Entscheid bestätigt durch BGer mit
Urteil vom 20.04.2020 (2C_354/2018)

 

 

 

 

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Abteilung I

A-7299/2016

 

 

 

 

 

Urteil vom 28. Februar 2018

Besetzung

 

Richter Michael Beusch (Vorsitz),

Richter Daniel Riedo, Richterin Salome Zimmermann,  

Gerichtsschreiberin Monique Schnell Luchsinger.

 

 

 

Parteien

 

A._______ AG,

vertreten durch PrimeTax AG,

Beschwerdeführerin,

 

 

 

gegen

 

 

Eidgenössische Steuerverwaltung ESTV,

Hauptabteilung Direkte Bundessteuer,

Verrechnungssteuer, Stempelabgaben,

Eigerstrasse 65, 3003 Bern,  

Vorinstanz.

 

 

 

 

Gegenstand

 

Verrechnungssteuer (Rückerstattung).

 

 

 


Sachverhalt:

A. 
Die A._______ AG (vormals ..., nachfolgend Muttergesellschaft) wurde am 25. Februar 2003 in Dublin/Irland gegründet. Sie wurde am 5. August 2003 von der B._______ AG in Dublin (nachfolgend Grossmuttergesellschaft) übernommen. Die Muttergesellschaft besorgt die Marken- und Patentverwaltung sowie die Führung der Forschungs- und Entwicklungstätigkeit des C._______ AG-Konzerns.

Der C._______ AG-Konzern ist einer der weltweit grössten Hersteller von (...). Die für das vorliegende Verfahren relevanten Gruppengesellschaften sind in Italien, den Niederlanden und Irland domiziliert.

Per 25. September 2007 wurde der Konzern von einem Private Equity Fonds gehalten. Per 2009 wurde der C._______ AG-Konzernteil des D._______ AG-Konzerns mit Sitz in den Niederlanden.

B. 
Die E._______ AG mit Sitz in den Niederlanden (nachfolgend Schwestergesellschaft) gehört ebenfalls zum C._______ AG-Konzern. Sie wird seit 1999 direkt von der F._______ AG mit Sitz in Italien (nachfolgend Urgrossmuttergesellschaft) gehalten. Seit 1999 verfügte die Schwestergesellschaft über diverse Patente und war Anteilseignerin der G._______ AG mit Sitz in Zürich (nachfolgend Tochtergesellschaft).

Die Tochtergesellschaft hatte in den Jahren 1999 bis 2003 diverse Dividenden ausgeschüttet. Die Schwestergesellschaft hatte jeweils in Anwendung des damals geltenden Abkommens vom 12. November 1951 zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und dem Königreich der Niederlande zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen (mit Anlagen, Schluss- und Zusatzprotokoll; aDBA-N; AS 1952 179) ein Gesuch um vollständige Rückerstattung der Verrechnungssteuer gestellt. Die Eidgenössische Steuerverwaltung (nachfolgend ESTV) hatte jedoch der Schwestergesellschaft lediglich 20 % der Verrechnungssteuer zurückerstattet. Die ESTV hatte die Verweigerung damit begründet, dass die Schwestergesellschaft die schweizerische Beteiligung ohne wirtschaftlich motivierte Verbindung von einer Gesellschaft in den niederländischen Antillen erworben hätte. In den Jahren 2004 bis 2007 erfolgte keine Ausschüttung.

C. 
Im September 2005 erwarb die Muttergesellschaft von der Schwestergesellschaft die gesamten Immaterialgüterrechte, zahlreiche Patente sowie Marken und die aufgelaufenen Forschungs- und Entwicklungskosten. Der Erwerbspreis wurde mit Mitteln finanziert, die ihr die Grossmuttergesellschaft mittels eines Darlehens zur Verfügung gestellt hatte.

Die Muttergesellschaft ist seit anfangs 2006 auch Alleinaktionärin der Tochtergesellschaft. Sie erwarb diese Beteiligung ebenfalls von der Schwestergesellschaft und finanzierte den Kaufpreis für den Erwerb der Tochtergesellschaft in der Höhe von rund EUR 11,5 Mio. wiederum durch mittels eines Darlehens zur Verfügung gestellte Mittel von der Grossmuttergesellschaft.

Die Schulden der Muttergesellschaft gegenüber der Grossmuttergesellschaft für den Erwerb der Immaterialgüter und die Tochtergesellschaft beliefen sich insgesamt auf rund EUR 23 Mio.

D. 
Die Grossmuttergesellschaft ihrerseits wurde weitgehend durch Darlehen von der Urgrossmuttergesellschaft finanziert. Alsdann bestand ein Schuldverhältnis zwischen der Tochter- und der Grossmuttergesellschaft.

E. 
Die vorstehenden Ausführungen ergeben nachfolgendes Bild:

 

 

 

 

 

 

 

F. 
Die Muttergesellschaft als Alleinaktionärin der Tochtergesellschaft beschloss am 25. Juni 2007 eine Dividende in der Höhe von Fr. 14 Mio. mit Fälligkeit per 25. September 2007.

G. 
Am 24. November 2008 erhielt die Eidgenössische Steuerverwaltung (nachfolgend ESTV) ein undatiertes Formular 823C, mithin ein Grundgesuch für das internationale Meldeverfahren. Diesem Grundgesuch lag ein vom 24. September 2008 datiertes Formular 108 sowie ein undatiertes Formular 103 bei. Die ESTV lehnte das Meldeverfahren ab, welcher Entscheid letztlich vom Bundesgericht mit Urteil 2C_756/2010 vom 19. Januar 2011 bestätigt wurde.

