Bundesverwaltungsgericht
Tribunal administratif fédéral
Tribunale amministrativo federale
Tribunal administrativ federal

Abteilung I
A-7789/2009
{T 0/2}

Urteil vom 21. Januar 2010

Besetzung
Richter Michael Beusch (Vorsitz), Richter Thomas Stadelmann, Richterin Salome Zimmermann, Richter Daniel Riedo, Richter Markus Metz,
Gerichtsschreiber Urban Broger.

Parteien
A._______,
vertreten durch X._______,
Beschwerdeführerin,

gegen

Eidgenössische Steuerverwaltung ESTV,
Task Force Amtshilfe USA, 3003 Bern,
Vorinstanz.

Gegenstand
Amtshilfe (DBA-USA).

Sachverhalt:

A.
Am 19. August 2009 schlossen die Schweizerische Eidgenossenschaft (Schweiz) und die Vereinigten Staaten von Amerika (USA) ein Abkommen über ein Amtshilfegesuch des Internal Revenue Service der USA betreffend UBS AG, einer nach schweizerischem Recht errichteten Aktiengesellschaft (SR 0.672.933.612 [AS 2009 5669], Abkommen 09). Darin verpflichtete sich die Schweiz, anhand im Anhang festgelegter Kriterien und gestützt auf das geltende Abkommen vom 2. Oktober 1996 zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und den Vereinigten Staaten von Amerika zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen (DBA-USA 96, SR 0.672.933.61) ein Amtshilfegesuch der USA zu bearbeiten. Die Schweiz versprach weiter, betreffend die unter das Amtshilfegesuch fallenden geschätzten 4'450 laufenden oder saldierten Konten mithilfe einer speziellen Projektorganisation sicherzustellen, dass innerhalb von 90 Tagen nach Eingang des Gesuchs in den ersten 500 Fällen und nach 360 Tagen in allen übrigen Fällen eine Schlussverfügung über die Herausgabe der verlangten Informationen erlassen werden könne.

B.
Unter Berufung auf das Abkommen 09 richtete die amerikanische Einkommenssteuerbehörde (Internal Revenue Service in Washington, IRS) am 31. August 2009 ein Ersuchen um Amtshilfe an die Eidgenössische Steuerverwaltung (ESTV). Das Gesuch stützte sich ausdrücklich auf Art. 26 DBA-USA 96, das dazugehörende Protokoll sowie die Verständigungsvereinbarung vom 23. Januar 2003 zwischen der ESTV und dem Department of the Treasury der USA betreffend die Anwendung von Art. 26 DBA-USA 96 (Vereinbarung 03; veröffentlicht in Pestalozzi/Lachenal/Patry [bearbeitet von Silvia Zimmermann unter Mitarbeit von Marion Vollenweider], Rechtsbuch der schweizerischen Bundessteuern, Therwil [Nachtragssammlung], Band 4, Kennziffer [Kz.] I B h 69, Beilage 1; die deutsche Fassung befindet sich in Beilage 3). Der IRS ersuchte um Herausgabe von Informationen über amerikanische Steuerpflichtige, die in der Zeit zwischen dem 31. Dezember 2001 und dem 31. Dezember 2008 die Unterschriftsberechtigung oder eine andere Verfügungsbefugnis über Bankkonten hatten, die von einer Abteilung der UBS AG oder einer ihrer Niederlassungen oder Tochtergesellschaften in der Schweiz (nachfolgend: UBS AG) geführt, überwacht oder gepflegt wurden. Betroffen waren Konten, für welche die UBS AG (1) nicht im Besitz eines durch den Steuerpflichtigen ausgefüllten Formulars «W-9» war, und (2) nicht rechtzeitig und korrekt mit dem Formular «1099» namens des jeweiligen Steuerpflichtigen dem amerikanischen Fiskus alle Bezüge dieser Steuerpflichtigen gemeldet hatte.

C.
C.a Dabei umschrieb der IRS den Sachverhalt wie folgt: In den Jahren 2000 bis 2007 hätten Angestellte der UBS AG in den USA am grenzüberschreitenden Bankgeschäft in betrügerischer Weise zu Lasten der USA teilgenommen, indem sie natürlichen Personen geholfen oder es ihnen erleichtert hätten, Bankkonten in einer Weise zu errichten, die die Eigentümerschaft der amerikanischen Steuerpflichtigen bzw. deren wirtschaftliche Berechtigung verborgen habe. In diesem Zusammenhang hätten die Bankmitarbeitenden die Eröffnung von Konten auf den Namen von Offshore-Gesellschaften erleichtert, was es den amerikanischen Steuerpflichtigen ermöglicht habe, die steuerlichen Offenlegungspflichten zu umgehen und gleichzeitig Wertpapiergeschäfte sowie andere Finanztransaktionen u.a. direkt über diese Konten zu tätigen.
C.b In Bezug auf die Eröffnung dieser Offshore-Gesellschaftskonten hätten Mitarbeitende der UBS AG von den Geschäftsführern der Offshore-Gesellschaften die IRS-Formulare «W-8BEN» (oder analoge bankeigene Ersatzformulare) akzeptiert und den Bankaufzeichnungen beigefügt, mit denen unter Androhung amerikanischer Steuerstraffolgen («under penalty of prejury») erklärt worden sei, dass diese Gesellschaften die wirtschaftlich Berechtigten dieser Konten im Sinn der amerikanischen Bundessteuervorschriften seien. In bestimmten Fällen seien diese Formulare insofern unwahr oder irreführend ausgefüllt worden, als die amerikanischen Steuerpflichtigen als Eigentümer der Offshore-Gesellschaften diese geleitet hätten, die Geschäftsführung und die Verfügung über das Vermögen auf den Bankkonten kontrolliert oder sich auf andere Weise als eigentliche wirtschaftlich Berechtigte betätigt hätten. Dabei sollen sie die formell-rechtliche Eigentümerstellung der angeblichen Gesellschaften missachtet haben.
C.c Zusätzlich, so die Schilderung des IRS, hätten die unterstützenden Bankmitarbeitenden nicht (vollständig) deklarierende amerikanische Steuerpflichtige aktiv unterstützt oder ihnen ihr Handeln zumindest erleichtert. Dabei hätten sie um die Umgehung der amerikanischen Steuern gewusst oder dies wissen müssen, da sie sich mit diesen Kunden wiederholt und regelmässig in den USA getroffen und mit diesen hinsichtlich der von den Pflichtigen nicht angegebenen UBS-Konten über Infrastruktur im Zuständigkeitsbereich der USA kommuniziert hätten.

D.
Am 1. September 2009 erliess die ESTV gegenüber der UBS AG eine Editionsverfügung im Sinn von Art. 20d Abs. 2 der Verordnung vom 15. Juni 1998 zum schweizerisch-amerikanischen Doppelbesteuerungsabkommen vom 2. Oktober 1996 (Vo DBA-USA, SR 672.933.61). Die Editionsverfügung hatte folgenden Inhalt:
1. Das Amtshilfeverfahren wird eingeleitet.
2. Die UBS AG wird aufgefordert, der ESTV von sämtlichen Kunden, die in eine der im Anhang zum Staatsvertrag genannten Kategorien (Ziff. 2/A/a, 2/A/b, 2/B/a, 2/B/b) fallen, die vollständigen Dossiers mit den zur Beurteilung des Sachverhaltes erforderlichen Unterlagen herauszugeben, unabhängig davon, ob die Kundenbeziehung noch besteht oder nicht. Bei den Kategorien Ziff. 2/B/a und 2/B/b sind auch sämtliche Unterlagen der Sitzgesellschaften (Off-Shore-Companies) herauszugeben. Ebenfalls herauszugeben sind zusätzliche Unterlagen, die es der ESTV erlauben zu prüfen, ob die Kriterien in die genannten Kategorien erfüllt sind.
3. Jedem Dossier ist ein unterzeichnetes Certificate of Authenticity of Business Records beizulegen.
4. Die Unterlagen sind der ESTV in elektronischer Form herauszugeben, in den Fällen der Kategorien Ziff. 2/A/a und 2/B/a (vorne Ziff. 3) zusätzlich in Papierform. Die ESTV behält sich vor, weitere Dossiers in Papierform einzuverlangen.
5. Die Herausgabe der Akten hat in Absprache mit der ESTV, unter Beachtung der in Art. 4 des Staatsvertrags vom 19. August 2009 festgesetzten Fristen, zu erfolgen.
6. Die UBS AG wird ersucht, ohne Verzug sämtliche von der Editionsverfügung betroffenen Kunden aufzufordern, einen Zustellungsbevollmächtigten in der Schweiz zu bezeichnen. Die Kunden sind darauf hinzuweisen, dass die ESTV andernfalls ihre Zustellung an Bill, Isenegger, Ackermann AG, Rechtsanwälte, Attorneys at Law, Witikonerstrasse 61, Postfach, 8032 Zürich, als den von Amtes wegen dazu bestimmten Zustellungsbevollmächtigten vornehmen wird.
Die UBS AG hat sich verpflichtet, den betroffenen Personen die Möglichkeit zur Offenlegung ihrer Verhältnisse (Consent to disclosure) zu erläutern und ihnen zu empfehlen, davon Gebrauch zu machen. Ausserdem sind die betroffenen Personen darauf hinzuweisen, dass sie die ESTV ermächtigen können, die Unterlagen im vereinfachten Verfahren nach Art. 20i Vo DBA-US an den IRS auszuliefern. [...]

E.
Das vorliegend betroffene Dossier von A._______ übermittelte die UBS AG der ESTV am 9. November 2009. In ihrer Schlussverfügung vom 17. November 2009 gelangte die ESTV zum Ergebnis, im konkreten Fall seien sämtliche Voraussetzungen erfüllt, um dem IRS Amtshilfe zu leisten und die Unterlagen zu edieren.

F.
Mit Eingabe vom 14. Dezember 2009 liess A._______ (Beschwerdeführerin) gegen die Schlussverfügung der ESTV vom 17. November 2009 beim Bundesverwaltungsgericht Beschwerde erheben und beantragen, die Schlussverfügung unter Kosten- und Entschädigungsfolgen zulasten der Beschwerdegegnerin aufzuheben.

G.
Mit Vernehmlassung vom 8. Januar 2010 beantragte die ESTV, die Beschwerde unter Kostenfolge abzuweisen.

Das Bundesverwaltungsgericht zieht in Erwägung:

1.
1.1
1.1.1 Gemäss Art. 31 des Bundesgesetzes vom 17. Juni 2005 über das Bundesverwaltungsgericht (VGG, SR 173.32) beurteilt das Bundesverwaltungsgericht Beschwerden gegen Verfügungen nach Art. 5 des Bundesgesetzes vom 20. Dezember 1968 über das Verwaltungsverfahren (VwVG, SR 172.021). Zu den beim Bundesverwaltungsgericht anfechtbaren Verfügungen gehört auch die Schlussverfügung der ESTV im Bereich der internationalen Amtshilfe (Art. 32 VGG e contrario und Art. 20k Abs. 1 Vo DBA-USA). Hingegen ist jede der Schlussverfügung vorangehende Verfügung, einschliesslich einer solchen über Zwangsmassnahmen, sofort vollstreckbar und kann nur zusammen mit der Schlussverfügung angefochten werden (Art. 20k Abs. 4 Vo DBA-USA).
1.1.2 Der Umstand, dass das Abkommen 09, das Gegenstand dieses Verfahrens bildet, fraglos aussenpolitische Aspekte aufweist, macht den vorliegenden Fall nicht zu einem solchen, für den eine Anfechtbarkeit beim Bundesverwaltungsgericht aufgrund von Art. 32 Abs. 1 Bst. a VGG ausgeschlossen wäre (Thomas Cottier/René Matteotti, Das Abkommen über ein Amtshilfegesuch zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und den Vereinigten Staaten von Amerika vom 19. August 2009: Grundlagen und innerstaatliche Anwendbarkeit [nachfolgend: Abkommen], Archiv für Schweizerisches Abgaberecht [ASA] 78 S. 349 ff., 379 f.).
1.1.3 Ohnehin unzulässig ist nunmehr eine (direkte) Beschwerde an das Bundesgericht (Art. 83 Bst. h des Bundesgesetzes vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht [Bundesgerichtsgesetz, BGG, SR 173.110]; vgl. Michael Beusch, Steuerrechtlicher Rechtsschutz durch das Bundesverwaltungsgericht, in: Michael Beusch/ISIS [Hrsg.], Steuerrecht 2008 - Best of zsis), Zürich/Basel/Genf 2008, S. 199 f.).
Auf die frist- und formgerecht eingereichte Beschwerde ist einzutreten.

1.2 Mit Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht kann die Verletzung von Bundesrecht - einschliesslich Überschreitung oder Missbrauch des Ermessens (Art. 49 Bst. a VwVG) - die unrichtige bzw. unvollständige Feststellung des rechtserheblichen Sachverhalts (Art. 49 Bst. b VwVG) wie auch die Unangemessenheit der vorinstanzlichen Verfügung (Art. 49 Bst. c VwVG) gerügt werden. Zum Bundesrecht in diesem Sinn gehören auch die Normen des Staatsvertragsrechts (anstelle vieler: BGE 132 II 81 E. 1.3). Vorausgesetzt ist jedoch, dass die staatsvertragliche Bestimmung, deren Verletzung gerügt wird, direkt anwendbar (self-executing) ist. Dies trifft zu, wenn die Bestimmung inhaltlich hinreichend bestimmt und klar ist, um im Einzelfall Grundlage eines Entscheides zu bilden. Die Norm muss justiziabel sein, d.h. es müssen die Rechte und Pflichten des Einzelnen umschrieben und der Adressat der Norm die rechtsanwendenden Behörden sein. Wie es sich damit verhält, ist von den rechtsanwendenden Behörden zu bestimmen (anstelle vieler: BGE 133 I 286 E. 3.2). Die Frage des self-executing-Charakters bzw. der Justiziabilität der Norm ist dabei für jede einzelne Bestimmung in einem Staatsvertrag gesondert zu prüfen (André Moser/Michael Beusch/Lorenz Kneubühler, Prozessieren vor dem Bundesverwaltungsgericht, Basel 2008, Rz. 2.168).

1.3 Das Bundesverwaltungsgericht kann, von der nachfolgend unter E. 3.1 dargestellten Einschränkung abgesehen, den angefochtenen Entscheid in vollem Umfang überprüfen. Im Beschwerdeverfahren gilt der Grundsatz der Rechtsanwendung von Amtes wegen. Das Bundesverwaltungsgericht ist demzufolge verpflichtet, auf den - unter Mitwirkung der Verfahrensbeteiligten - festgestellten Sachverhalt die richtige Rechtsnorm und damit jenen Rechtssatz anzuwenden, den es als den zutreffenden erachtet, und ihm jene Auslegung zu geben, von der es überzeugt ist (Moser/Beusch/Kneubühler, a.a.O., Rz. 1.54, unter Verweis auf BGE 119 V 347 E. 1a).
1.4
1.4.1 Aus der Rechtsanwendung von Amtes wegen folgt, dass das Bundesverwaltungsgericht als Beschwerdeinstanz nicht an die rechtliche Begründung der Begehren gebunden ist (Art. 62 Abs. 4 VwVG) und eine Beschwerde auch aus anderen als den geltend gemachten Gründen (teilweise) gutheissen oder den angefochtenen Entscheid im Ergebnis mit einer von der Vorinstanz abweichenden Begründung bestätigen kann (vgl. BVGE 2007/41 E. 2 mit Hinweisen). Von den Parteien ins Recht gelegte oder veröffentlichte Gutachten und Arbeitspapiere zu Rechtsfragen sind für das Bundesverwaltungsgericht lediglich insoweit von Belang, als sich das Gericht im Rahmen der verfassungsrechtlichen Vorgaben von Art. 29 Abs. 2 der Bundesverfassung vom 18. April 1999 (BV, SR 101) mit deren Inhalt befassen muss (vgl. Urteil des Bundesverwaltungsgerichts A-1504/2006 vom 25. September 2008 E. 5.2.6). Selbstredend vermögen die darin geäusserten Auffassungen das Bundesverwaltungsgericht nicht zu binden.
1.4.2 Für den vorliegend zu beurteilenden Fall betrifft die eben gemachte Aussage folgende Gutachten und Arbeitspapiere:
Thomas Cottier/René Matteotti, Die Amtshilfevereinbarung zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und den Vereinigten Staaten von Amerika vom 19. August 2009 (UBS-Abkommen): Grundlagen und innerstaatliche Anwendbarkeit, 31. Oktober 2009, erstattet dem Bundesamt für Justiz, zugänglich über http://www.bj.admin.ch/etc/medialib/data/
wirtschaft/fallubs.Par.0022.File.tmp/gutachten-grundlagen-d.pdf, letztmals aufgerufen am 21. Januar 2010;
Klaus A. Vallender, Gutachten zu Streitfragen betreffend Amtshilfe (Informationsaustausch) nach Art. 26 DBA-USA (vertraulich), Stand 4. November 2009, zugänglich über http://www.bj.admin.ch/etc/medialib/
data/wirtschaft/fallubs.Par.0020.File.tmp/gutachten-streitfragen-d.pdf, letztmals aufgerufen am 21. Januar 2010;
Robert Waldburger, Arbeitspapier zur Rechtsnatur des Vertrags zwischen der Schweiz und den Vereinigten Staaten i. S. Amtshilfe UBS-Kunden vom 19. August 2009 ('Staatsvertrag vom 19.8.09'), unter besonderer Berücksichtigung der Frage der Bindungswirkung dieses Vertrags für das Bundesverwaltungsgericht bei dessen Prüfung von Schlussverfügungen der Eidg. Steuerverwaltung, 23. September/14./15. November 2009 [nachfolgend: Rechtsnatur], zugänglich über http://www.ejpd.admin.ch/etc/medialib/
data/wirtschaft/fallubs.Par.0023.File.tmp/arbeitspapier-rechtsnatur-d.pdf, letztmals aufgerufen am 21. Januar 2010;
Robert Waldburger, Arbeitspapier zur Frage, in welchen Fällen die Amtshilfe gemäss Art. 26 des DBA Schweiz-USA möglich ist, für US-Steuerpflichtige, welche bei einer CH-Bank Depots ohne US-Wertschriften und Konti unterhalten haben, ohne deren Erträge in der US-Steuererklärung zu deklarieren, 24. August/14. November 2009 [nachfolgend: Amtshilfe], zugänglich über http://www.bj.admin.ch/etc/medialib/
data/wirtschaft/fallubs.Par.0021.File.tmp/arbeitspapier-amtshilfe-d.pdf, letztmals aufgerufen am 21. Januar 2010.

Von Vornherein nicht zu würdigen sind dagegen in der Angelegenheit erstattete, aber nicht veröffentlichte und von den Parteien dem Gericht nicht vorgelegte Gutachten (wie Xavier Oberson, Draft Working Paper, 27th July, 2009, erwähnt im oben aufgeführten Gutachten Cottier/Matteotti, S. 1 Rz. 2 in fine).

