Bundesverwaltungsgericht
Tribunal administratif fédéral
Tribunale amministrativo
federale
Tribunal administrativ federal
Abteilung II
B-2977/2007{T 1/2}
Urteil
vom 27. April 2010
Besetzung
Richter Hans Urech (Vorsitz), Maria Amgwerd, Stephan Breitenmoser,
Bernard Maitre (Abteilungspräsident) und Vera Marantelli;
Gerichtsschreiber Thomas Reidy.
Parteien
Publigroupe
SA, Avenue Mon-Repos 22, 1005 Lausanne,
Beschwerdeführerin 1,
Publicitas SA, Avenue
Mon-Repos 22, 1005 Lausanne,
Beschwerdeführerin 2,
Publicitas Publimedia AG, Neumühlequai
6, 8001 Zürich,
Beschwerdeführerin 3,
Publicitas Publimag AG, Mürtschenstrasse
39, 8048 Zürich,
Beschwerdeführerin 4,
Publicitas Mosse AG, Mürtschenstrasse
39, 8048 Zürich,
Beschwerdeführerin 5,
Verband Schweizerischer Werbegesellschaften
VSW, Postfach 7203, 1002 Lausanne,
Beschwerdeführer 6,
alle vertreten durch Rechtsanwalt
Dr. iur. Jürg Borer, Schellenberg Wittmer, Löwenstrasse 19, Postfach 1876, 8021 Zürich,
gegen
Wettbewerbskommission
WEKO, Monbijoustrasse 43, 3003 Bern,
Vorinstanz.
Gegenstand
Unzulässige Verhaltensweise
gemäss Art. 7
KG (Sanktion),
Richtlinien des Verbands Schweizerischer Werbegesellschaften
über die Kommissionierung von Berufsvermittlern.
Sachverhalt:
A. Verfahrensbeteiligte
Die
Publigroupe SA (Beschwerdeführerin 1) ist ein internationaler Werbekonzern mit Sitz in Lausanne.
Die Gesellschaft bezweckt, direkt oder durch Beteiligung an anderen Gesellschaften, die Entwicklung und
Vermarktung von Werbung, Inseraten und Reklamen aller Art, die Herausgabe von Zeitungen und Publikationen
sowie die Ausübung aller Tätigkeiten im Zusammenhang mit der Werbung (Art. 2 der Statuten von
Publigroupe vom 22. Juni 2009). Nach eigenen Angaben in ihrem Geschäftsbericht schafft und verkauft
Publigroupe Raum für kommerzielle Kommunikation. Dabei will sie Werbe-Auftraggeber und Agenturen
mit Marketing- und Technologie-Dienstleistungen bei der Umsetzung ihrer Kommunikations- und Medienstrategien
unterstützen.
Seit 1. Januar 2008 weist der Konzern nebst dem Segment "Corporate und Übrige"
vier neue Geschäftssegmente auf: "Search & Find", "Media Sales", "Custom
Publishing" und "Digital & Marketing Services". Das Geschäftssegment "Media
Sales" vereint alle Medien-Vermarktungsaktivitäten der Gruppe, darunter auch die Printmedienaktivitäten,
welche im Bereich Publipresse zusammengefasst sind. Gemäss Angaben der Beschwerdeführer entfielen
im Jahr 2006 vom Gesamtumsatz von CHF 2,084 Mia. CHF 1,495 Mia. (2007: CHF 1,512 Mia. von CHF 2,161 Mia.
Gesamtumsatz; 2005: CHF 1,480 Mia. von CHF 2,015 Mia. Gesamtumsatz; 2004: CHF 1,458 Mia. von CHF 1,981
Mia. Gesamtumsatz) auf den Bereich Publipresse. Dem Bereich Publipresse gehören die vier Tochtergesellschaften
(zu 100 %) Publicitas SA, Publicitas Publimag AG, Publicitas Publimedia AG sowie die Publicitas Mosse
AG an:
Publicitas SA (Beschwerdeführerin 2) ist mit Hilfe eines Netzes von über
100 Filialen und Agenturen in der gesamten Schweiz als Pächterin und Universalvermittlerin für
die Vermittlung von in erster Linie lokalen und regionalen Anzeigen tätig;
Publicitas
Publimedia AG (ehemals: Publimedia AG; Beschwerdeführerin 3) betreut vor allem Grosskunden und für
Grosskunden tätige Werbe- und Medienagenturen für überregionale oder nationale Anzeigenkampagnen;
Publicitas
Publimag AG (ehemals: Publimag AG; Beschwerdeführerin 4) betreut Anzeigenkunden für regional
oder überregional verbreitete Pressemagazine oder Fachzeitschriften (z.B. landwirtschaftliche Presse)
und arbeitet primär mandatsorientiert;
Publicitas Mosse AG (ehemals: Mosse Media AG;
Beschwerdeführerin 5) betreut Anzeigen für Kunden aus den Tourismus-, Freizeit- und Ausbildungsbranchen
in allen Printmedien;
Der Verband Schweizerischer Werbegesellschaften VSW (Beschwerdeführer
6) ist ein Verein im Sinne von Art. 60 ff
.
ZGB. Er setzt sich zur Zeit aus den 4 Werbegesellschaften
Publicitas SA, Publicitas Publimedia AG, Publicitas Publimag AG und Publicitas Mosse AG zusammen, die,
wie erwähnt, 100-prozentige Töchter der Publigroupe AG sind. Alle vier Werbegesellschaften
sind vorwiegend in der Printwerbung tätig. Gemäss eigenen Angaben erstellt der VSW neben seiner
Funktion als Anerkennungsstelle für die Kommissionierung für Berufsvermittler Branchenstatistiken
und unterhält eine Printdatenbank. Er ist zudem in der Lehrlingsausbildung tätig und nimmt
die Interessen der Branche bei anderen Verbänden wahr. Die Richtlinien des VSW über die Kommissionierung
von Berufsvermittlern sind Gegenstand des vorliegend zu beurteilenden Untersuchungsverfahrens der Wettbewerbskommission;
Die
Ad.X AG Ad Broker (nachfolgend: Ad.X AG) ist eine Aktiengesellschaft des schweizerischen Rechts mit Sitz
in Zollikon. Sie bezeichnet sich als unabhängige Werbevermittlerin und bezweckt den Betrieb einer
Annoncenagentur. Die Ad.X AG reichte bei der Wettbewerbskommission am 12. Juli 2001 eine Anzeige gegen
die Kommissionierungspraxis des VSW bzw. der Publigroupe ein.
B. Verfahrensgeschichte
B.a
Dem Sekretariat der Wettbewerbskommission (nachfolgend: Sekretariat) wurde erstmals im Jahre 1997 eine
Anzeige im Zusammenhang mit den VSW-Kommissionierungsrichtlinien eingereicht.
Im Schreiben
vom 28. Januar 1998 an die seinerzeitige Anzeigerin, die IFP AG, führte das Sekretariat aus, die
gerügte Ungleichbehandlung von Universal- und Nicht-Universalvermittlern durch den VSW sei unter
den gegebenen Voraussetzungen legitim, da sie betriebswirtschaftlich rechtfertigbar sei. Daran ändere
auch der Umstand nichts, dass Publicitas mit ihren Tochtergesellschaften auf dem Markt eine sehr starke
Stellung innehabe. Aus kartellrechtlicher Sicht werde es erst dann problematisch, wenn bei solchen Konstellationen
missbräuchliche Verhaltensweisen (z.B. Diskriminierung oder Verweigerung von Geschäftsbeziehungen)
vorliegen würden. Es werde im Moment davon abgesehen, ein formelles Verfahren einzuleiten. Die Praxis
des VSW und diejenige von Publicitas werde aber auch in Zukunft im Auge behalten werden.
Im
Schreiben vom 28. Oktober 1998 an den Rechtsvertreter des VSW bestätigte das Sekretariat diese Auffassung.
Es behielt sich wiederum vor, bei missbräuchlicher Anwendung der Kommissionierungsrichtlinien, gestützt
auf die einschlägigen Bestimmungen des Kartellgesetzes, einzugreifen.
B.b Am 12. Juli 2001
reichte die Ad.X AG beim Sekretariat eine Anzeige gegen den VSW ein. Sie beantragte die Einleitung einer
Untersuchung, eventualiter einer Vorabklärung, da die Weigerung des VSW, die Ad.X AG als kommissionsberechtigte
Vermittlerin anzuerkennen, einen Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung im Sinne von Art. 7
des
Kartellgesetzes vom 6. Oktober 1995 (
KG,
SR 251) darstelle.
Nachdem der VSW diverse ihm vom
Sekretariat unterbreitete Fragen beantwortet hatte, eröffnete Letzteres am 19. Dezember 2001 eine
Vorabklärung gemäss Art. 26
KG.
Am 31. Januar 2002 fand eine Besprechung zwischen
Vertretern des VSW und Mitarbeitern des Sekretariats der Wettbewerbskommission statt.
Mit
Eingabe vom 3. Juni 2002 beantwortete der VSW einen Fragebogen des Sekretariats, insbesondere im Zusammenhang
mit den VSW-Aufnahmebedingungen.
Am 17. Juni 2002 unterbreitete das Sekretariat verschiedenen
führenden Schweizer Verlagen einen Fragebogen zur Beantwortung.
Das Sekretariat eröffnete
im Einvernehmen mit einem Mitglied des Präsidiums am 6. November 2002 eine Untersuchung gemäss
Art. 27
KG gegen Publigroupe bezüglich der VSW-Aufnahmebedingungen. Es bestünden Anhaltspunkte
für eine unzulässige Wettbewerbsbeschränkung im Sinne von Art. 7
KG. Die Eröffnung
der Untersuchung wurde am 20. November 2002 im Schweizerischen Handelsamtsblatt und am 26. November 2002
im Bundesblatt amtlich publiziert (
BBl 2002 7596). Ein kartellrechtswidriges Verhalten wurde Publigroupe
insbesondere bezüglich der Richtlinien zur Kommissionierung von Berufsinseratevermittlern vorgeworfen.
Kritisch betrachtet wurden im Zusammenhang mit dem potenziellen Wettbewerb ebenfalls die Minderheitsbeteiligungen,
welche Publigroupe an diversen sogenannten Eigenregiezeitungen halte.
B.c Im Rahmen der Untersuchung
stellte das Sekretariat der Publigroupe, diversen Zeitungen oder Zeitschriften in Eigenregie, Anzeigenvermittlern,
Werbeagenturen und Zeitungen mit Pachtverträgen Fragebogen zu. Der Anzeigerin Ad.X AG wurde ebenfalls
Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben, auch wenn ihr mit Schreiben vom 29. April 2003 und 16. Februar
2004 mitgeteilt wurde, dass ihr keine Parteistellung nach Art. 6
des Bundesgesetzes vom 20. Dezember
1968 über das Verwaltungsverfahren (
VwVG,
SR 172.021) zuerkannt werden könne.
Am
16. November 2004 stellte das Sekretariat Publigroupe einen Verfügungsentwurf betreffend die Kommissionierung
der Anzeigenvermittler zu. Im Entwurf wurde die Problematik der Minderheitsbeteiligungen ausgeklammert,
da diesbezüglich weitergehende Abklärungen notwendig seien.
Mit Eingabe vom 30.
März 2005 meldeten Publigroupe und der VSW dem Sekretariat unpräjudiziell eine möglicherweise
unzulässige Wettbewerbsbeschränkung gemäss der Übergangsbestimmung zur Änderung
des Kartellgesetzes vom 20. Juni 2003 betreffend die Kommissionierungsrichtlinien von Publigroupe bzw.
des VSW für Universalvermittler.
Anlässlich der Anhörung vom 4. April 2005
vor der Wettbewerbskommission bot Publigroupe insoweit Hand zu einer einvernehmlichen Regelung, als sie
gewillt sei, auf das Kriterium der Universalvermittlung zu verzichten. Sie sei ebenfalls bereit, auf
das "relative" Kriterium zu verzichten, wonach 50 % des Umsatzes aus kommerziellen Inseraten
stammen müssten. Des Weiteren habe sie auch bezüglich der Frage der Umsatzschwellen stets Kulanz
gezeigt.
Am 6. April 2005 bestätigte das Sekretariat den Eingang der "Meldung"
der Publigroupe gemäss Schlussbestimmung zur Änderung des Kartellgesetzes. Es machte darauf
aufmerksam, dass die Frage, inwiefern ein laufendes Verfahren im Sinne der Schlussbestimmung noch gemeldet
werden könne, Gegenstand eines Beschwerdeverfahrens und somit noch nicht rechtskräftig entschieden
sei.
Am 13. April 2005 unterbreitete Publigroupe der Wettbewerbskommission einen konkret ausformulierten
Vorschlag für die Anpassung der fraglichen Richtlinien.
Mit Schreiben vom 27. April 2005
teilte das Sekretariat dem Rechtsvertreter von Publigroupe mit, es sei von der Wettbewerbskommission
beauftragt worden, auf eine einvernehmliche Regelung hinzuwirken, welche den kartellrechtlichen Bedenken
umfassend Rechnung trage. Die vorgeschlagene Regelung sei nicht ausreichend, um das mutmasslich missbräuchliche
Verhalten von Publigroupe zu beseitigen.
Im Anschluss an die Besprechungen vom 20. Mai 2005
und 11. August 2005 reichte Publigroupe am 5. Juli 2005 bzw. am 31. August 2005 je einen überarbeiteten
Entwurf künftiger Kommissionierungsrichtlinien ein.
Am 26. September 2005 unterbreitete
das Sekretariat Publigroupe - unter dem Vorbehalt der Genehmigung durch die Wettbewerbskommission - einen
Vorschlag für eine einvernehmliche Regelung nach Art. 29 Abs. 1
KG. Nach der Stellungnahme von Publigroupe
vom 31. Oktober 2005 überarbeitete das Sekretariat die einvernehmliche Regelung und stellte Publigroupe
die neue Fassung am 14. November 2005 zu. Gleichzeitig wurde Publigroupe darauf aufmerksam gemacht, dass
die Wettbewerbskommission trotz ihrer als "Meldung" betitelten Eingabe vom 30. März 2005
auch über eine mögliche Sanktionierung von Publigroupe zu entscheiden habe.
Die
überarbeitete Version der einvernehmlichen Regelung wurde am 17. November 2005 einem Markttest unterzogen,
damit die von der Regelung unmittelbar betroffenen Unternehmen dazu Stellung nehmen konnten. In der Folge
liessen sich insgesamt 20 der angefragten Unternehmen vernehmen.
Mit Schreiben vom 30. November
2005 erklärte sich Publigroupe grundsätzlich mit dem Vorschlag des Sekretariats für eine
einvernehmliche Regelung einverstanden. Das Einverständnis sei jedoch an die Bedingung geknüpft,
dass ihr ausdrücklich und formell bestätigt werde, dass ihr Entwurf für Richtlinien des
VSW über die Kommissionierung von Berufsvermittlern vom 31. August 2005 den in der einvernehmlichen
Regelung formulierten Grundsätzen vollumfänglich entspreche und kartellrechtlich nicht zu beanstanden
sei. Im erwähnten Schreiben nahm Publigroupe ebenfalls zu der Anzeige der Unio AG - einer Berufs-Inseratevermittlerin
- vom 3. November 2005 an das Sekretariat Stellung, worin diese sich über die Weigerung von Publigroupe,
einen Entscheid über die Kommissionsberechtigung der Unio AG zu fällen, beschwert hatte. Publigroupe
wies in diesem Zusammenhang darauf hin, dass der Unio AG mittlerweile "in antizipierter Anwendung
der erst im Entwurf vorliegenden neuen Richtlinien die Anerkennung als kommissionsberechtigte Vermittlerin"
ab dem 1. Januar 2006 zugesichert worden sei.
Mit Hinweis auf die bundesgerichtliche Rechtsprechung
teilte das Sekretariat Publigroupe mit Schreiben vom 13. Dezember 2005 mit, sie unterstehe der direkten
Sanktionierbarkeit nach Art. 49a Abs. 1
KG, falls die Wettbewerbskommission zum Schluss gelange, es sei
im Umstand, dass Publigroupe auf die ihr im Verfügungsentwurf zur Last gelegten Verhaltensweisen
nicht verzichtet habe, eine Wettbewerbsbeschränkung im Sinne von Art. 7
KG zu erblicken.
Am
23. Dezember 2005 bestritt Publigroupe den Vorwurf des Sekretariats, sie habe darauf verzichtet, die
ihr im Verfügungsentwurf zur Last gelegten Verhaltensweisen aufzugeben. Unter anderem habe sich
Publigroupe anlässlich der Anhörung vor der Wettbewerbskommission am 4. April 2005 ausdrücklich
bereit erklärt, gewisse Verhaltensweisen abzuändern.
Am 6. Februar 2006 teilte das
Sekretariat Publigroupe die Ergebnisse des Markttests mit und übermittelte ihr zugleich die definitive
Fassung der einvernehmlichen Regelung unter Vorbehalt der Zustimmung durch die Wettbewerbskommission.
Am
22. Mai 2006 anerkannte der VSW die Ad.X AG als kommissionsberechtigte Berufsvermittlerin mit Wirkung
ab 1. Juni 2006. Von der Anerkennung ausgenommen blieben die Umsätze der Ad.X AG mit Mercuri Urval,
und zwar bis zum Nachweis, dass Letztere rechtlich und wirtschaftlich von der Ad.X AG unabhängig
sei.
Mit Schreiben vom 10. Juli 2006 unterbreitete das Sekretariat seinen überarbeiteten
zweiten Antrag an die Wettbewerbskommission Publigroupe zur Stellungnahme.
Innert erstreckter
Frist nahm Publigroupe am 20. September 2006 zum Verfügungsentwurf Stellung. Nebst der Genehmigung
der einvernehmlichen Regelung entsprechend dem Antrag des Sekretariats beantragte sie, es sei das Untersuchungsverfahren
vorbehaltlos einzustellen und insbesondere auf die Feststellung einer Marktbeherrschung und eines Marktmissbrauchs
sowie auf die Verhängung einer Sanktion zu verzichten.
Am 6. November 2006 fand vor der
Wettbewerbskommission zur Frage der Sanktionierung eine Anhörung statt.
C. Zusammenfassung
der angefochtenen Verfügung
C.a Am 5. März 2007 erliess die Wettbewerbskommission in
der Untersuchung betreffend Richtlinien des VSW über die Kommissionierung von Berufsvermittlern
eine Verfügung (Versand: 19. März 2007; Zustellung: 21. März; veröffentlicht in:
RPW 2007/2, S. 190 ff.) mit folgendem Dispositiv:
"1. Es wird festgestellt, dass Publigroupe
SA mittels ihrer Tochtergesellschaften Publicitas SA, Publimedia AG, Publimag AG und Mosse Media AG sowie
des Verbandes Schweizerischer Werbegesellschaften im Markt für die Vermittlung und den Verkauf von
Inserate- und Werberaum in Printmedien in der Schweiz eine marktbeherrschende Stellung innehat.
2.
Es wird festgestellt, dass die Publigroupe mittels Publicitas SA, Publimedia AG, Publimag AG, Mosse
Media AG und dem Verband Schweizerischer Werbegesellschaften ihre marktbeherrschende Stellung gemäss
Ziff. 1 missbrauchte, indem sie sich durch Ziff. 2.2 Abs. 1, Ziff. 2.2 Abs. 2 und Ziff. 2.5 der Richtlinien
des VSW über die Kommissionierung von Berufs-Inseratevermittlern weigerte, Vermittler zu kommissionieren
und diese dadurch nach Art. 7 Abs. 1
KG in der Aufnahme und der Ausübung des Wettbewerbs behinderte
und gegenüber anderen unabhängigen Vermittlern diskriminierte.
3. Publigroupe
SA wird für das unter Ziff. 2 dieses Dispositivs genannte Verhalten gestützt auf Art. 49a Abs.
1
KG mit einem Betrag von CHF 2.5 Mio. belastet.
4. Die Wettbewerbskommission genehmigt
im Sinne einer einvernehmlichen Regelung die nachstehende Verpflichtungserklärung der Publigroupe
SA, Publicitas SA, Publimedia AG, Publimag AG, Mosse Media AG und dem Verband Schweizerischer Werbegesellschaften
vom 30. November 2005:
Richtlinie für Kommissionierung von Inseratevermittlern
1.
Grundsatz
Die Publigroupe, ihre im Verkauf von Inserateraum für Printmedien gestützt
auf Pachtverträge mit Verlagen tätigen Tochtergesellschaften sowie der Verband Schweizerischer
Werbegesellschaften verpflichten sich, bei der Kommissionierung von Vermittlern, welche durch die Schaffung
und Aufrechterhaltung einer professionellen Verkaufsorganisation den Verkauf von Inserate- und Werberaum
in Pachttiteln aktiv fördern, keine diskriminierenden Kriterien anzuwenden und keine übermässigen
Markteintrittsbarrieren für neu in den Vermittlungsmarkt eintretende Unternehmen zu errichten.
2.
Minimalanforderungen
Die vorliegende Vereinbarung statuiert nachfolgend in Ziff. 4 bis 7 Minimalanforderungen,
welchen künftige Richtlinien über die Kommissionierung von Berufsvermittlern bzw. zu diesem
Zweck erlassene Verträge, vorformulierte Vertragsbestimmungen, interne Vorgaben oder ähnliches
(nachfolgend einheitlich: Kommissionierungsrichtlinien) zu genügen haben.
3. Umschreibung
der Vermittlungsleistung
Die Kommissionierungsrichtlinien umschreiben die kommissionierungsberechtigte
Vermittlungsleistung, d.h. die mit dem Verkauf von Inserateraum verbundenen Dienstleistungen, in positiver
Weise und knüpfen nicht an formelle Eigenschaften des Leistungserbringers an.
4. Kommissionierung
von Spartenvermittlern
Die Kommissionierungsrichtlinien der Publigroupe enthalten keine Bestimmungen,
welche Vermittler, die ihre Vermittlungstätigkeit auf eine oder mehrere spezielle Rubriken beschränken
(sog. Spartenvermittler), aufgrund dieser Eigenschaft von einer Kommissionierung ohne sachliche Gründe
ausschliessen.
5. Kommissionierung von Vermittlern in Nebentätigkeit und/oder zum Nebenzweck
Die
Kommissionierungsrichtlinien der Publigroupe enthalten keine Bestimmungen, welche Vermittler, welche
die Vermittlungstätigkeit in Nebentätigkeit oder zum Nebenzweck betreiben, ohne sachlichen
Grund aufgrund dieser Eigenschaft von einer Kommissionierung ausschliessen.
6. Kommissionierung
von rechtlich oder wirtschaftlich abhängigen Vermittlern
Rechtlich oder wirtschaftlich
abhängige Vermittler sind für die Vermittlung von all denjenigen Inseraten zu kommissionieren,
welche nicht vom Unternehmen, von welchem sie rechtlich oder wirtschaftlich abhängig sind, stammen.
7.
Keine Anerkennung von Werbe-, Media- und PR-Beratern als Inseratevermittler
Die Kommissionierungsrichtlinien
dürfen eine Bestimmung enthalten, wonach Unternehmen, die als Vertreter von Inserenten oder als
Berater - insbesondere Werbe-, Media- oder PR-Berater - tätig sind, nicht als Berufsvermittler anerkannt
werden.
8. Mindestumsatzvorschriften
Mindestumsatzvorschriften sind zulässig,
soweit sie keine übermässige Marktzutrittsschranke für neu in den Markt eintretende Unternehmen
darstellen. Eine Mindestumsatzvorschrift, wonach ein Nettoumsatz von mindestens CHF 100'000.- mit Pachttiteln
von VSW-Mitgliedern erzielt werden muss, wird als zulässig erachtet. Die Kommissionierungsrichtlinien
gewähren neu in den Markt eintretenden Unternehmen eine Karenzfrist von mindestens 2 Jahren, bevor
das Mindestumsatzerfordernis erfüllt sein muss.
9. Verfahrensabschluss
Vorbehaltlich
der Genehmigung dieser Vereinbarung durch die Weko wird das Verfahren gegen die Publigroupe abgeschlossen.
Vorbehalten
bleibt der pflichtgemässe Vollzug dieser Vereinbarung.
5. Zuwiderhandlungen gegen
diese einvernehmliche Regelung können mit Sanktionen gemäss Art. 50
bzw. 54
KG belegt werden.
6.
Die Wettbewerbskommission behält sich vor, die Einhaltung der einvernehmlichen Regelung zu
kontrollieren und die hierfür erforderlichen Auskünfte und Unterlagen einzuholen.
7.
Die Verfahrenskosten von insgesamt CHF (...) werden den Adressatinnen der Verfügung unter solidarischer
Haftung auferlegt.
8. [Rechtsmittelbelehrung]
9. [Eröffnung]"
C.b
Zur Begründung führte die Wettbewerbskommission zunächst aus, es sei bei der Beurteilung
der Marktstärke von Publigroupe vom Markt für die Vermittlung und den Verkauf von Inserate-
und Werberaum in Printmedien in der Schweiz auszugehen.
C.c In Bezug auf die Beurteilung der Marktstärke
von Publigroupe hielt die Wettbewerbskommission fest, dass im relevanten Markt kein ausreichender aktueller
Wettbewerb vorhanden sei. Dies ergebe sich aufgrund des hohen Marktanteils von Publigroupe, der unausgeglichenen
Marktanteilsverteilung und der strukturellen Vorteile von Publigroupe (Netzwerk, Minderheitsbeteiligungen,
Finanzkraft). Auch vermöge keine ausreichende disziplinierende Wirkung von alternativen Werbeträgern
(z.B. Internet als Werbemedium) oder von vertikalem Marktdruck durch die Verlage oder der Marktgegenseite
auf Publigroupe auszugehen. Hinsichtlich eines allfälligen potenziellen Wettbewerbs sei einerseits
festzustellen, dass die Möglichkeit der Verlage, sich aus dem Pachtvertrag mit Publigroupe zu lösen
und ihren Inserate- und Werberaum in Eigenregie zu vermarkten, keinen genügenden Wettbewerbsdruck
auf Publigroupe auszuüben vermöge. Andererseits sei auch das Wachstumspotential der bestehenden
unabhängigen Vermittler begrenzt und es sei kaum mit dem Eintritt neuer Unternehmen zu rechnen.
Die vom potenziellen Wettbewerb durch unabhängige Vermittler ausgehende disziplinierende Wirkung
sei aufgrund diverser struktureller Faktoren (exklusive Pachtverträge von Publigroupe, unwahrscheinlicher
Systemwechsel zur Eigenregie, Kosten für den Aufbau eines Filialnetzwerks) gering.
C.d Publigroupe
habe ihre marktbeherrschende Stellung im Sinne von Art. 7
KG missbraucht, indem sie unabhängige
Vermittler in der Aufnahme bzw. Ausübung des Wettbewerbs behindert habe. Insbesondere habe sie in
ihrer Eigenschaft als Pächterin unabhängige Vermittler nicht kommissioniert, wenn diese nicht
Inserate von mehreren juristisch und wirtschaftlich voneinander unabhängigen Auftraggebern vermittelt
hätten, wenn sie Spartenvermittler oder Vermittler in Nebentätigkeit gewesen seien, wenn sie
Vorgaben über ein Mindestgeschäftsvolumen nicht erreicht hätten oder nicht mindestens
die Hälfte des Umsatzes von kommerziellen Inseraten stammen würden.
C.e Mit dem Abschluss
einer einvernehmlichen Regelung mit Publigroupe werde den bisherigen rechtsmissbräuchlichen Verhaltensweisen
vollumfänglich Rechnung getragen. Diese stelle im Sinne von Minimalanforderungen an künftige
Richtlinien sicher, dass nicht Unternehmen aufgrund sachfremder formeller Kriterien von einer Kommissionierung
ausgeschlossen würden.
C.f Der von der Wettbewerbskommission festgestellte Missbrauch der
marktbeherrschenden Stellung von Publigroupe unterliege seit Inkrafttreten der KG-Revision im Jahr 2003
per 1. April 2004 der direkten Sanktionierbarkeit nach Art. 49a
KG. Da Publigroupe nicht alles Notwendige
vorgekehrt habe, damit ihre verantwortlichen Abteilungen, Organe und Angestellten die Diskriminierung
nicht kommissionierter Vermittler beendet hätten, liege zumindest eine fahrlässige Sorgfaltspflichtverletzung
bzw. ein Organisationsverschulden von Publigroupe vor. Dieses Verhalten sei unabhängig vom Abschluss
einer einvernehmlichen Regelung direkt zu sanktionieren. Eine sanktionsbefreiende Meldung gemäss
Übergangsbestimmung sei nicht möglich gewesen.
Insgesamt erweise sich ein anhand
der Umsätze im relevanten Markt errechneter Basisbetrag im oberen Drittel des Sanktionsrahmens den
Besonderheiten des vorliegenden Falles als nicht angemessen. Art und Schwere der Zuwiderhandlung seien
aufgrund der beschränkten Marktwirkung der VSW-Richtlinien insgesamt als gering einzustufen. Die
relevante Dauer betrage weniger als zwei Jahre und sanktionserhöhende Umstände lägen keine
vor. Als sanktionsmildernd sei die kooperative Ausarbeitung einer einvernehmlichen Regelung zu berücksichtigen.
Sämtliche Umstände rechtfertigten eine Sanktion in der Höhe von CHF 2,5 Mio.
D.
Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht
D.a Gegen diese Verfügung erhoben die Beschwerdeführer
1-6 am 2. Mai 2007 Beschwerde beim Bundesverwaltungsgericht.
Sie stellen folgende Rechtsbegehren:
"Es
seien die Ziffern 1, 2, 3 und 7 des Dispositivs der Verfügung der Wettbewerbskommission vom 5. März
2007 aufzuheben
unter Kosten- und Entschädigungsfolgen zulasten der Beschwerdegegnerin."
D.b
In der Begründung rügen die Beschwerdeführer in formeller Hinsicht die Vorgehensweise
der Wettbewerbskommission in Bezug auf die Unterscheidung zwischen dem Unternehmensbegriff (Publigroupe
als Konzernobergesellschaft) und den Adressaten der Verfügung (zu Publigroupe gehörende Konzerngesellschaften
als "Anordnungssubjekte" des Verfahrens). Zudem sei gegenüber den Beschwerdeführern
2-6 weder jemals formell ein Untersuchungsverfahren eröffnet noch seien ihnen irgendwelche Verfahrensrechte
eingeräumt worden. Darüber hinaus seien der rechtserhebliche Sachverhalt zum Teil unrichtig
festgestellt und das rechtliche Gehör verletzt worden.
D.c In materieller Hinsicht bemängeln
die Beschwerdeführer, dass das vorliegende Verfahren nicht mit der einvernehmlichen Regelung definitiv
abgeschlossen worden sei. Einerseits sei in den Jahren 1997 und 1998 die später als missbräuchlich
qualifizierte Praxis des Beschwerdeführers 6 ausdrücklich als rechtmässig anerkannt worden.
Zudem habe die Wettbewerbskommission sowohl bei der Formulierung des Inhalts der einvernehmlichen Regelung
als auch bei deren Genehmigung den definitiven Verfahrensabschluss festgehalten. Für weitere Feststellungen
und Anordnungen habe kein Raum bestanden. Die Sanktionierung verstosse gegen den Vertrauensgrundsatz,
den Grundsatz der Gleichbehandlung und stehe im Widerspruch zu der vereinbarten und genehmigten einvernehmlichen
Regelung.
Die Beschwerdeführerin 1 habe sich auch nicht missbräuchlich verhalten.
Zum Einen habe sie im Verlaufe des Verfahrens bezüglich der Kriterien Unabhängigkeit und Nicht-Kommissionierung
von anerkannten Beratern den Nachweis erbracht, dass diese Kriterien sachlich gerechtfertigt seien. Weiter
seien die im Rahmen der einvernehmlichen Regelung abgeänderten Kriterien der Universalvermittlung
und der Umsatzschwelle vom Sekretariat bereits in den Jahren 1997 und 1998 als kartellgesetzkonform bezeichnet
worden, weil der Beschwerdeführer 6 dafür sachliche Gründe habe vorlegen können.
Auch dürfe jedes Unternehmen bei der Auswahl seiner Vertriebspartner bestimmte Selektionskriterien
anwenden. Selektionskriterien, welche wie im Falle des selektiven Vertriebs die Verkaufsförderung
für das Produkteportfolio unterstützten, könnten in keinem Fall als missbräuchlich
angesehen werden. Schliesslich entspreche die Kommissionierung von Berufsvermittlern einem selektiven
Vertriebssystem, und die Kommissionierungsvoraussetzungen entsprächen kartellrechtlich zulässigen
qualitativen Selektionskriterien.
Die Beschwerdeführer führen weiter aus, dass sie
auch nicht marktbeherrschend seien. Bei einer korrekten, auf den Gesamtwerbemarkt bezogenen Marktabgrenzung
reiche der Marktanteil der Beschwerdeführer nicht aus, um sich gegenüber anderen Marktteilnehmern
unabhängig verhalten zu können. Selbst bei einer unzulässigen Beschränkung des relevanten
Markts auf die Vermittlung und den Verkauf von Inserate- und Werberaum in Printmedien liege keine Marktbeherrschung
vor, da die den Beschwerdeführern gegenüberstehenden Verlage ein unabhängiges Verhalten
von Publigroupe nicht zuliessen und die Verlage ohnehin die Konditionenhoheit innehätten.
D.d
Im vorliegenden Verfahren liessen sowohl der Abschluss einer einvernehmlichen Regelung als auch der
Grundsatz von Treu und Glauben eine Sanktionierung der Beschwerdeführer nicht zu. Auch sei die Sanktionsbemessung
nicht nachvollziehbar. In Bezug auf die Vorwerfbarkeit des fraglichen Verhaltens werde nicht ersichtlich,
welchem der sechs gemeinsam zur Bezahlung einer Sanktion verpflichteten Beschwerdeführer jeweils
welches missbräuchliche Verhalten vorgeworfen werde.
D.e Mit Schreiben vom 29. Juni 2007 verzichtete
die Ad.X AG auf die Einreichung einer Stellungnahme.
D.f Mit Vernehmlassung vom 2. Juli 2007 beantragt
die Wettbewerbskommission dem Bundesverwaltungsgericht die Abweisung der Beschwerde unter Kostenfolge.
D.g
Am 10. Oktober 2007 replizierten die Beschwerdeführer auf die Vernehmlassung der Vorinstanz und
hielten an den in der Beschwerde gestellten Anträgen fest. Darauf reichte die Vorinstanz am 5. November
2007 die Duplik ein, welche das Bundesverwaltungsgericht den Beschwerdeführern mit Zwischenverfügung
vom 16. November 2007 zur Kenntnis brachte.
D.h Die Beschwerdeführer reichten am 20. März
2009 unaufgefordert eine weitere Eingabe ein. Die darin aufgezeigten Verschiebungen bei den Marktverhältnissen
würden belegen, dass sich die Feststellungen der Wettbewerbskommission zur Frage der Marktbeherrschung
auf falsche Tatsachen stützten.
In ihrer Stellungnahme vom 23. April 2009 hielt die Vorinstanz
an ihrem Antrag, die Beschwerde sei abzuweisen, fest. Bei den Vorbringen der Beschwerdeführer handle
es sich um neue Entwicklungen. Massgebend sei jedoch der Sachverhalt, wie er sich zum Zeitpunkt des Verfügungserlasses
dargestellt habe. Die geltend gemachten Einbussen im Anzeigengeschäft seien ein konjunkturelles
Problem und beträfen somit alle Wettbewerber. Aus den Ausführungen der Beschwerdeführer
könne nicht geschlossen werden, dass sie Marktanteile verloren und sich entsprechend ihre Marktstellung
geändert habe.
D.i Am 5. Februar 2010 reichten die Beschwerdeführer eine Kostennote ein.
D.j
Auf die dargelegten und die weiteren Vorbringen der Verfahrensbeteiligten wird, soweit sie rechtserheblich
sind, in den nachfolgenden Erwägungen eingegangen.
Das Bundesverwaltungsgericht zieht
in Erwägung:
1. Prozessvoraussetzungen
Das Bundesverwaltungsgericht prüft
von Amtes wegen und mit freier Kognition, ob die Sachurteilsvoraussetzungen erfüllt sind und ob
auf eine Beschwerde einzutreten ist (vgl.
BVGE 2007/6 E. 1, m.w.H.).