H. 
Bereits am 27. Dezember 2010 hatte die ESTV sodann ein vorsorgliches Gesuch um Rückerstattung der Verrechnungssteuer im Umfang von 10 % auf der streitbetroffenen Bruttodividende erhalten (Nr. ...). Der entsprechende Rückerstattungsantrag stützte sich auf das Abkommen vom 8. November 1966 zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und Irland zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen (mit Briefwechsel und Protokoll; DBA-IRL; SR 0.672.944.11). Gleichentags war sodann auch ein weiteres vorsorgliches Rückerstattungsgesuch (Nr. ...) für die vollständige Rückerstattung der Verrechnungssteuern eingegangen, welches sich auf das Abkommen vom 26. Oktober 2004 zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der Europäischen Gemeinschaft über Regelungen, die den in der Richtlinie 2003/48/EG des Rates im Bereich der Besteuerung von Zinserträgen festgelegten Regelungen gleichwertig sind (ZBStA; AS 2005 2571, bis Ende 2016 auch entsprechend SR 0.641.926.81; zur aktuellen Bezeichnung des Abkommens vgl. E. 4.2) stützte.

I. 
Die Tochtergesellschaft entrichtete in der Folge die auf der streitbetroffenen Dividende geschuldete Verrechnungssteuer von Fr. 4'900'000.- zuzüglich Verzugszinsen mit Valuta 7. März 2011.

J. 
Nach einer Besprechung am 24. Februar 2011 und umfangreicher Korrespondenz erliess die ESTV am 26. August 2014 den Entscheid Nr. ..., worin sie beide Rückerstattungsgesuche für die Fälligkeiten 2007 abwies.

K. 
Gegen diesen Entscheid erhob die Muttergesellschaft am 25. September 2014 Einsprache und beantragte, den Rückerstattungsantrag, basierend auf dem Formular Nr. ... und dem ZBStA, gutzuheissen und die Verrechnungssteuer von Fr. 4'900'000.- vollumfänglich und zuzüglich Verzugszinsen zu 5 % seit 7. März 2011 zurückzuerstatten.

L. 
Mit Einspracheentscheid vom 27. Oktober 2016 wies die ESTV die Einsprache ab und bestätigte die Abweisung des Gesuches Nr. ... betreffend die Rückerstattung der Verrechnungssteuer für die Fälligkeiten 2007 in der Höhe von Fr. 4'900'000.-.

Die ESTV begründete die Abweisung der Einsprache im Wesentlichen mit der fehlenden Nutzungsberechtigung der Muttergesellschaft an den streitbetroffenen Dividenden sowie mit dem Vorliegen eines Abkommensmissbrauchs.

M. 
Mit Eingabe vom 28. November 2016 erhebt die Muttergesellschaft (nachfolgend auch Beschwerdeführerin) Beschwerde beim Bundesverwaltungsgericht. Sie beantragt zum einen die Aufhebung des Einspracheentscheids vom 27. Oktober 2016, zum andern die Rückerstattung der Verrechnungssteuer im Umfang von Fr. 4'900'000.- zuzüglich Verzugszinsen zu 5 % seit 7. März 2011; alles unter Kosten- und Entschädigungsfolgen zulasten der ESTV.

Die Beschwerdeführerin betrachtet die Nutzungsberechtigung grundsätzlich als Voraussetzung für die Geltendmachung eines Rückerstattungsanspruchs. Dies gelte auch unter dem ZBStA. Allerdings diene diese Voraussetzung lediglich zur Vermeidung offensichtlich sinnwidriger und unvernünftiger Ergebnisse.

Die Beschwerdeführerin stellt sich weiter auf den Standpunkt, dass die Tochtergesellschaft die Dividende an die Muttergesellschaft kreditiert habe, weshalb kein Abfluss erfolgt sei. Die Reduktion der flüssigen Mittel bei der Tochtergesellschaft sei in erster Linie auf die Darlehensgewährung an die Grossmuttergesellschaft in der Höhe von EUR 9 Mio. zurückzuführen. Der Zinsaufwand für die von der Muttergesellschaft aufgenommenen Darlehen und Kontokorrentkredite sei auch unabhängig vom Dividendenertrag bezahlt worden. Daraus sei zu schliessen, dass die streitbetroffene Dividende nicht weitergeleitet worden sei. Dem Darlehen von der Grossmuttergesellschaft an die Muttergesellschaft in der Höhe von EUR 23 Mio. für den Erwerb der Patente und der Beteiligung komme wirtschaftlich der Charakter von Eigenkapital zu, deshalb könne die spätere Tilgung dieses Darlehens ebenfalls nicht als schädliche Weiterleitung gelten.

Der Missbrauchsvorbehalt gemäss Art. 15 ZBStA stehe gemäss einem überwiegenden Teil der Lehre unter der Bedingung, dass ein Missbrauch gemäss dem gemeinschaftsrechtlichen Missbrauchsbegriff vorliege. Innerstaatliche Missbrauchsbestimmungen dürften sodann nicht über den gemeinschaftlichen Missbrauchsbegriff hinausgehen. Die Beschwerdeführerin könne sich auch unter Art. 15 ZBStA auf die sog. "escape clause" berufen und ihre wirtschaftliche und aktive Geschäftstätigkeit darlegen. Auch könne die Beschwerdeführerin nicht von einem zusätzlichen Abkommensvorteil profitieren, da sowohl die Grossmuttergesellschaft wie auch die Urgrossmuttergesellschaft sich ebenfalls auf das ZBStA berufen könnten. Auch die Rechtsvorgängerin der Beschwerdeführerin, mithin die Schwestergesellschaft, hätte sich auf das ZBStA berufen können, nachdem dieses Abkommen in Kraft getreten sei. Schliesslich sei der Konzern in der Finanzierung frei, weshalb die Finanzierung des Erwerbs der Tochtergesellschaft kein Argument für die Annahme eines Abkommensmissbrauchs sein könne.

N. 
Die ESTV (nachfolgend Vorinstanz) beantragt am 16. Februar 2017 vernehmlassungsweise die Abweisung der Beschwerde unter Kostenfolge zulasten der Beschwerdeführerin.