2.
2.1 Gemäss Art. 2 Abs. 1 Bst. d des Bundesbeschlusses vom 22. Juni 1951 über die Durchführung von zwischenstaatlichen Abkommen des Bundes zur Vermeidung der Doppelbesteuerung (SR 672.2) ist der Bundesrat zuständig, das Verfahren zu regeln, das bei einem vertraglich ausbedungenen Austausch von Meldungen zu befolgen ist (in Kraft ab 1. Januar 1951 [AS 1951 890]; Ablauf der Referendumsfrist [unbenutzt] am 26. September 1951 [BBl 1951 II 419 f.]). Der Gesetzgeber hat mit dieser Kompetenzdelegation an den Bundesrat bewusst eine Lösung getroffen, nach welcher die Einzelheiten des Verfahrens nicht im Bundesbeschluss selber geregelt werden, sondern der Bundesrat zum Erlass entsprechender Bestimmungen ermächtigt wird. Der Bundesrat hat auf diesen Umstand in seiner Botschaft vom 29. Mai 1951 (BBl 1951 II 296 ff., insb. 299) ausdrücklich hingewiesen, indem er ausführte, es wäre unzweckmässig, den Bundesbeschluss, dessen Erlass er vorschlage, mit den bis ins Kleinste gehenden Einzelvorschriften technischer und verfahrensrechtlicher Natur zu belasten, zumal diese Vorschriften sehr stark auf praktische Bedürfnisse Rücksicht nehmen müssten und an unvorhersehbare Wandlungen der Verhältnisse (Änderung der Steuergesetzgebung, der Vertragspartner u. dgl.) rasch sollten angepasst werden können. Solchen Anforderungen vermöge nur eine mehrstufige Ausführungsgesetzgebung zu genügen, bei der die Bundesversammlung lediglich die allgemeinen Richtlinien festlege unter gleichzeitiger Ermächtigung einer nachgeordneten Instanz, innerhalb des gezogenen Rahmens das Nähere anzuordnen. In Bezug auf den Informationsaustausch mit den USA gestützt auf Art. 26 DBA-USA 96 hat der Bundesrat diese Aufgabe mit Erlass der bereits erwähnten Verordnung zum besagten schweizerisch-amerikanischen Doppelbesteuerungsabkommen (Vo DBA-USA) wahrgenommen.

2.2 Gemäss Art. 20c Abs. 1 Vo DBA-USA nimmt die ESTV bei Ersuchen der zuständigen amerikanischen Behörden um Informationsaustausch zur Verhütung von Betrugsdelikten nach Art. 26 DBA-USA 96 eine Vorprüfung vor. Diese beschränkt sich auf die Frage, ob die Voraussetzungen nach Art. 26 DBA-USA 96 in Verbindung mit Ziff. 10 des Protokolls glaubhaft gemacht worden sind. In diesem Verfahrensstadium der prima-facie Vorprüfung hat die ESTV bezüglich Anfragen aus den USA - anders als bei Anfragen aus anderen Staaten - noch nicht zu prüfen, ob die Voraussetzungen des Informationsaustausches erfüllt seien oder nicht (vgl. anders etwa [anstelle mehrerer] Art. 2 Abs. 3 der Verordnung vom 14. November 2007 zum schweizerisch-südafrikanischen Doppelbesteuerungsabkommen [SR 672.911.81]).
Die ESTV hat sich anlässlich dieser Vorprüfung weder abschliessend zur Frage zu äussern, ob ein Betrugsdelikt im Sinn von Art. 26 DBA-USA 96 vorliege, noch dazu, ob die von den amerikanischen Steuerbehörden genannten Sachverhaltselemente und Daten tatsächlich hinreichend bestimmt seien, um nach schweizerischem Recht als Recht des ersuchten Vertragsstaates die angeforderten Daten zu beschaffen und letztlich zu einem Informationsaustausch zu schreiten. Hierüber hat sich die ESTV erst in der Schlussverfügung im Sinn von Art. 20j Abs. 1 Vo DBA-USA zu äussern. In dieser hat sie - wie im vorliegenden Fall nachstehend auch das mittels Beschwerde nach Art. 20k Abs. 1 Vo DBA-USA angerufene Bundesverwaltungsgericht - darüber zu befinden, ob ein hinreichender Verdacht auf «Betrugsdelikte und dergleichen» im Sinn von Art. 26 DBA-USA 96 vorliege und bejahendenfalls, welche Informationen (Gegenstände, Dokumente, Unterlagen) nach schweizerischem Recht haben bzw. hätten beschafft werden können und nun an die zuständige amerikanische Behörde übermittelt werden dürfen.

2.3 Die genannten Bestimmungen der Vo DBA-USA bewegen sich ohne weiteres im durch die Delegationsnorm von Art. 2 Abs. 2 Bst. d des vorerwähnten Bundesbeschlusses vom 22. Juni 1951 abgesteckten Rahmen. Gegen die Eröffnung eines Amtshilfeverfahrens im konkreten Fall ist damit nichts einzuwenden. Ob die ESTV dagegen in ihrer Schlussverfügung vom 17. November 2009 zu Recht die Gewährung von Amtshilfe verfügt hat, bildet Gegenstand der nachfolgenden Erwägungen.

3.
3.1
3.1.1 Gemäss Art. 190 BV haben die rechtsanwendenden Behörden das Völkerrecht anzuwenden. Massgebend sind somit nicht nur die von der Bundesversammlung und allenfalls auch vom Volk bzw. von Volk und Ständen gutgeheissenen völkerrechtlichen Verträge, sondern das gesamte gesetzte und nicht gesetzte Völkerrecht mit Einschluss der von völkerrechtlichen Organen erlassenen Regelungen (BGE 133 II 450 E. 6.1; Yvo Hangartner, St. Galler Kommentar zur Schweizerischen Bundesverfassung, 2. Aufl., Zürich etc. 2008 [nachfolgend: St. Galler Kommentar], N 19 zu Art. 190 BV). Oder mit anderen Worten: Massgebend sind selbst die ohne Mitwirkung von Parlament und Volk und allenfalls gar wider die innerstaatliche Kompetenzordnung vom Bundesrat abgeschlossenen Verträge (BGE 120 Ib 360 E. 2c; Jean-François Aubert/Pascal Mahon, Petit commentaire de la Constitution fédérale de la Confédération suisse, Zurich etc. 2003, N. 11 zu Art. 190 BV; Andreas Auer/Giorgio Malinverni/Michel Hottelier, Droit constitutionnel suisse, Volume I, 2. Aufl., Bern 2006, N. 1868 ff.; Giovanni Biaggini, Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft, Zürich 2007, N. 10 zu Art. 190 BV; Anne Benoit, Vers une hiérarchie des normes internationales en droit interne suisse? in: Zeitschrift für schweizerisches Recht [ZSR] 128 [2009] I S. 453 ff., 458 f., die im Folgenden [S. 460 ff.] allerdings darauf eingeht, dass das Bundesgericht nur dem jus cogens, der Charta der Vereinten Nationen und - in Bezug auf Bundesgesetze - den Menschenrechten in jedem Fall den Vorzug gebe).
3.1.2 Auch Völkerrecht ist auszulegen (vgl. unten E. 3.5). Es gilt und ist im Sinn von Art. 190 BV massgebend entsprechend seiner zutreffenden Interpretation. Dazu gehören Auslegung und Lückenfüllung in Ausrichtung auf höherrangige Normen (Hangartner, in: St. Galler Kommentar, N. 21 zu Art. 190 BV; derselbe, in: St. Galler Kommentar, N. 26 zu Art. 5 BV). Art. 190 BV enthält bei alledem keine Regel über allfällige Konflikte zwischen verschiedenen, für die Schweiz verbindlichen Normen des Völkerrechts. Kann der Konflikt nicht auf dem Weg der Auslegung ausgeräumt werden, muss auf die völkerrechtliche Normenhierarchie oder auf andere Kollisionsregelungen zurückgegriffen werden (BGE 133 II 450 E. 6.2). Beachtet werden darf in solchen Situationen überdies das Gebot landesrechtskonformer Handhabung von Völkerrecht (vgl. Hangartner, in: St. Galler Kommentar, N. 21 zu Art. 190 BV). Das Verhältnis von verschiedenen untereinander allenfalls in Widerspruch stehenden Normen des Völkerrechts ist so letztlich vor Eintritt in den Anwendungsbereich von Art. 190 BV zu klären, wäre es doch logisch unhaltbar und würde Art. 190 BV gerade zuwiderlaufen, würde eine Stellung, die das massgebende Völkerrecht bzw. die Vertragsparteien einem Staatsvertrag zugewiesen haben, durch Art. 190 BV wieder aufgehoben.
3.2
3.2.1 Bezüglich der innerstaatlichen Geltung von völkerrechtlichen Normen steht die Schweiz auf dem Boden des Monismus. Demnach werden internationale Normen Bestandteil der schweizerischen Rechtsordnung und müssen daher von allen Staatsorganen beachtet werden (anstatt zahlloser Belegstellen: Bundesamt für Justiz [BJ], 24. Januar 1994, veröffentlicht in Verwaltungspraxis der Bundesbehörden [VPB] 59.24 und BGE 124 II 293 E. 4b). Mit ihrer landesrechtlichen Geltung werden die völkervertraglichen Normen allerdings nicht zu Landesrecht, sondern behalten ihren Charakter als völkerrechtliche Bestimmungen. Bei ihrer Auslegung gelangen die völkerrechtlichen Auslegungsregeln zur Anwendung (Robert Waldburger, Die Auslegung von Doppelbesteuerungsabkommen in der Rechtsprechung des Schweizerischen Bundesgerichts, in: Die Auslegung von Doppelbesteuerungsabkommen in der Rechtsprechung der Höchstgerichte Deutschlands, der Schweiz und Österreichs, Wien 1998 [nachfolgend: Auslegung], S. 51 ff., 54; Daniel Wüger, Anwendbarkeit und Justiziabilität völkerrechtlicher Normen im schweizerischen Recht: Grundlagen, Methoden und Kriterien, Diss. Bern 2005, S. 34 mit weiteren Hinweisen, S. 66; Klaus Vogel, in Klaus Vogel/Moris Lehner, Doppelbesteuerungsabkommen der Bundesrepublik Deutschland auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und Vermögen, Kommentar auf der Grundlage der Musterabkommen, 5. Aufl., München 2008 [nachfolgend: DBA Kommentar], N. 100 zu Einleitung).
3.2.2 Die Publikation von völkerrechtlichen Verträgen und Beschlüssen des internationalen Rechts wird in Art. 3 des Bundesgesetzes vom 18. Juni 2004 über die Sammlungen des Bundesrechts und das Bundesblatt (Publikationsgesetz, PublG, SR 170.512) geregelt. Der Artikel enthält dabei differenzierte Regelungen. Nicht zu veröffentlichen sind nach Art. 3 Abs. 3 PublG Verträge von beschränkter Tragweite, wobei darunter solche zu verstehen sind, für welche die Kriterien von Art. 7a Abs. 2 des Regierungs- und Verwaltungsorganisationsgesetzes vom 21. März 1997 (RVOG, SR 172.010) zutreffen (vgl. Thomas Sägesser, Regierungs- und Verwaltungsorganisationsgesetz [RVOG], Bern 2007, N. 24 zu Art. 7a RVOG). Um aber innerstaatlich Rechtswirkungen gegenüber dem privaten Rechtsunterworfenen entfalten zu können, bedarf es so oder anders auch für völkerrechtliche Normen einer ordnungsgemässen Publikation (Gemeinsame Stellungnahme des BJ und der Direktion für Völkerrecht vom 26. April 1989, in VPB 53.54 Ziff. 8). Daran ändert auch nichts, dass die Gültigkeit eines völkerrechtlichen Vertrags nicht von seiner Publikation abhängt (vgl. unten E. 3.3.3). Die Befugnis zum Erlass einer solchen landesrechtlichen Regelung, wie sie im Publikationsgesetz vorgesehen ist, beruht auf der Befugnis des Staates, die Frage der Anwendbarkeit eines völkerrechtlichen Vertrags - blosser Auftrag an den Gesetzgeber oder bereits unmittelbare Begründung von Rechten und Pflichten Privater sowie der Rechtsanwendungsbehörden - selbst zu entscheiden, sofern diese Frage nicht bereits im völkerrechtlichen Vertrag geregelt wird. Aber auch im Rahmen des allgemeinen Völkerrechts gilt der fundamentale rechtsstaatliche Satz, dass niemandem durch einen Geheimerlass Pflichten auferlegt werden können. Davon entbindet auch eine staatsvertragliche Abmachung nicht (vgl. Yvo Hangartner, Bundesverwaltungsgericht, II. Abteilung, 28.8.2007, X. c. Bundesamt für Berufsbildung und Technologie [B-2183/2006], Beschwerde, in: Aktuelle Juristische Praxis [AJP] 2008 S. 492 ff., 496).
3.3
3.3.1 Regelungsgegenstand des Völkerrechts ist insbesondere die zwischenstaatliche Beziehung (vgl. anstelle zahlreicher: WALTER KÄLIN/ASTRID EPINEY/MARTINA CARONI/JÖRG KÜNZLI, Völkerrecht, Eine Einführung, 2. Aufl., Bern 2006, S. 1, 6), wobei die Rechtsquellen des Völkerrechts in Art. 38 Abs. 1 des Statuts des Internationalen Gerichtshofs (IGH) vom 26. Juni 1945 (SR 0.193.501) kodifiziert sind. Die völkerrechtlichen Regeln über das Vertragsrecht beruhen auf Gewohnheitsrecht, welches in der Wiener Konvention über das Recht der Verträge vom 23. Mai 1969 (VRK, SR 0.111; für die Schweiz seit 6. Juni 1990 in Kraft) kodifiziert worden ist (BGE 120 Ib 360 E. 2c; siehe auch JÖRG PAUL MÜLLER/LUZIUS WILDHABER, Praxis des Völkerrechts, 3. Aufl., Bern 2001, S. 148 f., mit zahlreichen Hinweisen). Als völkerrechtlicher Vertrag gilt eine dem Völkerrecht unterstehende ausdrückliche oder durch konkludente Handlung zustande gekommene Willenseinigung zwischen zwei oder mehreren Staaten oder anderen Völkerrechtssubjekten, in der sich diese zu einem bestimmten Verhalten (Leisten, Unterlassen, Dulden) verpflichten bzw. in welcher Rechte und Pflichten geregelt werden (KÄLIN/EPINEY/CARONI/KÜNZLI, a.a.O., S. 17; DANIEL THÜRER/BINH TRUONG/FELIX SCHWENDIMANN, in: St. Galler Kommentar, N. 10 zu Art. 184 BV; Gutachten des BJ vom 6. Januar 2004, veröffentlicht in VPB 68.83 Ziff. 1, auch zum Folgenden). Wesentliches Merkmal und auch nach herrschender Lehre zu Art. 2 Abs. 1 Bst. a VRK massgeblich ist die rechtliche Verbindlichkeit der Übereinkunft (BGE 124 II 293 E. 4b; Mitteilung der Direktion für Völkerrecht des Eidgenössischen Departements für auswärtige Angelegenheiten [EDA] und des BJ des Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartements [EJPD] vom 14. Juni 2006, veröffentlicht in VPB 70.69 B./1; MARK E. VILLIGER, Commentary on the 1969 Vienna Convention on the Law of Treaties, Leiden/Boston 2009 [nachfolgend: Vienna Convention], N. 7 zu Art. 2 VRK; ANDREAS R. ZIEGLER, Einführung in das Völkerrecht, Bern 2006, S. 80; PHILIPPE GAUTIER, in: Les conventions de Vienne sur le droit des traités: Commentaire article par article / sous la direction de Olivier Corten et Pierre Klein; secrétaire de rédaction: Maxime Didat; préface de Ian Sinclair; 3 Bände, Bruxelles 2006 [nachfolgend: Les Conventions de Vienne], N. 25 f. zu Art. 2 VRK).
3.3.2 Eine Person gilt hinsichtlich der Annahme eines Vertragstextes, der Festlegung seines authentischen Textes oder der Abgabe der Zustimmung eines Staates, durch einen Vertrag gebunden zu sein, als Vertreter eines Staates, wenn sie über eine entsprechende Vollmacht verfügt (Art. 7 Abs. 1 Bst. a VRK). Kraft ihres Amtes werden jedoch namentlich Staatsoberhäupter, Regierungschefs und Aussenminister auch ohne Vorlegen einer Vollmacht als Vertreter eines Staates für die Vornahme aller auf den Abschluss eines Vertrags gerichteten Handlungen angesehen (Art. 7 Abs. 2 Bst. a VRK). Die Zustimmung eines Staates, durch einen Vertrag gebunden zu sein, kann durch Unterzeichnung, Austausch von Urkunden, die einen Vertrag bilden, Ratifikation, Annahme, Genehmigung oder Beitritt oder auf eine andere vereinbarte Art ausgedrückt werden (Art. 11 VRK). Ein Vertrag tritt in der Weise und zu dem Zeitpunkt in Kraft, die er vorsieht oder die von den Verhandlungsstaaten vereinbart werden (Art. 24 Abs. 1 VRK). In Ermangelung einer solchen Bestimmung oder Vereinbarung tritt ein Vertrag in Kraft, sobald die Zustimmung aller Verhandlungsstaaten vorliegt, durch den Vertrag gebunden zu sein (Art. 24 Abs. 2 VRK).
3.3.3 Art. 26 VRK statuiert - als kodifiziertes Völkergewohnheitsrecht - den Grundsatz, dass ein Vertrag die Parteien bindet und von ihnen nach Treu und Glauben zu erfüllen ist. Unter «Vertragsparteien» sind die Staaten als solche zu verstehen (Art. 2 Abs. 1 Bst. g VRK). Nach Art. 27 VRK kann sich eine Vertragspartei grundsätzlich - ausser bei offensichtlicher Verletzung der innerstaatlichen Zuständigkeitsordnung (Art. 46 VRK) - nicht auf ihr innerstaatliches Recht berufen, um die Nichterfüllung eines Vertrags zu rechtfertigen (BGE 124 II 293 E. 4; BGE 120 Ib 360 E. 2c). Völkerrechtlich sind die Staaten somit verpflichtet, ungeachtet ihres innerstaatlichen Rechts völkerrechtliche Verpflichtungen einzuhalten; das Völkerrecht beansprucht absolute Geltung. Jeder Vertragsbruch stellt eine Völkerrechtsverletzung dar, für welche der handelnde Staat völkerrechtlich verantwortlich wird (VILLIGER, Vienna Convention, N. 4 zu Art. 27 VRK; PIERRE TSCHANNEN, Staatsrecht der Schweizerischen Eidgenossenschaft, 2. Aufl. Bern 2007, S. 165; ULRICH HÄFELIN/WALTER HALLER/HELEN KELLER, Schweizerisches Bundesstaatsrecht, 7. Aufl., Zürich/Basel/Genf 2008, N. 1917; ALBERTO ACHERMANN, Der Vorrang des Völkerrechts, in: Thomas Cottier/Alberto Achermann/Daniel Wüger/Valentin Zellweger [Hrsg.], Der Staatsvertrag im schweizerischen Verfassungsrecht, Bern 2001, S. 33 ff., 40; KÄLIN/EPINEY/CARONI/KÜNZLI, a.a.O., S. 108). Auf welche Weise hingegen ein Staat auf der innerstaatlichen Ebene seinen Verpflichtungen nachkommen muss, wird vom Völkerrecht nicht geregelt. Das Völkerrecht verweist in diesem Punkt auf das Landesrecht (HANGARTNER, in: St. Galler Kommentar, N. 45 zu Art. 5 BV; THOMAS COTTIER/MAYA HERTIG, Das Völkerrecht in der neuen Bundesverfassung: Stellung und Auswirkungen, in: Ulrich Zimmerli [Hrsg.], Berner Tage für die juristische Praxis [BTJP] 1999, Die neue Bundesverfassung, Konsequenzen für Praxis und Wissenschaft, Bern 2000, S. 9 f.). Der Zweck von Art. 27 VRK erschöpft sich darin zu vermeiden, dass sich ein Staat auf sein innerstaatliches Recht beruft, um sich seinen völkerrechtlichen Verpflichtungen und der damit einhergehenden Verantwortlichkeit zu entziehen (ANNEMIE SCHAUS, in: Les conventions de Vienne, N. 2 f. zu Art. 27 VRK).