1.1 Sachzuständigkeit
und Anfechtungsobjekt
Das Bundesverwaltungsgericht beurteilt gemäss Art. 31
des Verwaltungsgerichtsgesetzes
vom 17. Juni 2005 (
VGG,
SR 173.32) Beschwerden gegen Verfügungen nach Art. 5
VwVG (zitiert im Sachverhalt
unter B.c). Gemeint sind Anordnungen im Einzelfall, d.h. individuelle, an den Einzelnen gerichtete Hoheitsakte,
durch welche ein konkretes verwaltungsrechtliches Rechtsverhältnis rechtsgestaltend oder feststellend
in erzwingbarer Weise geregelt wird (vgl. Felix Uhlmann, in: Waldmann/Weissenberger [Hrsg.], Praxiskommentar
zum Bundesgesetz über das Verwaltungsverfahren, Zürich 2009, N. 20 zu Art. 5
VwVG, m.w.H.).
Der
angefochtene Entscheid vom 5. März 2007 (Versanddatum: 19. März 2007), der die Beschwerdeführerin
1 unter anderem zur Bezahlung einer Verwaltungssanktion von CHF 2,5 Mio. und sämtliche Beschwerdeführer
unter solidarischer Haftbarkeit zu Verfahrenskosten von CHF (...) verpflichtet, ist eine Verfügung
im Sinne von Art. 5 Abs. 1 Bst. a
VwVG. Da das Bundesverwaltungsgericht nach Art. 31
VGG Beschwerden
gegen solche Verfügungen beurteilt, ist es nach Art. 33 Bst. f
VGG (i.V.m. Art. 47 Abs. 1 Bst. b
VwVG) für die Behandlung der vorliegenden Streitsache zuständig, zumal keine Ausnahme nach
Art. 32
VGG vorliegt.
1.2 Beschwerdelegitimation
Die Beschwerdeführer sind
Adressaten der Verfügung vom 5. März 2007 und haben entweder am Verfahren vor der Wettbewerbskommission
teilgenommen (Beschwerdeführerin 1) oder sie rügen, es sei gegen die Beschwerdeführer
2-6 weder formell ein Untersuchungsverfahren eröffnet noch seien ihnen irgendwelche Verfahrensrechte
eingeräumt worden. Sämtliche Beschwerdeführer erfüllen somit die Voraussetzung von
Art. 48 Abs. 1 Bst. a
VwVG. Zudem sind sämtliche Beschwerdeführer durch die angefochtene Verfügung
besonders berührt (Bst. b) und haben ein als schutzwürdig anzuerkennendes Interesse an deren
Aufhebung oder Änderung (Bst. c). Die Beschwerdeführer sind damit zur Beschwerde legitimiert
(Art. 48 Abs. 1
VwVG).
1.3 Übrige Eintretensvoraussetzungen
Eingabefrist
und -form sind gewahrt (Art. 50
und 52 Abs. 1
VwVG), der Vertreter hat sich rechtsgenüglich ausgewiesen
(Art. 11
VwVG), die Kostenvorschüsse wurden fristgemäss bezahlt (Art. 63 Abs. 4
VwVG) und die
übrigen Sachurteilsvoraussetzungen liegen vor (Art. 46 ff
. VwVG).
Auf die Beschwerde
ist daher einzutreten.
2. Streitgegenstand
Die Beschwerdeführer fechten die Dispositiv-Ziffern
1, 2, 3 und 7 der vorinstanzlichen Verfügung an. Streitgegenstand sind somit die Feststellungen
der Vorinstanz, dass Publigroupe mittels ihrer Tochtergesellschaften (Beschwerdeführerinnen 2-5)
sowie mittels des VSW (Beschwerdeführer 6) im Markt für die Vermittlung und den Verkauf von
Inserate- und Werberaum in Printmedien in der Schweiz eine marktbeherrschende Stellung innehabe und diese
Stellung missbraucht habe, indem sie sich mittels der Richtlinien des VSW über die Kommissionierung
von Berufsinseratevermittlern geweigert habe, Vermittler zu kommissionieren. Ebenfalls im Streit liegen
die Verhängung einer Sanktion über CHF 2,5 Mio. sowie die Auferlegung und die Höhe der
Verfahrenskosten von insgesamt CHF (...).
Demgegenüber wird die von der Vorinstanz in
der Verfügung genehmigte einvernehmliche Regelung mangels eines entsprechenden Antrags nicht zu
prüfen sein.
3. Anwendbares Recht
Die angefochtene Verfügung erging gestützt
auf das Kartellgesetz. Dieses Gesetz bezweckt, volkswirtschaftlich oder sozial schädliche Auswirkungen
von Kartellen und anderen Wettbewerbsbeschränkungen zu verhindern und damit den Wettbewerb im Interesse
einer freiheitlichen marktwirtschaftlichen Ordnung zu fördern (Art. 1
KG).
Das Kartellgesetz
gilt für Unternehmen des privaten und des öffentlichen Rechts, die Kartell- oder andere Wettbewerbsabreden
treffen, Marktmacht ausüben oder sich an Unternehmenszusammenschlüssen beteiligen (Art. 2 Abs.
1
KG). Als Unternehmen gelten sämtliche Nachfrager oder Anbieter von Gütern und Dienstleistungen
im Wirtschaftsprozess, unabhängig von ihrer Rechts- oder Organisationsform (Art. 2 Abs. 1bis
KG).
Als
marktbeherrschende Unternehmen gelten einzelne oder mehrere Unternehmen, die auf einem Markt als Anbieter
oder Nachfrager in der Lage sind, sich von anderen Marktteilnehmern (Mitbewerbern, Anbietern oder Nachfragern)
in wesentlichem Umfang unabhängig zu verhalten (Art. 4 Abs. 2
KG).
Marktbeherrschende
Unternehmen verhalten sich unzulässig, wenn sie durch den Missbrauch ihrer Stellung auf dem Markt
andere Unternehmen bei der Aufnahme oder Ausübung des Wettbewerbs behindern oder die Marktgegenseite
benachteiligen (Art. 7 Abs. 1
KG). Als solche Verhaltensweisen fallen unter anderem in Betracht: (a)
die Verweigerung von Geschäftsbeziehungen (z.B. Liefer- oder Bezugssperren); (b) die Diskriminierung
von Handelspartnern bei Preisen oder sonstigen Geschäftsbedingungen; (c) die Erzwingung unangemessener
Preise oder sonstiger unangemessener Geschäftsbedingungen (Art. 7 Abs. 2 Bst. a
- c
KG).
Die
Wettbewerbskommission trifft die Entscheide und erlässt die Verfügungen, die nicht ausdrücklich
einer anderen Behörde vorbehalten sind (Art. 18 Abs. 3
Satz 1
KG). Bestehen Anhaltspunkte für
eine unzulässige Wettbewerbsbeschränkung, so eröffnet das Sekretariat im Einvernehmen
mit einem Mitglied des Präsidiums eine Untersuchung (Art. 27 Abs. 1
Satz 1
KG).
Die Wettbewerbskommission
entscheidet auf Antrag des Sekretariats mit Verfügung über die zu treffenden Massnahmen oder
die Genehmigung einer einvernehmlichen Regelung (Art. 30 Abs. 1
KG). Die am Verfahren Beteiligten können
schriftlich zum Antrag des Sekretariats Stellung nehmen. Die Wettbewerbskommission kann eine Anhörung
beschliessen und das Sekretariat mit zusätzlichen Untersuchungsmassnahmen beauftragen (Art. 30 Abs.
2
KG).
Nach dem am 1. April 2004 in Kraft getretenen Art. 49a
KG (
AS 2004 1387 f.) können
Unternehmen bei gewissen unzulässigen Wettbewerbsbeschränkungen direkt mit Sanktionen belastet
werden, wobei Abs. 1 vorsieht:
"Ein Unternehmen, das an einer unzulässigen Abrede nach
Artikel 5 Absätze 3 und 4 beteiligt ist oder sich nach Artikel 7 unzulässig verhält, wird
mit einem Betrag bis zu 10 Prozent des in den letzten drei Geschäftsjahren in der Schweiz erzielten
Umsatzes belastet. Artikel 9 Absatz 3 ist sinngemäss anwendbar. Der Betrag bemisst sich nach der
Dauer und der Schwere des unzulässigen Verhaltens. Der mutmassliche Gewinn, den das Unternehmen
dadurch erzielt hat, ist angemessen zu berücksichtigen."
Wenn das Unternehmen an
der Aufdeckung und der Beseitigung der Wettbewerbsbeschränkung mitwirkt, kann auf eine Belastung
ganz oder teilweise verzichtet werden (Art. 49a Abs. 2
KG; sog. "Bonusregelung"). Nach Abs.
3 Bst. a von Art. 49a
KG entfällt diese Belastung insbesondere dann, wenn das Unternehmen die Wettbewerbsbeschränkung
meldet, bevor diese Wirkung entfaltet. Wird dem Unternehmen innert fünf Monaten nach der Meldung
die Eröffnung eines Verfahrens nach den Art. 26-30 mitgeteilt und hält es danach an der Wettbewerbsbeschränkung
fest, entfällt die Belastung nicht.
Die Schlussbestimmung zur Änderung des Kartellgesetzes
vom 20. Juni 2003 (
AS 2004 1385,
BBl 2002 2022, 5506) hält fest:
"Wird eine bestehende
Wettbewerbsbeschränkung innert eines Jahres nach Inkrafttreten von Artikel 49a gemeldet oder aufgelöst,
so entfällt eine Belastung nach dieser Bestimmung."
Auf die Verfahren sind die Bestimmungen
des VwVG anwendbar, soweit das Kartellgesetz davon nicht abweicht (Art. 39
KG).
Die Behörde
stellt den Sachverhalt von Amtes wegen fest (Art. 12
VwVG). Beteiligte an Abreden, marktmächtige
Unternehmen, Beteiligte an Zusammenschlüssen sowie betroffene Dritte haben den Wettbewerbsbehörden
alle für deren Abklärungen erforderlichen Auskünfte zu erteilen und die notwendigen Urkunden
vorzulegen. Das Recht zur Verweigerung der Auskunft richtet sich nach Art. 16
VwVG (Art. 40
KG).
4.
Verfügungsadressaten
In formeller Hinsicht rügen die Beschwerdeführer die
Vorgehensweise der Wettbewerbskommission bezüglich der Unterscheidung zwischen dem Unternehmensbegriff
und den Adressaten der Verfügung. So seien die Beschwerdeführer 2-5 erst kurz vor Abschluss
des Verfahrens davon in Kenntnis gesetzt worden, dass sie als Verfügungsadressaten behandelt werden
sollten. Es gehe bei der frühzeitigen Bestimmung der Verfügungsadressaten gerade auch darum,
das sanktionierte Verhalten einer bestimmten juristischen Person vorzuwerfen bzw. zuzurechnen. Dies lasse
sich nicht im Sinne einer pauschalen und allgemeinen Verantwortlichkeit sämtlicher Konzerngesellschaften
bewerkstelligen.
4.1 Das Kartellgesetz gilt für Unternehmen, die sich an Abreden beteiligen,
Marktmacht ausüben oder sich an Zusammenschlüssen beteiligen (Art. 2 Abs. 1
KG). Damit wird
der persönliche Geltungsbereich im Kartellgesetz mit dem Begriff "Unternehmen" definiert.
Unternehmen sind gemäss der im Rahmen der Revision im Jahre 2003 in das Kartellgesetz aufgenommenen
Legaldefinition von Art. 2 Abs. 1bis
KG alle Nachfrager oder Anbieter von Gütern oder Dienstleistungen
im Wirtschaftsprozess, unabhängig von ihrer Rechts- oder Organisationsform. Bis zur KG-Revision
2003 fehlte eine Definition des Unternehmensbegriffs im Gesetz. Lehre und Praxis gingen von einem "funktionalen"
Unternehmensbegriff aus, der nicht auf die Rechtsform eines Unternehmens abstellte. Ausgehend von den
in der Botschaft zum KG von 1995 enthaltenen Hinweisen galten als Unternehmen alle Marktteilnehmer, die
sich - sei es als Anbieter oder Nachfrager - selbständig als Hersteller von Gütern bzw. Erbringer
von Dienstleistungen am Wirtschaftsprozess beteiligten (vgl. Botschaft des Bundesrates vom 23. November
1994 zu einem Bundesgesetz über Kartelle und andere Wettbewerbsbeschränkungen [
BBl 1995 I 468,
533, nachfolgend: Botschaft KG 1994]; Christoph Tagmann, Die direkten Sanktionen nach Art. 49a Abs. 1
KG, Zürich 2007, S. 11 ff., m.w.H.). Auch wenn die Legaldefinition von Art. 2 Abs. 1bis
KG vom Unternehmensbegriff
gemäss Botschaft KG 1994 insoweit abweicht, als das Erfordernis der Selbständigkeit nicht mehr
explizit erwähnt wird, war es nicht die Absicht des Gesetzgebers, dieses Kriterium gänzlich
aufzugeben (vgl. Bernhard Rubin/Matthias Courvoisier, in: Baker & McKenzie [Hrsg.], Stämpflis
Handkommentar zum Kartellgesetz, Bern 2007, N. 3 ff. zu Art. 2
KG).
Das Kartellgesetz folgt
einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise: Es sollen wirtschaftliche Tatsachen aus wirtschaftlicher Sicht
und unabhängig von ihrer rechtlichen Struktur erfasst werden (vgl. Rubin/Courvoisier, a.a.O., Rz.
3 ff. zu Art. 2; Jürg Borer, Kommentar zum schweizerischen Kartellgesetz, Zürich 2005, Rz.
3 ff. zu Art. 2
).
Entsprechend soll die wirtschaftliche Selbständigkeit auch nach der
Einführung des revidierten Art. 2 Abs. 1bis
KG eine konstitutive Voraussetzung des Unternehmensbegriffs
sein. Das heisst, dass Gebilde, die sich nicht autonom am Wirtschaftsprozess beteiligen, nicht als Unternehmen
im Sinne des KG zu qualifizieren sind (vgl. Tagmann, a.a.O., S. 16, m.w.H.). Dies führt in der Regel
dazu, dass die einzelnen Tochtergesellschaften eines Konzerns nicht als Unternehmen gelten, sofern die
Muttergesellschaft ihre Tochter effektiv zu kontrollieren vermag und diese Möglichkeit auch tatsächlich
ausübt, so dass die Konzerngesellschaften nicht in der Lage sind, sich von der Muttergesellschaft
unabhängig zu verhalten. In diesen Fällen wird der Konzern als eine einzige wirtschaftliche
Unternehmenseinheit betrachtet (vgl. Rubin/Courvoisier, a.a.O., Rz. 12 zu Art. 2; Borer, a.a.O., Rz.
11 zu Art. 2). Dies hat zur Folge, dass die Regeln des Kartellgesetzes grundsätzlich nicht auf konzerninterne
Absprachen und Umstrukturierungen anzuwenden sind; hingegen ist bei der Frage der Marktmacht auf den
Konzern als Gesamtheit und nicht auf die einzelnen Konzerngesellschaften abzustellen (vgl. Rubin/Courvoisier,
a.a.O., Rz. 12 zu Art. 2; Borer, a.a.O., Rz. 11 zu Art. 2; kritisch demgegenüber Patrick L. Krauskopf/Sophie
Henkel, Art. 2 Abs. 1bis
KG: Gedanken zum neuen Unternehmensbegriff, sic! 2006, S. 747 f.; Tagmann, a.a.O.,
S. 17 f.).
4.2 Ein Konzern liegt vor, wenn mehrere rechtlich selbständig organisierte
Unternehmen wirtschaftlich unter einheitlicher Leitung zu einem Gesamtunternehmen als wirtschaftliche
Einheit zusammengefasst sind (Art. 663e Abs. 1
OR; vgl. ARTHUR MEIER-HAYOZ/PETER FORSTMOSER, Schweizerisches
Gesellschaftsrecht, 10. Aufl., Zürich 2007, S. 707). Dabei führt selbst eine hundertprozentige
Beteiligung nicht zu einem Konzern, wenn keine einheitliche Leitung beabsichtigt ist.
4.3
Die vorliegend zu beurteilende Untersuchung richtete sich gegen die Richtlinien des Verbands Schweizerischer
Werbegesellschaften (VSW; Beschwerdeführer 6) über die Kommissionierung von Berufsvermittlern.
Es
ist unbestritten, dass der VSB im massgebenden Markt (vgl. Sachverhalt unter Bst. A) weder als Nachfrager
noch als Anbieter von Gütern und Dienstleistungen auftritt, zumal er als Verband "lediglich"
die Interessen seiner Mitglieder (Beschwerdeführerinnen 2-5) wahrnimmt und als Anerkennungsstelle
für die Kommissionierung für Berufsvermittler fungiert. Zudem erstellt er Branchenstatistiken,
unterhält eine Datenbank und ist in der Lehrlingsausbildung tätig. Als Unternehmen im Sinne
von Art. 2
KG können somit nur dessen Mitglieder in Frage kommen.
4.4 Die Beschwerdeführerinnen
2-5 sind die vier (einzigen) Mitglieder des VSW. Organisatorisch sind sie als 100-prozentige Tochtergesellschaften
dem Segment PubliPresse von Publigroupe zugeordnet und auf die Werbung in Printmedien spezialisiert.
Die
Vorinstanz ist aufgrund der hundertprozentigen Angehörigkeit der vier Mitglieder des VSW zu Publigroupe
und den diversen persönlichen Verflechtungen zwischen den Verwaltungsräten und den Geschäftsleitungen
zu Recht davon ausgegangen, dass die Beschwerdeführerinnen 2-5 zwar rechtlich, aber nicht wirtschaftlich
selbständig auftreten. Dies wird nicht zuletzt dadurch unterstrichen, dass sich Publigroupe in ihrem
Internetauftritt (vgl. www.Publigroupe.com/de /unternehmen.html) selbst als Holdinggesellschaft umschreibt,
die alle voll konsolidierten Gesellschaften des Konzerns auf betrieblicher und finanzieller Ebene kontrolliert.
Daraus kann ohne Weiteres geschlossen werden, dass Publigroupe die Beteiligungen an den erwähnten
hundertprozentigen Tochtergesellschaften nicht ausschliesslich als Investition hält, sondern dass
sie über die Ausübung von Aktionärsrechten hinaus Einfluss auf die Tochtergesellschaften
nehmen will (vgl. MEIER-HAYOZ/FORSTMOSER, a.a.O., S. 707). Diese Einflussnahme erfolgt auch in Bezug
auf den von den Tochtergesellschaften der Publigroupe beherrschten Verband Schweizerischer Werbegesellschaften.
Dies wird beispielsweise dadurch dokumentiert, dass Publigroupe - und nicht der VSW - Änderungen
der VSW-Kommissionierungsrichtlinien vorgeschlagen (vgl. Schreiben der Beschwerdeführerin 1 vom
13. April 2005 an die Wettbewerbskommission) und zudem dem Sekretariat einen Vorschlag für die einvernehmliche
Regelung unterbreitet hat (vgl. Eingabe vom 31. Oktober 2005).
Entsprechend kann vom Vorliegen
eines Konzerns ausgegangen werden, und es ist nicht zu beanstanden, dass die Wettbewerbskommission Publigroupe
als Unternehmen im Sinne von Art. 2
KG qualifiziert und die Beschwerdeführerinnen 2-5 nicht formell
in das Untersuchungsverfahren einbezogen hat. In Bezug auf die Frage der wirtschaftlichen Selbständigkeit
der Beschwerdeführerinnen 2-5 waren folglich auch keine weiteren Sachverhaltsermittlungen notwendig.
4.5
Verfügungen der Wettbewerbskommission regeln Rechtsverhältnisse mit Unternehmen nach Art.
2
KG. Verfügungsadressaten im materiellen Sinne sind diejenigen natürlichen oder juristischen
Personen, deren Rechte oder Pflichten die Verfügung regeln soll. Unternehmen und somit Verfügungsadressat
im materiellen Sinne ist im vorliegenden Verfahren Publigroupe.
Demgegenüber sind Adressaten
im formellen Sinne diejenigen Rechtssubjekte, welche die Verfügung zugestellt erhalten, ohne selbst
von der Regelung der Verfügung unmittelbar betroffen zu sein (vgl. Vera Marantelli/Said Huber, in:
Waldmann/Weissenberger [Hrsg.], a.a.O., Rz. 7 zu Art. 6, m.w.H.). Diese Adressaten im formellen Sinne
stehen nicht als Partei im geregelten Rechtsverhältnis. Die Anordnung berührt zwar ihre Interessen
unmittelbar; ihre Rechte oder Pflichten werden jedoch nicht geordnet (vgl. Zwischenentscheid des Bundesverwaltungsgerichts
B-1100/2007 vom 6. Dezember 2007 E. 3.3.1; Fritz Gygi, Bundesverwaltungsrechtspflege, 2. Aufl., Bern
1983, S. 148).
Obwohl die Interessen der vier 100-prozentigen Tochtergesellschaften des Segments
PubliPresse von Publigroupe (Beschwerdeführerinnen 2-5) und diejenigen des VSW von der Regelung
bzw. der Richtlinien über die Kommissionierung von Berufsvermittlern unmittelbar berührt werden,
kommt ihnen aufgrund der aufgezeigten Konzernzugehörigkeit zu Publigroupe bzw. dem VSW aufgrund
dessen Beherrschung durch die Tochtergesellschaften von Publigroupe im vorinstanzlichen Verfahren keine
eigenständige Parteistellung zu. Die Vorinstanz hat jedoch die Beschwerdeführer 2-6 zu Recht
als formelle Verfügungsadressaten bezeichnet und ihnen die Verfügung eröffnet.
Wie
die Wettbewerbskommission korrekt ausführt, sind die materiellen Verfügungsadressaten die durch
das Verfügungsdispositiv verpflichteten Personen. Folgerichtig wurde die Sanktion im Betrag vom
CHF 2,5 Mio. allein Publigroupe auferlegt. Konsequenterweise hätten jedoch auch die Verfahrenskosten
von insgesamt CHF (...) Publigroupe und nicht sämtlichen Adressaten der Verfügung unter solidarischer
Haftung auferlegt werden müssen. Das Dispositiv der angefochtenen Verfügung ist in diesem Sinne
von Amtes wegen zu korrigieren.
5. Relevanter Markt
5.1 Sachlich relevanter Markt
Das
Kartellgesetz definiert den Begriff des relevanten Markts nicht näher. Der Bundesrat formulierte
jedoch in der Verordnung vom 17. Juni 1996 über die Kontrolle von Unternehmenszusammenschlüssen
(VKU,
SR 251.4) eine entsprechende Definition, welche nicht nur für Unternehmenszusammenschlüsse,
sondern auch für Wettbewerbsabreden und das Verhalten marktbeherrschender Unternehmen gilt.
5.1.1
Der sachlich relevante Markt umfasst gemäss Art. 11 Abs. 3 Bst. a VKU alle Waren oder Leistungen,
die von der Marktgegenseite hinsichtlich ihrer Eigenschaften und ihres vorgesehenen Verwendungszwecks
als substituierbar angesehen werden. Die Definition des sachlich relevanten Markts erfolgt aus der Sicht
der Marktgegenseite. Massgebend ist, ob aus deren Optik Waren oder Dienstleistungen miteinander im Wettbewerb
stehen. Dies hängt davon ab, ob sie vom Nachfrager hinsichtlich ihrer Eigenschaften und des vorgesehenen
Verwendungszwecks als substituierbar erachtet werden (Konzept der funktionellen Austauschbarkeit bzw.
Bedarfsmarktkonzept; vgl. etwa BGE
129 II 18 E. 7.3, m.w.H.; Entscheide der Rekurskommission für
Wettbewerbsfragen [nachfolgend: REKO/WEF] FB/2004-1 vom 27. September 2005 [i.S. Ticket Corner AG] E.
5.2.1, veröffentlicht in:
RPW 2005/4, S. 672 ff., und FB/2002-5 [i.S. Cablecom GmbH/Teleclub AG]
vom 20. März 2003 E. 5.1, veröffentlicht in:
RPW 2003/2, S. 406; Borer, a.a.O., Rz. 10 zu Art.
5
KG; Evelyne Clerc, in: Tercier/Bovet [Hrsg.], Droit de la concurrence, Commentaire romand, Genf/Basel/München
2002, Rz. 62 zu Art. 4 Abs. 2
KG; Roger Zäch, Schweizerisches Kartellrecht, 2. Aufl., Bern, 2005,
Rz. 538 ff.; ).
Neben der Nachfrageseite kommt als Marktgegenseite auch die Angebotsseite
in Betracht: Unter Umständen muss bei der Abgrenzung des sachlich relevanten Markts die Substituierbarkeit
nicht nur auf der Nachfrageseite, sondern auch auf der Angebotsseite berücksichtigt werden (sog.
Nachfrage- bzw. Angebotssubstituierbarkeit, auch Angebotsumstellungsflexibilität genannt; vgl. Borer,
a.a.O., Rz. 11 zu Art. 5
KG).
Der räumliche Markt (vgl. unten Ziff. 5.2) umfasst demgegenüber
das Gebiet, in welchem die Marktgegenseite die den sachlichen Markt umfassenden Waren oder Leistungen
nachfragt oder anbietet (Art. 11 Abs. 3 Bst. b VKU).
5.1.2 Die folgende, der Beschwerde entnommene
Graphik zeigt die verschiedenen Marktbeziehungen der im Printbereich tätigen Unternehmen übersichtlich
auf:
Für einen Verlag bestehen grundsätzlich zwei Möglichkeiten, wie er den Verkauf
des Inserateraums seines Titels organisieren will: Entweder geschieht der Verkauf des Inserategeschäfts
über eine eigene Anzeigenabteilung in Eigenregie oder er überträgt die Organisation des
Verkaufs des Inserategeschäfts mittels Pacht (Pachtregie) auf einen Outsourcingpartner.
Publigroupe
tritt mittels ihrer Tochtergesellschaften (Beschwerdeführerinnen 2-5) einerseits als Vermittlerin
für Eigenregieverlage (1) auf. Andererseits betreibt sie für Verlage aber auch die Vermittlung
bzw. den Verkauf von Werbe- und Anzeigeraum in Pachtregie (2).
In der Konstellation (1) vermittelt
Publigroupe den Werbe- und Inserateraum eines Eigenregieverlags, mit welchem sie in der Regel einen Zusammenarbeitsvertrag
abschliesst. Dabei stehen auf der anderen Marktseite als Nachfrager die Werbenden (Inserenten) bzw. deren
Vertreter, die Agenturen, gegenüber, denen der Werbe- und Inserateraum der Eigenregieverlage vermittelt
wird. In diesem Bereich tritt Publigroupe als Wettbewerberin zu den anderen unabhängigen Vermittlern
auf, die in der Vermittlung von Werbe- und Inserateraum der Eigenregieverlage tätig sind.
Im
System der Pachtregie (2) schliesst ein Verlag mit einem Vermittlerunternehmen (in der Regel mit Publigroupe)
einen Pachtvertrag. Gegenstand dieses Pachtvertrags ist die Verpflichtung des Vermittlungsunternehmens,
die Inserateakquisition integral für einen Verlag bzw. dessen Titel zu übernehmen. Inserenten,
welche Werbe- und Inserateraum in den Pachttiteln nachfragen, wenden sich entweder direkt an Publigroupe
oder an einen unabhängigen Vermittler, welcher ebenfalls Anzeigeraum in Pachtregietiteln vermittelt.
Diese unabhängigen Vermittler kontrahieren sodann mit Publigroupe, welche den Werbe- und Inserateraum
als Pächterin exklusiv für den Verlag vermarktet. Zwischen den unabhängigen Vermittlern
und dem Verlag bestehen keine direkten Geschäftsverbindungen. Die unabhängigen Vermittler stellen
in diesem Pachtregie-System, da sie auch eine Exklusivvermarktung des Werbe- und Inserateraums eines
Titels übernehmen könnten, die potenzielle Konkurrenz von Publigroupe dar.
5.1.3
Gegenstand der vorliegend zu beurteilenden Untersuchung ist die Kommissionierungspraxis von Publigroupe
bzw. der Beschwerdeführerinnen 2-5 gegenüber den unabhängigen Vermittlern im Rahmen des
Pachtregie-Systems (vgl. Konstellation e). Graphisch stellt sich dies wie folgt dar:
Zwischen
dem Inserenten und dem Vermittler kann ein Werbeberater dazwischen geschaltet sein.
Die Wettbewerbskommission
legte bei der Beurteilung der Marktstärke von Publigroupe den Markt für die Vermittlung und
den Verkauf von Inserate- und Werberaum in den Printmedien als massgebenden sachlich relevanten Markt
zugrunde.
5.1.4 Die Beschwerdeführer machen in diesem Zusammenhang geltend, die verschiedenen
Werbemedien stünden in einem Substitutionsverhältnis zueinander. Die Printmedien seien in den
letzten Jahren zunehmend durch die elektronischen Medien, die Aussenwerbung und die Direktwerbung verdrängt
worden. Auch im Bereich der Internetwerbung hätten bei gewissen Rubrikanzeigen die Internetinserate
die Printinserate über weite Strecken ersetzt. Eine Gesamtmarktbetrachtung über die Entwicklung
in den letzten Jahren zeige eine Marktanteilsverschiebung vom Printbereich in andere Werbemedien. Diese
Verschiebungen liessen sich auch nicht mit konjunkturellen Schwankungen erklären. Für die Bestimmung
des sachlich relevanten Markts sei es nicht erforderlich, dass die verschiedenen Werbemedien vollständige
Substitute seien. Es genüge vielmehr eine ausreichende Substituierbarkeit. Diese sei aufgrund der
Entwicklungen im Werbemarkt ohne Weiteres gegeben. Die von der Wettbewerbskommission im Zusammenhang
mit dem Werbeverhalten erhobenen Sachverhaltsabklärungen über die Entscheidungen im Mediamix
würden über pauschale Behauptungen nicht hinausgehen. Diesbezüglich seien von der Wettbewerbskommission
auch keine konkreten Marktdaten erhoben worden.
Des Weiteren bestehe im Werbebereich kein eigentlicher
Printwerbemarkt, sondern ein durch gegenseitige Wechselwirkungen geprägter Gesamtwerbemarkt. Die
Vorbringen der Wettbewerbskommission zu einem eigenständigen Printmarkt seien veraltet. Sie berücksichtigten
beispielsweise nicht, dass einzelne Grossinserenten dazu übergegangen seien, Printwerbung fast ausschliesslich
durch Direktwerbung zu substituieren.
5.1.5 Mit Blick auf die aktuellen Tendenzen in der Medienmarktentwicklung
und der sich daraus ergebenden Strukturveränderungen wird, in Einklang mit den Vorbringen der Beschwerdeführer,
von einem Teil der Lehre gefordert, es sei von einem umfassenden Werbemarkt auszugehen, der neben Zeitungen,
Radio und Fernsehen auch das Internet sowie Direkt- und Plakatwerbung umfassen soll (vgl. URS WEBER-STECHER,
Medienzusammenschlüsse - Einige Gedanken zur Praxis der Wettbewerbskommission - oder: Informationsmarkt
und Primat des Werbemarkts, Jusletter vom 27. September 2004, Rz. 33, mit Hinweis auf FRANZ HOFFET/THOMAS
HOEHN, Zusammenschlusskontrolle im Medienbereich - Anmerkungen zur bisherigen Praxis der schweizerischen
Wettbewerbskommission, sic! 1999, S. 240). Begründet wird diese Ansicht mit dem Argument, in Werbekampagnen
erfolge ein zeitlich und örtlich abgestimmter Einsatz von Plakat-, Zeitungs-, Radio-, Fernseh- und
eventuell Printwerbung (sog. Mediamix), weshalb sich diese Werbeträger aus der Sicht der Marktgegenseite
ergänzend einsetzen liessen, sich aber auch direkt konkurrenzierten (vgl. WEBER-STECHER, a. a. O.,
Rz. 33, mit Hinweis auf HOFFET/HOEHN, a. a. O., S. 240).
Die Vorinstanz lehnt diese Sichtweise
mit dem Hinweis auf die besonderen Charakteristiken der Printwerbung ab, welche die Presse als Werbekanal
schwer substituierbar mache. So profitiere die Pressewerbung von der starken Position der Schweizer Presse,
welche sich unter anderem in der überdurchschnittlich hohen Leserbindung ausdrücke. Dies und
die Vielfalt der Publikationen erlaubten einen gezielten und effizienten Werbeeinsatz unter Vermeidung
von Streuverlusten. Überdies lasse die Presse eine komplexe Botschaft zu. Des Weiteren seien die
Inserate aufgrund der technischen Eigenschaften der Presse weder an einen bestimmten Platz noch an eine
bestimmte Zeit gebunden. Sie könnten jederzeit, überall und wiederholt gelesen werden. Schliesslich
seien die Produktionskosten einer Anzeige im Vergleich zu Fernseh- und Radiospots relativ gering. Zu
den anderen Werbeträgern führte die Wettbewerbskommission in Ziff. 105 der angefochtenen Verfügung
vom 5. März 2007 (nachfolgend: "Verfügung Ziff." für Verweise auf die angefochtene
Verfügung) aus, dass diese unterschiedliche Eigenschaften aufweisen und unterschiedlichen Zielsetzungen
dienen würden. Während das Fernsehen auf die breite Kommunikation einer emotionalen, einfachen
Botschaft dank audiovisueller Möglichkeiten abziele, werde das Radio eher als lokales oder regionales
Ergänzungsmedium eingesetzt, welches aktuelle Angebote oder Aktionen vor allem im Bereich Handel
und Gewerbe an ein junges Zielpublikum fördere. Auch Plakate und Aussenwerbung seien als Ergänzungsmedium
anzusehen, das sich durch hohe, aber oberflächliche Kontaktchancen auszeichne und vor allem schnelle,
klar verständliche, prägnante und kurze Botschaften zu vermitteln vermöge.
5.1.6
Die REKO/WEF hatte sich in einem Beschwerdeentscheid aus dem Jahre 2006 mit der Beteiligung der Berner
Zeitung an der Pendlerzeitung 20 Minuten zu befassen. Auf der Leserseite grenzte die REKO/WEF einen eigenen
Pendlerzeitungsmarkt ab. Hinsichtlich der Abgrenzung des Werbemarkts schied sie drei Werbeteilmärkte,
nämlich einen Anzeigenraum für Firmenwerbung, Rubrikanzeigen sowie Ankündigungsanzeigen
aus. Dabei sprach sie sich grundsätzlich gegen einen medienübergreifenden Gesamtwerbemarkt
aus, zumal es einen "einheitlich-homogenen" Werbemarkt weder auf nationaler noch auf regionaler
oder auf lokaler Ebene gebe. Die unterschiedlichen Werbeträger müssten sehr unterschiedliche
Nachfragebedürfnisse befriedigen. Diese seien abhängig von der Form und Aussage der Werbebotschaften,
der dafür werbepsychologisch geeigneten Media und anvisierten Zielgruppen (vgl. Entscheid der REKO/WEF
FB/2004-4 vom 4. Mai 2006 [i.S. 20 Minuten] E. 8.1 ff., veröffentlicht in:
RPW 2006/2, S. 347 ff.,
bestätigt im Urteil des Bundesgerichts
2A.327/2006 vom 22. Februar 2007, veröffentlicht in:
RPW 2007/2, S. 331 ff.).
Auch in einem Entscheid der Kommission der Europäischen Gemeinschaften
vom 8. April 2005 wurde der Printmedienbereich aufgeteilt in einen Lesermarkt und einen Anzeigenmarkt.
In Bezug auf Anzeigen in Publikumszeitschriften wurde im erwähnten Entscheid ausgeführt, dass
eine Marktuntersuchung der Kommission zum Aufkauf von Werberaum ("media buying") ergeben habe,
dass die unterschiedlichen Mediengattungen (Printerzeugnisse, Fernsehen, Radio und Internet) eher komplementär
als austauschbar seien, da verschiedene Medien unterschiedliche Empfänger auf unterschiedliche Art
und Weise erreichen würden (vgl. Entscheid der Europäischen Kommission, Nr. COMP/M.3648 vom
8. April 2005 i.S. Gruner+Jahr/Motorpresse, Rz. 11).
In die gleiche Richtung zielt ebenfalls
ein Entscheid des Obersten Gerichtshofs Österreichs (vgl. OGH als Rekursgericht in Kartellrechtssachen,
Entscheid Nr. 16Ok15/08 vom 17. Dezember 2008, E. 4.1.1), welcher in sachlicher Hinsicht die Anzeigenmärkte
abgrenzte und zudem festhielt, alternative Medien (Radio, Fernsehen, Internet, Prospekt- und Flugblattwerbung,
Gelbe Seiten, Aussenwerbung) seien wegen der unterschiedlichen Kundenstruktur in casu nicht mit Gratiswochenzeitungen
zu einem gemeinsamen Markt zusammenzufassen. Kunden würden vielfach auf verschiedene Medien für
einander ergänzende Zwecke zurückgreifen. Ausserdem würden grosse Werbekunden einen detaillierten
Preis-Leistungs-Vergleich erst nach grober Aufteilung der Werbebudgets auf die verschiedenen Medien anstellen.