O. 
Mit unaufgeforderter Replik vom 13. März 2017 nimmt die Beschwerdeführerin zu den Vorbringen der ESTV in der Vernehmlassung vom 16. Februar 2017 Stellung.

P. 
Die Vorinstanz dupliziert am 29. März 2017.

Auf die einzelnen Vorbringen der Parteien und die Akten ist nachfolgend unter den Erwägungen insoweit einzugehen, als sie für den vorliegenden Entscheid wesentlich sind.

 

Das Bundesverwaltungsgericht zieht in Erwägung:

1.   

1.1  Gemäss Art. 31 VGG beurteilt das Bundesverwaltungsgericht Be-schwerden gegen Verfügungen nach Art. 5 VwVG, sofern keine Ausnahme nach Art. 32 VGG gegeben ist. Eine solche liegt nicht vor und die ESTV ist eine Behörde im Sinn von Art. 33 VGG. Der angefochtene Einspracheent-scheid der ESTV ist als eine beim Bundesverwaltungsgericht anfechtbare Verfügung zu qualifizieren. Ob ein Einspracheverfahren nötig bzw. dessen Durchführung zulässig gewesen war, muss nachfolgend nicht entschieden werden (vgl. per analogiam Art. 51 Abs. 1 und 4 VStG; zum fehlenden Einspracheverfahren im internationalen Verhältnis vgl. Urteile des BVGer A-3061/2015 vom 25. September 2017 E. 1.2 f., A-578/2015 vom 17. August 2015 E. 1.1; zum Verfahren siehe auch nachfolgend E. 6). Die Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts zur Behandlung der Beschwerde ist somit gegeben.

Soweit das VGG nichts anderes bestimmt, richtet sich das Verfahren nach dem VwVG (Art. 37 VGG).

1.2  Als Adressatin des Einspracheentscheids ist die Beschwerdeführerin zur Erhebung der vorliegenden Beschwerde legitimiert (Art. 48 Abs. 1 VwVG) und hat die Beschwerde frist- und formgerecht erhoben (Art. 50 Abs. 1 und Art. 52 Abs. 1 VwVG). Auf die Beschwerde ist somit einzutreten.

2.   

2.1  Mit Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht kann die Verletzung von Bundesrecht - einschliesslich Überschreitung oder Missbrauch des Er-messens (Art. 49 Bst. a VwVG) -, die unrichtige bzw. unvollständige Fest-stellung des rechtserheblichen Sachverhalts (Art. 49 Bst. b VwVG) wie auch die Unangemessenheit der vorinstanzlichen Verfügung (Art. 49 Bst. c VwVG) gerügt werden. Das Bundesverwaltungsgericht kann den ange-fochtenen Entscheid grundsätzlich in vollem Umfang überprüfen.

2.2  Im Beschwerdeverfahren gelten die Untersuchungsmaxime, wonach der Sachverhalt von Amtes wegen festzustellen ist, und der Grundsatz der Rechtsanwendung von Amtes wegen (vgl. Art. 62 Abs. 4 VwVG). Das Bundesverwaltungsgericht ist verpflichtet, auf den - unter Mitwirkung der Verfahrensbeteiligten - festgestellten Sachverhalt die richtige Rechtsnorm anzuwenden (BGE 132 II 113 E. 3.2, 131 II 200 E. 4.2). Dies bedeutet, dass es eine Beschwerde auch aus anderen als den geltend gemachten Gründen gutheissen oder den angefochtenen Entscheid im Ergebnis mit einer Begründung bestätigen kann, die von jener der Vorinstanz abweicht (sog. Motivsubstitution, vgl. statt vieler: BVGE 2007/41 E. 2, mit Hinweisen).

2.3  Nach einem feststehenden steuerrechtlichen Grundsatz trägt für steuerbegründende Tatsachen die Steuerbehörde und für steuermindernde oder -aufhebende Tatsachen der Steuerpflichtige die Beweislast (Urteile des BVGer A-2777/2016 vom 4. Juli 2017 E. 1.4.2,
A-5752/2015 vom 15. Juni 2016 E. 1.5.2).

3.   

3.1  Der Bund erhebt gestützt auf Art. 132 Abs. 2 BV eine Verrechnungs-steuer unter anderem auf dem Ertrag beweglichen Kapitalvermögens (vgl. Art. 1 Abs. 1 des Bundesgesetzes vom 13. Oktober 1965 über die Verrech-nungssteuer [VStG; SR 642.21]). Gemäss Art. 4 Abs. 1 Bst. b VStG sind Gegenstand der Verrechnungssteuer unter anderem die Erträge der von einem Inländer ausgegebenen Aktien, worunter namentlich Dividenden fal-len (vgl. Art. 20 Abs. 1 der Verordnung vom 19. Dezember 1966 zum Bundesgesetz über die Verrechnungssteuer [VStV, SR 642.211]). Steuerpflichtig ist der Schuldner der steuerbaren Leistung (Art. 10 Abs. 1 VStG). Bei Kapitalerträgen entsteht die Steuerforderung im Zeitpunkt, in dem die steuerbare Leistung fällig wird (Art. 12 Abs. 1 VStG). Die Verrechnungssteuer selbst wird 30 Tage nach Entstehen der Steuerforderung fällig (Art. 16 Abs. 1 Bst. c VStG). Die Steuer beträgt 35 % der steuerbaren Leistung (Art. 13 Abs. 1 Bst. a VStG).

3.2  Die Verrechnungssteuer führt bei ausländischen Empfängern schwei-zerischer Dividenden grundsätzlich zu einer endgültigen, an der Quelle er-hobenen steuerlichen Belastung (Art. 22 Abs. 1 und Art. 24 Abs. 2 VStG). Personen, die bei Fälligkeit der steuerbaren Leistung Sitz oder Wohnsitz im Ausland hatten, können die Rückerstattung der Verrechnungssteuer indessen insoweit verlangen, als ihnen ein zwischenstaatliches Abkommen Anspruch darauf vermittelt (vgl. statt vieler Urteil des BGer 2C_895/2012 vom 5. Mai 2015 E. 2.2).