3.4 Bestehen zwischen zwei Parteien zwei oder mehrere, in Kraft stehende Verträge über denselben Gegenstand, also über dieselbe Materie mit gleicher bzw. vergleichbarer Bestimmtheit, und regeln die betreffenden Verträge denselben Gegenstand in abweichender Weise, so stellt Art. 30 VRK die Kriterien zur Beurteilung der Rechte und Pflichten der beiden Staaten bereit (Villiger, Vienna Convention, N. 6 zu Art. 30 VRK; Felipe Paolillo, in: Les conventions de Vienne, N. 16 und 26 zu Art. 30 VRK). Art. 30 VRK regelt folglich ausschliesslich die Frage des Anwendungsvorrangs von aufeinanderfolgenden Verträgen über denselben Gegenstand. Art. 30 Abs. 3, 4 und 5 VRK stellen dispositive Regeln dar. Sie finden demnach Anwendung, wenn die Vertragsparteien keine Kollisionsregel aufgestellt haben (Villiger, Vienna Convention, N. 8 zu Art. 30 VRK; Paolillo, a.a.O., N. 19 f. zu Art. 30 VRK). Die Staaten sind - vorbehältlich Art. 30 Abs. 1 VRK (BGE 133 II 450 E. 5.1) - frei, das Verhältnis zwischen von ihnen geschlossenen Verträgen untereinander zu bestimmen. So können die Vertragsparteien namentlich vorsehen, dass ein Vertrag alle entgegenstehenden vertraglichen Bestimmungen aufhebt; dass bestimmte vertragliche Bestimmungen allen übrigen Bestimmungen eines früheren (oder allfällig später abgeschlossenen) Vertrags vorgehen; dass die Bestimmungen eines bestimmten Vertrags die aus einem anderen Vertrag fliessenden Verpflichtungen unberührt lassen bzw. mit ihnen nicht in Widerspruch stehen; dass ein Vertrag einem anderen untergeordnet ist. Für den Fall, dass sich einem Vertrag eine ausdrückliche Unterordnung bzw. ein ausdrücklicher Vorrang einen anderen Vertrag betreffend entnehmen lässt, bestimmt Art. 30 Abs. 2 VRK, dass dieser Anweisung Folge zu leisten ist. Fehlt hingegen eine solche ausdrückliche Kollisionsregel, so hält Art. 30 Abs. 3 VRK für Verträge zwischen denselben Vertragsparteien - in Übereinstimmung mit der lex posterior-Regel - fest, dass der frühere Vertrag nur soweit Anwendung findet, als er mit dem späteren Vertrag vereinbar ist (Paolillo, a.a.O., N. 35 f. zu Art. 30 VRK).

3.5 Die vom Anwendungsbereich der VRK erfassten völkerrechtlichen Verträge unterstehen den Auslegungsregeln von Art. 31 ff. VRK. Die darin verankerten Auslegungsmethoden kodifizieren Völkergewohnheitsrecht (BGE 122 II 234 E. 4c; differenzierter Villiger, Vienna Convention, N. 37 ff. zu Art. 31 VRK, N. 13 zu Art. 32 VRK und N. 16 zu Art. 33 VRK) und werden, soweit sie von diesen als Völkergewohnheitsrecht anerkannt sind, auch von den USA - welche die VRK unterzeichnet, aber nicht ratifiziert haben - angewendet (Cottier/Matteotti, Abkommen, S. 355; Frank Engelen, Interpretation of Tax Treaties under International Law, Rotterdam 2004, S. 539; Jean-Marc Rivier, L'interprétation des Conventions de double imposition, in: Revue de droit Administratif et Fiscal [RDAF] 2000 II S. 113 ff., 120 f., mit Hinweis, auch zum Folgenden). Elemente der allgemeinen Auslegungsregel von Art. 31 Abs. 1 VRK sind der Wortlaut der vertraglichen Bestimmung gemäss seiner gewöhnlichen Bedeutung, Ziel und Zweck des Vertrags, Treu und Glauben sowie der Zusammenhang. Diese vier Elemente sind gleichrangig (Jean-Marc Sorel, in: Les conventions de Vienne, N. 8 zu Art. 31 VRK; Mark E. Villiger, Articles 31 and 32 of the Vienna Convention on the Law of Treaties in the Case-Law of the European Court of Human Rights, in: Internationale Gemeinschaft und Menschenrechte: Festschrift für Georg Ress zum 70. Geburtstag am 21. Januar 2005 [nachfolgend: Articles], Köln 2005, S. 317 ff., 327; ders., Vienna Convention, N. 29 zu Art. 31 VRK; Engelen, a.a.O., S. 111 ff., S. 540; Rivier, a.a.O., S. 124; Wüger, a.a.O., S. 71). Adressaten dieser Auslegungsregeln sind in erster Linie - und wohl nur - die gerichtlichen Instanzen, welchen die Staaten oder Organisationen die Schlichtung «de leurs prétentions contradictoires» übertragen haben (Sorel, a.a.O., N. 28 zu Art. 31 VRK).
3.5.1 Den Ausgangspunkt der Auslegung bildet der Wortlaut der vertraglichen Bestimmung (Sorel, a.a.O., N. 8 und 29 zu Art. 31 VRK; Villiger, Vienna Convention, N. 30 zu Art. 31 VRK; ders., Articles, S. 324, 327; Xavier Oberson, Précis de droit fiscal international, 3. Aufl., Bern 2009 [nachfolgend: Précis], N. 93). Die völkerrechtlichen Auslegungsregeln stellen somit nur insoweit auf den Vertragswillen der Vertragspartner ab, als dieser seinen Niederschlag im Abkommen selbst gefunden hat (Harald Schaumburg, Internationales Steuerrecht: Aussensteuerrecht, Doppelbesteuerungsrecht, 2. Aufl., Köln 1998, N. 16.70; Engelen, a.a.O., S. 427; Vogel, in: DBA Kommentar, N. 107 zu Einleitung). Der Text der Vertragsbestimmung ist demnach aus sich selbst heraus gemäss seiner gewöhnlichen Bedeutung zu interpretieren. Diese gewöhnliche Bedeutung ist jedoch in Übereinstimmung mit ihrem Zusammenhang, dem Ziel und Zweck des Vertrags und gemäss Treu und Glauben zu eruieren (Vogel, in: DBA Kommentar, N. 108, 124a und 126 zu Einleitung; Oberson, Précis, N. 93; Rivier, a.a.O., S. 128 f.; Schaumburg, a.a.O., N. 16.77 f.). Vorbehalten bleibt freilich nach Art. 31 Abs. 4 VRK eine klar manifestierte einvernehmliche Absicht der Parteien, einen Ausdruck nicht im üblichen, sondern in einem besonderen Sinn zu verwenden (Wüger, a.a.O., S. 67; Sorel, a.a.O., N. 8 und 48 ff. zu Art. 31 VRK; zum Ganzen vgl. auch Engelen, a.a.O., S. 541 f.).
3.5.2 Ziel und Zweck des Vertrags sind diejenigen Objekte, welche die Parteien mit dem Vertrag erreichen und verwirklichen wollten (Rivier, a.a.O., S. 122 f., auch zum Folgenden; Villiger, Vienna Convention, N. 11 zu Art. 31 VRK; ders., Articles, S. 325). Art. 31 VRK spricht sich nicht darüber aus, welchen Quellen Ziel und Zweck eines Vertrags entnommen werden kann. Die Lehre unterstreicht diesbezüglich allgemein die Bedeutung des Titels und der Präambeln des Vertrags (Villiger, Vienna Convention, N. 13 zu Art. 31), wobei für Abkommen im Bereich des Steuerrechts darauf hingewiesen wird, dass sich ein Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung von einem Abkommen zur Bekämpfung von Steuerbetrug unterscheidet und dieser Unterscheidung im Rahmen der Auslegung Rechnung zu tragen sei; auszugehen sei bei einem DBA davon, dass Ziel und Zweck des Abkommens die Vermeidung der Doppelbesteuerung sei (Oberson, Précis, N. 93 f., auch zum Folgenden). Nicht abgestellt werden kann in diesem Stadium der Auslegung auf die vorbereitenden Arbeiten und die Umstände des Vertragsabschlusses; diese Auslegungsmittel sind lediglich subsidiär und können gemäss Art. 32 VRK erst herangezogen werden, um die sich unter Anwendung des Art. 31 VRK ergebende Bedeutung zu bestätigen oder wenn die Auslegung gemäss Art. 31 VRK die Bedeutung der vertraglichen Bestimmung mehrdeutig oder im Dunkeln lässt bzw. zu einem offensichtlich sinnwidrigen oder unvernünftigen Ergebnis führt (Engelen, a.a.O., S. 329 ff., 542 f.; Rivier, a.a.O., S. 122; Villiger, Vienna Convention, N. 7 ff. zu Art. 32 VRK; ders., Articles, S. 328; Jan Wouters/Maarten Vidal, Non-Tax Treaties: Domestic Courts and Treaty Interpretation, in: Guglielmo Maisto [Hrsg.], Courts and Tax Treaty Law, Amsterdam 2007 [nachfolgend: Courts and Tax Treaty Law], S. 3 ff., 17). Im Allgemeinen wird zu diesem Element auch die Auffassung vertreten, dass darüber eine - in Art. 31 VRK nicht ausdrücklich erwähnte - teleologische Auslegung einfliessen könne; diese, zusammen mit der Auslegung nach Treu und Glauben, garantiere den «effet utile» des Vertrags (Villiger, Articles, S. 325; Sorel, a.a.O., N. 27 und 53 ff. zu Art. 31 VRK). Ob dies auch für Doppelbesteuerungsabkommen so gelte, ist freilich umstritten (Rivier, a.a.O., S. 123). Auch bei Befürwortung einer teleologischen Auslegung gemäss Ziel und Zweck des Vertrags wird deren Grenze grossmehrheitlich im Wortlaut der fraglichen Vertragsbestimmung erblickt. Eine Weiterentwicklung oder gar eine Abänderung des Vertrags auf dem Weg der Auslegung sei mit den Art. 31 f. VRK nicht zu vereinbaren (Villiger, Articles, S. 325; Vogel, in: DBA Kommentar, N. 100 zu Einleitung). Ziel und Zweck eines Vertrags vermögen somit den Wortlaut gemäss seiner gewöhnlichen Bedeutung nicht zu überwiegen (Villiger, Vienna Convention, N 14 zu Art. 31 VRK; Rivier, a.a.O., S. 125; John F. Avery Jones, Tax Treaties: The Perspective of Common Law Countries, in: Courts and Tax Treaty Law, S. 31 ff., 68; Engelen, a.a.O., S. 543 [mit Differenzierungen]; a.M. René Matteotti, «Treaty Shopping» und seine Grenzen in der Schweizerischen Rechtsprechung, in: Zeitschrift für Schweizerisches und Internationales Steuerrecht zsis) vom 24. Oktober 2008, Zürich 2008, Ziff. 4.1, der - mit Hinweis auf die schweizerische Steuerjustiz bezüglich des so genannten «Treaty Shopping» - die Auffassung vertritt, abkommensrechtliche Bestimmungen könnten zumindest in diesen Fällen contra verba ausgelegt werden, wenn dies nötig sei, um ein offensichtlich gegen Treu und Glauben verstossendes unvernünftiges, zweckwidriges Ergebnis zu vermeiden).
3.5.3 In Übereinstimmung mit Art. 26 VRK ist der Sinn einer vertraglichen Bestimmung gemäss Treu und Glauben zu ermitteln. Dieser Grundsatz verpflichtet die auslegenden Vertragsparteien zu einer redlichen, von Spitzfindigkeiten und Winkelzügen freien Auslegung von vertraglichen Bestimmungen (RIVIER, a.a.O., S. 125; WÜGER, a.a.O., S. 68; VILLIGER, Vienna Convention, N. 8 zu Art. 26 VRK; ders., Articles, S. 329, auch zum Folgenden). Eine Auslegung nach Treu und Glauben beachtet auch das Verbot des venire contra factum proprium sowie das Rechtsmissbrauchsverbot.
3.5.4 Gemäss Art. 31 Abs. 1 VRK ist der Sinn einer Bestimmung schliesslich (auch) gemäss ihrem Zusammenhang zu ermitteln. Was darunter zu verstehen ist, wird in Art. 31 Abs. 2 VRK definiert (VILLIGER, Vienna Convention, N. 15 ff. zu Art. 31 VRK; SOREL, a.a.O., N. 8 und 38 ff. zu Art. 31 VRK; OBERSON, Précis, N. 93; RIVIER, a.a.O., S. 124, auch zum Folgenden). Der Begriff des Zusammenhangs im Sinn von Art. 31 Abs. 2 VRK ist dabei eng auszulegen. Er erstreckt sich insbesondere weder auf die Umstände anlässlich des Vertragsschlusses (welche in Form der vorbereitenden Arbeiten etwa als Hilfsmittel gemäss Art. 32 VRK ausschliesslich subsidiär zur Auslegung herangezogen werden können; vgl. oben E. 3.5.2) noch auf Elemente ausserhalb des Textes. Art. 31 Abs. 3 VRK definiert sodann diejenigen Elemente, welche als so genannter «contexte externe» gleich wie der Zusammenhang bei der Auslegung zu berücksichtigen sind (VILLIGER, Vienna Convention, N. 15 ff. zu Art. 31 VRK; SOREL, a.a.O., N. 42 ff. zu Art. 31 VRK). Es existiert somit keine Hierarchie zwischen Art. 31 Abs. 2 und 3 VRK (SOREL, a.a.O., N. 8 zu Art. 31 VRK).
3.5.5 Art. 33 Abs. 1 VRK regelt die Auslegung von Verträgen mit zwei oder mehr authentischen Sprachen. In solchen Fällen ist der Text in jeder Sprache in gleicher Weise massgebend, sofern nicht der Vertrag vorsieht oder die Parteien vereinbaren, dass bei Abweichungen ein bestimmter Text vorgehen soll. Art. 33 Abs. 3 VRK statuiert zudem die Vermutung, dass die Ausdrücke des Vertrags in jedem authentischen Text dieselbe Bedeutung haben (Engelen, a.a.O., S. 341 ff., 544 ff.). Für die VRK selbst, welche ihrerseits als völkerrechtlicher Vertrag der Auslegung bedarf, legt Art. 85 VRK die authentischen Texte fest (Villiger, Vienna Convention, N. 5 ff. zu Art. 33 VRK).
3.6
3.6.1 Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) sind - als völkerrechtliche Verträge im Sinn von Art. 2 Abs. 1 Bst. a VRK - gemäss den Auslegungsregeln der VRK auszulegen (anstatt aller Urteil des Bundesgerichts 2A.239/2005 vom 28. November 2005, veröffentlicht in Steuer Revue [StR] 2006 217 ff., E. 3.4.1, mit zahlreichen weiteren Hinweisen). Weil die VRK im Bereich der Auslegungsregeln Völkergewohnheitsrecht kodifiziert hat (vgl. oben E. 3.5), können diese Regeln auch für Abkommen angewendet werden, welche vor Inkrafttreten der VRK abgeschlossen wurden (BGE 122 II 234 E. 4c) bzw. von Staaten angewendet werden, welche die VRK nicht ratifiziert haben (vgl. diesbezüglich etwa die Praxis von Frankreich, THOMAS PERROT, Country Surveys, Chapter 10, France, in: Courts and Tax Treaty Law, S. 223 ff., 237; vgl. auch oben E. 3.5). Die in einem DBA selbst enthaltenen Auslegungsregeln und Begriffsbestimmungen gehen dabei allerdings den allgemeinen Regeln über die Auslegung gemäss Art. 31 ff. VRK vor (BGE 116 Ib 217 E. 3a; Urteil des Bundesgerichts 2A.239/2005 vom 28. November 2005, a.a.O, E. 3.4.2; ENGELEN, a.a.O., S. 549 ff.; RIVIER, a.a.O., S. 129; SCHAUMBURG, a.a.O., N. 16.69). Dies entspricht dem - auch auf völkerrechtliche Verträge anwendbaren - Grundsatz des Vorrangs der lex specialis (BGE 133 V 237 E. 4.1). Fehlen solche vertraglichen Auslegungsregeln und Begriffsbestimmungen, so ist direkt auf die Art. 31 ff. VRK abzustellen und nach Massgabe der darin festgelegten allgemeinen Auslegungsregeln in erster Linie nach der autonomen Bedeutung der Abkommensbestimmungen zu suchen; nur wenn ein Abkommen - im Licht dieser Regeln ordnungsgemäss ausgelegt - eine bestimmte Frage weder ausdrücklich noch stillschweigend regelt, ist es angängig, subsidiär die Begriffe und Konzeptionen des Landesrechts zur Auslegung beizuziehen (BGE 117 V 268 3b, bestätigt in BGE 124 V 225 E. 3a; Markus Reich, Das Verständigungsverfahren nach den internationalen Doppelbesteuerungsabkommen der Schweiz, Zürich 1976, S. 35). Nur aber immerhin in diesem Sinn zu lesen und zu beachten sind denn auch die häufig vorkommenden subsidiären Verweise auf die Bedeutung der verwendeten Begriffe in der lex fori (BGE 116 Ib 217 E. 3a; Urteil des Bundesgerichts 2A.239/2005 vom 28. November 2005, a.a.O, E. 3.4.2).
3.6.2 Bestehen in einem Doppelbesteuerungsabkommen dem Musterabkommen der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD-MA [vorliegend in der Version des Jahres 2008], veröffentlicht unter anderem in: Pascal Hinny, Steuerrecht 2010, Textausgabe mit Anmerkungen, Zürich 2010, S. 857 ff.) nachgebildete Regeln, so ist in der schweizerischen Lehre und in der Rechtsprechung unbestritten, dass dem OECD-MA und seinen offiziellen Kommentierungen bei der Auslegung von DBA eine zentrale Bedeutung zukommen (Peter Locher, Einführung in das internationale Steuerrecht der Schweiz, 3. Aufl., Bern 2005 [nachfolgend: Einführung], S. 130; Oberson, Précis, N. 96-98; Rivier, a.a.O., S. 128 f.; Waldburger, Auslegung S. 59 f.; Urteil des Bundesgerichts 2A.239/2005 vom 28. November 2005, a.a.O, E. 3.4.5 und 3.6; Urteil des Bundesgerichts 2C_276/2007 vom 6. Mai 2008, veröffentlicht in Steuerentscheid 2008 A 32 Nr. 10, E. 5.6). Dabei unterliegen allerdings auch das OECD-MA und seine Kommentare den Auslegungsregeln von Art. 31 ff. VRK (Jacques Sasseville, Court Decisions and the Commentary to the OECD Model Convention, in: Courts and Tax Treaty Law, S. 189 ff., 194; Vogel, in: DBA Kommentar, N. 125 zu Einleitung). Entsprechend kann etwa ein in einem DBA selbst definierter Begriff - im Bedarfsfall - vertragsautonom gemäss den Regeln der Art. 31 ff. VRK ausgelegt und können im Rahmen dieser Auslegung das OECD-MA und seine Kommentare berücksichtigt werden. Zu beachten ist hierbei freilich, dass eine Berücksichtigung des OECD-MA und seiner Kommentare als ergänzende Hilfsmittel im Sinn von Art. 32 VRK die subsidiäre Bedeutung dieser Auslegungshilfen zur Folge hat (Rivier, a.a.O., S. 129; Stefan Oesterhelt/Maurus Winzap, Abkommensmissbrauch, Schweizer Treuhänder 2006 S. 773 ff., 775 f., mit Verweis auf den Entscheid der Eidgenössischen Steuerrekurskommission SRK 2003-159 vom 3. März 2005; vgl. auch oben E. 3.5.2). Angesichts der Adressaten des OECD-MA und des entsprechenden Kommentars, nämlich der Regierungen der OECD-Mitgliedstaaten, vermögen diese Regelwerke weder für die Gerichte der Mitgliedstaaten noch für ihre Steuerpflichtigen irgendeine und damit auch keine abgeschwächte Bindungswirkung zu erzielen (Vogel, in: DBA Kommentar, N. 124b zu Einleitung; Sasseville, a.a.O., S. 192 f.; Markus Reich/Robert Waldburger, Rechtsprechung im Jahr 2005 [Teil I], in: Forum für Steuerrecht 2006 S. 222 ff., 233 f.).