5.1.7
Es ist nicht von der Hand zu weisen, dass die dynamische Entwicklung des Medienbereichs mit einem Wandel
der Konsumgewohnheiten der Medienbenützer einhergeht. Trotz der laufenden technologischen Umwälzungen
ist aber mit der Vorinstanz davon auszugehen, dass sich die einzelnen Medien weiterhin hinsichtlich Inhaltstiefe,
der Rezeption, der Nutzungsweise und der unterschiedlichen sozio-kulturellen Einbindung wesentlich voneinander
unterscheiden. Gerade die typischen Eigenschaften wie die Schnelligkeit des Begleit- und Wortmediums
Radio, welches sich vor allem lokal und regional an ein vorwiegend junges Zielpublikum richtet, sowie
die Attraktivität und Anschaulichkeit des Bildmediums Fernsehen, welches eher auf eine breite Kommunikation
mittels audiovisueller Möglichkeiten ausgerichtet ist, unterscheiden sich bezüglich Eigenschaften
und Zielgruppen doch beträchtlich von den Printmedien. Deren gewichtigster Vorteil ist demgegenüber
die genauere Zielgruppen-Streuung, weil das Publikum geografisch und soziodemographisch zielgenauer angesprochen
werden kann. Auch die unterschiedlichen Wahrnehmungsformen der einzelnen Werbeträger sowie deren
unterschiedliche Eignung für die verschiedenen Werbearten stehen werbepsychologisch einer funktionellen
Austauschbarkeit der gedruckten und elektronischen Medien entgegen (vgl. HARALD MAAG, Medienkonzentration
- Zur Reichweite des fusionsrechtlichen Instrumentariums, Basel/Genf/ München 2002, S. 137 und 147).
Entsprechend sind die anderen traditionellen Werbeträger im Vergleich zu den Printmedien eher als
komplementär denn als substituierbar anzusehen.
5.1.8 Die Beschwerdeführer heben insbesondere
die Bedeutung der Substitutionsbeziehung zwischen dem Printbereich und dem Internet hervor. Sie verweisen
in diesem Zusammenhang auf die Zuwachsraten bei den verschiedenen Online-Plattformen in den Rubriken
"Fahrzeuge", "Immobilien" und "Stellen". In Bezug auf diese Rubriken könne
das Internet nicht mehr als bloss alternativer Werbekanal ohne ausreichende Substitutionswirkungen bezeichnet
werden.
Die Vorinstanz hat bereits in der angefochtenen Verfügung anerkannt, dass das
Internet im Bereich der Rubrikanzeigen grosse Bedeutung erlangt habe und dass seit einigen Jahren viele
Wohnungen und Autos durch Inserate im Internet vermittelt und viele Stellen im Internet ausgeschrieben
würden. Sie nahm sodann eine teilweise Substituierbarkeit der Online- und Printinserate betreffend
die Rubrikanzeigen an, da sich das seit mehreren Jahren sinkende Rubrikanzeigenvolumen in den Printmedien
zu einem gewissen Teil zu den Online-Marktplätzen verschoben habe (vgl. Verfügung Ziff. 111
ff.).
Den Ausführungen der Vorinstanz zu den Marktverhältnissen in Bezug auf die
Werbung im Bereich Rubrikwerbung kann gefolgt werden. Es ist nachvollziehbar, dass die verschiedenen
Medien aus der Sicht der Inserenten von Rubrikanzeigen teils alternative und teils ergänzende Insertionskanäle
darstellen. Gerade auch in den von den Beschwerdeführern beispielhaft erwähnten Bereichen der
Immobilien-, Auto- und Stellenvermittlung werden die Inserate meist gezielt in den einzelnen Medien platziert,
da sich bestimmte Zielgruppen gerade über ein bestimmtes Medium besser erreichen lassen. Print-
und Onlineinserate unterscheiden sich aber nicht nur hinsichtlich der Nutzungsmöglichkeiten und
der qualitativen Wirkungsweise, sondern auch in Bezug auf die Produktionsbedingungen und Kosten. Unter
Berücksichtigung, dass nicht der Printwerbemarkt als solches untersucht wurde, sondern die Dienstleistung
"Vermittlung und Vermarktung von Werberaum", ist nicht zu beanstanden, wenn die Vorinstanz
die Onlinewerbung mangels einer ausreichend engen substitutiven Beziehung nicht demselben sachlichen
Markt zuordnete wie die Pressewerbung.
5.1.9 Auch der Einwand der Beschwerdeführer, die rückgängigen
Zahlen im Bereich der gesamtschweizerischen Netto-Werbeumsätze vor allem im Zeitraum von 2000 bis
2005 würden zeigen, dass die elektronischen und weitere Medien Substitutionswerbeträger zu
den Printmedien seien, führt zu keiner anderen Betrachtungsweise. Es ist zwar korrekt, dass die
Werbeumsätze der Printmedien im betreffenden Zeitraum tendenziell rückläufig waren. Dies
war jedoch in erster Linie auf die Pressekrise zurückzuführen, mit welcher sich die Vorinstanz
in der angefochtenen Verfügung auch befasst hat (vgl. Verfügung Ziff. 172). Die Folgerung,
dass die verschiedenen aufgeführten "Alternativ-Medien" in einer nahen Substitutionsbeziehung
zum Printmedium als Werbeträger stehen würden, ist jedenfalls damit noch nicht nachgewiesen.
Mit der Vorinstanz kann vielmehr angenommen werden, dass die steigenden Werbeumsätze der anderen
Medien vor allem auch auf die zunehmenden crossmedialen Werbestrategien zurückzuführen sind,
wodurch eine optimale Kombination der verschiedenen Werbeträger unter anderem in Bezug auf das Zielpublikum,
die Eigenschaften des Werbeträgers, die Reichweite und die jeweiligen Kosten angestrebt wird. Da
sich eine konstante Netto-Werbeumsatzzunahme bei den übrigen Medien, insbesondere bei den elektronischen
Medien, bei gleichzeitiger Umsatzabnahme bei den Printmedien mit Ausnahme der Jahre 2001 bis 2004 nicht
feststellen lässt, spricht Vieles dafür, dass die unterschiedlichen Werbeträger vor allem
auch komplementär eingesetzt werden, wobei jedoch gewisse Substitutionswirkungen nicht verneint
werden können, zumal sich die verschiedenen Werbeformen auch gegenseitig überschneiden. Gerade
auch die für das Jahr 2006 festgestellte Zunahme bei den Netto-Werbeumsätzen im Bereich Presse,
welche vor allem in Bezug auf die Tages- sowie regionale Wochen- und Sonntagspresse (+ 4,5 %) überproportional
beispielsweise im Vergleich zu den Elektronischen Medien (+ 2,5 %; vgl. Auflistungen im Print-Media-Planer
2008) ausgefallen ist, widerspricht den Behauptungen der Beschwerdeführer, wonach sich die Schere
zwischen Presse und elektronischen Medien immer weiter zu Gunsten der elektronischen Medien öffnen
würde. Auch aus dem Umstand, dass sich der Marktanteil des Mediums "Presse" an den Netto-Werbeumsätzen
in der Schweiz in den Jahren 2004 bis 2006 von 43 % auf 41 % verringert hat, lässt sich nicht ohne
Weiteres mit der Substitutionswirkung erklären. Denn auch die Marktanteile der restlichen Medien
weisen in dieser Zeit keine markanten Steigerungen auf. Bei den elektronischen Medien liegt der Anteil
vielmehr konstant zwischen 14 % und 15 %, bei der Aussenwerbung und bei der Direktwerbung variiert dieser
Anteil in diesem Zeitraum zwischen 10 % und 11 % bzw. zwischen 23 % und 24 %. Zu Recht weist die Vorinstanz
deshalb in diesem Zusammenhang auf die Zunahme der crossmedialen Werbestrategien hin. Dabei wird für
die Lancierung einer Werbekampagne ein Media-Mix mit verschiedenen Werbeträgern, je nach Kommunikationsziel,
zusammengestellt. Obwohl gewisse Substitutionswirkungen nicht zu bestreiten sind, werden die Werbeträger
vor allem komplementär eingesetzt.
5.1.10 Schliesslich gehen die Beschwerdeführer selber
davon aus, dass die verschiedenen Werbeträger keine vollständigen Substitute seien. Dies sei
jedoch mit Hinweis auf Clerc (a.a.O., Rz. 63 zu Art. 4 Abs. 2
KG) für den Einbezug in den sachlich
relevanten Markt nicht erforderlich, da eine ausreichende Substituierbarkeit genüge.
Als
Hauptkriterium der sachlichen Marktabgrenzung dient die Substituierbarkeit der Nachfrage, da sie sich
am unmittelbarsten auf die Wettbewerbsverhältnisse auswirkt. Demnach sind diejenigen Produkte oder
Dienstleistungen zu bestimmen und demselben Sachmarkt zuzuordnen, die von den massgeblichen Nachfragern
der Marktgegenseite als austauschbar angesehen werden. Diesbezüglich wird oftmals auf die sog. Kreuz-Preis-Elastizität
zurückgegriffen, wonach hinreichende Austauschbarkeit zweier Produkte vorliegt, wenn relativ geringe
Preiserhöhungen für das eine Produkt eine Abwanderung der Nachfrage zum anderen Produkt bewirken
(vgl. Clerc, a.a.O., Rz. 63 zu Art. 4 Abs. 2
KG; Roland Köchli/Philippe M. Reich, in: Baker &
McKenzie [Hrsg.], a.a.O, N. 43 zu Art. 4
KG; kritisch demgegenüber Mani Reinert, Ökonomische
Grundlagen zur kartellrechtlichen Beurteilung von Alleinvertriebsverträgen, Zürich 2004, S.
27 ff., der den fehlenden Konsens zur Frage beklagt, welche absolute Höhe die Kreuz-Preis-Elastizität
erreichen muss, damit Produkte untereinander als gegenseitig austauschbar betrachtet werden können;
vgl. auch Matthias Amann, Zeitungsfusionskontrolle, Zürich 2000, S. 139 f., der auf das Problem
der unter Umständen unterschiedlich preisempfindlich zusammengesetzten Nachfrageseite hinweist,
was in Überschätzung des Substitutionseffekts zu einer zu weiten Marktabgrenzung führen
könne). Trotz dieser Bedenken versucht die Praxis, methodisch zur Klärung der Frage beizutragen,
ob tatsächlich Alternativangebote bestehen, mittels des SSNIP-Tests abzuschätzen, ob und in
welchem Mass die Marktgegenseite bei einer geringfügigen, aber dauernden Preiserhöhung von
5 % bis 10 % auf andere Angebote ausweichen kann (sog. "small but significant non transitory increase
in price test" oder SSNIP-Test; vgl. Entscheide der REKO/WEF FB/2004-4, a.a.O., E. 6.3.3 ff., m.w.H.,
und FB/2004-1, a.a.O., E. 5.2.2; Silvio Venturi, in: Tercier/Bovet [Hrsg.], a.a.O., Rz. 36 zu Art. 10
KG).
Demzufolge stellt die graduell unterschiedlich definierbare Substituierbarkeit keine
objektive, ein für allemal feststellbare Grösse dar, sondern sie hängt von der Preisinelastizität
ab, welche noch für zumutbar erachtet wird (vgl. Venturi, a. a. O., Rz. 31 zu Art. 10
KG). Ferner
sind die Wettbewerbsbedingungen und die Struktur von Angebot und Nachfrage in Betracht zu ziehen, wozu
auch die Produktions- und Angebotsflexibilität der Anbieter gehören (vgl. RN 20-23 der Bekanntmachung
der Kommission über die Definition des relevanten Markts im Sinne des Wettbewerbsrechts der Gemeinschaft,
ABl. C 372 vom 9. Dezember 1997, S. 5 [nachfolgend: Bekanntmachung]; zur Beachtlichkeit dieser Bekanntmachung
für die Interpretation des KG vgl. Clerc, a.a.O., Rz. 60 und 73 zu Art. 4 Abs. 2
KG).
Die
bloss teilweise Substituierbarkeit von Produkten (wie z.B. Kartoffeln im Verhältnis zu Brotsorten)
wird praxisgemäss nicht als ausreichend angesehen, um deren Einbezug in den sachlich relevanten
Markt (z. B. von Brotsorten) zu erlauben (vgl. Amann, a. a. O., S. 134 ff.; Maag, a. a. O., S. 111 ff.
und S. 194 ff.; Mani Reinert, Praxis der Wettbewerbskommission bei Zusammenschlüssen von Zeitungsverlagen
- ausgewählte Probleme, AJP 1999, S. 448, m.w.H.; Thomas Ulrich, Begründung oder Verstärkung
einer marktbeherrschenden Stellung in der schweizerischen Fusionskontrolle, Zürich/Basel/Genf 2004,
S. 155). In solchen Fällen "marktnaher" (d.h. "marktfremder", weil nicht als
zum sachlichen Markt zugehörig erachteter) "Substitute" untersucht die Wettbewerbskommission
deren "disziplinierende Wirkung" (vgl. Verfügung Ziff. 151 ff.).
Daher spricht
die Praxis - im Unterschied zum "Marktwettbewerb", der die nachfrageseitig als funktionell
austauschbar angesehenen und deshalb demselben Markt zugerechneten Produkte betrifft - von "Substitutionswettbewerb",
wenn Produkte (z.B. Kartoffeln) in Frage stehen, von denen ein "nicht so intensiver Wettbewerb"
ausgeht, welche jedoch in eingeschränktem Umfang oder unter bestimmten Bedingungen (wie Krisenzeiten)
Produkte (z.B. Brotsorten) ersetzen können, die nicht demselben Sachmarkt zugerechnet werden (vgl.
Entscheid der REKO/WEF, FB/2004-4, a.a.O., E. 6.3.4, m.w.H.).
Das Sekretariat unterbreitete
im Untersuchungsverfahren unter anderem diversen Werbeagenturen die Frage: "Wie würden Sie
reagieren, wenn sich die Insertionspreise für die Pressewerbung um etwa 10 % erhöhen würden?"
Die Auswertung dieses SSNIP-Tests hat ergeben, dass die grosse Mehrheit das Budget für Pressewerbung
aufrechterhalten, dabei jedoch das Anzeigevolumen senken würden. Ungefähr ein Viertel sprach
sich - sofern genügend Mittel vorhanden seien - für die Erhöhung des Budgets für
Pressewerbung aus, um das Anzeigenvolumen aufrechtzuerhalten. Eine Verschiebung auf andere Werbeträger
wurde nur geltend gemacht, sofern dies mit dem vordefinierten Mediamix und der Zielsetzung der Kampagne
übereinstimme. Zum gleichen Ergebnis führte die Auswertung der Frage hinsichtlich der Reaktion
auf die Erhöhung der Tageszeitungsinseratenpreise um 10 %.
Der aus dieser Auswertung
gezogene Schluss der Vorinstanz, dass die Werbetreibenden die anderen Werbeträger nicht als nähere
Substitute für Printwerbung betrachten, kann aufgrund der festgestellten geringen Preiselastizität
bei der Printwerbung nachvollzogen werden. Das Argument der Beschwerdeführer, die Vorinstanz stütze
sich auf veraltete Aussagen von Marktteilnehmern aus dem Jahre 2003, vermag demgegenüber nicht zu
überzeugen. Die Antworten auf den Fragebogen wurden von den befragten Marktteilnehmern zwischen
Mitte Oktober 2003 und 22. Januar 2004 dem Sekretariat eingereicht und erweisen sich als genügend
aktuell, um ein Verhalten der Beschwerdeführer bis November 2005, ab welchem Zeitpunkt Publigroupe
von ihrer gemäss Vorinstanz missbräuchlichen alten VSW-Richtlinien abgewichen ist, beurteilen
zu können.
5.1.11 Als Zwischenergebnis ist festzuhalten, dass zwischen den alternativen Medien,
wie insbesondere dem Internet und der Direktwerbung, und den Printmedien keine ausreichende Substituierbarkeit
gegeben ist. Dies trifft um so mehr zu, als nicht der Printwerbemarkt als solches untersucht wurde, sondern
eine von diesem abgeleitete Dienstleistung, nämlich die Vermittlung und Vermarktung von Werberaum
in Printmedien. Bereits unter diesem Gesichtspunkt scheint fraglich, inwieweit alternative Werbeträger
das Verhalten von Publigroupe gegenüber den unabhängigen Vermittlern im Printbereich zu disziplinieren
geeignet sind. Entsprechend ist die von der Vorinstanz vorgenommene sachliche Marktabgrenzung, welche
bei der Beurteilung der Marktstärke von Publigroupe vom Markt für die Vermittlung und den Verkauf
von Inserate- und Werberaum in Printmedien ausgeht, nicht zu beanstanden.
5.2 Räumlich
relevanter Markt
Der räumlich relevante Markt umfasst sodann dasjenige Gebiet, in welchem die
Marktgegenseite die den sachlichen Markt umfassenden Waren oder Leistungen nachfragt oder anbietet (Art.
11 Abs. 3 Bst. b VKU; vgl. Borer, a.a.O., Rz. 14 zu Art. 5
KG; Venturi, a.a.O., Rz. 37-42 zu Art. 10
KG; Zäch, a.a.O., Rz. 551).
Nach der Darstellung der Vorinstanz umfasst der räumlich relevante
Markt die ganze Schweiz (vgl. Verfügung Ziff. 121-124). Aus der Sicht der Werbetreibenden sei Publigroupe
wegen ihres breiten gesamtschweizerischen Netzwerks insbesondere für nationale Kampagnen von Bedeutung.
Für die Verlage sei Publigroupe auch gerade deshalb interessant, weil sie in deren Netzwerk von
den von Publigroupe schweizweit vermittelten Anzeigen profitieren könnten.
Die Beschwerdeführer
stellen diese Abgrenzung zu Recht nicht in Frage. Es bleibt daher auch bei der von der Vorinstanz korrekt
vorgenommenen Abgrenzung des räumlich relevanten Markts.
5.3 Zeitlich relevanter Markt
Schliesslich
kann es in gewissen Situationen Sinn machen, auch in zeitlicher Hinsicht zu prüfen, ob eine Substituierbarkeit
gegeben ist (vgl. Roland von Büren/Eugen Marbach/Patrik Ducrey, Immaterialgüter- und Wettbewerbsrecht,
3. Aufl., Bern 2008, N. 1337). Die Abgrenzung in zeitlicher Hinsicht ist in der Regel von geringerer
Bedeutung und lediglich ausnahmsweise vorzunehmen (vgl. Roger Zäch/Reto A. Heizmann, Markt und Marktmacht,
in: Geiser/Krauskopf/Münch [Hrsg.], Schweizerisches und europäisches Wettbewerbsrecht, Basel
2005, S. 34, 37).
Die von der Vorinstanz für den sanktionierten Zeitraum (1. April 2004-Februar
2006) in sachlicher und räumlicher Hinsicht vorgenommene Marktabgrenzung ist nachvollziehbar, zumal
sich mit Bezug auf diesen Zeitraum unter anderem ergeben hat, dass die alternativen Medien in keiner
ausreichend engen substitutiven Beziehung zur Printwerbung stehen. Inwieweit diese Marktabgrenzung auch
die neusten Entwicklungen und Strukturveränderungen im Medienmarkt nach der Sanktionsperiode widerspiegelt,
kann offen gelassen werden, da dies nicht Gegenstand der vorinstanzlichen Untersuchung war.
5.4
Gesamtfazit: Marktabgrenzung
Im Ergebnis ist nicht zu beanstanden, dass die Vorinstanz für
den der Sanktion zugrunde liegenden Zeitraum den relevanten Markt als Markt für die Vermittlung
und den Verkauf von Inserate- und Werberaum in Printmedien in der Schweiz definiert hat.
6. Marktstellung
6.1
Der Begriff des marktbeherrschenden Unternehmens
Gemäss Art. 4 Abs. 2
KG gilt ein Unternehmen
als marktbeherrschend, wenn es in der Lage ist, sich auf einem Markt von anderen Marktteilnehmern (Mitbewerbern,
Anbietern oder Nachfragern) in wesentlichem Umfang unabhängig zu verhalten. Zur Beurteilung der
Frage der Marktbeherrschung stellt das Kartellrecht auf Verhaltens- und Preissetzungsspielräume
ab, welche marktbeherrschende Unternehmen gegenüber anderen Marktteilnehmern haben. Solche Spielräume
bestehen nicht, wenn Unternehmen durch genügend Wettbewerbsdruck in ihrem Verhalten diszipliniert
werden (vgl. CAROLE BÜHRER/STEFAN RENFER, Medienkonzentration im Spannungsverhältnis zwischen
Kartellgesetz und neuem Radio- und Fernsehgesetz, Jusletter vom 9. Oktober 2006, Rz. 25; ZÄCH, a.a.O.,
Rz. 532, 572; ähnlich auch die Umschreibung des "unabhängigen Verhaltens" nach Art.
4 Abs. 2
KG von BRUNO SCHMIDHAUSER, in: Schmidhauser/Homburger/Hoffet/Ducrey [Hrsg.], Kommentar zum schweizerischen
Kartellgesetz, Zürich 1997, Rz. 66 f., 69 zu Art. 4
KG).
Zur Untersuchung der Stellung
eines Unternehmens auf einem Markt sind alle jeweils konkret relevanten Kriterien im Sinne einer Gesamtprüfung
der Verhältnisse heranzuziehen (vgl. Reto A. Heizmann, Der Begriff des marktbeherrschenden Unternehmens
im Sinne von Art. 4 Abs. 2
in Verbindung mit Art. 7
KG, Zürich/Basel/Genf 2005, Rz. 305, mit Hinweis
auf den in:
RPW 1998/4, S. 674 E. 4.1 veröffentlichten Entscheid der REKO/WEF; Lucas David/Reto
Jacobs, Schweizerisches Wettbewerbsrecht, 4. Aufl., Bern 2005, Rz. 537). Zu den massgeblichen Kriterien
zählen die Marktstrukturdaten, d.h. insbesondere der Marktanteil des in Frage stehenden Unternehmens
und die Marktanteile der übrigen, auf dem gleichen Markt agierenden Konkurrentinnen sowie deren
Entwicklung (vgl. Clerc, a.a.O., Rz. 101 f. zu Art. 4 Abs. 2
KG; Zäch, a.a.O., Rz. 583). Weiter
relevant sind die Eigenschaften des betreffenden Unternehmens, wie etwa dessen Finanzkraft und Grösse
sowie andere marktspezifischen Eigenschaften, die eine Marktbeherrschung indizieren können, sein
Marktverhalten, aber auch die Offenheit des betreffenden Markts, d.h. der potenzielle Wettbewerb (vgl.
Clerc, a.a.O., Rz. 101 f. zu Art. 4 Abs. 2
KG; Zäch, a.a.O., Rz. 584, 586 f.).
Abweichend von
dem in der Zusammenschlusskontrolle verlangten Marktbeherrschungsgrad (Art. 10 Abs. 2 Bst. a
KG) wird
bei der - vorliegend in Frage stehenden - Missbrauchsaufsicht über marktbeherrschende Unternehmen
keine Beseitigung wirksamen Wettbewerbs verlangt; dessen Beschränkung ist ausreichend (Art. 7 Abs.
1
KG; vgl. Swissgrid-Entscheid, veröffentlicht in:
RPW 2006/2, S. 319 [vom Bundesgericht bestätigt
in BGE
133 II 104 E. 6.3. S. 108] sowie Entscheid i.S. Berner Zeitung/Tamedia AG, veröffentlicht
in:
RPW 2006/2, S. 366 [vom Bundesgericht bestätigt, vgl.
RPW 2007/2, S. 335]; weitergehend Roger
Zäch/Adrian Künzler, Marktbeherrschung - Bedeutung des Tatbestandsmerkmals in Art. 7
und Art.
10 Abs. 2
KG, in: Kunz [Hrsg.], Wirtschaftsrecht in Theorie und Praxis, Festschrift für Roland von
Büren, Basel 2009, S. 469 ff.).
In verfahrensrechtlicher Hinsicht ist nicht ein Nachweis der
marktbeherrschenden Stellung im Sinne eines Vollbeweises zu erbringen; vielmehr hat die Vorinstanz im
Rahmen ihrer Erwägungen abzuwägen, ob im konkreten Fall von einer Marktbeherrschung auszugehen
ist, und diesen Entscheid zu begründen. An die Begründungsdichte sind hohe Anforderungen zu
stellen (vgl.
BVGE 2009/35 E. 7.4, m.w.H.).
In der Praxis erfolgt die Beurteilung der Marktstellung
eines angeblich marktbeherrschenden Unternehmens regelmässig in der Rangfolge aktueller Wettbewerb,
potenzieller Wettbewerb und Stellung der Marktgegenseite. Unter Umständen wird die Prüfung
jedoch auf weitere in Frage kommende disziplinierende Einflüsse ausgedehnt und geprüft, ob
diese ausreichend stark sind, um ein unabhängiges Verhalten einzuschränken (vgl. Heizmann,
a.a.O., Rz. 14, 305, 332; Zäch, a.a.O., Rz. 582).
6.2 Aktueller Wettbewerb
6.2.1
Marktanteil von Publigroupe
6.2.1.1 Publigroupe verfügt nach Auffassung der Vorinstanz im
definierten relevanten Markt über einen hohen Marktanteil von über 63 %. Dies sei auf deren
Doppelfunktion zurückzuführen. Zum einen schlössen zahlreiche Verlage mit Publigroupe
exklusive Pachtverträge ab, andererseits generierten die Eigenregieverlage rund 40-50 % ihres Anzeigenvolumens
mit von Publigroupe vermittelten Inseraten (vgl. Verfügung Ziff. 136).
6.2.1.2 Die Beschwerdeführer
bestreiten ihren Marktanteil am Schweizer Printvolumen nicht. Dieser betrage für das Jahr 2006 bei
einem Gesamtvolumen von CHF 2,369 Mia. 63,1 % oder CHF 1,496 Mia. Bestritten wird hingegen, ob ihre Outsourcingleistungen
einen Anteil von 55 % ausmachen. Der Anteil der Regieverlage, d.h. der Verlage, die das Inserategeschäft
an Publigroupe ausgelagert hätten, betrage lediglich 42,5 % und nicht 55 %. Weiter argumentieren
sie, dass unabhängig von den erhobenen strukturellen Daten über die Anteile der Beschwerdeführerinnen
am Gesamtpresseumsatz in der Schweiz, nach Art. 4 Abs. 2
KG die Möglichkeit des unabhängigen
Verhaltens von anderen Marktteilnehmern das entscheidende Kriterium sei. Entsprechend würden die
Daten der Vorinstanz zum Marktanteil von Publigroupe nichts über ihre Marktstellung aussagen. Entscheidend
für die Beurteilung der Marktstellungsfrage sei, dass die Beschwerdeführer keine Konditionenhoheit
gegenüber den Inseratekunden hätten, und dass die Bruttomargen wegen des Marktdrucks durch
die Verlage trotz Hochkonjunktur laufend gesunken seien. Überdies hätten die Verlage in der
Schweiz auch die Möglichkeit, von einem Systemwechsel Gebrauch zu machen.
6.2.1.3 Das Ergebnis
der Vorinstanz betreffend die Marktanteilsfrage ist jedoch gestützt auf die nachfolgenden Ausführungen
nachvollziehbar.
Die Beschwerdeführer 1-5 nahmen in den Jahren 2000 bis 2006 im relevanten
Markt einen Marktanteil von mindestens 63 % ein (vgl. Verfügung Ziff. 129). Ein Marktanteil in diesem
Rahmen wird denn auch von den Beschwerdeführern für das Jahr 2006 bestätigt (vgl. Replik
vom 10. Oktober 2007 Ziff. 70). Entsprechend wurden ca. 63 % des Printwerbe- und Printinsertionsumsatzes
in der Schweiz über die Vermittlungsdienstleistungen der Beschwerdeführer 1-5 abgewickelt.
Die
Beschwerdeführer rügen in diesem Zusammenhang, dass der Anteil der Regieverlage, die das Inserategeschäft
an die Beschwerdeführer 1-5 ausgelagert hätten, nicht - wie von der Vorinstanz angenommen -
55 %, sondern gestützt auf Daten aus dem Jahre 2005 42,5 % betrage.
Der Vorinstanz ist
zuzustimmen, dass dieser Marktanteil von 55 % von Publigroupe selber stammt. So führt sie in Beantwortung
des Fragebogens der Vorinstanz im Antwortschreiben vom 27. Juni 2003 (vgl. act. 125 des vorinstanzlichen
Verfahrens [nachfolgend: "Vorinstanz act." für Verweise auf die vorinstanzlichen Akten])
aus, dass die von den Publipresse-Gesellschaften betreuten Regiezeitungen einen Anteil von 55 % (52 %
im Stellenbereich) ausmachen würden. Eine Berechnung des Anteils der beglaubigten Auflagen ergebe
einen Anteil von 53 %. Ein anderer Ansatzpunkt, nämlich das Abstellen auf die Leserzahl, führe
demgegenüber zu einem Anteil der Regietitel von 49 %. Entgegen den Ausführungen der Vorinstanz
in der Vernehmlassung vom 2. Juli 2007 (Ziff. 52) haben die Beschwerdeführer bereits im vorinstanzlichen
Verfahren in der Stellungnahme vom 20. September 2006 (Vorinstanz act. 308 Ziff. 38) darauf hingewiesen,
dass die Publigroupe-Gesellschaften vom gesamten Outsourcingvolumen von CHF 1,262 Mia. im Jahre 2004
gestützt auf Pachtverträge CHF 0,976 Mia. und somit einen Anteil von 42,5 % des Gesamtprintvolumens
bewirtschaften würden.
Es ist nicht von der Hand zu weisen, dass sich die Vorinstanz
bei der Berechnung des Marktanteils unter anderem auch auf die von Publigroupe eingereichten Zahlen aus
dem Jahr 2001 abstützte, da diejenigen für das Jahr 2002 zur Zeit der Befragung offenbar noch
nicht erhältlich waren. Die Beschwerdeführer wenden zu Recht ein, dass diese Zahlen für
ein zu sanktionierendes Verhalten für den Zeitraum von April 2004 bis Februar 2006 insoweit problematisch
sein könnten, als sich die Marktanteile zwischenzeitlich erheblich hätten verändern können.
Die Beschwerdeführer übersehen jedoch, dass die Vorinstanz in der angefochtenen Verfügung
(Ziff. 129) bei der Berechnung des Marktanteils ebenfalls die Zahlen der Jahre 2002 bis 2004 berücksichtigt
hat. Danach entsprach der Marktanteil der Beschwerdeführer 1-5, gemessen an den Gesamtausgaben für
die Pressewerbung in der Schweiz im Jahre 2004, immer noch 63,6 %.
Wie unter Erwägung
5 aufgezeigt, ist als relevanter Markt der Markt für die Vermittlung und den Verkauf von Inserate-
und Werberaum in Printmedien (sowohl Eigenregie- und Pachttitel) in der Schweiz abzugrenzen. Wie in der
Beschwerde (Ziff. 10) ausgeführt wird, erwirtschafteten die Beschwerdeführer 1-5 im Jahre 2005
im relevanten Markt einen Umsatz von CHF 1,451 Mia. Ausgehend vom Gesamtumsatz von Pressewerbung in der
Schweiz von CHF 2,299 Mia. (Ziff. 12 der Beschwerde) verfügten somit die Beschwerdeführer 1-5
im Jahre 2005 auch nach eigenen Angaben über einen Marktanteil von rund 63 %.
Bei dem
von den Beschwerdeführern geltend gemachten Marktanteil von 42,5 % werden dem Gesamtpresseumsatz
im Jahre 2005 von CHF 2,299 Mia. lediglich der bereinigte Umsatz der Beschwerdeführer 1-5 für
Pachttitel im Umfang von CHF 977 Mio. gegenübergestellt. Bei dieser Vorgehensweise wird der Umsatz
der Beschwerdeführer 1-5 für Eigenregietitel und für Mischkombinationen (Pacht- und Eigenregietitel)
nicht berücksichtigt. Diese Berechnungsweise entspricht nicht dem vorgängig als massgebend
betrachteten relevanten Markt. Eine engere Definition des relevanten Markts, beispielsweise die Beschränkung
auf den Umsatz mit Pachttiteln, würde unweigerlich zu einem noch grösseren Marktanteil der
Beschwerdeführer 1-5 führen.
Nach dem Gesagten ist die Berechnung der Vorinstanz,
welche von einem Marktanteil der Beschwerdeführer 1-5 von rund 63 % ausgeht, nicht zu beanstanden.
Dieser hohe Marktanteil ist vor allem auf ihre Doppelfunktion als wichtige Vermittlerin sowohl ihrer
Pachtregietitel als auch der Eigenregieverlage (vgl. Verfügung Ziff. 131, 132, 134, 136) zurückzuführen.
Richtigerweise
hat die Vorinstanz nicht allein gestützt auf den festgestellten hohen Marktanteil eine marktbeherrschende
Stellung der Beschwerdeführer 1-5 angenommen, sondern hat auch die restlichen Elemente geprüft.
Schliesslich könnte, selbst wenn der Argumentation der Beschwerdeführer gefolgt und von einem
Marktanteil von 42,5 % ausgegangen würde, eine marktbeherrschende Stellung der Beschwerdeführer
1-5 allein dadurch noch nicht ausgeschlossen werden. Es müsste auch in diesem Fall geprüft
werden, ob Ansatzpunkte bestehen, damit von der notwendigen Autonomie in Bezug auf das Verhalten gegenüber
den anderen Marktteilnehmern ausgegangen und auf das Vorliegen einer marktbeherrschenden Stellung geschlossen
werden könnte (vgl. Borer, a.a.O., Rz. 20 zu Art. 4).
6.2.1.4 Als Zwischenfazit ist festzuhalten,
dass Publigroupe im relevanten Markt mit über 63 % einen hohen Marktanteil einnimmt. Dies ist ein
Indikator, der für eine marktbeherrschende Stellung der Publigroupe spricht.
6.2.2 Relative
Stärke der Mitbewerber
6.2.2.1 Des Weiteren ist die Frage zu klären, welche Stellung
die Wettbewerber von Publigroupe, d.h. die anderen unabhängigen Vermittlerunternehmen und die Verlage,
welche ihren Werbe- und Insertionsraum selbständig vermarkten, im relevanten Markt einnehmen. Insbesondere
ist zu beurteilen, ob diese das Verhalten von Publigroupe zu disziplinieren vermögen.
6.2.2.2
Die Vorinstanz kommt in ihrer Untersuchung zum Schluss, dass zwischen Publigroupe und ihren Mitbewerbern
eine unausgeglichene Marktanteilsverteilung zugunsten von Publigroupe bestehe (vgl. Verfügung Ziff.
138 ff.). Da Publigroupe zudem von strukturellen Vorteilen profitiere, gehe von den Mitbewerbern kein
disziplinierender Einfluss auf das Verhalten von Publigroupe aus.
Die Vorinstanz begründet
diese Einschätzung wie folgt:
Publigroupe habe in Bezug auf eine Vielzahl von Titeln
(ca. 600) langfristige Pachtverträge abgeschlossen. In den Jahren 2005 und 2006 seien überdies
die NZZ und die Aargauer Zeitung als neue Pachtregietitel hinzugekommen (vgl. Verfügung Ziff. 131).
Im Gegensatz dazu würden neben Publigroupe nur wenige Vermittler existieren, die in einem Pachtregie-Vertragsverhältnis
zu einem Verlag stehen würden (vgl. Verfügung Ziff. 139).
Die Publigroupe verfüge
zudem über eine starke regionale Marktstellung in der Innerschweiz, Ostschweiz und in Graubünden.
In der Westschweiz und im Tessin hätten fast sämtliche Verlage ihr Anzeigengeschäft an
Publigroupe ausgelagert (vgl. Verfügung Ziff. 140).
