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Abteilung I

A-6774/2017

 

 

 

 

 

Urteil vom 27. Februar 2018

Besetzung

 

Richter Daniel Riedo (Vorsitz),

Richterin Marianne Ryter, Richter Michael Beusch,  

Gerichtsschreiberin Kathrin Abegglen Zogg.

 

 

 

Parteien

 

X._______,

Zweigniederlassung Y._______, ...,

vertreten durch KPMG AG, Steuerberatung,

Badenerstrasse 172, Postfach, 8036 Zürich,

Beschwerdeführerin,

 

 

 

gegen

 

 

Eidgenössische Steuerverwaltung ESTV,

Hauptabteilung Mehrwertsteuer,

Schwarztorstrasse 50, 3003 Bern,  

Vorinstanz.

 

 

 

 

Gegenstand

 

MWST; Sprungbeschwerde.

 

 

 


Sachverhalt:

A. 
Die X._______ Unternehmensgruppe erbringt weltweit Dienstleistungen im Gesundheitsbereich. Ihre Gesundheits- und Lebensversicherungslösungen bietet sie sowohl gegenüber Unternehmen bzw. Organisationen als auch Privaten an. Die XY._______., der europäische Hauptsitz des Konzerns, hat Sitz in A._______. Sie verfügt über eine Zweigniederlassung in Y._______ (CH). Letztere erzielt gemäss eigenen Angaben ausschliesslich von der Mehrwertsteuer ausgenommene Umsätze, weshalb sie sich nicht im Register der Mehrwertsteuerpflichtigen bei der ESTV eintragen liess.

B. 
Mittels Selbstanzeige vom 23. Dezember 2013 und Ergänzungsschreiben vom 31. Januar 2014 stellte die Zweigniederlassung Y._______ die Nachdeklaration von Bezugsteuern in der Höhe von Fr. (...) für die Steuerperioden 2008 bis 2012 in den Raum. Nicht Gegenstand dieser Selbstanzeige bildeten jene von der ausländischen Gruppengesellschaft im Zusammenhang mit der Bearbeitung der Versicherungspolicen bezogenen Dienstleistungen, die nach Ansicht der Zweigniederlassung als Vermittlungstätigkeit bzw. berufstypische Tätigkeit und damit als von der Mehrwertsteuer ausgenommene Leistungen zu qualifizieren sind.

C. 
Am 8. Oktober 2015 teilte die ESTV der Zweigniederlassung Y._______ mit, dass sie sämtliche vom Ausland bezogenen Dienstleistungen als steuerbare Backofficetätigkeiten qualifiziere und darauf Bezugsteuern erhebe. Mit fünf separaten Ergänzungsabrechnungen (EA Nr. [...]) für die Steuerjahre 2008 bis 2012 forderte sie gleichentags Mehrwertsteuern im Gesamtbetrag von Fr. (...) nach.

D. 
Nach entsprechender Ankündigung vom 11. November 2015 reichte die Zweigniederlassung an die ESTV am 22. Dezember 2015 Unterlagen zum Nachweis einer von der (Bezugs-)Steuer ausgenommenen Vermittlungs- bzw. berufstypischen Tätigkeit ein.

E. 
Mit E-Mail vom 30. März 2016 informierte die ESTV die Zweigniederlassung, dass sie sämtliche vom Ausland bezogenen Dienstleistungen nach wie vor als steuerbar qualifiziere, und wies sie auf die Möglichkeit hin, eine Verfügung gemäss Art. 82 MWSTG zu verlangen.

F. 
Am 21. Dezember 2016 verlangte die Zweigniederlassung von der ESTV den Erlass einer einlässlich begründeten Verfügung, da sie mit den EA nicht einverstanden sei.

G. 
Nachdem die ESTV von der Zweigniederlassung zusätzliche Unterlagen einverlangt hatte, bestätigte sie ihre Steuerforderungen gemäss den bestrittenen EA mit zwei Verfügungen vom 28. September 2017, einmal betreffend die Steuerjahre 2008 und 2009 und einmal betreffend die Steuerjahre 2010 bis 2012.