3.7 Eine wichtige Rolle im internationalen Steuerrecht nehmen in den einzelnen Doppelbesteuerungsabkommen vorgesehene Verständigungsvereinbarungen ein. Dies gilt auch für das DBA-USA 96.
3.7.1 Art. 25 DBA-USA 96 regelt unter dem Titel «Verständigungsverfahren» drei Verfahren (vgl. MORIS LEHNER, in: DBA Kommentar, N. 3 zu Art. 25). Beim ersten, in Art. 25 Abs. 1 und 2 DBA-USA 96 geregelten individuellen Verständigungsverfahren, kann eine Person, die der Auffassung ist, dass Massnahmen eines Vertragsstaates oder beider Vertragsstaaten für sie zu einer Besteuerung führen oder führen würden, die dem Abkommen nicht entspricht, unbeschadet der nach dem innerstaatlichen Recht der Staaten vorgesehenen Rechtsmittel ihren Fall der zuständigen Behörde des Vertragsstaates unterbreiten, in dem die Person ansässig oder dessen Staatsangehöriger sie ist. Um diese Kategorie von Verständigungsvereinbarungen geht es vorliegend indessen ebenso wenig wie um die in Art. 25 Abs. 3 Satz 3 DBA-USA 96 geregelte dritte Variante, wonach die zuständigen Behörden der beiden Vertragsstaaten gemeinsam darüber beraten, wie eine Doppelbesteuerung in Fällen zu vermeiden sei, die im Abkommen nicht behandelt sind (vgl. Lehner, in: DBA Kommentar, N. 3 zu Art. 25).
3.7.2 Als einschlägig erweisen sich hingegen Art. 25 Abs. 3 Satz 1 und 2 DBA-USA 96, die vorsehen, dass sich die zuständigen Behörden der Vertragsstaaten bemühen, Schwierigkeiten oder Zweifel, die bei der Auslegung oder Anwendung des Abkommens entstehen, in gegenseitigem Einvernehmen zu beseitigen. Dieses Verfahren wird in der (deutschen) Lehre und im OECD-Kommentar zum OECD-MA als «Konsultationsverfahren» bezeichnet, das sich daraus ergebende Produkt als «Auslegungsvereinbarung» (vgl. Lehner, in: DBA Kommentar, S. 1772 [Auszug aus dem OECD-Musterkommentar] und N. 151 ff. zu Art. 25; Rolf Land, in: Hans Flick/Franz Wassermeyer/Michael Kempermann, Doppelbesteuerungsabkommen Deutschland-Schweiz, Kommentar, Köln 2006 [nachfolgend: Kommentar DBA-D] N. 28 ff. zu Art. 26; in der schweizerischen Literatur wird diese Art von Vereinbarung auch als Verständigungsvereinbarung genereller Natur bezeichnet; vgl. etwa Reich, a.a.O., S. 131). Art. 25 Abs. 3 Bst. f DBA-USA 96 nennt die gemeinsame Auslegung eines Ausdrucks explizit als Gegenstand, bezüglich dessen sich die zuständigen Behörden, um eine Einigung zu erzielen, konsultieren können. Die zuständigen Behörden der Vertragsstaaten können gemäss Art. 25 Abs. 4 DBA-USA 96 zur Herbeiführung einer Einigung unmittelbar miteinander verkehren. Der Ausdruck «zuständige Behörde» meint bezüglich der Schweiz den Direktor der Eidgenössischen Steuerverwaltung oder seinen bevollmächtigten Vertreter (Art. 3 Abs. 1 Bst. f DBA-USA 96). Diese Zuständigkeit stimmt internrechtlich überein mit Art. 7a und 48a RVOG. Aus dem allgemeinen verwaltungsrechtlichen Grundsatz des Selbsteintritts (Evokation), der sich aus der hierarchischen Struktur der Bundesverwaltung ableitet und seinen Niederschlag in Art. 47 Abs. 4 und Art. 38 RVOG findet, ergibt sich sodann, dass die übergeordneten Verwaltungseinheiten und der Bundesrat jederzeit einzelne Geschäfte, für die eine untergeordnete Stelle zuständig ist, zum Entscheid an sich ziehen können (vgl. SÄGESSER, a.a.O., N. 36 ff. zu Art. 47 RVOG).
3.7.3 Der Rechtscharakter derartiger genereller Verständigungsvereinbarungen ist - ebenso wie deren zulässiger Inhalt (vgl. unten E. 3.7.4) - umstritten. Ehe deren (völkerrechtliche) Einordnung erfolgt, ist an dieser Stelle vorab zu klären, ob eine Vereinbarung zwischen den Vertragsstaaten über die Auslegung und Anwendung eines Vertrags als völkerrechtlicher Vertrag zu qualifizieren ist (vgl. oben E. 3.3.1; siehe auch MADELEINE SIMONEK, Problemfelder aus dem Verhältnis von Doppelbesteuerungsabkommen und Verständigungsvereinbarungen zum innerstaatlichen Recht, in: ASA 73 S. 97 ff., 123, mit weiteren Hinweisen). Für die Qualifikation nicht abgestellt werden kann dabei auf die Bezeichnung der Abkommen (Gutachten des BJ vom 6. Januar 2004, veröffentlicht in VPB 68.83 Ziff. 1). Die notwendige Absicht zur Regelung von Rechten und Pflichten steht vorliegend angesichts der im Sinn des massgebenden Art. 31 Abs. 1 VRK klaren Wortlaute sowohl bezüglich der Vereinbarung 03 als auch hinsichtlich des Abkommens 09 nicht in Frage (vgl. unten E. 4.2 bzw. E. 4.3). Die schweizerische Lehre bejaht im Übrigen - soweit ersichtlich einhellig - die Qualifikation einer Verständigungsvereinbarung als völkerrechtlichen Vertrag im Kleid eines sog. Verwaltungsabkommens (vgl. auch REICH, a.a.O., S. 104; SIMONEK, a.a.O., S. 118, 121 f., [differenzierend] S. 123 f.; WALTER BOSS, Das Verständigungsverfahren nach den schweizerischen Doppelbesteuerungsabkommen, in: ASA 52 S. 591 ff. 602; in diesem Sinn auch Oberson, Précis, N. 935 und LOCHER, Einführung, S. 537, welche jedoch den Unterschied zwischen individuellen und generellen Verständigungsvereinbarungen nicht thematisieren; gleich im Übrigen auch die internationale Doktrin; vgl. anstelle vieler Engelen, a.a.O., S. 431 ff., mit weiteren Hinweisen).
3.7.4 In der Lehre umstritten ist, wie soeben angetönt (vgl. oben E. 3.7.3), was zulässigerweise Inhalt der generellen Verständigungsvereinbarungen (DBA-Auslegungsvereinbarungen, Konsultationsvereinbarungen) sein kann (Lehner, in: DBA Kommentar, N. 154 zu Art. 25). Damit verknüpft wird oft die Frage nach der Bindungswirkung des in der Verständigungsvereinbarung Vereinbarten. Gemäss Cottier/Matteotti, die sich in erster Linie ebenfalls auf Lehner (DBA Kommentar, N. 154 zu Art. 25) berufen, wird «in der Literatur die Auslegungsvereinbarung auch als völkerrechtlicher Vertrag zur Ergänzung eines Doppelbesteuerungsabkommens betrachtet, der auf eine authentische Interpretation des DBA und gegebenenfalls auch auf dessen Änderung gerichtet ist» (Cottier/Matteotti, Abkommen, S. 359). Cottier/Matteotti kommen in der Folge zum Schluss, dass dann, wenn eine Verständigungsvereinbarung der Durchführung und Interpretation eines bestehenden Vertrags diene, ein unselbständiges Abkommen vorliege. Führe sie hingegen eine Abänderung bestehender oder die Begründung neuer Völkerrechtsnormen herbei, sei die Rede von einer selbständigen Verständigungsvereinbarung, die das bestehende DBA ergänze (Cottier/Matteotti, Abkommen, S. 359).
3.7.5 Die Auffassung von Lehner liest sich allerdings etwas differenzierter, hält der Autor doch an besagter Stelle (DBA Kommentar, N. 154 zu Art. 25) Folgendes fest:
«Man könnte die Auslegungsvereinbarung als einen völkerrechtlichen Vertrag zur Ergänzung des DBA betrachten, gerichtet auf eine authentische Interpretation des DBA, gegebenenfalls auch auf dessen Änderung. Innerstaatliche Wirkungen könnte solch eine Vereinbarung aber nur nach den Grundsätzen des jeweils einschlägigen Verfassungsrechts erlangen. Ohne eine Mitwirkung des Parlaments somit nur in den Staaten, in denen völkerrechtliche Verträge innerstaatlich unmittelbar gelten (...), in denen eine Ermächtigung an die zuständigen Behörden verfassungsrechtlich zulässig ist, den Befehl zur innerstaatlichen Anwendung des Vertrags an Stelle des Parlaments zu erteilen. Da dies nur in wenigen OECD-Staaten in Betracht kommt, wird man Art. 25 Abs. 3 nicht dahin auslegen können, dass er zu einer so verstandenen völkerrechtlichen Vereinbarung ermächtigt. Die Auslegungsvereinbarung kann daher nur als eine Abrede unter Verwaltungen verstanden werden, das DBA in einem bestimmten Sinne anzuwenden. Sie bindet als solche die beteiligten Verwaltungen, soweit nicht das Abkommen, das innerstaatliche Recht oder verbindliche gerichtliche Entscheidungen dem entgegenstehen.»
Die Auffassung, dass Lehner die Auslegungsvereinbarung per se als völkerrechtlichen Vertrag zur Ergänzung eines DBA betrachte, der gegebenenfalls auch auf dessen Änderung gerichtet sei, vermag das Bundesverwaltungsgericht unter diesen Umständen nicht zu teilen.
3.7.6 Art. 25 Abs. 3 DBA-USA 96 hat im Wesentlichen denselben Wortlaut wie Art. 26 Abs. 3 des Doppelbesteuerungsabkommens zwischen der Schweiz und Deutschland (DBA-D, SR 0.672.913.62). Gemäss entsprechender Kommentierung (Land, Kommentar DBA-D, N. 31 zu Art. 26) sind Konsultationsvereinbarungen zwischenstaatliche Verwaltungsabkommen, durch welche der Inhalt des DBA nicht geändert werden könne. Die Grenzen für den Abschluss von Konsultationsvereinbarungen ergäben sich aus der verfassungsmässigen Bindung der zuständigen Behörden an Gesetz und Recht. Ihre spezifische Legitimation leiteten Konsultationsvereinbarungen daraus her, dass die zuständigen Behörden zu ihrem Abschluss durch den ersten Satz von Art. 26 Abs. 3 DBA-D ermächtigt seien und dass die Vereinbarungen nach dem erklärten Willen der Vertragsstaaten Schwierigkeiten und Zweifel der an besagtem Ort genannten Art beseitigen sollten. Hieraus folge die Bindungswirkung der Konsultationsvereinbarungen für die Behörden beider Länder. Diese Gegebenheiten seien auch von den Gerichten zu beachten. Letztere seien aber befugt zu überprüfen, ob sich die Konsultationsvereinbarung im Rahmen der eingeräumten Ermächtigung hielten und ob sie mit der innerstaatlichen Rechtsordnung vereinbar seien (Land, Kommentar DBA-D, N. 31 zu Art. 26).
3.7.7 Nach herrschender schweizerischer Lehre können die zuständigen Behörden im Rahmen eines Verständigungsverfahrens das DBA weder ergänzen noch abändern oder neue Rechte oder Pflichten einführen (Oberson, Précis, N. 940; Rivier, a.a.O., S. 123; vgl. auch Daniel Hufschmid, «Tax fraud and the like» - Die Voraussetzungen der Aufhebung des Bankgeheimnisses im Rahmen der Amtshilfe bei Steuerdelikten gemäss DBA-USA, in: ASA 72 S. 466 Fn. 153; Daniel Holenstein, Schweizerische Bankauskünfte an den ausländischen Fiskus, in: AJP 2005 S. 1045 ff., 1049 f., mit weiterem Hinweis; Markus Reich/Walter H. Boss, The Mutual Agreement Procedure under the Swiss Double Taxation Treaties, in: ASA 65 S. 275 ff., 287, mit weiteren Hinweisen).
3.7.8 Was sodann die Rechtswirkungen einer Konsultationsvereinbarung betrifft, so hat sich in der Schweiz als einer der ersten Reich ausführlich dazu geäussert. Allerdings geschah dies noch vor Inkrafttreten der VRK und unter der Geltung der alten Bundesverfassung, die in Art. 113 Abs. 3 vorsah, dass für das Bundesgericht die Bundesgesetze, die allgemein verbindlichen Bundesbeschlüsse sowie die von der Bundesversammlung genehmigten Staatsverträge verbindlich seien (alte Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 29. Mai 1874 [aBV, AS 1 1]). Zudem ist ein Hinweis darauf geschuldet, dass die Ausführungen von Reich wohl unter der Prämisse erfolgt sind, dass es im Anwendungsbereich von DBA nur (oder zumindest in den meisten Fällen) um die Beseitigung von Doppelbesteuerungen geht und nicht um die Frage, welcher Umfang der Amtshilfe in Steuer(straf)sachen zukommt (so auch Reich/Boss, a.a.O., S. 276). In diesem Sinn ist denn auch die Aussage Reichs zu verstehen, dass das Verständigungsverfahren nicht eine Lösung unter streng rechtlichen Kriterien herbeiführen, sondern nach Berücksichtigung aller Umstände eine billige und zwangslose Einigung unter Völkerrechtssubjekten ermöglichen wolle und somit helfe, die durch die DBA angestrebte wirtschaftspolitische Liberalisierung zu vervollkommnen und eine angemessene Verteilung des Steuersubstrats auf internationaler Ebene sicherzustellen (Reich, a.a.O., S. 40).