Neben Publigroupe seien keine weiteren
grossen oder mittelgrossen Unternehmen, welche nur annähernd über eine ähnlich starke
Marktstellung verfügen würden, im relevanten Markt tätig (vgl. Verfügung Ziff. 141-143).
Publigroupe
habe im relevanten Markt einen Marktteil von über 63 % inne. Ihre Mitbewerber seien eine heterogene
Gruppe von kleinen Vermittlern und Eigenregieverlagen ohne gemeinsame Strategie, mit unterschiedlichen
Leistungen und Konditionen. Entsprechend vermöchten die heterogen organisierten Mitbewerber keinen
disziplinierenden Einfluss auf Publigroupe auszuüben (vgl. Verfügung Ziff. 140, 143).
Schliesslich
verfüge Publigroupe über drei strukturelle Vorteile: (1) Netzwerkeffekt, (2) Minderheitsbeteiligungen
an zahlreichen Verlagen (vgl. Verfügung Ziff. 148 f.), (3) beträchtliche Finanzkraft (vgl.
Verfügung Ziff. 150).
6.2.2.3 Diese Ausführungen der Vorinstanz zeigen in nachvollziehbarer
und überzeugender Weise auf, dass es sehr unwahrscheinlich ist, dass die Mitbewerber einen disziplinierenden
Einfluss auf das Verhalten von Publigroupe auszuüben vermögen. Die Untersuchungen der Vorinstanz
zeigen vielmehr ein Bild, wonach auf der einen Seite Publigroupe mit einem hohen Marktanteil, zahlreichen
Pachtregietiteln, einem schweizweit flächendeckenden und lokal verankerten Filialennetzwerk und
weiteren strukturellen Vorteilen (Minderheitsbeteiligungen, hohe Finanzkraft) steht; auf der anderen
Seite ist eine heterogen organisierte Gruppe von Mitbewerbern, unter welchen sich kaum mittlere und grosse
Unternehmen befinden.
6.2.3 Besteht vertikaler Marktdruck durch die Verlage?
6.2.3.1 Die
Beschwerdeführer machen geltend, Publigroupe verfüge nicht über eine marktbeherrschende
Stellung im Sinne von Art. 4 Abs. 2
KG, da sich die Beschwerdeführerinnen 1-5 gegenüber den
Verlagen nicht in wesentlichem Umfang unabhängig verhalten könnten (vgl. Beschwerde Ziff. 267
f. und 271 f.). Die Verlage würden einen disziplinierenden Marktdruck auf das Verhalten von Publigroupe
ausüben. Sie wüssten ihre Verhandlungsmacht als lokale und regionale Marktführer gegenüber
der Publigroupe sehr wohl zu nutzen. Die Beschwerdeführer 2-5 seien zur Unterhaltung ihres Netzwerks
darauf angewiesen, mit sämtlichen Verlagen eine Zusammenarbeit zu suchen, auch wenn die Pacht- oder
Vermittlungskonditionen noch so schlecht seien. Dies widerspiegle sich insbesondere in den sinkenden
Bruttomargen der Publigroupeunternehmen.
6.2.3.2 Die Vorinstanz führt in diesem Zusammenhang
aus, dass es sowohl für Publigroupe als auch für die Verlage wichtig sei, in Bezug auf das
von den Beschwerdeführerinnen 2-5 betriebene Filialennetzwerk miteinander zu kooperieren. Die Publigroupe
sei auf die Kooperation mit den Verlagen angewiesen, um ihr Filialennetzwerk aufbauen und pflegen und
überhaupt vom strukturellen Vorteil des Netzwerkeffekts profitieren zu können. Für die
Verlage, vor allem auch die kleineren, sei eine Zusammenarbeit insbesondere im Bereich der Werbung und
Insertion mit überregionaler bzw. nationaler Bedeutung unabdingbar (vgl. Verfügung Ziff. 159-162).
Publigroupe
verfüge aufgrund ihres hohen Marktanteils, der unausgeglichenen Marktanteilsverteilung und der strukturellen
Vorteile (Netzwerkeffekt, Minderheitsbeteiligungen, hohe Finanzkraft) über eine stärkere Position
als die Verlage, die Publigroupe als heterogen organisierte Gruppe von relativ kleinen Unternehmen gegenüberstehen
würden (vgl. Vernehmlassung Ziff. 60).
Zum Thema der sinkenden Bruttomargen, welche die
Unternehmen der Publigroupe zu verzeichnen hätten, äussert die Vorinstanz, dass dies weniger
auf eine geschwächte Marktstellung von Publigroupe als vielmehr auf die Pressekrise zurückzuführen
sei (vgl. Verfügung Ziff. 161).
Gestützt auf diese Ausführungen sei davon auszugehen,
dass die Verlage keinen genügenden disziplinierenden Marktdruck auf Publigroupe auszuüben vermöchten
(vgl. Verfügung Ziff. 162).
6.2.3.3 Die Rüge, wonach die Publigroupe einem durch die
Verlage ausgeübten vertikalen Marktdruck ausgesetzt sei, so dass eine Marktbeherrschung ausgeschlossen
werden könne, überzeugt nicht. Es ist ohne Weiteres nachvollziehbar, dass Publigroupe auf eine
gute Zusammenarbeit mit den Verlagen angewiesen ist, um ihr Netzwerk möglichst optimal bewirtschaften
zu können. Das Vorliegen einer Marktbeherrschung setzt aber nicht voraus, dass für Nachfrager
oder Anbieter überhaupt keine Ausweichmöglichkeiten bestehen. Entsprechend ist Marktbeherrschung
nicht mit dem Fehlen jeglichen Wettbewerbs auf dem betreffenden Markt gleichzusetzen (vgl. Clerc, a.a.O.,
Art. 4 Abs. 2 N 98; Zäch, a.a.O., Rz. 593).
6.2.4 Besteht vertikaler Marktdruck durch
die anderen Vermittlerunternehmen?
Die Beschwerdeführer machen geltend, dass sie sich gegenüber
den Inseratekunden und Werbeauftraggebern nicht unabhängig verhalten könnten, weil die Konditionenhoheit
gegenüber den Inseratekunden und Werbeauftraggebern bei den Verlagen liege (vgl. Beschwerde Ziff.
263).
Vorliegend geht es um die Frage, ob sich Publigroupe im relevanten Markt für die Vermittlung
und den Verkauf von Werbe- und Insertionsraum in Printmedien in wesentlichem Umfang unabhängig verhalten
kann. Grundsätzlich sind die Insertions- und Werbekonditionen, welche die Verlage gegenüber
den Inserenten und Werbern festlegen, von den (Kommissions-)Konditionen, welche Publigroupe gegenüber
den anderen Vermittlern festlegt, zu unterscheiden. Obwohl die Geschäftskonditionen der Verlage
diejenigen von Publigroupe beeinflussen können, geht es vorliegend um die Frage, ob Publigroupe
ihre eigenen Konditionen in wesentlichem Umfang unabhängig festlegen kann. Es wurde bereits aufgezeigt,
dass es eine Reihe von stichhaltigen Argumente gibt, die gegen eine Disziplinierung der Publigroupe durch
die Verlage sprechen (vgl. oben E. 6.2.3). Falls die Insertionskunden und Werber tatsächlich Marktdruck
auf die Verlage ausüben, indem sie etwa mit der Verschiebung des Werbemixes zu Lasten der Printmedien
drohen, vermag das allenfalls das Verhalten der Verlage zu disziplinieren, nicht jedoch dasjenige der
Beschwerdeführer als Pächter oder Vermittler von Inserate- und Werberaum in Printmedien. Wie
die Vorinstanz zur Recht ausführt, wirkt sich die Konditionenhoheit der Verlage nicht auf die Marktstellung
der Beschwerdeführer aus, sondern auf diejenige der (Print-)Verlage.
6.2.5 Besteht disziplinierender
Einfluss alternativer Werbeträger?
6.2.5.1 Die Beschwerdeführer sind der Auffassung,
die elektronischen Medien sowie die Direkt- und Aussenwerbung würden als Werbeträger Substitute
zu den Printmedien darstellen (vgl. Beschwerde Ziff. 241 ff., 285). Statistiken zu den Netto-Werbeumsätzen
in der Schweiz, gesondert nach den verschiedenen Werbeträgern, würden zeigen, dass eine Verdrängung
der Printmedien als Werbeträger zu verzeichnen sei. Bezüglich der Wirkung von Substitutionsprodukten
aus anderen Medienbereichen sei festzustellen, dass der Margendruck bei den Printmedien die Publigroupe
unmittelbar treffe. Ihre Kommission sei unmittelbar abhängig vom verkauften Printinserateumsatz.
Druck auf die Printkonditionen habe unmittelbare Auswirkungen auf die Pacht- und Kooperationsverträge
von Publigroupe (vgl. Beschwerde Ziff. 285).
6.2.5.2 Wie bereits dargelegt (vgl. E. 5), stimmt
das Bundesverwaltungsgericht mit der von der Vorinstanz vorgenommenen Abgrenzung überein, wonach
der sachlich relevante Markt ausschliesslich die Vermittlung und den Verkauf von Werbe- bzw. Insertionsraum
in Printmedien umfasst (vgl. Verfügung Ziff. 98 ff.). Entsprechend stellt aus der Sicht der Werber
und Inserenten der Werbe- bzw. Insertionsraum im Internet, Radio, Fernsehen sowie in Direkt- und Aussenwerbung
kein genügendes Substitut zum Werbe- bzw. Insertionsraum in Printmedien dar. Auch die von den Beschwerdeführern
geltend gemachten rückgängigen Zahlen im Bereich der gesamtschweizerischen Werbeumsätze
im Zeitraum von 1982 bis 2005 zeigen nicht ohne Weiteres auf, dass die elektronischen und weitere Medien
Substitutionswerbeträger zu den Printmedien sind. Sie sind, wie bereits erwähnt, zu einem grossen
Teil auch auf die Pressekrise zurückzuführen (vgl. E. 5.1.9).
6.2.5.3 Die Vorinstanz
weist zu Recht darauf hin, dass das Internet eine gewisse disziplinierende Wirkung im Primärmarkt
der Rubrikinsertion ausübe. Sofern vermehrt Rubrikinserate von den Printmedien ins Internet abwandern,
wie dies in den letzten Jahren der Fall war, hat dies mittelbar auch Auswirkungen auf die mit Pacht-
und Vermittlerkommissionen erzielten Umsätze der Beschwerdeführer. Nicht betroffen wird dadurch
jedoch die Marktstellung der Beschwerdeführer im vorliegend definierten Markt für die Vermittlung
und Vermarktung von Werbe- und Insertionsraum in Printmedien.
6.2.5.4 Mit Verweis auf die Erwägung
5.1.8 kann festgehalten werden, dass weder das Internet noch die anderen alternativen Werbeträger
einen wesentlichen disziplinierenden Einfluss auf die Geschäftstätigkeit der Beschwerdeführer
im relevanten Markt auszuüben vermögen, zumal das bis zu einem gewissen Grad bestehende Substitutionsverhältnis
zwischen Print und Online im Bereich der Rubrikinserate in erster Linie den Primärmarkt betrifft.
Als Zwischenergebnis ist festzuhalten, dass zwischen den alternativen Medien, wie insbesondere dem Internet
und der Direktwerbung, und den Printmedien keine ausreichende Substituierbarkeit gegeben ist.
6.2.5.5
Somit kann davon ausgegangen werden, dass während der massgebenden Dauer (Sanktionszeitraum) im
relevanten Markt kein ausreichender aktueller Wettbewerb, welcher auf die Beschwerdeführer eine
ausreichende disziplinierende Wirkung entfaltet hätte, bestanden hat.
6.2.6 Bestand im relevanten
Markt potenzieller Wettbewerb?
6.2.6.1 Die Beschwerdeführer machen in diesem Zusammenhang
geltend, dass die Möglichkeit der Verlage, vom Pachtregiesystem zum Eigenregiesystem zu wechseln,
einen disziplinierenden Faktor darstelle (vgl. Beschwerde Ziff. 279 f.).
Demgegenüber
kommt die Vorinstanz in ihrer Untersuchung zur Auffassung (vgl. Verfügung Ziff. 181 und 184), dass
der Wechsel vom Pacht- zum Eigenregiesystem für die Verlage unattraktiv und deshalb unwahrscheinlich
sei. Die Möglichkeit der Verlage zu einem entsprechenden Systemwechsel vermöge deshalb nicht,
Publigroupe in ihrem Verhalten zu disziplinieren.
Die Vorinstanz argumentiert, dass die Anzeige-
und Werbeeinnahmen einen Anteil von 60-70 % am Gesamtumsatz ausmachen und somit die wichtigste Einnahmequelle
einer Zeitung darstellen würden. Vor dem Hintergrund der wirtschaftlichen Krise, welche die Pressebranche
in den letzten Jahren durchgemacht habe, sei die Bereitschaft geringer, einen Systemwechsel hin zur Eigenregie
vorzunehmen (vgl. Verfügung Ziff. 170, 172). Dies umso mehr, als auch der Aufbau eines Netzwerks,
das mit demjenigen von Publigroupe vergleichbar wäre und entsprechend ein landesweites Netz von
lokalen Filialen aufweisen würde, mit hohen Fixkosten sowie Investitionen, welche bei einem späteren
erneuten Systemwechsel hin zur Pachtregie nicht wieder rückgängig gemacht werden könnten
(sog. "sunk costs"), verbunden wäre (vgl. Verfügung Ziff. 171 f.).
Vor
allem das landesweit flächendeckende, lokal verankerte Filialennetz von Publigroupe stelle einen
strukturellen Vorteil der Vermittlerin dar. Für die Verlage, Inserenten und Werbeauftraggeber sei
zumindest im Bereich der Werbung und Insertion mit nationaler Bedeutung eine Zusammenarbeit mit Publigroupe
wirtschaftlich sehr interessant, weil sie auf das Netzwerk der Publigroupe zurückgreifen könnten.
Der
Vorinstanz ist in diesem Zusammenhang zuzustimmen, dass die von den Beschwerdeführern in der Beschwerde
(Ziff. 280) und in der Replik (Ziff. 79 ff.) angeführten Entwicklungen ab Erlass der Verfügung
für die Sanktionierung eines Vergangenheitstatbestands nicht berücksichtigt werden dürfen.
Andererseits lassen diese Entwicklungen aber Rückschlüsse zu, ob die Vorinstanz seinerzeit
den Einfluss des potenziellen Wettbewerbs und somit die Frage, ob andere Unternehmen in der Lage sind,
in absehbarer Zeit auf den Markt zu treten, richtig eingeschätzt hat.
Es ist nicht von
der Hand zu weisen, dass es trotz den von der Vorinstanz in der angefochtenen Verfügung dargelegten
Schwierigkeiten eines Wechsels von ehemaligen Pachtverlagen hin zur Vermarktung in Eigenregie (vgl. Verfügung
Ziff. 178 ff.), nicht ausgeschlossen ist, dass einzelne Verlage die Outsourcingverträge mit den
Beschwerdeführern 1-5 auflösen, um die Inseratebewirtschaftung selber vorzunehmen. Die Beschwerdeführer
nennen in diesem Zusammenhang folgende Beispiele: Walliser Bote (Systemwechsel von Pacht- zu Eigenregie
im Jahre 2004), Südostschweiz (Systemwechsel vom Gemeinschaftsunternehmen in die Nähe einer
Eigenregie im Jahre 2007), Der Bund (Wechsel zur Eigenregie infolge Eingliederung in die Espace Media
Groupe im Jahre 2004), Thurgauer Zeitung (Systemwechsel von Pacht- zu Eigenregie ab 1. Januar 2007),
Landbote (Systemwechsel von Pacht- zu Eigenregie ab 1. Januar 2008) und Winterthurer Stadtanzeiger (Systemwechsel
von Pacht- zu Eigenregie ab 1. Januar 2008). Gleichzeitig werden von den Beschwerdeführern aber
auch Beispiele aufgeführt, die einen umgekehrten Wechsel, nämlich von der Eigenregie hin zur
Pacht vollzogen haben (Neue Zürcher Zeitung, NZZ am Sonntag, Rhône Zeitung, Kombi City Plus
[Neue Luzerner Zeitung und St. Galler Tagblatt], Anzeiger St. Gallen, Sonntagszeitung Mittelland-Zeitung).
Ansonsten wird ein Wechsel von Pacht- zur Eigenregie von den meisten Verlagen, jedenfalls was den nationalen
Anzeigenmarkt anbelangt, als unwahrscheinlich angesehen (vgl. Vorinstanz act. 153, 157, 159, 162, 166,
168, 170, 175).
Selbst wenn die Entwicklung bei den Verlagen gemessen an den Umsatzzahlen
zu Lasten der Beschwerdeführer ausfallen sollte und sich folglich per Saldo ein zunehmender Wechsel
zur Eigenregie ergeben hätte, würde dies die dominierende Stellung von Publigroupe kaum abschwächen,
da auch die Eigenregieverlage rund 40-50 % ihres Anzeigenumsatzes mit von Publigroupe vermittelter Werbung
generieren. Dieser Anteil wird von den Beschwerdeführern, jedenfalls was die grossen Verlage anbelangt,
nicht bestritten (vgl. Beschwerde Ziff. 277).
Die Beschwerdeführer rügen des Weiteren,
dass die Vorinstanz bei der Beurteilung der Marktstärke und als Nachweis der marktbeherrschenden
Stellung die Minderheitsbeteiligungen der Beschwerdeführerin 1 an verschiedenen Verlagen berücksichtigt
habe. Dies umso mehr, als die Vorinstanz eine entsprechende Vorabklärung vorbehaltlos eingestellt
habe. Hierzu ist zu bemerken, dass die Einstellung dieser Vorabklärung offensichtlich geschah, weil
Publigroupe bezüglich ihrer Minderheitsbeteiligungen an verschiedenen Verlagen kein Missbrauch vorzuwerfen
war. Dies bedeutet jedoch nicht, dass die Minderheitsbeteiligungen bei der Beurteilung der Marktstellung
von Publigroupe nicht zu berücksichtigen wären. Denn bei der Beurteilung der Frage, ob ein
Unternehmen marktbeherrschend ist, ist unter anderem auch dem Kriterium der Unternehmensstruktur Rechnung
zu tragen. Unter diesem Gesichtpunkt sind die individuellen Merkmale, wie beispielsweise Effizienz- und
Grössenvorteile, Zugang zu Beschaffungs- und Absatzmärkten, effiziente Vertriebssysteme, personelle
und finanzielle Verflechtungen mit anderen Unternehmen, zu beurteilen, die Wettbewerbsvorteile gegenüber
tatsächlichen oder potenziellen Wettbewerbern begründen können (vgl. Roger Zäch,
Verhaltensweisen marktbeherrschender Unternehmen, in: von Büren/David [Hrsg.], Schweizerisches Immaterialgüter-
und Wettbewerbsrecht [SIWR] V/2, Basel 2000, S. 172 ff.). Und gerade in diesen Bereichen liegen die Hauptvorteile
von Publigroupe gegenüber potenziellen Mitbewerbern. Genannt seien nur das schweizweit bestens organisierte
Filialnetz von Publigroupe mit den sich ergebenden Netzwerkvorteilen sowie die unbestritten festgestellte
Zufriedenheit der meisten Pachtregieverlage mit der Leistungsqualität von Publigroupe, überdies
die sich daraus ergebende starke Kundenbindung. Es ist ebenfalls nachvollziehbar, dass sich Publigroupe
mit den Minderheitsbeteiligungen bei den entsprechenden Verlagen einen gewissen Einfluss sichern konnte,
auch wenn allein dadurch ein allfälliger Wechsel von der Pacht- zur Eigenregie nicht ausgeschlossen
werden kann.
Zusammenfassend ist festzuhalten, dass die Vorinstanz nachvollziehbar begründet,
dass die Möglichkeit der Verlage, sich aus den Pachtverträgen zu lösen und ihren Inserate-
und Werberaum in Eigenregie zu vermarkten, keinen genügenden Wettbewerbsdruck auf Publigroupe auszuüben
vermag.
6.2.6.2 Des Weiteren ist zu prüfen, ob die Möglichkeit der Verlage, vom System
der reinen Eigenregie zu einem Modell der Teilverpachtung zu wechseln, eine ausreichende disziplinierende
Wirkung auf das Verhalten der Publigroupe auszuüben vermag.
Beim Modell der Teilverpachtung
übernimmt der Verlag in der Regel die Vermarktung des Werbe- und Insertionsraums auf der lokalen
oder allenfalls regionalen Ebene, wohingegen eine Pächterin für die Vermarktung auf nationaler
Ebene zuständig ist. Einzelne Verlage haben ein solches Teilpachtmodell eingeführt und andere
in Beantwortung des Fragebogens des Sekretariats die Möglichkeit aufgezeigt, bei Bedarf eine Eigenregie
für die lokale Werbung kurzfristig aufbauen zu können (vgl. Vorinstanz act. 157 und 162). Entsprechend
stärken diese Teilpachtmodelle die Position der Eigenregieverlage als aktuelle und potenzielle Mitbewerber
der Publigroupe auf lokaler und allenfalls noch regionaler Ebene. Weniger Einfluss hätten vermehrte
Wechsel von der Pachtregie hin zur Teilpacht hingegen auf das nationale Anzeigengeschäft. Da dieses
rund die Hälfte des Werbeumsatzes ausmacht, vermag auch ein vermehrter Wechsel zur Teilpacht keine
ausreichende disziplinierende Wirkung auf das Verhalten von Publigroupe auszuüben.
6.2.6.3
Zu prüfen bleibt, ob von den anderen Vermittlerunternehmen ein potenzieller Wettbewerbsdruck ausgeht.
Die
Vorinstanz führt diesbezüglich in der Verfügung (Ziff. 185 ff.) aus, das Wachstumspotential
der bestehenden unabhängigen Vermittler sei begrenzt. Zudem seien Neumarkteintritte kaum zu erwarten.
Aufgrund diverser struktureller Faktoren, wie der exklusiven Pachtverträge der Publigroupe, der
Unwahrscheinlichkeit eines Systemwechsels von der Pachtregie- zur Eigenregievermarktung und der hohen
Kosten für den Aufbau eines Filialnetzwerks, sei die von den anderen Vermittlern ausgehende potenzielle
Wettbewerbsdynamik gering.
Unbestrittenermassen machte der Marktanteil der unabhängigen
Vermittler auf dem Presseanzeigenmarkt im massgebenden Zeitpunkt nicht mehr als 5 % aus. Eine markante
Steigerung des Marktpotentials der unabhängigen Vermittler ist wenig wahrscheinlich, da der Aufbau
eines mit den Beschwerdeführerinnen 1-5 vergleichbaren Filialnetzes mit hohen Kosten verbunden ist.
Auch Publigroupe selbst rechnete kurz- und mittelfristig nicht mit einem Markteintritt eines neuen grossen
Vermittlungsunternehmens (vgl. Vorinstanz act. 125 Ziff. 52 ff. und 56 f.). Zum einen sei das Pressesegment
des Schweizer Werbemarkts als gesättigt zu bezeichnen. Die Marktanteilsverluste und die stagnierenden
bzw. sinkenden Auflagezahlen der Zeitungen hätten zu einem beschleunigten Konzentrationsprozess
geführt. Diese Konzentrationsentwicklungen im Verlagswesen hätten ihre Parallele in den Konzentrationsentwicklungen
bei den Vermittlern. Zum anderen müsse für die Vermittlungstätigkeit eine gewisse kritische
Masse erreicht werden, damit das erforderliche Netzwerk an Verkaufs- und Abwicklungsstellen ökonomisch
sinnvoll betrieben werden könne. Langfristig sei jedoch durchaus vorstellbar, dass sich andere Wettbewerber
im grösseren Umfang auf dem Schweizer Pressewerbesegment zu etablieren versuchen würden.
Die
aufgezeigten Marktzutrittsschranken (Kosten für den Aufbau eines umfassenden Filialnetzes), der
bisherige Marktanteil der unabhängigen Vermittler (unter 5 %) und der markante mengenmässige
Vorteil von Publigroupe lassen den Aufbau eines vergleichbaren Netzwerks, nicht zuletzt mit Blick auf
die Sättigungstendenzen im Schweizer Pressewerbemarkt und den Konzentrationsentwicklungen, kurz-
und mittelfristig als kaum realisierbar erscheinen. Entsprechend hat die Vorinstanz nachvollziehbar begründet,
dass die vom potenziellen Wettbewerb durch unabhängige Vermittler ausgehende disziplinierende Wirkung
gering ist.
6.2.7 Fazit Marktstellung
Zusammenfassend ist somit festzuhalten, dass die
angefochtene Verfügung vor Bundesrecht standhält und die Vorinstanz zu Recht von einer marktbeherrschenden
Stellung gemäss Art. 4 Abs. 2
KG der Beschwerdeführerin 1 im Markt für die Vermittlung
und den Verkauf von Inserate- und Werberaum in Printmedien ausgegangen ist.
7. Missbräuchlichkeit
der vorgeworfenen Verhaltensweise
7.1 Allgemeines
Ausgehend vom relevanten Markt
(E. 5) und der dort beherrschenden Stellung der Beschwerdeführerin 1 (E. 6) ist als Nächstes
zu prüfen, ob das ihr zur Last gelegte, angeblich unzulässige Verhalten - Missbrauch der marktbeherrschenden
Stellung durch den Ausschluss einzelner unabhängiger Vermittler von einer Kommissionierung vom 1.
April 2004 bis Februar 2006 - nach Art. 49a Abs. 1
KG sanktionswürdig war, weil dieses Verhalten
die Tatbestandsvoraussetzungen von Art. 7 Abs. 1
(i.V.m. Abs. 2 Bst. b)
KG erfüllt.
7.1.1
Nach Art. 7 Abs. 1
KG verhalten sich marktbeherrschende Unternehmen unzulässig, wenn sie durch den
Missbrauch ihrer Stellung auf dem Markt andere Unternehmen in der Aufnahme oder Ausübung des Wettbewerbs
behindern oder die Marktgegenseite benachteiligen.
In dieser Bestimmung werden zwei strukturell
verschiedenartige Verhaltensweisen als missbräuchlich bezeichnet, nämlich Behinderungssachverhalte
und Ausbeutungssachverhalte, die voneinander abzugrenzen sind (vgl. Clerc, a.a.O., Rz. 71 ff. zu Art.
7
KG):
7.1.2 Behinderungssachverhalte treten immer - gegenüber Konkurrenten - als Wettbewerbsbeschränkungen
auf und sind ihrem Wesen nach wettbewerbsbezogen. Solche Sachverhalte drücken sich beispielsweise
dadurch aus, dass ein marktbeherrschendes Unternehmen durch preisliches, aber auch nicht preisliches
strategisches Verhalten die missliebige Konkurrenz aus dem Markt verdrängen oder gegen sie entsprechende
Markteintritts-, Marktaustritts- oder Mobilitätsbarrieren errichten kann (vgl. Borer, a.a.O., Rz.
8 zu Art. 7
KG, m.w.H.).
Gemäss Art. 7 Abs. 2 Bst. b
KG kann unter Umständen auch
die Diskriminierung von Handelspartnern bei Preisen - oder sonstigen Geschäftsbedingungen - unzulässig
sein. Denn solche "unangemessenen Preise" lassen sich nicht anders als Zugangsverweigerungen
oder Zugangserschwerungen - mit wettbewerbsbehindernder Auswirkung - interpretieren (vgl. Patrik Ducrey,
Das schweizerische Kartellrecht, in: Cottier/Oesch [Hrsg.], Schweizerisches Bundesverwaltungsrecht, Bd.
XI: Allgemeines Aussenwirtschafts- und Binnenmarktsrecht, 2. Aufl., Basel 2007, Rz. 211 ff., S. 692).
Daher ist die Wettbewerbspolitik im Wesentlichen darauf gerichtet, solche Marktbarrieren zu verhindern
oder zu beseitigen, da offene Märkte als beste Garanten für wirksamen Wettbewerb gelten.
7.1.3
Demgegenüber spielen sich Ausbeutungssachverhalte im wettbewerbsfreien Raum ab, und zwar gegenüber
der anbietenden oder nachfragenden Marktgegenseite. Zu denken ist etwa an die Situation, dass ein Angebotsmonopolist
seine Stellung dazu benutzt, d.h. missbraucht, um ausbeuterische ("wucherische") Preise dem
Nachfrager aufzuzwingen, im Wissen, dass dieser - angesichts des Monopols - über keine zumutbaren
Alternativen verfügt, wenn er seinen Bedarf nach dem Gut des Monopolisten decken will oder muss
(vgl. Ducrey, a.a.O., Rz. 199, wonach es nach Art. 7 Abs. 1
KG unzulässig wäre, zu einem übermässig
hohen Preis zu liefern, wenn ein Kunde keine Ausweichsmöglichkeiten besitzt). Insofern ist der in
Art. 7 Abs. 1
KG verwendete, unscharfe Terminus "benachteiligen" als "ausbeuten"
zu verstehen (vgl. Zäch, Kartellrecht, a.a.O., Rz. 619).
Diese Form kartellrechtlicher
Preismissbrauchsaufsicht hat dann zu greifen, wenn Märkte nicht mehr wettbewerblich strukturiert
sind (vgl. Gerhard Wiedemann, in: Wiedemann [Hrsg.], Handbuch des Kartellrechts, 2. Aufl., München
2008, § 23 N 1, S. 972), d.h. wenn die Wettbewerbspolitik ihrer angestammten Aufgabe, Wettbewerb
zu fördern oder diesen zu erhalten, nicht nachkommen kann. Beispielsweise soll mit der in Art. 7
Abs. 2 Bst. c
KG vorgesehenen Möglichkeit, kartellgesetzlich gegen Preisausbeutungen vorzugehen,
insbesondere verhindert werden, dass ein marktbeherrschendes Unternehmen seinen vom Wettbewerb nicht
wirksam kontrollierten Gestaltungsspielraum zu Lasten Dritter mit einem Verhalten, das zu "nicht
wettbewerbsgerechten Marktergebnissen" führt, ausnützt (vgl. Wiedemann, a.a.O., §
23 N 32, S. 992, mit dem entsprechenden Zitat des Kammergerichts).
7.1.4 Wie in Erwägung 8.1.5
hiernach aufgezeigt wird, vermag Art. 7 Abs. 1
KG - angesichts seiner inhaltlichen Offenheit - zwar nicht
für sich alleine betrachtet, sondern nur im Rahmen der Konkretisierung durch Abs. 2 Bst. b KG, den
Anforderungen des in Art. 7 Abs. 1
erster Satz der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten
(in Kraft getreten für die Schweiz am 28. November 1974, EMRK,
SR 0.101) verankerten Legalitätsprinzips
zu entsprechen.
Daher setzt, wie die Vorinstanz zu Recht ihrem Prüfungsschema zu Grunde
gelegt hat, die Tatbestandsmässigkeit des inkriminierten Verhaltens voraus, dass das marktbeherrschende
Unternehmen andere Unternehmen in der Aufnahme oder Ausübung des Wettbewerbs ohne sachliche Gründe
"behindert" (Art. 7 Abs. 1
KG), indem jene durch ihre Tochtergesellschaften bzw. den VSW mittels
der VSW-Richtlinien einzelne unabhängige Vermittler von einer Kommissionierung ausgeschlossen und
somit diskriminiert hat (Art. 7 Abs. 2 Bst. b
KG).
7.2 Selektives Vertriebssystem
Die
Beschwerdeführer machen bezüglich der vorgeworfenen missbräuchlichen Verhaltensweise geltend
(vgl. Beschwerde Ziff. 185 ff.), das von ihnen gewählte Kommissionierungssystem für Vertriebspartner
der Beschwerdeführer 2-5 sei von seiner Ausgestaltung her vergleichbar mit einem selektiven Vertriebssystem.
Dabei sei die Zulässigkeit der Vertriebssysteme nicht davon abhängig, ob der Prinzipal einen
hohen oder tiefen Marktanteil habe. Die Vorinstanz sei auf diese Argumentation in der angefochtenen Verfügung
nicht eingegangen.
Die Vorinstanz wendet dagegen ein, dass der Vorwurf der Beschwerdeführer
unbegründet sei, da nicht die Selektion als solche kartellrechtswidrig qualifiziert worden sei.
Vielmehr habe sie in Bezug auf jede einzelne Bestimmung der fraglichen Richtlinien geprüft, inwiefern
das Selektionskriterium kartellrechtlich zulässig sei oder nicht. Überdies sei im vorliegenden
Fall ein Vergleich zum selektiven Vertriebssystem problematisch, denn anders als bei üblichen selektiven
Vertriebssystemen stehe Publigroupe gleichzeitig in Konkurrenz zu den unabhängigen Vermittlern um
die Akquisition von Inseraten.
7.2.1 Bei den Vertriebskooperationen, wie beispielsweise dem selektiven
Vertriebssystem, handelt es sich in der Regel um vertikale Absprachen (vgl. Borer, a.a.O., Rz. 11 zu
Art. 6
KG, m.w.H). Der Begriff des selektiven Vertriebssystems wird in Ziff. 2 der im Verfügungszeitpunkt
geltenden Bekanntmachung der Wettbewerbskommission vom 18. Februar 2002 betreffend Bekanntmachung über
die wettbewerbsrechtliche Behandlung vertikaler Abreden (publiziert in:
BBl 2002 3895; nachfolgend: Vertikal-Bekanntmachung)
definiert. Danach liegt ein selektives Vertriebssystem vor, wenn zwischen Lieferant und Händler
eine Vereinbarung getroffen wird, wonach der Lieferant die Vertragswaren oder -dienstleistungen nur an
Händler verkaufen darf, die aufgrund festgelegter Merkmale ausgewählt werden, und diese Händler
die betreffenden Waren oder Dienstleistungen nicht an Händler weiter verkaufen dürfen, die
nicht zum Vertrieb zugelassen sind.
In Ziff. 3 der Bekanntmachung werden Beschränkungen
aufgeführt, die in einem Selektivvertriebssystem nicht vorhanden sein dürfen, ansonsten von
einer erheblichen Beeinträchtigung des Wettbewerbs im Sinne von Art. 5 Abs. 1
KG auszugehen ist.
Selektive
Vertriebssysteme können wirtschaftlich sinnvoll sein, indem sie zu einem qualitativ hochwertigen
Kundendienst beitragen und damit den Qualitätswettbewerb zwischen den Marken (interbrand) fördern
können. Die sich aus einem solchen System ergebende Exklusivität erlaubt es den Vertriebspartnern,
den ihnen zugeteilten Markt intensiv zu bearbeiten, ohne befürchten zu müssen, dass sog. Trittbrettfahrer
von ihren Marktbearbeitungsbemühungen profitieren könnten (vgl. Borer, a.a.O., Rz. 13 zu Art.
6
KG). Die mit den selektiven Vertriebsverträgen einhergehende Exklusivität kann jedoch wohlfahrtsschädigend
sein, wenn die an der Abrede beteiligten Unternehmen marktmächtig sind oder die Abreden zu outputmindernden
Preisdifferenzierungen missbraucht werden (vgl. Borer, a.a.O., Rz. 14 zu Art. 6
KG; Reinert, a.a.O.,
S. 153 ff. und 162 ff.). Auch kann der selektive Vertrieb den markeninternen Wettbewerb (intrabrand)
zwischen den Händlern des Vertriebssystems einschränken (vgl. Christian Kaufmann, Wettbewerbsrechtliche
Behandlung vertikaler Abreden, Zürich/Basel/Genf 2004, S. 101). Dies kann zu einer aus wettbewerbsrechtlicher
Sicht untolerierbaren Situation führen. Gleiches gilt, wenn durch solche Abreden bestehende Vertriebsstrukturen
zementiert werden (vgl. Borer, a.a.O., Rz. 14 zu Art. 6
KG; Reinert, a.a.O., S. 179 ff. und 198 ff.;).
Bei
erheblichen Beeinträchtigungen des Wettbewerbs im Sinne von Art. 5 Abs. 1
KG ist zu prüfen,
ob diese aus Gründen der wirtschaftlichen Effizienz gerechtfertigt sein können (Art. 5 Abs.
2
KG). Die Wettbewerbskommission hat im Bereich Vertikalabreden Kriterien entwickelt und diese in der
Vertikal-Bekanntmachung publiziert. Danach sei eine Abrede betreffend Auswahl der Händler - sowohl
nach qualitativen als auch nach quantitativen Kriterien - erheblich und somit grundsätzlich unzulässig.
