A.
A.a
Die
A._______ AG (nachfolgend: die Steuerpflichtige) mit Sitz in B._______ bezweckt die Entwicklung und die
Produktion von Beleuchtungskörpern bzw. den Handel damit. Gemäss unbestrittener Sachverhaltsvorbringen
ist sie eine Tochtergesellschaft einer in [Landesname] domizilierten Unternehmung. Die Steuerpflichtige
ist seit dem 1. Januar 1997 im Register der Mehrwertsteuerpflichtigen bei der Eidgenössischen Steuerverwaltung
(ESTV) eingetragen.
A.b Mit Schreiben
vom 22. November 2011 bestätigte die ESTV der Steuerpflichtigen die offenbar bereits vorgängig
telefonisch vereinbarten Termine für die Durchführung einer Mehrwertsteuerkontrolle.
A.c Im Dezember
2011 und im Juni 2012 führte die ESTV bei der Steuerpflichtigen die mit Schreiben vom 22. November
2011 angekündigte Kontrolle betreffend die Steuerperiode vom 1. Quartal 2010 bis zum 4. Quartal
2010 (Zeitraum vom 1. Januar 2010 bis zum 31. Dezember 2010) durch. Die ESTV stellte dabei fest, dass
die Zahlungsabwicklung zwischen der Steuerpflichtigen und einem Teil ihrer Kunden -
namentlich die C1._______ AG, die D1._______ AG (in den Akten teilweise als "... AG" bezeichnet)
und diverse E1._______ Bau- und Heimwerkermärkte - über
sog. Zentralregulierungsstellen erfolgt seien. So habe die Zentralregulierungsstelle C2._______ GmbH
& Co. KG mit Sitz in Deutschland die Zahlungen für die Lieferungen der Steuerpflichtigen an
die C1._______ AG, die Zentralregulierungsstelle D2._______ AG die Zahlungen für die Lieferungen
an die D1._______ AG sowie die Zentralregulierungsstelle E2._______ AG die Zahlungen für die Lieferungen
an die E1._______ Bau- und Heimwerkermärkte vereinnahmt. Im Rahmen der Zahlungsabwicklung seien
von den Zentralregulierungsstellen der Steuerpflichtigen gegenüber diverse Abzüge (Skontoabzüge
und sog. Zentralregulierungsrabatte) vom ursprünglichen Rechnungsbetrag vorgenommen worden, welche
von der Steuerpflichtigen zu Unrecht als Entgeltsminderungen qualifiziert worden seien. Skontoabzüge,
die der Leistungsempfänger bei fest abgetretenen Forderungen vornehme, könne der Leistungserbringer
gemäss Praxis der ESTV nur dann als Entgeltsminderung behandeln, sofern der Vertrag mit dem Dritten
(Zentralregulierer) eine Rückbelastung der vorgenommenen Skontoabzüge vorsehe und diese vom
Dritten dem Leistungserbringer schriftlich gemeldet würden. Diese Voraussetzungen seien für
die genannten Leistungsverhältnisse nicht erfüllt.
A.d Nach diversen
E-Mails zwischen der Steuerpflichtigen und der ESTV, welche nicht zu einer einvernehmlichen Lösung
führten, erliess die ESTV am 11. September 2012 die "Einschätzungsmitteilung Nr. 288'780
/ Verfügung" (nachfolgend: die EM), mit welcher sie Mehrwertsteuern in der Höhe von Fr.
6'870.-- für die Steuerperiode vom 1. Januar 2010 bis zum 31. Dezember 2010 nachforderte.
B.
Gegen
die EM erhob die Steuerpflichtige am 8. Oktober 2012 "Einsprache" bei der ESTV. Sie beantragte,
die EM sei aufzuheben und auf die Umsatzaufrechnungen bezüglich des Jahres 2010 sei zu verzichten
- alles unter Kosten- und Entschädigungsfolge zu Lasten
der ESTV. Zur Begründung brachte sie im Wesentlichen vor, dass mit Bezug auf die Kunden C1._______
AG und E1._______ Bau- und Heimwerkermärkte - wenn überhaupt
- ein Inkassoauftrag und keine feste Abtretung der Forderungen
vorliege, womit die von der ESTV herangezogene Praxis im vorliegenden Fall nicht zur Anwendung komme.
Bezüglich der Skontoabzüge der D1._______ AG komme das konkludente Verhalten der involvierten
Parteien einer Vereinbarung über die Rückbelastung der vorgenommenen Skontoabzüge gleich.
