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Abteilung I

A-7248/2016

 

 

 

 

 

Urteil vom 3. April 2018

Besetzung

 

Richter Michael Beusch (Vorsitz),

Richter Pascal Mollard, Richterin Marianne Ryter,

Gerichtsschreiberin Anna Strässle.

 

 

 

Parteien

 

A._______ AG,

(...),

vertreten durch

lic. iur. Daniel Holenstein, Rechtsanwalt,

Flick Gocke Schaumburg Zürich AG,

(...),

Beschwerdeführerin,

 

 

 

gegen

 

 

Eidgenössische Steuerverwaltung ESTV,

Hauptabteilung Direkte Bundessteuer,

Verrechnungssteuer, Stempelabgaben,

Eigerstrasse 65, 3003 Bern,

Vorinstanz,

 

 

 

 

Gegenstand

 

Verrechnungssteuer 2010 (Erhebung),

 

 

 


Sachverhalt:

A.   

A.a  Die A._______ AG (nachfolgend: Gesellschaft) mit Sitz in (...) wurde am 18. Dezember 1998 ins Handelsregister eingetragen. Sie bezweckt gemäss Handelsregistereintrag unter anderem den Erwerb und die Haltung von Beteiligungen. Das Aktienkapital der Gesellschaft beläuft sich auf Fr. 3'000'000.-- und ist in 3'000 Inhaberaktien zu Fr. 1'000.-- gestückelt.

A.b  Die Gesellschaft hielt mehrere 100 %-Beteiligungen an verschiedenen Tochtergesellschaften, unter anderem an der B._______ AG, der C._______ AG, der D._______ AG, der E._______ AG und an der F._______ AG (nachfolgend: Tochtergesellschaften).

A.c  Laut den entsprechenden Fusionsverträgen - alle vom 12. November 2010 - zwischen der Gesellschaft und den einzelnen Tochtergesellschaften übernahm Erstere rückwirkend per 1. Juli 2010 sämtliche Aktiven und Passiven der jeweiligen Tochtergesellschaft gemäss der entsprechenden geprüften Fusionsbilanz per 30. Juni 2010. Die Fusionen wurden am 22. November 2010 in das Handelsregister des Kantons (...) eingetragen. Da sie bereits sämtliche Aktien der übertragenden Tochtergesellschaften hielt, fand weder eine Kapitalerhöhung noch eine Aktienzuteilung statt.

A.d  Die Gesellschaft wies nach der Übernahme der Tochtergesellschaften bei einem unveränderten Aktienkapital von Fr. 3'000'000.-- neue Reserven in der Höhe von insgesamt Fr. 10'412'000.-- aus. Der Bilanzgewinn aus dem Geschäftsjahr 2010 wurde in Höhe von Fr. 1'135'000.-- den allgemeinen Reserven und Fr. 9'267'000.-- den Reserven aus Kapitaleinlagen - mit Formular 170 der Eidgenössischen Steuerverwaltung (ESTV) gemeldet - zugewiesen. Fr. 3'113'040.-- wurden auf die neue Rechnung vorgetragen.

A.e  Mit E-Mail vom 4. September 2013 forderte die ESTV die Fusionsverträge ein, welche ihr am 11. September 2013 von der Gesellschaft zugestellt wurden. In der Folge verneinte die ESTV in ihrer E-Mail vom 14. November 2013 die Qualifikation von Fr. 9'267'000.-- als Reserven aus Kapitaleinlagen. Dies mit der Begründung, dass die Kapitaleinlage im Zusammenhang mit den Absorptionsfusionen der Tochtergesellschaften beantragt werde und aus solchen Tochterabsorptionen keine Reserven aus Kapitaleinlage entstünden. Mit Schreiben vom 11. Mai 2015 stellte die ESTV der Gesellschaft daher die Verrechnungssteuer in der Höhe von Fr. 1'423'450.-- in Rechnung, woraufhin die Gesellschaft am 22. Juni 2015 ausführlich Stellung nahm. Sie machte insbesondere geltend, dass der gesamte Aktivenüberschuss der übernommenen Tochtergesellschaften in die Reserven der Gesellschaft übergegangen sei und somit die Ausnahmebestimmung gemäss Art. 5 Abs. 1 Bst. a des Verrechnungssteuergesetzes vom 13. Oktober 1965 (VStG, SR 642.21) anwendbar sei.

B. 
Daraufhin verfügte die ESTV mit Entscheid Nr. X vom 25. August 2015, dass ihr die Gesellschaft Fr. 1'423'450.-- schulde und der Betrag unverzüglich zu entrichten sei. Zudem schulde die Gesellschaft der ESTV auf dem Steuerbetrag von Fr. 1'423'450.-- ab dem 12. Dezember 2010 einen Verzugszins von 5 % bis zur Steuerentrichtung.

Reserven und Gewinne, die bei einer Absorption von Tochtergesellschaften durch ihre Muttergesellschaft nicht in die Reserven der aufnehmenden Gesellschaft übergingen bzw. bei der aufnehmenden Gesellschaft nicht erhalten blieben, unterlägen als geldwerte Leistung der Verrechnungssteuer von 35 %. Zwar sei der Aktivenüberschuss der absorbierten Tochtergesellschaften vollumfänglich in die Reserven der absorbierenden Muttergesellschaft übergegangen. Dennoch sei Verrechnungssteuersubstrat im Umfang der Differenz zwischen dem Buchwert der Beteiligungen und dem Aktienkapital in Höhe von Fr. 4'067'000.-- untergegangen bzw. bei der aufnehmenden Gesellschaft nicht erhalten geblieben.

C.   

C.a  Gegen diesen Entscheid erhob die Gesellschaft am 25. September 2015 Einsprache und beantragte unter anderem, der Entscheid der ESTV vom 25. August 2015 sei aufzuheben und von der Verrechnungssteuererhebung sei abzusehen. Sie brachte insbesondere vor, sie habe ihren Anteilsinhabern keine geldwerte Leistung erbracht. Zwar hätten die Tochtergesellschaften ihren Aktivenüberschuss in die Reserven der Muttergesellschaft eingebracht und dadurch eine geldwerte Leistung erbracht, diese sei aber von der Verrechnungssteuer ausgenommen. Reserven seien keine untergegangen bzw. habe sich der Vorgang, der zum Untergang von Reserven bei der absorbierenden Muttergesellschaft geführt habe, ausschliesslich auf Stufe Muttergesellschaft abgespielt. Letztlich seien die Beteiligungen an den Tochtergesellschaften überbewertet gewesen und hätten erfolgsunwirksam abgeschrieben werden müssen. Wären die Buchwerte vor der Fusion berichtigt worden, hätte dies zu demselben Ergebnis geführt.

C.b  Mit Schreiben vom 31. August 2016 zeigte die ESTV der Gesellschaft unter gleichzeitiger Gewährung des rechtlichen Gehörs eine reformatio in peius an. Es sei von einer Absorption von vier anstatt fünf Tochtergesellschaften ausgegangen, wobei zusätzlich im Veranlagungsverfahren der Buchwert der Beteiligungen E._______ AG [Fr. 2'900'000.--] mit demjenigen der Beteiligung F._______ AG [Fr. 1'442'000.--] verwechselt worden sei. Das Verrechnungssteuersubstrat falle demnach grösser aus. Die Gesellschaft liess sich hierzu innert Frist nicht vernehmen.

D. 
Mit Entscheid vom 21. Oktober 2016 wies die ESTV die Einsprache der Gesellschaft vollumfänglich ab (Ziff. 1) und verfügte, dass die Gesellschaft der ESTV eine Verrechnungssteuer in Höhe von Fr. 2'420'950.-- schulde und der Betrag unverzüglich zu entrichten sei (Ziff. 2). Überdies schulde die Gesellschaft auf dem Betrag einen Verzugszins von 5 % seit dem 22. Dezember 2010 bis zur Steuerentrichtung (Ziff. 3). Als Begründung führte die ESTV im Wesentlichen aus, die Absorption einer Tochtergesellschaft durch ihre Muttergesellschaft, bei welcher sämtliche Aktiven und Passiven der Tochtergesellschaft mittels Universalsukzession auf die Muttergesellschaft übertragen würden und die Tochter anschliessend liquidiert werde, gelte als echte Fusion nach dem Fusionsgesetz. Systembedingt würden sämtliche Reserven und Gewinne der untergehenden Tochtergesellschaft auf die Muttergesellschaft übertragen. Weise die Muttergesellschaft jedoch einen «verrechnungssteuerrechtlichen Fusionsverlust» - also eine Differenz zwischen dem Buchwert der Beteiligung in der Bilanz der Muttergesellschaft und dem tieferen Grundkapital bei der Tochtergesellschaft zzgl. allfälliger Kapitaleinlagereserven der absorbierten Tochtergesellschaft - aus, werde in diesem Umfang der Steueraufschub auf den von der Tochtergesellschaft übertragenen Reserven und Gewinnen verneint. Dadurch würden nämlich die Reserven der Muttergesellschaft reduziert und die absorbierten Tochtergesellschaften hätten der Muttergesellschaft somit eine Leistung erbracht. Insgesamt müsse das übertragene Verrechnungssteuersubstrat erhalten bleiben.