Entsprechend könne ein selektives Vertriebssystem lediglich aus Gründen der wirtschaftlichen
Effizienz gerechtfertigt werden. Gemäss Botschaft kann nicht allgemein festgelegt werden, in welchem
Umfang eine Rechtfertigung derartiger Abreden möglich ist. Es bedarf vielmehr der konkreten Analyse
von einzelnen Vertragsklauseln (vgl. Botschaft KG 1994, a.a.O., S. 558 ff.). Da nicht jedes selektive
Vertriebssystem aus Gründen der wirtschaftlichen Effizienz gerechtfertigt werden kann, ist die Vorgehensweise
nicht zu beanstanden, dass die Wettbewerbskommission die einzelnen Bestimmungen der in Frage stehenden
Richtlinien dahingehend überprüft hat, inwiefern das jeweilige Selektionskriterium kartellrechtlich
zulässig ist oder nicht, und dies unabhängig davon, ob es sich im vorliegenden Fall überhaupt
um ein herkömmliches selektives Vertriebssystem handelt oder nicht. Hinzu kommt, dass auf die Richtlinien
auch deshalb ein besonderes Augenmerk zu richten ist, weil der Verband bzw. die Mitglieder des Verbands,
welcher die Richtlinien erlassen hat, als marktmächtig anzusehen sind (vgl. Borer, a.a.O., Rz. 30
zu Art. 5
KG).
Nachfolgend ist auf die von der Wettbewerbskommission erhobenen Missbrauchsvorwürfe
im Einzelnen einzugehen.
7.3 Missbräuchliche Verhaltensweise
Die Rügen
der Beschwerdeführer beziehen sich auf die Missbrauchsvorwürfe der Vorinstanz bezüglich
der Punkte "Unabhängigkeit", "Universalvermittlung" und "Umsatzschwelle".
Auf diese ist nachfolgend im Einzelnen einzugehen.
7.3.1 Unabhängigkeit
Ziff. 2.2
Abs. 1 VSW-Richtlinie in der Fassung vor Abschluss der einvernehmlichen Regelung lautete:
"Als
Berufs-Inseratevermittler kommissioniert werden nur Unternehmen, die im Hauptzweck als Universalvermittler
in der Disposition in eigenem Namen und auf eigene Rechnung von Inseraten, Werbebeilagen und Beiheften
(Inserate) mehrerer juristisch und wirtschaftlich voneinander unabhängiger Auftraggeber in verschiedenen
Printmedien voneinander wirtschaftlich und juristisch unabhängiger Verlage tätig sind."
In
der angefochtenen Verfügung anerkennt die Wettbewerbskommission, dass die Kommissionierung eines
Unternehmens für die "Vermittlung" eigener Inserate wirtschaftlich nicht gerechtfertigt
sei, da die Kommission die Abgeltung von Vermittlungsdienstleistungen im Interesse und im Auftrag des
Verlags bzw. der Publigroupe als Pächterin bezwecke. Ziff. 2.2 Abs. 1 VSW-Richtlinien gehe jedoch
über diese sachlich gerechtfertigte Einschränkung der Kommissionierung hinaus, indem Vermittler,
die nicht für mehrere voneinander juristisch und wirtschaftlich unabhängige Auftraggeber tätig
seien und in verschiedenen Printmedien voneinander wirtschaftlich unabhängiger Verlage vermittelten,
generell ausgeschlossen würden (vgl. Verfügung Ziff. 203 und 206).
Dagegen wenden
die Beschwerdeführer ein, obwohl ihrem Anliegen betreffend Unabhängigkeit des Vermittlers in
der einvernehmlichen Regelung Rechnung getragen worden sei, stelle die Wettbewerbskommission erneut die
Behauptung auf, die frühere Regelung sei missbräuchlich gewesen, weil sie die Vermittlung für
bloss einen Inserenten nicht zugelassen habe. Der Beschwerdeführer 6 habe nie einem Vermittler die
Zulassung als Berufsvermittler verweigert, weil er bloss einen Inserenten zu seinen Kunden gezählt
habe. Eine Verweigerung mit Bezug auf das Kriterium der Unabhängigkeit sei nur im Fall der Ad.X
AG erfolgt. In diesem Fall habe die Vermutung bestanden, dass die Ad.X AG mit ihrem wichtigsten Auftraggeber,
der Mercuri Urval, konzernmässig verbunden gewesen sei. Schliesslich könne in der Tätigkeit
für bloss einen Inserenten nicht mehr von einer Vermittlungstätigkeit, d.h. der Bereitstellung
einer Verkaufsorganisation für eine Vielzahl von Inserenten im Interesse eines Verlags, gesprochen
werden. Der in der einvernehmlichen Regelung verabschiedeten Lösung sei nicht zuletzt mit Blick
auf die zu schaffende Rechtssicherheit und im Sinne einer Beschleunigung des Verfahrensabschlusses zugestimmt
worden. Die sich daraus ergebenden Ineffizienzen durch kompliziertere Abläufe würden zwar in
Kauf genommen. Das Anliegen der Beschwerdeführer, solche Ineffizienzen und hohe Kontrollkosten zu
vermeiden, könne keinesfalls als Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung qualifiziert werden.
Es
ist unbestritten, dass es kartellrechtlich zulässig ist, Vermittler, welche eigene Inserate oder
Inserate des sie beherrschenden Unternehmens vermitteln, von der Kommissionierung auszuschliessen. Diese
Lösung hat denn auch Eingang in die einvernehmliche Regelung gefunden. Die bisherige Ziff. 2.2 Abs.
1 der untersuchten VSW-Richtlinie ging jedoch weiter, indem sie auch Vermittler, die nicht für mehrere
voneinander juristisch und wirtschaftlich unabhängige Auftraggeber tätig waren und in verschiedenen
Printmedien voneinander wirtschaftlich unabhängiger Verlage vermittelten, ausgeschlossen hat. Dadurch
wurden auch Vermittler ausgeschlossen, die keine Eigenvermittlung betrieben haben. Dass durch eine solche
Regelung beispielsweise auch Vermittler nicht berücksichtigt werden, die exklusiv für einen
Verlag Inserateraum anbieten, lässt sich sachlich nicht rechtfertigen. Die Vorinstanz weist in ihrer
Vernehmlassung und in der Duplik zu Recht darauf hin, dass ein solcher Vermittler die Interessen "seines"
Verlags unter Umständen sogar besser wahrnehmen könne, als ein Vermittler, der für mehrere
konkurrierende Verlage tätig sei. Die pauschale Nichtkommissionierung von Vermittlern, die nicht
für mehrere juristisch und wirtschaftlich unabhängige Inserenten tätig sind bzw. nicht
in verschiedenen Printmedien voneinander wirtschaftlich unabhängiger Verlage vermitteln, stellt
eine Diskriminierung gegenüber den anderen Vermittlern im Sinne von Art. 7 Abs. 2 Bst. b
KG dar.
An
dieser Betrachtungsweise ändert auch der Hinweis der Beschwerdeführer nichts, wonach der Beschwerdeführer
6 nie einem Vermittler mit nur einem Kunden die Zulassung als Berufsvermittler verweigert habe. Eine
solche Kommissionierungsvoraussetzung verstösst gegen Art. 7
KG ungeachtet davon, ob ein entsprechender
Vermittler konkret von der Kommissionierung ausgeschlossen wurde. Denn es kann nicht ausgeschlossen werden,
dass allfällige Interessenten bereits aufgrund der klaren Formulierung dieser Richtlinie davon abgehalten
wurden, überhaupt mit einem entsprechenden Begehren an den Beschwerdeführer 6 zu gelangen.
7.3.2
Universalvermittlung
Ziff. 2.2 Abs. 2 VSW-Richtlinie in der Fassung vor Abschluss der einvernehmlichen
Regelung lautete:
"Unternehmen, die nicht als Universalvermittler tätig sind, d.h.
ihre Vermittlungstätigkeit auf einen oder auch mehrere spezielle Rubriken beschränken oder
diese Tätigkeit nur nebenher betreiben oder einen anderen Hauptzweck haben, werden nicht kommissioniert.
Andere Hauptzwecke sind zum Beispiel die Personal-, Werbe-, Unternehmens- oder Finanzberatung, die Vermittlung
von Immobilien oder anderen Kauf- oder Mietobjekten sowie Treuhandfunktionen."
Die Beschwerdeführer
rechtfertigen diese Richtlinie mit dem Geschäftsmodell der Beschwerdeführer 1-5, welches auf
eine Universalvermittlung ausgelegt sei. Universalvermittlung bedeute, dass das gesamte Inseratespektrum
bei den Verkaufsleistungen angeboten werden solle. Die Publipresse-Gesellschaften seien nur dann an einer
Einbindung weiterer Unternehmen in das Vertriebssystem interessiert, wenn dies für die Publipresse-Gesellschaften
zu einem Mehrwert führe. Selbst bei Vorliegen einer allfälligen Marktbeherrschung seien die
Beschwerdeführer berechtigt, ihre Vertriebspartner nach rationalen ökonomischen Kriterien auszuwählen.
Entsprechend sei es für die auf das Inserategeschäft fokussierten Publipresse-Gesellschaften
legitim, die Vertragspartner danach auszusuchen, dass sie eine den Publipresse-Gesellschaften entsprechende
Sortimentspolitik betrieben und folglich Universalvermittler seien und dass sie für diejenigen Verkaufsleistungen
kommissioniert würden, welche die die Printwerbung stabilisierende kommerzielle Werbung förderten.
Schliesslich sei der Grund, weshalb eine blosse Vermittlung als Nebentätigkeit von einer Kommissionberechtigung
ausgeschlossen worden sei, darin zu sehen, dass mit einer grösseren, als Haupttätigkeit erworbenen
Erfahrung die Professionalität steige.
Die Vorinstanz verweist betreffend die Kommissionierungsvoraussetzung
"Universalvermittlung" auf die in diesem Zusammenhang gemachten Ausführungen in der angefochtenen
Verfügung (Ziff. 211 ff.).
Insgesamt erweisen sich die von der Vorinstanz gegen den Ausschluss
von Spartenvermittlern und den Ausschluss der Vermittler in Nebentätigkeit in der Verfügung
vorgebrachten Bedenken als überzeugend. So ist beispielsweise nicht einzusehen, weshalb sich Synergien
und Kosteneinsparungen nur in der Zusammenarbeit mit Universalvermittlern ergeben sollen, zumal Spartenvermittler,
hier vor allem die Stellenanzeigenvermittler, gleiche Leistungen (z.B. Akquisition, Erfassung, Abwicklung,
Übermittlung, Fakturierung, Inkasso und Reklamationswesen) erbringen wie die Universalvermittler.
Überdies verhindert eine Kommissionierungspraxis, welche einen bestimmten Anteil von kommerziellen
Inseraten erfordert und deshalb Spartenvermittlern die Kommissionsberechtigung aberkannt, dass junge
Unternehmen überhaupt in den Markt einsteigen können. Gerade der Marktzutritt über den
Aufbau einer Vermittlungstätigkeit in einer Marktnische wird verunmöglicht, wenn nicht von
Anfang an die Möglichkeit besteht, in den Genuss einer Kommissionierung zu gelangen.
Des
Weiteren kann eine qualitativ einwandfreie Leistung eines Vermittlers in Nebentätigkeit oder im
Nebenzweck mit einer entsprechenden Bestimmung in den VSW-Richtlinien (z.B. bisherige Ziff. 2.3 betreffend
kaufmännische und fachliche Qualifikation) ausreichend sichergestellt werden. Es ist jedenfalls
verfehlt, wenn von der Struktur eines Unternehmens generell auf die Qualität seiner Leistungen geschlossen
wird.
Die Beschwerdeführer machen schliesslich geltend, das Sekretariat habe gegenüber
der Beschwerdeführerin 1 in den Jahren 1997 und 1998 schriftlich bestätigt, dass insbesondere
das Kriterium der Universalvermittlung kartellrechtlich nicht zu beanstanden sei.
Im Schreiben
vom 28. Oktober 1998 an den Rechtsvertreter der Beschwerdeführer (vgl. Beschwerdebeilage 18) führt
das Sekretariat tatsächlich aus, dass die bislang geltenden Kommissionierungskriterien beibehalten
werden dürften. Diese würden aus kartellrechtlicher Sicht und bei nicht-diskriminierender Anwendung
nicht Anlass zur Kritik geben. Im Schreiben vom 22. Dezember 1998 an denselben Adressaten führt
das Sekretariat präzisierend aus, die ursprünglichen Zweifel, dass die Praxis des VSW und das
Marktgebaren der Publigroupe-Töchter mit den einschlägigen Gesetzesbestimmungen vereinbar seien,
hätten zwar weitgehend zerstreut werden können. Dennoch sei das Sekretariat nach wie vor überzeugt,
dass sich die Kommissionierungspraxis des VSW durch ein gewisses Mass an systemimmanentem Diskriminierungspotential
auszeichne. Sollten sich im Rahmen der weiteren Beobachtung der Marktverhältnisse Indizien für
ein kartellrechtlich relevantes Verfahren von Publigroupe ergeben, behalte sich das Sekretariat vor,
zu gegebener Zeit ein formelles Verfahren zu eröffnen. Am 19. Dezember 2001 eröffnete das Sekretariat
sodann eine Vorabklärung in Sachen Verband Schweizerischer Werbegesellschaften, da es sich bei der
reglementarisch vorgesehenen Unterscheidung zwischen Universal- und Spartenvermittlern um eine unzulässige
Wettbewerbsbeschränkung im Sinne von Art. 7
KG handeln könne. Spätestens mit der Zustellung
des Schlussberichts der Vorabklärung vom 4. November 2002 und der Eröffnung einer Untersuchung
in Sachen VSW-Aufnahmebedingungen am 6. November 2002 mussten die Beschwerdeführer davon ausgehen,
dass die Vorinstanz unter anderem in der Nichtkommissionierung von Spartenvermittlern ein missbräuchliches
Verhalten sehen könnte.
Zusammenfassend ist festzuhalten, dass sich die ausschliessliche
Kommissionierung von Universalvermittlern und der Kommissionierungsausschluss von Unternehmen, die ihre
Vermittlungstätigkeit nur nebenher betreiben oder einen anderen Hauptzweck haben, sachlich nicht
rechtfertigen lassen. Entsprechend stellen diese Kommissionierungsvoraussetzungen einen Missbrauch einer
marktbeherrschenden Stellung im Sinne von Art. 7
KG dar, indem die Spartenvermittler im Sinne von Art.
7 Abs. 2 Bst. b
KG diskriminiert wurden.
7.3.3 Genügendes Geschäftsvolumen (Umsatzschwelle)
Ziff.
2.5 VSW-Richtlinie in der Fassung vor Abschluss der einvernehmlichen Regelung lautete:
"Als
Berufs-Inseratevermittler kommissioniert werden nur Unternehmen, die nachweisen, dass sie entweder im
Inserateverkauf ein Geschäftsvolumen von total 1 Million Franken pro Jahr in Pressemedien erreichen
oder mit Pachtorganen von VSW-Mitgliedfirmen einen Nettoumsatz von mindestens Fr. 100'000.- pro Jahr
erzielen. In beiden Fällen muss mindestens die Hälfte des Umsatzes von kommerziellen Inseraten
stammen."
In der Beschwerde wird diesbezüglich geltend gemacht, dass die fraglichen
Umsatzschwellen vom Beschwerdeführer 6 jeweils kulant umgesetzt worden seien. Es sei darauf abgestellt
worden, ob die Umsatzvoraussetzungen im Zeitpunkt der Anerkennung erfüllt gewesen seien. Das Umsatzkriterium
sei in engem Zusammenhang mit dem Kriterium der Universalvermittlung zu sehen. In der einvernehmlichen
Regelung werde die zweite Umsatzschwelle, wonach ein Nettoumsatz von mindestens CHF 100'000.- mit Pachttiteln
von VSW-Mitgliedern erzielt werden müsse, ausdrücklich als kartellrechtlich zulässig angesehen.
Da es sich bei den beiden Umsatzkriterien um alternative Kriterien gehandelt habe, könne sich aufgrund
der Zulässigkeit des zweiten Kriteriums kein kartellrechtlich relevanter Missbrauchsvorwurf ergeben.
Eine Umsatzschwelle von CHF 1 Mio. führe im Übrigen nicht zu einer Marktzutrittsschranke.
Die
Vorinstanz verweist bezüglich der Kommissionierungsvoraussetzung "Umsatzschwellen" auf
die Ausführungen in der angefochtenen Verfügung (Ziff. 274 ff.).
Wie die Beschwerdeführer
zu Recht geltend machen, steht das Umsatzmixkriterium in engstem Zusammenhang mit dem Erfordernis der
Universalvermittlung. Entsprechend sind dieselben kartellrechtlichen Bedenken anzubringen wie unter Erwägung
7.3.2 dargelegt. Unbestritten ist, dass das Mindestumsatzerfordernis von CHF 100'000.- mit Pachttiteln
der Publigroupe dann keine kartellrechtlich bedenkliche Marktzutrittsschranke darstellt, wenn neu eintretende
Vermittler während einer Karenzfrist von diesem Erfordernis ausgenommen werden. Eine solche Karenzfrist
von mindestens zwei Jahren wurde in die einvernehmlichen Regelung aufgenommen. Anders verhält es
sich mit der quantitativen Anforderung, wonach nur diejenigen Berufs-Inseratevermittler kommissioniert
wurden, die einen Anzeigenumsatz von CHF 1 Mio. in den Pressemedien erreicht haben. Gerade für ein
neu auf den Markt tretendes Unternehmen dürfte es zweifellos schwierig werden, bei einem von den
Beschwerdeführern geltend gemachten vermittelten Gesamtumsatz von CHF 114,5 Mio. auf Anhieb die
Millionengrenze zu übertreffen. Daran ändert auch das Argument nichts, wonach bei einer grösseren
Umsatzhöhe auch grössere Gewähr für die Professionalität eines Berufsvermittlers
bestehe. Es wurde bereits im Zusammenhang mit dem Kriterium "Universalvermittlung" (vgl. E.
7.3.2) dargelegt, dass eine qualitativ einwandfreie Leistung eines Vermittlers mit der VSW-Richtlinie
über die kaufmännische und fachliche Qualifikation ausreichend sichergestellt werden kann.
Schliesslich
lässt sich auch das qualitative Erfordernis, wonach mindestens die Hälfte des Umsatzes von
kommerziellen Inseraten stammen muss, aus denselben Gründen wie bei der Nichtkommissionierung der
Spartenvermittler sachlich nicht rechtfertigen.
Entsprechend korrekt hat die Vorinstanz sowohl
die qualitative Kommissionierungsvoraussetzung des Umsatzmixes als auch die quantitativen Mindestumsatzvorschriften
als Marktzutrittsschranken und - mangels sachlicher Rechtfertigung - als gegen Art. 7
KG i.V.m. Art.
7 Abs. 2 Bst. b
KG verstossend qualifiziert. Bezüglich des Umsatzerfordernisses von CHF 100'000.-
mit Pachttiteln der Publigroupe konnten die kartellrechtlichen Bedenken mit der Aufnahme der Karenzfrist
in die einvernehmliche Regelung zu Recht beseitigt werden.
7.3.4 Die im Rahmen des Beschwerdeverfahrens
allgemein vorgebrachten Vorbehalte der Beschwerdeführer, wonach sie der einvernehmlichen Regelung
vor allem zur Schaffung von Rechtssicherheit und im Sinne einer Beschleunigung des Verfahrens zugestimmt
hätten, vermögen den wesentlichen Umstand nicht zu relativieren, dass sich die Beschwerdeführer
im Ergebnis den kartellgesetzlichen Einschätzungen und Forderungen der Vorinstanz unterzogen haben.
Ihre Zustimmung zum einvernehmlichen Abschluss der Untersuchung lässt sich kaum anders als ein Eingeständnis
deuten, dass sie sich während der Dauer der Untersuchung wettbewerbswidrig verhalten haben (vgl.
Urteil des Bundesverwaltungsgerichts
B-2157/2006 vom 3. Oktober 2007 i.S. Flughafen Zürich AG (Unique)
E. 3.3.2, veröffentlicht in:
RPW 2007/4, S. 653 ff.).
7.4 Einvernehmliche Regelung
7.4.1
Die Beschwerdeführer rügen, ein Verfahren werde mit einer einvernehmlichen Regelung endgültig
abgeschlossen, entsprechend seien weitere Feststellungen oder Anordnungen nicht zulässig. Die systematische
"Zweiteilung" kartellgesetzlicher Verfahren in einvernehmliche Regelungen (Art. 29
KG) und
Entscheide (Art. 30
KG) schliesse eine Vermischung dieser Verfahren aus.
7.4.2 Mit der am 1. April
2004 in Kraft getretenen Revision des Kartellgesetzes (
AS 2004 1385; nachfolgend: KG-Revision) und der
damit verbundenen Möglichkeit der direkten Sanktionierbarkeit (Art. 49a Abs. 1
KG) wurde der Wortlaut
von Art. 29
KG nicht geändert. Danach kann das Sekretariat, sofern es eine Wettbewerbsbeschränkung
für unzulässig erachtet, den Beteiligten weiterhin eine einvernehmliche Regelung über
die Art und Weise ihrer Beseitigung vorschlagen (Abs. 1). Vor der KG-Revision konnten die Wettbewerbsbehörden
bei kartellrechtswidrigem Verhalten keine direkten Sanktionen aussprechen, wie sie nunmehr möglich
sind. Gegen ein mutmasslich wettbewerbswidriges Verhalten waren einzig die Möglichkeit einer Verbots-
oder Unterlassungsverfügung sowie die Androhung von Sanktionen für den Widerhandlungsfall vorgesehen.
Nach der Praxis der Wettbewerbskommission wurde eine Untersuchung gestützt auf Art. 27 Abs. 1
KG
nicht eröffnet oder weitergeführt, wenn die betreffende Unternehmung das mutmasslich kartellrechtswidrige
Verhalten eingestellt hatte. Es bestand unter diesen Umständen in der Regel kein öffentliches
Interesse an der Beurteilung dieser Fälle (vgl. Urteil des Bundesgerichts
2A.59/2005 vom 22. August
2005, E. 3.3).
Anlässlich der KG-Revision wurde auch der Wortlaut von Art. 27 Abs. 1
KG geändert. Es wurde klargestellt, dass auch in der Vergangenheit liegende und nicht mehr praktizierte
Verhaltensweisen geprüft und direkt sanktioniert werden können (vgl. Urteil des Bundesgerichts
2A.59/2005, a.a.O., E. 3.2; Tagmann, a.a.O., S. 303).
Das Bundesverwaltungsgericht teilt die
Meinung der Vorinstanz, dass eine Änderung bzw. Anpassung des wettbewerbsrechtlich relevanten Verhaltens
durch die beteiligten Unternehmen während eines laufenden Verfahrens nach der KG-Revision grundsätzlich
nicht mehr zur Einstellung des Verfahrens führt, sondern dass die wettbewerbsrechtliche Unzulässigkeit
des Verhaltens mittels Verfügung festgestellt und (direkt) eine Sanktion ausgesprochen werden muss
(vgl. Stefan Bilger, Das Verwaltungsverfahren zur Untersuchung von Wettbewerbsbeschränkungen, Freiburg
2002, S. 343 und 377 f.; Tagmann, a.a.O., S. 304). Da über den Sanktionsanspruch des Staates nicht
verhandelt werden kann, ist eine einvernehmliche Streitbeilegung für ein in der Vergangenheit liegendes
Verhalten ausgeschlossen. Entsprechend führt eine einvernehmliche Regelung für Tatbestände
nach Art. 49a Abs. 1
KG nicht zu einer umfassenden Streitbeilegung und Einstellung des Verfahrens (vgl.
Romina Carcagni, in: Baker & McKenzie, a.a.O., N. 7 zu Art. 29
KG; Tagmann, a.a.O., S. 305; Roger
Zäch/Tagmann Christoph, Die einvernehmliche Streitbeilegung von Wettbewerbsbeschränkungen im
Schweizerischen Kartellrecht, in: Bucher et al. [Hrsg.], Norm und Wirkung, Festschrift für Wolfgang
Wiegand, Bern 2005, S. 1007). Mit der Sanktionsbestimmung von Art. 49a Abs. 1
KG wurde zwar der Spielraum
für eine einvernehmliche Regelung beschränkt. Das Interesse eines Unternehmens am Abschluss
einer einvernehmlichen Regelung kann jedoch weiterhin im Umstand gesehen werden, dass die Dauer und der
Zeitpunkt der Beendigung der Wettbewerbsbeschränkung bei der Sanktionsbemessung zu berücksichtigen
sind. Auch kann damit im Einvernehmen mit den Wettbewerbsbehörden für die Zukunft das gerade
noch kartellrechtlich zulässige Verhalten ausgelotet werden (vgl. Carcagni, a.a.O., N. 7 zu Art.
29
KG).
Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführer hat somit eine Sanktionierung für
das in der Vergangenheit liegende wettbewerbswidrige Verhalten grundsätzlich auch dann zu erfolgen,
wenn für das zukünftige Verhalten eine einvernehmliche Regelung vorliegt.
7.4.3 An dieser
Auffassung vermag auch der Hinweis der Beschwerdeführer auf das Opportunitätsprinzip nichts
zu ändern. Danach sei gemäss Art. 27
KG die Wettbewerbskommission einerseits nicht verpflichtet,
Untersuchungsverfahren zu eröffnen. Andererseits sei sie ausdrücklich berechtigt, die Priorität
bei der Durchführung von Untersuchungsverfahren festzulegen. Da somit bezüglich der Durchführung
von Untersuchungsverfahren ein grosser Ermessensspielraum bestehe, sei nicht einzusehen, weshalb bei
einvernehmlichen Regelungen etwas anderes gelten solle.
Gestützt auf das Opportunitätsprinzip
ist es möglich, ausnahmsweise auf die Verfolgung (und damit auch auf die Bestrafung) eines Sachverhalts
zu verzichten. Gemäss Art. 27 Abs. 1
KG liegt der Entscheid über die Eröffnung einer Untersuchung
im pflichtgemässen Ermessen der Wettbewerbsbehörden. Ihnen kommt auch die Kompetenz zu, Prioritäten
hinsichtlich der Untersuchungen zu setzen (Art. 27 Abs. 2
KG). Dabei können auch Opportunitätsüberlegungen
einbezogen werden. Diesen sollte jedoch bereits bei der Frage der Eröffnung eines Verfahrens und
nicht erst bei der Sanktionierung Rechnung getragen werden, damit auf die entsprechende Verfahrenseröffnung
verzichtet oder das Verfahren eingestellt werden kann. Mit Blick auf das Legalitätsprinzip dürfte
davon ohnehin nur in einem sehr beschränkten Rahmen und in Einzelfällen, wohl vor allem in
Bagatellfällen, Gebrauch gemacht werden. Gerade bei Verdacht auf schwerwiegende Kartellrechtsverstösse
(z.B. nach Art. 5 Abs. 3
und 4
KG und Art. 7
KG) sind die Wettbewerbsbehörden verpflichtet, abzuklären,
ob der zugrunde liegende Sachverhalt aus kartellrechtlicher Sicht zulässig ist oder nicht (vgl.
Tagmann, a.a.O., S. 180 f.).
Da die Wettbewerbskommission im vorliegenden Fall einzelne Kommissionierungsvoraussetzungen
mangels sachlicher Rechtfertigung als gegen Art. 7
KG verstossend und somit als schwerwiegenden Kartellrechtsverstoss
qualifiziert hat, waren die Voraussetzungen im Zeitpunkt der einvernehmlichen Regelung nicht gegeben,
um aus Opportunitätsgründen auf eine Sanktion zu verzichten.
7.4.4 Der Hinweis der Beschwerdeführer
auf das EG- bzw. EU-Kartellrecht, wonach mit dem Verfahren der Verpflichtungszusage ein vor der EU-Kommission
hängiges Kartellverfahren abgeschlossen werde, ohne dass über das Vorliegen einer Zuwiderhandlung
entschieden werde, geht ebenfalls fehl. In der von den Beschwerdeführern zitierten Verordnung (EG)
Nr. 1/2003 des Rates vom 16. Dezember 2002 zur Durchführung der in den Artikeln 81 und 82 des Vertrags
niedergelegten Wettbewerbsregeln (nachfolgend: VO 1/2003) wird unter der Begründungserwägung
13 (in fine) ausgeführt, dass Entscheidungen bezüglich Verpflichtungszusagen gerade für
die Fälle ungeeignet sind, in denen die Kommission eine Geldbusse aufzuerlegen beabsichtigt. Somit
dürfte für das Institut der Verpflichtungszulagen Ähnliches gelten wie für die schweizerische
Regelung, wonach bei Wettbewerbsbeschränkungen, die nach Art. 49a Abs. 1
KG direkt sanktionierbar
sind, eine einvernehmliche Streitbeilegung für das in der Vergangenheit liegende Verhalten ausgeschlossen
ist (vgl. Tagmann, a.a.O., S. 305, mit Hinweis auf Sura, in: Langen/ Bunte [Hrsg.], Kommentar zum deutschen
und europäischen Kartellrecht, 10. Aufl. 2006, Rz. 7 und 11 zu Art. 9 VO 1/2003).
7.4.5 Die
Beschwerdeführer machen des Weiteren geltend, dass die Sanktionierung gegen den Vertrauensgrundsatz
verstosse. So sei in den Jahren 1997 und 1998 die nun als missbräuchlich qualifizierte Praxis der
Beschwerdeführer ausdrücklich als rechtmässig anerkannt worden. Zudem sei die Wettbewerbskommission
am 27. April 2005 bei der Formulierung des Inhalts einer einvernehmlichen Regelung nicht von weiteren
Feststellungen oder allenfalls einer Sanktionierung ausgegangen. Davon sei auch im Verlaufe der weiteren
Verhandlungen über die einvernehmliche Regelung nie die Rede gewesen. Schliesslich enthalte die
von der Wettbewerbskommission genehmigte einvernehmliche Regelung eine ausdrückliche Bestimmung
über den umfassenden Verfahrensabschluss.
7.4.5.1 Soweit die Beschwerdeführer darauf
hinweisen, das Sekretariat habe die Zulässigkeit der nun als missbräuchlich bezeichneten Kommissionierungsrichtlinien
in den Jahren 1997 und 1998 ausdrücklich bestätigt, kann auf die Ausführungen in Erwägung
7.3.2 verwiesen werden. Das Sekretariat hat zwar noch im Schreiben vom 28. Oktober 1998 an den Rechtsvertreter
mitgeteilt, die bislang geltenden Kommissionierungsrichtlinien könnten beibehalten werden, da sie
bei nicht-diskriminierender Anwendung aus kartellrechtlicher Sicht keinen Anlass zur Kritik gäben.
Es machte aber bereits in diesem Schreiben den Vorbehalt, die Praxis der Publigroupe-Töchter in
der Anwendung der Kriterien künftig kritisch im Auge zu behalten und gegebenenfalls gestützt
auf die Bestimmungen des Kartellgesetzes einzugreifen. Das Sekretariat hat sodann auch im Schreiben vom
22. Dezember 1998 an den Rechtsvertreter der Beschwerdeführer ausgeführt, es behalte sich die
Eröffnung eines formellen Verfahrens für den Fall vor, dass sich im Rahmen der weiteren Beobachtung
der Marktverhältnisse Indizien für ein kartellrechtlich relevantes Verhalten von Publigroupe
ergeben sollten. Diese Indizien haben sich in der Folge nach der durchgeführten Vorabklärung,
welche auf Anzeige der Ad.X AG ergangen ist, bestätigt. Spätestens mit der Zustellung des Schlussberichts
der Vorabklärung und der Eröffnung der Untersuchung im November 2002 mussten die Beschwerdeführer
daher damit rechnen, dass die Wettbewerbskommission in der Nichtkommissionierung von unabhängigen
Vermittlern allenfalls ein missbräuchliches Verhalten erblicken könnte. Da die Zusicherungen
des Sekretariats bezüglich der kartellrechtlichen Unbedenklichkeit der Anwendung der Kommissionierungsrichtlinien
nicht vorbehaltlos erfolgt sind, fehlt bereits eine der kumulativen Voraussetzungen für die Bejahung
des Vertrauensschutzes (vgl. Pierre Tschannen/Ulrich Zimmerli/Markus Müller, Allgemeines Verwaltungsrecht,
3. Aufl., Bern 2009, § 22 Rz.15). Überdies dürfte angesichts der Kompetenzaufteilung zwischen
Sekretariat und Wettbewerbskommission (Art. 18
. Abs. 3
KG i.V.m. Art. 23 Abs. 1
KG) ohnehin fraglich
sein, inwieweit informelle Verwaltungsschreiben oder Schlussberichte des Sekretariats die Wettbewerbskommission
überhaupt zu binden vermögen (vgl. Tagmann, a.a.O., S. 184 f.).
7.4.5.2 Auch mit den
Einwänden, es sei vor und während den Verhandlungen über eine einvernehmliche Regelung
nie die Rede von einer möglichen Sanktionierung gewesen und der Verfahrensabschluss sei mit Ziff.
9 der einvernehmlichen Regelung ohne Hinweis auf eine Sanktion bestätigt worden, vermögen die
Beschwerdeführer nichts zu ihren Gunsten abzuleiten.
Einleitend ist festzuhalten, dass
die Wettbewerbsbehörden während des gesamten Verfahrens nie explizit zugesichert haben, dass
die Beschwerdeführer nicht der direkten Sanktionierbarkeit nach Art. 49a Abs. 1
KG unterstehen würden.
Am 30. März 2005 reichte die Beschwerdeführerin 1 der Wettbewerbskommission eine Meldung gemäss
Übergangsbestimmung zur Änderung des Kartellgesetzes vom 20. Juni 2003 betreffend die Kommissionierungsrichtlinien
ein. Mit Schreiben vom 6. April 2005 machte das Sekretariat die Beschwerdeführerin 1 darauf aufmerksam,
dass die Frage, inwiefern ein laufendes Verfahren im Sinne der Schlussbestimmung des Kartellgesetzes
gemeldet werden könne, Gegenstand eines Beschwerdeverfahrens und somit noch nicht rechtskräftig
geklärt sei. Mit Urteil vom 19. August 2005 (
2A.287/2005) entschied das Bundesgericht, dass eine
Meldung gemäss Übergangsbestimmung für Unternehmen ausgeschlossen sei, deren Verhalten
während der Übergangsfrist bereits Gegenstand eines Verfahrens (Vorabklärung oder Untersuchung)
gewesen sei. Bis zum Zeitpunkt des Bundesgerichtsurteils konnten sich somit die Wettbewerbsbehörden
noch nicht definitiv zu einer allfälligen Sanktionierung äussern. Es ist daher vom zeitlichen
Ablauf her grundsätzlich nicht zu beanstanden, wenn das Sekretariat erst am 14. November 2005 mit
der Zustellung der definitiven Fassung der einvernehmlichen Regelung, unter den Ausführungen zum
weiteren Vorgehen, festhält, dass die Wettbewerbskommission in der Endverfügung nebst der Genehmigung
der einvernehmlichen Regelung auch über eine mögliche Sanktionierung von Publigroupe zu entscheiden
habe. Inwieweit die Beschwerdeführer aus dieser Vorgehensweise eine Verletzung des Vertrauensgrundsatzes
begründen wollen, ist nicht nachvollziehbar. Einerseits konnte bis zum erwähnten Entscheid
des Bundesgerichts keine Vertrauensgrundlage angenommen werden, da Unklarheit über die Rechtslage
bestand. Andererseits ergibt sich die direkte Sanktionierung direkt aus dem Gesetz (Art. 49a Abs. 1
KG,
Übergangsbestimmung), weshalb selbst bei Schaffung einer Vertrauensgrundlage dem öffentlichen
Interesse an der Durchsetzung der kartellrechtlichen Bestimmungen im Sinne des Legalitätsprinzips
von Vornherein grosses Gewicht beizumessen wäre (vgl. Tagmann, a.a.O., S. 185). Aufgrund der sich
aus dem Gesetz ergebenden direkten Sanktionierbarkeit bestand für die Wettbewerbskommission keine
Verpflichtung, die Beschwerdeführer speziell darüber zu informieren. Ihnen wäre es ohne
Weiteres freigestanden, die fragliche Wettbewerbsbeschränkung innert der in der Übergangsbestimmung
vorgesehenen Übergangsfrist, d.h. bis am 31. März 2005, aufzulösen. Die Beschwerdeführerin
1 zeigte aber erstmals im Rahmen der Anhörung vor der Wettbewerbskommission am 4. April 2005 Bereitschaft,
Hand für eine einvernehmliche Regelung zu bieten.