Für Reich stand fest, dass die Verständigungsvereinbarung, die sich auf das DBA stützte, aber von der Bundesversammlung nicht genehmigt werden musste, von Art. 113 Abs. 3 aBV nicht erfasst war und deshalb in einem konkreten Streitfall vorfrageweise auf ihre Übereinstimmung mit den ihr übergeordneten Bundesrechtsnormen geprüft werden konnte (Reich, a.a.O., S. 133). Der Umfang der akzessorischen Prüfung ergab sich aus Art. 113 Abs. 3 aBV. Das DBA als Delegationsgrundlage für die Verständigungsvereinbarung hingegen konnte auch unter dem Geltungsbereich der alten Bundesverfassung nicht auf seine Verfassungsmässigkeit hin untersucht werden. Reich hielt fest, dass die Verständigungsvereinbarung nur Recht intra legem, das heisst im Rahmen der Verständigungsklausel, zu begründen vermöge (Reich, a.a.O., S. 134). Damit war die Frage aufgeworfen, was in einem Fall zu geschehen hatte, da eine Verständigungsvereinbarung den ihr durch die Delegationsnorm gesteckten Rahmen überschritt: Nach Auffassung von Reich, die sich - wie gesagt - auf die alte Bundesverfassung stützte, wurde einer Verständigungsvereinbarung die Anwendung im Rahmen des akzessorischen Prüfungsrechts nicht wegen eines innerstaatlichen Hindernisses versagt. Grund für die Nichtanwendung bildete seiner Ansicht nach - schon damals - vielmehr die Diskrepanz zwischen der Verständigungsvereinbarung und dem einschlägigen DBA, das ebenfalls internationales Recht darstellte. Auch völkerrechtlich gesehen hätte damit die Verständigung nur Recht innerhalb des von der (im DBA enthaltenen) Verständigungsklausel gesteckten Rahmens zu erzeugen vermocht (Reich, a.a.O., S. 135). Was eine Verständigungsvereinbarung kann und was nicht, ergibt sich damit auch nach dieser Auffassung nicht aus dem innerstaatlichen Recht, sondern aus dem Völkerrecht selbst (vgl. auch Simonek, a.a.O., S. 123).
3.7.9 Als Landesberichterstatter der Schweiz für den Band LXVIa (1981) der Schriften zum Internationalen Steuerrecht erachtete sodann Lüthi als damaliger Chef der Abteilung für Internationales Steuerrecht und Doppelbesteuerungssachen der ESTV die in einem Verständigungsverfahren getroffenen Vereinbarungen als grundsätzlich verbindlich. Nach Ansicht der ESTV bestehe kein Grund, eine Bindung der Justizbehörden abzulehnen, sofern sich die Verständigungsbehörden im Rahmen der ihnen übertragenen Kompetenzen hielten (Daniel Lüthi, Landesbericht der Schweiz, in: Das Verständigungsverfahren - Verfahren und praktische Handhabung, Schriften zum Internationalen Steuerrecht, Band LXVIa, Boston/Antwerp/London/Frankfurt 1981, S. 398). Auslegungs- und Anwendungsfragen seien dabei im Sinn und Geist des Abkommens zu lösen; das Konsultationsverfahren bezwecke, bestehende materielle Bestimmungen zu erläutern und auszuführen, nicht aber diese zu ändern oder in einer Weise zu ergänzen, dass daraus neue Rechte oder Verpflichtungen entstünden. Schwieriger sei die Frage zu beurteilen, inwieweit die zuständigen Behörden befugt seien, im Abkommen nicht behandelte Fragen zu lösen. In Zweifelsfällen müsse dabei die Kompetenzfrage danach beurteilt werden, ob die beabsichtigte Verständigung mit dem ursprünglichen Vertragswillen vereinbart werden könne. Auf jeden Fall dürfe das Konsultationsverfahren nicht dazu verwendet werden, den ordentlichen Rechtssetzungsweg zu umgehen (Lüthi, a.a.O., S. 399; so auch der gleiche Autor, Das Verständigungsverfahren im internationalen Steuerrecht der Schweiz, in: Ernst Höhn [Hrsg.], Handbuch des internationalen Steuerrechts, Bern/Stuttgart/Wien, 2. Aufl. 1993, S. 425 ff., 435). Weitere Autoren verneinen eine Bindungswirkung für Justizbehörden schlechthin (Robert Waldburger, Assistance administrative et entraide judiciare internationales en matière fiscale, in: OREF [ordre romand des experts fiscaux diplomés; éd.], Les procédures en droit fiscal, 2 éd., Bern/Stuttgart/Wien 2005 [nachfolgend: Assistance], S. 1091 ff., 1102 f.; Urs R. Behnisch, Amtshilfe der Schweiz in Steuer(straf)sachen, insbesondere an die USA: Durcheinandertal [nachfolgend: Durcheinandertal], in: ASA 77 S. 737 ff., 741).
3.7.10 Demnach findet sich in der Literatur - soweit ersichtlich - kein Beleg, der dafür stritte, dass eine Konsultationsvereinbarung ein bestehendes DBA abändern dürfe (allenfalls anderer Meinung Cottier/Matteotti, Abkommen, S. 359 f., welche in ihren eigenen Ausführungen allerdings lediglich der Zulässigkeit von «Ergänzungen» das Wort reden). Eine Konsultationsvereinbarung hat sich an den Rahmen des «Stammabkommens», vorliegend also an Art. 26 DBA-USA 96 und die entsprechenden Passagen des dazugehörigen Protokolls zu halten. Wird der Rahmen gesprengt, wird die Konsultationsvereinbarung damit nicht zu einem Vertrag, der das bestehende Abkommen ändert und damit - als späterer Vertrag - im Sinn von Art. 30 Abs. 3 VRK dem früheren vorgeht (vgl. oben E. 3.4). Auch im Fall, da eine Konsultationsvereinbarung den Rahmen, welchen ihr das «Stammabkommen» setzt, überlappt, bleibt sie nur - aber immerhin - ein Mittel der Auslegung im Sinn von Art. 31 Abs. 3 Bst. a VRK. Dies ist der Stellenwert, welcher einer generellen Verständigungsvereinbarung durch das Völkerrecht zugewiesen wird.
3.7.11 Diese Einordnung der generellen Verständigungsvereinbarung deckt sich zum ersten mit derjenigen, welche die individuelle Verständigungsvereinbarung im Sinn von Art. 25 Abs. 1 und 2 DBA-USA 96 betrifft. Bezüglich dieser wird in der Lehre nämlich festgehalten, es gehe bei der (individuellen) Verständigung um die Vermeidung einer dem Abkommen nicht entsprechenden Besteuerung. Ziel des Verfahrens sei, das Drohen oder das Vorliegen einer Rechtsverletzung zu prüfen und nach Möglichkeit auszuräumen. Demgemäss sei im Rahmen des Verständigungsverfahrens zu untersuchen, ob der einer Entscheidung zugrunde gelegte Sachverhalt richtig ermittelt und daraus die nach dem Abkommen gebotene Rechtsfolge abgeleitet worden sei. Bei dieser rechtlichen Prüfung unterlägen die beteiligten Behörden den gleichen Bindungen, die sie beim Erlass von Massnahmen zu beachten hätten. Sie seien sowohl an das Abkommen als auch an das jeweilige innerstaatliche Recht gebunden; die Verständigungsvereinbarung könne weder das geltende Abkommensrecht noch das innerstaatliche Recht ändern (Lehner, in: DBA Kommentar, N. 73 zu Art. 25).
Zum zweiten entspricht sie ebenfalls der ausländischen Doktrin und Rechtsprechung, welche auch für ein schweizerisches Gericht von Interesse ist, zumal es um eine Frage des völkerrechtlichen Stellenwerts von Konsultationsvereinbarungen geht. So wird etwa ausdrücklich festgehalten, derartige Verständigungsvereinbarungen fielen unter Art. 31 Abs. 3 Bst. a VRK und stünden so auf der gleichen Auslegungsebene wie der Zusammenhang (John F. Avery Jones, The relationship between the mutual agreement procedure and internal law, EC Tax Review 1999 S. 4). Auf gleicher Stufe, wenn auch unter dem Titel der «nachträglichen Übung» im Sinn von Art. 31 Abs. 3 Bst. b VRK, wird betreffend Konsultationsvereinbarungen weiter darauf hingewiesen, eine solche Übung stelle nur solange ein taugliches Interpretationsinstrument dar, solange sie sich innerhalb der vom DBA gezogenen Grenzen bewege (Helmut Loukota, Das internationale Verständigungsverfahren als Instrument der DBA-Auslegung, Steuer und Wirtschaft International 2000 S. 299 ff., 303 ff.). Diesbezüglich wird denn auch - in Besprechung eines Entscheids des österreichischen Verwaltungsgerichtshofs vom 30. März 2006 zum DBA Österreich-Deutschland - festgehalten, keinesfalls könne «durch eine übereinstimmende - durch eine Verständigungsvereinbarung oder sonst bewirkte - <Übung> der Inhalt einer bilateralen Abkommensregelung geändert werden» (Michael Lang, Internationale Wirtschaftsbriefe 2006 S. 549 ff., 555). Der deutsche Bundesfinanzhof hat sodann unlängst in einem Art. 26 Abs. 3 DBA-D betreffenden Entscheid unter Bezugnahme auf Art. 31 Abs. 3 Bst. a und b VRK ausgeführt, eine generelle Verständigungsvereinbarung könne für die Abkommensauslegung bedeutsam sein, dies aber immer nur insofern, als sie nicht dem Abkommenswortlaut zuwiderlaufe. Dieser stelle «in abschliessender Weise die <Grenzmarke> für das <richtige> Abkommensverständnis dar» (Urteil des Bundesfinanzhofs I R 111/08 vom 1. September 2009 E. II 2/b/cc). Diese Auffassung findet sich schliesslich auch in einem Entscheid des Appellationsgerichts Gent, das zum DBA Belgien-Niederlande festhielt, die Verwaltungsbehörden der Vertragsstaaten könnten nicht gegen den Wortlaut der Übereinkunft auslegen und dabei den Vertrag ändern (Urteil des Appellationsgerichts Gent vom 3. Januar 2002, 1994/FR/154).

4.
4.1
4.1.1 Zur Klärung der Frage, ob die ESTV den USA im vorliegenden Fall Amtshilfe in Steuersachen leisten darf, sind vorab die einschlägigen Normen zu sichten. Ausgangspunkt hierfür bildet das DBA-USA 96, dessen Art. 26 mit dem Marginale «Informationsaustausch» in Abs. 1 Folgendes festhält:
Die zuständigen Behörden der Vertragsstaaten werden unter sich diejenigen (gemäss den Steuergesetzgebungen der beiden Vertragsstaaten erhältlichen) Auskünfte austauschen, die notwendig sind für die Durchführung der Bestimmungen dieses Abkommens oder für die Verhütung von Betrugsdelikten und dergleichen, die eine unter das Abkommen fallende Steuer zum Gegenstand haben. In Fällen von Steuerbetrug ist (a) der Informationsaustausch nicht durch Artikel 1 (Persönlicher Geltungsbereich) eingeschränkt und wird (b) die zuständige Behörde eines Vertragsstaates auf ausdrückliches Ersuchen der zuständigen Behörde des anderen Vertragsstaates die Auskünfte nach diesem Artikel durch Übermittlung beglaubigter Kopien von unveränderten Originalunterlagen und -dokumenten erteilen. Alle Informationen, die ein Vertragsstaat erhalten hat, sind ebenso geheim zu halten wie die aufgrund des innerstaatlichen Rechts dieses Staates beschafften Informationen und dürfen nur Personen oder Behörden (einschliesslich der Gerichte und der Verwaltungsbehörden) zugänglich gemacht werden, die mit der Veranlagung, Erhebung oder Verwaltung, der Vollstreckung oder Strafverfolgung oder mit der Entscheidung von Rechtsmitteln hinsichtlich der unter dieses Abkommen fallenden Steuern befasst sind. Diese Personen oder Behörden dürfen die Informationen nur für diese Zwecke verwenden. Auskünfte, die irgendein Handels- oder Geschäfts-, gewerbliches oder Berufsgeheimnis oder ein Geschäftsverfahren offenbaren würden, dürfen nicht ausgetauscht werden.

Die Vertragsstaaten haben das erwähnte Abkommen am 2. Oktober 1996 abgeschlossen. Die Bundesversammlung der Schweizerischen Eidgenossenschaft genehmigte es am 10. Oktober 1997 (AS 1999 1459). Der Austausch der Ratifikationsurkunden erfolgte am 19. Dezember 1997, auf welches Datum hin das Abkommen auch in Kraft trat (AS 1999 1460).
4.1.2 Anlässlich der Unterzeichnung des DBA-USA 96 haben die Vertragsstaaten weitere Bestimmungen vereinbart. Diese sind in einem Protokoll festgehalten, das integrierenden Bestandteil des DBA-USA 96 bildet. Ziff. 10 dieses Protokolls hält zu Art. 26 DBA-USA 96 Folgendes fest:
Es besteht Einvernehmen darüber, dass der Ausdruck «Abgabebetrug» ein betrügerisches Verhalten bedeutet, welches eine gesetzwidrige und wesentliche Herabsetzung des Betrags der einem Vertragsstaat geschuldeten Steuer bewirkt oder bezweckt.
Ein betrügerisches Verhalten wird angenommen, wenn ein Steuerpflichtiger sich zum Zwecke der Täuschung der Steuerbehörden einer falschen oder gefälschten Urkunde (beispielsweise einer doppelt geführten Buchhaltung, einer gefälschten Rechnung, einer inhaltlich unrichtigen Bilanz oder Gewinn- und Verlustrechnung, einer fiktiven Bestellung oder allgemein eines gefälschten Beweismittels) oder eines Lügengebäudes bedient oder zu bedienen beabsichtigt. Die vorstehende Aufzählung ist beispielhaft und nicht abschliessend. Der Ausdruck «Abgabebetrug» kann auch Handlungen einschliessen, die im Zeitpunkt, in dem ein Gesuch gestellt wird, als betrügerisches Verhalten gelten, für das der ersuchte Vertragsstaat nach seinem Recht oder seiner Verwaltungspraxis Auskünfte beschaffen kann.
Es besteht Einvernehmen darüber, dass der ersuchte Staat bei der Beurteilung, ob in einem Fall, der einen freien Beruf oder ein aktives Geschäft (auch in der Form eines Einzelunternehmens, einer Personengesellschaft oder eines ähnlichen Unternehmens) betrifft, ein Abgabebetrug vorliegt, davon ausgehen wird, dass die Buchführungspflichten nach dem Recht des ersuchenden Staates solche des ersuchten Staates sind.
Geschehen zu Washington am 2. Oktober 1996 im Doppel in deutscher und englischer Sprache, wobei jeder Wortlaut gleicherweise verbindlich ist.
4.1.3 Bei Art. 26 DBA-USA 96 in Verbindung mit Ziff. 10 des Protokolls handelt es sich um eine gegenüber der schweizerischen Abkommenspraxis erweiterte Auskunftsklausel. Die Informationspflicht wird nicht nur auf die für die «richtige Anwendung des Abkommens» notwendigen Auskünfte begrenzt (vgl. BGE 96 I 733 E. 2), sondern es wird den zuständigen Behörden erlaubt, unter sich diejenigen Auskünfte auszutauschen, die zur Verhütung von «Betrugsdelikten und dergleichen» im Zusammenhang mit einer unter das Abkommen fallenden Steuer notwendig sind. Zudem ist der Informationsaustausch nicht auf die abkommensberechtigten Personen (Art. 1 DBA-USA 96) beschränkt, so dass Auskünfte auch nicht ansässige Personen betreffen können (vgl. Urteil des Bundesverwaltungsgerichts A-7342/2008 vom 5. März 2009, veröffentlicht u.a. in ASA 77 S. 837 ff. E. 2 mit weiteren Hinweisen). Ein ähnlicher Passus, wie ihn nunmehr Art. 26 Abs. 1 DBA-USA 96 enthält, fand sich bereits im (alten) Doppelbesteuerungsabkommen mit den USA vom 24. Mai 1951 (vgl. den Abkommenstext in BBl 1951 II 285, 292 f.; vgl. Xavier Oberson, L'échange de renseignements sur la base de la nouvelle convention entre les Etats-Unis et la Suisse en vue d'éviter les doubles impositions en matière d'impôts sur le revenue [nachfolgend: échange], RDAF 1998 S. 235 ff., S. 238 ff.). Die entsprechenden Regelungen sind damit nicht denjenigen des OECD-MA nachgebildet (vgl. oben E. 3.6.2).
4.2
4.2.1 Am 23. Januar 2003 haben die Schweiz und die USA eine Vereinbarung betreffend die Anwendung von Art. 26 DBA-USA 96 (Vereinbarung 03, für die Quellenangabe vgl. Bst. B hievor) geschlossen. In Ergänzung zu Art. 26 DBA-USA 96 und zu Ziff. 10 des vorerwähnten Protokolls halten die beiden Vertragsparteien in Ziff. 1 der Vereinbarung 03 fest, es bestünde Einvernehmen darüber, dass Art. 26 DBA-USA 96 und Ziff. 10 des Protokolls so auszulegen seien, dass die Anstrengungen zur Anwendung und Durchsetzung des Steuerrechts beider Vertragsstaaten in grösstmöglicher Weise unterstützt würden. Gemäss Ziff. 2 der Vereinbarung 03 sind sich die beiden Vertragsparteien einig, dass der ersuchte Staat die Beurteilung, ob einem Begehren um Informationen entsprochen werden könne, aufgrund der nach dem Recht des ersuchenden Staates geltenden Verjährungsvorschriften, und nicht aufgrund seiner eigenen Verjährungsvorschriften vornehmen werde. In Ziff. 3 der Vereinbarung 03 wird zudem ausgeführt, dass der ersuchte Staat einem Begehren um Information entsprechen werde, ungeachtet dessen, ob der ersuchende Staat die Widerhandlung in einem administrativen oder strafrechtlichen Verfahren verfolge oder verfolgen könne.
4.2.2 Laut Ziff. 4 der Vereinbarung 03 besteht des Weiteren Einvernehmen darüber, dass die folgenden Verhaltensweisen ein «Betrugsdelikt und dergleichen» im Sinn von Art. 26 des DBA-USA 96 und der in Ziff. 10 des Protokolls enthaltenen Erläuterungen darstellten:
a. Ein Verhalten, welches darauf ausgerichtet ist, natürliche oder juristische Personen zu betrügen, selbst wenn dieses Verhalten nicht die Begehung eines Abgabebetrugs zum Ziel hat;
b. Das Vernichten von Unterlagen oder die Weigerung, Unterlagen einzureichen sowie die Unterlassung, richtige und vollständige Unterlagen zu erstellen und aufzubewahren, zu deren Erstellung oder Aufbewahrung eine Person aufgrund der Steuer- oder anderer Gesetze verpflichtet ist, um die Höhe von Bruttoeinkünften, Abzügen und Guthaben oder sonstige Angaben, die diese Person in einer Steuererklärung anzugeben hat, in genügender Weise zu belegen, sofern sie die betreffenden Beträge in einer solchen Steuererklärung nicht ordnungsgemäss deklariert hat; oder
c. Ein Verhalten einer im ersuchenden Staat steuerpflichtigen Person, das aus der Unterlassung, eine Steuererklärung einzureichen, zu deren Einreichung sie gesetzlich verpflichtet ist, in Verbindung mit einer Tathandlung besteht, die eine Täuschung der Steuerbehörden bewirkt, welche es diesen erschwert, die unterlassene Einreichung der Steuererklärung festzustellen oder zu verfolgen, einschliesslich der Verschleierung von Vermögenswerten oder Einkommensquellen oder der Abwicklung von Geschäften in einer Weise, durch welche die Erstellung der für solche Geschäfte üblichen Unterlagen vermieden wird.
Die beiden Vertragsparteien halten fest, dass die vorstehende Aufzählung nur beispielhaft und nicht abschliessend sei.
4.2.3 In Ziff. 5 der Vereinbarung 03 kommen die beiden Vertragsparteien ausserdem überein, dass der ersuchte Staat einem Begehren um Informationen entsprechen werde, wenn der ersuchende Staat einen begründeten Verdacht habe, dass das Verhalten ein Betrugsdelikt und dergleichen darstelle. Der Verdacht des ersuchenden Staates, wonach ein Betrugsdelikt und dergleichen vorliege, könne beruhen auf:
a. Urkunden (beglaubigt oder nicht beglaubigt), einschliesslich, aber nicht beschränkt auf, Geschäftsbücher, Kontobücher oder Bankbelege;
b. im Rahmen von Einvernahmen gemachten Aussagen des Steuerpflichtigen;
c. von einem Informanten oder einer sonstigen Drittperson erhaltenen Auskünfte, die in unabhängiger Weise erhärtet worden sind oder sonstwie glaubhaft erscheinen; oder
d. Indizienbeweisen.
Dabei halten die Vertragsparteien (erneut) fest, dass diese Aufzählung beispielhaft und nicht abschliessend sei.
4.2.4 Schliesslich besteht gemäss Ziff. 6 der Vereinbarung 03 Einvernehmen darüber, dass jedes der im Anhang aufgeführten hypothetischen Fallbeispiele 1 bis 14 ein Verhalten umschreibe, das als «Betrugsdelikt und dergleichen» im Sinn von Art. 26 Abs. 1 des DBA-USA 96 und Ziff. 10 des Protokolls gelte. Auch diese hypothetischen Fälle seien lediglich beispielhaft und nicht abschliessend.
4.3
4.3.1 Am 19. August 2009 schlossen die Schweiz und die USA eine weitere Vereinbarung, das bereits erwähnte Abkommen 09 (vgl. oben Bst. A). Dieses stützt sich ausdrücklich auf Art. 25 und Art. 26 DBA-USA 96 und enthält verschiedene Aspekte und Elemente. Zum einen auferlegen sich die Vertragsparteien gegenseitige Pflichten, wie insbesondere die schrittweise Einstellung des Vollstreckungsverfahrens im sogenannten «John Doe Summons-Verfahren» (JDS) durch die Vereinigten Staaten und die Pflicht, keine weitere Vollstreckung des JDS anzustreben (Art. 3 Ziff. 2 und 3 des Abkommens 09). Dies erfolgt insbesondere zugunsten der Durchführung eines Amtshilfeverfahrens gemäss Art. 26 DBA-USA 96 durch die Schweizerische Eidgenossenschaft anhand der im Anhang zum Abkommen 09 dargelegten Kriterien und in Erfüllung der einzelnen, in Art. 1 Abkommen 09 vereinbarten zeitlichen und organisatorischen Modalitäten (Art. 3 Ziff. 2 und 4 des Abkommens 09).
4.3.2 Zum anderen findet sich in Art. 2 des Abkommens 09 die Verpflichtung, dass die Vertragsparteien im Rahmen ihrer jeweiligen verfassungsmässigen Verfahren ihr Möglichstes tun, um das neue Protokoll, welches namentlich Art. 26 DBA-USA 96 ändert und am 18. Juni 2009 paraphiert bzw. am 23. September 2009 unterzeichnet wurde, unverzüglich zu ratifizieren. Daneben enthält das Abkommen 09 weitere Bestimmungen namentlich zu den Verpflichtungen der UBS AG (Art. 4) betreffend Überwachung, Konsultationen und andere Massnahmen (Art. 5), zur Vertraulichkeit (Art. 6) sowie zu den Rechten von Drittpersonen (Art. 7). Art. 8 bestimmt, dass das Abkommen 09 mit der Unterzeichnung in Kraft tritt. Sie kann nach Art. 9 durch schriftliche Vereinbarung der Vertragsparteien geändert werden, wobei Änderungen ebenfalls gemäss Art. 8 mit der Unterzeichnung in Kraft treten. Laut Art. 10 bleibt das Abkommen 09 in Kraft, bis beide Vertragsparteien schriftlich bestätigt haben, ihre in dieser Vereinbarung eingegangenen Verpflichtungen erfüllt zu haben.
4.3.3 Im Anhang zum Abkommen 09 werden - wie erwähnt - Kriterien zur Gewährung von Amtshilfe gemäss dem Amtshilfeersuchen des IRS umschrieben. Demnach gilt die allgemeine Voraussetzung zur Identifikation der unter ein Amtshilfeersuchen fallenden Personen in Übereinstimmung mit Ziff. 4 der Darstellung der Tatsachen im Deferred Prosecution Agreement zwischen den Vereinigten Staaten von Amerika und der UBS AG vom 18. Februar 2009 (DPA) für folgende Personen als erfüllt:
A. Kunden der UBS mit Wohnsitz in den USA, welche «undisclosed (non-W-9) custody accounts» und «banking deposit accounts» von mehr als CHF 1 Million (zu irgendeinem Zeitpunkt während des Zeitraums von 2001 bis 2008) der UBS direkt hielten und daran wirtschaftlich berechtigt waren, wenn diesbezüglich ein begründeter Verdacht auf «Betrugsdelikte und dergleichen» dargelegt werden kann [vgl. Ziff. 1 Bst. A Anhang Abkommen 09], oder
B. US-Staatsangehörige (ungeachtet ihres Wohnsitzes), welche an «offshore company accounts», die während des Zeitraums von 2001 bis 2008 eröffnet oder geführt wurden, wirtschaftlich berechtigt waren, wenn diesbezüglich ein begründeter Verdacht auf «Betrugsdelikte und dergleichen» dargelegt werden kann [vgl. Ziff. 1 Bst. B Anhang Abkommen 09].
Die Kriterien zur Bestimmung von «Betrugsdelikten und dergleichen» werden in Ziff. 2 des Anhangs zum Abkommen 09 wie folgt definiert:
A. Bei «undisclosed (non-W-9) custody accounts» und «banking deposit accounts» (wie in Ziffer 1.A dieses Anhangs beschrieben), bei denen ein begründeter Verdacht besteht, dass die Steuerpflichtigen mit Wohnsitz in den USA Folgendes begingen:
a. Als betrügerisches Verhalten vermutete Handlungen (wie in Ziffer 10, Absatz 2, erster Satz des Protokolls beschrieben), einschliesslich Handlungen, welche zu einer Verschleierung von Vermögenswerten und einer zu niedrigen Deklaration von Einkommen führten, basierend auf einem «Lügengebäude» oder dem Einreichen unrichtiger oder falscher Unterlagen. Wo solches Verhalten nachgewiesen worden ist, werden Inhaber von Konten mit Vermögenswerten von weniger als CHF 1 Million (mit Ausnahme von Konten mit Vermögenswerten von weniger als CHF 250'000.--) während des relevanten Zeitraums auch zur Gruppe der unter dieses Ersuchen fallenden US-Personen gezählt [vgl. Ziff. 2 Bst. A/a Anhang Abkommen 09 = Kategorie 2/A/a]; oder
b. Fortgesetzte und schwere Steuerdelikte, bei welchen die Schweizerische Eidgenossenschaft gemäss schweizerischem Recht und Verwaltungspraxis (wie in Ziffer 10, Absatz 2, dritter Satz des Protokolls beschrieben) Auskünfte beschaffen kann, was gestützt auf die rechtliche Auslegung der Vertragsparteien Fälle einschliesst, in welchen (i) der in den USA domizilierte Steuerpflichtige die Einreichung eines Formulars W-9 während eines Zeitraums von mindestens 3 Jahren (welcher mindestens ein vom Ersuchen umfasstes Jahr einschliesst) unterliess und (ii) das UBS-Konto in einer beliebigen Dreijahresperiode, welche mindestens ein vom Ersuchen umfasstes Jahr einschliesst, jährliche Durchschnittseinkünfte von mehr als CHF 100'000.-- erzielte. Für den Zweck dieser Analyse werden die Einkünfte definiert als Bruttoeinkommen (Zinsen und Dividenden) und Kapitalgewinne (welche zur Beurteilung der Hauptsache dieses Amtshilfeersuchens als 50 % der während des relevanten Zeitraums auf den Konten erzielten Bruttoverkaufserlöse berechnet werden) [vgl. Ziff. 2 Bst. A/b Anhang Abkommen 09 = Kategorie 2/A/b].
B. Bei «offshore company accounts» (wie in Ziffer 1.B dieses Anhangs beschrieben), bei denen ein begründeter Verdacht besteht, dass die wirtschaftlich berechtigten Amerikaner Folgendes begingen:
a. Als betrügerisches Verhalten vermutete Handlungen (wie in Ziffer 10, Absatz 2, erster Satz des Protokolls beschrieben), einschliesslich Handlungen, welche zu einer Verschleierung von Vermögenswerten und einer zu niedrigen Deklaration von Einkommen führten, basierend auf einem «Lügengebäude» oder dem Einreichen unrichtiger oder falscher Unterlagen, mit Ausnahme von US wirtschaftlich Berechtigten von Konten von Offshore-Gesellschaften, welche während des relevanten Zeitraums Vermögenswerte von weniger als CHF 250'000.-- innehielten [vgl. Ziff. 2 Bst. B/a Anhang V Abkommen 09 = Kategorie 2/B/a]; oder
b. Fortgesetzte und schwere Steuerdelikte, bei welchen die Schweizerische Eidgenossenschaft gemäss schweizerischem Recht und Verwaltungspraxis (wie in Ziff. 10, Absatz 2, dritter Satz des Protokolls beschrieben) Auskünfte beschaffen kann, was gestützt auf die rechtliche Auslegung der Vertragsparteien Fälle einschliesst, in welchen es die US-Person trotz Aufforderung der ESTV zu beweisen unterliess, dass die Person ihre steuerrechtlichen Meldepflichten in Bezug auf ihre Interessen an solchen Offshore- Gesellschaften erfüllte (d.h. durch Ermächtigung der ESTV, beim IRS Kopien der FBAR-Erklärungen des Steuerpflichtigen für die relevanten Jahre einzuholen). Bei Fehlen einer solchen Bestätigung wird die ESTV Auskunft erteilen, sofern (i) das Konto der Offshore-Gesellschaft während eines längeren Zeitraums bestand (d.h. mindestens 3 Jahre, einschliesslich eines vom Ersuchen umfassten Jahres) und (ii) es in einer beliebigen Dreijahresperiode, welche mindestens ein vom Ersuchen umfasstes Jahr einschliesst, jährliche Durchschnittseinkünfte von mehr als CHF 100'000.-- erzielte. Für den Zweck dieser Analyse werden die Einkünfte definiert als Bruttoeinkommen (Zins und Dividenden) und Kapitalgewinne (welche zur Beurteilung der Hauptsache dieses Amtshilfeersuchens als 50 % der während des relevanten Zeitraums auf den Konten erzielten Bruttoverkaufserlöse berechnet werden) [vgl. Ziff. 2 Bst. B/b Anhang 09 = Kategorie 2/B/b].

