Bundesverwaltungsgericht
Tribunal administratif fédéral
Tribunale amministrativo
federale
Tribunal administrativ federal
Abteilung I
A-2744/2008{T 0/2}
Urteil
vom 23. März 2010
Besetzung
Richter Daniel Riedo (Vorsitz), Richterin Salome Zimmermann,
Richter Markus Metz,
Richter Michael Beusch, Richter Thomas Stadelmann,
Gerichtsschreiber Urban
Broger.
Parteien
X._______ GmbH, Österreich,
vertreten durch R._______,
Beschwerdeführerin,
gegen
Eidgenössische
Steuerverwaltung ESTV,
Hauptabteilung Direkte Bundessteuer, Verrechnungssteuer, Stempelabgaben,
3003 Bern,
Vorinstanz.
Gegenstand
VST; Doppelbesteuerungsabkommen.
Sachverhalt:
A.
Die
börsenkotierte österreichische A._______ AG war Muttergesellschaft der österreichischen
X._______ GmbH, welche ihrerseits eine 50-%-Beteiligung an der ebenfalls österreichischen B._______
GmbH hielt. Die andere Hälfte der B._______ stand im Eigentum der schweizerischen C._______ AG.
Diese war bis am 29. Dezember 2003 eine 100%-ige Tochtergesellschaft der niederländischen D._______
B.V., welche ihrerseits von der E._______ N.V. mit Sitz in Curaçao und diese wiederum von der F._______
Privatstiftung in Wien gehalten wurde. Erstbegünstigter der genannten Stiftung war F._______, Österreich.
Die Verhältnisse werden nachfolgend grafisch dargestellt:
50%
50%
100%
100%
B.
Am
29. Dezember 2003 verkaufte die D._______ die C._______ an die liechtensteinische G._______, welche diese
am darauffolgenden Tag, dem 30. Dezember 2003, an die X._______ GmbH weiterverkaufte. Der Kaufpreis für
die C._______ basierte auf deren Bilanz per 31. Dezember 2002 und betrug EUR 20'256'280.-- zuzüglich
des Saldos aus den übrigen Aktiven und Passiven per Übergabestichtag, wobei die Beteiligung
an der B._______ ausgenommen war. Der so errechnete Saldo belief sich auf CHF 5'356'335.13. Der Kaufvertrag
sah vor, dass die C._______ per Übergabestichtag ihre Wertpapiere veräussern, alle Forderungen
eintreiben und die Verbindlichkeiten begleichen würde. Die Dividenden für die Geschäftsjahre
2002 und 2003 standen gemäss Vertrag der G._______ (Käuferin) zu.
Der am Folgetag
zwischen der G._______ und der X._______ zustande gekommene Kaufvertrag war mit dem zwischen der D._______
und der G._______ geschlossenen identisch. Es war wiederum vorgesehen, dass die Dividenden für die
Jahre 2002 und 2003 gänzlich der Käuferin, diesmal der österreichischen X._______, zustünden.
Nach
dem Verkauf gewährte die C._______ ihrer neuen Muttergesellschaft X._______ ein Darlehen in der
Höhe von CHF 6'249'676.95. Die Situation präsentierte sich damit wie folgt:
C. 50%
50%
100%
100%
Am
4. August 2004 und am 23. Mai 2005 ersuchte die X._______ um vollständige Rückerstattung der
schweizerischen Verrechnungssteuer für am 2. April 2004 und am 11. Juni 2004 fällig gewordene
Dividenden der C._______. Nach diversen Korrespondenzen verfügte die ESTV mit Entscheid vom 17.
Juli 2006, es bestehe kein Anspruch auf Rückerstattung. Sie korrigierte dies jedoch mit Einspracheentscheid
vom 12. März 2008 dahingehend, dass eine Rückerstattung von 20% gewährt werde. Die X._______
habe bei der Übernahme der C._______ auch nicht betriebsnotwendige, flüssige und bereits vor
der Handänderung ausschüttbare Mittel übernommen. Da sie sich hierfür habe verschulden
müssen, sei ein den wirtschaftlichen Gegebenheiten völlig unangemessenes Verhalten an den Tag
gelegt worden, das sich als Steuerumgehung erweise. Aus diesem Grund seien die Altreserven der niederländischen
D._______ (Verkäuferin) zuzurechnen. Diese hätte im Falle einer Ausschüttung eine Sockelsteuerbelastung
von 15% hinnehmen müssen. Diesem Sockelsatz blieben die Dividenden der C._______ verhaftet; die
Rückerstattung der Verrechnungssteuer sei deshalb im Umfang von 15% zu verweigern. Mit Einspracheentscheid
vom 12. März 2008 verfügte die ESTV sinngemäss, dass der Antrag auf Rückerstattung
der Verrechnungssteuer
in der Höhe von CHF 118'168.75 (35%) auf der Dividende für das
Geschäftsjahr 2002 von CHF 337'625.-- im Umfang von CHF 50'643.75 (15%) abgewiesen, im Umfang von
CHF 67'525.-- (20%) gutgeheissen werde;
in der Höhe von CHF 92'400.-- (35%) auf der Dividende
für das Geschäftsjahr 2003 von CHF 264'000.-- im Umfang von CHF 39'600.-- (15%) abgewiesen,
im Umfang von CHF 52'800.-- (20%) gutgeheissen werde.
D.
Gegen den Einspracheentscheid
der ESTV vom 12. März 2008 erhob die X._______ (nachfolgend: Beschwerdeführerin) mit Eingabe
vom 28. April 2008 Beschwerde beim Bundesverwaltungsgericht. Sie verlangte sinngemäss die Aufhebung
des Einspracheentscheides und die vollständige Rückerstattung der Verrechnungssteuer unter
Kosten- und Entschädigungsfolgen zulasten des Bundes.
E.
Die ESTV nahm mit Vernehmlassung
vom 25. Juni 2008 zur Beschwerde Stellung. Sie verlangte deren Abweisung unter Kostenfolgen.