7.4.5.3 Die Beschwerdeführer beziehen
sich des Weiteren auf Ziff. 9 der einvernehmlichen Regelung. Diese lautet:
"9. Verfahrensabschluss
Vorbehältlich
der Genehmigung dieser Vereinbarung durch die WEKO wird das Verfahren gegen die Publigroupe abgeschlossen.
Vorbehalten
bleibt der pflichtgemässe Vollzug dieser Vereinbarung."
Mit dieser Formulierung
wird entgegen der Auffassung der Beschwerdeführer aufgrund der vorbehaltenen Genehmigung durch die
Wettbewerbskommission gerade keine vorbehaltlose Zusicherung abgegeben. Sodann wurde die Beschwerdeführerin
1 mit Schreiben vom 14. November 2005 und somit vor der formellen Genehmigung der einvernehmlichen Regelung
durch die Wettbewerbskommission auf eine mögliche Sanktion aufmerksam gemacht.
Wie unter
Erwägung 7.4.2 ausgeführt, ist für Wettbewerbsbeschränkungen, die nach Art. 49a Abs.
1
KG direkt sanktionierbar sind, eine einvernehmliche Regelung für das in der Vergangenheit liegende
Verfahren ausgeschlossen. Entsprechend nachvollziehbar ist die von Tagmann vertretene Ansicht, wonach
der gesetzliche Spielraum für Verhandlungen oder Zusicherungen seitens des Sekretariats hinsichtlich
der Frage fehlt, ob überhaupt oder in welcher Höhe eine Sanktion auszusprechen ist (vgl. Tagmann,
a.a.O., S. 306 f.). Das Kartellgesetz sieht denn auch nur einen vollständigen oder teilweisen Sanktionsverzicht
im Rahmen der Bonusregelung von Art. 49a Abs. 2
KG vor, wenn ein Unternehmen an der Aufdeckung und Beseitigung
einer Wettbewerbsbeschränkung mitwirkt. Die Voraussetzungen für den Erlass oder die Reduktion
einer Sanktion sind Art. 8 ff
. der KG-Sanktionsverordnung vom 12. März 2004 (SVKG,
SR 251.5) zu
entnehmen. Danach kommt ein vollständiger Sanktionserlass nur für dasjenige Unternehmen in
Frage, welches der Wettbewerbsbehörde zuerst relevante Informationen liefert oder entsprechende
Beweismittel vorlegt (Art. 8 Abs. 1 Bst. a
und b
SVKG). Dabei darf die Wettbewerbsbehörde nicht
bereits über ausreichende Informationen verfügen, um ein entsprechendes Verfahren zu eröffnen
(Art. 8 Abs. 3
SVKG). Diese Voraussetzungen für einen Sanktionserlass erfüllen die Beschwerdeführer
nicht. Da vorliegend der Sachverhalt von Art. 7
KG erfüllt ist, tritt die Rechtsfolge der direkten
Sanktionierung gemäss Art. 49a Abs. 1
KG von Gesetzes wegen ein. Die Wettbewerbskommission hat in
diesem Fall gar keinen Ermessensspielraum bezüglich der Frage, ob eine direkte Sanktion auszusprechen
ist oder nicht. Hingegen steht ihr freies Ermessen bei der Festlegung der Sanktion innerhalb des gesetzlichen
Rahmens zu. Ein kooperatives Verhalten der Parteien kann im Rahmen der Sanktionsbemessung und unter Wahrung
des Verhältnismässigkeitsprinzips (Art. 2 Abs. 2
SVKG) bei der Schwere und Art des Verstosses
(Art. 3
SVKG) und/oder als mildernde Umstände (Art. 6 Abs. 1
SVKG) berücksichtigt werden (vgl.
Tagmann, a.a.O., S. 306 f.).
7.4.5.4 Die Beschwerdeführer verweisen unter dem Gesichtspunkt
des Vertrauensschutzes des Weiteren auf Aussagen des zuständigen Abteilungsleiters des Sekretariats
bezüglich des weiteren Vorgehens. Hierzu ist festzuhalten, dass unabhängig davon, ob diese
Gespräche in der von den Beschwerdeführern dargelegten Weise stattgefunden haben, sich nichts
am Umstand der Sanktionierbarkeit ändern würde. Die Beschwerdeführer konnten jedenfalls
nicht in guten Treuen davon ausgehen, der zuständige Abteilungsleiter wäre ermächtigt,
die Sanktionskompetenz der Wettbewerbskommission durch fallspezifische Zusicherungen auszusetzen (vgl.
Urteil des Bundesverwaltungsgerichts
B-2157/2006 vom 3. Oktober 2007 i.S. Flughafen Zürich AG (Unique)
E. 4.2.6, veröffentlicht in:
RPW 2007/4, S. 653 ff.).
7.4.5.5 Zusammenfassend ist festzuhalten,
dass die Voraussetzungen für die Annahme eines unter den Vertrauensschutz fallenden Tatbestands
nicht gegeben sind. Einerseits haben die Wettbewerbsbehörden keine vorbehaltlosen Zusicherungen
betreffend einen allfälligen Verzicht auf eine Sanktionierung abgegeben. Andererseits war die Rechtslage
bezüglich der Frage, ob Sachverhalte, die Gegenstand eines laufenden Verfahrens vor den Wettbewerbsbehörden
sind, mit sanktionsausschliessender Wirkung gemeldet werden können, erst mit dem Urteil des Bundesgerichts
vom 19. August 2005 rechtskräftig entschieden. Dass sich die Wettbewerbsbehörden zur Frage
der Sanktionierbarkeit bis zum Urteil des Bundesgerichts nicht verbindlich festlegen wollten, ist nachvollziehbar
und kann im nachhinein auch nicht als widersprüchliches Verhalten ausgelegt werden.
7.4.5.6
Die Beschwerdeführer machen des Weiteren eine Verletzung des Grundsatzes der Gleichbehandlung geltend.
Sie berufen sich dabei auf den Kreditkarten-Interchange-Fee-Entscheid der Wettbewerbskommission und auf
deren Sanktionsverfügung in Sachen Flughafen Zürich AG (Unique). Im Kreditkartenfall sei den
beteiligten Unternehmen im Zeitpunkt des Abschlusses der einvernehmlichen Regelung eine Übergangsfrist
von drei Jahren eingeräumt worden. Im Fall Flughafen Zürich AG (Unique) sei den Verfügungserwägungen
zu entnehmen, dass die Frage der Sanktion Gegenstand der Verhandlungen über die einvernehmliche
Regelung gewesen sei.
Wie bereits unter Erwägung 7.4.5.3 erwähnt, fehlt es an einer
gesetzlichen Grundlage für eine Aushandlung der Sanktion zwischen den Wettbewerbsbehörden und
den Parteien. Im zitierten Fall in Sachen Flughafen Zürich AG (Unique;
RPW 2006/4, S. 630 f. Rz.
27) kann jedenfalls kein Hinweis dafür gefunden werden, dass die Sanktion Gegenstand von Verhandlungen
gewesen wäre. Vielmehr wurde in der einvernehmlichen Regelung eindeutig festgehalten, dass die definitive
Festlegung der Höhe der Sanktion im freien Ermessen der Wettbewerbskommission liege. Die Sanktion
wurde denn auch auf Antrag des Sekretariats durch die Wettbewerbskommission festgelegt (
RPW 2006/4, S.
665 Rz. 268 ff.). Dabei wurden der Wille und die Bereitschaft von Unique zum Abschluss einer einvernehmlichen
Regelung bei der Sanktionsbemessung als kooperatives Verhalten gewürdigt.
Auch mit dem
Hinweis auf den Kreditkarten-Interchange-Fee-Entscheid der Wettbewerbskommission vermögen die Beschwerdeführer
nichts zu ihren Gunsten abzuleiten. Die Vorinstanz verweist in ihrer Vernehmlassung zu Recht auf die
Unterschiede im Vergleich zum vorliegenden Verfahren. Einerseits wurde die einvernehmliche Regelung im
Kreditkarten-Interchange-Fee-Fall vor Ablauf der Übergangsfrist abgeschlossen und die als kartellrechtswidrig
qualifizierte Vereinbarung aufgehoben und durch die im Rahmen der einvernehmlichen Regelung erzielte
Einigung ersetzt. Andererseits wurde aufgrund des komplexen Mehrparteiensystems eine Implementierungsfrist
vorgesehen (
RPW 2006/1, S. 116). Die beiden Fälle sind somit zum Vornherein nicht gleichartig und
die Vorinstanz kann nachvollziehbare sachliche Gründe vorbringen, weshalb sie die beiden Fälle
unterschiedlich behandelt hat. Entsprechend liegt keine Verletzung des in Art. 8 Abs. 1
BV und 29 Abs.
1
BV verankerten verfassungsmässigen Rechts auf Gleichbehandlung vor.
7.5 Rüge
der Verfahrensdauer
Die Beschwerdeführer rügen schliesslich, eine Sanktionierung
nach einer Verfahrensdauer von fast zehn Jahren halte vor den Grundsätzen der EMRK über den
Anspruch auf ein faires Verfahren nicht stand und habe folglich keinen Rechtsbestand.
7.5.1 Die
Wettbewerbskommission wendet hierzu ein, dass das vorliegende Verfahren vom 19. Dezember 2001 bzw. 6.
November 2002 bis zum 5. März 2007 gedauert habe. Dies sei unter dem Gesichtspunkt der EMRK aufgrund
der Komplexität des vorliegenden Verfahrens nicht als zu lang zu bezeichnen. Schliesslich hätten
auch die Parteien mit Fristverlängerungsgesuchen, Beweisanträgen und umfangreichen Stellungnahmen
in einem nicht unerheblichen Ausmass zu der langen Verfahrensdauer beigetragen.
7.5.2 Art. 29 Abs.
1
BV garantiert dem Einzelnen vor Verwaltungs- und Gerichtsbehörden eine Beurteilung seiner Angelegenheiten
innert angemessener Frist. Denselben Anspruch gewährt Art. 6 Abs. 1
EMRK, wonach Streitigkeiten
über zivilrechtliche Ansprüche und Verpflichtungen innerhalb angemessener Frist zu behandeln
sind. Über die Angemessenheit der Dauer eines Verfahrens lassen sich keine allgemeinen Aussagen
machen. Die Angemessenheit der Dauer bestimmt sich nicht absolut, sondern ist im Einzelfall unter Berücksichtigung
der gesamten Umstände zu beurteilen und in ihrer Gesamtheit zu würdigen. Dabei sind insbesondere
die Komplexität der Angelegenheit, das Verhalten der betroffenen Privaten und der Behörden,
die Bedeutung für die Betroffenen sowie die für die Sache spezifischen Entscheidungsabläufe
zu berücksichtigen (vgl. Urteil des Bundesgerichts
1A.169/2004 vom 18. Oktober 2004 E. 2, m.w.H.).
7.5.3
In Bezug auf eine angemessene Verfahrensdauer bei kartellrechtlichen Verfahren rechtfertigt sich ein
Vergleich mit dem EU-Recht, zumal die angemessene Verfahrensdauer ebenfalls ein allgemeiner Grundsatz
des Unionsrechts ist, der sich an Art. 6 Abs. 1
EMRK orientiert und inzwischen auch in Art. 41 Abs. 1
der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (Recht auf eine gute Verwaltung) Eingang gefunden
hat. Wenngleich kartellrechtliche Verfahren gemäss der Verordnung (EG) Nr. 1/2003 des Rates vom
16. Dezember 2002 zur Durchführung der in den Artikeln 81 und 82 des Vertrages niedergelegten Wettbewerbsregeln
(ABl. L 1 vom 4 Januar 2003, S. 1-25, Art. 23 Ziff. 5) keinen strafrechtlichen Charakter haben und sich
nicht gegen Individuen, sondern gegen Unternehmen richten, orientiert sich der Gerichtshof bei der Anwendung
des Grundsatzes der angemessenen Verfahrensdauer eng an der ständigen Rechtsprechung des EGMR zu
Art. 6 Abs. 1
EMRK (vgl. EuGH, Urteil C-238/99 vom 15. Oktober 2002 i.S. Limburgse Vinyl Maatschappij
u. a./Kommission, Rz. 179 ff.). Das Gericht erster Instanz der Europäischen Gemeinschaften (seit
dem Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon am 1. Dezember 2009: das Gericht der EU) hielt zur Frage
der angemessenen Verfahrensdauer fest, dass eine Überschreitung einer angemessenen Frist, sofern
sie nachgewiesen sein sollte, nicht zwangsläufig die Nichtigerklärung der Entscheidung nach
sich ziehen müsse. Eine Überschreitung der angemessenen Frist könne nur bei Entscheiden,
in welchen Verstösse festgestellt werden, einen Grund für eine Nichtigerklärung darstellen,
sofern erwiesen sei, dass der Verstoss die Verteidigungsrechte der betroffenen Unternehmen beeinträchtigt
habe (vgl. EuG, Urteil T-410/03 vom 18. Juni 2008 i.S. Hoechst GmbH/Kommission, Ziff. 227 f.; EuG, Urteil
T-5/00 und T-6/00 vom 16. Dezember 2003 i.S. Nederlandse Federatieve Vereniging voor de Groothandel op
Elektrotechnisch Gebied und Technische Unie/Kommission, Ziff. 42 ff.).
7.5.4 Die Rechtsprechung
des EGMR kann insoweit als strenger bezeichnet werden, als eine Überschreitung der als angemessen
anzusehenden Verfahrensdauer eine Verletzung von Art. 6 Abs. 1
EMRK zur Folge hat und zu einem Freispruch,
einer Strafminderung, einer Entschädigungsleistung oder einer Reduktion der Verfahrenskosten führen
kann (vgl. EGMR, Urteil 22015/05 vom 17. Dezember 2009 i.S. Werz v. Schweiz, Ziff. 45).
Dabei
untersucht der EGMR mittlerweile nicht mehr die Dauer einzelner Verfahrensabschnitte im Detail, sondern
nimmt eine pauschale Bewertung des gesamten Verfahrens vor. Bei der Untersuchung, ob die Dauer eines
Verfahrens als angemessen anzusehen ist oder nicht, berücksichtigt der EGMR in erster Linie den
Umfang und die Schwierigkeit des Falles, die Behandlung des Falles durch die mit dem Verfahren befassten
Behörden und Gerichte, das Verhalten der Beschwerdeführer und die Bedeutung des Ausgangs des
Verfahrens für die Betroffenen. Der EGMR hat bis anhin noch keine Zeitgrenzen, deren Überschreitung
automatisch eine Verletzung darstellen würde, festgelegt, Verfahrensdauern von über 10 Jahren
werden jedoch grundsätzlich als nicht angemessen bewertet, solche von 1½ bis 2 Jahre pro Instanz
in der Regel nicht beanstandet (vgl. Jochen A. Frowein/Wolfgang Peukert, EMRK-Kommentar, 3. Aufl., Kehl
2009, Rz. 248 ff. zu Art. 6
EMRK, m.w.H.).
7.5.5 In der vorliegend zu beurteilenden Streitsache
ist festzustellen, dass das für die Sanktion massgebende Untersuchungsverfahren vor den Wettbewerbsbehörden
vom 6. November 2002 (Eröffnung der Untersuchung) bis zum Erlass der angefochtenen Verfügung
vom 5. März 2007, d.h. rund 4 Jahre und 4 Monate, dauerte. Diese an sich sehr lange Verfahrensdauer
ist an der äusseren Grenze der zulässigen Verfahrensdauer anzusiedeln, lässt sich aber
durch die Komplexität des Verfahrens und die vielen verfahrensleitenden Massnahmen gerade noch rechtfertigen.
Auch muss gebührend berücksichtigt werden, dass das Sekretariat genügend Zeit für
seine Untersuchungen benötigt, damit es einem Verdacht betreffend unzulässige Wettbewerbsbeschränkungen
mit der nötigen Gründlichkeit nachgehen und den Parteien auch genügend Zeit für die
wirksame Wahrung ihrer Verteidigungsrechte einräumen kann. Zudem dürfen die Wettbewerbsbehörden
im Sinne des Opportunitätsprinzips (Art. 27
KG) bestimmten Verfahren eine höhere Priorität
einräumen als anderen, was zu Verzögerungen in einzelnen Verfahren führen kann. Schliesslich
war von der Streitsache und Sanktion her keine besondere Eilbedürftigkeit gegeben, wie dies beispielsweise
bei arbeitsgerichtlichen Verfahren oder bei Verfahren betreffend den Streit über die Zuteilung des
elterlichen Sorgerechts meist der Fall sein dürfte (vgl. Frowein/Peukert, a.a.O., Rz. 262 zu Art.
6
EMRK).
8. Sanktionierung
Nachfolgend bleibt zu prüfen, ob die Wettbewerbskommission
gestützt auf Art. 49a Abs. 1
KG die Beschwerdeführerin 1 mit einer Verwaltungssanktion von
CHF 2,5 Mio. mit der Begründung belasten durfte, sie habe mittels der Beschwerdeführer 2-6
ihre marktbeherrschende Stellung missbraucht, indem sie sich weigerte gewisse Vermittler zu kommissionieren
und diese dadurch in der Aufnahme und der Ausübung des Wettbewerbs behinderte und gegenüber
anderen unabhängigen Vermittlern diskriminierte.
Im Urteil des Bundesverwaltungsgerichts
B-2050/2007 vom 24. Februar 2010 (Swisscom/Wettbewerbskommission) betreffend Terminierungspreise im Mobilfunk
wurde der der Swisscom AG vorgeworfene Preismissbrauch verneint und die von der Wettbewerbskommission
verfügte Sanktion aufgehoben. Dieses Verfahren lässt sich insoweit nicht mit dem vorliegend
zu beurteilenden vergleichen, als der hier zu beurteilende Sachverhalt keinen fernmelderechtlichen Rahmen
betrifft. Zudem lautet der Vorwurf im Gegensatz zum "Swisscom-Urteil" nicht auf "Erzwingung
unangemessener Preise oder sonstiger unangemessener Geschäftsbedingungen" (Art. 7 Abs. 2 Bst.
c
KG), sondern auf "Diskriminierung von Handelspartnern bei Preisen oder sonstigen Geschäftsbedingungen"
(Art. 7 Abs. 2 Bst. b
KG). Die den beiden Urteilen zugrunde liegenden Sachverhalte können entsprechend
nicht miteinander verglichen werden.
8.1 Rügen im Zusammenhang mit Art. 6
und 7
EMRKDie
Beschwerdeführer bringen in der Replik vor, es handle sich bei den direkten Sanktionen um Massnahmen
mit strafrechtlichem Charakter. Entsprechend könne entgegen den Ausführungen der Vorinstanz
in der Verfügung nicht offen bleiben, ob die in Art. 6
EMRK stipulierten Garantien auf das Kartellverfahren
Anwendung finden. Diese müssten im Kartellsanktionsverfahren vielmehr strikte beachtet werden. Dazu
gehöre auch die Einhaltung des sich aus Art. 7
EMRK sowie Art. 5 Abs. 1
und Art. 164 Abs. 1
BV ergebenden
Legalitätsprinzips, welches verlange, dass eine zu verhängende Strafe hinreichend konkret bestimmt
und voraussehbar sein müsse. Dies sei bei der Sanktionierung der Beschwerdeführer nicht der
Fall gewesen.
Die Vorinstanz führt in der Duplik aus, dass die Anforderungen an ein unabhängiges
Gericht gemäss EMRK im gesamten Sanktionsverfahren "nur" einmal erfüllt sein müssten.
Daher genüge es, selbst wenn der Wettbewerbskommission die nötige Unabhängigkeit im Sinne
von Art. 6 Abs. 1
EMRK abgesprochen werde, wenn diese Anforderungen auch erst vor dem Bundesverwaltungsgericht
erfüllt würden. Voraussetzung sei dabei allerdings, dass die obere Instanz über volle
Kognition verfüge, was auf das Bundesverwaltungsgericht gemäss Art. 39
KG i.V.m. Art. 49
VwVG
zutreffe. Zudem würden sowohl der Tatbestand von Art. 7
KG als auch die Rechtsfolge in Art. 49a
Abs. 1
KG den erforderlichen Bestimmtheitsgrad aufweisen.
Zu den sich im Zusammenhang mit
Art. 6
und 7
EMRK stellenden grundsätzlichen Fragen hat sich das Bundesverwaltungsgericht im Urteil
B-2050/2007 vom 24. Februar 2010 (i.S. Swisscom /Wettbewerbskommission, E. 5) einlässlich geäussert.
Die nachfolgenden Erwägungen sind mit den Erwägungen im Swisscom Entscheid insoweit identisch,
als sich keine spezifischen Abweichungen aufgrund des vorliegenden Falles ergeben.
8.1.1 Anspruch
auf ein EMRK-konformes Gericht
Gemäss Art. 6 Abs. 1
erster Satz
EMRK hat jede Person
ein Recht darauf, dass über Streitigkeiten in Bezug auf ihre zivilrechtlichen Ansprüche und
Verpflichtungen oder über eine gegen sie erhobene strafrechtliche Anklage von einem unabhängigen
und unparteiischen, auf Gesetz beruhenden Gericht in einem fairen Verfahren, öffentlich und innerhalb
angemessener Frist verhandelt wird.
Diese Bestimmung hat im Kontext der als verletzt gerügten
Organisationsgarantie dieselbe Tragweite wie Art. 30 Abs. 1
erster Satz
BV, wonach jede Person, deren
Sache in einem gerichtlichen Verfahren beurteilt werden muss, Anspruch auf ein durch Gesetz geschaffenes,
zuständiges, unabhängiges und unparteiisches Gericht hat (vgl. BGE 135 I 14 E. 2, BGE
133 I
1 E. 5.2, m.w.H.).
8.1.1.1 Unbestrittenermassen unterstehen die Beschwerdeführer angesichts
des Strafcharakters der strittigen Sanktion (vgl. E. 8.1.3) auch den Verfahrensgarantien von Art. 6 Abs.
1
EMRK, und zwar ungeachtet ihrer Rechtsform als juristische Personen (vgl. Europäischer Gerichtshof
für Menschenrechte [EGMR], Zulässigkeitsentscheid 32411/96 vom 20. April 1999 i.S. Sojus Trade
Company GmbH et. al. v. Deutschland, Ziff. 2; EGMR, Zulässigkeitsentscheid 53892/00 vom 3. Dezember
2002 i.S. Lilly France S.A. v. Frankreich; Frowein/Peukert, a.a.O., Rz. 4 zu Art. 6 und Rz. 18 zu Art.
34; Tagmann, a.a.O., S. 91 f., 115; Astrid Waser, Grundrechte der Beteiligten im europäischen und
schweizerischen Wettbewerbsverfahren, Zürich 2002, S. 108 f.).
8.1.1.2 Demzufolge haben sie
insofern Anspruch darauf, dass ihre Sache durch ein unabhängiges, unparteiisches, auf Gesetz beruhendes
Gericht beurteilt wird, als ihr wirksamer Zugang zum Entscheidorgan "Gericht" gewährt
wird (vgl. Christoph Grabenwarter, Europäische Menschenrechtskonvention, 4. Aufl., München/Basel/
Wien 2009, § 24 N 27, S. 343).
8.1.1.3 Ein Gericht im Sinne von Art. 6 Abs. 1
EMRK ist eine
Behörde, die nach Gesetz und Recht in einem justizförmigen, fairen Verfahren begründete
und bindende Entscheidungen über Streitfragen trifft. Es braucht nicht in die ordentliche Gerichtsstruktur
eines Staates eingegliedert zu sein, aber es muss organisch und personell, nach der Art seiner Ernennung,
der Amtsdauer, dem Schutz vor äusseren Beeinflussungen und nach dem äusseren Erscheinungsbild
unabhängig und unparteiisch sein, sowohl gegenüber anderen Behörden als auch gegenüber
den Parteien (vgl. BGE
126 I 228 E. 2a/aa, mit Hinweis auf BGE
123 I 87 E. 4a, BGE
133 IV 278 E. 2.2;
vgl. Hans-Heiner Kühne, in: Karl [Hrsg.], Internationaler Kommentar zur Europäischen Menschenrechtskonvention
[IntKommEMRK], Köln/ Berlin/München 2009, Rz. 282-320 zu Art. 6
EMRK; Jörg Paul Müller/
Markus Schefer, Grundrechte in der Schweiz, im Rahmen der Bundesverfassung, der EMRK und der UNO-Pakte,
4. Aufl., Bern 2008, S. 927 ff.).
8.1.1.4 Wie das Bundesverwaltungsgericht in seinem Urteil
B-2050/2007
vom 24. Februar 2010 (E. 5.4 ff.) entschieden hat, kann die Frage, ob die Wettbewerbskommission ein Gericht
im Sinne von Art. 6 Abs. 1
Satz 1
EMRK ist, offengelassen werden.
Denn nach der Konventionsrechtsprechung
zu Art. 6 Abs. 1
Satz 1
EMRK reicht es aus, wenn in einem Verfahrensgang ein Gericht entscheidet (vgl.
BGE
129 I 207 E. 5.2, BGE
123 I 87 E. 3a, BGE
115 Ia 406 E. 3b/bb; Frowein/Peukert, a.a.O., Rz. 200 ff.
zu Art. 6
EMRK; Grabenwarter, a.a.O., § 24 N. 58, S. 360, sowie § 24 N. 147 ff., 407 ff.; Arthur
Haefliger/Frank Schürmann, Die Europäische Menschenrechtskonvention und die Schweiz, 2. Aufl.,
Bern 1999, S. 166 ff.; Regina Kiener, Richterliche Unabhängigkeit, Bern 2001, S. 382; Kühne,
a.a.O., Rz. 318 zu Art. 6
EMRK; Pieter van Dijk/Fried van Hoof/Arjen van Rijn/Leo Zwaak, Theory and Practice
of the European Convention on Human Rights, 4. Aufl., Antwerpen/Oxford 2006, S. 564 ff.; Mark E. Villiger,
Handbuch der Europäischen Menschenrechtskonvention, 2. Aufl., Zürich 1999, Rz. 427), dem volle
Kognition zukommt (vgl. E. 8.1.1.5 ff.).
Insbesondere sind die Mitgliedstaaten nicht verpflichtet,
Streitigkeiten, wie sie hier in Frage stehen, einem Verfahren zu unterstellen, das in jeder Phase vor
einem Gericht im Sinne von Art. 6 Abs. 1
EMRK geführt werden müsste (vgl. BGE
132 V 299 E.
4.3.1, BGE
128 I 237 E. 3, BGE
124 I 92 E. 2a,
124 I 255 E. 5b/aa; Grabenwarter, a.a.O., § 24 N
58, S. 360; van Dijk/van Hoof/van Rijn/Zwaak, a.a.O., S. 568). Nur wenn ein Staat ein Gerichtssystem
mit mehreren gerichtlichen Instanzen einrichtet, muss er sicherstellen, dass den grundrechtsberechtigten
Personen grundsätzlich vor allen diesen Gerichten die Garantien von Art. 6
EMRK gewährt werden
(vgl. EGMR, Urteil 21920/93 vom 23. Oktober 1996 i.S. Levages v. Frankreich, Ziff. 44).
In
der Schweiz aber hat der Kartellgesetzgeber keinen solchen Instanzenaufbau für Verwaltungssanktionen
(Art. 49a
ff.
KG) bzw. für Strafsanktionen (Art. 54 ff
.
KG) vorgesehen. Dieses gesetzgeberische
Vorgehen steht im Einklang mit der Rechtsprechung des EGMR, wonach es aufgrund der Erfordernisse der
Flexibilität und Effizienz, welche ihrerseits mit dem Menschenrechtsschutz vereinbar sind, gerechtfertigt
sein kann, dass in erster Instanz eine Verwaltungsbehörde entscheidet, die den Ansprüchen von
Art. 6 Abs. 1
EMRK nicht in jeder Hinsicht zu genügen vermag (vgl. EGMR, Urteil 7299/75 vom 10.
Februar 1983 i.S. Albert und Le Compte v. Belgien, Ziff. 29; Grabenwarter, a.a.O., § 24 N. 58, S.
360; Haefliger/Schürmann, a.a.O., S. 133 f.; Benjamin Schindler, Art. 6[1] ECHR and Judicial Review
of Administrative Decision-Making in England and Switzerland - A Comparative Perspective, SZIER 2006,
S. 449; van Dijk/van Hoof/van Rijn/Zwaak, a.a.O., S. 568 f.; Villiger, a.a.O., Rz. 429).
8.1.1.5
Da es ausreicht, wenn die strittige Sanktion durch eine gerichtliche Instanz mit voller Kognition überprüft
werden kann, muss, weil das Bundesverwaltungsgericht unbestrittenermassen organisatorisch-funktionell
ein "unabhängiges und unparteiisches, auf Gesetz beruhenden Gericht" im Sinne von Art.
6 Abs. 1
erster Satz
EMRK ist, nachfolgend geprüft werden, ob die vom Bundesverwaltungsgericht konkret
ausgeübte Kognition den Anforderungen von Art. 6 Abs. 1
EMRK entspricht.
8.1.1.6 Nach Art.
49
VwVG kann mit der Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht gerügt werden, die angefochtene
Verfügung verletze Bundesrecht (einschliesslich der Überschreitung oder des Missbrauchs von
Ermessen), beruhe auf einer unrichtigen oder unvollständigen Feststellung des rechtserheblichen
Sachverhalts oder sei unangemessen, soweit nicht die Verfügung einer kantonalen Beschwerdeinstanz
streitig ist.
8.1.1.7 Das Bundesverwaltungsgericht ist grundsätzlich verpflichtet, seine Kognition
voll auszuschöpfen (vgl. André Moser/Michael Beusch/ Lorenz Kneubühler, Prozessieren vor
dem Bundesverwaltungsgericht, Basel 2008, S. 74 Rz. 2.153, mit Hinweis auf das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts
B-3490/2007 vom 15. Januar 2008 E. 3.1). Eine zu Unrecht vorgenommene Kognitionsbeschränkung stellt
eine Verletzung des rechtlichen Gehörs oder eine formelle Rechtsverweigerung dar (vgl. Moser/Beusch/Kneubühler,
a.a.O., S. 74 Rz. 2.153, m.w.H.).
8.1.1.8 Indessen darf nach herrschender Lehre und Praxis auch
das Bundesverwaltungsgericht, obschon es nach der gesetzlichen Ordnung "mit freier Prüfung"
zu entscheiden hat, seine Kognition einschränken, soweit die Natur der Streitsache dies sachlich
gebietet. Dies ist der Fall, wenn die Rechtsanwendung technische Probleme, Fachfragen oder sicherheitsrelevante
Einschätzungen betrifft, zu deren Beantwortung und Gewichtung die verfügende Behörde aufgrund
ihres Spezialwissens besser geeignet ist, oder wenn sich Auslegungsfragen stellen, welche die Verwaltungsbehörde
aufgrund ihrer örtlichen, sachlichen oder persönlichen Nähe sachgerechter zu beurteilen
vermag als die Beschwerdeinstanz.
Geht es um die Beurteilung technischer oder wirtschaftlicher
Spezialfragen, in denen die Vorinstanz über ein besonderes Fachwissen verfügt, ist nur bei
erheblichen Gründen von der Auffassung der Vorinstanz abzuweichen (vgl. BGE 135 II 296 E. 4.4.3,
BGE
133 II 35 E. 3, BGE
131 II 13 E. 3.4; Urteil des Bundesverwaltungsgerichts
C-2265/2006 vom 14. September
2009 E. 2.1; Yvo Hangartner, Richterliche Zurückhaltung in der Überprüfung von Entscheiden
von Vorinstanzen, in: Schindler/Sutter [Hrsg.], Akteure der Gerichtsbarkeit, Zürich 2007, S. 171
ff.; Moser/Beusch/Kneubühler, a.a.O., Rz. 2.154, m.w.H.; Oliver Zibung/Elias Hofstetter, in: Waldmann/Weissenberger,
a.a.O., N. 19 f. zu Art. 49
VwVG; kritisch dazu Benjamin Schindler, in: Auer/Müller/Schindler [Hrsg.],
Kommentar zum Bundesgesetz über das Verwaltungsverfahren, Zürich 2008, N. 5 [Fn. 31] zu Art.
49
VwVG).
8.1.1.9 Das Bundesverwaltungsgericht kann im vorliegenden Fall mit Hinweis auf das Urteil
B-2050/2007 vom 24. Februar 2010 (E. 5.6 ff., m.w.H.) die angefochtene Verfügung - entsprechend
der vom Bundesgericht in BGE
132 II 257 und BGE
132 II 485 eingenommenen Haltung zur Kognitionsfrage
- in sachverhaltlicher und rechtlicher Hinsicht im Einklang mit Art. 6 Abs. 1
EMRK auf ihre Rechtmässigkeit
hin überprüfen.
8.1.2 Rüge der Verletzung von Art. 7
EMRKWie bereits
erwähnt, wird nach Art. 49a Abs. 1
erster Satz
KG (direkte Sanktionierung) ein Unternehmen, das
sich insbesondere nach Art. 7
KG unzulässig verhält, mit einem Betrag bis zu 10 % des in den
letzten drei Geschäftsjahren in der Schweiz erzielten Umsatzes belastet. Der Betrag bemisst sich
nach der Dauer und der Schwere des unzulässigen Verhaltens (Art. 49a Abs. 1
KG, dritter Satz). Der
mutmassliche Gewinn, den das Unternehmen dadurch erzielt hat, ist angemessen zu berücksichtigen
(Art. 49a Abs. 1
KG, vierter Satz).
Unter der Marginalie "Keine Strafe ohne Gesetz"
hält Art. 7 Abs. 1
erster Satz
EMRK fest:
"Niemand darf wegen einer Handlung oder
Unterlassung verurteilt werden, die zur Zeit ihrer Begehung nach innerstaatlichem oder internationalem
Recht nicht strafbar war."
8.1.3 Die angefochtene Sanktion als "strafrechtliche Anklage"
Die
als "Betrag" bezeichnete Sanktion, mit der Publigroupe "belastet" wurde, kommt unbestrittenermassen
einer "strafrechtlichen Anklage" gleich, weshalb sie Strafcharakter im Sinne von Art. 6 Abs.
1
EMRK hat (vgl. BGE 135 II 60 E. 3.2.3; Urteil des Bundesverwaltungsgerichts
B-4037/2007 vom 29. Februar
2008 E. 4.3, m.w.H.; EGMR, Zulässigkeitsentscheid 53892/00 vom 3. Dezember 2002 i.S. Lilly France
S.A. v. Frankreich, Ziff. 2 S. 9, sowie EGMR, Urteil 5242/04 vom 11. Juni 2009 i.S. Dubus S.A. v. Frankreich,
Ziff. 35; zu den einschlägigen EMRK-Kriterien vgl. EGMR, Urteil 35533/04 vom 11. Januar 2007 i.S.
Mamidakis v. Griechenland, Ziff. 20 f.; EGMR, Urteil 27812/95 vom 23. September 1998 i.S. Malige v. Frankreich,
Ziff. 34 ff.; EGMR, Urteil 11034/84 vom 22. Mai 1990 i.S. Weber v. Schweiz, Ziff. 29 ff.; BGE 134 I 140
E. 4.2; zum KG vgl. Botschaft des Bundesrates vom 7. November 2001 über die Änderung des Kartellgesetzes
[
BBl 2002 2022, 2052, nachfolgend: Botschaft KG 2001]; Yvo Hangartner, Aspekte des Verwaltungsverfahrensrechts
nach dem revidierten Kartellgesetz von 2003, in: Zäch/Stoffel [Hrsg.], Kartellgesetzrevision 2003
- Neuerungen und Folgen, Zürich 2004, S. 269 f.; Christof Riedo/Marcel Alexander Niggli, Verwaltungsstrafrecht,
Teil 1: Ein Märchen, eine Lösung, ein Problem und ein Beispiel, in: Häner/Waldmann [Hrsg.],
Verwaltungsstrafrecht und sanktionierendes Verwaltungsrecht, Zürich/Basel/Genf 2010, S. 41 ff.,
sowie Marcel Alexander Niggli/Christof Riedo, Verwaltungsstrafrecht, Teil 2: Eine Lösung, viele
Probleme, einige Beispiele und kein Märchen, in: Häner/Waldmann [Hrsg.], a.a.O., S. 57 ff.;
Tagmann, a.a.O., S. 85; van Dijk/van Hoof/van Rijn/Zwaak, a.a.O., S. 539 ff.; Daniel Zimmerli, Zur Dogmatik
des Sanktionssystems und der «Bonusregelung» im Kartellrecht, Bern 2007, S. 449 ff.).