H. 
Gegen beide Verfügungen liess die Zweigniederlassung am 27. Oktober 2017 Einsprachen an die ESTV erheben und im Hauptbegehren sinngemäss beantragen, die vorinstanzlichen Verfügungen seien aufzuheben und es sei auf den aus dem Ausland bezogenen Dienstleistungen keine Bezugsteuer zu erheben, eventualiter sei die Steuerforderung der ESTV gemäss Selbstanzeige vom 23. Dezember 2013 festzusetzen; alles unter Kosten- und Entschädigungsfolge zu Lasten des Bundes.

I. 
Am 21. November 2017 beantragte die Zweigniederlassung (nachfolgend: Beschwerdeführerin) bei der ESTV die Behandlung ihrer Einsprachen vom 27. Oktober 2017 als Sprungbeschwerden. Die ESTV leitete die Eingaben der Zweigniederlassung am 28. November 2017 an das Bundesverwaltungsgericht weiter. Sie beantragt, auf die Beschwerden sei nicht einzutreten, weil die angefochtenen Verfügungen nicht einlässlich begründet seien.

J. 
Mit unaufgefordert eingereichter Stellungnahme vom 12. Dezember 2017 bekräftigte die Beschwerdeführerin ihren Standpunkt, wonach die Voraussetzungen für eine Sprungbeschwerde erfüllt seien.

Auf die detaillierten Vorbringen der Parteien wird - soweit sie entscheidwesentlich sind - in den Erwägungen näher eingegangen.


Das Bundesverwaltungsgericht zieht in Erwägung:

1.   

Das Bundesverwaltungsgericht beurteilt gemäss Art. 31 VGG Beschwerden gegen Verfügungen nach Art. 5 VwVG, sofern keine Ausnahme nach Art. 32 VGG gegeben ist. Eine solche Ausnahme liegt hier nicht vor, und die Vorinstanz ist eine Behörde im Sinn von Art. 33 VGG. Das Bundesverwaltungsgericht ist demnach für die Beurteilung der vorliegenden Beschwerde sachlich zuständig.

2.   

Vorliegend ist vorab im Rahmen der Eintretensfrage zu prüfen, ob die Voraussetzungen einer Sprungbeschwerde erfüllt sind. Diese Frage ist, weil es sich dabei um Verfahrensrecht im engeren Sinn handelt, nach dem neuen Recht, konkret Art. 83 Abs. 4 MWSTG, zu beurteilen (Art. 113 Abs. 3 MWSTG).

2.1  Verfügungen der ESTV müssen eine Rechtsmittelbelehrung sowie eine «angemessene» Begründung enthalten (Art. 82 Abs. 2 MWSTG). Gemäss Art. 83 Abs. 1 MWSTG können solche Verfügungen innert 30 Tagen nach Eröffnung mit Einsprache angefochten werden. Richtet sich die Einsprache hingegen gegen eine «einlässlich» begründete Verfügung der ESTV, ist sie auf Antrag oder mit Zustimmung des Einsprechers oder der Einsprecherin als Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht weiterzuleiten (sog. Sprungbeschwerde, Art. 83 Abs. 4 MWSTG).

Die Zulässigkeit einer Sprungbeschwerde setzt nach dem klaren Gesetzestext voraus, dass kumulativ (i) eine Verfügung der ESTV ergangen ist und (ii) diese einlässlich begründet wurde.

2.2  Nach der Gerichtspraxis ist der Begriff der «einlässlichen Begründung» nicht mit demjenigen der «angemessenen Begründung», der in Art. 82 Abs. 2 MWSTG gebraucht wird, gleichzusetzen. Vielmehr hat eine «einlässliche Begründung» im Sinn von Art. 83 Abs. 4 MWSTG erhöhten Anforderungen zu genügen (statt vieler: Urteile des BGer 2C_543/2017 vom 1. Februar 2018 E. 3.2, 2C_659/2012 vom 21. November 2012 E. 3.3.3, ausführlich: Urteil des BVGer A-1184/2012 vom 31. Mai 2012).