F.
Auf
die weiteren Vorbringen der Parteien wird, soweit entscheidwesentlich, in den Erwägungen eingegangen.
Das
Bundesverwaltungsgericht zieht in Erwägung:
1.
1.1 Das Bundesverwaltungsgericht
beurteilt Beschwerden gegen Verfügungen nach Art. 5
des Bundesgesetzes vom 20. Dezember 1968 über
das Verwaltungsverfahren (VwVG,
SR 172.021; vgl. Art. 31
des Bundesgesetzes vom 17. Juni 2005 über
das Bundesverwaltungsgericht [Verwaltungsgerichtsgesetz, VGG,
SR 173.32]). Aufgrund von Art. 31
und Art.
32
(e contrario) VGG wäre das Bundesverwaltungsgericht zur Beurteilung der vorliegenden Beschwerde
zuständig. Allerdings bestimmt Art. 11 Abs. 4
der Vereinbarung vom 5./6. Dezember 1974 zwischen
der Schweiz und Österreich über die Durchführung der Entlastung bei Dividenden, Zinsen
und Lizenzgebühren (DBA-A-Vereinbarung,
SR 0.672.916.311), dass gegen Einspracheentscheide, die
im Anwendungsbereich der DBA-A-Vereinbarung ergangen sind, «beim Schweizerischen Bundesgericht in
Lausanne Verwaltungsgerichtsbeschwerde» erhoben werden kann. Die DBA-A-Vereinbarung stützt
sich auf Art. 28
des Abkommens vom 30. Januar 1974 zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und
der Republik Österreich zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen
und vom Vermögen (DBA-A,
SR 0.672.916.31).
1.2 Die ESTV und die Beschwerdeführerin
halten hierzu übereinstimmend fest, dass der in Art. 11 Abs. 4
DBA-A-Vereinbarung genannte Instanzenzug,
welcher von der ESTV direkt an das Bundesgericht führte, nicht mehr gelte und zuerst das Bundesverwaltungsgericht
angerufen werden könne. Bereits die Eidgenössische Steuerrekurskommission (SRK) als Vorgängerorganisation
des Bundesverwaltungsgerichts hat festgehalten, dass in Fällen, in denen eine Verordnung zu einem
DBA nach wie vor die Beschwerde ans Bundesgericht vorsehe, ohne Weiteres angenommen werden könne,
dass ein gesetzgeberisches Versehen vorliege, da im Zuge der Schaffung der SRK teils vergessen gegangen
sei, auch die bundesrätlichen Verordnungen zu den DBA anzupassen. Insofern liege eine echte Lücke
vor, welche vom Richter im Rahmen der Rechtsanwendung zu schliessen sei. Damit seien Einspracheentscheide
der ESTV zuerst bei der SRK anzufechten, auch wenn die Verordnung zum fraglichen DBA etwas anderes vorsehe
(Entscheide der SRK 2003-159 vom 3. März 2005 E. 1a, bestätigt mit Urteil des Bundesgerichts
2A.239/2005 vom 28. November 2005; SRK 2002-032 vom 7. Juni 2004, veröffentlicht in Verwaltungspraxis
der Bundesbehörden [VPB] 68.162 E. 3d).
1.3 Im vorliegenden Fall ist der direkte Weg
ans Bundesgericht anders als in den erwähnten und von der SRK behandelten Fällen nicht in einer
(landesrechtlichen) Verordnung, sondern in Art. 11 Abs. 4
der DBA-A-Vereinbarung und damit in einem Staatsvertrag
festgehalten. Damit besteht ein Widerspruch zwischen einer älteren völkerrechtlichen Vereinbarung
(DBA-A-Vereinbarung), die trotz sekundärem Regelungsgehalt Völkerrecht darstellt, und einem
jüngeren Bundesgesetz (VGG). Wegen seiner zweifelhaften Zuständigkeit eröffnete das Bundesverwaltungsgericht
am 14. Juli 2009 gestützt auf Art. 8 Abs. 2
VwVG einen Meinungsaustausch mit dem Bundesgericht.
Dieses antwortete mit Schreiben vom 21. Juli 2009 dahingehend, dass es die Auffassung der Beschwerdeführerin
und der ESTV teile, wonach abweichend vom Wortlaut der Vereinbarungsbestimmung Einspracheentscheide der
ESTV betreffend Verrechnungssteuer gestützt auf Art. 31
(bzw. Art. 32 e
contrario) VGG zuerst beim
Bundesverwaltungsgericht angefochten werden müssen und erst anschliessend, mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen
Angelegenheiten, ans Bundesgericht gelangt werden könne. Damit werde den Vorgaben von Art. 86 Abs.
1
des Bundesgerichtsgesetzes vom 17. Juni 2005 (BGG,
SR 173.110), welcher ein zentrales Anliegen der
Bundesrechtspflegereform umsetze, Genüge getan. Mit Art. 11 Abs. 4
der DBA-A-Vereinbarung sei sichtlich
bloss die Rechtsmittelregelung gemäss Art. 42
und 43
des Bundesgesetzes vom 13. Oktober 1965 über
die Verrechnungssteuer (VStG,
SR 642.21) in der Fassung übernommen worden, wie sie zum Zeitpunkt,
da die Vereinbarung abgeschlossen wurde, gegolten hatte. Es erscheine naheliegend, daraus abzuleiten,
dass die jeweilen aktuelle Rechtsmittelregelung auf die unter die Vereinbarung fallenden Streitigkeiten
zur Anwendung kommen soll. Ohnehin gebe es die Verwaltungsgerichtsbeschwerde heute nicht mehr, sodass
in jedem Fall eine sich an der aktuellen, innerstaatlichen Rechtslage orientierende sinngemässe
Auslegung der Vereinbarungsbestimmung erforderlich sei.