Aus
diesem Grunde fällt die hier aufgeworfene Fragestellung auch in den Geltungsbereich von Art. 7
EMRK,
den die Beschwerdeführer ratione personae rügen können (vgl. BGE
128 I 346 E. 3.2; Villiger,
a.a.O., Rz. 534 bzw. 101).
8.1.4 Zur Tragweite von Art. 7 Abs. 1
Satz 1
EMRK im Allgemeinen
Art.
7
EMRK statuiert den Grundsatz, wonach Straftaten und Strafsanktionen durch Gesetz umschrieben werden
müssen (vgl. EGMR, Urteil 14307/88 vom 25. Mai 1993 i.S. Kokkinakis v. Griechenland, Ziff. 52; Joachim
Renzikowski, IntKommEMRK, a.a.O., Rz. 2 zu Art. 7
EMRK; Niggli/Riedo, a.a.O., S. 55). Dies gilt auch
hinsichtlich direkter Sanktionen nach Art. 49a Abs. 1
KG, denen auch Strafcharakter zukommt (vgl. E.
8.1.3).
Diese wesentliche Rechtsstaatsgarantie, wonach jede Strafe auf Gesetz beruhen muss,
soll den Einzelnen die Grenzen seiner Freiheit erkennen und ausüben lassen (vgl. Louis-Edmond Pettiti/Emmanuel
Decaux/Pierre-Henri Imbert, La Convention européenne des droits de l'homme, 2. Aufl., Paris 1999,
S. 294 f.; Renzikowski, a.a.O., Rz. 5 und 52 ff. zu Art. 7
EMRK). Insofern soll vermieden werden, dass
eine Strafverurteilung im Sinne von Art. 6 Abs. 1
erster Satz
EMRK auf eine Gesetzesnorm gestützt
wird, die eine Person nicht zumindest hätte kennen können (vgl. EGMR, Urteil 20166/92 vom 22.
November 1995 i.S. S.W. und C.R. v. Vereinigtes Königreich, Ziff. 35; van Dijk/van Hoof/ van Rijn/Zwaak,
a.a.O., S. 654). Dabei variieren die Anforderungen an ein Gesetz nach verschiedenen Kriterien: Ob es
hinreichend bestimmt und klar ist, hängt nach der Konventionsrechtsprechung vom Rechtsgebiet, von
der Zahl und vom Status der Adressaten ab. Insofern können technische oder relativ unbestimmte Begriffe
insbesondere im Wirtschaftsrecht noch die Bestimmtheitserfordernisse erfüllen, während beispielsweise
bei risikobehafteten Tätigkeiten von den Betroffenen erwartet werden kann, dass sie besondere Sorgfalt
aufbringen, um die Folgen ihres Verhaltens abschätzen zu können (vgl. Urteil 17862/91 vom 15.
November 1996 i.S. Cantoni v. Frankreich, Ziff. 35; Pettiti/Decaux/Imbert, a.a.O., S. 296; Renzikowski,
a.a.O., Rz. 53 zu Art. 7
EMRK).
In diesem Zusammenhang lässt der EGMR richterliche Rechtsfortbildung
nur in den Grenzen der Vorhersehbarkeit zu (vgl. Urteil 17862/91 vom 15. November 1996 i.S. Cantoni v.
Frankreich, Ziff. 29 ff.; Renzikowski, a.a.O., Rz. 58 zu Art. 7
EMRK; Villiger, a.a.O., Rz. 536). Zu
beachten ist aber, dass Art. 7
EMRK kein Verbot einer schrittweise erfolgenden Klärung der Vorschriften
über die strafrechtliche Verantwortlichkeit durch richterliche Auslegung enthält. Diesbezüglich
müssen die Rechtsprechung aber in sich widerspruchsfrei und ihre Entwicklung mit dem Wesen des Straftatbestands
vereinbar und ausreichend voraussehbar sein (vgl. EGMR, Urteil 34044/96 vom 22. März 2001 i.S. Streletz,
Kessler und Krenz v. Deutschland, Ziff. 50; Grabenwarter, a.a.O., § 24 N. 137, S. 400; Haefliger/Schürmann,
a.a.O., S. 244 ff.; Renzikowski, a.a.O., Rz. 11, 43 ff. zu Art. 7
EMRK).
Allerdings lässt
sich im Einzelfall eine unzulässige Rechtsfortbildung nur schwer von einer zulässigen Änderung
der Rechtsprechung abgrenzen, welche auf entsprechender gesetzlicher Auslegung beruht (vgl. Grabenwarter,
a.a.O., § 24 N. 132, S. 397, mit Beispielen). Daher wird in der Praxis dem in Art. 7
EMRK (neben
dem Gesetzmässigkeitsprinzip) ebenfalls vorausgesetzten Bestimmtheits- und Klarheitsgebot Genüge
getan, wenn dem Wortlaut der jeweiligen Vorschrift, soweit erforderlich mit Hilfe der Auslegung durch
die Gerichte, zu entnehmen ist, für welche Handlungen und Unterlassungen der Einzelne strafrechtlich
zur Verantwortung gezogen werden kann (vgl. EGMR, Urteil 10249/03 vom 17. September 2009 i.S. Scoppola
v. Italien, Ziff. 99 ff.; EGMR, Urteil 17862/91 vom 15. November 1996 i.S. Cantoni v. Frankreich, Ziff.
29; EGMR, Urteil 45771/99 vom 21. Januar 2001 i.S. Veeber v. Estland, Ziff. 31 ff.; Grabenwarter, a.a.O.,
§ 24 N. 137, S. 400; van Dijk/van Hoof/van Rijn/Zwaak, a.a.O., S. 654 f.). Insofern haben nationale
Gerichte keine "autonome Auslegung" nationaler Gesetze durch den EGMR zu befürchten, zumal
sich dieser grösste Zurückhaltung auferlegt, wenn er Normen prüft, welche als "zu
unbestimmt" kritisiert werden (vgl. EGMR, Urteil 11843/03 vom 3. Mai 2007 i.S. Custers, Deveaux
and Turk v. Dänemark, Ziff. 76 ff.; Jens Meyer-Ladewig, Konvention zum Schutz der Menschenrechte
und Grundfreiheiten, 2. Aufl., Baden-Baden 2006, N. 6 f. zu Art. 7
EMRK; van Dijk/van Hoof/van Rijn/Zwaak,
a.a.O., S. 654 f.; Villiger, a.a.O., Rz. 538).
8.1.4.1 Eine Einschränkung hat die Tragweite
von Art. 7
EMRK in der Rechtsprechung des EGMR zum sog. "Mauerschützenfall" erfahren,
wo eine Verurteilung als vorhersehbar erachtet worden ist, obschon die menschenrechtswidrige staatliche
Praxis für die Dauer und Gültigkeit der massgeblichen Rechtsordnung jegliche Strafbarkeit (von
Tötungshandlungen an der ehemaligen DDR-Grenze) ausschloss (vgl. EGMR, Urteil 34044/96 vom 22. März
2001 i.S. Streletz, Kessler und Krenz v. Deutschland, Ziff. 77 ff.; Stephan Breitenmoser/Boris Riemer/Claudia
Seitz, Praxis des Europarechts - Grundrechtsschutz, Zürich/Köln/Wien 2006, S. 47 f.; Grabenwarter,
a.a.O., § 24 N. 138, S. 400 f.; Anne Peters, Einführung in die Europäische Menschenrechtskonvention,
München 2003, S. 145 ff.; Renzikowski, a.a.O., Rz. 78 ff. zu Art. 7
EMRK).
8.1.4.2 Der EGMR
prüft jedoch nicht, ob sich der Betroffene strafbar gemacht hat, was Sache der nationalen Gerichte
ist (vgl. EGMR, Urteil 34044/96 vom 22. März 2001 i.S. Streletz, Kessler und Krenz v. Deutschland,
Ziff. 49), sondern nur, ob zur Tatzeit eine hinreichend bestimmte Gesetzesvorschrift bestand, welche
die Tat strafbar machte, und ob die auferlegte Strafe die von dieser Vorschrift bestimmten Grenzen überschritten
hat (vgl. EGMR, Urteil 68066/01 vom 22. Juli 2003 i.S. Gabarri Moreno v. Spanien, Ziff. 22 ff., Ziff.
33; Meyer-Ladewig, a.a.O., N. 7 zu Art. 7
EMRK; Renzikowski, a.a.O., Rz. 60 zu Art. 7
EMRK; van Dijk/van
Hoof/van Rijn/Zwaak, a.a.O., S. 656).
In seiner Rechtsprechung zur Rechtsfolgeseite beschäftigt
sich der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte mit angeblichen Fehlern bei der Strafzumessung,
also mit der Frage, ob die konkret erfolgte Strafzumessung dem gesetzlich vorgesehenen Strafrahmen entspricht
(vgl. EGMR, Urteil 10249/03 vom 17. September 2009 i.S. Scoppola v. Italien, Ziff. 95; EGMR, Urteil 68066/01
vom 22. Juli 2003 i.S. Gabarri Moreno v. Spanien, Ziff. 25; EGMR, Zulässigkeitsentscheid 36946/03
vom 29. November 2005 i.S. Uttley v. Grossbritanien; EGMR, Zulässigkeitsentscheid 33448/96 vom 14.
Dezember 1999 i.S. Wedenig v. Österreich, S. 3 f.). Insofern verlangt das Bestimmtheitsgebot nicht,
dass das genaue Mass der Strafe oder ein abschliessender Katalog von Alternativen gesetzlich festgelegt
sein müssten (vgl. van Dijk/van Hoof/van Rijn/Zwaak, a.a.O., S. 656). Soweit nur Strafmaxima gesetzlich
vorgesehen sind, wissen die Betroffenen, welche Maximalstrafe sie bei einem Normverstoss zu erwarten
haben (vgl. EGMR, Urteil 68066/01 vom 22. Juli 2003 i.S. Gabarri Moreno v. Spanien, Ziff. 33; Renzikowski,
a.a.O., Rz. 54 zu Art. 7
EMRK). Nach van Dijk/van Hoof/van Rijn/Zwaak scheint Art. 7 Abs. 1
erster Satz
EMRK auch nicht auszuschliessen, dass der Strafgesetzgeber den Verstoss gegen eine - gesetzlich hinreichend
bestimmte - Norm ohne gesetzliches Strafmaximum unter Strafe stellt (vgl. van Dijk/van Hoof/van Rijn/Zwaak,
a.a.O., S. 656 f.; a.M. Niggli/Riedo, a.a.O., S. 55, wonach betragsmässig unbestimmte Bussen unzulässig
seien; vgl. auch Bernd Meyring, Uferlose Haftung im Bussgeldverfahren?, Neuste Theorien der Kommission
zur Zurechnung von Kartellverstössen, WuW 2010, S. 157 ff., insbes. S. 168 f., mit Hinweis u.a.
auf Rainer Bechtold/Stephan Wernicke, Kartellbussen ohne Mass, FAZ vom 14. Februar 2009).
8.1.4.3
Auch in seiner jüngsten Rechtsprechung verlangt der Strassburger Gerichtshof nicht, dass das genaue
Strafmass gesetzlich festgelegt sein müsste (vgl. Urteil 10249/03 vom 17. September 2009 i.S. Scoppola
v. Italien, Ziff. 94). Vielmehr prüft der Gerichtshof bei angefochtenen Strafzumessungen einzig,
ob diese den gesetzlich festgelegten Strafrahmen überschreiten (vgl. Urteil i.S. Scoppola v. Italien,
a.a.O., Ziff. 95).
Im Lichte der soeben dargelegten Grundsätze muss ein Gesetz so präzise
formuliert sein, dass der Gesetzesadressat sein Verhalten danach richten und die Folgen eines bestimmten
Verhaltens mit einem nach den Umständen unterschiedlichen Grad an Gewissheit vorhersehen kann.
Wie
nachfolgend im Einzelnen darzulegen ist, erweist sich die von der Vorinstanz angerufene Gesetzesgrundlage
als prinzipiell hinreichend bestimmt (vgl. E. 8.1.5), was im Lichte der jüngsten bundesgerichtlichen
Rechtsprechung die mögliche Tatbestandsmässigkeit des inkriminierten Verhaltens als ebenso
voraussehbar erscheinen lässt (vgl. E. 8.1.6) wie die mögliche Rechtsfolge dieses Verhaltens
(vgl. E. 8.1.7).
8.1.5 Das Verhältnis von Art. 7 Abs. 1
und Abs. 2 Bst. b
KG im Lichte von
Art. 7 Abs. 1
erster Satz
EMRK8.1.5.1 Art. 7 Abs. 2 Bst. b
KG, den die Vorinstanz in Verbindung
mit Abs. 1 dieser Bestimmung angewandt hat, wird vom Verweis in Art. 49a Abs. 1
Satz 1
KG mitumfasst,
was die in der Lehre geäusserten Bedenken an der Bestimmtheit dieser Norm etwas zu relativieren
vermag (vgl. Stephan Breitenmoser, Focus: Court Appeals in Competition Law, in: Baudenbacher [Hrsg.],
Current Developements in European and International Competition Law - ICF 2008, Basel 2009, S. 381 ff.,
S. 385).
Ungeachtet dieser Bedenken scheinen die Vorinstanz und die Beschwerdeführer
die Bestimmung von Art. 7 Abs. 1
KG, wonach sich marktbeherrschende Unternehmen unzulässig verhalten,
wenn sie durch den Missbrauch ihrer Stellung auf dem Markt andere Unternehmen in der Aufnahme oder Ausübung
des Wettbewerbs behindern oder die Marktgegenseite benachteiligen, als eine Norm aufzufassen, der unabhängig
von ihrem Abs. 2 selbständige Bedeutung zukommen könnte.
Dieser Sicht kann aber
nicht gefolgt werden. Denn Art. 7 Abs. 1
KG enthält, wenn vom konkretisierenden Tatbestandskatalog
in dessen Abs. 2 abgesehen wird, keinerlei Konturen, die zumindest generalklauselhaft die Kriterien für
"unzulässiges Verhalten" bzw. "den Missbrauch einer Stellung" erkennbar und
damit vorhersehbar machen würden (zur Generalklausel von Art. 7 Abs. 1
KG vgl. Botschaft KG 1994,
a.a.O., S. 569 f.; zur Problematik "normativer Zirkelschlüsse" im Zusammenhang mit Art.
7
KG vgl. Marc Amstutz, Die Paradoxie des Missbrauchsbegriffs im Wettbewerbsbeschränkungsrecht,
in: Amstutz/Stoffel/Ducrey [Hrsg.], Schweizerisches Kartellrecht im 13. Jahr nach dem Paradigmenwechsel,
Zürich/Basel/Genf 2009, S. 48 ff.).
Dieser Befund wiegt umso schwerer, als bereits der Bundesrat
in seiner Botschaft auf das Problem der Doppelgesichtigkeit von Verhaltensweisen hinweist, das darin
besteht, dass ein bestimmtes Verhalten "a priori sowohl Ausdruck erwünschten Wettbewerbs als
auch einer missbräuchlichen Behinderungs- oder Ausbeutungsstrategie sein kann" (vgl. Botschaft
KG 1994, a.a.O., S. 569; Entscheid der REKO/WEF 98/FB-001 vom 12. November 1998 E. 3.4, veröffentlicht
in:
RPW 1998/4, S. 655 ff., m.w.H.; Amstutz, a.a.O., S. 55). Bei der Beurteilung dieser Fragen kommt
sodann - insbesondere angesichts der wachsenden Bedeutung des sog. more economic approach (vgl. Stefan
Bühler, Ökonomik in der Rechtsanwendung - Bestandesaufnahme und Ausblick, in: Amstutz/Stoffel/Ducrey
[Hrsg.], a.a.O., S. 33 ff.; Manuel Kellerbauer, Der "more economic approach" bei der Anwendung
des Artikels 82 EG-Vertrags, AJP 2009, S. 1576 ff.; Lars-Hendrik Röller/ Hans W. Friederiszick,
Ökonomische Analyse in der EU-Wettbewerbspolitik, in: Baudenbacher [Hrsg.], Neueste Entwicklungen
im europäischen und internationalen Kartellrecht 2004, Basel 2005, S. 354 ff.) - erschwerend hinzu,
dass anerkanntermassen eine Vielfalt wirtschaftstheoretischer Erklärungsmodelle zur Verfügung
stehen, die Lehrmeinungen zufolge beinahe jedes Ergebnis einer Kartellgesetzanwendung einer ökonomischen
Rechtfertigung zugänglich machen und deshalb den Rechtsanwender vor erhebliche methodische Probleme
stellen (vgl. Urteil des Bundesgerichts
2A.327/2006 vom 22. Februar 2007, veröffentlicht in:
RPW
2007/2, S. 331 ff.; Entscheid der REKO/WEF, FB/2004-4, a.a.O., E. 6.3 [mit Hinweis auf Peter Hettich,
Wirksamer Wettbewerb - Theoretisches Konzept und Praxis, Bern 2003, Rz. 752, 758] sowie E. 6.2 [mit Hinweis
auf Alan P. Kirman, The Intrinsic Limits of Modern Economic Theory: The Emperor Has No Clothes, The Economic
Journal, Vol. 99/1989, S. 126-139], veröffentlicht in:
RPW 2006/2, S. 347 ff.; Amstutz, a.a.O.,
S. 47 ff.).
Damit wird deutlich, dass die Generalklausel von Art. 7 Abs. 1
KG angesichts ihrer
inhaltlichen Offenheit für sich alleine betrachtet nicht den rechtsstaatlichen Minimalanforderungen
des in Art. 7 Abs. 1
erster Satz
EMRK verankerten Legalitätsprinzips zu entsprechen vermag.
Indessen
hat die Vorinstanz im Ergebnis Art. 7 Abs. 1
KG und Art. 7 Abs. 2 Bst. b
KG zu Recht als untrennbare
Einheit aufgefasst, indem sie für die Tatbestandsmässigkeit des inkriminierten Verhaltens voraussetzte,
dass eine Marktbeherrscherrin die Marktgegenseite "behindert" (Art. 7 Abs. 1
KG), dadurch dass
sie Handelspartner bei Preisen oder sonstigen Geschäftsbedingungen diskriminiert (Art. 7 Abs. 2
Bst. b
KG).
Das in Art. 7 Abs. 2 Bst. b
KG enthaltene Diskriminierungsverbot verlangt von
einem marktbeherrschenden Unternehmen, gleichartige Sachverhalte gleich zu behandeln. Diese Bestimmung
erfasst sämtliche Diskriminierungen, die mit dem Preis oder mit sonstigen Geschäftsbedingungen
im Zusammenhang stehen. Der Begriff "sonstige Geschäftsbedingungen" ist dabei weit auszulegen.
Die unterschiedliche Behandlung von Handelspartnern ist missbräuchlich, soweit sie sich nicht durch
sachliche Gründe, wie beispielsweise unterschiedliche Transport- oder Vertriebskosten bzw. unterschiedliche
Skalenerträge, rechtfertigen lässt (vgl. Botschaft KG 1994, a.a.O., S. 571 f.; Peter Reinert,
in: Baker & McKenzie, a.a.O., N. 15 ff. zu Art. 7
KG; Zäch, Kartellrecht, a.a.O., Rz. 673 ff.).
Ein
Gesetz muss so präzise formuliert sein, dass der Gesetzesadressat sein Verhalten danach richten
und die Folgen eines bestimmten Verhaltens mit einem nach den Umständen unterschiedlichen Grad an
Gewissheit erkennen kann.
Obwohl die vorliegend anwendbaren materiellrechtlichen Vorschriften ("Diskriminierung",
"sonstige Geschäftsbedingungen") offen formuliert sind, hätte die Beschwerdeführerin
1 frühzeitig die Möglichkeit gehabt zu erkennen, ob das ihr vorgeworfene Verhalten tatbeständig
sein könnte. Denn zur Preis- und Konditionendiskriminierung, insbesondere zur Zulässigkeit
von Rabattsystemen, besteht eine reichhaltige in- und ausländische wettbewerbsrechtliche Fallpraxis
(vgl. Borer, a.a.O., Rz. 17 f. zu Art. 7
KG mit Referenzhinweisen zur europäischen Praxis; Zäch,
Kartellrecht, a.a.O., Rz. 673 ff.).
Zudem können im Lichte von Art. 7 Abs. 1
erster Satz
EMRK
nach der Konventionsrechtsprechung technische oder relativ unbestimmte Begriffe im Wirtschaftsrecht die
Bestimmtheitserfordernisse erfüllen (vgl. E. 8.1.4). Die inhaltliche Unschärfe von Art. 7 Abs.
1
(i.V.m. Abs. 2 Bst. b)
KG lässt sich auch mit zahlreichen, offen formulierten Normen anderer Erlasse
vergleichen, zu denen im Laufe der Jahre eine reiche Rechtsprechung herangewachsen ist, ohne die freilich
der Gesetzeswortlaut allein kaum genügend Aufschluss über die Normtragweite zu geben vermag
(vgl. im Bereich StGB z.B. Art. 181 [Nötigung]).
8.1.6 Zur Voraussehbarkeit einer allfälligen
Tatbestandsmässigkeit
8.1.6.1 Um den Unternehmen ein gewisses Mass an Rechtssicherheit zu
vermitteln, hat der Gesetzgeber zwei Meldeverfahren vorgesehen, und zwar (1.) ein Verfahren nach Art.
49a Abs. 3 Bst. a
KG für geplante, wettbewerbsrelevante Vorhaben (vgl. Reinert, a.a.O., N. 28 ff.
zu Art. 49a
KG), sowie (2.) ein Verfahren nach der Übergangsbestimmung zur Änderung vom 20.
Juni 2003 für bereits bestehende wettbewerbsrelevante Verhaltensweisen (Wettbewerbsbeschränkungen),
die innerhalb der Übergangsfrist nach der erfolgten Einführung direkter Sanktionen gemeldet
oder aufgelöst werden konnten (vgl. Reinert, a.a.O., N. 1 ff. zur Übergangsbestimmung). Dieses
zweite Meldeverfahren innerhalb der Übergangsfrist hatte die Beschwerdeführerin in Anspruch
genommen (vgl. im Sachverhalt unter B.c).
In diesem Kontext lässt das Bundesgericht in seiner
jüngsten wettbewerbsrechtlichen Rechtsprechung allfällige Bedenken hinsichtlich einer hinreichenden
Bestimmtheit der gesetzlichen Grundlage für direkte Sanktionen insbesondere dann nicht gelten, wenn
eine Partei aufgrund von Hinweisen der Wettbewerbskommission im Rahmen einer eröffneten Vorabklärung
oder Untersuchung Gewissheit hat, dass sie mit ihrem Verhalten ein allfälliges Sanktionsrisiko eingeht
(vgl. BGE 135 II 60 E. 3.2.3, mit Hinweis auf das Urteil
2A.287/2005 vom 19. August 2005 E. 3.4 und 3.5,
sowie die Urteile
2A.288/2005 und
2A.289/2005 vom 8. Juni 2006; a.M. Reto Jacobs, Wirkungen der direkten
Sanktionen, in: Amstutz/Stoffel/Ducrey [Hrsg.], a.a.O., S. 151 ff.; Niggli/Riedo, a.a.O., S. 71 ff.,
wobei beide Autoren den Umstand zu übersehen scheinen, dass der vom Bundesrat vorgeschlagene Wortlaut
zu Art. 49a Abs. 3 Bst. a
KG im Laufe der parlamentarischen Beratungen bewusst zu Ungunsten der Unternehmen
abgeändert wurde).
8.1.6.2 Mit anderen Worten verneint das Bundesgericht eine Ungewissheit
über das Risiko direkter Sanktionen für Sachverhalte, die im Zeitpunkt des Inkrafttretens der
Revision - wie hier - bereits Gegenstand einer Vorabklärung oder Untersuchung der Wettbewerbsbehörden
bilden, da die Betroffenen aufgrund der eingeleiteten Massnahmen wissen müssten, dass die Zulässigkeit
der Weiterführung ihrer Verhaltensweise zweifelhaft erscheint und unter dem neuen Recht direkt sanktioniert
werden kann. Nach dem Bundesgericht befänden sie sich "in einer vergleichbaren Situation",
wie wenn die Behörden nach einer Meldung gegen das fragliche Unternehmen innert der Widerspruchsfrist
ein Verfahren gemäss Art. 49a Abs. 3 Bst. a
KG eröffneten (vgl. BGE 135 II 60 E. 3.2.4 a.E.).
8.1.6.3
Aus diesem Grund ist es auch unerheblich, dass die Beschwerdeführerin 1 im Rahmen der bereits gegen
sie laufenden Untersuchung - vor Einführung des Meldeverfahrens nach Art. 49a Abs. 3
KG - kein solches
einleiten konnte, um die Rechtslage klären zu lassen, sondern sich mit einer - aus ihrer Sicht sanktionsbefreienden
- Meldung gemäss Schlussbestimmung zum revidierten Kartellgesetz begnügen musste. Dieser räumt
das Bundesgericht die gleiche - übergangsrechtliche - Funktion ein wie jener gemäss Art. 49a
Abs. 3 Bst. a
KG:
"Es sollen Unternehmen, die beim Inkrafttreten des neuen Rechts ein wettbewerbsbeschränkendes
Verhalten praktizieren, die Unsicherheit der Zulässigkeit dieses Verhaltens und damit das Risiko
der neuen empfindlichen Sanktionen gemäss Art. 49a Abs. 1
KG durch eine fristgerechte Meldung bzw.
durch Auflösung der Wettbewerbsbeschränkung - analog zu Art. 49a Abs. 3 lit. a
KG - ausschalten
können" (vgl. Urteil des Bundesgerichts
2A.289/2005 vom 8. Juni 2006 E. 4.3)."
Das
Bundesgericht bejaht somit im Ergebnis die hinreichende Bestimmtheit kartellgesetzlicher Grundlagen,
wenn die Möglichkeit besteht, aufgrund eines Meldeverfahrens "Anhaltspunkte" zu erfahren,
welche für eine unzulässige und damit allenfalls sanktionierbare Beschränkung des Wettbewerbs
sprechen (vgl. BGE 135 II 60 E. 3.2.3).
Hierbei lässt es das Bundesgericht genügen,
dass die Unternehmen das Risiko einer allfälligen Rechtsunsicherheit insofern nicht alleine tragen
müssen, als das Sekretariat in die Beurteilung und Konkretisierung der offen formulierten Wettbewerbsbestimmungen
eingebunden wird (vgl. BGE 135 II 60 E. 3.2.3). Gemäss Bundesgericht konkretisiert das Melde- und
Widerspruchsverfahren nach Art. 49a Abs. 3 Bst. a
KG die Gesetzesgrundlage, damit die Meldenden in geeigneter
Weise eine Selbstsubsumption vornehmen und ein allfälliges Sanktionsrisiko abschätzen können
(vgl. BGE 135 II 60 E. 3.2.3, E. 3.2.5; vgl. hierzu aber die kritischen Anmerkungen im Urteil des Bundesverwaltungsgerichts
B-4037/2007 vom 29. Februar 2008 E. 9).
8.1.6.4 Die Beschwerdeführerin 1 bestreitet zu Recht
nicht, dass sie vor Ablauf der kartellgesetzlichen Übergangsfrist am 31. März 2004 im Rahmen
des gegen sie laufenden Untersuchungsverfahrens zu den hier strittigen VSW-Richtlinien wusste, dass diese
als problematisch eingestuft wurden.
Somit hatte die Beschwerdeführerin 1 im Sinne der
bundesgerichtlichen Rechtsprechung Gewissheit, dass sie beim Weiterführen ihres Verhaltens, d.h.
bei Aufrechterhaltung der Kommissionierungspraxis nach VSW-Richtlinien bei Berufsvermittlern, eine Sanktionierung
riskieren würde. Insofern wurde die Beschwerdeführerin 1 auch nicht aus "heiterem Himmel"
mit einer kartellgesetzlichen Sanktion für ein Verhalten gebüsst, an dessen Rechtmässigkeit
sie auf Grund der Umstände vernünftigerweise nicht hätte zweifeln müssen.
Insofern
war die Beschwerdeführerin 1 grundsätzlich in der Lage, die erfolgte Sanktionierung als mögliche
Konsequenz ihres Verhaltens vorherzusehen. Die Voraussehbarkeit der Tatbestandsmässigkeit war um
so mehr gegeben, als die Beschwerdeführerin 1 in der fraglichen Angelegenheit ständig in Kontakt
mit den Wettbewerbsbehörden waren.
Die aufgezeigte Rechtsprechung des Bundesgerichts
bedeutet letztlich, dass die entsprechende Gesetzesgrundlage für hinreichend zu erachten ist, um
vor dem Bundes- und Konventionsrecht zu bestehen (vgl. BGE 135 II 60 E. 3.2.3).
8.1.7 Zur Voraussehbarkeit
der Rechtsfolge
8.1.7.1 Zu prüfen bleibt, ob im Rahmen von Art. 49a Abs. 1
KG das Gebot nulla
poena sine lege certa auch insofern gilt, als die Höhe der zu erwartenden Sanktion betragsmässig
"klar" vorhersehbar sein müsste.
Eine solche Tragweite lässt sich jedenfalls
dem Urteil 14307/88 vom 25. Mai 1993 i.S. Kokkinakis v. Griechenland (vgl. Ziff. 52) nicht entnehmen.
Darin ruft der Strassburger Gerichtshof das Prinzip in Erinnerung, dass nur das Gesetz eine Straftat
definieren und Strafsanktionen vorschreiben kann (vgl. Grabenwarter, a.a.O., § 24 N. 127, S. 372).
In diesem Urteil wird jedoch lediglich ein Bezug zur genügenden Bestimmtheit des Tatbestands hergestellt,
damit mögliche Rechtsfolgen voraussehbar werden. Insofern verkennen auch Jürgen Schwarze/Rainer
Bechtold/Wolfgang Bosch mit ihrer gegenteiligen Auffassung, dass das von ihnen als einziger Beleg zitierte
EGMR-Urteil 4044/96 vom 22. März 2001 i.S. Streletz, Kessler und Krenz v. Deutschland (vgl. Ziff.
50) einzig die gesetzliche Festlegung von strafbarem Verhalten und von entsprechender Strafe betont,
ohne jedoch darüber hinaus zu verlangen, dass das konkret zu erwartende Strafmass im Voraus genau
berechenbar sein müsste (vgl. Jürgen Schwarze/Rainer Bechtold/Wolfgang Bosch, Rechtsstaatliche
Defizite im Kartellrecht der Europäischen Gemeinschaft - Eine kritische Analyse der derzeitigen
Praxis und Reformvorschläge, Stuttgart 2008, S. 25).
Zu dieser Frage fällt auf,
dass in der Konventionspraxis (vgl. EGMR, Urteil 11843/03 vom 3. Mai 2007 i.S. Custers, Deveaux and Turk
v. Dänemark, Ziff. 76 ff., insb. 81-97.) sowie in der Literatur (vgl. Grabenwarter, a.a.O., §
24 N. 131, S. 374; Renzikowski, a.a.O., Rz. 52 ff. zu Art. 7
EMRK; van Dijk/van Hoof/van Rijn/Zwaak,
a.a.O., S. 653 ff.) der Gewährleistungsumfang von Art. 7 Abs. 1
EMRK einzig auf den Tatbestand bezogen
wird, wie dies insbesondere im tatbestandsbezogenen Wortlaut von Art. 7 Abs. 1
EMRK zum Ausdruck kommt
("Niemand darf wegen einer Handlung oder Unterlassung verurteilt werden, die [...] nicht strafbar
war").
8.1.7.2 Zwar ist zuzugestehen, dass der materielle Normgehalt von Art. 49a Abs. 1
KG
für die Verhängung von Sanktionsbeträgen als gering einzuschätzen ist (vgl. E. 8.1.5,
sowie Breitenmoser, Focus, a.a.O., S. 385). In dieser Bestimmung wird lediglich ein Verstoss gegen generalklauselartige
Wettbewerbsbestimmungen vorausgesetzt. Als Bemessungsmassstab für die Höhe der Sanktion werden
allein die Schwere und die Dauer der Zuwiderhandlung genannt, wobei eine an den Umsatz gekoppelte Sanktionsobergrenze
gelten soll, wenn sich ein allfälliger Gewinn nicht bestimmen lässt. Diesbezüglich mag
auch unklar sein, nach welchen Kriterien eine Sanktionserhöhung über den Gewinn hinaus erfolgen
soll, um die gewünschte Abschreckungswirkung zu entfalten (vgl. Tagmann, a.a.O., S. 165). Insofern
sind die Sanktionsfolgen für die Betroffenen tatsächlich nicht im Voraus klar berechenbar,
auch wenn sich - zu deren Gunsten - nach Art. 3
SVKG der Basisbetrag der Sanktion nach dem Umsatz auf
den relevanten Märkten in der Schweiz richtet und nicht nach dem Unternehmensgesamtumsatz, wie der
Wortlaut von Art. 49a Abs. 1
KG erwarten liesse. Wie dem auch sei, hat sich im Rahmen der parlamentarischen
Debatten gezeigt, dass letztlich eine klar berechenbare, tief anzusetzende Sanktionshöhe, die sich
auch leicht in der Geschäftspolitik der Unternehmen berücksichtigen liesse, gar nicht erwünscht
war (vgl. AB 2002 N. 1449 sowie
AB 2003 S 333).
Trotz dieser Unsicherheit hinsichtlich der
Sanktionshöhe widerspricht der gesetzgeberische Gestaltungsspielraum, den die Bundesversammlung
bei der Verabschiedung von Art. 49a Abs. 1
KG für die Sanktionsbemessung im Sinne geringer gesetzlicher
Normdichte ausgeübt hat (vgl. AB 2002 N. 1453 und
AB 2003 S 336 sowie Botschaft KG 2001, a.a.O.,
S. 2037 f.), nicht der Konventionsrechtsprechung zur gesetzlichen Festlegung von Sanktionen; dieser lässt
sich vielmehr entnehmen, dass der Gerichtshof keine besonderen Anforderungen an die Bestimmtheit von
Bussenrahmen stellt (vgl. E. 8.1.4 ff.). Deshalb kann Art. 49a Abs. 1
KG (i.V.m. SVKG) hinsichtlich der
darin statuierten Rechtsfolge kaum gegen das in Art. 7
EMRK enthaltene Bestimmtheitsgebot verstossen,
zumal der Gesetzgeber - wie bereits erwähnt - nach einlässlicher und kontroverser Debatte (mehrheitlich)
eine abschreckend wirkende Maximalsanktion festlegen wollte (vgl. AB 2002 N. 1449 ff. sowie
AB 2003 S
336 ff.) und dazu in Art. 49a Abs. 1
KG formellgesetzlich immerhin den Sanktionstyp, die - umsatz- bzw.
gewinnabhängige - Sanktionsobergrenze sowie die allgemeinen Bemessungsregeln als Rahmen festlegte
(anderer Meinung Niggli/Riedo, Verwaltungsstrafrecht, Teil 2, a.a.O., S. 57, wonach der mangelnde absolute
Strafrahmen das Bestimmtheitsgebot nach Art. 1
StGB verletze und verfassungswidrig sei).
Im
Unterschied zur entsprechenden Regelung in der EU, wo die Ausfüllung des Bussgeldsystems dem administrativen
Ermessen der Europäischen Kommission in Form von (nicht gesetzlichen) Verwaltungsleitlinien überlassen
worden ist (vgl. dazu kritisch Schwarze/ Bechtold/Bosch, a.a.O., S. 5 und S. 15-29), hat hierzulande
der Verordnungsgeber in der SVKG gesetzesvertretendes Verordnungsrecht erlassen, das die konkretisierenden
Angaben zum Bussgeldbemessungssystem positivrechtlich festhält (vgl. Botschaft KG 2001, a.a.O.,
S. 2052; Tagmann, a.a.O., S. 162 ff.).
8.1.8 Zusammenfassung
Nach dem Gesagten lässt
sich festhalten, dass Art. 7 Abs. 1
KG und Art. 7 Abs. 2 Bst. b
KG - zusammen als Einheit aufgefasst
(vgl. E. 8.1.5) - i.V.m. Art. 49a
KG und der SVKG eine genügende gesetzliche Grundlage im Sinne
von Art. 7 Abs. 1
EMRK zu bilden vermögen.