E. 
Gegen diesen Einspracheentscheid der ESTV erhob die Gesellschaft (nachfolgend: Beschwerdeführerin) mit Eingabe vom 23. November 2016 beim Bundesverwaltungsgericht Beschwerde und beantragt, es sei der Einspracheentscheid der ESTV vom 21. Oktober 2016 aufzuheben und von der Erhebung der Verrechnungssteuer in Höhe von Fr. 2'420'950.-- abzusehen; alles unter Kosten- und Entschädigungsfolgen zu Lasten der ESTV. Die Beschwerdeführerin führt unter anderem aus, unbestritten sei, dass die Reserven und das Aktienkapital der Tochtergesellschaften in die Reserven der Beschwerdeführerin übergegangen seien, durch die Fusion ein Buchverlust entstanden sei und an die Anteilsinhaber der Beschwerdeführerin keine geldwerten Leistungen geflossen seien. Die Ausbuchung des Fusionsverlustes erfolge zu Lasten des Eigenkapitals der Muttergesellschaft, die Reserven der Tochtergesellschaften gingen systembedingt auf die aufnehmende Muttergesellschaft über. Der Fusionsverlust sei keine verrechnungssteuerpflichtige geldwerte Leistung (der Tochtergesellschaft an ihre Muttergesellschaft). Die Voraussetzungen von Art. 5 Abs. 1 Bst. a VStG seien vorliegend unbestrittenermassen erfüllt, wobei in dieser Ausnahmebestimmung nicht davon die Rede sei - wie von der ESTV verlangt -, dass die Summe der Reserven der betroffenen Gesellschaft unverändert bleiben müsse. Durch die Reduktion der Reserven der Muttergesellschaft sei kein Verrechnungssteuersubstrat untergegangen.

F. 
Mit Vernehmlassung vom 27. Januar 2017 beantragt die ESTV (nachfolgend: ESTV oder Vorinstanz) die vollumfängliche Abweisung der Beschwerde und verweist dabei grundsätzlich auf den Sachverhalt und die rechtliche Würdigung in ihrem Einspracheentscheid vom 21. Oktober 2016. Die Vorinstanz gibt überdies zu bedenken, bei einer Tochterabsorption handle es sich vielmehr, da diese dem Prinzip der Universalsukzession folge und eine Gesamtrechtsnachfolge bewirke, um einen einzigen Vorgang. Gemäss ihrer langjährigen Praxis müssten bei Fusionsverlusten im Zeitpunkt der Universalsukzession Mittel der Tochtergesellschaft abgeflossen bzw. ausgeschüttet worden sein und würden deshalb nicht in die Reserven der Muttergesellschaft übergehen. Den Umfang der im Rahmen der Tochterabsorptionen untergegangenen Reserven in Höhe von Fr. 6'917'000.-- bestreite die Beschwerdeführerin nicht.

G. 
In ihren Eingaben vom 13. März 2017 (Replik) und 22. März 2017 (Duplik) halten die Parteien an ihren Anträgen fest.

H. 
Auf die weiteren Ausführungen der Parteien sowie die eingereichten Unterlagen wird - soweit entscheidwesentlich - im Rahmen der nachfolgenden Erwägungen eingegangen.

 

Das Bundesverwaltungsgericht zieht in Erwägung:

1.   

1.1  Gemäss Art. 31 VGG beurteilt das Bundesverwaltungsgericht Beschwerden gegen Verfügungen nach Art. 5 VwVG. Als anfechtbare Verfügungen gelten auch Einspracheentscheide der ESTV (Art. 5 Abs. 2 VwVG i.V.m. Art. 33 Bst. d VGG). Das Bundesverwaltungsgericht ist für die Beurteilung der vorliegenden Beschwerde zuständig. Das Verfahren vor Bundesverwaltungsgericht richtet sich nach dem VwVG, soweit das VGG nichts anderes bestimmt (Art. 37 VGG). Die Beschwerdeführerin ist zur Erhebung der vorliegenden Beschwerde berechtigt (Art. 48 Abs. 1 VwVG).

1.2  Auf die im Übrigen frist- und formgerecht eingereichte Beschwerde (Art. 50 Abs. 1 und Art. 52 Abs. 1 VwVG) ist demnach einzutreten.

1.3  Das Bundesverwaltungsgericht kann den angefochtenen Einspracheentscheid in vollem Umfang überprüfen. Die Beschwerdeführerin kann neben der Verletzung von Bundesrecht (Art. 49 Bst. a VwVG) und der unrichtigen oder unvollständigen Feststellung des rechtserheblichen Sachverhalts (Art. 49 Bst. b VwVG) auch die Unangemessenheit rügen (Art. 49 Bst. c VwVG; André Moser et al., Prozessieren vor dem Bundesverwaltungsgericht, 2. Aufl. 2013, Rz. 2.149 ff.; Ulrich Häfelin et al., Allgemeines Verwaltungsrecht, 7. Aufl. 2016, Rz. 1146 ff.).

1.4  Im Beschwerdeverfahren gilt sodann der Grundsatz der Rechtsanwendung von Amtes wegen. Das Bundesverwaltungsgericht ist verpflichtet, auf den unter Mitwirkung der Verfahrensbeteiligten festgestellten Sachverhalt jenen Rechtssatz anzuwenden, den es als den zutreffenden erachtet, und ihm jene Auslegung zu geben, von der es überzeugt ist (BGE 119 V 347 E. 1a; Urteil des BVGer A-5081/2014 vom 16. Februar 2016 E. 1.5; Moser et al., a.a.O., Rz. 1.54). Dieses Prinzip hat zur Folge, dass das Bundesverwaltungsgericht als Beschwerdeinstanz an die rechtliche Begründung der Begehren nicht gebunden ist (Art. 62 Abs. 4 VwVG). Es kann die Beschwerde auch aus anderen als den geltend gemachten Gründen gutheissen oder den angefochtenen Entscheid im Ergebnis mit einer Begründung bestätigen, die von jener der Vorinstanz abweicht (BGE 128 II 145 E. 1.2.2, BGE 127 II 264 E. 1b; Urteil des BVGer A-1087/2016 vom 10. August 2016 E. 1.6; Moser et al., a.a.O., Rz. 1.54).


1.5   

1.5.1  Die Konkretisierung einer Norm erfolgt durch Auslegung. Die Auslegung dient dazu, den wahren Sinngehalt eines im Gesetz selbst enthaltenen Begriffs zu ergründen oder zu überprüfen, ob eine (auszulegende bzw. ausgelegte) Verordnungsbestimmung durch die ausgelegte Gesetzesbestimmung (noch) abgedeckt ist (Michael Beusch, in: Zweifel et al. [Hrsg.], Kommentar zum Schweizerischen Steuerrecht, Bundesgesetz über die Mehrwertsteuer, 2015, Auslegung Rz. 6; Urteile des BVGer A-3823/2016 vom 14. Juni 2017 E. 2.4.1 und A-882/2016 vom 6. April 2017 E. 2.4).

1.5.2  Ausgangspunkt der Gesetzesauslegung bildet der Wortlaut der Bestimmung. Vom klaren, eindeutigen und unmissverständlichen Wortlaut einer Bestimmung darf nur abgewichen werden, wenn triftige Gründe für die Annahme bestehen, dass er nicht den wahren Sinn der Norm wiedergibt. Solche Gründe können sich aus der Entstehungsgeschichte der Bestimmung, aus ihrem Sinn und Zweck oder aus dem Zusammenhang mit andern Vorschriften ergeben. Liegen entsprechende Zweifel vor, ist die fragliche Bestimmung mit Hilfe der übrigen Auslegungselemente auszulegen, um den wahren Sinngehalt der Gesetzesbestimmung zu ermitteln. Abzustellen ist namentlich auf die Entstehungsgeschichte einer Rechtsnorm (historische Auslegung), ihren Sinn und Zweck (teleologische Auslegung) sowie die Bedeutung, die ihr im Kontext mit anderen Normen (systematische Auslegung) zukommt (sog. Methodenpluralismus; statt vieler: BGE 141 II 436 E. 4.1, BGE 140 II 495 E. 2.3; BVGE 2014/8 E. 3.3; Urteil des BVGer A-453/2017 vom 26. Oktober 2017 E. 2.6).

