähere Bestimmung des für den relevanten
Zeitrahmen massgebenden Anknüpfungszeitpunkts. Die Vorinstanz
ist von einem für den Vollzug der Abrede massgebenden Zeitraum zwischen Frühjahr 2008 und Herbst
2009 ausgegangen (angefochtene Verfügung, Rz. 344, 568). Wird für die Umsatzberechnung auf
den Zeitpunkt der Aufgabe des sanktionierten Verhaltens abgestellt, sind demnach vorliegend die Geschäftsjahre
2007, 2008 und 2009 massgebend, wobei ein Geschäftsjahr gemäss den von der Beschwerdeführerin
genannten Umsatzzahlen jeweils die Monate April bis März umfasst (U-act. 66, Beilage 2). Dies
deckt sich mit dem von der Vorinstanz der Umsatzberechnung zugrunde gelegten Zeitraum. Derselbe
umsatzrelevante
Zeitraum resultiert in casu, wenn auf den Zeitpunkt der Untersuchungseröffnung Ende
März 2010 abgestellt wird (U-act. 8).
Abweichend davon wird in der Lehre die Auffassung vertreten,
der massgebliche Zeitrahmen sei anhand
des Zeitpunkts der erstinstanzlichen Sanktionsverfügung zu bestimmen (Tagmann/Zirlick,
a.a.O., Art. 49a KG N. 48 KG; Peter Reinert, Handkommentar
zum KG, Art. 49a KG N. 10; ders., Die Sanktionsregelung
gemäss revidiertem Kartellgesetz, S. 158). Dies wäre vorliegend der 28. November 2011,
womit in casu für die Umsatzberechnung die Geschäftsjahre 2009, 2010 und 2011 heranzuziehen
wären. Mit Sinn und Zweck des Gesetzes ist dies allerdings schwer vereinbar. Das gesetzliche Abstellen
auf den Umsatz bezweckt unter anderem ein Abschöpfen einer allfälligen Kartellrendite (vgl.
Botschaft KG-Revision 2003, S. 2037). Dies legt es nahe, die Umsatzberechnung auf einen Zeitraum
abzustützen, der mit dem beanstandeten Verhalten in möglichst engem zeitlichem Zusammenhang
steht. Gleichzeitig wird dadurch die Möglichkeit einer Beeinflussung der Sanktionshöhe durch
"Aushöhlen" des laufenden Umsatzes verhindert (vgl. Botschaft KG-Revision 2003, S. 2037).
Das Bundesverwaltungsgericht hat unlängst festgehalten, vorbehältlich
sachlich begründeter Abweichungen sei der Zeitpunkt der Aufgabe des sanktionierten Verhaltens für
die Umsatzberechnung massgebend (B-7633/2009, Swisscom ADSL, 14. September
2015, Rz. 727 ff.). Die neuere Praxis der EU-Kommission legt der Umsatzberechnung ebenfalls das
letzte Geschäftsjahr zugrunde, in dem das betreffende Unternehmen an der Zuwiderhandlung beteiligt
war (Leitlinien für das Verfahren zur Festsetzung von Geldbussen, in: ABl. 2006 Nr. C-210/2,
Rz. 13).
9.2.4 Nach Art. 4 KG-Sanktionsverordnung ist der umsatzbasierte
Sanktionsbetrag um bis zu fünfzig Prozent zu erhöhen, wenn der Wettbewerbsverstoss zwischen
einem und fünf Jahren gedauert hat, danach erfolgt eine Erhöhung für jedes zusätzliche
Jahr um weitere zehn Prozent. Die Vorinstanz ging von einem für den Vollzug der Abrede massgebenden
Zeitraum zwischen Frühjahr 2008 und Herbst 2009 aus, mithin rund anderthalb Jahre (angefochtene
Verfügung, Rz. 344, 568; s.o., E. 3, 7.2.3). Offen bleiben kann vorliegend, ob die Vorinstanz gemäss
Art. 4 KG-Sanktionsverordnung bei einer Abrededauer von in casu mehr als einem Jahr nicht zwingend
eine
Sanktionserhöhung hätte vornehmen müssen (vgl. BVGer, B-7633/2009, Swisscom
ADSL, 14. September 2015, Rz. 753 ff., m.w.H.). Im Rahmen der Gesamtbeurteilung ist
der vorinstanzliche Verzicht auf eine Erhöhung in casu jedenfalls nicht zu beanstanden, wie
sich
nachstehend ergibt (s.u., E. 9.2.6). Aus der Bestreitung der massgeblichen Dauer (Beschwerde, Rz. 915)
kann die Beschwerdeführerin daher nichts zu ihren Gunsten herleiten.