4.   

4.1  Vorliegend liegt einzig noch das Rückerstattungsgesuch vom 27. Dezember 2010 gestützt auf Art. 15 ZBStA im Streit.

4.2  Das ZBStA ist am 1. Juli 2005 in Kraft getreten. Dieses Abkommen wurde mit Protokoll vom 27. Mai 2015 per 1. Januar 2017 umfirmiert und teilweise inhaltlich geändert (Änderungsprotokoll vom 27. Mai 2015 zu dem Abkommen zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der Europäischen Gemeinschaft über Regelungen, die den in der Richtlinie 2003/48/EG des Rates im Bereich der Besteuerung von Zinserträgen festgelegten Regelungen gleichwertig sind, AS 2016 5003; Abkommen vom 26. Oktober 2004 zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der Europäischen Union über den automatischen Informationsaustausch über Finanzkonten zur Förderung der Steuerehrlichkeit bei internationalen Sachverhalten [nachfolgend EU-AIA, SR 0.641.926.81]).

4.3  Gemäss Art. 2 EU-AIA tritt das Änderungsprotokoll am 1. Januar nach der letzten Notifikation in Kraft. Das EU-AIA enthält keine übergangsrechtliche Regelungen zu Art. 1 und auch keine zu Art. 9. Somit finden in Anwendung von Art. 24 und Art. 28 des Wiener Übereinkommens vom 23. Mai 1969 über das Recht der Verträge (mit Anhang, VRK, SR 0.111) diese Bestimmungen erst ab dem Inkrafttreten des Änderungsprotokolls Anwendung. Mit anderen Worten werden Sachverhalte, die sich vor Inkrafttreten ereignet haben, noch nach altem Recht beurteilt. Damit findet im vorliegenden Fall noch Art. 15 Abs. 1 ZBStA Anwendung.

4.4   

4.4.1  Der Begriff der Nutzungsberechtigung in Art. 15 Abs. 1 ZBStA nicht explizit erwähnt oder definiert.

4.4.2  Der Wortlaut von Art. 15 Abs. 1 ZBStA lehnt sich sowohl an das OECD-Musterabkommen als auch an die Richtlinie vom 23. Juli 1990 des Rates über das gemeinsame Steuersystem der Mutter- und Tochtergesellschaften verschiedener Mitgliedstatten an (90/435/EWG, Mutter-Tochter-Richtlinie, ABl. 1990, L 225/6-9; geändert durch die Richtlinie des Rates vom 22. Dezember 2003 2003/123/EG, Abl. 2004, L 7/41-44; vgl. auch Stefan Oesterhelt/Maurus Winzap, Quellensteuerbefreiung von Dividenden, Zinsen und Lizenzen durch Art. 15 ZBStA in: ASA 74 449 ff., S. 453). Bereits Art. 10 OECD-MA 1977 erwähnt den Begriff des "beneficial owners". Das Bundesverwaltungsgericht hat mit Urteil A-5692/2015 vom 31. August 2016 erkannt, dass der Begriff des Nutzungsberechtigten in Art. 15 Abs. 1 ZBStA implizit enthalten ist und eine Anspruchsvoraussetzung darstellt (daselbst E. 8.2 und 8.3).

4.4.3   

4.4.3.1  Das Bundesgericht hat sodann im Zusammenhang der Auslegung des Abkommens vom 21. Januar 1993 zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und dem Grossherzogtum Luxemburg zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen (DBA-LUX; SR 672.951.81) und dem Abkommen vom 23. November 1973 zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und dem Königreich Dänemark zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen (DBA-DK; SR 0.672.931.41) den Begriff der "Nutzungsberechtigung" bzw. der "effektiven Nutzungsberechtigung" näher umschrieben (vgl. BGE 141 II 447 E. 4).

4.4.3.2  Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts dient der Begriff dazu, die Intensität der Beziehung zwischen einem Steuersubjekt und einem Steuerobjekt zu beurteilen, gemäss dem Umfang der Entscheidungsbefugnisse hinsichtlich der Verwendung der Einkünfte. Es geht um Merkmale des Eigentums und der wirtschaftlichen Kontrolle bzw. der tatsächlich ausgeübten Befugnisse (BGE 141 II 447 E. 5.2.1), und zwar nicht in einem engen technischen bzw. formaljuristischen Sinn, sondern unter Einbezug der wirtschaftlichen Umstände ("substance over form"; BGE 141 II 447 E. 5.2.2). Das Beurteilungskriterium soll verhindern, dass eine Person oder Gesellschaft mit nur beschränkten Befugnissen zwischengeschaltet wird, um in den Genuss der Vorteile des Doppelbesteuerungsabkommens zu kommen (BGE 141 II 447 E. 5.1; Urteil des BVGer A-1245/2011 vom 26. Mai 2016 E. 3.3; Maja Bauer-Balmelli/Mathias Erik Vock, in: Zweifel/Beusch/Matteotti [Hrsg.], Internationales Steuerrecht, 2015 [nachfolgend Kommentar-IStR], Vor Art. 10-12 N. 19, 45 f. und 57).