Im Steuerrecht gelten die genannten, allgemeinen Auslegungsregeln (vgl. BGE 125 II 113 E. 3a). Bei der Auslegung steuerrechtlicher Normen, welche an wirtschaftliche und nicht vorab zivilrechtliche Gegebenheiten anknüpfen, kann dabei auch die Methode der wirtschaftlichen Betrachtungsweise zur Anwendung kommen (vgl. BGE 115 Ib 238 E. 3b). Dabei handelt es sich um ein Instrument im Rahmen der teleologischen Auslegung (vgl. Markus Reich, Steuerrecht, 2. Aufl. 2012, § 6 Rz. 16). Die wirtschaftliche Betrachtungsweise ist im Steuerrecht stets dann anzuwenden, wenn der Normsinn danach verlangt, auf den wirtschaftlichen Gehalt des Sachverhalts abzustellen. Der Rechtsanwender hat seinen Blick dabei primär auf die wirtschaftlichen Auswirkungen der privatrechtlichen Gestaltung und nicht auf das verwendete privatrechtliche Gefäss oder den beschrittenen privatrechtlichen Weg zu wenden (Reich, a.a.O., § 6 Rz. 14; vgl. zum ganzen Abschnitt: Urteil des BVGer A-6072/2013 vom 4. Juni 2015 [in BVGE 2015/25 nicht zitierte] E. 2.1).

1.5.3  Verwaltungsverordnungen (Merkblätter, Richtlinien, Kreisschreiben etc.) sind nur - aber immerhin - Meinungsäusserungen der Verwaltung über die Auslegung der anwendbaren Gesetzesbestimmungen. Sie dienen der Sicherstellung einer einheitlichen, gleichmässigen und sachrichtigen Praxis des Gesetzesvollzugs (BVGE 2010/33 E. 3.3.1; Michael Beusch, Was Kreisschreiben dürfen und was nicht, in: Der Schweizer Treuhänder 2005 S. 613 ff.). Als solche sind sie für die als eigentliche Adressaten figurierenden Verwaltungsbehörden verbindlich, wenn sie nicht klarerweise einen verfassungs- oder gesetzeswidrigen Inhalt aufweisen. Nicht verbindlich sind Verwaltungsverordnungen, welche keine von der gesetzlichen Ordnung abweichenden Bestimmungen enthalten dürfen, dagegen für die Justizbehörden, deren Aufgabe es ist, die Einhaltung von Verfassung und Gesetz im Einzelfall zu überprüfen (Michael Beusch, in: Zweifel/Beusch [Hrsg.], Kommentar zum Schweizerischen Steuerrecht, Bundesgesetz über die direkte Bundessteuer [DBG], 3. Aufl., Basel 2017 [nachfolgend: DBG-Kommentar], Art. 102 Rz. 16 f.; vgl. Moser et al., a.a.O., Rz. 2.173 f.). Die Gerichtsbehörden sollen Verwaltungsverordnungen bei ihrer Entscheidung allerdings mitberücksichtigen, sofern diese eine dem Einzelfall angepasste und gerecht werdende Auslegung der anwendbaren gesetzlichen Bestimmungen zulassen. Dies gilt umso mehr, als es nicht Aufgabe der Gerichte ist, als Zweitinterpreten des der Verwaltungsverordnung zugrunde liegenden Erlasses eigene Zweckmässigkeitsüberlegungen an die Stelle des Vollzugskonzepts der zuständigen Behörde zu setzen (vgl. BGE 126 II 275 E. 4c, BGE 123 II 16 E. 7; BVGE 2010/33 E. 3.3.1; zum Ganzen: Urteil des BVGer A-6142/2012 vom 4. Februar 2014 E. 4.2, mit weiteren Hinweisen).

2.   

2.1  Der Bund erhebt eine Verrechnungssteuer auf dem Ertrag beweglichen Kapitalvermögens (Art. 132 Abs. 2 BV, Art. 1 Abs. 1 VStG). Gegenstand der Verrechnungssteuer sind die Zinsen, Renten, Gewinnanteile und sonstigen Erträge der von einem Inländer ausgegebenen Aktien, Stammanteile an Gesellschaften mit beschränkter Haftung, Genossenschaftsanteile, Partizipationsscheine und Genussscheine (Art. 4 Abs. 1 Bst. b VStG).

2.2  Steuerpflichtig ist nach Art. 10 Abs. 1 VStG der Schuldner der steuerbaren Leistung. Diese ist bei Auszahlung, Überweisung, Gutschrift oder Verrechnung ohne Rücksicht auf die Person des Gläubigers um den Steuerbetrag zu kürzen, bei Kapitalerträgen um 35 % (Überwälzungspflicht; Art. 13 Abs. 1 Bst. a i.V.m. Art. 14 Abs. 1 VStG).

2.3  Zu den steuerbaren Erträgen im Sinn von Art. 4 Abs. 1 Bst. b VStG gehört grundsätzlich jede geldwerte Leistung der Gesellschaft an die Inhaber gesellschaftlicher Beteiligungsrechte oder ihnen nahestehende Dritte, die sich weder als Rückzahlung der im Zeitpunkt der Leistung bestehenden Anteile am einbezahlten Grundkapital (Art. 20 Abs. 1 der Verrechnungssteuerverordnung vom 19. Dezember 1966 [VStV, SR 642.211]) noch als Rückzahlung im Sinne von Art. 5 Abs. 1bis VStG darstellt.

2.3.1  Gemäss Art. 5 Abs. 1bis VStG wird die Rückzahlung von Einlagen, Aufgeldern und Zuschüssen, die von den Inhabern der Beteiligungsrechte nach dem 31. Dezember 1996 geleistet worden sind, gleich behandelt wie die Rückzahlung von Grund- oder Stammkapital, wenn die Einlagen, Aufgelder und Zuschüsse von der Kapitalgesellschaft oder Genossenschaft in der Handelsbilanz auf einem gesonderten Konto ausgewiesen werden und die Gesellschaft jede Veränderung auf diesem Konto der Eidgenössischen Steuerverwaltung meldet. Unter Art. 5 Abs. 1bis VStG können nach dem Wortlaut dieser Bestimmung im Übrigen nur Leistungen fallen, die von den Inhabern der Beteiligungsrechte der Gesellschaft stammen und mit welchen die Eigenkapitalbasis durch Zuführung von Eigenkapital von aussen erhöht wird. Sind auch die weiteren Voraussetzungen erfüllt, können die entsprechenden Kapitaleinlagen später - dem Grund- oder Stammkapital gleichgestellt - ohne verrechnungssteuerrechtliche Folgen wieder zurückbezahlt werden (vgl. zum Ganzen ausführlich: Urteile des BVGer A-6982/2013 vom 24. Juni 2015 E. 3.3.2, mit Hinweis auf A-6072/2013 vom 4. Juni 2015 E. 4.2.1 und A-6142/2012 vom 4. Februar 2014 E. 5.2, mit Hinweisen). Die Rückzahlungen von Kapitaleinlagen, die von Inhabern der Beteiligungsrechte geleistet werden, werden damit steuerrechtlich den Rückzahlungen von Einlagen in das Grund- oder Stammkapital gleichgestellt (vgl. hierzu ausführlich: Urteile des BVGer A-6072/2013 vom 4. Juni 2015 E. 4.3 und A-6142/2012 vom 4. Februar 2014 E. 5.3). Die Rückzahlung von Grund- oder Stammkapital und die Rückzahlung im Sinne von Art. 5 Abs. 1bis VStG sind somit von der Verrechnungssteuer ausgenommen.

2.3.2  Von der Verrechnungssteuer ausgenommen sind gemäss Art. 5 Abs. 1 Bst. a VStG auch die Reserven und Gewinne einer Kapitalgesellschaft gemäss Art. 49 Abs. 1 Bst. a des Bundesgesetzes vom 14. Dezember 1990 über die direkte Bundessteuer (DBG, SR 642.11) oder Genossenschaft, die bei einer Umstrukturierung nach Art. 61 DBG in die Reserven einer aufnehmenden oder umgewandelten inländischen Kapitalgesellschaft oder Genossenschaft übergehen (vgl. hierzu später: E. 3.3 f.).