1.4 Das Bundesverwaltungsgericht kommt
bezüglich seiner Zuständigkeit aus folgenden Gründen zum gleichen Schluss: Die Eidgenossenschaft
kann sich einer völkerrechtlichen Verpflichtung nicht unter Berufung auf inländisches Recht
entziehen (vgl. Art. 27
der Wiener Konvention über das Recht der Verträge vom 23. Mai 1969
[VRK,
SR 0.111]); die Staaten sind verpflichtet, ungeachtet ihres innerstaatlichen Rechts völkerrechtliche
Verpflichtungen einzuhalten (Urteil des Bundesverwaltungsgerichts
A-7789/2009 vom 21. Januar 2010 E.
3.3.3 mit Hinweisen). Die VRK ist für die Schweiz zwar erst am 6. Juni 1990 in Kraft getreten; sie
findet auf die vorliegend zur Diskussion stehende, bereits 1974 abgeschlossene Vereinbarung denn auch
keine direkte Anwendung (Art. 4
VRK). Dem steht jedoch nicht entgegen, dass sich die Vertragsauslegung
an den in der VRK festgehaltenen allgemeinen Grundsätzen orientiert, zumal diese in ihrem wesentlichen
Gehalt Völkergewohnheitsrecht kodifizieren (BGE
122 II 234 E. 4c mit Hinweisen; Urteil des Bundesverwaltungsgerichts
A-7789/2009 vom 21. Januar 2010 E. 3.3.1 mit Hinweisen; Ernst Höhn, in Ernst Höhn [Hrsg.],
Handbuch des Internationalen Steuerrechts der Schweiz, 2. Aufl., Bern/ Stuttgart/Wien 1993, S. 73). Besteht,
wie hier, ein Widerspruch zwischen einem älteren Staatsvertrag und einem jüngeren Bundesgesetz,
so ist das Gericht nach der sogenannten Schubert-Praxis des Bundesgerichts dennoch ausnahmsweise an das
Bundesgesetz gebunden, wenn der Gesetzgeber beim Erlass des Bundesgesetzes bewusst in Kauf genommen hat,
dass das von ihm erlassene Landesrecht dem Völkerrecht widerspricht (statt aller: BGE
99 Ib 39 E.
3-4; bestätigt in BGE
111 V 201 E. 2/b). Dies ist vorliegend der Fall.
1.5 Das Bundesverwaltungsgericht
ist aufgrund des Gesagten und in Übereinstimmung mit der Auffassung des Bundesgerichts und der Parteien
zur Behandlung der vorliegenden Beschwerde zuständig. Auf die form- und fristgerecht eingereichte
Beschwerde ist einzutreten.
2.
2.1 Auf den 1. Juli 2005 ist das Abkommen vom 26. Oktober
2004 zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der Europäischen Gemeinschaft (EG) über
Regelungen, die den in der Richtlinie 2003/48/EG des Rates im Bereich der Besteuerung von Zinserträgen
festgelegten Regelungen gleichwertig sind (Zinsbesteuerungsabkommen, ZBstA,
SR 0.641.926.81), in Kraft
getreten. Gemäss Art. 15 ZBstA werden Dividendenzahlungen im Quellenstaat grundsätzlich nicht
besteuert, wenn die Muttergesellschaft mindestens zwei Jahre lang eine direkte Beteiligung von mindestens
25% am Gesellschaftskapital der Tochtergesellschaft gehalten hat (zum Ganzen: Pierre-Olivier Gehriger/Nils
Harbeke, Art. 15
des Zinsbesteuerungsabkommens Schweiz-EU: Was hat seit dem 1. Juli 2005 geändert;
was nicht? / Einige praktische Erfahrungen im Zusammenhang mit offenen Fragen, in Zeitschrift für
Schweizerisches und Internationales Steuerrecht [zsis] vom 29. Januar 2010, Zürich 2010).
2.2
Art. 15 ZBstA kommt allerdings keine Rückwirkung zu; die Bestimmung ist nur auf Sachverhalte anzuwenden,
die sich nach deren Inkrafttreten am 1. Juli 2005 verwirklicht haben. Abzustellen ist hierfür auf
den Zeitpunkt, an dem die Tatbestandsmerkmale verwirklicht worden sind, welche den zu beurteilenden Steueranspruch
ausgelöst haben (Stefan Oesterhelt/Maurus Winzap, Quellensteuerbefreiung von Dividenden, Zinsen
und Lizenzen durch Art. 15 Zinsbesteuerungsabkommen [ZBstA], in Archiv für Schweizerisches Abgaberecht
[ASA] 74 S. 456 f.; vgl. auch Klaus Vogel, in Klaus Vogel/Moris Lehner, Doppelbesteuerungsabkommen der
Bundesrepublik Deutschland auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und Vermögen, 5. Aufl., München
2008 [hiernach: DBA-Kommentar], N. 8 Vor Art. 6-22). Im Bereich der Verrechnungssteuer ist damit auf
den Zeitpunkt der Fälligkeit der Dividende abzustellen; in diesem Zeitpunkt wurde der zu beurteilende
Steueranspruch ausgelöst und damit das relevante Tatbestandsmerkmal verwirklicht (Art. 12 Abs. 1
Satz 1 VStG; Oesterhelt/Winzap, a.a.O., S. 457; Peter Riedweg/Reto Heuberger, Die Quellensteuerbefreiung
von Dividenden, Zinsen und Lizenzgebühren nach Art. 15 Zinsbesteuerungsabkommen, in IFF Forum für
Steuerrecht [FStR] 2006 S. 35). Als Fälligkeitsdatum von Dividendenausschüttungen und damit
als für die Sachverhaltsverwirklichung relevanten Zeitpunkt wird im Schweizerischen Recht das Datum
des Beschlusses über die Festsetzung der Dividende herangezogen (Michael Beusch, in Martin Zweifel/
Peter Athanas/Maja Bauer-Balmelli [Hrsg.], Kommentar zum Schweizerischen Steuerrecht II/2, Basel 2005
[hiernach: Kommentar VStG], N. 33 zu Art. 12
VStG; Riedweg/Heuberger, a.a.O., S. 35).