8.2 Sanktionierbarkeit
Die Revision
des Kartellgesetzes vom 20. Juni 2003 bezweckte, die Wirksamkeit dieses Erlasses durch die Einführung
von sogenannten direkten Sanktionen zu erhöhen (vgl. Botschaft KG 2001, a.a.o., S. 2022 ff.). Nach
dem neu eingeführten Art. 49a Abs. 1
wird ein Unternehmen, das sich an bestimmten unzulässigen
Wettbewerbsabreden beteiligt oder sich nach Art. 7
KG unzulässig verhält, mit einem Betrag
bis zu 10 % des in den letzten drei Geschäftsjahren in der Schweiz erzielten Umsatzes belastet.
8.2.1
Schlussbestimmung KG
Bezüglich der Tragweite, welche der Schlussbestimmung zur Änderung
des KG vom 20. Juni 2003 gemäss Bundesgericht zukommt, wird auf E. 7.4.5.2 dieses Entscheids verwiesen.
Indem
das Sekretariat in der hier interessierenden Frage am 19. Dezember 2001 eine Vorabklärung und am
20. November 2002 eine Untersuchung eröffnete, konnte der Meldung der Beschwerdeführer vom
30. März 2005 keine sanktionsausschliessende Wirkung gemäss Schlussbestimmung zukommen. Entgegen
der Auffassung der Beschwerdeführer hat das Sekretariat diese Meldung auch nicht, wie behauptet,
"vorbehaltlos" entgegengenommen, sondern mit Schreiben vom 6. April 2005 explizit darauf hingewiesen,
dass die Frage, inwieweit ein laufendes Verfahren im Sinne der Schlussbestimmung des KG gemeldet werden
könne, Gegenstand eines Rechtsmittelverfahrens sei.
Die Beschwerdeführer haben die
zu beurteilende Wettbewerbsbeschränkung auch nicht innert der Übergangsfrist bis 31. März
2005 aufgegeben. Anlässlich der Anhörung vor der Wettbewerbskommission am 4. April 2005 hat
die Beschwerdeführerin 1 erstmals ihre Bereitschaft für eine einvernehmliche Regelung zu Protokoll
gegeben. Mit Schreiben an die Wettbewerbskommission vom 30. November 2005 erklärte sich die Beschwerdeführerin
1 sodann grundsätzlich mit der von der Wettbewerbskommission unterbreiteten Fassung einer einvernehmlichen
Regelung einverstanden. Darin wurde als Datum des Inkrafttretens der 1. Januar 2006 vorgesehen. Am 6.
Februar 2006 machte das Sekretariat die Beschwerdeführerin 1 unter anderem darauf aufmerksam, dass
immer noch die alten, kartellrechtswidrigen Richtlinien auf der Homepage des Beschwerdeführers 6
publiziert seien. Im Schreiben vom 9. Februar 2006 führte die Beschwerdeführerin 1 unter anderem
aus, die neuen Richtlinien seien nun, nachdem die Konformität der Richtlinien bestätigt worden
sei, unverzüglich aufgeschaltet worden. Die Beschwerdeführerin 1 habe ihre Kommissionierungspraxis
in antizipierter Anwendung der neuen Richtlinien aber bereits vorher in die Praxis umgesetzt. Der Unio
AG, welche als Spartenvermittlerin nach den alten Richtlinien die Kommissionierungsvoraussetzungen nicht
erfüllt habe, sei bereits mit Schreiben vom 25. November 2005 die Kommissionsberechtigung zugesichert
worden. Aufgrund dieser Ausführungen ist zweifelsfrei erstellt, dass die Beschwerdeführer die
ihnen angelastete Wettbewerbsbeschränkung nicht vor Ablauf der gesetzlichen Übergangsfrist,
dem 31. März 2005, aufgegeben haben.
Entsprechend unterliegt die Beschwerdeführerin
1 der direkten Sanktionierbarkeit nach Art. 49a
KG, zumal sie nicht davon ausgehen durfte, dass Ziff.
9 der einvernehmlichen Regelung so zu verstehen sei, dass ein Sanktionsrisiko nur im Falle der Nichtgenehmigung
der einvernehmlichen Regelung durch die Wettbewerbskommission bestehen würde.
8.2.2
Vorwerfbarkeit
8.2.2.1 Die als "Betrag" bezeichnete Sanktion von CHF 2,5 Mio., mit der
die Beschwerdeführerin 1 "belastet" wurde, kommt, wie gesehen (vgl. E. 8.1.3), einer "strafrechtlichen
Anklage" gleich, weshalb sie Strafcharakter im Sinne von Art. 6 Abs. 1
EMRK hat.
Der
Botschaft KG 2001 (a.a.O., S. 2034) lässt sich in Bezug auf die Sanktionen nach Art. 49a Abs. 1
KG zwar noch entnehmen, dass es sich hierbei im Gegensatz zu den Strafsanktionen nach Art. 54 f
.
KG um
Verwaltungssanktionen handelt, die kein Verschulden voraussetzen. Doch bereits die Rekurskommission für
Wettbewerbsfragen hat diese Sichtweise relativiert, indem sie festgehalten hat, dass eine Sanktion nicht
allein aus objektiven Gründen auferlegt werden könne, sondern dass auch subjektive Elemente
des Verschuldens mitzuberücksichtigen seien. Ein Verschulden liege nur dann vor, wenn der Täter
wissentlich handle oder Handlungen unterlasse, die man von einer vernünftigen, mit den notwendigen
Fachkenntnissen ausgestatteten Person in einer entsprechenden Situation hätte erwarten können
(vgl.
RPW 2002/2, S. 386 ff. E. 3.3.2.). Dieser Sichtweise schloss sich das Bundesverwaltungsgericht
an (vgl. Urteil
B-2157/2006 vom 3. Oktober 2007 i.S. Flughafen Zürich AG [Unique], E. 4.2.6, veröffentlicht
in:
RPW 2007/4, S. 653 ff.). Das rechtfertigt sich nicht zuletzt auch mit Blick auf Art. 102
(aArt.100quater
Abs. 1
) des Schweizerischen Strafgesetzbuchs vom 21. Dezember 1937 (StGB,
SR 311.0), wonach die (subsidiäre)
strafrechtliche Verantwortlichkeit von Unternehmen bzw. juristischen Personen ausdrücklich anerkannt
worden ist. Diese Bestimmung ermöglicht die Strafbarkeit eines Unternehmens selbst dann, wenn eine
Straftat keiner bestimmten Person zugeordnet werden konnte, im Unternehmen jedoch Organisationsmängel
in Erfahrung gebracht werden konnten (vgl. Borer, a.a.O., Rz. 10 ff. zu Art. 49a; Tagmann, a.a.O., S.
70 ff., m. w. H.).
Auch die Wettbewerbskommission anerkennt mittlerweile, dass dem Unternehmen
nebst der Tatbestandsmässigkeit und der Rechtswidrigkeit des Verhaltens zumindest ein fahrlässiges
Handeln, mithin eine objektive Sorgfaltspflichtverletzung im Sinne der Vorwerfbarkeit angelastet werden
können muss (vgl. Verfügung Ziff. 308).
Die Vorinstanz sieht im vorliegenden Fall
einen objektiven Sorgfaltsmangel im Sinne einer Vorwerfbarkeit im Umstand, dass Publigroupe im Bewusstsein,
dass die Vorinstanz möglicherweise auf ein kartellrechtswidriges Verhalten schliessen könnte,
die Diskriminierung nichtkommissionierter Vermittler nicht beendet habe. Es liege zumindest eine fahrlässige
Sorgfaltspflichtverletzung bzw. ein Organisationsverschulden von Publigroupe vor, wodurch die Vorwerfbarkeit
begründet werde (vgl. Verfügung Ziff. 314).
Diese Sichtweise der Vorinstanz ist
nicht zu beanstanden. Die Beschwerdeführer wussten bereits vor Ablauf der kartellgesetzlichen Übergangsfrist
am 31. März 2004 im Rahmen des gegen sie laufenden Untersuchungsverfahrens, dass die hier strittigen
VSW-Richtlinien von den Wettbewerbsbehörden als kartellrechtlich problematisch eingestuft wurden.
Somit
hatten die Beschwerdeführer im Sinne der bundesgerichtlichen Rechtsprechung (vgl. BGE 135 II 60
E. 3.2.3) Gewissheit, dass sie beim Weiterführen ihres Verhaltens eine Sanktionierung riskieren
würden. Entscheidend ist, dass die Beschwerdeführer die Möglichkeit gehabt haben, ihr
Verhalten im Sinne der Schlussbestimmung zum KG (vor Ablauf der Übergangsfrist) rechtzeitig "aufzulösen",
was sie jedoch unterlassen haben. Zudem durften sie nicht guten Glaubens davon ausgehen, dass der Abschluss
einer einvernehmlichen Regelung mit einer Sanktionsbefreiung verbunden ist. Da die Beschwerdeführerin
1 nicht alles Notwendige vorgekehrt hat, damit die verantwortlichen Abteilungen, Organe und Angestellten
das als kartellrechtlich problematisch angesehene Verhalten aufgelöst haben, nahm sie einen Kartellrechtsverstoss
zumindest in Kauf und handelte daher eventualvorsätzlich. Dieses Verschulden ist, da sowohl vorsätzliches
als auch fahrlässiges Verhalten von Art. 49a Abs. 1
KG erfasst werden, somit tatbestandsbegründend
(vgl. Borer, a.a.O., Rz. 13 zu Art. 49a; Tagmann, a.a.O., S. 74).
8.2.2.2 Die Beschwerdeführer
rügen, es sei nicht nachvollziehbar, welchem der sechs Beschwerdeführer, die gemeinsam zur
Bezahlung einer Sanktion verpflichtet worden seien, konkret welches missbräuchliche Verhalten vorgeworfen
werde.
Diese Aussage der Beschwerdeführer ist unrichtig, da nicht sämtliche Beschwerdeführer
zur Bezahlung einer Sanktion verpflichtet wurden. Denn gemäss Dispositiv-Ziff. 3 der angefochtenen
Verfügung wurde einzig Pubpligroupe mit dem Sanktionsbetrag von CHF 2,5 Mio. belastet. Hingegen
wurden die Verfahrenskosten von insgesamt CHF (...) fälschlicherweise (vgl. E. 4.5) sämtlichen
Beschwerdeführern unter solidarischer Haftung auferlegt (vgl. Verfügung Dispositiv-Ziff. 7).
Auch
musste von der Vorinstanz nicht aufgezeigt werden, welchem Beschwerdeführer jeweils welches missbräuchliche
Verhalten vorgeworfen wird. Ein solches Vorgehen wäre dann geboten, wenn mehrere (verschiedene)
Konzerngesellschaften zusammen an einer unzulässigen Wettbewerbsbeschränkung mitgewirkt hätten.
In dieser Konstellation müsste die für sämtliche beteiligten Konzerngesellschaften insgesamt
festgesetzte Sanktion anschliessend nach Massgabe der allgemeinen Sanktionsbemessungskriterien, namentlich
nach Massgabe des jeweiligen Verschuldens und des relevanten Umsatzes, von den Wettbewerbsbehörden
auf die beteiligten Konzerngesellschaften aufgeteilt werden (vgl. Reinert, a.a.O., N. 13 zu Art. 49a).
Diese Sichtweise lässt sich aber nicht ohne Weiteres auf Wettbewerbsbeschränkungen übertragen,
an welchen nur ein Konzern beteiligt ist. Wie in Erwägung 4.4 aufgezeigt, sind sowohl die vier 100-prozentigen
Tochtergesellschaften (Beschwerdeführerinnen 2-5) der Publigroupe als auch der VSW, dessen einzige
Mitglieder die Beschwerdeführerinnen 2-5 sind, wirtschaftlich unselbständig. In einer derart
klar von Publigroupe geprägten Konstellation kann nicht verlangt werden, dass das Verschulden auf
die einzelnen (in casu 100-prozentigen) Tochtergesellschaften oder auf den wirtschaftlich unselbständigen
Verband aufgeteilt werden muss.
8.3 Sanktionsbemessung
Es bleibt zu klären,
ob sich die ausgefällte Sanktion von CHF 2,5 Mio. in betraglicher Hinsicht an den gesetzlichen Rahmen
von Art. 49a
KG hält.
8.3.1 Art. 49a Abs. 1
KG sieht die maximal zulässige Sanktion vor.
Innerhalb dieses Rahmens werden die Bemessungskriterien durch die SVKG konkretisiert. Dabei hat die Bemessung
der Sanktion den Umständen des Einzelfalles, dem Verhältnismässigkeitsprinzip (Art. 5
Abs. 2
BV; Art. 2 Abs. 2
SVKG) und der Gleichbehandlung (Art. 8
BV) Rechnung zu tragen. Auszugehen ist
von einem sog. Basisbetrag (Art. 3
SVKG). Dieser beläuft sich, je nach Schwere und Art des Verstosses,
höchstens auf 10 % des Umsatzes, den das betreffende Unternehmen in den letzten drei Geschäftsjahren
auf den relevanten Märkten in der Schweiz erzielt hat (Art. 49a Abs. 1
KG und Art. 3
SVKG). Dieser
Basisbetrag wird anschliessend je nach Dauer des Wettbewerbsverstosses und, wenn erschwerende Umstände
vorliegen, erhöht (Art. 4 f
.
SVKG). Demgegenüber wird der Betrag bei Vorliegen mildernder Umstände
vermindert (Art. 6
SVKG).
8.3.2 Die Vorinstanz berechnete für Publigroupe für die drei
massgebenden Jahre (2003-2005) in den relevanten Märkten in der Schweiz Kommissionserträge
im Betrag von CHF (...). Bei 10 % dieses Betrags, nämlich bei CHF (...), setzte die Vorinstanz die
Obergrenze des Basisbetrags. Dieser maximale Basisbetrag wird von den Beschwerdeführern nicht bestritten.
Sich
unter anderem auf das Verhältnismässigkeitsprinzip beziehend mass die Vorinstanz den missbräuchlichen
VSW-Richtlinien eine geringe volkswirtschaftliche Bedeutung und eine beschränkte Marktwirkung zu.
Insbesondere hätten diese eine vollständige Marktabschottung weder bezweckt noch bewirkt. Markteintrittsschranken
hätten einzig für gewisse Nischenanbieter (Spartenvermittler und Kleinstvermittler) resultiert.
Des Weiteren sei Publigroupe zu Gute zu halten, dass die missbräuchlichen Bestimmungen der VSW-Richtlinien
nicht mit letzter Konsequenz umgesetzt worden seien. Zudem würden sich die von den missbräuchlichen
Verhaltensweisen betroffenen Umsätze auf einen geringen Bruchteil des im relevanten Markt generierten
jährlichen Umsatzes belaufen. Der mutmassliche Gewinn, den ein Unternehmen durch die Wettbewerbsbeschränkung
erzielt habe, sei bei Behinderungsmissbräuchen nach Art. 7
KG schwierig zu ermitteln. Der Geschäftsbereich
Publipresse habe im Jahr 2005 bei einem Umsatz von CHF 1,48 Mia. einen EBITDA (earnings before interest,
taxes, depreciation and amortization) von CHF 20 Mio. ausgewiesen. Setze man diesen Gewinn von CHF 20
Mio. in Relation zum Umsatz von CHF 1,48 Mia. ergebe sich eine EBITDA-Marge von unter 1,4 %. Bei Anwendung
dieser Marge auf den Umsatz von unter CHF (...) Mio., den Publigroupe durch die unabhängige Vermittlung
erwirtschaftet habe, ergebe sich ein EBITDA-Gewinn von CHF (...) Mio. pro Jahr. Hochgerechnet auf die
Dauer des Wettbewerbsverstosses von 22 Monaten betrage der errechnete EBITDA-Wert somit etwas weniger
als CHF (...) Mio.
Gemäss Art. 4 SVKB und in Anwendung des Verhältnismässigkeitsprinzips
rechtfertige sich eine milde Sanktionsverschärfung von 10 % pro Jahr hinsichtlich der Dauer des
Wettbewerbsverstosses.
Erschwerende Umstände im Sinne von Art. 5
SVKG seien keine vorhanden.
Als
mildernder Umstand nach Art. 6
SVKG wertete die Vorinstanz die kooperative Haltung von Publigroupe während
der Ausarbeitung der einvernehmlichen Regelung. Insgesamt erachtete die Vorinstanz eine Sanktion im oberen
Drittel des Sanktionsrahmens als nicht angemessen und sprach unter Würdigung der konkreten Umstände
und Berücksichtigung des Verhältnismässigkeitsprinzips eine Sanktion von CHF 2,5 Mio.
aus.
8.3.3 Die Beschwerdeführer machen geltend, das Zustandekommen des Sanktionsbetrags sei
nicht nachvollziehbar. Beispielsweise sei das Sekretariat in seinem zweiten Antrag von einer Obergrenze
des Basisbetrags von CHF 414 Mio. ausgegangen und habe eine Sanktion zwischen CHF 2 bis 4 Mio. beantragt.
Gestützt auf ein Intervention der Beschwerdeführerin 1 habe die Wettbewerbskommission sodann
den Basisbetrag auf CHF (...) Mio. gesenkt, dabei aber trotzdem eine Sanktion von CHF 2,5 Mio. ausgesprochen,
ohne an den weiteren Berechnungsgrundlagen Änderungen vorgenommen zu haben. Es sei weiter nicht
ersichtlich, in welchem Umfang die geringe volkswirtschaftliche Bedeutung und die beschränkten Marktwirkungen
berücksichtigt worden seien. Nicht nachvollziehbar sei zudem, wie die Wettbewerbskommission eine
Monopolrente habe berechnen können, da das Verhalten der Beschwerdeführer auf den Gesamtumsatz
im relevanten Markt keine wesentlichen Auswirkungen gehabt habe und zudem sämtliche Umsätze
von Vermittlern kommissioniert worden seien. Schliesslich sei auch der sanktionierte Zeitraum, bis 30.
November 2006, fraglich, zumal das Sekretariat noch mit Schreiben vom 6. Februar 2006 die Kartellrechtskonformität
der Übergangsbestimmung, welche eine Anwendung der alten Regeln bis 31. Dezember 2005 vorsah, bestätigt
habe.
8.3.4 Bei der Festlegung des Basisbetrags innerhalb der Bandbreite von bis maximal 10 % des
auf den relevanten Markt entfallenden Umsatzes für die letzten drei Geschäftsjahre, ist die
Schwere und die Art des Verstosses massgebend (Art. 49a Abs. 1
Satz 3
KG). Dabei ist eine Abstufung nach
der Schwere und dem Gefährdungspotenzial der einzelnen Behinderungs- und Ausbeutungstatbestände
nach Art. 7 Abs. 1
KG und Art. 7 Abs. 2 Bst. a
-f
KG sehr schwierig vorzunehmen (vgl. Tagmann, a.a.O.,
S. 232 f.). Den Erläuterungen zur SVKG lässt sich entnehmen, dass sich der Basisbetrag bei
schweren Verstössen gegen das KG, insbesondere bei marktumfassenden Abreden nach den Art. 5 Abs.
3
und 4
KG sowie bei Missbräuchen von marktbeherrschenden Unternehmen nach Art. 7
KG regelmässig
im oberen Drittel des Rahmens bewegen soll. Bei Bagatellfällen könne aufgrund des Verhältnismässigkeitsprinzips
ein tieferer Rahmen für den Basisbetrag ins Auge gefasst werden.
In diesem Zusammenhang
kritisiert Tagmann zu Recht, dass sich die generelle Ansiedlung des Sanktionsbetrags im oberen Drittel
zwar für Wettbewerbsbeschränkungen nach Art. 5 Abs. 3
und 4
KG, die den Wettbewerb auf einem
bestimmten Markt (weitgehend) beseitigen, zutreffen mag, nicht jedoch für die Behinderungs- und
Ausbeutungstatbestände nach Art. 7
KG (vgl. Tagmann, a.a.O., S. 233).
Mit der Möglichkeit,
den Basisbetrag der Sanktion je nach Schwere und Art des Verstosses innerhalb der Bandbreite von 0-10
% des Umsatzes, den das Unternehmen in den letzten drei Geschäftsjahren auf den relevanten Märkte
in der Schweiz erzielt hat, festzulegen, wollte der Verordnungsgeber den Wettbewerbsbehörden gerade
einen Ermessensspielraum einräumen, um den konkreten Umständen des Einzelfalls gerecht zu werden
(vgl. Pierre Kobel, Sanctions du droit des cartels et problèmes de droit administratif pénal,
AJP 2004, S. 1160).
Im vorliegenden Fall kann der Vorinstanz nicht vorgeworfen werden, sie
habe die in den Erläuterungen der Sanktionsverordnung vorgesehene Vorgehensweise, bei Missbräuchen
nach Art. 7
KG, den Basisbetrag regelmässig im oberen Drittel des Rahmens von 0-10 % anzusiedeln,
schematisch angewendet. Den so errechneten Basiswert von über CHF (...) Mio. (2/3 der kumulierten
Kommissionsumsätze) erachtete die Vorinstanz als nicht angemessen. Mit dem massiven Abweichen von
der in den Erläuterungen aufgeführten Regel versuchte die Vorinstanz vielmehr, dem vorliegend
konkret zu beurteilenden Einzelfall gerecht zu werden und eine Sanktion abhängig von der Art und
Schwere der Wettbewerbsbeschränkung auszufällen.
Unter Berücksichtigung dieser
Gesichtspunkte ist den allgemeinen Ausführungen zur Sanktionsbemessung in der angefochtenen Verfügung
zuzustimmen. Ein Verzicht auf die Ausfällung einer Sanktion, welcher angesichts der gesetzlichen
Bandbreite von 0-10 % grundsätzlich möglich wäre, kommt im vorliegenden Fall nicht in
Frage, da ein solcher auf absolute Ausnahmesituationen zu beschränken ist (z.B. bevorstehender Konkurs
des Unternehmens aufgrund der Belastung; vgl. Tagmann, a.a.O., S. 234).
8.3.5 Auch dass die Vorinstanz
aufgrund der Dauer des Wettbewerbsverstosses eine milde Sanktionsverschärfung vorgenommen hat, ist
nicht zu beanstanden. Diese ist ab 1. April 2004, dem Zeitpunkt auf welchen die Kartellgesetzrevision
mit der Möglichkeit direkter Sanktionen in Kraft gesetzt worden ist, zu berechnen und dauerte mindestens
bis zum 30. November 2005. Denn mit Schreiben dieses Datums erklärte sich die Beschwerdeführerin
1 ausdrücklich mit der vorgeschlagenen einvernehmlichen Regelung einverstanden. Bis zu diesem Zeitpunkt
wurde die als kartellrechtswidrig eingestuften VSW-Richtlinien nicht ausser Kraft gesetzt. Für die
Dauer eines Wettbewerbsverstosses zwischen ein und fünf Jahren sieht Art. 4
SVKG (zwingend) eine
Erhöhung des Basisbetrags um bis zu 50 % vor. Die Vorinstanz hat somit im Sinne des Legalitätsprinzips
bei einem überjährigen Wettbewerbsverstoss grundsätzlich eine Erhöhung des Basisbetrags
vorzunehmen. Beim Umfang der Erhöhung ist ihr hingegen ein Ermessen einzuräumen. Nimmt die
Vorinstanz im Bereich unter fünf Jahren, wie in casu, eine stufenweise Erhöhung der Sanktion
um jeweils 10 % pro Jahr vor, oder würde sie eine streng proportionale Erhöhung von 12,5 %
pro Jahr vorsehen, kann ihr nicht vorgeworfen werden, sie übe das Ermessen nicht pflichtgemäss
aus, oder dieses sei willkürlich oder unverhältnismässig.
8.3.6 Unbestritten ist,
dass im vorliegend zu beurteilenden Fall keine erschwerenden Umstände nach Art. 5
SVKG gegeben sind.
Hingegen
hat die Vorinstanz die Kooperationsbereitschaft der Beschwerdeführer, welche über die Auskunfts-
und Mitwirkungspflicht von Art. 40
KG hinausgeht, zu Recht als Sanktionsmilderung gemäss Art. 6
Abs. 1
SVKG berücksichtigt, zumal die Voraussetzungen für die Bonusregelung nach Art. 12 ff
.
SVKG nicht gegeben waren. Da die Sanktionsreduktion bei der Bonusregelung bis zu 50 % (Art. 12 Abs. 2
SVKG) bzw. 80 % (Art. 12 Abs. 3
SVKG) betragen kann, dürfte eine Reduktion der Sanktion (ausserhalb
der Bonusregelung) infolge Kooperation grundsätzlich unter 50 % liegen. Tagmann erachtet in diesen
Fällen je nach Verfahrensstadium denn auch eine Reduktion von 10-40 % als angemessen (vgl. Tagmann,
a.a.O., S. 278).
8.3.7 Ausgehend von einem möglichen Basisbetrag von CHF (...) reduzierte
die Vorinstanz die Busse in Anwendung des Verhältnismässigkeitsprinzips auf CHF 2,5 Mio. Als
Begründung macht sie geltend, eine Busse in der Höhe des Basisbetrags werde der Art und Schwere
des Verstosses nicht gerecht. Weiter sei der geringen volkswirtschaftlichen Bedeutung und der beschränkten
Marktwirkung der missbräuchlichen VSW-Richtlinien Rechnung getragen worden.
Die Beschwerdeführer
rügen in diesem Zusammenhang zu Recht, dass die konkrete Sanktionsberechnung betragsmässig
kaum nachvollziehbar ist. Die Vorinstanz wird inskünftig gut beraten sein, von einem konkreten Basisbetrag
auszugehen und allfällige Sanktionserhöhungen hinsichtlich der Dauer des Wettbewerbsverstosses
(Art. 4
SVKG) oder bei Vorliegen erschwerender Umstände (Art. 5
SVKG) prozent- oder betragsmässig
genau zu beziffern. Gleiches muss für allfällige mildernde Umstände gelten (Art. 6
SVKG).
Nur so kann sichergestellt werden, dass die Sanktionsberechnung im Einzelfall nachvollziehbar bleibt.
Im
vorliegenden Fall reduzierte die Vorinstanz die Sanktion im Rahmen einer Sanktionsmilderung nach freiem
Ermessen. Dies beeinträchtigt zwar, wie die Vorinstanz einräumt, die rechnerische Nachvollziehbarkeit
der ausgesprochenen Sanktion. Zuzustimmen ist der Vorinstanz jedenfalls, dass sich ein Gewinn, welcher
der Beschwerdeführerin 1 auf Grund ihres wettbewerbswidrigen Verhaltens zugeflossen sein könnte,
schwer bestimmen lässt. Auch angesichts dessen, dass selbst die Vorinstanz annimmt, dass der Gewinn
von Publigroupe durch die Behinderung der unabhängigen Vermittler kaum markante Veränderungen
erfahren haben dürfte (vgl. Verfügung Ziff. 334), erscheint die ausgesprochene Sanktion in
betraglicher Hinsicht nicht als unangemessen.
Obwohl die Sanktionsreduktion rechnerisch schwer
nachvollziehbar und als grenzwertig anzusehen ist, lässt sich die Höhe der hier strittigen
Sanktion per saldo nicht beanstanden. Da auch keine Umstände ersichtlich sind, welche auf eine pflichtwidrige
Ermessensausübung durch die Vorinstanz schliessen lassen würde, sieht sich das Bundesverwaltungsgericht
nicht veranlasst, in den Ermessensbereich der Vorinstanz einzugreifen.
Die hier strittige
Ermessensbetätigung der Wettbewerbskommission ist durch das Bundesverwaltungsgericht um so weniger
zu hinterfragen, als die Beschwerdeführerin 1 nach Zustellung des ersten Verfügungsentwurfs
durch das Sekretariat den Abschluss einer einvernehmlichen Regelung anregte und sich in der Folge kooperativ
verhielt.
8.3.8 Nach dem Gesagten verletzt die strittige Sanktion weder in grundsätzlicher
Hinsicht noch in betragsmässiger Höhe Bundesrecht.
Die Beschwerde ist deshalb in
diesem Punkt als unbegründet abzuweisen.
9. Vorinstanzliche Verfahrenskosten
Die
Beschwerdeführer erachten schliesslich die volle Auferlegung der vorinstanzlichen Verfahrenskosten
als rechtswidrig.
Die Gebührenverordnung KG vom 25. Februar 1998 (GebV-KG,
SR 251.2)
erfuhr im Rahmen der KG-Revision ebenfalls diverse Änderungen. Die Schlussbestimmung der GebV-KG
sieht vor, dass bei Verwaltungsverfahren und Dienstleistungen, die beim Inkrafttreten dieser Änderungen
noch nicht abgeschlossen sind, das bisherige Recht für die Bemessung der Gebühren und Auslagen
für denjenigen Teil der Aufwendungen, der vor Inkrafttreten der Änderung erfolgt ist, gilt.
Sowohl
nach der alten als auch nach der neuen Fassung der GebV-KG ist unter anderem gebührenpflichtig,
wer Verwaltungsverfahren verursacht oder Gutachten und sonstige Dienstleistungen veranlasst (Art. 2 Abs.
1
GebV-KG; Art. 2
aGebV-KG). Von der Gebührenpflicht befreit sind Beteiligte, die eine Vorabklärung
verursacht haben, sofern diese keine Anhaltspunkte für eine unzulässige Wettbewerbsbeschränkung
ergeben hat (Art. 3 Abs. 2 Bst. b
GebV-KG). Mit Kosten kann hingegen belangt werden, wer einem Vorschlag
des Sekretariats der Wettbewerbskommission zur einvernehmlichen Beseitigung einer als unzulässig
erachteten Wettbewerbsbeschränkung zustimmt und als Folge davon sein Verhalten massgeblich ändern
muss (vgl. Urteil des Bundesgerichts
2A.415/2003 E. 2.2). Entsprechend ist die Gebührenpflicht der
Beschwerdeführer grundsätzlich zu bejahen.
Der von der Vorinstanz errechnete Zeitaufwand
wird von den Beschwerdeführern nicht grundsätzlich bestritten. Gerügt wird vor allem,
dass Organisationsmängel (Wechsel der Mitarbeiter) seitens des Sekretariats überhaupt zu der
langen Verfahrensdauer mit entsprechenden Kosten geführt hätten. Auch habe sich die Vorinstanz
widersprüchlich verhalten und somit den grossen Verfahrensaufwand selbst verursacht. Schliesslich
hätten sich ein Grossteil der ursprünglichen Vorbehalte nicht bestätigt. Diese Umstände
seien bei der Kostenfrage zu berücksichtigen.
Mit dieser Argumentation verkennen die
Beschwerdeführer, dass sie selber erst am 4. April 2005 Hand zu einer einvernehmlichen Regelung
boten und sich am 30. November 2005 mit dem vom Sekretariat unterbreiteten Vorschlag einverstanden erklärten.
Nebst der Tatsache, dass kartellrechtliche Verfahren aufgrund ihrer Komplexität in der Regel einen
grossen Zeitaufwand verursachen, haben die Beschwerdeführer mit ihren diversen umfangreichen Eingaben,
Beweisanträgen und Fristverlängerungsgesuchen zudem das ihrige zu einem grösseren Aufwand
und zu einer längeren Verfahrensdauer beigetragen. Schliesslich hat das Sekretariat in seinem Aufgabenbereich
(Art. 23
KG i.V.m. Art. 39
KG und Art. 12
VwVG) hinsichtlich des Umfangs der Sachverhaltsabklärungen
auf die Erheblichkeit und Notwendigkeit der Ermittlungen abzustellen. Bei diesem Entscheid kommt dem
Sekretariat ein weiter Ermessensspielraum zu. Stellt sich im Laufe des Verfahrens heraus, dass sich,
wie die Beschwerdeführer behaupten, nicht alle ursprünglichen Vorbehalte gegen die Kartellrechtskonformität
bestätigen, dann hat dies in erster Linie Einfluss auf die Höhe der zu sprechenden Sanktion
und weniger auf den Kostenentscheid. Im vorliegenden Fall sind jedenfalls keine Gründe ersichtlich,
die für ein offensichtliches Missverhältnis zwischen den erbrachten Leistungen und der Höhe
der Gebühr sprechen würden.
Das Bundesgericht hat zwar in zwei Interkonnektionsverfahren
die von der Vorinstanz auferlegten Kosten reduziert. Dabei handelte es sich jedoch um Pilotverfahren,
in denen ein ausserordentlich hoher Aufwand zu leisten war und welcher in allfälligen künftigen
Interkonnektionsstreitigkeiten von Nutzen sein würde (vgl. Urteile des Bundesgerichts
2A.450/2005
und
2A.452/2005 vom 21. April 2006 E. 10). Ein solcher Fall liegt beim hier zu beurteilenden Verfahren
nicht vor.
Die von der Wettbewerbskommission den Beschwerdeführern auferlegten Verfahrenskosten
verletzen weder Bundesrecht, noch hat die Vorinstanz ihr entsprechendes Ermessen überschritten oder
missbraucht, weshalb die Beschwerde auch diesbezüglich abzuweisen ist.
10. Kosten und Entschädigung
Bei
diesem Ausgang des Verfahrens sind die Beschwerdeführer als unterliegende Parteien zu betrachten.
Sie haben daher die Verfahrenskosten zu tragen (Art. 63 Abs. 1
VwVG i. V. m. Art. 63 Abs. 5
VwVG sowie
Art. 1 Abs. 1
des Reglements vom 21. Februar 2008 über die Kosten und Entschädigungen vor dem
Bundesverwaltungsgericht, VGKE,
SR 173.320.2).
Angesichts des ausgewiesenen Vermögensinteresses
der vorliegenden Streitigkeit (Sanktionsbetrag von CHF 2,5 Mio. sowie Verfahrenskosten von CHF (...)
zu Lasten der Beschwerdeführer) ist die Gerichtsgebühr streitwertabhängig auf CHF 24'000.-
festzusetzen (Art. 2 Abs. 1
VGKE i.V.m. Art. 4
VGKE). Diese Gebühr wird - nach Rechtskraft des Urteils
- mit den am 29. Mai 2007 geleisteten Kostenvorschüssen von CHF 24'000.- verrechnet. Unter diesen
Umständen fällt eine Parteientschädigung zu Gunsten der Beschwerdeführer ausser Betracht
(Art. 64 Abs. 1
VwVG, Art. 7 Abs. 1
VGKE).
Demnach erkennt das Bundesverwaltungsgericht:
1.
Die
Beschwerde wird abgewiesen.
2.
Dispositiv-Ziff. 7 der angefochtenen Verfügung wird
aufgehoben und wie folgt neu formuliert:
"7. Die Verfahrenskosten von insgesamt CHF (...)
werden der Publigroupe SA auferlegt."
3.
Den Beschwerdeführern wird eine Gerichtsgebühr
von CHF 24'000.- auferlegt, welche nach Rechtskraft dieses Urteils mit den geleisteten Kostenvorschüssen
von CHF 24'000.- verrechnet wird.
4.
Es wird keine Parteientschädigung zugesprochen.
5.
Dieses
Urteil geht an:
die Beschwerdeführer (Gerichtsurkunde);
die Vorinstanz (Ref-Nr. 32-0161;
Gerichtsurkunde);
das Eidgenössische Volkswirtschaftsdepartement EVD (Gerichtsurkunde),
und
wird auszugsweise mitgeteilt:
der Ad. X AG ad Broker.
Der vorsitzende Richter:
Der Gerichtsschreiber:
Hans Urech Thomas Reidy
Rechtsmittelbelehrung:
Gegen
diesen Entscheid kann innert 30 Tage nach Eröffnung beim Bundesgericht, 1000 Lausanne 14, Beschwerde
in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten geführt werden (Art. 82 ff
., 90 ff. und 100 des Bundesgerichtsgesetzes
vom 17. Juni 2005 [
BGG,
SR 173.110]). Die Rechtsschrift ist in einer Amtssprache abzufassen und hat die
Begehren, deren Begründung mit Angabe der Beweismittel und die Unterschrift zu enthalten. Der angefochtene
Entscheid und die Beweismittel sind, soweit sie der Beschwerdeführer in Händen hat, beizulegen
(Art. 42
BGG).
Versand: 28. April 2010