4.4.3.3  Der "effektiv Nutzungsberechtigte" ("beneficial owner") einer von einer Gesellschaft im Quellenstaat ausgeschütteten Dividende ist in erster Linie derjenige, dem die Verfügungsberechtigung hinsichtlich dieser Dividende zukommt. Somit ist der Dividenden-Empfänger dann effektiv nutzungsberechtigt, wenn er die Dividende voll verwenden kann und deren vollen Genuss hat, ohne durch eine gesetzliche oder vertragliche Verpflichtung in dieser Verwendung eingeschränkt zu sein. Nach einer oft zitierten Definition von Klaus Vogel ist der "beneficial owner" die Person, welche über die Hingabe des Kapitals oder Wirtschaftsgutes zur Nutzung oder über die Verwendung der Nutzungen, gegebenenfalls über beides, entscheiden kann (BGE 141 II 447 E. 5.2.1 mit weiteren Hinweisen; vgl. Klaus Vogel, in: Doppelbesteuerungsabkommen der Bundesrepublik Deutschland auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und Vermögen: Kommentar auf der Grundlage der Musterabkommen, Vogel/Lehner [Hrsg.], 5. Aufl., München 2008, vor Art. 10-12 N. 18 [mittlerweile in der 6. Auflage erschienen]; Bauer-Balmelli/Vock, Kommentar-IStR, Vor Art. 10-12 N. 29, 33 und 46; zum Ganzen: Urteil des BVGer A-1426/2011 vom 20. Dezember 2016 E. 3.2.1).

4.4.3.4  Muss eine Person die Einkünfte aufgrund von bereits im Zeitpunkt der Zahlung bestehenden vertraglichen Leistungsverpflichtungen weiterlei-ten, ist ihr in diesen sogenannten "Weiterleitungsfällen" die Entscheidungs-befugnis abzusprechen. Auch eine rein tatsächliche Einschränkung der Entscheidungsbefugnis aufgrund einer faktischen Pflicht zur Weiterleitung kann dazu führen, dass eine Person über keine oder nur sehr begrenzte Entscheidungsbefugnisse hinsichtlich der Verwendung der massgeblichen Einkünfte verfügt (Urteil des BVGer A-1426/2011 vom 20. Dezember 2016 E. 3.2.4.1; vgl. Beat Baumgartner, Das Konzept des beneficial owner im internationalen Steuerrecht der Schweiz, 2010 [nachfolgend Baumgartner 2010], S. 130 f. und S. 133).

4.4.3.5  Eine faktische Pflicht zur Weiterleitung kann insbesondere auch aufgrund gesellschaftsrechtlicher Beherrschung bestehen. Eine solche ist freilich nicht bereits dann anzunehmen, wenn eine Gesellschaft in einen Konzern eingebunden ist oder die Aktionäre über die Gewinnverwendung entscheiden. Vielmehr müssen Indizien dafür vorliegen, dass die Geschäftsführung der Gesellschaft über die Verwendung der massgeblichen Einkünfte und damit über die Weiterleitung derselben nicht unter Berücksichtigung der eigenen Interessen, sondern nur nach dem Willen der beherrschenden Gesellschafter entscheiden kann, womit die Gesellschaft voll an die Entscheidung der Gesellschafter gebunden ist (vgl. BAUMGARTNER 2010, S. 134 ff., S. 145) und es ihr an der notwendigen Entscheidungsbefugnis fehlt (Urteil des BVGer A-1245/2011 vom 26. Mai 2016 E. 3.3.2.1).

4.4.3.6  Nicht jede Weiterleitungsverpflichtung bedeutet hingegen, dass der betroffenen Person die Nutzungsberechtigung abzusprechen ist. Eine schädliche Weiterleitung setzt in kausaler Hinsicht voraus, dass zwischen der Erzielung von Einkünften und der Pflicht zur Weiterleitung ein enger Zusammenhang oder Konnex bzw. eine gegenseitige Abhängigkeit besteht (vgl. Baumgartner 2010, S. 137). Hierzu muss zum einen die Erzielung von Einkünften von der Pflicht zu deren Weiterleitung abhängig sein (erste Abhängigkeit). Dies ist zu bejahen, wenn die Einkünfte nicht erzielt worden wären, sofern keine Pflicht zur Weiterleitung dieser Einkünfte bestanden hätte. Wären die Einkünfte demgegenüber auch ohne Pflicht zur Weiterleitung erzielt worden, liegt keine Abhängigkeit vor. Zum anderen muss die Pflicht zur Weiterleitung von Einkünften von der Erzielung dieser Einkünfte abhängen (zweite Abhängigkeit). Dies ist zu bejahen, wenn keine effektive Pflicht zur Weiterleitung besteht, sofern keine Einkünfte erzielt werden. Be-steht eine effektive Pflicht zur Weiterleitung auch dann, wenn keine Ein-künfte erzielt werden, liegt keine Abhängigkeit vor (BGE 141 II 447 E. 5.2.2; Urteil des BVGer A1426/2011 vom 20. Dezember 2016 E. 3.2.4.2; Baumgartner 2010, S. 139 ff., insb. S. 150).

5.   

Gemäss dem Wortlaut von Art. 15 Abs. 1 ZBStA werden unbeschadet der Anwendung der innerstaatlichen oder auf Abkommen beruhenden Vorschriften in der Schweiz und in den Mitgliedstaaten zur Verhütung von Betrug und Missbrauch Dividendenzahlungen von Tochtergesellschaften an Muttergesellschaften im Quellenstaat nicht besteuert, wenn die anschliessend explizit genannten Voraussetzungen erfüllt sind.

Insoweit bleiben innerstaatliche oder auf Abkommen beruhende Vorschrif-ten in der Schweiz oder den EU-Mitgliedstaaten zur Verhütung von Betrug oder Missbrauch vorbehalten (Urteil des BVGer A-5692/2015 vom 31. August 2016 E. 9.2 mit Hinweis auf die Botschaft zur Genehmigung der bilateralen Abkommen zwischen der Schweiz und der Europäischen Union, einschliesslich der Erlasse zur Umsetzung der Abkommen ["Bilaterale II"] vom 1. Oktober 2004, BBl 2004 569 ff., S. 6213; GEORG LUTZ, Abkommens-missbrauch, 2005, Nachtrag zu Teil II, S. 181b f.).

6.   