Die entsprechenden Abzüge seien auch korrekt gemeldet worden, womit die von der Steuerpflichtigen
getätigten "Umsatzsteuerkürzungen" in jedem Fall steuerlich als Entgeltsminderungen
anzuerkennen seien.
C.
Mit
als "Einspracheentscheid" bezeichneter Verfügung vom 5. April 2013 hiess die ESTV die
"Einsprache" der Steuerpflichtigen mit Bezug auf die Nachbelastungen gut, welche im Zusammenhang
mit den Lieferungen an die C1._______ AG und die E1._______ Bau- und Heimwerkermärkte stehen. An
der Nachbelastung bezüglich der Lieferungen an die D1._______ AG hielt die ESTV dagegen fest. Sie
brachte im Wesentlichen vor, dass aufgrund der Bestimmungen des "Factoringvertrags" vom 7.
Juni 2008 (richtigerweise: 2006) offensichtlich eine Abtretung im Sinne
der Ziff. 2.3.2 der MWST-Info 04 "Steuerobjekt" (nachfolgend: MWST-Info 04) vorgelegen habe.
Das von der Steuerpflichtigen in diesem Zusammenhang vorgebrachte Argument, es handle sich nicht um "echtes
Factoring", da die D2._______ AG verpflichtet sei, mit ihr "einzeln abzurechnen", vermöge
nicht zu überzeugen, da Letztere der Steuerpflichtigen vertragsgemäss jeweils den Kaufpreis
der angekauften Forderung zu bezahlen habe und nicht den der D2._______ AG konkret für diese Forderung
vom Anschlusskunden entrichten Betrag weiterleiten müsse.
Im Übrigen habe die Steuerpflichtige das Vorliegen
der Voraussetzungen einer Entgeltsminderung i.S.v. Art. 41 des Bundesgesetzes vom 12. Juni 2009
über die Mehrwertsteuer (MWSTG; SR 641.20) zu beweisen, da es sich hierbei um steuermindernde Tatsachen
handle. Ein solcher Nachweis sei aber im vorliegenden Fall nicht erbracht worden.
D.
Gegen diesen "Einspracheentscheid" vom 5. April 2013 erhob
die Steuerpflichtige (nachfolgend: die Beschwerdeführerin) am 7. Mai 2013 Beschwerde beim Bundesverwaltungsgericht.
Sie beantragt, den "Einspracheentscheid" bezüglich den Nachbelastungen im Zusammenhang
mit den Lieferungen an die D1._______ AG unter Kosten und Entschädigungsfolgen zu Lasten der ESTV
aufzuheben. Zur Begründung führt sie im Wesentlichen an, dass der von der ESTV angeführte
"Factoringvertrag" von der Beschwerdeführerin in dieser Form "nicht akzeptiert"
und auch nicht "gegengezeichnet" worden sei. Damit bestünde keine rechtsgültige Abtretung
der Forderungen. Es handle sich lediglich um einen Vorschlag seitens der D2._______ AG. Diese habe der
Beschwerdeführerin telefonisch bestätigt, dass kein Factoringvertrag vorliege. Bei den umstrittenen
"Umsatzsteuerkürzungen" betreffend die Rabatte, Skonto und dergleichen handle es sich
somit um Entgeltsminderungen gemäss Art. 44 Abs. 2 des (alten) Bundesgesetzes vom 2. September
1999 über die Mehrwertsteuer (aMWSTG; AS 2000 1300) (richtigerweise: Art. 41 MWSTG).
E.
Mit Vernehmlassung vom 14. Juni 2013 bezieht
die ESTV Stellung zur Beschwerde. Mit Bezug auf den nichtunterzeichneten "Factoringvertrag"
vom 7. Juni 2006 bringt die ESTV vor, dieser sei von der Beschwerdeführerin als Beilage zur "Einsprache"
vom 8. Oktober 2012 selbst beigebracht worden. Es sei weder behauptet noch nachgewiesen worden, dass
der Vertragsinhalt nicht dem tatsächlichen Parteiverhalten entsprochen habe, was für die mehrwertsteuerliche
Qualifikation letztendlich entscheidend sei. Dementsprechend müsse davon ausgegangen werden, dass
der "Factoringvertrag" tatsächlich dem wirtschaftlichen Verhalten der Parteien entsprochen
habe, zumal die D2._______ AG ihre vertraglich vorgesehene Zahlungsregulierungstätigkeit offensichtlich
ausgeübt und auch die ihr vertraglich zustehende Factoring- bzw. Delkrederegebühr einbehalten
habe.
F.