Bei Umstrukturierungen von Kapitalgesellschaften und Genossenschaften - Fusion, Umwandlung oder Aufspaltung (unter wirtschaftlicher Betrachtungsweise) - erhalten die Inhaber der Aktiven und Verbindlichkeiten übertragenden juristischen Person in vielen Fällen Beteiligungsrechte an der aufnehmenden Gesellschaft. Die Gesellschaftsmittel bleiben auf der Gesellschaftsebene erhalten, wobei den Anteilsinhabern in der Regel keine direkten Leistungen von den beteiligten Kapitalgesellschaften oder Genossenschaften zufliessen. Trotzdem resultieren bei Umstrukturierungen, die sich als Entnahmetatbestände qualifizieren, geldwerte Leistungen. Die untergehenden oder übertragenden Gesellschaften oder Genossenschaften übertragen ihr Vermögen auf den übernehmenden Rechtsträger, ohne dass ihnen eine Gegenleistung zufliesst. Diese Leistung (verrechnungssteuerlicher «Liquidationserlös») unterliegt grundsätzlich der Verrechnungssteuer nach Art. 4 Abs. 1 Bst. b VStG und zwar in dem Umfang, in welchem der Verkehrswert der neuen Beteiligungsrechte den auf die untergehenden Beteiligungsrechte entfallenden Nennwert und seit Inkrafttreten des Kapitaleinlageprinzips (vgl. E. 2.3.1) die steuerfrei rückzahlbare Kapitaleinlagereserven übersteigt (Jürg Altorfer, in: Zweifel et al. [Hrsg.], Kommentar zum Schweizerischen Steuerrecht, Bundesgesetz über die Verrechnungssteuer, 2. Aufl. 2012 [hiernach: VStG-Kommentar], Art. 5 Rz. 1 und Rz. 6; Reich, a.a.O., § 29 Rz. 36). Der «Liquidationserlös» besteht in den Anteilsrechten an der übernehmenden Gesellschaft, wobei gedanklich davon ausgegangen wird, dass die übertragende Gesellschaft für die Hingabe ihres Vermögens als Gegenleistung Beteiligungsrechte der übernehmenden Gesellschaft erhält und diese sogleich im Zuge ihrer eigenen Liquidation an ihre Beteiligten ausschüttet («Liquidationsfiktion», vgl. hierzu ausführlicher: Altorfer, VStG-Kommentar, a.a.O., Art. 5 Rz. 1, mit weiteren Hinweisen). Schon früh wurde auf gesetzgeberischer Ebene von dieser formalen Betrachtungsweise Abstand genommen, da sie den sich bei Umstrukturierungen abspielenden wirtschaftlichen Gegebenheiten nicht gerecht wird. Solange die Beteiligungsinhaber der übertragenden Gesellschaft keine frei verfügbaren Vermögenswerte erhalten, sondern bloss mit Beteiligungsrechten abgegolten werden, in welchen die übertragenen Vermögenswerte weiterhin gebunden und latent der Verrechnungssteuer verhaften bleiben, erscheint die Erhebung der Verrechnungssteuer als nicht gerechtfertigt. Lediglich wenn bei einer Umstrukturierung Reserven und Gewinne an die Inhaber der Beteiligungsrechte gelangen oder wenn sie auf einen Rechtsträger übertragen werden, dessen Ausschüttung an die Beteiligten nicht der Verrechnungssteuer unterliegen, entspricht die Erhebung dem Zweck der Verrechnungssteuer (Altorfer, VStG-Kommentar, a.a.O., Art. 5 Rz. 2 und Reich, a.a.O., § 29 Rz. 36).

Mit Inkrafttreten des Kapitaleinlageprinzips gehören die sog. Kapitaleinlagereserven gemäss Art. 5 Abs. 1bis VStG (E. 2.3.1) nicht (mehr) zu diesen Reserven, welche zwingend auf den neuen Rechtsträger übergehen müssen. Somit wird fortan unterschieden, ob es sich bei den Reserven um selbst erwirtschaftetes Eigenkapital (nicht verteilte Gewinne), um Agio oder um andere Leistungen der Gesellschaft handelt. Die Gewinne werden den Reserven gleichgestellt, obwohl sie streng genommen noch nicht den Reserven zuzurechnen sind. Ebenso gehören stille Reserven zum latenten Verrechnungssteuersubstrat (Altorfer, VStG-Kommentar, a.a.O., Art. 5 Rz. 5; hierzu: E. 3.4.1).

2.4  Die Verrechnungssteuer wird bei inländischen Sachverhalten nicht zum Zweck erhoben, den Bürger mit ihr zu belasten, sondern ist in erster Linie als steuertechnisches Mittel gedacht, um die Hinterziehung der Kantons- und Gemeindesteuern auf beweglichem Kapitalvermögen und seinem Ertrag durch die der schweizerischen Steuerhoheit unterworfenen Steuerpflichtigen einzudämmen (sog. Sicherungszweck; vgl. Botschaft des Bundesrates vom 18. Oktober 1963 betreffend den Entwurf zu einem Bundesgesetz über die Verrechnungssteuer, BBl 1963 II 953, 955). Demgegenüber hat die Verrechnungssteuer direkten Fiskalzweck für den im Ausland steuerpflichtigen Empfänger der steuerbaren Erträge, soweit dieser nicht abkommensrechtlich geschützt ist, und für den inländischen Leistungsempfänger in all den Fällen, in denen diesem die Erfüllung der materiellen Anspruchsvoraussetzungen für die Rückerstattung aberkannt wird. In beiden Fällen verfällt die Verrechnungssteuer definitiv mit deren Erhebung (vgl. Urteile des BVGer A-6072/2013 vom 4. Juni 2015 E. 3.2, A-6142/2012 vom 4. Februar 2014 E. 3.2 und A-5786/2012 vom 7. August 2013 E. 2.2; BAUER-BALMELLI/REICH, VStG-Kommentar, a.a.O., Vorbemerkungen Rz. 71).

2.5  Der Grundsatz der Massgeblichkeit der Handelsbilanz (sog. Massgeblichkeitsprinzip) stammt aus dem Gewinnsteuerrecht und besagt, dass die handelsrechtliche Bilanz und Erfolgsrechnung Ausgangspunkt und Grundlage der steuerrechtlichen Gewinnermittlung bilden (ALTORFER/GRETER, VStG-Kommentar, a.a.O., Art. 5 Rz. 156). Die Steuerbehörden sind verpflichtet, auf die von den Organen verabschiedete Jahresrechnung abzustellen, ebenso hat sich die Gesellschaft auf ihrer Handelsbilanz behaften zu lassen (BGE 141 II 83 E. 3.1, BGE 137 II 353 E. 6.2; Urteile des BGer 2C_509/2013, 2C_510/2013, 2C_527/2013 und 2C_528/2013 vom 8. Juni 2014 E. 2.2.1, 2C_554/2013 und 2C_555/2013 vom 30. Januar 2014 E. 2.1; Urteil des BVGer A-4789/2012 vom 30. Januar 2014 E. 3.5.2.3; Blumenstein/Locher, System des schweizerischen Steuerrechts, 7. Aufl. 2016, S. 325 f. mit Hinweisen). Damit kommt dem Massgeblichkeitsprinzip unter anderem auch eine Beweisfunktion zu. Die Steuerbehörden sollen sich auf die Angaben des Steuerpflichtigen verlassen dürfen (zum Ganzen auch: Brülisauer/Mühlemann, DBG-Kommentar, a.a.O., Art. 58 Rz. 18).

Das Massgeblichkeitsprinzip bedeutet nicht, dass eine Handelsbilanz per se bindend ist. Massgeblich sind einzig die nach den zwingenden Bestimmungen des Handelsrechts ordnungsgemäss geführten Bücher. Entscheidend ist gemäss dem Grundsatz der Massgeblichkeit der Handelsbilanz somit der wirtschaftliche Sachverhalt, wie er nach den handelsrechtlichen Vorschriften in den Geschäftsbüchern dargestellt werden muss (Roland Burkhalter, Massgeblichkeitsgrundsatz, 2003, Rz. 168 ff.; Reich, a.a.O., § 15 Rz. 65).

Auch wenn das Massgeblichkeitsprinzip aus dem Gewinnsteuerrecht stammt, ist bei der Verrechnungssteuer ebenfalls der nach handelsrechtlichen Grundsätzen bestimmte Gewinn für die Ermittlung des verrechnungssteuerpflichtigen Gewinnanteils (vgl. Art. 4 Abs. 1 VStG) massgebend, indem das VStG ohne Umschreibung des Begriffes des Gewinns direkt an den handelsrechtlichen Gewinn anknüpft (vgl. Florian Regli, Grundlagen für die Konzernbesteuerung im schweizerischen Steuerrecht, 2013, Rz. 500; BVGE 2015/25 E. 3.3).