2.2.1  Eine Begründung ist angemessen, wenn die Mindeststandards, die sich aus der BV (Recht auf ein faires Verfahren, Anspruch auf rechtliches Gehör) und dem einschlägigen Verfahrensrecht ergeben, erfüllt sind. Konkret hat eine angemessene Begründung über die blosse Bestätigung des Kontrollergebnisses hinauszugehen. Sie hat in der Regel neben dem Entscheiddispositiv, den rechtserheblichen Sachverhalt, die angewandten Rechtsnormen sowie die Subsumtion des Sachverhalts unter diese Normen zu enthalten und es muss eine Auseinandersetzung mit allfälligen Argumenten und Vorbringen der betroffenen Person erfolgen. Wie ausführlich und in welcher Anordnung die einzelnen Elemente in der Verfügung enthalten sein müssen, hängt stark von den konkreten Umständen des Einzelfalles ab. So sind die Anforderungen bei einfachen Sachverhalten oder Rechtsfragen tiefer anzusetzen als bei komplexen Fragen. In jedem Fall muss aber aus der Verfügung klar hervorgehen, was die Behörde anordnet und wie sie diese Anordnung begründet (statt vieler: Urteile des BVGer
A-3480/2015 vom 23. Juli 2015 E. 1.5.1.1 f., A-1184/2012 vom 31. Mai 2012 E. 3.3.1 f., je mit Hinweisen).

2.2.2  Um Gegenstand einer Sprungbeschwerde sein zu können, muss eine Verfügung demgegenüber «einlässlich», das heisst detailliert bzw. erschöpfend begründet sein (Urteil des BVGer A-1184/2012 vom 31. Mai 2012 E. 3.3.3). Entsprechend sind nicht alle Verfügungen der ESTV, sondern bloss eine qualifiziert begründete Gruppe direkt beim Bundesverwaltungsgericht anfechtbar (Urteile des BGer 2C_543/2017 vom 1. Februar 2018 E. 3.2, 2C_659/2012 vom 21. November 2012 E. 3.3.1).

In welchem Fall eine Begründung als «angemessen» im Sinn von Art. 82 Abs. 2 MWSTG gelten kann und unter welchen Voraussetzungen eine in diesem Licht «angemessene» Begründung zur «einlässlichen» im Sinn von Art. 83 Abs. 4 MWSTG wird, lässt sich abstrakt nur umreissen. So ist etwa bei einfachen Sachverhalten oder klaren Rechtsfragen nicht von Vornherein ausgeschlossen, dass sich die Anforderungen an eine «angemessene» und eine «einlässliche» Begründung wenig unterscheiden und die Ausführungen der verfügenden Behörde durchaus kurz ausfallen können. Andererseits ist es bei komplizierten Sachverhalten dem Verfügungsadressaten und bei Weiterzug der Rechtsmittelinstanz nur möglich, die Motive und Gründe der Vorinstanz, welche zum Entscheid geführt haben, nachzuvollziehen, wenn die Begründung eine gewisse Dichte aufweist und insbesondere der rechtserhebliche Sachverhalt und die Subsumtion genügend dargelegt und dabei auch die Argumente des Betroffenen mit einbezogen worden sind. Je umfangreicher und komplexer ein Fall ist, desto mehr ist eine verwaltungsexterne Rechtsmittelinstanz auf einen «einlässlich» begründeten Entscheid (bzw. eine «einlässlich» begründete Verfügung) der Vorinstanz angewiesen. Wenn eine Begründung mithin nur sehr kurz und wenig differenziert ausfällt, kann bei komplexen Fällen nicht von einer einlässlich, erschöpfend begründeten Verfügung gesprochen werden und ist eine Sprungbeschwerde aus den oben genannten Gründen nicht möglich (zum Ganzen: Urteile des BVGer A-362/2017 vom 3. Mai 2017 E. 2.3.2, A-679/2015 vom 29. April 2015 E. 1.3.1.4, A-6606/2012 vom 30. Januar 2013 E. 2.2.4 und A-1184/2012 vom 31. Mai 2012 E. 3.3.4).