Mit Eingabe vom 22. Juli 2013 bezieht die
Beschwerdeführerin Stellung zur Vernehmlassung der ESTV. Der umstrittene "Factoringvertrag"
sei von ihr als Nachweis dafür ins Recht gelegt worden, dass ein solcher von ihr nicht unterzeichnet
worden sei. Entgegen dem Vorbringen der ESTV liege somit keine feste Forderungsabtretung vor. Die Beschwerdeführerin
legt zudem ein Schreiben der D2._______ AG vom 7. Mai 2013 ins Recht, in welchem diese der Beschwerdeführerin
bestätigt, dass der "Factoringvertrag" vom 7. Juni 2006 nicht unterzeichnet worden sei.
Es bestehe ein Vertrag mit gleichem Inhalt mit "der Muttergesellschaft" in Deutschland. Weiter
bestätige die D2._______ AG, dass seit Aufnahme der Geschäftsbeziehung mit der Beschwerdeführerin
bei jeder Zahlung dieser ein sog. "Zahlungs-AVIS" zugestellt worden sei, aus welchem der Auszahlungsbetrag
nach Verrechnung von Abzügen (Skonto, Delkredere, etc.) zu entnehmen sei. Wie im Factoringgeschäft
üblich, fordere sie gegenüber ihren Kunden (vorliegend der D1._______ AG) die vorfinanzierten
Leistungen zurück. Die von ihr belasteten Delkredere-Abzüge würden 2.75% betragen und
seien ohne Mehrwertsteuer erfolgt, da diese Leistungen (Factoring/Dienstleistungsverkehr) von der Mehrwertsteuer
ausgenommen seien.
G.
Auf die weiteren Vorbringen in den Eingaben der Parteien ist -
soweit entscheidrelevant -
in den nachfolgenden Erwägungen näher einzugehen.
Das Bundesverwaltungsgericht zieht in Erwägung:
1.1 Das Bundesverwaltungsgericht
beurteilt gemäss Art. 31 des Bundesgesetzes vom 17. Juni 2005 über das Bundesverwaltungsgericht
(VGG; SR 173.32) Beschwerden gegen Verfügungen nach Art. 5 des Bundesgesetzes vom 20. Dezember 1968
über das Verwaltungsverfahren (VwVG; SR 172.021), sofern keine Ausnahme nach Art. 32 VGG gegeben
ist. Eine solche liegt hier nicht vor, und die Vorinstanz ist eine Behörde im Sinn von Art. 33 VGG.
Das Bundesverwaltungsgericht ist demnach für die Beurteilung der vorliegenden Beschwerde sachlich
zuständig.
1.2 Auf die funktionelle
Zuständigkeit ist im Folgenden einzugehen, wobei zunächst festzustellen ist, welches Recht
anwendbar ist.
1.3 Am 1. Januar 2010
ist das MWSTG in Kraft getreten. Der vorliegend zu beurteilende Sachverhalt hat sich im Jahr 2010 zugetragen,
also nach dem Inkrafttreten des MWSTG. Das vorliegende Verfahren untersteht deshalb in materieller und
formeller Hinsicht dem MWSTG sowie der Mehrwertsteuerverordnung vom 27. November 2009
(MWSTV; 641.201).
1.4
1.4.1 Die
Einsprache ist das vom Gesetz besonders vorgesehene förmliche Rechtsmittel, mit dem eine Verfügung
bei der verfügenden Verwaltungsbehörde zwecks Neuüberprüfung angefochten wird. Die
Einsprache ist kein devolutives Rechtsmittel, welches die Entscheidungszuständigkeit an eine Rechtsmittelinstanz
übergehen lässt (vgl. BGE 132 V 368 E. 6.1 und BGE 131 V 407 E. 2.1.2.1; Ulrich
Häfelin/Georg Müller/Felix Uhlmann, Allgemeines Verwaltungsrecht, 6. Aufl., Zürich/St.
Gallen 2010, N. 1815). Das Einspracheverfahren ermöglicht eine Abklärung komplexer tatsächlicher
oder rechtlicher Verhältnisse und eine umfassende Abwägung der verschiedenen von einer Verfügung
berührten Interessen (Häfelin/Müller/Uhlmann,
a.a.O., N. 1816).
1.4.2 Im
Bereich der Mehrwertsteuer ist das Einspracheverfahren in Art. 83 MWSTG gesetzlich vorgesehen. Eine
Ausnahme hierzu bildet die sog. "Sprungbeschwerde": Richtet sich die Einsprache gegen eine
einlässlich begründete Verfügung der ESTV, so ist sie auf Antrag oder mit Zustimmung des
Einsprechers oder der Einsprecherin als Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht weiterzuleiten (Art.