5.
5.1
Bestehen - wie hier mit dem DBA-USA 96, dem Abkommen 09 und der VRK - verschiedene grundsätzlich unter das Anwendungsgebot von Art. 190 BV fallende Verträge, so ist die Frage zu beantworten, in welchem Verhältnis diese zueinander stehen (vgl. oben E. 3.1.1 f.). Dies hat vor dem Hintergrund des für das gesamte vorliegende Verfahren zentralen, in Art. 26 DBA-USA 96 enthaltenen Begriffs der «Betrugsdelikte und dergleichen» zu geschehen. Ausgangspunkt für die Lösung ist die Klärung, nach welchen Regeln das DBA-USA 96 und das dazugehörige Protokoll auszulegen sind.

5.2 In geringfügiger Abweichung zum OECD-MA bestimmt Art. 3 Abs. 2 DBA-USA 96:
«Bei der Anwendung dieses Abkommens durch einen Vertragsstaat hat jeder im Abkommen nicht definierte Ausdruck die Bedeutung, die ihm nach dem Recht dieses Staates über die Steuern zukommt, für die dieses Abkommen gilt, ausser wenn der Zusammenhang etwas anderes erfordert oder die zuständigen Behörden sich nach Art. 25 (Verständigungsverfahren) auf eine gemeinsame Auslegung geeinigt haben.»

5.3 Art. 3 Abs. 2 DBA-USA 96, der zu den allgemeinen Auslegungsregeln der VRK im Verhältnis der Spezialität steht (vgl. auch oben E. 3.6), seinerseits aber selber nach den Regeln der VRK auszulegen ist (Engelen, a.a.O., S. 549), regelt allerdings nur die Auslegung jener Ausdrücke, die das Abkommen selber verwendet (Vogel, in DBA Kommentar, N. 101 f. zu Art. 3). Zudem wird die Anordnung von Art. 3 Abs. 2 DBA-USA 96 nur dann relevant, wenn ein Begriff im Abkommen selber nicht definiert ist. Nur für diesen Fall geht Art. 3 Abs. 2 DBA-USA 96 den allgemeinen Auslegungsbestimmungen von Art. 31 und 32 VRK vor, und zwar in der Form, dass er anordnet, in welcher Reihenfolge Abkommensrecht und innerstaatliches Recht heranzuziehen sind (Gerd Erhard, in Kommentar DBA-D, N. 155 zu Art. 3). Art. 3 Abs. 2 DBA-USA 96 verhindert, dass ein Begriff «definitionslos» bleibt. Die Verweisung stammt aus der angloamerikanischen Vertragspraxis und mag ihre Erklärung im Absicherungsinteresse der Vertragsstaaten finden, ihrem Bestreben, die eigene Souveränität auch im Rahmen einer Abkommensbindung noch, soweit möglich, zu wahren (Vogel, in: DBA Kommentar, N. 100 zu Art. 3).

5.4 Aufgrund des Gesagten ist nachfolgend zu prüfen, ob der in Art. 26 DBA-USA 96 verwendete und vorliegende Ausdruck «Betrugsdelikte und dergleichen» im Abkommen definiert wird.
Art. 3 Abs. 1 DBA-USA 96, der Begriffe wie «Person», «Gesellschaft» oder «Staatsangehörige» umschreibt, enthält keine Definition von «Betrugsdelikte und dergleichen». Die in Art. 3 Abs. 1 DBA-USA 96 enthaltene Aufzählung ist jedoch nicht abschliessend: Ein Begriff kann auch an einer anderen Stelle des Abkommens oder in einem Protokoll umschrieben sein (so auch Erhard, in: DBA Kommentar-D, N. 12 ff. zu Art. 3). Tatsächlich erfährt der Begriff «Betrugsdelikte und dergleichen» in Ziff. 10 des Protokolls zum DBA-USA 96 eine umfassende Umschreibung (Oberson, échange, S. 242; ders., Précis, N. 981). Damit ergibt sich, dass der Begriff «Betrugsdelikte und dergleichen» einen im Sinn von Art. 3 Abs. 2 DBA-USA 96 im Abkommen definierten Ausdruck darstellt. In Befolgung der Auslegungsregel von Art. 3 Abs. 2 DBA-USA 96 bleibt damit der in diesem Absatz enthaltene Passus «ausser wenn der Zusammenhang etwas anderes erfordert oder die zuständigen Behörden sich nach Artikel 25 (Verständigungsverfahren) auf eine gemeinsame Auslegung geeinigt haben» ohne Bedeutung.
5.5
5.5.1 Damit ist nun in einem weiteren Schritt die Auslegung des in Art. 26 DBA-USA 96 und in Ziff. 10 des dazu gehörenden Protokolls enthaltenen Begriffs «Betrugsdelikte und dergleichen» nach den Bestimmungen der VRK in Angriff zu nehmen (vgl. oben E. 3.5). Zu berücksichtigen ist dabei Art. 31 Abs. 3 Bst. a VRK, wonach auch jede spätere Übereinkunft zwischen den Vertragsparteien über die Auslegung des Vertrags oder die Anwendung seiner Bestimmungen zu berücksichtigen ist. Damit ist die Frage zu beantworten, ob es sich beim Abkommen 09 als Verständigungsvereinbarung um eine solche spätere Übereinkunft im Sinn von Art. 31 Abs. 3 Bst. a VRK handelt.
5.5.2 Sowohl bei der Vereinbarung 03 wie auch (zumindest) bei den für das vorliegende Verfahren relevanten Elementen des Abkommens 09, nämlich denjenigen betreffend Kriterien zur Gewährung von Amtshilfe gemäss dem Amtshilfeersuchen, handelt es sich um eine Verständigungsvereinbarung im Sinn von Art. 25 DBA-USA 96. Währenddem sich dies für die Vereinbarung 03 aus der von den Parteien selbst gewählten Überschrift, den beteiligten Verwaltungen sowie insbesondere den inhaltlichen Äusserungen über Auslegungsfragen ergibt, folgt dies für das Abkommen 09 aus folgenden Elementen: Zum ersten haben sich die Parteien, denen mangelnde Rechtskenntnis zu unterstellen nicht angehen kann, ausdrücklich auf Art. 25 und Art. 26 des DBA-USA 96 berufen. Weiter betonen die Parteien im Abkommen 09, dass sie danach streben, die langjährige und enge Freundschaft zwischen ihren Völkern erneut zu bekräftigen und die zwischen den beiden Ländern bestehende partnerschaftliche Beziehung fortzuführen und zu bereichern. Gleichzeitig weisen sie darauf hin, dass sie eine gegenseitige Achtung für ihre Souveränität und demokratischen Traditionen sowie für die Rechtsstaatlichkeit teilen, ebenso den Wunsch, Streitigkeiten einvernehmlich und in Übereinstimmung mit dem Recht beider Staaten beizulegen. Dann halten die Parteien in Art. 2 des Abkommens 09 fest, dass sie sich verpflichten, das neue Protokoll, welches Art. 26 des bestehenden DBA-USA 96 ändert und am 18. Juni 2009 paraphiert worden ist, so rasch als möglich, jedoch nicht später als bis zum 30. September 2009, zu unterzeichnen. Die Parteien versprechen sich weiter, ihr Möglichstes zu tun, um das neue Protokoll unverzüglich zu ratifizieren, und bringen damit zum Ausdruck, dass ihnen bewusst ist, dass die Änderung des bestehenden DBA eines verfassungsmässigen Verfahrens bedarf. Gleichzeitig zeigt der Passus, dass nicht mit dem Abkommen 09, sondern in einem ordentlichen Revisionsverfahren eine Änderung des bestehenden DBA hinsichtlich der Voraussetzungen und des Umfangs der Amtshilfe in Steuersachen vollzogen werden muss. Aufgrund der Ausführungen der Parteien kann damit nicht der Schluss gezogen werden, das Abkommen 09 stehe mit dem DBA-USA 96 völkerrechtlich auf der gleichen Stufe (so aber Cottier/Matteotti, Abkommen, S. 360, wobei auch diese Autoren den Charakter des Abkommens 09 als Verständigungsvereinbarung betonen; vgl. auch Benoit, a.a.O, insb. S. 456, die bezüglich völkerrechtlicher Normen einzig die Hierarchieebenen jus cogens, Charta der Vereinten Nationen und schliesslich das übrige Völkerrecht nennt). Es ist vielmehr davon auszugehen, dass die Parteien, wie sie selber mit dem Hinweis auf Art. 25 DBA-USA 96 zeigen, eine Verständigungsvereinbarung haben abschliessen wollen (vgl. auch oben E. 3.7).
5.5.3 Ist, wie eben dargelegt, davon auszugehen, dass es sich beim Abkommen 09 zumindest in den für das vorliegende Verfahren relevanten Passagen um eine Verständigungsvereinbarung handelt, so hat sich dieses an das Stammabkommen zu halten und stellt es innerhalb des Rahmens von Art. 26 DBA-USA 96 ein Element von dessen Auslegung im Sinn von Art. 31 Abs. 3 Bst. a VRK dar (vgl. oben E. 3.7.10). Diese Auffassung wird im Übrigen auch in jüngst erschienener Literatur vertreten, indem für das Abkommen 09 darauf hingewiesen wird, der Bundesrat habe im Vorfeld des Abschlusses des Abkommens 09 «... die Bereitschaft der Schweiz affirmativ kommuniziert, den bestehenden Rechtsrahmen der Steuerzusammenarbeit auszuschöpfen...» (Michael Leupold/Susanne Kuster, Hintergrund und Zustandekommen des Abkommens über ein Amtshilfegesuch betreffend UBS AG, in: ASA 78 S. 345 ff., 346 [Hervorhebung nur hier]). Zur Durchführung des Amtshilfeverfahrens seien in einem Anhang zum Abkommen bestimmte Kriterien festgelegt worden, «die sich auf das geltende DBA USA stützen. Die Kriterien im Anhang konkretisieren den im Doppelbesteuerungsabkommen verwendeten Begriff von <Betrugsdelikten und dergleichen> in Bezug auf die Kunden der UBS AG...» (Leupold/Kuster, a.a.O., S. 347 [Hervorhebung nur hier]). Im Übrigen gehen auch die USA davon aus, dass mit Verständigungsvereinbarungen keine Probleme von grosser politischer Bedeutung gelöst werden können (Richard L. Doernbert/Kees van Raad, The 1996 United States Model Income Tax Convention: Analysis, Commentary and Comparison, Den Haag/London/Boston 1997, S. 220 mit Hinweis auf die US Model Technical Explanation, 1996, Art. 25, para. 376).