2.3
Im vorliegenden Fall entschied die C._______ vor dem 1. Juli 2005 über die Festsetzung bzw. Ausschüttung
der fraglichen Dividenden. Deren Fälligkeitsdaten liegen somit vor dem 1. Juli 2005, weshalb die
Bestimmungen von Art. 15 ZBstA hier nicht zur Anwendung kommen.
3.
3.1 Der Bund erhebt
eine Verrechnungssteuer auf dem Ertrag beweglichen Kapitalvermögens (Art. 132 Abs. 2
der Bundesverfassung
der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 [BV,
SR 101] und Art. 1 Abs. 1
VStG). Die Verrechnungssteuer
wird nach Massgabe des Verrechnungssteuergesetzes zurückerstattet (Art. 1 Abs. 2
VStG) und stellt
dem Grundsatz nach nur für inländische Defraudanten und für Ausländer, die sich nicht
auf ein entsprechendes DBA berufen können, eine endgültige Belastung dar (Botschaft des Bundesrates
vom 18. Oktober 1963 betreffend den Entwurf zu einem Bundesgesetz über die Verrechnungssteuer,
BBl
1963 II 953, 954). Gegenstand der Verrechnungssteuer sind u.a. die Erträge der von einem Inländer
ausgegebenen Aktien (Art. 4 Abs. 1 Bst. b
VStG). Steuerpflichtig ist der Schuldner der steuerbaren Leistung
(Art. 10 Abs. 1
VStG) und damit im Falle von Aktienerträgen die Dividenden ausschüttende Gesellschaft.
Die steuerbare Leistung ist bei der Auszahlung, Überweisung, Gutschrift oder Verrechnung ohne Rücksicht
auf die Person des Gläubigers um den Steuerbetrag zu kürzen, bei Kapitalerträgen um 35%
(Art. 13 Abs. 1 Bst. a
in Verbindung mit Art. 14 Abs. 1
VStG).
3.2 Nach Art. 24 Abs. 2
VStG
haben juristische Personen Anspruch auf Rückererstattung der Verrechnungssteuer, wenn sie bei Fälligkeit
der steuerbaren Leistung ihren Sitz im Inland hatten. Gemäss Art. 21 Abs. 1 Bst. a
VStG hat ein
nach Art. 22 bis
28 VStG Berechtigter Anspruch auf Rückerstattung der ihm vom Schuldner abgezogenen
Verrechnungssteuer, wenn er bei Fälligkeit der steuerbaren Leistung das Recht zur Nutzung des den
steuerbaren Ertrag abwerfenden Vermögenswertes besass. Nach Art. 21 Abs. 2
VStG ist die Rückerstattung
in allen Fällen unzulässig, in denen sie zu einer Steuerumgehung führen würde.
3.3
Während eine Person mit Sitz im Inland die auf Erträgen aus beweglichem Kapitalvermögen
erhobene Verrechnungssteuer zurückfordern kann, wenn sie bei deren Fälligkeit das Recht zur
Nutzung hatte und die Rückerstattung nicht zu einer Steuerumgehung führt, gelten für ausländische
Leistungsempfänger andere Voraussetzungen. Einen Anspruch auf Entlastung haben sie nur dann, wenn
dies ein zwischen der Schweiz und dem entsprechenden Ansässigkeitsstaat abgeschlossenes Doppelbesteuerungsabkommen
vorsieht (Bauer-Balmelli, Kommentar VStG, N. 55 zu Art. 21
VStG mit Hinweisen; Maja Bauer-Balmelli, Der
Sicherungszweck der Verrechnungssteuer - Unter besonderer Berücksichtigung der Erträge aus
Beteiligungen, Zürich 2001 [hiernach: Sicherungszweck], S. 167 ff.; für die Bestimmungen des
Zinsbesteuerungsabkommens vgl. E. 2 hievor). Der Grund für die unterschiedliche Behandlung liegt
darin, dass die Verrechnungssteuer bezüglich ausländischen Empfängern nicht einen Sicherungszweck,
sondern einen Fiskal- oder Belastungszweck hat (Bauer-Balmelli, Sicherungszweck, S. 107). Im internationalen
Verhältnis keine bzw. keine direkte Anwendung findet denn auch Art. 21 Abs. 2
VStG (Vorbehalt der
Steuerumgehung). Bei ausländischen Leistungsempfängern kann es sich nämlich - aus den
eben dargelegten Gründen - nie um eine Frage der Rückerstattung der Verrechnungssteuer im originären
Sinne handeln; vielmehr geht es um die quantitative Abgrenzung der Besteuerungsbefugnisse zweier Staaten
(vgl. Maja Bauer-Balmelli, Altreservenpraxis - ein rechtliches Argumentarium, in FStR 2004 [hiernach:
Altreservenpraxis], S. 204 und 208). Weil Art. 21 Abs. 2
VStG aber für die Rückerstattung an
Personen mit Sitz im Inland Geltung hat (vgl. E. 3.2 hievor), sich also auf die Rückerstattung der
Verrechnungssteuer im originären Sinne bezieht, bleibt ein direkter Rückgriff auf diese Steuerumgehungsklausel
zur Verweigerung eines in einem DBA-statuierten Rückerstattungsanspruchs ausgeschlossen. Hinzu kommt,
dass das DBA - als Teil des Völkerrechts - grundsätzlich dem VStG vorgeht (vgl. E. 1.4 hievor;
Entscheid der SRK 2003-159 vom 3. März 2005 E. 3e.bb; Bauer-Balmelli, Kommentar VStG, N. 58 zu Art.