83 Abs. 4 MWSTG; vgl. zur Sprungbeschwerde Urteil des Bundesverwaltungsgerichts A 1184/2012 vom
31. Mai 2012 E. 2 ff., auch zum Folgenden).
1.4.3 Der Erlass eines
Einspracheentscheids setzt ausführungsgemäss voraus, dass vorgängig eine Verfügung
ergangen ist, welche überhaupt Gegenstand eines Einspracheverfahrens bilden kann. Die Vorinstanz
sieht diese Verfügung in der als "Verfügung" bezeichneten EM Nr. 288'780 vom
11. September 2012. Freilich ist es nach neuerer Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts grundsätzlich
nicht zulässig, eine Einschätzungsmitteilung direkt als Verfügung im Sinne von Art. 5
VwVG auszugestalten (vgl. Urteil des Bundesverwaltungsgerichts A 707/2013 vom 25. Juli 2013 E.
4.2 f. mit Hinweisen).
Vorliegend stellt aber jedenfalls der als "Einspracheentscheid"
bezeichnete Entscheid der ESTV vom 5. April 2013 eine Verfügung gemäss Art. 5 VwVG dar. Indem
die Beschwerdeführerin dagegen beim Bundesverwaltungsgericht Beschwerde erhob, hat sie einen allfälligen
Verlust des Einspracheverfahrens (E. 1.4.1) zumindest in Kauf genommen. Ihre vorbehaltlose Beschwerdeführung
direkt beim Bundesverwaltungsgericht ist unter diesen Umständen - in analoger Anwendung von
Art. 83 Abs. 4 MWSTG - als "Zustimmung" zur Durchführung des Verfahrens der
Sprungbeschwerde (E. 1.4.2) zu werten, zumal der "Einspracheentscheid" vom 5. April 2013
einlässlich begründet ist (vgl. Urteil des Bundesverwaltungsgerichts A-707/2013 vom 25. Juli
2013 E. 1.2.3 und E. 4.2.5.3).
1.4.4 Das Bundesverwaltungsgericht
ist demnach für die Beurteilung der vorliegenden Beschwerde auch funktional zuständig.
2.
2.1 Der Mehrwertsteuer
unterliegen die im Inland gegen Entgelt erbrachten Leistungen (Art. 18 Abs. 1 i.V.m.
Art. 3 Bst. c MWSTG). Die Steuer wird grundsätzlich vom tatsächlich empfangenen Entgelt berechnet.
Zum Entgelt gehören namentlich auch der Ersatz aller Kosten, selbst wenn diese gesondert in Rechnung
gestellt werden, sowie die von der steuerpflichtigen Person geschuldeten öffentlich-rechtlichen
Abgaben (Art. 24 Abs. 1 MWSTG).
2.2
2.2.1 Factor
ist, wer Forderungen aus Lieferungen oder Dienstleistungen, die im Betriebe eines Dritten entstanden
sind, an sich übertragen lässt, sie verwaltet und bereit ist, diese für die Zeit zwischen
der Übernahme und dem effektiven Zahlungseingang zu bevorschussen und/oder in derselben Zeitperiode
das Delkredererisiko zu übernehmen. Factoring ist zum einen eine eigentliche Dienstleistung, indem
der Factor seinem Vertragspartner (Klienten) im administrativen Bereich die Führung der Debitorenbuchhaltung
mit allen sich daraus ergebenden Aspekten, wie Mahnwesen und Inkasso der Forderungen, anbietet. Auch
ist erforderlich, dass er sich die Forderungen vom Klienten übertragen (zedieren) lässt. Die
Dienstleistungsfunktion kann je nach den konkreten Bedürfnissen der Vertragsparteien verschieden
ausgestaltet sein. Sie umfasst regelmässig die Führung einer Debitorenbuchhaltung, das Mahnwesen
und meistens auch das Inkasso. Durch das Factoring kann der Klient die ihm gegen seine Kunden zustehenden
Forderungen, die einen Vermögenswert darstellen, mit Hilfe des Factors mobilisieren (Finanzierungsfunktion),
wobei dies meistens dadurch geschieht, dass der Factor die ihm vom Klienten zedierten Forderungen bevorschusst.
Zuweilen wird in den Factoringverträgen der Factor ermächtigt, zu wählen, ob er auch das
Delkredererisiko nach vorangehender Bonitätsprüfung durch den Factor selber übernehmen
will (Optionsvereinbarung), womit das Risiko der Zahlungsunfähigkeit der Kunden des Klienten auf
den Factor überwälzt wird. Der Factor verpflichtet sich zu einer "Garantieleistung",
nämlich zur Zahlung des vom Kunden anerkannten Betrages an den Klienten, während der Klient
dem Factor eine Delkredereprovision zu bezahlen hat (zum Ganzen: BVGE 2007/14 E. 2.2.2 m.w.H.).