5.6
5.6.1 Wie dargelegt ist davon auszugehen, dass es sich beim Abkommen 09 zumindest in den für das vorliegende Verfahren relevanten Passagen um eine Verständigungsvereinbarung handelt (vgl. oben E. 5.5.2), welche innerhalb des Rahmens von Art. 26 DBA-USA 96 ein Element von dessen Auslegung im Sinn von Art. 31 Abs. 3 Bst. a VRK darstellt (vgl. oben E. 3.7, insbesondere E. 3.7.10). Dies hat zur Folge, dass die unter diesen Voraussetzungen noch bleibenden Fragen ohne Weiterungen beantwortet werden können: Diejenige nach der innerstaatlichen Kompetenzordnung und der damit verbundenen Verbindlichkeit des Abkommens 09 im Licht von Art. 26 und 46 VRK (vgl. oben E. 3.3.2 f., ausgeführt unten E. 5.6.2) sowie diejenige des bundesverfassungsrechtlichen Anwendungsgebots von Art. 190 BV (vgl. oben E. 3.1, ausgeführt unten E. 5.6.3).
5.6.2 Das Abkommen 09 wurde seitens der Schweiz vom Chargé d'Affaires a.i. der schweizerischen Botschaft in Washington und seitens der USA vom Deputy Commissioner (International) des IRS unterzeichnet, wobei im Abkommen ausdrücklich darauf hingewiesen wird, die Unterzeichnenden seien von ihren jeweiligen Regierungen ordnungsgemäss dazu ermächtigt worden (in der nach dem Abkommen massgebenden englischen Fassung: «... the undersigned, duly authorized thereto by their respective governments, ...»). Zum Abschluss einer Verständigungsvereinbarung, war der Bundesrat ohne weiteres zuständig (vgl. oben E. 3.7.2). Er seinerseits durfte die entsprechende Ermächtigung nach Art. 48a RVOG wieder an andere, ihm untergeordnete Einheiten erteilen (Cottier/Matteotti, Abkommen, S. 357 f., auch zum Folgenden). Da Verständigungsvereinbarungen lediglich ein Auslegungselement im Rahmen der Auslegung des Stammabkommens darstellen (vgl. oben E. 5.6.1), ist ein Fall von Art. 46 VRK, also eine Ungültigkeit des Staatsvertrags (vgl. oben E. 3.3.2 f.), ausgeschlossen.
5.6.3 Das Verhältnis verschiedener völkerrechtlicher Verträge untereinander ist vor Eintritt in den Anwendungsbereich von Art. 190 BV zu klären (vgl. oben E. 3.1.2). In diesem im Sinn der vorstehenden Erwägungen ausgelegten und bezüglich ihres Verhältnisses geklärten Status treffen das DBA-USA 96 und das Abkommen 09 auf Art. 190 BV; dieses «Produkt» - und nicht die einzelnen Abkommen als solche - wird von Art. 190 BV als massgebendes Völkerrecht als für das Bundesverwaltungsgericht verbindlich erklärt.

5.7 Durch diese bereits durch das Völkerrecht selbst vorgegebene Einordnung der Konsultationsvereinbarung wird im Übrigen auch eine landesrechtskonforme Umsetzung des Völkerrechts ermöglicht (vgl. oben E. 3.1.2). Ob der Bundesrat bei alledem unter Umständen auch hätte anders handeln können, etwa durch Vorlage des Abkommens 09 an das Parlament, bleibt für das vorliegende Verfahren ebenso unerheblich wie der Umstand, dass der Bundesrat - zur Absicherung der in Art. 166 Abs. 2 BV enthaltenen verfassungsrechtlichen Ordnung - über die im Jahr 2009 von ihm, den Departementen, Gruppen oder Bundesämtern abgeschlossenen Verträge, zu welchen auch das Abkommen 09 zählt, dem Parlament ohnehin noch Bericht zu erstatten hat (Art. 48a Abs. 2 RVOG, vgl. auch den Bericht des Bundesrates vom 6. Mai 2009 über die im Jahr 2008 abgeschlossenen internationalen Verträge, BBl 2008 3685 ff.; vgl. demgegenüber aber Simonek, a.a.O., S. 125, wonach von der ESTV abgeschlossene generelle Verständigungsvereinbarungen nicht in die Berichterstattung einbezogen würden). Irrelevant ist damit für das vorliegend zu entscheidende Verfahren auch, dass - zumindest theoretisch - die Möglichkeit besteht, dass das Abkommen 09 noch mittels Motion einer parlamentarischen Debatte bzw. Genehmigung oder Ablehnung zugeführt werden könnte (vgl. dazu Thomas Cottier, Einleitung und Synthesen, in: Cottier/Achermann/Wüger/Zellweger, a.a.O., S. 17; Daniel Thürer, in: St. Galler Kommentar, N. 46 zu Art. 166 BV; Sägesser, a.a.O., N. 15 ff. zu 48a RVOG).

5.8 Aus dem vorstehend Dargelegten ergibt sich mithin, dass der im Amtshilfeersuchen vorgebrachte Sachverhalt einzig im Licht des auszulegenden DBA-USA 96 zu beurteilen ist und die im Abkommen 09 dargelegten Konstellationen (oben E. 4.3.3) nur dann und insoweit Anwendung finden können, als sie sich im Rahmen des DBA-USA 96 bewegen (so auch Waldburger, Rechtsnatur, Ziff. 4.1 S. 3).

6.
6.1 In einem nächsten Schritt ist damit zu prüfen, ob das im Amtshilfegesuch dargelegte Verhalten als «Betrugsdelikte und dergleichen» im Sinn von Art. 26 DBA-USA 96 und Ziff. 10 des Protokolls zum Staatsvertrag gilt und, bejahendenfalls, ob die im Amtshilfegesuch enthaltene Schilderung einen hinreichenden Verdacht auf Vorliegen des als amtshilfefähig erkannten Verhaltens zu begründen vermag. Sowohl die Vereinbarung 03 wie auch das Abkommen 09 sind dabei als das heranzuziehen, was sie sind, nämlich als Verständigungsvereinbarungen im Sinn von Art. 25 DBA-USA 96 bzw. Auffassungen der Verwaltungen beider Vertragsstaaten über die Auslegung von Art. 26 DBA-USA 96 (vgl. oben E. 5). Dass sich die ESTV ihrerseits beim Erlass der angefochtenen Schlussverfügung an diese im Abkommen 09 niedergeschriebene Auffassung hielt bzw. zum damaligen Zeitpunkt halten musste (vgl. oben E. 3.7.5), ändert daran nichts.

6.2 Beim vorliegenden Sachverhalt handelt es sich laut den Angaben in der angefochtenen Schlussverfügung der ESTV vom 17. November 2009 um einen solchen der Konstellation 2/A/b gemäss Anhang zum Abkommen 09. Gemäss den Angaben der ESTV besteht bezüglich der Beschwerdeführerin mit Wohnsitz in den USA ein ausreichender Verdacht, dass diese als Inhaberin und wirtschaftlich Berechtigte eines «undisclosed (non-W-9) custody accounts» ein fortgesetztes und schweres Steuerdelikt begangen habe (vgl. zum detaillierten Inhalt der Konstellation 2/A/b oben E. 4.3.3). Beim in Frage stehenden Sachverhalt spielen damit unbestrittenermassen weder gefälschte bzw. unwahre Urkunden noch eigentliche Lügengebäude eine Rolle. Zu prüfen ist somit einzig, ob der im Amtshilfeersuchen geschilderte Sachverhalt betreffend fortgesetztes und schweres Steuerdelikt dennoch ein betrügerisches Verhalten im Sinn des nach Art. 31 VRK auszulegenden massgebenden Art. 26 DBA-USA 96 in Verbindung mit Ziff. 10 des Protokolls zum Staatsvertrag darstellen kann. Heranzuziehen ist dabei auch der aufgrund der Anweisung im DBA-USA 96 im Sinn von Art. 33 Abs. 1 VRK gleichfalls massgebende englische Text (vgl. oben E. 3.5.5), sofern dieser zusätzlichen Erkenntnisgewinn zu bringen vermag; grundsätzlich wird nachfolgend allerdings auf die ebenfalls authentische deutsche Fassung des DBA-USA 96 abgestellt.

6.3 Wie dargestellt, wird der in Art. 26 DBA-USA 96 enthaltene Begriff «Betrugsdelikte und dergleichen» im Protokoll definiert (oben E. 5.4). In der Lehre umstritten ist dabei, was die Wendung «und dergleichen» zu bedeuten habe (vgl. etwa Hufschmid, a.a.O., S. 457). Einzubeziehen ist dabei im Licht der massgebenden Auslegungsregeln von Art. 31 Abs. 1 VRK der eigentliche Regelungsgegenstand des DBA-USA 96, nämlich die Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen (vgl. oben A). Die Wendung «und dergleichen» kann so nur bedeuten, dass man über das, was nach nationalem schweizerischen Recht bereits als Steuerbetrug bei den Steuern vom Einkommen anzusehen ist (Art. 186 des Bundesgesetzes vom 14. Dezember 1990 über die direkte Bundessteuer [DBG, SR 642.11]; Art. 59 des Bundesgesetzes vom 14. Dezember 1990 über die Harmonisierung der direkten Steuern der Kantone und Gemeinden [StHG, SR 642.14]), hinausgehen und Delikte mit ähnlichem Unrechtsgehalt dem Steuerbetrug gleichstellen wollte. Hätten die Vertragsparteien genau das, was nach schweizerischem Recht Steuerbetrug darstellt, als amtshilfefähig erklären wollen, so hätte es der Passage «und dergleichen» nicht bedurft. Es ist aber ebenso offenkundig, dass der Passus «und dergleichen» für sich allein noch überhaupt nichts besagt, weshalb er im Protokoll genauer umschrieben werden musste. In Ziff. 10 des Protokolls, die sich ausdrücklich auf Art. 26 DBA-USA 96 bezieht, ist denn auch nicht mehr von «Betrugsdelikten und dergleichen» oder von «Steuerbetrug» (Art. 26 Abs. 1 Satz. 2 DBA-USA 96) die Rede, sondern es erscheint der Begriff des «Abgabebetrugs». Angesichts der ebenfalls authentischen englischen Version des DBA-USA 96, welche ausschliesslich den Begriff des «tax fraud» verwendet, und im Licht der Bestimmungen von Art. 33 Abs. 3 VRK (vgl. oben E. 3.5.5), wird so in Anwendung der massgebenden Auslegungsregeln von Art. 31 VRK klar, dass - in schweizerische Terminologie gegossen - im Amtshilfebereich vom gegenüber der Regelung des Steuerbetrugs von Art. 186 DBG (bzw. Art. 59 StHG) weiteren Betrugsbegriff von Art. 14 Abs. 2 des Bundesgesetzes vom 22. März 1974 über das Verwaltungsstrafrecht (VStrR, SR 313.0) auszugehen ist. Dies entspricht denn auch ständiger Auslegung der schweizerischen Gerichte zu Amtshilfefragen (Urteil des Bundesverwaltungsgerichts A-7342/2008 vom 5. März 2009, a.a.O., E. 5.3; anstelle aller Urteil des Bundesgerichts 2A.608/2005 vom 10. August 2006 E. 1 in fine mit zahlreichen weiteren Hinweisen; vgl. auch anstelle vieler Walter Frei/Tobias Rohner, US-Amtshilfe in Steuersachen, Zürcher Steuerpraxis 2009 S. 271 ff., 279 f.; a.M., den Einbezug des Abgabebetrugs im Sinn von Art. 14 Abs. 2 VStrR ablehnend Behnisch, Durcheinandertal, S. 741 f. mit weiteren Hinweisen; vgl. auch ders., Aktuelle Entwicklungen in der Amts- und Rechtshilfe im Steuerbereich, in: Stephan Breitenmoser/Bernhard Ehrenzeller [Hrsg.], Aktuelle Fragen der internationalen Amts- und Rechtshilfe, St. Gallen 2009, S. 249 ff., 252 f., der auch hier einzig den Steuerbetrug als amtshilfefähig bezeichnet). Ziff. 10 des Protokolls bezieht sich dabei auf den ganzen Art. 26 DBA-USA 96 und umschreibt damit alles, was als amtshilfefähig zu gelten hat (Waldburger, Amtshilfe, S. 4 Ziff. 3 in fine, S. 22 ff. Ziff. 43.43; a.M. wohl Hufschmid, a.a.O., S. 457, der dem «dergleichen» eine eigenständige Bedeutung zumisst). Es gibt denn auch keine andere Passage im DBA-USA 96, aus der hervorgeht, was weiter unter dem Begriff «Betrugsdelikte und dergleichen» zu verstehen wäre. Die Vereinbarung 03 und das Abkommen 09 enthalten zwar - zumindest teilweise - derartige Ausführungen; diese beiden Auslegungsvereinbarungen vermögen aber, wie mehrfach dargelegt, das DBA-USA 96 weder zu ergänzen noch abzuändern (vgl. oben E. 5).
6.4
6.4.1 Ziff. 10 des Protokolls nun ist dergestalt strukturiert, dass zuerst von Abgabebetrug - der «Betrugsdelikte und dergleichen» meint (vgl. oben E. 6.3) - die Rede ist. Hierzu wird festgehalten, dass dies ein betrügerisches Verhalten bedeute, welches eine gesetzwidrige und wesentliche Herabsetzung des Betrags der einem Vertragsstaat geschuldeten Steuer bewirke oder bezwecke (vgl. oben E. 4.1.2). Die Kausalität verläuft damit nach dem unmissverständlichen, in Anwendung der Auslegungsregeln von Art. 31 VRK zu beachtenden Wortlaut so, dass durch ein betrügerisches Verhalten die Herabsetzung des Steuerbetrags verursacht wird. Mit anderen Worten muss demnach zuerst ein betrügerisches Verhalten vorliegen, durch welches dann die Herabsetzung des Steuerbetrags verursacht wird. Hingegen kann dem massgebenden Text umgekehrt nicht entnommen werden, ein betrügerisches Verhalten liege schon dann vor, wenn eine wesentliche Herabsetzung des Steuerbetrags erfolgt sei. Diesen Schluss zu ziehen, hiesse die im DBA-USA 96 selbst angelegte Kausalität zu verkennen.
6.4.2 Sodann wird im zweiten Absatz von Ziff. 10 des Protokolls in Satz 1 ausgeführt, in welchen Fällen ein betrügerisches Verhalten vorliege: Hier wird zuerst ausgeführt, ein solches liege vor, wenn ein Steuerpflichtiger sich zum Zweck der Täuschung der Steuerbehörden einer falschen oder gefälschten Urkunde oder eines Lügengebäudes bediene oder zu bedienen beabsichtige (vgl. oben E. 4.1.2). Damit wird bereits für den Zeitpunkt des Vertragsabschlusses des DBA-USA 96 festgehalten, dass nach schweizerischer Lesart nicht nur der Steuer-, sondern eben auch der Abgabebetrug unter den abkommensautonom zu bestimmenden Begriff «Betrugsdelikte und dergleichen» fällt (vgl. oben E. 6.3).

Freilich ist in Satz 2 des zweiten Absatz von Ziff. 10 des Protokolls auch enthalten, die vorstehende Aufzählung sei beispielhaft und nicht abschliessend. Satz 3 fährt fort, der Ausdruck «Abgabebetrug» - also «Betrugsdelikte und dergleichen» - könne auch Handlungen einschliessen, die im Zeitpunkt, in dem ein Gesuch gestellt werde, als betrügerisches Verhalten gälten, für das der ersuchte Vertragsstaat nach seinem Recht oder seiner Verwaltungspraxis Auskünfte beschaffen könne (vgl. oben E. 4.1.2). Damit wurde nur (aber immerhin) die Amtshilfe auf dasjenige Verhalten ausgedehnt, das nach nationalem Recht als betrügerisch gilt und dort zusätzlich auch zur Auskunftsbeschaffung führen kann, also eben auch der Abgabebetrug im Sinn von Art. 14 VStrR miteinbezogen. Das entspricht im Übrigen auch der bundesgerichtlichen Rechtsprechung, wonach ein Abgabebetrug nicht notwendigerweise durch Verwendung falscher oder gefälschter Urkunden begangen werden muss. Ein betrügerisches Verhalten wird nämlich bereits dann angenommen, wenn ein Steuerpflichtiger zum Zweck der Täuschung der Steuerbehörden sich schwer durchschaubarer Machenschaften bedient, um eine gesetzwidrige und wesentliche Herabsetzung der Steuer zu bewirken. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts sind jedoch immer besondere Machenschaften, Kniffe oder ein eigentliches Lügengebäude erforderlich. Eine einfache Lüge erfüllt das Arglistelement demnach grundsätzlich nicht (anstelle aller Urteil des Bundesgerichts 2A.608/2005 vom 10. August 2006 E. 1 in fine mit zahlreichen weiteren Hinweisen; vgl. auch Holenstein, a.a.O., S. 1050). Schweigen gilt dann als Arglist, «wenn der Täuschende den Getäuschten von einer möglichen Überprüfung abhält oder voraussieht, dass dieser mit Rücksicht auf ein besonderes Vertrauensverhältnis von einer Überprüfung absehen wird» (Urteil des Bundesgerichts 1A.244/2002 vom 24. Oktober 2003 E. 3.1, besprochen von Urs. R. Behnisch, Neuere Entwicklungen in der internationalen Rechtshilfe im Steuerstrafrecht, Festschrift für Walter Ryser, Bern 2005, S. 289 ff., 296 ff.). Erneut geht es aber auch hier angesichts des an Klarheit nichts offen lassenden Wortlauts von Satz 3 des zweiten Absatzes von Ziff. 10 des Protokolls nicht an, die Kausalität umzudrehen: Aus diesem lässt sich gerade nicht schliessen, dass alle Handlungen, bei deren Vorliegen nach nationalem Recht eine «Auskunftsbeschaffung» erfolgen könnte, auch als betrügerisch zu gelten hätten.
6.4.3 Genau eine solche unzulässige Umkehr des Kausalitätsverlaufs wird jedoch vorgenommen, wenn gesagt wird, nach schweizerischem Recht könnten auch in Fällen schwerer Steuerwiderhandlungen (vgl. Art. 190 ff. DBG) Auskünfte beschafft werden, entsprechend und in Verbindung mit Art. 26 DBA-USA 96 beziehungsweise dem dazugehörigen Protokoll würde sodann auch die Hinterziehung grosser Steuerbeträge amtshilfefähig. Bei dieser Argumentation wird übersehen, dass auch im schweizerischen Recht eine «schwere» Steuerhinterziehung eine Steuerhinterziehung bleibt und nicht betrügerisch wird, nur weil sie in den verfahrensrechtlichen Anwendungsbereich von Art. 190 ff. DBG fallen könnte (so auch Behnisch, Durcheinandertal, S. 775). Die Grösse der betroffenen Steuerbeträge ist denn auch nicht entscheidend für die Anwendung der Regelungen von Art. 190 ff. DBG (Felix Richner/Walter Frei/Stefan Kaufmann/Hans Ulrich Meuter, Handkommentar zum DBG, 2. Aufl., Zürich 2009, N. 3 zu Art. 190 DBG; Andreas Donatsch, in: Kommentar zum Schweizerischen Steuerrecht, Bd. I/2b, 2. Aufl., Basel 2008, N. 16 zu Art. 190 DBG). Daran ändert auch Satz 3 des zweiten Absatzes von Ziff. 10 des Protokolls nichts. Die in diesem statuierte dynamische Komponente bedeutet aufgrund des klaren Wortlauts ausschliesslich, dass etwa bei einer künftigen Ausweitung der einschlägigen Rechtsprechung des Bundesgerichts, zum Beispiel durch Subsumtion einer «einfachen» Lüge unter den Begriff der Arglist (vgl. oben E. 6.4.2), auch solche Konstellationen (bei gegebenen weiteren Voraussetzungen) amtshilfefähig würden (Oberson, Précis, N. 982; vgl. auch Harold Grüninger/Andreas Keller, Exchange of information in fiscal matters, in: ASA 65 S. 127 ff., 143; bezüglich des Inhalts des erwähnten Satzes von Ziff. 10 des Protokolls a.M. Waldburger, Amtshilfe, S. 13 ff. Ziff. 43.1). Nicht zu teilen vermag das Bundesverwaltungsgericht damit die nach seiner Auffassung auf einer unzutreffenden Auslegung von Satz 3 des zweiten Absatzes von Ziff. 10 des Protokolls beruhenden Aussage, dass «betrügerisches Verhalten auch Handlungen einschliessen kann, bei denen sich der ersuchte Staat im Zeitpunkt der Gesuchstellung gemäss Gesetz und Verwaltungspraxis die Auskünfte [...] beschaffen kann» (so Waldburger, Amtshilfe, S. 2 Ziff. 1.2 Bst. e, vgl. auch S. 13 ff. Ziff. 43.1, der seine Auslegung allerdings entgegen den hier einzig massgebenden, anerkannten völkerrechtlichen Auslegungsregeln [vgl. oben E. 3.5] vornimmt). In allen Fällen, in denen Art. 26 DBA-USA 96 und das dazugehörige Protokoll die Amtshilfe zulassen, wird ein betrügerisches Verhalten im Sinn der im Protokoll enthaltenen Definition verlangt.