21
VStG; Bauer-Balmelli, Sicherungszweck, S. 281; Georg Lutz, Die Massnahmen gegen die missbräuchliche
Inanspruchnahme von Doppelbesteuerungsabkommen, Zürich 2000 [hiernach: Massnahmen 2000], S. 159;
Georg Lutz, Abkommensmissbrauch - Massnahmen zur Bekämpfung des Missbrauchs von Doppelbesteuerungsabkommen,
Zürich 2005, S. 98; die Frage, ob der Steuerumgehungsvorbehalt nach Art. 21 Abs. 2
VStG auch im
internationalen Rahmen anzuwenden sei, offenlassend: Urteil des Bundesgerichts
2A.239/2005 vom 28. November
2005 E. 3.3.3).
3.4 Die Schweiz als Kapitalexportstaat verfolgt die Politik, die Besteuerungsbefugnis
des Quellenstaates möglichst einzuschränken (René Matteotti, «Treaty Shopping»
und seine Grenzen in der schweizerischen Rechtsprechung, in zsis vom 24. Oktober 2008, Zürich 2008
[hiernach: Treaty Shopping 2008], Ziff. 1 [Einleitung]). Entsprechende Verträge kommen zustande,
weil sich die Vertragsstaaten gegenseitig bereit erklären, auf einen Teil des nach internem Recht
steuerbaren Einkommens und Vermögens zugunsten der anderen Vertragspartei zu verzichten (Matteotti,
Treaty Shopping 2008, Ziff. 4.2; René Matteotti, Die Verweigerung der Entlastung von der Verrechnungssteuer
wegen Treaty Shoppings, in ASA 75 S. 767 ff., S. 794; Gerhard Kraft, Die missbräuchliche Inanspruchnahme
von Doppelbesteuerungsabkommen, Heidelberg 1991, S. 3).
3.5 Eine gegenseitige, zwischen zwei
Staaten vereinbarte Steuerbeschränkung enthält auch das DBA Schweiz - Österreich. Gemäss
dessen Art. 10 Abs. 2 dürfen Dividenden im Vertragsstaat, in dem die Dividenden ausschüttende
Gesellschaft ihren Sitz oder ihre Geschäftsleitung hat, nach dem Recht dieses Staates besteuert,
in der Schweiz also mit 35% Verrechnungssteuern belegt, werden. Die Steuer darf jedoch 15% des Bruttobetrages
der Dividenden nicht übersteigen. Die Dividenden sind im Quellenstaat sodann gänzlich von der
Steuer befreit, wenn der Empfänger eine Gesellschaft (jedoch keine Personengesellschaft) ist, die
unmittelbar über mindestens 20% des Kapitals der Dividenden zahlenden Gesellschaft verfügt.
Im Verhältnis Schweiz-Österreich entfällt damit für qualifizierende Beteiligungen
auch ohne Zinsbesteuerungsabkommen die 15%-ige Sockelbelastung.
3.6 Genau wie das DBA-A, das
die Sockelbelastung für qualifizierende Beteiligungen vollumfänglich beseitigt, sieht auch
das Abkommen vom 12. November 1951 zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und dem Königreich
der Niederlande zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und Vermögen
(DBA-NL,
SR 0.672.963.61) für den Empfänger von Dividenden einen Nullsatz vor, sofern der Empfänger
eine Kapitalgesellschaft ist, die mindestens 25% des Gesellschaftskapitals der Dividenden zahlenden Gesellschaft
besitzt. Allerdings wird dabei vorausgesetzt, dass die Verbindung zwischen den beiden Gesellschaften
nicht in erster Linie in der Absicht hergestellt worden ist oder beibehalten wird, sich die volle Rückerstattung
zu sichern («arranged-or-maintained»; Art. 9 Abs. 2 Bst. a
[i] DBA-NL). Andernfalls kann nur
der Betrag, der 15% der Dividenden übersteigt, zurückgefordert werden (Art. 9 Abs. 2 Bst. a
[ii] DBA-NL; BGE
110 Ib 287 E. 3c und 5; Georg Lutz, Massnahmen 2000, S. 213 f.).
3.7 Selbstredend
können unterschiedliche Sockelsätze in verschiedenen DBA dazu führen, dass grundsätzlich
nicht abkommensberechtigte Personen versuchen, sich in ein für sie günstigeres Abkommen «einzukaufen»
(sogenanntes Treaty Shopping). Was das DBA-A anbelangt, kann sich ein Empfänger schweizerischer
Dividenden aber nur dann auf dessen Vorteile berufen, wenn er in Österreich ansässig ist (vgl.
Art. 1
DBA-A), ihm im entscheidenden Moment das Recht zur Nutzung der den besteuerten Ertrag abwerfenden
Kapitalanlagen oder Rechte zustand (Art. 28
DBA-A i.V.m. Art. 2
DBA-A-Vereinbarung) und - worauf nachfolgend
noch näher einzugehen ist - kein Abkommensmissbrauch vorliegt (nach diesem Prüfungsschema auch:
Urteil des Bundesgerichts
2A.239/2005 vom 28. November 2005; Entscheid der SRK 2003-159 vom 3. März
2005 [Dänemarkfall] E. 3e; zum DBA-D: Urteil des Bundesverwaltungsgerichts
A-2163/2007 vom 30. Oktober
2008 E. 7; vgl. auch Gernot Zitter/Daniel Gentsch, Substanz von Empfängergesellschaften bei Outbound-Dividenden,
Analyse und Würdigung der Schweizer Praxis [2. Teil], in FStR 2009, S. 263).