Zu beachten ist, dass gemäss Art. 171 Abs. 2 des Obligationenrechts
vom 30. März 1911 (OR; SR 220) der Zedent (bei der entgeltlichen Abtretung) für die Zahlungsfähigkeit
des Schuldners nicht haftet, es sei denn, er habe sich dazu verpflichtet. Eine solche Verpflichtung ergibt
sich - zumindest stillschweigend -
aus dem Factoringvertrag für den Fall, dass mit dem Factor nicht die Übernahme des Delkredererisikos
vereinbart wird bzw. der Factor nicht von der ihm eingeräumten Option Gebrauch gemacht hat. Übernimmt
der Factor nach erfolgter Bonitätsprüfung im konkreten Einzelfall das Delkredererisiko, so
spricht man von echtem Factoring. Sofern das Delkredererisiko nicht übernommen wird, liegt demgegenüber
unechtes Factoring vor (BVGE 2007/14 E. 2.2.2 m.w.H.; Peer Köning,
Probleme bei der Einziehung von Mehrwertsteuerforderungen im Zusammenhang mit Zessionen, in: Archiv für
Schweizerisches Abgaberecht [ASA] 74 [2005/2006] 368 ff.) Typisch beim Factoringvertrag ist, dass die
Dienstleistungen des Factor stets in Kombination mit (meistens rotierenden) Forderungsübertragungen
vereinbart werden; mehrere der genannten Dienstleistungen sind mit der Abtretung von Forderungen verbunden.
Der Vertrag stellt, da er sich aus Nominat- und Innominatelementen zusammensetzt, einen gemischten Vertrag
dar. Die Nominatelemente sind in der Regel Auftrag (Art. 394 OR), Darlehensvertrag (Art. 312 OR) und
allenfalls (Forderungs-) Kaufvertrag (Art. 187 OR). Zudem findet auf die Abtretung von Forderungen
das Zessionsrecht (Art. 164 OR) Anwendung. Innominatelement ist insbesondere die für den Factoringvertrag
typische Bonitätsrisikoverteilung bei den (mit Dienstleistungen kombinierten) Zessionen (Globalzessionen),
welche die folgenden Strukturen aufweist: (1) das Recht des Factor, aufgrund einer Prüfung der Bonität
der Kunden des Klienten die Übernahme des Delkredererisikos zu erklären (Optionsvereinbarung);
(2) die durch eine solche Übernahmeerklärung bedingte Pflicht des Factor zu Garantieleistungen
im Falle fehlender Bonität der Kunden des Klienten; (3) die durch eine solche Übernahmeerklärung
bedingte Pflicht des Klienten zur Leistung von Delkredereprovisionen; (4) die (meistens stillschweigend
erklärte) bedingte Pflicht des Klienten, das Bonitätsrisiko zu übernehmen, falls keine
Übernahmeerklärung des Factors erfolgt (vgl. BVGE 2007/14 E. 2.2.2 m.w.H.).
2.2.2 Im
Bereich des Geld- und Kapitalverkehrs sind (unter anderem) Leistungen, mit Einschluss der Vermittlung,
im Einlagengeschäft und Kontokorrentverkehr, im Zahlungs- und Überweisungsverkehr, im Geschäft
mit Geldforderungen, Checks und anderen Handelspapieren von der Steuer ausgenommen; steuerbar ist jedoch
die Einziehung von Forderungen im Auftrag des Gläubigers ("Inkassoauftrag"; Art. 21 Abs.
2 Ziff. 19 Bst. c MWSTG). Von Art. 21 Abs. 2 Ziff. 19 Bst. c MWSTG werden sämtliche Dienstleistungen
im Bereich der Kontoführung einschliesslich der damit zusammenhängenden Schalter- und Automatengeschäften
sowie ein Grossteil der Umsätze des übrigen alltäglichen Retailbanking-Geschäfts
umfasst. Zu den von der Steuer ausgenommenen Geschäften gehört sodann der Forderungskauf unter
Übernahme des vollen Delkredererisikos (echtes Factoring). Werden jedoch Forderungen ohne Übernahme
des Delkredererisikos an einen Dritten abgetreten (unechtes Factoring) oder zieht ein Dritter Forderungen
im Namen und auf Rechnung des Gläubigers ein, und hat der Dritte dabei über die vom Schuldner
bezahlten Beträge Rechnung abzulegen, so liegt kein Finanzierungsgeschäft, sondern eine steuerbare
Dienstleistung vor (BVGE 2007/14 E. 2.2.2; vgl. auch Alois
Camenzind/Niklaus Honauer/Klaus A. Vallender/Marcel R. Jung/Simeon L. Probst, Handbuch zum Mehrwertsteuergesetz
[MWSTG], 3. Aufl., Bern 2012, Rz. 1224 ff., 1249 ff. und 1514).