3. 
Unbestritten ist im vorliegenden Fall, dass im Rahmen der Fusionen mit den Tochtergesellschaften deren Aktivenüberschuss in die Reserven der Beschwerdeführerin überging und dass Letztere in dem Umfang reduziert wurden, in dem die Buchwerte der Beteiligungen an den Tochtergesellschaften in der Bilanz der Muttergesellschaft höher waren, als das Grundkapital der Tochtergesellschaften (sog. «verrechnungssteuerlicher Fusionsverlust»). Nicht im Streit liegt zudem, dass die Beschwerdeführerin keine geldwerte Leistung an ihre Anteilsinhaber ausgerichtet hat. Zu beurteilen ist vorliegend, ob die Praxis der Verwaltung, wonach der «verrechnungssteuerliche Fusionsverlust» eine verrechnungssteuerpflichtige Leistung gemäss Art. 4 Abs. 1 Bst. b VStG darstellt, gesetzmässig ist. Ausschlaggebend hierfür ist unter anderem, ob der «verrechnungssteuerliche Fusionsverlust» nicht vielmehr unter den Ausnahmetatbestand von Art. 5 Abs. 1 Bst. a VStG fällt, da sämtliche Reserven der von der Beschwerdeführerin absorbierten Tochtergesellschaften in die Reserven der Beschwerdeführerin übergegangen seien (durch Umstrukturierung bewirkten Übergang von Reserven). Nachfolgend (E. 3.3) sind zuerst die Verwaltungspraxis und die einzelnen Meinungen in der Doktrin aufzuzeigen und danach (E. 3.4) Art. 5 Abs. 1 Bst. a VStG auszulegen. Sodann ist zu prüfen, ob vorliegend die Zuweisung von Fr. 9'267'000.-- in die Kapitaleinlagereserven der Beschwerdeführerin - weder bei der Beschwerdeführerin noch bei den Tochtergesellschaften waren zuvor Reserven aus Kapitaleinlagen verbucht - eine Verringerung des Verrechnungssteuersubstrats zur Folge hatte bzw. Fr. 6'917'000.-- nicht viel eher in die allgemeine Reserve hätten eingebucht werden müssen (E. 3.5).

3.1  Die Beschwerdeführerin moniert, die Vorinstanz verneine - obwohl die Reserven handelsrechtlich in die Reserven der Beschwerdeführerin übergegangen seien und im Falle ihrer Weiterausschüttung der Verrechnungssteuer unterlägen - die Anwendbarkeit der Ausnahmebestimmung von Art. 5 Abs. 1 Bst. a VStG, da diese nur in Anspruch genommen werden könne, wenn das übertragene Verrechnungssteuersubstrat erhalten bleibe. Entgegen den Behauptungen der Vorinstanz seien die Reserven aber nicht untergegangen. Vielmehr erfolge die Ausbuchung des Fusionsverlustes zu Lasten des Eigenkapitals der Muttergesellschaft, die Reserven der Tochtergesellschaften gingen systembedingt auf die aufnehmende Muttergesellschaft über. Der durch die Tochterabsorption entstehende Fusionsverlust sei keine verrechnungssteuerpflichtige Leistung (der Tochtergesellschaft an ihre Muttergesellschaft). Gemäss Wortlaut von Art. 5 Abs. 1 Bst. a VStG seien von der Steuer ausgenommen die Reserven und Gewinne einer Kapitalgesellschaft, die bei einer Umstrukturierung in die Reserven der aufnehmenden inländischen Kapitalgesellschaft übergehen würden. Die Voraussetzungen von Art. 5 Abs. 1 Bst. a VStG seien vorliegend unbestrittenermassen erfüllt. Es sei nicht davon die Rede, dass die Summe der Reserven der betroffenen Gesellschaft unverändert bleiben müsse, wobei die Vorinstanz dennoch davon ausgehe. Die Ausnahme von der Verrechnungssteuer für die im Rahmen einer Tochterabsorption übergehenden Reserven sei auch steuersystematisch begründet. Es falle keine Gewinnsteuer an, somit gebe es auch nichts zu sichern. Es bestehe kein Anlass, vom klaren Wortlaut abzuweichen und beim Untergang von Reserven der Muttergesellschaft, die durch die Tochterabsorption bewirkt würden, die Verrechnungssteuer zu erheben. Es seien auch keine Reserven untergegangen, die ohne die Fusion der Verrechnungssteuer unterlegen hätten. Lediglich das Eigenkapital der Muttergesellschaft würde sich reduzieren. Ein Fusionsverlust, der die handelsrechtlich ausschüttungsfähigen Reserven schmälere, sei keine verrechnungssteuerpflichtige geldwerte Leistung im Sinne von Art. 4 Abs. 1 Bst. b VStG; darunter würden lediglich Dividenden, Boni, Gratisaktien, Gratispartizipationsscheine, Liquidationsüberschüsse und dergleichen fallen (Sachverhalt Bst. E).

3.2  Die Vorinstanz hält dem entgegen, Art. 5 Abs. 1 Bst. a VStG sei insoweit nicht anwendbar, als die Fusion für die absorbierende Muttergesellschaft einen Verlust mit sich bringe. Auch gemäss Kreisschreiben Nr. 5 der ESTV vom 1. Juni 2004 betreffend Umstrukturierungen (nachfolgend: Kreisschreiben Nr. 5) müsse, damit die Reserven und Gewinne einer Kapitalgesellschaft oder Genossenschaft, die bei einer Umstrukturierung nach Art. 61 DBG in die Reserven einer aufnehmenden oder umgewandelten inländischen Kapitalgesellschaft oder Genossenschaft übergehen, von der Verrechnungssteuer ausgenommen seien, das übertragene Verrechnungssteuersubstrat erhalten bleiben. Nur wo dieses erhalten bleibe und somit zu einem späteren Zeitpunkt besteuert werden könne, soll im Zeitpunkt der Umstrukturierung vom Steueraufschub profitiert werden können. Die Reserven der Muttergesellschaft seien reduziert worden, indem die Buchwerte der Beteiligungen an den Tochtergesellschaften in der Bilanz der Muttergesellschaft höher gewesen seien, als das Grundkapital der übernommenen Tochtergesellschaften. Dadurch hätten die absorbierten Tochtergesellschaften der Muttergesellschaft eine Leistung erbracht. Daraus resultiere ein «verrechnungssteuerlicher Fusionsverlust» für die Muttergesellschaft in Höhe von Fr. 6'917'000.--. In dieser Höhe seien nämlich bei der Gesellschaft die Reserven und Gewinne der absorbierten Tochtergesellschaften nicht dergestalt in ihre Reserven übergegangen, dass sie «auch in der neuen Gesellschaft den Charakter als Reserven bewahren». Die Reserven der absorbierten Tochtergesellschaften seien in der Höhe der Differenz zwischen dem Buchwert der Beteiligung in der Bilanz der Mutter und dem tieferen Grundkapital bei der Tochter untergegangen. Der Steueraufschub müsse verneint werden, ansonsten ginge Verrechnungssteuersubstrat definitiv verloren. Überdies werde die Beschwerdeführerin auf ihre Darstellung in der Handelsbilanz behaftet, dem Massgeblichkeitsprinzip komme auch Beweisfunktion zu. Das Steuerrecht erlaube jedoch keine beliebige Tieferbewertung, wie sie handelsrechtlich allenfalls erlaubt sein könnte. Steuergesetzliche Korrekturvorschriften könnten Anwendung finden, wobei vorliegend keine solchen hätten angewendet werden müssen bzw. das Massgeblichkeitsprinzip uneingeschränkt Anwendung finde (Sachverhalt Bst. D). Die Vorinstanz gibt weiter zu bedenken, bei einer Tochterabsorption fänden nicht, wie von der Beschwerdeführerin angenommen, zwei voneinander unterschiedliche Vorgänge - wie der Übergang von Aktiven und Passiven der Tochtergesellschaft auf die Muttergesellschaft und die Ausbuchung des Fusionsverlustes bei der Muttergesellschaft - statt. Bei der Tochterabsorption handle es sich vielmehr, da diese dem Prinzip der Universalsukzession folge und eine Gesamtrechtsnachfolge bewirke, um einen einzigen Vorgang. Bei einer Tochterabsorption stellten allfällige Differenzen zwischen dem Aktivenüberschuss (Total Aktiven abzüglich Fremdkapital) und der bisherigen Beteiligung an der Tochtergesellschaft auf dem Beteiligungskonto Übernahmegewinne oder -verluste dar. Sei der Buchwert der Beteiligung höher - vorliegend sei das Aktienkapital zzgl. aller Reserven der Tochtergesellschaften kleiner als der Beteiligungswert -, handle es sich um einen echten Fusionsverlust, der in einer Überbewertung der Anteile gründe. Hieraus leite sich die langjährige Praxis der ESTV ab - welche auch in der Lehre mit überwiegender Mehrheit gestützt werde -, wonach bei Fusionsverlusten im Zeitpunkt der Universalsukzession Mittel der Tochtergesellschaft abgeflossen bzw. ausgeschüttet worden sein müssten und deshalb nicht in die Reserven der Muttergesellschaft übergehen würden. Der Verrechnungssteuer seien nicht nur Leistungen aus dem zivilrechtlich ausschüttungsfähigen Gewinn der Tochtergesellschaften unterworfen. Zudem knüpfe die Steuerpflicht weder am Reinertrag (im Sinne der direkten Steuern) noch am Vermögensertrag (im einkommensrechtlichen Sinn) an. Massgebend sei bloss, ob eine auf dem Beteiligungsrecht beruhende, aus diesem fliessende Leistung vorliege, ohne Rücksicht auf die Form oder Herkunft der Mittel. Letztlich sei die Verrechnungssteuer zumindest in der Erhebungsphase eine eigene «echte» Steuer und diene nicht nur zur Sicherung der Einkommens- und Gewinnsteuern. Aus dem Holdingstatus könne die Beschwerdeführerin nichts zu ihren Gunsten ableiten (Sachverhalt Bst. F).