3.8 Das
DBA zwischen der Schweiz und Österreich enthält zwar keine geschriebenen Missbrauchsbestimmungen
wie etwa eine «arranged-or-maintained»-Klausel (so aber Art. 9 Abs. 2 Bst. a
[i] DBA-NL). Das
Bundesgericht anerkennt jedoch einen den Doppelbesteuerungsabkommen inhärenten, ungeschriebenen
Missbrauchsvorbehalt (Urteil des Bundesgerichts
2A.239/2005 vom 28. November 2005 E. 3.4.3). Für
die Frage, in welchen Fällen ein solcher anzunehmen sei, hat es Kommentierungen der OECD-Musterabkommen
bzw. entsprechende Formulierungsvorschläge beigezogen (Urteil des Bundesgerichts
2A.239/2005 vom
28. November 2005 E. 3.4 und 3.6). Dieses Vorgehen wurde in der Lehre kritisiert (Markus Reich/Robert
Waldburger, Rechtsprechung im Jahr 2005 [1. Teil], in FStR 2006, S. 232 ff.; René Matteotti, Treaty
Shopping 2008, Ziff. 2.3 und 4.1 mit Hinweisen; Stefan Oesterhelt/Maurus Winzap, Abkommensmissbrauch
- Dänemark-Entscheid zum Treaty-Shopping, in Der Schweizer Treuhänder [ST] 2006, S. 774 ff.).
3.9
Das Bundesverwaltungsgericht hat sich im Urteil
A-7789/2009 vom 21. Januar 2010, insbesondere in E. 3.5,
ausführlich mit der Auslegung völkerrechtlicher Verträge auseinandergesetzt und dabei
u.a. auf die überragende Bedeutung des Wortlautes hingewiesen. Während im Landesrecht in Fällen,
da sich Normsinn und Wortsinn nicht decken, nicht der Wort-, sondern der Normsinn die Schranke der Auslegung
bildet (vgl. Peter Locher, Rechtsmissbrauchsüberlegungen im Recht der direkten Steuern der Schweiz,
in ASA 75 S. 683 f.), vom Wortsinn also im Rahmen der Auslegung ohne Weiteres abgewichen werden darf,
ist dies bei völkerrechtlichen Verträgen nur sehr beschränkt zulässig. Die völkerrechtlichen
Auslegungsregeln stellen nämlich nur insoweit auf den Vertragswillen der Parteien ab, als dieser
seinen Niederschlag im Abkommen gefunden hat. Denn immerhin einigen sich bei völkerrechtlichen Verträgen
wesensgemäss zwei oder mehr Parteien ausdrücklich auf einen Wortlaut (vgl. Urteil des Bundesverwaltungsgerichts
A-7789/2009 vom 21. Januar 2010 E. 3.5, insbesondere E. 3.5.2, mit Hinweisen; a.M. wohl Matteotti, Treaty
Shopping 2008, Ziff. 4, der für eine Präzisierung der bundesgerichtlichen Rechtsprechung dahin
plädiert, dass eine vom gewöhnlichen Wortsinn abweichende, am Vertragszweck orientierte Auslegung
dann zulässig sei, wenn eine mit dem gewöhnlichen Wortsinn konforme Auslegung des Vertragstextes
zu einem offensichtlich sinnlosen oder unvernünftigen Ergebnis führt, welches die Parteien
unmöglich gewollt haben konnten).
3.10 Aus dem Wortlaut des DBA-A ergibt sich ohne Weiteres,
dass Österreich und die Schweiz, als Vertragsstaaten des DBA-A, gewillt sind, die Beseitigung oder
Minderung der Doppelbesteuerung einzig bei ihnen, nicht aber in Drittstaaten ansässigen Personen
zukommen zu lassen. So heisst es in Art. 1
DBA-A, das Abkommen gelte für Personen, die in einem
Vertragsstaat oder in beiden Vertragsstaaten ansässig seien. Die Parteien versprachen sich mithin
nicht, auch Personen zu begünstigen, die in einem Drittstaat ansässig sind. Wenn die Abkommensvorteile
Personen zugute kämen, denen die beiden Vertragsstaaten diese nicht haben gewähren wollen,
würde das DBA-A missbräuchlich angerufen. Dieser Parteiwille ist vom Wortlaut gedeckt. Der
Vorwurf des Missbrauchs setzt nun wesensgemäss stets ein subjektives Element voraus, geht es dabei
doch um die zweckwidrige Verwendung eines Rechtsinstituts zur Verwirklichung von Interessen, die dieses
Rechtsinstitut nicht schützen soll und damit um ein aktives, vorsätzliches Tun (vgl. auch Urteil
des Bundesgerichts
2A.239/2005 vom 28. November 2005 E. 3.4.3 mit Hinweisen). Ein Missbrauch kann folglich
nur vorliegen, wenn die Gestaltung einzig und allein für Zwecke der Steuerersparnis gewählt
worden ist. Ist dies der Fall, wird von der formellen Gestaltung Abstand genommen und von einem Sachverhalt
ausgegangen, der der Sache angemessen schiene. Hat die gewählte Gestaltung jedoch (auch) einen andern
Grund als die Steuerersparnis, kann die Berufung auf das nämliche Rechtsinstitut nicht verweigert
werden.
Nicht entscheidend ist, ob die Steuerersparnis bei der Person, die sich (zu Unrecht)
auf die Abkommensvorteile beruft, direkt oder nur indirekt eintritt. Bei der Verrechnungssteuer verhält
es sich ohnehin so, dass nicht der (ausländische) Leistungsempfänger, sondern der Leistungsschuldner
Steuersubjekt ist (Ernst Höhn/Robert Waldburger, Steuerrecht, Bd. I, 9. Aufl., Bern 2001, §
21 Rz. 1 f.). Entscheidend ist, dass der Leistungsempfänger, der sich auf die Abkommensvorteile
beruft, bei der missbräuchlichen Transaktion bewusst mitwirkt und vom Vorgehen profitiert. Es ist
nur folgerichtig, dass die Korrektur dort erfolgt, wo sie erfolgen kann, nämlich bei ihm.