2.2.3  Die Möglichkeit einer Sprungbeschwerde verfolgt wohl prozessökonomische Zwecke, wobei aber primär dort eine Beschleunigung erreicht werden soll, wo ansonsten Verfahrensleerläufe drohen. Von solchen kann indes nur dann die Rede sein, wenn sich eine Behörde bereits abschliessend mit einem Fall auseinandergesetzt hat und dabei - sofern gegeben - auch auf die abweichende Rechtsauffassung der Steuerpflichtigen eingegangen ist und sich weitere Ausführungen erübrigen (Urteile des BGer 2C_543/2017 vom 1. Februar 2018 E. 3.2, 2C_659/2012 vom 21. November 2012 E. 3.3.2). Des Weiteren besteht keine gesetzliche Grundlage bzw. kein Anspruch auf «einlässliche Begründung» und somit letztlich auf Zulassung zum Sprungbeschwerdeverfahren. Vielmehr stellt das Sprungbeschwerdeverfahren eine Ausnahme von Art. 83 Abs. 1 MWSTG dar, wonach das Einspracheverfahren die Regel ist (Urteil des BVGer A-6606/2012 vom 30. Januar 2013 E. 3.2.3). Nichts Gegenteiliges kann denn auch aus der in der Botschaft zu Art. 83 Abs. 4 MWSTG festgehaltenen Auffassung des Bundesrates abgeleitet werden, wonach durch das Überspringen des Einspracheentscheids das Verfahren effizienter und schneller durchgeführt werden könne (BBl 2008 7006). Dies ist nämlich nur dann zutreffend, wenn eine einlässlich begründete Verfügung vorliegt
(Urteile des BVGer A-3480/2015 vom 23. Juli 2015 E. 1.5.1.5, A-679/2015 vom 29. April 2015 E. 1.3.1.5; a.A. wohl Martin Kocher, in: Bundesgesetz über die Mehrwertsteuer, 2015, Art. 82 N.31, Art. 83 N. 28 und 49).

2.3  Vorliegend ist zu prüfen, ob die angefochtenen Verfügungen im obgenannten Sinn «einlässlich» begründet sind und folglich Gegenstand einer Sprungbeschwerde sein können.

2.3.1  Die ESTV bringt vor, sie habe sich noch nicht abschliessend zur Sache äussern können. Vor Verfügungserlass sei auch von der Beschwerdeführerin nicht bestritten gewesen, dass sie auf einem Teil der vom Ausland bezogenen Dienstleistungen Bezugsteuern schulde. In ihren Einsprachen habe die Beschwerdeführerin ihren Hauptantrag nun neu dahingehend geändert, dass sie auf sämtlichen vom Ausland bezogenen Dienstleistungen keine Mehrwertsteuern zu bezahlen habe. Zudem habe sie die Rückerstattung samt Vergütungszins des bereits bezahlten Betrags verlangt. Auch habe sie mit ihren Einsprachen neue Unterlagen eingereicht und den Sachverhalt in abgeänderter Form geschildert. Entgegen ihren früheren Vorbringen soll die Zweigniederlassung nicht mehr für den Verkauf der Versicherungen verantwortlich gewesen sein, sondern als indirekte Stellvertreterin gehandelt haben, auch sollen die Versicherungspolicen nun nicht mehr im Namen und auf Rechnung der Zweigniederlassung, sondern auf Rechnung des Hauptsitzes abgeschlossen worden sein. Ebenfalls bestünden widersprüchliche Angaben in Bezug auf die direkten Kosten, die der Zweigniederlassung zugewiesen worden seien.