9.2.5 Die Beschwerdeführerin trägt weiter vor,
die Vorinstanz habe zu Unrecht Milderungsgründe ausser Acht gelassen. So hätte das Nichtergreifen
von Disziplinierungsmassnahmen sanktionsmindernd berücksichtigt werden müssen (Beschwerde,
Rz. 916 ff.), ferner der Umstand, dass in casu kein Gewinn erwirtschaftet worden sei (Beschwerde,
Rz. 906 ff.). Nach Art. 6 Abs. 2 Bst. b KG-Sanktionsverordnung setzt der Milderungsgrund des
Verzichts auf Vergeltungsmassnahmen voraus, dass entsprechende Massnahmen zwischen den Abredepartnern
vereinbart oder angedroht waren (Tagmann/Zirlick, a.a.O.,
Art. 49a KG N. 91; Tagmann, a.a.O., S. 281 f.).
Dass dies in casu der Fall gewesen sei, wird auch von der Beschwerdeführerin nicht behauptet (vgl.
Beschwerde, Rz. 916 ff.). Die Lehre geht überdies davon aus, die zitierte Vorschrift sei
im Kontext von Art. 5 Abs. 2 Bst. b KG-Sanktionsverordnung einschränkend auszulegen:
Die Vereinbarung oder Androhung von Vergeltungsmassnahmen sei als erschwerender Umstand zu berücksichtigen,
der durch die Nichtdurchführung teilweise wettgemacht werde (Tagmann/Zirlick,
a.a.O., Art. 49a KG N. 91; Tagmann, a.a.O.,
S. 281 f.). Zu ihren Gunsten kann die Beschwerdeführerin daher aus Art. 6 Abs. 2 Bst. b
KG-Sanktionsverordnung nichts herleiten. Sodann ist zwar zutreffend, dass der mutmassliche
Gewinn nach
dem Wortlaut von Art. 49a Abs. 1 KG und Art. 2 Abs. 1 KG-Sanktionsverordnung
zwingend zu berücksichtigen ist, soweit er sich als abschätzbar erweist (BVGer, B-7633/2010,
14. September 2015, Swisscom ADSL, Rz. 768 ff.);
dies ist vorliegend jedoch nach der begründeten Auffassung der Vorinstanz (angefochtene Verfügung,
Rz. 557) nicht bzw. nur mit unverhältnismässig grossem Aufwand der Fall, wobei Hinweise auf
einen vom normalen Mass abweichenden Gewinn in casu fehlen. Zudem trifft die Behauptung der Beschwerdeführerin,
der Preisvergleich zwischen In- und Ausland belege, dass aus der Gebietsaufteilung kein Gewinn resultiert
habe, nach dem Gesagten gerade nicht zu; es kann auf vorstehende Erwägungen verwiesen werden (s.o.,
E. 7.5.7).
9.2.6 Die Vorinstanz hat den vorliegenden Verstoss
als
mittelschwer beurteilt und die Sanktion folgerichtig im mittleren Drittel des Sanktionsrahmens angesiedelt
(wobei Art. 50 StGB vorliegend nicht anwendbar ist, s.o., E. 8.1.1; zur Strafzumessung im Strafrecht:
BGE 136 IV 55, E. 5.5 ff.). Zu beachten ist indes, dass die Vorinstanz in der Sache eine Beseitigung
wirksamen Wettbewerbs verneint hat. In der Lehre wird die Auffassung vertreten, dieser Umstand sei sanktionsmindernd
zu berücksichtigen (Tagmann/ Zirlick, a.a.O.,
Art. 49a KG N. 53; Tagmann, a.a.O., S. 232). Dem ist
im Grundsatz zuzustimmen. Es bedeutet jedoch nicht, dass vorliegend von einem leichten Verstoss auszugehen
wäre. Vielmehr erscheint angesichts des systematischen Vorgehens der Beschwerdeführerin, des
betriebenen Kontrollaufwands sowie unter Berücksichtigung der "lediglich" (aber immerhin)
erheblichen Auswirkungen eine Sanktion im mittleren Bereich des Sanktionsrahmens durchaus gerechtfertigt.
Im Übrigen wird der Herabsetzungsgrund vorliegend durch den vorinstanzlichen Verzicht auf eine sanktionserhöhende
Berücksichtigung der Dauer des Verstosses kompensiert (s.o., E. 9.2.4). Die Vorinstanz hat
daher
mit Festlegung des Basisbetrags auf 5 % das ihr zustehende Ermessen im Ergebnis korrekt ausgeübt.
Der daraus resultierende Sanktionsbetrag ist nach dem Gesagten (E. 9.2.1) auf [rund 12 Mio. Fr.]
zu reduzieren.
10. Ergebnis
Zusammenfassend ist in teilweiser Gutheissung der Beschwerde
Dispositivziffer 1 der angefochtenen
Verfügung aufzuheben; Dispositivziffer 2 der angefochtenen Verfügung ist abzuändern und
der Sanktionsbetrag auf [rund 12 Mio. Fr.] zu reduzieren; im Übrigen ist die Beschwerde abzuweisen
bzw. die angefochtene Verfügung zu bestätigen. Soweit die Beschwerdeführerin die Einstellung
der vorinstanzlichen Untersuchung gefordert hat (Antrag Ziff. 2), eventualiter die Rückweisung zur
Einstellung (Antrag Ziff. 3), sind die entsprechenden Anträge zusammen mit den Rechtsbegehren
in der Hauptsache abzuweisen, soweit darauf einzutreten ist.