In verfahrensrechtlicher Hinsicht sind mit Bezug auf die Steuerentlastung bzw. die Rückerstattung weder dem ZBStA noch dem EU-AIA Vorschriften zu entnehmen.

Gemäss Art. 1 und Art. 2 Abs. 1 Bst. a des Bundesgesetzes vom 22. Juni 1951 über die Durchführung von zwischenstaatlichen Abkommen des Bundes zur Vermeidung der Doppelbesteuerung (BG-Vollzug, SR 672.2) ist der Bundesrat zuständig, Ausführungsbestimmungen für die Durchführung eines von der Schweizerischen Eidgenossenschaft mit einem fremden Staate abgeschlossenen Abkommens zur Vermeidung der Doppelbesteuerung aufzustellen, insbesondere das Verfahren zu ordnen, das bei einer staatsvertraglich zugesicherten Rückerstattung an der Quelle erhobener schweizersicher Steuern auf Kapitalerträgen einzuhalten ist.

Die Verordnung vom 22. Dezember 2004 über die Steuerentlastung schweizersicher Dividenden aus wesentlichen Beteiligungen ausländischer Gesellschaft (Steuerentlastungsverordnung, SR 672.203) enthält keine Regelungen betreffend das Rückerstattungsverfahren. Ebensowenig hat der Bund eine Verordnung hinsichtlich der Rückerstattung gemäss ZBStA bzw. EU-AIA erlassen. Auch hinsichtlich des DBA-IRL hat der Bundesrat keine Vollzugsverordnung erlassen. Damit verbleiben die verfahrensrechtlichen Bestimmungen von Art. 48 ff. VStG und Art. 63 ff. VStV, insbesondere Art. 68 VStV. Diese sind für die Rückerstattung nach dem ZBStA grundsätzlich analog anzuwenden (zum Ganzen vgl. auch Urteil des BGer 2C_1078/2015 vom 23. Mai 2017 E. 2.2 f. und 3.3 sowie 4.1 bis 4.3).

7.   

Im vorliegenden Fall geht es um die Rückerstattung der Verrechnungssteuer in einem EU-Konzernverhältnis für eine am 25. September 2007 fällig gewordene Dividende in der Höhe von Fr. 14 Mio, ausgeschüttet von der schweizerischen Tochtergesellschaft an ihre Aktionärin, die irische Muttergesellschaft, mithin die Beschwerdeführerin. Die hierfür geschuldeten Verrechnungssteuern im Betrag von Fr. 4'900'000.- sind bezahlt worden. Das strittige Rückerstattungsbegehren ist am 27. Dezember 2010 bei der ESTV eingegangen. Es wird einzig noch die Rückerstattung gestützt auf das ZBStA (vgl. schon Bst. K) verlangt.

Die ESTV verweigert die Rückerstattung einerseits wegen fehlender Nutzungsberechtigung der Beschwerdeführerin, andererseits wegen Abkommensmissbrauchs.

7.1   

7.1.1  Mit Bezug auf die Nutzungsberechtigung macht die ESTV zusammengefasst Folgendes geltend: Die Beschwerdeführerin habe den Erwerb der ausschüttenden schweizerischen Gesellschaft zum Preis von EUR 11,5 Mio. mittels eines von ihrer eigenen Muttergesellschaft, der Grossmuttergesellschaft gemäss Bst. E, erhaltenen Darlehens finanziert, denn die Beschwerdeführerin habe damals weder über ein Umlauf- noch über ein Anlagevermögen verfügt, mit welchem sie den Kauf hätte selber finanzieren können. Dieses Darlehen sei als kurzfristige Verbindlichkeit ("creditors - amount falling due within one year") in die Bücher der Beschwerdeführerin eingestellt worden. Aufgrund der in den vorgängigen Geschäftsjahren erzielten Verluste sei schon damals absehbar gewesen, dass die Beschwerdeführerin, dass Darlehen nicht aus eigenen Mitteln würde zurückzahlen können, sondern hierfür auf Dividendenausschüttungen aus der gekauften Tochtergesellschaft zurückgreifen müsse. Die gekaufte Tochtergesellschaft habe in der Jahresrechnung per 31. März 2005 denn auch thesaurierte Gewinne in der Höhe von Fr. 12'635'907.15 und ein Umlaufvermögen von Fr. 14'045'580.01 ausgewiesen. Damit sei der Erhalt der Dividende von Fr. 14 Mio. von einer Weiterleitungspflicht abhängig.

Die Beschwerdeführerin hätte das Darlehen aufgrund des Umstandes, dass dieses in der Buchhaltung als kurzfristige Verbindlichkeit eingestellt worden sei, anfangs des Jahres 2007 zurückzahlen müssen. In der Folge habe sie mit der Rückzahlung zugewartet und eine Dividende in ähnlicher Höhe beschlossen. Daraus sei zu schliessen, dass die Rückzahlung des Darlehens vom Erhalt der Dividende abhängig gewesen sei. Die Beschwerdeführerin habe denn auch wiederholt ausgeführt, letztmals mit Schreiben vom 21. Dezember 2011, dass sie die Dividende aus dem Jahre 2007 dazu verwenden werde, das Darlehen ihrer eigenen Muttergesellschaft (Grossmutter der ausschüttenden schweizerischen Gesellschaft) zurückzuzahlen. Es spiele hierbei keine Rolle, dass die Dividende einstweilen nicht bar ausbezahlt, sondern kreditiert worden sei. Es sei davon auszugehen, dass sobald die Dividendenschuld getilgt worden sei, das Darlehen amortisiert werde.

Damit liege eine faktische Weiterleitungsverpflichtung vor, weshalb die Beschwerdeführerin am Dividendenertrag nicht effektiv nutzungsberechtigt sei.

7.1.2  Die Beschwerdeführerin argumentiert demgegenüber, dass keine Weiterleitung erfolgt sei, weil die Dividende noch nicht ausbezahlt, sondern kreditiert worden sei.