2.3.2  Dagegen vertritt die Beschwerdeführerin den Standpunkt, dass die angefochtenen Verfügungen im Sinne der Rechtsprechung einlässlich begründet seien. Sie würden ein Dispositiv enthalten und 11 bzw. 13 Seiten umfassen. Es könne den Verfügungen der rechtserhebliche Sachverhalt sowie die angewandten Rechtsnormen und die Subsumption des Sachverhalts, namentlich in Bezug auf ihre beiden praktizierten Geschäftsmodelle, entnommen werden. Auch werde auf eingereichte Dokumente Bezug genommen und es finde eine Auseinandersetzung mit den Argumenten der Beschwerdeführerin statt. Die ESTV sei mit Informations- und Dokumenteneingabe vom 12. September 2017 vollständig über den rechtserheblichen Sachverhalt aufgeklärt worden. In ihren Einsprachen habe die Beschwerdeführerin genau diesen Sachverhalt rechtlich gewürdigt und keineswegs neue Sachverhaltselemente vorgebracht. Folglich habe sich die ESTV in ihren Verfügungen abschliessend zum Sachverhalt geäussert. Eine abweichende rechtliche Würdigung seitens der Beschwerdeführerin könne an diesem zugrundeliegenden Sachverhalt nichts ändern. Auch habe sie ihr Hauptbegehren nicht geändert, zumal sie bereits im Schreiben vom 17. September 2017 den Antrag auf Verzicht der Steuerforderung gestellt habe. Ohnehin habe aber die Festlegung des Rechtsbegehrens keinen Einfluss auf den Entscheid der ESTV, weil diese das Recht von Amtes wegen anzuwenden habe. Ebenfalls erweise sich die Verfahrensdauer von vier Jahren für sie als nachteilig. Die zögerliche Behandlung der Angelegenheit durch die ESTV sei für sie mit hohen Kosten und Unsicherheit verbunden.

2.4  Die angefochtenen Verfügungen enthalten wohl ein Entscheiddispositiv, Ausführungen zum Sachverhalt, die angewandten Rechtsnormen sowie eine Subsumtion. Dies allein genügt jedoch nicht, um eine Verfügung als «einlässlich» begründet zu qualifizieren. Entscheidend ist vielmehr, ob sich die ESTV bereits abschliessend mit dem Fall auseinandergesetzt hat, und ob sie dabei in der erforderlichen Weise auch auf die abweichende Rechtsauffassung der Steuerpflichtigen eingegangen ist, so dass sich weitere Ausführungen geradezu erübrigen (E. 2.2.2 f.). Dies ist vorliegend nicht der Fall. Die Beschwerdeführerin beantragt in ihren Sprungbeschwerden, dass die Steuerforderungen der ESTV auf Fr. 0.-- herabzusetzen seien. Sie begründet ihr Rechtsbegehren damit, dass im vorliegenden Fall eine Konstellation der indirekten Stellvertretung gegeben sei, was letztlich zur Folge habe, dass sämtliche hier massgebenden Leistungen als von der Steuer ausgenommene Versicherungsumsätze zu qualifizieren seien. Mit dieser Rechtsauffassung hat sich die ESTV in den angefochtenen Verfügungen nicht auseinandergesetzt. Dabei ist irrelevant, ob eine solche Auseinandersetzung aufgrund der kurz vor Verfügungserlass gemachten Angaben der Beschwerdeführerin zum Sachverhalt allenfalls möglich oder gar geboten gewesen wäre. Den Verfügungsbegründungen lag jedenfalls "nur" die
offenbar zuvor vertretene Rechtsauffassung der Beschwerdeführerin zugrunde, wonach ein grosser Teil der aus dem Ausland bezogenen Dienstleistungen der Gruppengesellschaft Versicherungsvermittlungstätigkeiten und/oder berufstypische Tätigkeiten eines Versicherungsvertreters darstellten, die von der Steuer ausgenommen seien. Entsprechend ging die ESTV auch davon aus, dass lediglich ein Teil ihrer Steuerforderung bestritten ist, nämlich derjenige der die administrativen Dienstleistungen der ausländischen Gruppengesellschaft gegenüber der Beschwerdeführerin betrifft.

Mit Blick darauf, dass die Beschwerdeführerin nun in ihren Einsprachen/Sprungbeschwerden einen Rechtsstandpunkt vertritt, der in den angefochtenen Verfügungen in keiner Weise thematisiert wird, der zudem Implikationen auf den Streitgegenstand hat und aufzeigt, dass bezüglich Sachverhalt weiterer Klärungsbedarf besteht, können die angefochtenen Verfügungen nicht als «einlässlich» begründet qualifiziert werden. Damit sind die Voraussetzungen für eine Sprungbeschwerde gemäss Art. 83 Abs. 4 MWSTG nicht erfüllt. An diesem Ergebnis vermag auch der nachvollziehbare Wunsch der Beschwerdeführerin nach einer schnellen Verfahrenserledigung nichts zu ändern.