11. Veröffentlichung
Mit Entscheid vom 15. Oktober 2014 hat das Bundesverwaltungsgericht
die von der Beschwerdeführerin
gegen die Verfügung der Vorinstanz vom 4. Juni 2012 betreffend die Publikation der angefochtenen
Sanktionsverfügung erhobene Beschwerde teilweise gutgeheissen, soweit sich die Beschwerde auf die
Veröffentlichung von Erwägungen der Vorinstanz zum unternehmensinternen Projekt "Clean-up"
sowie auf das Programm "Swiss Garantie" bezog (nicht
Gegenstand des vorliegenden Beschwerdeverfahrens); im Übrigen wurde die Beschwerde abgewiesen (u.a.
in Bezug auf die Veröffentlichung von Auszügen aus der Firmenkorrespondenz: B-3588/2012,
E. 8.3 f.). Mit Urteil vom 26. Mai 2016 hat das Bundesgericht diesen Entscheid bestätigt
(2C_1065/2014). Im vorliegenden Verfahren hat die Beschwerdeführerin keine Geschäftsgeheimnisse
im Sinne von Art. 25 Abs. 4 KG bezeichnet (s.o., E. 2.4). Auf Informationen von Verfahrensbeteiligten,
welche vorinstanzlich als Geschäftsgeheimnisse deklarierten wurden, wird im vorliegenden Urteil
nicht abgestellt, mit Ausnahme der vorinstanzlichen Verfahrenskosten, der Sanktionshöhe sowie der
Parallelimportquote bei Produkten der Beschwerdeführerin. Ein Geheimhaltungsinteresse der Beschwerdeführerin
ist diesbezüglich nicht erkennbar (vgl. BGer, 2C_1065/2014, E. 5.2 f.), zumal die Sanktionshöhe
zwar Rückschlüsse zulässt auf den Umsatz der Beschwerdeführerin, der entsprechende
Betrag den Medien und der Öffentlichkeit aber bereits vorinstanzlich (gerundet) mitgeteilt wurde
(Medienmitteilung vom 15. Dezember 2011); die genannten Importquoten wiederum entstammen einem länger
zurückliegenden und im vorliegenden Urteil nicht weiter spezifizierten Zeitraum (vgl. E. 6.5.7).
Im Übrigen ist in Bezug auf sämtliche Angaben von einem Veröffentlichungsinteresse auszugehen
(vgl. BGer, 2C_1065/2014, E. 4.2; BVGer, B-3588/2012, E. 5.1, 6.4).
12. Kosten und Entschädigung
Die Beschwerdeinstanz auferlegt die Verfahrenskosten
in der Regel der unterliegenden Partei nach
Massgabe ihres Unterliegens (Art. 63 Abs. 1 VwVG; vgl. BGE 132 II 47, E. 3.3;
BVGer, B-7633/2009, 14. September 2015, Swisscom ADSL, Rz. 802,
m.w.H.). Die Spruchgebühr richtet sich nach Umfang und Schwierigkeit der Streitsache, Art der Prozessführung
und finanzieller Lage der Parteien; sie beträgt in vermögensrechtlichen Streitigkeiten maximal
Fr. 50'000.- (Art. 63 Abs. 4bis
Bst. b VwVG). Art. 4 des Reglements des Bundesverwaltungsgerichts vom 21. Februar 2008 über die
Kosten und Entschädigungen vor dem Bundesverwaltungsgericht (VGKE, SR 173.320.2) sieht bei vermögensrechtlichen
Streitigkeiten mit einem Streitwert von über 5 Mio. Fr. eine Gerichtsgebühr von Fr. 15'000.-
bis Fr. 50'000.- vor. Angesichts der angefochtenen Sanktion in der Höhe von rund 12.5 Mio. Fr.,
des grossen Aktenumfangs und ausgedehnten zweitinstanzlichen Schriftenwechsels erscheint es gerechtfertigt,
die Gerichtsgebühr auf Fr. 50'000.- festzusetzen. Da die Beschwerdeführerin lediglich
im Sanktionspunkt in verhältnismässig geringem Umfang teilweise obsiegt und im Hauptpunkt sowie
in den übrigen Punkten unterliegt, erscheint es gerechtfertigt, ihr die Kosten vollumfänglich
aufzuerlegen.
Die Beschwerdeinstanz kann der ganz oder teilweise
obsiegenden Partei von Amtes wegen oder auf Begehren
eine Entschädigung für ihr erwachsene notwendige und verhältnismässig hohe Kosten
zusprechen (Art. 64 Abs. 1 VwVG). Darauf ist vorliegend aus den genannten Gründen zu verzichten.
Der vorinstanzliche Kostenspruch ist unverändert zu belassen.