7.1.3  Die Beschwerdeführerin hat bereits im vorinstanzlichen Verfahren zahlreiche Unterlagen eingereicht. Darunter auch das "Private Agreement" vom 31. März 2006 zwischen der Muttergesellschaft und der Grossmuttergesellschaft. Gemäss dessen Art. 5 sind die Parteien ein Kontokorrentkreditverhältnis eingegangen. Gemäss Art. 10 des "Private Agreements" besteht dieses unbefristet und ist gemäss den in Art. 11 f. enthaltenen Details kündbar. Damit erweist sich die Verbuchung der Schulden unter den kurzfristigen Verbindlichkeiten als mit den Vertragsbestimmungen kongruent.

Aus den Büchern der ausschüttenden Tochtergesellschaft ergibt sich sodann, dass es sich bei der fraglichen Dividende um eine sog. Substanzdividende handelt. Alsdann ist aufgrund der Bücher der Tochtergesellschaft erstellt, dass die strittige Dividende zwar gesprochen, aber kreditiert worden ist.

Die Beschwerdeführerin hat die strittige Dividende im Geschäftsjahr 2007/2008 als Ertrag verbucht. Aus dem Geschäftsbericht des Verwaltungsrates ergibt sich ferner, dass seitens der Beschwerdeführerin für das Geschäftsjahr 2007/2008 keine Dividende beantragt wurde. Die Jahresrechnung der Grossmuttergesellschaft pro 2007/2008 weist einzig einen Gross Profit von EUR 8'545'936 aus.

Ebenso hat die Beschwerdeführerin einlässlich aufgezeigt, dass sie die Zinsendienste für die ausstehenden Darlehen bzw. Kontokorrentkredite über weitere Einnahmen erbringen konnte.

Die Beschwerdeführerin hat sodann im nämlichen Geschäftsjahr der Dividendensprechung bzw. -fälligkeit auf den Aktien der Tochtergesellschaft eine Abschreibung im Umfang von EUR 8 Mio. vorgenommen.

In den Geschäftsbüchern der ausschüttenden Tochtergesellschaft wurde die kreditierte Dividende im Geschäftsjahr 2011 nicht mehr ausgewiesen. Ebenso wurden Debitoren in ähnlicher Höhe nicht mehr ausgewiesen.

7.2  Gestützt auf diesen Sachverhalt ist nun zu prüfen, ob die Beschwerdeführerin an den strittigen Dividendenerträgen als nutzungsberechtigt gelten kann. Hierbei ist vorab auf die Verfügungsmacht der Beschwerdeführerin einzugehen. Alsdann ist zu prüfen, ob eine schädliche Weiterleitung erfolgt ist bzw. eine schädliche faktische Weiterleitungsverpflichtung gegeben ist. Ist die Nutzungsberechtigung gegeben, bleibt zu prüfen, ob ein Abkommensmissbrauch vorliegt.

7.2.1  Art. 15 Abs. 1 ZBStA setzt für die Rückerstattung der Verrechnungssteuer voraus, dass der Antragssteller als Nutzungsberechtigter zu qualifizieren ist (E. 4.4.2). Dies gilt grundsätzlich auch im Konzernverhältnis.

Infolgedessen trägt die Beschwerdeführerin die Beweislast für die anspruchsbegründenden Tatsachen (E. 2.3 und 4.4.2). Ob die Nutzungsberechtigung vorliegt, ist indessen eine Rechtsfrage.

7.2.2  Mit Bezug auf den vorliegend zu beurteilenden Einzelfall ist hinsichtlich der Frage der Nutzungsberechtigung vorab auf die Verfügungsmacht einzugehen. Alsdann ist die Frage der Weiterleitung zu prüfen.

7.2.3  Für sich allein genommen nicht schädlich ist, dass die Beschwerdeführerin ihrerseits zu 100 % von einer weiteren Konzerngesellschaft beherrscht wird. Vielmehr müssen weitere Indizien dafür vorliegen, dass die Geschäftsführung ausschliesslich nach dem Willen der beherrschenden Gesellschafter entscheidet (E. 4.4.3.5).

7.2.4  Der Entscheid über die Verwendung der vereinnahmten Dividende obliegt auf der Stufe der Beschwerdeführerin deren Geschäftsführung. Im vorliegenden Fall handelt es sich um den "board of directors". Gemäss dem Geschäftsbericht 2006/2007 der Beschwerdeführerin besteht ihr "board of directors" aus folgenden Personen: H._______, I._______, J._______, K._______. H._______ amtete zugleich als Sekretär. Dieselbe Zusammensetzung bestand auch im Geschäftsjahr 2007/2008. Diese Personen amteten mehrheitlich in der jeweiligen Funktion indessen nicht nur für die Beschwerdeführerin, sondern auch für die Grossmuttergesellschaft, wie sich den jeweiligen Geschäftsberichten derselben entnehmen lässt. K._______ amtet sodann auch als Geschäftsführer der Tochtergesellschaft in der Schweiz.

Die Personalunion der "boards of directors" der Mutter- wie auch der Grossmuttergesellschaft zeigt, dass die Beschwerdeführerin zwar formell unabhängig war, faktisch jedoch nicht. Beide Gesellschaften waren zudem im massgeblichen Zeitraum an derselben Adresse domiziliert. Damit agierte die Beschwerdeführerin "als verlängerter Arm" der Grossmuttergesellschaft.