2.3 Das
Entgelt stellt nicht nur Tatbestandselement des Steuerobjekts dar, sondern bildet auch die Bemessungsgrundlage
der Mehrwertsteuer (Art. 24 MWSTG; vgl. statt vieler: BGE 132 II 353 E. 4.1; BVGE 2011/44 E. 3.1).
Art. 24 Abs. 1 MWSTG hält fest, dass die Steuer vom tatsächlich empfangenen Entgelt berechnet
wird. Entscheidend ist somit nicht mehr wie unter altem Recht, was der Empfänger der Leistung oder
an seiner Stelle ein Dritter als Gegenleistung für die Leistung aufwendet (statt vieler: BGE 126
II 443 E. 6a; Urteil des Bundesverwaltungsgerichts A 5279/2011 vom 1. März 2013 E. 2.1.3 m.w.H.).
Massgeblich ist vielmehr der tatsächliche Vermögenszugang beim Leistungserbringer (vgl. Ivo
P. Baumgartner/Diego Clavadetscher/Martin Kocher, Vom alten zum neuen Mehrwertsteuergesetz, Langenthal
2010, § 6 N. 5; Felix Geiger, in: Felix Geiger/Regine
Schluckebier [Hrsg.], MWSTG Kommentar, Zürich 2012 [nachfolgend: MWSTG Kommentar], Art. 24 N. 3).
2.4 Wird
das vom Leistungsempfänger bezahlte oder mit ihm vereinbarte Entgelt korrigiert, ist im Zeitpunkt,
in dem die Korrektur verbucht oder das korrigierte Entgelt vereinnahmt wird, eine Anpassung der Umsatzsteuerschuld
vorzunehmen. Vom Entgelt dürfen insbesondere Rabatte und Skonti abgezogen werden (vgl. Ziff. 1.1.2
der MWST-Info 7 "Steuerbessung und Steuersätze"). Der Abzug setzt einen unmittelbaren
Zusammenhang mit dem getätigten Umsatz voraus, der das steuerbare Entgelt auslöst (BGE 136
II 441 E. 3.2, Urteile des Bundesgerichts 2C_928/2010 vom 28. Juni 2011 E. 2.3, 2A.220/2003 vom 11. Februar
2004 E. 3.4; vgl. Urteile des Bundesverwaltungsgerichts A-1629/2006 vom 22. Juni 2009 E. 2.2,
A 1348/2006 vom 30. Mai 2007 E. 3.2 m.w.H.).
2.5
2.5.1 Verwaltungsverordnungen
(wie MWST-Infos, MWST-Branchen-Infos, Merkblätter, Richtlinien, Kreisschreiben etc.) sind nur, aber
immerhin, Meinungsäusserungen der Verwaltung über die Auslegung der anwendbaren Gesetzesbestimmungen.
Sie dienen der Sicherstellung einer einheitlichen, gleichmässigen und sachrichtigen Praxis des Gesetzesvollzugs
(BVGE 2010/33 E. 3.3.1, BVGE 2007/41 E. 4.1; MICHAEL BEUSCH,
Was Kreisschreiben dürfen und was nicht, in: Der Schweizer Treuhänder 2005 S. 613 ff.). Als
solche sind sie für die als eigentliche Adressaten figurierenden Verwaltungsbehörden verbindlich,
wenn sie nicht klarerweise einen verfassungs- oder gesetzeswidrigen Inhalt aufweisen (MICHAEL
BEUSCH, in: Zweifel/Athanas [Hrsg.], Kommentar zum Schweizerischen
Steuerrecht, Teil I/Bd. 2b, Bundesgesetz über die direkte Bundessteuer [DBG], 2. Aufl., Basel 2008,
Art. 102 N 15 ff.). Die Gerichtsbehörden sollen Verwaltungsverordnungen bei ihrer Entscheidung denn
auch mitberücksichtigen, sofern diese eine dem Einzelfall angepasste und gerecht werdende Auslegung
der anwendbaren gesetzlichen Bestimmungen zulassen. Dies gilt umso mehr, als es nicht Aufgabe der Gerichte
ist, als Zweitinterpreten des der Verwaltungsverordnung zugrunde liegenden Erlasses eigene Zweckmässigkeitsüberlegungen
an die Stelle des Vollzugskonzepts der zuständigen Behörde zu setzen (BGE 126 II 275 E. 4c,
BGE 123 II 16 E. 7a; BVGE 2010/33 E. 3.3.1, BVGE 2007/41 E. 3.3; Urteil des Bundesverwaltungsgerichts
A-5116/2012 vom 31. Juli 2013 E. 2.4.2).