3.3   

3.3.1  Die Vorinstanz führt im Kreisschreiben Nr. 5 unter dem Titel «4.1.2.4.1 Fusionen von inländischen Kapitalgesellschaften und Genossenschaften» aus: Die bei einer Fusion den Inhabern der Beteiligungsrechte oder diesen nahestehenden Dritten zukommenden Ausgleichszahlungen, Gratisaktien, Gratisnennwerterhöhungen und sonstigen Erträge unterliegen nach Art. 4 Abs. 1 Bst. b VStG der Verrechnungssteuer, sofern sie zu Lasten der Reserven einer inländischen Kapitalgesellschaft oder Genossenschaft erfolgen. Art. 5 Abs. 1 Bst. a VStG regelt im Sinne einer Ausnahme, dass Reserven und Gewinne einer Kapitalgesellschaft oder Genossenschaft, die bei einer Umstrukturierung nach Art. 61 DBG in die Reserven einer aufnehmenden oder umgewandelten inländischen Kapitalgesellschaft oder Genossenschaft übergehen, von der Verrechnungssteuer ausgenommen sind. Dabei wird vorausgesetzt, dass das übertragene Verrechnungssteuersubstrat erhalten bleibt.

Auch mit Bezug auf die Verrechnungssteuer im Rahmen einer Absorption einer Tochtergesellschaft hält das Kreisschreiben Nr. 32 der ESTV vom 23. Dezember 2010 betreffend Sanierung von Kapitalgesellschaften und Genossenschaften (nachfolgend: Kreisschreiben Nr. 32) sinngemäss fest, dass bei einer Sanierungsfusion die Verrechnungssteuer geschuldet sei, wenn übrige Reserven, die nicht als Reserven aus Kapitaleinlagen qualifizierten, untergingen bzw. nicht in die Reserven der aufnehmenden inländischen Kapitalgesellschaft übergingen. Dies sei bei einer Tochtergesellschaft dann der Fall, wenn der Buchwert der Tochtergesellschaft bei der Muttergesellschaft höher sei als das nominelle Aktienkapital und die Reserven aus Kapitaleinlagen der Tochtergesellschaft. Sofern der Erwerb nicht als Steuerumgehung qualifiziere, werde nach gängiger Praxis der ESTV die Verrechnungssteuer nicht erhoben (Ziff. 4.3.2). Obgenannte Verwaltungspraxis wurde von der Vorinstanz vorübergehend aufgehoben (vgl. auch Oesterhelt/Taddei, in: Zweifel et al. [Hrsg.], Kommentar zum Schweizerischen Steuerrecht, Umstrukturierungen, 2016 [hiernach: Kommentar Umstrukturierungen], § 3 Rz. 169).

Hinsichtlich der Absorption einer Tochtergesellschaft («Up-Stream Merger») hält das Kreisschreiben Nr. 29 der ESTV vom 9. Dezember 2010 betreffend Kapitaleinlageprinzip altes Rechnungslegungsrecht (nachfolgend: Kreisschreiben Nr. 29) unter Ziff. 5.2.3 fest, dass bei Entstehung eines Buchgewinnes durch die Übernahme von Aktiven und Passiven der übertragenden Gesellschaft, dieser Gewinn Bestandteil des steuerbaren Reingewinns sei. In der aufnehmenden Gesellschaft werde dieser (Buch-)Gewinn aus Fusion als «übrige Reserven» qualifiziert (gleich auch: Ziff. 5.2.3 des Kreisschreibens Nr. 29a der ESTV vom 9. September 2015 betreffend Kapitaleinlageprinzip neues Rechnungslegungsrecht).

In der Verwaltungspraxis wird demnach ein «verrechnungssteuerlicher Fusionsverlust» angenommen, soweit der Buchwert der Tochtergesellschaft im Zeitpunkt der Fusion höher ist als die Summe des Nennwerts und der Reserven aus Kapitaleinlagen der Tochtergesellschaft.

3.3.2  Soweit ersichtlich, teilt die Doktrin überwiegend die hiervor genannte Auffassung der ESTV (E. 3.3.1) bzw. äussert sich zumindest nicht kritisch, wonach bei Vorliegen eines «verrechnungssteuerlichen Fusionsverlusts» bei der Muttergesellschaft im Falle einer Absorptionsfusion der Steueraufschub auf den von der Tochtergesellschaft übertragenen Reserven und Gewinnen verneint wird (in diesem Sinne: W. Robert Pfund, Die Eidgenössische Verrechnungssteuer, I. Teil [Art. 1-20], 1971, Art. 5 Abs. 1 Bst. a, N. 2.9; Reich/Duss, Unternehmensumstrukturierungen im Steuerrecht, 1996, S. 284 f.; Reich, a.a.O., § 29 Rz. 38; C. Stockar, Übersicht und Fallbeispiele zu den Stempelabgaben und zur Verrechnungssteuer, 4. Aufl. 2006, S. 229; Vogel et al., FusG Kommentar, Fusionsgesetz mit weiteren Erlassen, 3. Aufl. 2017, Vorbem. Art. 3-28 Rz. 56; Nicolas Merlino, in: Von der Crone et al. [Hrsg.], Das Fusionsgesetz, 2. Aufl. 2017, § 10 Steuern, Rz. 1347).

Abweichend von der hiervor genannten Auffassung der ESTV (E. 3.3.1) wird von Jürg Altorfer die Meinung vertreten, durch den Buchungsvorgang würden nicht die Reserven der Tochtergesellschaft reduziert, sondern diejenigen der Muttergesellschaft. Im Zuge der Fusion gehe nämlich der gesamte Aktivenüberschuss der Tochtergesellschaft auf die Muttergesellschaft über. Die Ausbuchung des Beteiligungsbuchwertes an der Tochtergesellschaft erfolge zu Lasten des Eigenkapitals der Muttergesellschaft, wobei sich buchungsmässig das Gleiche ergebe, wie wenn die Muttergesellschaft vor der Fusion die Beteiligung an der Tochtergesellschaft auf deren Nennwert abgeschrieben hätte (VStG-Kommentar, a.a.O., Art. 5 Rz. 23; Böhi/Fröhlich, Fusionsgewinn und -verlust: Handels- und steuerrechtliche Fragestellung im Überblick, StR 70/2015 S. 406; ähnlich: Höhn/Waldburger, Steuerrecht, Bd. II, 9. Aufl. 2002, Rz. 246). Letztlich würden auch die Autoren Stefan Oesterhelt/Pascal Taddei (Kommentar Umstrukturierungen, a.a.O., § 3 Rz. 169; vgl. auch: Linder/Schalcher, Sanierung von Kapitalgesellschaften und Genossenschaften, Der Schweizer Treuhänder [ST] 1-2/2014 S. 132) eine endgültige Abschaffung der hiervor genannten Verwaltungspraxis begrüssen, da damit auch der administrative Aufwand des in den meisten Fällen anzuwendenden Meldeverfahrens entfiele.

3.3.3  Zu klären ist demnach, ob trotz der - unbestrittenermassen vorliegende (E. 3) - Verminderung der offenen Reserven bei der Beschwerdeführerin der Steueraufschub gemäss Art. 5 Abs. 1 Bst. a VStG zu gewähren ist. Dabei gilt es auszulegen, was unter «Reserven [...], die [...] in die Reserven einer aufnehmenden [...] Kapitalgesellschaft [...] übergehen» zu verstehen ist («unveränderte Steuerverhaftung», insgesamt: E. 3.4), wobei eingangs auf den Wortlaut (E. 3.4.1) und hernach auf die übrigen Auslegungselemente einzugehen ist (E. 3.4.2 ff.; im Allgemeinen: vgl. bereits E. 1.5). Zu Recht nicht im Streit liegen die weiteren Voraussetzungen des Ausnahmetatbestandes gemäss Art. 5 Abs. 1 Bst. a VStG. Vorliegend ist nämlich ein Umstrukturierungstatbestand im Sinn von Art. 61 DBG gegeben und bei der Beschwerdeführerin handelt es sich klarerweise um eine inländische Kapitalgesellschaft (vgl. E. 2.3.2).