Die Beschwerdeführerin war aufgrund ihrer finanziellen Situation im Zeitpunkt der Akquisition der Tochtergesellschaft in der Schweiz auf eine vollständige Fremdfinanzierung des Kaufpreises angewiesen. Sie war zudem für die Rückführung der Schuld zumindest zum überwiegenden Teil auf Ausschüttungen aus der erworbenen Gesellschaft angewiesen. Wirtschaftlich betrachtet hatte nicht die Beschwerdeführerin, sondern die Grossmuttergesellschaft als Kreditgeberin die Tochtergesellschaft erworben. Die Fremdfinanzierung und die Tilgung aus Mitteln der erworbenen Gesellschaft sind unter dem Titel der Nutzungsberechtigung an sich nicht zu beanstanden, solange und soweit keine besonderen Umstände vorliegen. Solche sind vorliegend jedoch gegeben, denn im vorliegenden Fall wurde die Stellung der Grossmuttergesellschaft als Kreditgeberin noch dadurch verstärkt, dass sie rechtliche Eigentümerin der Kreditnehmerin war. Darüberhinaus nahm die Grossmuttergesellschaft als Kreditgeberin aufgrund einer Personalunion im "board of directors" auch selber die Geschäftsleitung bei der Beschwerdeführerin als Kreditnehmerin wahr und war auch personell an der Geschäftsführung der erworbenen Tochtergesellschaft beteiligt. Die Grossmuttergesellschaft als Obergesellschaft konnte somit letztlich nicht nur den Zeitpunkt, sondern auch den Umfang der Dividendenerträge bestimmen. Damit erzielte die Beschwerdeführerin als Zwischengesellschaft die Dividendeneinkünfte in vollständiger Abhängigkeit von der Grossmuttergesellschaft als Obergesellschaft. Hierbei spielt es keine Rolle, ob die Dividende nur gesprochen und kreditiert oder tatsächlich ausgeschüttet wurde. Immerhin indiziert der Umstand, dass die Beschwerdeführerin im Geschäftsjahr der Ausschüttung eine Abschreibung von EUR 8 Mio. auf der Beteiligung vorgenommen hat, dass aus der Tochtergesellschaft bereits im damaligen Zeitpunkt definitiv Mittel abgeflossen sind.

Die Beschwerdeführerin hat ferner einlässlich dargelegt und belegt, dass zwischen ihr und der Grossmuttergesellschaft ein Kontokorrentverhältnis bestand und der von der Grossmuttergesellschaft finanzierte Kaufpreis buchhalterisch im Rahmen eines solchen verwaltet wurde. Dem Kontokorrentverhältnis ist es eigen, dass die jeweiligen gegenseitigen Verpflichtungen zwischen den Parteien rechnerisch laufend saldiert werden. Nichts anderes ergibt sich aus dem "Private Agreement" vom 31. März 2006 zwischen der Beschwerdeführerin und der Grossmuttergesellschaft. Daraus ist zu schliessen, dass die Beschwerdeführerin die Amortisation des für die Akquisition erhaltenen Kredits nach ihren jeweiligen Möglichkeiten vornehmen konnte. Liegt es indessen ganz im Belieben der Beschwerdeführerin, wann sie ihre Verpflichtung erfüllt, darf es auch keine Rolle spielen, wann sie dieser Verpflichtung in zeitlicher Hinsicht nachkommt. Insoweit spielt es auch keine Rolle, in welchem Zeitpunkt die Weiterleitung tatsächlich erfolgt.

Zusammenfassend ergibt sich, dass aufgrund der Personalunion zwischen der Geschäftsführung der Beschwerdeführerin und der Grossmuttergesellschaft weder die Erzielung noch die Verwendung der strittigen Dividende als im Belieben der Beschwerdeführerin gelten kann, weshalb ihr die Nutzungsberechtigung abzusprechen ist.

Bei dieser Sach- und Rechtslage erübrigt es sich, auf die weiteren Parteistandpunkte zur Nutzungsberechtigung und zum Abkommensmissbrauch einzugehen.

Die Beschwerde ist abzuweisen.

8.   

8.1  Ausgangsgemäss hat die unterliegende Beschwerdeführerin die Verfahrenskosten zu tragen (Art. 63 Abs. 1 VwVG). Diese sind auf Fr. 40'000.- festzusetzen (vgl. Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 4 des Reglements vom 21. Februar 2008 über die Kosten und Entschädigungen vor dem Bundesverwaltungsgericht [VGKE, SR 173.320.2]). Der von der Beschwerdeführerin in gleicher Höhe geleistete Kostenvorschuss ist zur Bezahlung der Verfahrenskosten zu verwenden.

8.2  Eine Parteientschädigung ist der Beschwerdeführerin nicht zuzusprechen (vgl. Art. 64 Abs. 1 VwVG e contrario und Art. 7 Abs. 1 VGKE e contrario sowie Art. 7 Abs. 3 VGKE).

 

(Das Dispositiv befindet sich auf der nächsten Seite).

 

 

 

 

Demnach erkennt das Bundesverwaltungsgericht:

1. 
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2. 
Die Kosten des Verfahrens werden auf Fr. 40'000.- festgesetzt und der Beschwerdeführerin auferlegt. Der einbezahlte Kostenvorschuss wird zur Bezahlung der Verfahrenskosten verwendet.

3. 
Es wird keine Parteientschädigung zugesprochen.

4. 
Dieses Urteil geht an:

-        die Beschwerdeführerin (Gerichtsurkunde)

-        die Vorinstanz (Ref-Nr. ...; Gerichtsurkunde)

 

(Für die Rechtsmittelbelehrung wird auf die nächste Seite verwiesen.)

 

Der vorsitzende Richter:

Die Gerichtsschreiberin:

 

 

Michael Beusch

Monique Schnell Luchsinger

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Entscheid kann innert 30 Tagen nach Eröffnung beim Bundesgericht, 1000 Lausanne 14, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten geführt werden (Art. 82 ff., 90 ff. und 100 BGG). Die Rechtsschrift hat die Begehren, deren Begründung mit Angabe der Beweismittel und die Unterschrift zu enthalten. Der angefochtene Entscheid und die Beweismittel sind, soweit sie der Beschwerdeführer in Händen hat, beizulegen (Art. 42 BGG).

 

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