2.5.2
2.5.2.1 Die ESTV hat
die mehrwertsteuerliche Behandlung von Factoringgeschäften in ihrer MWST-Info 04 konkretisiert.
Sie unterscheidet in Ziff. 2.3.2 f. zwischen "Inkassoaufträgen" und der "Forderungsabtretungen".
2.5.2.2 Ein
blosser "Inkassoauftrag" liegt gemäss ESTV vor, wenn der Leistungserbringer der "Hauptleistung"
einen Dritten (z.B. eine Bank oder ein Inkassobüro) mit dem Inkasso seiner Forderung gegenüber
dem Leistungsempfänger beauftrage und der Dritte über jede einzelne Zahlung des Schuldners
mit dem Leistungserbringer abrechne (wobei aber das Bundesverwaltungsgericht bereits in einem früheren
Entscheid entgegen dieser Praxis der ESTV entschieden hat, dass das Kriterium der Einzelabrechnung grundsätzlich
kein taugliches Abgrenzungskriterium bildet [vgl. ausführlich BVGE 2007/14 E. 3.3.1; Harun
Can, Mehrwertsteuer-Folgen der Abtretung von Geldforderungen, in: IFF Forum für Steuerrecht
2008, S. 202]). Der Dritte, welcher definitionsgemäss kein Delkredererisiko trage, müsse unter
diesen Voraussetzungen leidglich das Entgelt für die Inkassoleistung versteuern; der Leistungserbringer
hingen den vollen Betrag, welchen der Dritte vom Schuldner vereinnahmt und an den Leistungserbringer
weiterleitet, einschliesslich allfälliger Teilzahlungszuschläge, Vertragszinsen und Anrechnungswerte
(vgl. MWST-Info 04, Ziff. 2.3.3). Zur möglichen Entgeltsminderung im Rahmen des Inkassoauftrags
äussert sich die MWST-Info 04 nicht. Doch werden Entgeltsminderungen dadurch berücksichtigt,
dass nur dasjenige Entgelt zu versteuern ist, das der Dritte durch die Zahlung des Leistungsempfängers
vereinnahmt.
2.5.2.3
Um eine "Forderungsabtretung (Zession; Art.
164-174 OR)" an einen Dritten handelt es sich gemäss ESTV, wenn der Leistungserbringer die
Entgeltsforderung gegenüber dem Leistungsempfänger schriftlich an den Dritten mit einer Einzel-
oder Globalzession zediert, der Dritte unabhängig vom Zahlungseingang
ein Abtretungsentgelt leistet und nicht über jede Zahlung des Leistungsempfängers abgerechnet
wird, der Dritte also die Zahlung für eigene Rechnung vereinnahmt. Unter diesen Voraussetzungen
habe die Abtretung der Forderung mehrwertsteuerlich keine Auswirkungen auf das Leistungsverhältnis
zwischen dem Leistungserbringer (Zedent) und dem Leistungsempfänger (Schuldner). Das bedeute, dass
der Zedent nicht lediglich den vom Dritten (Zessionar) für den Erwerb der Forderung bezahlten Betrag,
sondern das gesamte Entgelt zu versteuern habe, welches der Schuldner gemäss vertraglicher Vereinbarung
entrichten müsse. Der Zessionar erbringe bezüglich der abgetretenen Forderung eine von der
Steuer ausgenommene Leistung im Bereich des Geld- und Kapitalverkehrs gemäss Art. 21 Abs. 2 Ziff.