3.4   

3.4.1  Art. 5 Abs. 1 Bst. a VStG hat folgenden Wortlaut:

«1 Von der Steuer sind ausgenommen:

a.         die Reserven und Gewinne einer Kapitalgesellschaft gemäss Art. 49 Abs. 1 Bst. a des Bundesgesetzes vom 14. Dezember 1990 über die direkte Bundessteuer (DBG) oder Genossenschaft, die bei einer Umstrukturierung nach Art. 61 DBG in die Reserven einer aufnehmenden oder umgewandelten inländischen Kapitalgesellschaft oder Genossenschaft übergehen;»

Gemäss Wortlaut von Art. 5 Abs. 1 Bst. a VStG müssen die übertragenen Reserven in die Reserven der aufnehmenden Gesellschaft übergehen. Unter Reserven sind grundsätzlich Gewinne der Kapitalgesellschaft zu verstehen, welche in dieser zurückbehalten werden. Eine Definition im Gesetz fehlt. Generell werden gesetzliche, statuarische und stille Reserven voneinander unterschieden. Mit Reserven war bis zum 31. Dezember 2010 der gesamte, das Aktien, Grund- oder Stammkapital übersteigende Teil des Eigenkapitals (inkl. stille Reserven) gemeint. Wie erwähnt (E. 2.3.2) gehören seit Inkrafttreten des Kapitaleinlageprinzips am 1. Januar 2011 die sog. Kapitaleinlagereserven gemäss Art. 5 Abs. 1bis VStG nicht mehr zu diesen Reserven, welche zwingend auf den neuen Rechtsträger übergehen müssen. Somit wird fortan unterschieden, ob es sich bei den Reserven um selbst erwirtschaftetes Eigenkapital (unverteilte Gewinne), um Agio oder um andere Leistungen der Gesellschafter handelt (Altorfer, VStG-Kommentar, a.a.O., Art. 5 Rz. 5 und Rz. 11). Ob die übertragenen Reserven dabei den «Charakter» der bisherigen Reserven (bei der übertragenden Kapitalgesellschaft) bewahren und die übertragene Reserveart in dieselbe Reserveart übergehen muss bzw. - wie von der Beschwerdeführerin gefordert - bei der aufnehmenden Gesellschaft die Summe der Reserven nicht unverändert zu bleiben hat, ergibt sich nicht abschliessend aus dem Wortlaut.

3.4.2  Aus dem systematischen Auslegungselement - dem Verhältnis der auszulegenden Bestimmung zu den anderen Rechtsnormen (E. 1.5.2) - ergibt sich zunächst, dass sich die auszulegende Bestimmung im ersten Abschnitt des Gesetzes «Steuererhebung» befindet, und zwar unter dem Randtitel «A. Gegenstand der Steuer» und dessen erstem Untertitel «I. Kapitalerträge», als Teil der als «2. Ausnahmen» aufgeführten Tatbestände. Unter diese Ausnahmen fallen unter anderem die auszulegende Bestimmung Art. 5 Abs. 1 Bst. a VStG und Art. 5 Abs. 1bis VStG, der zeitlich nachgelagert im Zuge der Unternehmenssteuerreform II eingefügt wurde. Auch der Gesetzgeber trifft demnach zwischen «übrigen Reserven» und «Kapitaleinlagereserven» eine klare Unterscheidung. Da Art. 5 Abs. 1 Bst. a VStG lediglich von «Reserven [...], die [...] in die Reserven einer aufnehmenden [...] Kapitalgesellschaft [...] übergehen» spricht, legt nahe, dass unter besagten Reserven (den übertragenen und den «Zielreserven» der übernehmenden Kapitalgesellschaft) nicht auch Kapitaleinlagereserven gemeint sind (so auch: Altorfer, VStG-Kommentar, a.a.O., Art. 5 Rz. 11). Art. 5 Abs. 1 Bst. a VStG bezieht sich seit Einführung des Kapitaleinlageprinzips nicht mehr auf sämtliche Reserven, sondern nur noch auf die sog. übrigen Reserven (ALTORFER/GRETER, VStG-Kommentar, a.a.O., Art. 5 Rz. 161). Aus der Gesetzessystematik lässt sich folglich schliessen, dass einerseits Kapitaleinlagereserven nicht auf die übernehmende Kapitalgesellschaft übergehen müssen und andererseits - was für den vorliegenden Fall von besonderem Interesse ist -, dass übertragene «übrige Reserven» bei der übernehmenden Gesellschaft nicht einfach in Kapitalreserven übergehen können.

3.4.3  Zu keinem anderen Ergebnis führt die nähere Ergründung der gesetzgeberischen Absichten (teleologisches Auslegungselement, E. 1.5.2):

3.4.3.1  In der Botschaft des Bundesrates vom 13. Juni 2000 zum Bundesgesetz über Fusion, Spaltung, Umwandlung und Vermögensübertragung (Fusionsgesetz, FusG, [nachfolgend: Botschaft zum FusG], BBl 2000 4337, S. 4367 ff.) wird ausgeführt, Umstrukturierungen sollten im geltenden Steuerrecht im Regelfall ohne Steuerfolgen durchgeführt werden können, wobei es nicht darum gehe, auf die Besteuerung von Unternehmensgewinnen zu verzichten. Der Schwerpunkt müsse vielmehr darauf liegen, die Besteuerung nicht bei der Umstrukturierung anzusetzen, sondern bis zur tatsächlichen Realisation des Unternehmensgewinns aufzuschieben (Steuerneutralität bestimmter Umstrukturierungen). Zudem würden die Kantone warnend darauf hinweisen - so der Bundesrat weiter -, das Risiko, dass bei einer Fusion zusätzliches Eigenkapital zu Lasten der Reserven geschaffen werde, damit später das Kapital (steuerfrei) herabgesetzt werden könne, sei nicht von der Hand zu weisen (Botschaft zum FusG, BBl 2000 4337, S. 4378). Wie ausgeführt (E. 2.3.2) erscheint die Erhebung der Verrechnungssteuer als nicht gerechtfertigt, solange die übertragenen Vermögenswerte weiterhin gebunden und latent der Verrechnungssteuer verhaften bleiben («unveränderte Steuerverhaftung»). Lediglich wenn bei einer Umstrukturierung Reserven und Gewinne an die Inhaber der Beteiligungsrechte gelangen oder wenn sie auf einen Rechtsträger übertragen werden, dessen Ausschüttung an die Beteiligten nicht der Verrechnungssteuer unterliegen, entspricht die Erhebung dem Zweck der Verrechnungssteuer.

3.4.3.2  Sinn und Zweck war folglich, Umstrukturierungen zu erleichtern bzw. für übertragene Vermögenswerte solange einen Steueraufschub zu gewähren, als dass diese weiterhin gebunden und latent der Verrechnungssteuer verhaftet waren. Eine Erhebung der Verrechnungssteuer sollte bei «unveränderte Steuerverhaftung» nicht gerechtfertigt sein (vgl. auch: Reich, a.a.O., § 29 Rz. 36). Mit Blick auf die gesetzgeberischen Absichten sollte somit eine Reserve verrechnungssteuerfrei im Rahmen einer Umstrukturierung in die Reserve einer aufnehmenden inländischen Kapitalgesellschaft übergehen, sofern das Verrechnungssteuersubstrat erhalten bleibt. Da Kapitaleinlagereserven gemäss Art. 5 Abs. 1bis VStG verrechnungssteuerfrei an die Inhaber der Beteiligungsrechte zurückbezahlt werden können, erhellt, dass ehemals der Verrechnungssteuer unterworfene Reserven im Rahmen einer Umstrukturierung nicht einfach in Kapitaleinlagereserven «umqualifiziert» werden können. Hierdurch würden die übertragenen Vermögenswerte nämlich nicht gebunden bzw. latent der Verrechnungssteuer verhaftet bleiben.