6.5 Wie dargelegt, verlangt Art. 26 DBA-USA 96 als Voraussetzung der Amtshilfe in Steuersachen damit immer ein betrügerisches Verhalten (vgl. oben E. 6.4), wobei dessen Bestimmung - wie mehrfach erwähnt - in vertragsautonomer Auslegung zu erfolgen hat (vgl. oben E. 3.5).
6.5.1 Ob ein fortgesetztes und schweres Steuerdelikt im Sinn einer «blossen» fortgesetzten Hinterziehung grosser Steuerbeträge als betrügerisches Verhalten im Sinn des autonom auszulegenden DBA-USA 96 verstanden werden kann, wie dies Konstellation 2/A/b des Abkommens 09 vorsieht, war von einem Schweizer Gericht noch nie zu entscheiden. Keinerlei einschlägige Hinweise ergeben sich insbesondere aus dem Abschreibungsbeschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 5. März 2009. In diesem Entscheid, der ohnehin eine vom vorliegend zu beurteilenden Sachverhalt völlig andere Konstellation betraf, wurde einzig ausgeführt, dass «nach rein schweizerischem Verständnis [...] unter Umständen durchaus auch Steuerhinterziehungen den gleichen Unrechtsgehalt wie ein Abgabebetrug haben [könnten], nämlich dann, wenn sie <insbesondere die fortgesetzte Hinterziehung grosser Steuerbeträge>» beträfen (Urteil des Bundesverwaltungsgerichts A-7342/2008 vom 5. März 2009, a.a.O., E. 5.4, mit Hinweis auf URS R. BEHNISCH, Auswirkungen der Bilateralen II auf das schweizerische Steuerrecht, in: AJP 2005 S. 947 ff. Fn. 37, wonach «reine Steuerhinterziehungen» nicht unter «dergleichen» fallen). Diese Aussage, der von Vornherein nicht entnommen werden kann, eine blosse Steuerhinterziehung, und sei sie wiederholt und beträfe hohe Beträge, stelle ein betrügerisches Verhalten im Sinn der einzig relevanten vertragsautonomen Auslegung von Art. 26 DBA-USA 96 bzw. Ziff. 10 des Protokolls dar, ist sodann im Kontext des nachfolgenden Satzes im erwähnten Urteil zu lesen. Dieser bezog sich auf die strafprozessualen Zwangsmassnahmen des VStrR und verwies auf eine vorangehende Erwägung, in welcher - in Antwort auf eine im damaligen Verfahren aufgeworfene Frage - klargestellt wurde, dass in jenem Fall entgegen der Auffassung der dortigen Beschwerdeführerin die vom IRS gewünschten Auskünfte auch im schweizinternen Verfahren erhältlich gewesen wären.
6.5.2 Weder ersichtlich noch von einer der Parteien geltend gemacht wird sodann, dass sich Gerichte in den USA als dem anderen Vertragsstaat dazu geäussert hätten, was sie in vertragsautonomer Auslegung unter betrügerischem Verhalten in Sinn von Art. 26 DBA-USA 96 und zugehörigem Protokoll verstünden. Abgesehen davon wäre die bekannte Auslegung eines US-Gerichts zu dieser Frage zwar vorliegend einzubeziehen (Rivier, a.a.O., S. 126; Vogel, in: DBA Kommentar, N. 119 f. zu Einleitung), vermöchte das Bundesverwaltungsgericht aber nicht zu binden (Rivier, a.a.O., S. 127). Dass im Übrigen die Auslegung von Art. 26 DBA-USA 96 durch amerikanische Behörden anders ausfallen könnte als im Fall, da sich schweizerische Gerichte mit der Auslegung befassen, liegt in der Natur der Sache (Wouters/Vidal, a.a.O., S. 12; vgl. auch Loukota, a.a.O., S. 305 f.). Solange die Staaten die Überprüfung der in der Anwendung des DBA-USA 96 zu treffenden Entscheide nicht sich ausserhalb beider Staaten befindlichen Institutionen zuweisen, was etwa in Art. 25 Abs. 6 DBA-USA 96 als Möglichkeit vorgesehen ist (vgl. die Botschaft über die Genehmigung eines Protokolls zur Änderung des Doppelbesteuerungsabkommens mit den Vereinigten Staaten von Amerika; ein Vorabdruck ist abrufbar unter http://www.efd.admin.ch/dokumentation/gesetzgebung/00570/01613/index.html?lang=de&download=M3wBUQCu/8ulmKDu36WenojQ1NTTja
XZnqWfVpzLhmfhnapmmc7Zi6rZnqCkkIN5gn2CbKbXrZ2lhtTN34al3p6YrY7P1oah162apo3X1cjYh2+hoJVn6w==; letztmals aufgerufen am 21. Januar 2010), ist dies hinzunehmen.
6.5.3 Auszugehen ist mithin in Anwendung der anerkannten Auslegungsgrundsätze vom Abkommen und Protokoll selbst. Aus Satz 1 des zweiten Absatzes von Ziff. 10 des Protokolls ergibt sich, dass «betrügerisches Verhalten» stets nur anzunehmen ist, wenn sich der Steuerpflichtige «zum Zwecke der Täuschung der Steuerbehörden» gewisser Tätigkeiten wie des Verwendens einer falschen oder gefälschten Urkunde oder eines Lügengebäudes bedient oder zu bedienen beabsichtigt. Aufgrund der beispielhaften Aufzählung kann sodann die Täuschung der Steuerbehörde auch in einer anderen Weise erfolgen und so ebenfalls ein betrügerisches Verhalten darstellen. Der Passus «betrügerisches Verhalten» zielt dergestalt darauf ab, Konstellationen aufzufangen, welche es mangels Kongruenz der Steuerrechtsordnungen im schweizerischen Recht gar nicht geben kann (vgl. in diesem Sinn auch Abs. 3 von Ziff. 10 des Protokolls). Genau in diese Richtung gehen denn auch Beispiele in der Vereinbarung 03 (vgl. oben E. 4.2.1). Es bedarf mit anderen Worten eines über das blosse Untätigbleiben hinausgehenden zusätzlichen Handelns. So kann etwa in ganz spezifischen Konstellationen angesichts der Besonderheiten des amerikanischen (Steuer-)systems das Errichten einer Offshore-Gesellschaft zwecks Täuschung des amerikanisches Fiskus verbunden mit dem fehlenden «Spiel der AG» als betrügerisches Verhalten im Sinn von Ziff. 10 des Protokolls zum DBA-USA 96 angesehen werden und damit unter den Begriff «Betrugsdelikte und dergleichen» von Art. 26 DBA-USA 96 fallen, ohne dass nach schweizerischem Recht ein Steuerbetrug vorzuliegen bräuchte (vgl. Urteil des Bundesverwaltungsgerichts A-7342/2008 vom 5. März 2009, a.a.O., E. 5.5; vgl. auch [zustimmend, wenngleich mit vom eben zitierten Entscheid unterschiedlicher Begründung] Robert Waldburger, Das Amtshilfeverfahren wegen «Steuerbetrugs und dergleichen» mit den USA, in: Forum für Steuerrecht 2009 S. 91 ff., 107 ff.; betreffend den zitierten Entscheid a.M. Behnisch, Durcheinandertal, S. 774 ff.; kritisch schliesslich auch Peter Honegger/Andreas Kolb, Amts- und Rechtshilfe: 10 Aktuelle Fragen, in: ASA 77 S. 789 ff., 810 f.).
6.5.4 Ein blosses Verschweigen ohne jegliche Zusatzhandlung vermag kein betrügerisches Verhalten darzustellen (a.M. [zumindest] bezüglich fortgesetzter Hinterziehung grosser Steuerbeträge Robert Waldburger, Aktuelle Entwicklungen in der schweizerischen Amtshilfe im Steuerbereich, Schweizerische Zeitschrift für Wirtschafts- und Finanzmarktrecht 2009 [nachfolgend: Entwicklungen] S. 480 ff., 502; ders., Rechtsnatur, S. 14 Ziff. 5.3.1; ders., Amtshilfe, S. 17 ff. Ziff. 43.2, insb. S. 21 Ziff. 43.3; Vallender, S. 18). Solange der Steuerpflichtige mit anderen Worten nichts weiter unternommen hat, als nur Einkünfte oder ein Konto nicht zu deklarieren oder das Formular W-9 nicht einzureichen, mithin nach schweizerischer Lesart eine Steuerhinterziehung begangen hat, hat er nicht betrügerisch im Sinn von Art. 26 DBA-USA 96 gehandelt (so auch Hufschmid, a.a.O., S. 457; Oberson, échange, S. 243).
6.6
6.6.1 Die Auffassung, dass betrügerisches Verhalten stets einer über das blosse Verschweigen hinausgehenden Täuschung bedarf, findet ihre Stütze auch in den vorbereitenden Arbeiten und den Umständen des Vertragsabschlusses, welche in Anwendung von Art. 32 VRK bestätigend herangezogen werden dürfen (vgl. oben E. 3.5.2).
6.6.2 Davon ausgehend, dass Doppelbesteuerungsabkommen traditionellerweise der Vermeidung der Doppelbesteuerung dienen (vgl. Simonek, a.a.O., S. 98 f.), basierte die schweizerische Abkommenspolitik bis zum Entscheid des Bundesrates vom 13. März 2009 (zu dessen Bedeutung vgl. anstelle vieler Waldburger, Entwicklungen, S. 482 ff.) darauf, lediglich die so genannt kleine Amtshilfe zu gewähren (anstelle vieler Peter Locher, Die schweizerische Haltung zur internationalen Amtshilfe bei den direkten Steuern in einem veränderten Umfeld, in: Internationales Steuerrecht in der Schweiz, Aktuelle Situation und Perspektiven, Festschrift für Walter Ryser, Bern 2005, S. 269 ff., 270 f.; Eric Hess, Die Möglichkeiten und Grenzen der Schweiz auf dem Gebiete der internationalen Zusammenarbeit in Steuersachen, in: ASA 71 S. 125 ff., 130 ff.). Vor diesem Hintergrund stellt bereits eine erweiterte Amtshilfe in Betrugsfällen eine Ausweitung dar. Eine solche bestand im DBA-USA zwar bereits seit jeher (vgl. oben E. 4.1.3). Stets war aber auch im Verhältnis zu den USA klar, dass Amtshilfe lediglich für Betrugsdelikte, und nicht bloss für Steuerhinterziehung geleistet würde (vgl. etwa Botschaft des Bundesrats zum DBA-USA vom 10. März 1997 BBl 1997 II 1085 ff., 1099: «Das amerikanische Recht kennt den für die Anwendung von Artikel 26 massgebenden Unterschied zwischen Steuerhinterziehung und Steuerbetrug nicht; ...»). Eine derartige Ausweitung auf die Steuerhinterziehung war im Übrigen mit Bezug auf die USA auch später nicht geplant, was sich im Zusammenhang mit der Vereinbarung 03 deutlich ergibt (vgl. Medienmitteilung des Eidgenössischen Finanzdepartements, Austausch von steuerlichen Auskünften mit den USA, zugänglich über http://www.admin.ch/cp/d/3ecb394d_1@presse1.admin.ch. html, letztmals aufgerufen am 21. Januar 2010; vgl. auch Markus Reich/Stefan Bachmann, Internationale Amts- und Rechtshilfe in Fiskalsachen, in Michael Beusch/ISIS [Hrsg.], Steuerrecht 2006, Zürich etc. 2006, S. 5 ff., 18; Waldburger, Assistance, S. 1102). Schliesslich kann in diesem Zusammenhang auch noch auf den von der Schweiz im Juni 2004 modifizierten Vorbehalt zu Art. 26 des OECD-MA hingewiesen werden, wonach sich der Informationsaustausch auf «... acts of fraud subject to imprisonement according to the laws of both Contracting States» beschränken soll (Bericht der Expertenkommission für ein Bundesgesetz über Steuerstrafrecht und internationale Amtshilfe in Steuersachen zu Handen des Chefs des Eidgenössischen Finanzdepartements [EFD] vom Oktober 2004, S. 35, zugänglich über http://www.estv.admin.ch/dokumentation/00075/00803/index.html?lang=de&download=NHzLpZeg7t,lnp6I0NTU042l2Z6ln1acy4Zn4Z2qZpnO2Yuq2Z6gpJCDdYN6g2ym162epYbg2c_JjKbNoKSn6A, letztmals aufgerufen am 21. Januar 2010).
6.6.3 Die amerikanischen Behörden waren dieser schweizerischen Differenzierung zwischen Betrug und Hinterziehung zwar nicht zugetan (Hess, a.a.O., 132). Die Bedeutung der Unterscheidung war ihnen indessen durchaus klar (Hufschmid, a.a.O., S. 457; Frei/Rohner, a.a.O., S. 287 ff., je mit weiteren Hinweisen). Dies ergibt sich etwa auch aus den «Technical Explanations» zum DBA-USA 96, also aus den einseitigen Erläuterungen der amerikanischen Behörden (zu den «Technical Explanations» vgl. Vogel, in DBA Kommentar, N. 138 zu Einleitung). In Bezug auf Art. 26 DBA-USA 96 wurde festgehalten, dass unter den Begriff des «tax fraud» diejenigen Delikte fielen, welche nach schweizerischem Recht einen Steuer- oder einen Abgabebetrug darstellen würden. Der Hinweis auf das betrügerische Verhalten weise insoweit eine dynamische Komponente auf, als bei einer nationalen Ausweitung der Konzeption von «tax fraud» auch für diese Delikte Amtshilfe zu gewähren wäre (Department of the Treasury, Technical Explanation of the Convention between the United States of America and the Swiss Confederation for the Avoidance of Double Taxation with Respect to Taxes on Income, signed at Washington on October 2, 1996 and the Protocol, signed at Washington on October 2, 1996, ad Art. 26, zugänglich über http://www.treasury.gov/offices/tax-policy/library/teswiss.pdf, letztmals aufgerufen am 21. Januar 2010).
6.7
6.7.1 Bei den im Anhang zum Abkommen 09 umschriebenen Fällen der Kategorie 2/A/b, zu denen auch der vorliegend zu beurteilende Fall gehört, ist damit hinsichtlich der diesbezüglich einzig entscheidrelevanten Frage festzuhalten, dass sich die Tathandlung unbestrittenermassen in einem blossen Nichteinreichen des Formulars W-9 erschöpft. Da darin allein bei Fehlen jeglicher Zusatzhandlung kein betrügerisches Verhalten erblickt werden kann (vgl. oben E. 6.5), sind die Voraussetzungen zur Gewährung von Amtshilfe gemäss Art. 26 DBA-USA 96 nicht gegeben und die Beschwerde ist vollumfänglich gutzuheissen.
6.7.2 Bei diesem Verfahrensausgang können Ausführungen zur Frage, unter welchen Voraussetzungen und ab welchen Beträgen eine fortgesetzte und schwere Hinterziehung vorliege, von vornherein unterbleiben. Nicht mehr geprüft zu werden braucht sodann, ob die im Amtshilfegesuch enthaltene Schilderung einen begründeten Verdacht auf Vorliegen des als amtshilfefähig geltend gemachten Verhaltens zu schaffen vermag. Ebenso wenig einzugehen ist schliesslich auf sämtliche weiteren Vorbringen der Beschwerdeführerin.

7.
Ausgangsgemäss sind der obsiegenden Beschwerdeführerin und der Vorinstanz keine Verfahrenskosten aufzuerlegen. (Art. 63 VwVG). Der Beschwerdeführerin wird eine Parteientschädigung von Fr. 25'000.-- zugesprochen (Art. 64 Abs. 1 VwVG; Art. 8 ff. sowie Art. 13 f. des Reglements vom 21. Februar 2008 über die Kosten und Entschädigungen vor dem Bundesverwaltungsgericht, SR 173.320.2).

8.
Dieser Entscheid kann nicht mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten an das Bundesgericht weitergezogen werden (Art. 83 Bst. h BGG).

Demnach erkennt das Bundesverwaltungsgericht:

1.
Die Beschwerde wird gutgeheissen. Die Schlussverfügung der Eidgenössischen Steuerverwaltung vom 17. November 2009 wird aufgehoben.

2.
Es werden keine Verfahrenskosten erhoben. Der von der Beschwerdeführerin einbezahlte Kostenvorschuss in der Höhe von Fr. 25'000.-- wird dieser zurückerstattet.

3.
Die Vorinstanz wird verpflichtet, der Beschwerdeführerin eine Parteientschädigung in der Höhe von Fr. 25'000.-- zu bezahlen.

4.
Dieses Urteil geht an:
die Beschwerdeführerin (Einschreiben; vorab per Fax)
die Vorinstanz (Ref-Nr. D3.US.64.2/174_01933; Einschreiben; vorab per Fax)

Der vorsitzende Richter: Der Gerichtsschreiber:

Michael Beusch Urban Broger

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