Diese
Betrachtungsweise wurde in der Literatur - im Zusammenhang mit der Besprechung des Bundesgerichtsurteil
2A.660/2006 vom 8. Juni 2007 - teilweise kritisiert (vgl. etwa Urs R. Behnisch/Andrea Opel, Die steuerrechtliche
Rechtsprechung des Bundesgerichts im Jahre 2008, in Zeitschrift des Bernischen Juristenvereins [ZBJV]
145/2009, S. 565 ff.; Peter Gurtner, Stempelabgaben und Verrechnungssteuer, ASA 78 S. 41 ff.): Eine Steuerumgehung
wäre danach ausschliesslich auf Stufe Steuererhebung (hier bei der Veräusserin) und nicht zusätzlich
auch noch auf jener der Rückerstattung (hier bei der Käuferin) zu bejahen. Andernfalls werde
neu die Rechtsfigur der Mitwirkung bei einer Steuerumgehung geschaffen und damit steuerlich nicht jener
Steuerpflichtige gestraft, der eine Steuerumgehung begangen habe, sondern der Mitwirkende. Diese Kritik
übersieht nach Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts, dass das System der Verrechnungssteuer
aus Steuererhebung und Steuerrückerstattung besteht und dass Steuerträger und Steuerpflichtiger
- soweit die Steuer nicht vollumfänglich zurückerstattet werden kann - nicht identisch sind.
Konsequenz dieses Systems ist, dass es auf Stufe des Steuerpflichtigen gar nichts zu korrigieren gibt:
Dieser liefert die Steuer nämlich ab und zwar zulasten des Steuerträgers. Wenn der Steuerträger
bei einer beanstandeten Transaktion mitwirkt, erscheint es daher als folgerichtig, die steuerliche Korrektur
dort vorzunehmen, wo sie effektiv erfolgen kann, das heisst im Rahmen der Rückerstattung und beim
Steuerträger. Nicht zu prüfen ist in diesem Kontext, ob und gegebenenfalls in welcher Weise
sich der so belastete Steuerträger allenfalls beim Steuerpflichtigen schadlos halten kann.
Nicht
entscheidend ist weiter, ob mit der Verhaltensweise gegen die fiskalischen Interessen nur eines Vertragsstaates
verstossen wird (a.M. Bauer-Balmelli, Altreservenpraxis, S. 209, wonach der Verstoss gegen fiskalische
Interessen bloss eines Vertragsstaates die Inanspruchnahme des Missbrauchsvorwurfs in keiner Weise zu
rechtfertigen vermöge). Weil der Missbrauch - wie dargestellt - darin liegt, dass ein Rechtsinstitut
für etwas angerufen wird, für das es die Vertragsparteien nicht vereinbart haben, genügt
es bereits, dass die zwischen den Staaten ausgehandelte Abgrenzung der Besteuerungsbefugnisse zu Lasten
des einen oder anderen Staates gestört wird.
4.
Im vorliegenden Fall ist die Ansässigkeit
der Beschwerdeführerin in Österreich und damit die Anwendbarkeit des DBA-A nicht umstritten.
Ebenso ist nicht umstritten, dass der Beschwerdeführerin das Nutzungsrecht an den fraglichen Dividenden
bzw. an den diese abwerfenden Aktien lautend auf die schweizerische C._______ zustand. Fraglich ist demgegenüber,
ob ein Abkommensmissbrauch vorliegt:
4.1 Gemäss Vertrag vom 29. respektive 30. Dezember
2003 verpflichteten sich die D._______ und einen Tag später die G._______, den Kaufgegenstand,
die schweizerische C._______, in einen liquiden Zustand zu versetzen, deren Wertpapiere zu veräussern
und deren Forderungen einzutreiben. Aus den im Recht liegenden Bilanzen der C._______ per 31. Dezember
2002 und 31. Dezember 2003 ist ohne Weiteres ersichtlich, dass dies tatsächlich geschah. So bestanden
die Aktiven der C._______ von Total CHF 8'834'110.17 per 31. Dezember 2003 im Umfang von CHF 6'773'110.17
aus Umlaufvermögen, welches seinerseits vorwiegend aus einem Darlehen in der Höhe von CHF 6'249'676.95
an die neue Muttergesellschaft, die beschwerdeführende X._______, bestand. In der Bilanz per 31.
Dezember 2002 war das Darlehen noch nicht aufgeführt, dafür verfügte die Gesellschaft
damals über Festgelder (CHF 2'284'587.60), Wertschriften (CHF 2'030'847.63) und kurzfristige Forderungen
(CHF 530'000.--). Per 31. Dezember 2003 waren diese drei Positionen mit CHF 0.-- eingebucht; das Bankguthaben
der C._______ wurde zu diesem Zeitpunkt um gut eine halbe Million Franken tiefer ausgewiesen als im Vorjahr
2002. Verglichen mit der Bilanz per 31. Dezember 2002 verblieb in der Bilanz per 31. Dezember 2003 als
einziges wesentliches Aktivum - nebst dem Darlehen an die neue Muttergesellschaft - die Beteiligung an
der österreichischen B._______. Diese war zum Betrag von CHF 2'061'000.-- eingebucht, wobei sich
die einbezahlte und von der C._______ gehaltene Stammeinlage auf EUR 1'000'000.-- belief. Die Passiven
der C._______ umfassten per 31. Dezember 2003 vor allem freie Reserven (CHF 1'000'000.--) und den Gewinnvortrag
des Vorjahres (CHF 5'879'710.13) sowie den Reingewinn des Berichtsjahres (CHF 1'466'149.99).