3.4.3.3  Letztlich setzt Art. 5 Abs. 1bis VStG eine Einlage eines Beteiligungsinhabers von aussen in die Gesellschaft voraus, wodurch sich das Eigenkapital der Gesellschaft erhöht und sich im Übrigen die Qualifikation der bereits bestehenden Reserven nicht ändert (Urteil des BVGer A-6142/2012 vom 4. Februar 2014 E. 7.4.2). Der Gesetzgeber wollte die Ausschüttung von Reserven, welche aus erarbeiteten Gewinnanteilen eines Unternehmens stammen und im Rahmen einer Umstrukturierung von einem anderen Unternehmen übernommen werden, nicht von Art. 5 Abs. 1bis VStG «profitieren lassen» bzw. eine verrechnungssteuerrechtliche Besteuerung von Gewinnanteilen verhindern. Solche Reserven können nicht als Kapitaleinlagereserven im Sinne des Gesetzes betrachtet werden (ausführlicher: Urteile des BVGer A-6982/2013 vom 24. Juni 2015 E. 6.1.2 und A-6142/2012 vom 4. Februar 2014 E. 7.3). Vorliegend ist nicht ersichtlich, dass sich durch die Umstrukturierung an der Qualifikation der Reserven etwas geändert haben soll. Vor der Umstrukturierung erwirtschaftete Gewinne behalten diese Qualifikation auch nach der Umstrukturierung (vgl. Urteile des BVGer A-6982/2013 vom 24. Juni 2015 E. 6.1.2 [«vertikale Spaltung», wobei die Übertragung der Gewinnrücklagen durch einen Inhaber der Beteiligungsrechte der neu gegründeten Gesellschaft erfolgte] und A-6142/2012 vom 4. Februar 2014 E. 7.3 [Umwandlung der Rechtsform bzw. «Rechtskleidwechsel»]).

3.4.4  Dieses Ergebnis findet sich in den weiteren Materialien bestätigt. In der Botschaft vom 22. Juni 2005 zum Bundesgesetz über die Verbesserung der steuerlichen Rahmenbedingungen für unternehmerische Tätigkeiten und Investitionen (Unternehmenssteuerreformgesetz II, BBl 2005 4733, S. 4800 f.) wird eine klare Unterscheidung hinsichtlich Steuerbarkeit bei Rückfluss von Aufgeldern oder sonstigen von Aktionären auf das Konto Reserven einbezahlte Kapitalzuschüsse (Substanz- oder Liquidationsdividende) und vom Unternehmen erwirtschafteten Gewinnen gefordert. Eine Gleichbehandlung aller Reserven bzw. «Umqualifizierung» einer übrigen Reserve in Kapitaleinlagereserve kommt also auch danach nicht in Frage.

3.4.5  Insgesamt ergibt die Auslegung von Art. 5 Abs. 1 Bst. a VStG, dass unter die «Reserven [...], die [...] in die Reserven einer aufnehmenden [...] Kapitalgesellschaft [...] übergehen» keine Kapitaleinlagereserven fallen und dass «übrige Reserven» im Rahmen einer Umstrukturierung nicht einfach in Kapitaleinlagereserven übergehen bzw. «umqualifiziert» werden können. Die Praxis der Vorinstanz erweist sich somit als gesetzeskonform. Auf der vorliegenden Differenz des Buchwertes der Beteiligungen der Tochtergesellschaften in Höhe von Fr. 9'267'000.-- - welche die Beschwerdeführerin den Reserven aus Kapitaleinlage zugewiesen hat - und der Summe des Aktienkapitals in Höhe von Fr. 2'350'000.--, welche ja nicht der Verrechnungssteuer untersteht, ausmachend Fr. 6'917'000.--, ist die Verrechnungssteuer geschuldet («verrechnungssteuerlicher Fusionsverlust»).

3.5  An diesem Ergebnis vermag auch folgender Einwand der Beschwerdeführerin nichts zu ändern:

3.5.1  Durch die Reduktion der Reserven der Muttergesellschaft sei kein Verrechnungssteuersubstrat untergegangen, da dieses bei einer Holdinggesellschaft, die Alleinaktionärin ihrer Tochtergesellschaften sei, nicht aus der Summe der Reserven der Muttergesellschaft und ihrer Tochtergesellschaften bestünde, sondern sich aus den Reserven der Muttergesellschaft zusammensetze, welche nach einer Substanzentnahme und der allenfalls erforderlichen Abschreibung der Beteiligungen bei der Muttergesellschaft vorhanden seien. Hätte die Muttergesellschaft nämlich von der Tochtergesellschaft verlangt, alle ausschüttungsfähigen Reserven als Substanzdividenden an sie auszuschütten, hätte sich das Eigenkapital bei den Tochtergesellschaften auf das jeweilige Aktienkapital zzgl. der gebundenen Reserven reduziert. Die Muttergesellschaft müsste als Folge der Substanzdividenden die Beteiligungen in dem Umfang abschreiben, in dem der Buchwert das Aktienkapital der entsprechenden Tochtergesellschaft übersteige.

3.5.2  Dieses Vorbringen verfängt nicht, zumal eine Ausschüttung aller ausschüttungsfähigen Reserven der Tochtergesellschaft an die Muttergesellschaft ebenfalls der Verrechnungssteuer unterlegen hätte und wohl auch bei einer vorherigen Abschreibung der Beteiligungen um die Differenz des Buchwertes zu dem Aktienkapital ein um Fr. 6'917'000.-- höheres Verrechnungssteuersubstrat resultiert hätte. Selbst wenn dem nicht so wäre, durfte die Vorinstanz aufgrund des Prinzips der Massgeblichkeit der Handelsbilanz (E. 2.5) auf die von der Beschwerdeführerin erstellten Bilanzen abstellen bzw. hat sich die Beschwerdeführerin auf ihre Bilanz, in welchen die Beteiligungen an den Tochtergesellschaften nicht abgeschrieben waren, behaften zu lassen. Die Vorinstanz hätte dies nur dann korrigieren müssen, wenn die Beschwerdeführerin nach den massgebenden handelsrechtlichen Bestimmungen verpflichtet gewesen wäre, solche Abschreibungen vorzunehmen, was vorliegend nicht ersichtlich ist und von der Beschwerdeführerin auch nicht dargetan wurde. Insgesamt hat somit tatsächlich eine Verringerung des Verrechnungssteuersubstrats resultiert, weshalb die Fr. 6'917'000.-- in die «übrige Reserven» der Beschwerdeführerin hätten eingebucht werden müssen.

3.6  Die von der ESTV auf Fr. 2'420'950.-- (35 % von Fr. 6'917'000.--) festgesetzte Verrechnungssteuerforderung zzgl. Verzugszins seit dem 22. Dezember 2010 wurde von der Beschwerdeführerin in rein rechnerischer Hinsicht nicht beanstandet und erweist sich als rechtmässig.

4.   

4.1  Nach dem Gesagten ist die Beschwerde vollumfänglich abzuweisen. Ausgangsgemäss sind die auf Fr. 40'000.-- festgesetzten Verfahrenskosten der Beschwerdeführerin als unterliegender Partei aufzuerlegen (Art. 63 Abs. 1 VwVG i.V.m. Art. 4 des Reglements vom 21. Februar 2008 über die Kosten und Entschädigungen vor dem Bundesverwaltungsgericht [VGKE, SR 173.320.2]). Der einbezahlte Kostenvorschuss von Fr. 40'000.-- ist zur Bezahlung der Verfahrenskosten zu verwenden.

4.2  Eine Parteientschädigung an die unterliegende Beschwerdeführerin ist nicht zuzusprechen (Art. 64 Abs. 1 VwVG e contrario und Art. 7 Abs. 1 VGKE e contrario).

 

Demnach erkennt das Bundesverwaltungsgericht:

1. 
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2. 
Die Kosten des Verfahrens werden auf Fr. 40'000.-- festgesetzt und der Beschwerdeführerin auferlegt. Der in gleicher Höhe einbezahlte Kostenvorschuss wird zur Bezahlung der Verfahrenskosten verwendet.

3. 
Es wird keine Parteientschädigung zugesprochen.

4. 
Dieses Urteil geht an:

-        die Beschwerdeführerin (Gerichtsurkunde)

-        die Vorinstanz (Ref-Nr. [...]; Gerichtsurkunde)

 

(Für die Rechtsmittelbelehrung wird auf die nächste Seite verwiesen.)

 

Der vorsitzende Richter:

Die Gerichtsschreiberin:

 

 

Michael Beusch

Anna Strässle

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Entscheid kann innert 30 Tagen nach Eröffnung beim Bundesgericht, 1000 Lausanne 14, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten geführt werden (Art. 82 ff., 90 ff. und 100 BGG). Die Rechtsschrift ist in einer Amtssprache abzufassen und hat die Begehren, deren Begründung mit Angabe der Beweismittel und die Unterschrift zu enthalten. Der angefochtene Entscheid und die Beweismittel sind, soweit sie die Beschwerdeführerin in Händen hat, beizulegen (Art. 42 BGG).

 

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vermögenswert
gesellschafter
ausgabe(geld)
historische auslegung
bundesrecht
verzugszins
direkte bundessteuer
konkursdividende
bruchteil
jagdgerät
botschaft(parlamentsvorlage)
abstimmungsbotschaft
übernahme
schuld
gewinnanteil
richterliche behörde
verfahrensbeteiligter
einsprache
beurteilung(allgemein)
anspruchsvoraussetzung(versicherungsleistung)
wirtschaftliche betrachtungsweise
vermögen
schriftstück