Der Vollständigkeit halber ist anzumerken, dass die Beschwerdeführerin auch aus dem Umstand, dass sie von der ESTV ausdrücklich eine einlässlich begründete Verfügung verlangt hat (Sachverhalt Bst. F), nichts zu ihren Gunsten ableiten könnte, zumal ein Rechtsanspruch auf «einlässliche» Begründung nicht besteht (E. 2.2.3). Mangels «einlässlicher» Begründung der angefochtenen Verfügungen, kann sodann offen bleiben, ob - wie in
casu - ein nach Ablauf der gesetzlichen Einsprachefrist erfolgter Antrag auf Behandlung als Sprungbeschwerde überhaupt noch zuzulassen wäre.

2.5  Das Bundesverwaltungsgericht ist demnach für die Beurteilung der vorliegenden Sprungbeschwerden funktional nicht zuständig. Auf die Beschwerden ist nicht einzutreten (Art. 9 Abs. 2 VwVG). Sie werden zuständigkeitshalber an die Vorinstanz überwiesen (Art. 8 Abs. 1 VwVG). Dabei ist es grundsätzlich nicht Aufgabe des Bundesverwaltungsgerichts, der ESTV vorzuschreiben, wie sie in dieser Angelegenheit weiter vorzugehen hat. Die ESTV wird sich im weiteren Verfahren und bei dessen Abschluss freilich an die gesetzlichen Vorgaben des geltenden Rechts zu halten und insbesondere dem in Art. 29 Abs. 1 BV enthaltenen Beschleunigungsgebot Rechnung zu tragen haben.

3.   

3.1  Ausgangsgemäss sind die Verfahrenskosten von Fr. 1'000.-- der Beschwerdeführerin aufzuerlegen (Art. 63 Abs. 1 VwVG i.V.m. Art. 4 des Reglements vom 21. Februar 2008 über die Kosten und Entschädigungen vor dem Bundesverwaltungsgericht [VGKE, SR 173.320.2]). Dieser Betrag ist dem Kostenvorschuss zu entnehmen. Der Restbetrag von Fr. (...) ist nach Eintritt der Rechtskraft dieses Urteils zurückzuerstatten.

3.2  Eine Parteientschädigung an die Beschwerdeführerin ist nicht zuzusprechen (Art. 64 Abs. 1 VwVG e contario).

 

Demnach erkennt das Bundesverwaltungsgericht:

1. 
Auf die Beschwerden wird nicht eingetreten.

2. 
Die Beschwerden werden zuständigkeitshalber an die Vorinstanz überwiesen.

3. 
Die Verfahrenskosten werden auf Fr. 1'000.-- festgesetzt und der Beschwerdeführerin auferlegt. Sie werden dem Kostenvorschuss von Fr. (...) entnommen. Der Überschuss von Fr. (...) wird der Beschwerdeführerin nach Rechtskraft dieses Urteils zurückerstattet.

4. 
Dieses Urteil geht an:

-        die Beschwerdeführerin (Gerichtsurkunde)

-        die Vorinstanz (Ref-Nr. [...]; Gerichtsurkunde)

 

Der vorsitzende Richter:

Die Gerichtsschreiberin:

Daniel Riedo

Kathrin Abegglen Zogg

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Entscheid kann innert 30 Tagen nach Eröffnung beim Bundesgericht, 1000 Lausanne 14, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten geführt werden (Art. 82 ff., 90 ff. und 100 BGG). Die Rechtsschrift ist in einer Amtssprache abzufassen und hat die Begehren, deren Begründung mit Angabe der Beweismittel und die Unterschrift zu enthalten. Der angefochtene Entscheid und die Beweismittel sind, soweit sie der Beschwerdeführer in Händen hat, beizulegen (Art. 42 BGG).

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