4.2
Der überaus grösste Teil der Aktiven der C._______ bestand damit bis zum Moment, in dem sie
der Muttergesellschaft ein Darlehen gewährte, aus liquiden Mitteln, denen auf der Passivseite überwiegend
Reserven bzw. Gewinnvorträge gegenüberstanden. Dieser Zustand hatte es der Beschwerdeführerin
erlaubt, den Kauf der C._______ mit Mitteln zu finanzieren, die in dieser selbst enthalten waren. Hinzu
kommt, dass in den Kaufverträgen vorgesehen war, die Dividenden für die Geschäftsjahre
2002 und 2003 stünden der Käuferin zu. Die X._______ (Käuferin) liess sich die Dividenden
sodann kaum ein halbes Jahr nach erfolgtem Kauf ausschütten (Kaufdatum: 30. Dezember 2003; Fälligkeitsdaten
der Dividenden: 2. April 2004 und 11. Juni 2004). Sie finanzierte den Kauf der C._______ offensichtlich
mit der Entleerung dieser selbst. Da im Verhältnis Schweiz - Österreich die schweizerische
Verrechnungssteuer stärker zurückgedrängt wird als im Verhältnis Schweiz - Niederlande,
wurden nicht ausgeschüttete Gewinnvorträge der C._______ , welche während der Haltezeit
durch die niederländische Gesellschaft thesauriert worden waren, unter ein günstigeres Abkommen
gezogen. Damit wurde versucht, die Vorteile des DBA-A für eine niederländische Person zu gewinnen
und damit für jemanden, für den diese Vorteile nicht vereinbart worden sind. Einen anderen
Sinn, als den der Steuerersparnis, kann diesem Vorgehen - wie von der ESTV zu Recht festgestellt - nicht
entnommen werden. Zwar war es die niederländische D._______, die den Gewinn aus der C._______ als
Kaufpreis statt als sockelsteuerbelastete Dividende erzielte. Bei ihr trat denn auch die direkte Steuerersparnis
ein. Diese Steuerersparnis konnte sie jedoch über den Kaufpreis an die Beschwerdeführerin weitergeben.
4.3
Was die Beschwerdeführerin dagegen vorbringt, dringt nicht durch: Das Argument, sie habe mit dem
Kauf der C._______ beabsichtigt, direkt oder indirekt die Kontrollmehrheit über die B._______ zu
erlangen, steht im Widerspruch zur Tatsache, dass bei dieser im Dezember 2003 und damit noch vor deren
(indirekten) Verkauf an die Beschwerdeführerin eine Kapitalerhöhung durchgeführt worden
war. Dabei hat die Beschwerdeführerin - wie von der ESTV korrekt festgestellt - eine dritte, nicht
zum gleichen Konzern gehörende Gesellschaft, als Aktionärin zugelassen. Mit ihrem bereits zuvor
an der B._______ gehaltenen 50%-Anteil hätte sie dies verhindern können und - hätte sie
tatsächlich die Kontrollmehrheit angestrebt - verhindern müssen. Im Übrigen hätte
es, um die Kontrollmehrheit an der B._______ zu erlangen, auch genügt, der C._______ deren Beteiligung
an der B._______ abzukaufen. Ein Erwerb der C._______ wäre hierzu nicht notwendig gewesen. Einen
anderen Grund als den der Steuerersparnis kann im Vorgehen der Beschwerdeführerin nicht erblickt
werden.
Sodann spricht die zeitliche Nähe zwischen dem Kauf der C._______ und der Ausschüttung
der Dividenden für einen Missbrauch. Die von der Beschwerdeführerin angerufene, offenbar gegenteilige
Ansicht der österreichischen Behörden zu Art. 10
DBA-A ist schon deshalb nicht einschlägig,
weil sie sich ausdrücklich auf die Altreservenpraxis bei Umgründungen bezieht; eine solche
liegt hier nicht vor. Im Übrigen ist es den österreichischen Behörden unbenommen, zu einer
anderen Ansicht zu gelangen.
4.4 Aufgrund des Gesagten ist vorliegend von jenem Sachverhalt
auszugehen, der wirtschaftlich sinnvoll gewesen wäre: Das wäre eine vorgängige Ausschüttung
der Dividenden an die niederländische D._______, also an die Verkäuferin, gewesen. In diesem
Verhältnis wäre unbestrittenermassen eine Sockelbelastung von 15% verblieben. Entsprechend
hat die ESTV rechtmässig gehandelt, indem sie der Beschwerdeführerin die Rückerstattung
der Verrechnungssteuer zwar im Umfang von 15% verweigerte, im Umfang von 20% aber zugestand.
5.
Ausgangsgemäss
ist die Beschwerde abzuweisen. Die Verfahrenskosten in der Höhe von CHF 5'000.-- sind bei diesem
Ausgang der Beschwerdeführerin aufzuerlegen (Art 63 Abs. 1
VwVG) und mit dem geleisteten Kostenvorschuss
in gleicher Höhe zu verrechnen. Eine Parteientschädigung an die Beschwerdeführerin ist
nicht zuzusprechen (Art. 64 Abs. 1
VwVG a contrario).
Demnach erkennt das Bundesverwaltungsgericht:
1.
Die
Beschwerde wird abgewiesen.
2.
Die Verfahrenskosten von CHF 5'000.-- werden der Beschwerdeführerin
auferlegt. Sie werden mit dem geleisteten Kostenvorschuss von CHF 5'000.-- verrechnet.
3.
Eine
Parteientschädigung wird nicht ausgerichtet.
4.
Dieses Urteil geht an:
die
Beschwerdeführerin (Gerichtsurkunde)
die Vorinstanz (Ref-Nr. _______; Gerichtsurkunde)
Der
vorsitzende Richter: Der Gerichtsschreiber:
Daniel Riedo Urban Broger
Rechtsmittelbelehrung:
Gegen
diesen Entscheid kann innert 30 Tagen nach Eröffnung beim Bundesgericht, 1000 Lausanne 14, Beschwerde
in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten geführt werden (Art. 82 ff
., 90 ff. und 100 des Bundesgerichtsgesetzes
vom 17. Juni 2005 [
BGG,
SR 173.110]). Die Rechtsschrift ist in einer Amtssprache abzufassen und hat die
Begehren, deren Begründung mit Angabe der Beweismittel und die Unterschrift zu enthalten. Der angefochtene
Entscheid und die Beweismittel sind, soweit sie die beschwerdeführende Partei in Händen hat,
beizulegen (vgl. Art. 42
BGG).
Versand am 24. März 2010