19 MWSTG.
2.6 Die
Mehrwertsteuer stellt auf wirtschaftliche Vorgänge ab und zielt auf die Besteuerung des nicht unternehmerischen
Endverbrauchs. Bestand und Umfang einer der Mehrwertsteuer unterstehenden Leistung wird aufgrund der
wirtschaftlichen Betrachtungsweise bestimmt. Die mehrwertsteuerliche Qualifikation von Vorgängen
hat nicht in erster Linie aus einer zivil-, sprich vertragsrechtlichen Sicht, sondern nach wirtschaftlichen,
tatsächlichen Kriterien zu erfolgen (Urteil des Bundesgerichts 2A.304/2003 vom 14. November 2003,
E. 3.6.1 mit Hinweisen; Daniel Riedo,
Vom Wesen der Mehrwertsteuer als allgemeine Verbrauchsteuer und von den entsprechenden Wirkungen auf
das schweizerische Recht, Bern 1999, S. 112 mit Fn. 125). Der wirtschaftlichen Betrachtungsweise
kommt im Bereich der Mehrwertsteuer nicht nur bei der rechtlichen Qualifikation von Sachverhalten, sondern
auch bei der Auslegung von zivilrechtlichen und von steuerrechtlichen Begriffen Bedeutung zu (Urteil
des Bundesgerichts 2A.43/2002 vom 8. Januar 2003 E. 3.2; BVGE 2007/23 E. 2.3.2). Ergibt die Auslegung,
dass die Norm an formale (meist zivilrechtliche) Begriffe anknüpft, darf nicht auf die tatsächlichen,
wirtschaftlichen Verhältnisse abgestellt werden (Markus Reich,
Steuerrecht, 2. Aufl., Zürich 2012, § 6 Rz. 14). Knüpft die auszulegende Norm dagegen
an wirtschaftliche Tatbestände, rechtfertigt sich das Abstellen auf den wirtschaftlichen Gehalt
des Sachverhalts im Sinne einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise (Camenzind/Honauer/Vallender/Jung/Probst,
a.a.O., Rz. 173; vgl. auch Pierre-Marie Glauser, Evasion
fiscale et interprétation économique en matière de TVA, in: ASA 75 [2006/2007] 727 ff.,
insb. 729 ff. und 734 f.).
2.7
2.7.1 Die Beweiswürdigung
endet mit dem richterlichen Entscheid darüber, ob eine rechtserhebliche Tatsache als erwiesen zu
gelten hat. Der Beweis ist geleistet, wenn das Gericht gestützt auf die freie Beweiswürdigung
zur Überzeugung gelangt ist, dass sich der rechtserhebliche Sachumstand verwirklicht hat (vgl. BGE
130 III 321 E. 3.2; statt vieler: Urteile des Bundesverwaltungsgerichts A 517/2012 vom 9. Januar
2013 E. 1.3.1, A 6241/2011 vom 12. Juni 2012 E. 1.3, je mit Hinweisen; André
Moser/Michael Beusch/Lorenz Kneubühler, Prozessieren vor dem Bundesverwaltungsgericht, 2.
Aufl., Basel 2013, N 3.141).
2.7.2 Gelangt
das Gericht nicht zu diesem Ergebnis, stellt sich die Frage, ob zum Nachteil der Steuerbehörde oder
des Steuerpflichtigen zu entscheiden ist, wer also die Folgen der Beweislosigkeit zu tragen hat. Grundsätzlich
trägt im Steuerrecht die Steuerbehörde die Beweislast für die steuerbegründenden
und -erhöhenden Tatsachen. Demgegenüber ist die steuerpflichtige Person für die steueraufhebenden
und -mindernden Tatsachen beweisbelastet (statt vieler: Urteil des Bundesgerichts 2C_232/2012 vom 23. Juli
2012 E. 3.5; statt vieler: Urteil des Bundesverwaltungsgerichts A 3075/2011 vom 30. Mai
2012 E. 4 mit Hinweisen).
2.7.3 Gemäss
Art. 61 Abs. 1 VwVG entscheidet die Beschwerdeinstanz in der Sache selbst oder weist diese ausnahmsweise
mit verbindlichen Weisungen an die Vorinstanz zurück. Aus prozessökonomischen Gründen
ist die Beschwerde grundsätzlich reformatorisch ausgestaltet. Ein Rückweisungsentscheid rechtfertigt
sich allerdings vor allem dann, wenn weitere Tatsachen festgestellt werden müssen und ein umfassendes
Beweisverfahren durchzuführen ist. Auch wenn der Rechtsmittelinstanz die Befugnis zusteht, weitere
Sachverhaltsabklärungen vorzunehmen, soll in diesem Fall die Verwaltungsbehörde über die
Angelegenheit des Beschwerdeführers entscheiden. Diese Methode trägt dem Aspekt der Gewaltenteilung
besser Rechnung und wahrt das Prinzip der Garantie des doppelten Instanzenzuges, da die Beschwerdeführerin
den aufgrund der Rückweisung getroffenen neuen Entscheid der Vorinstanz wiederum mit allen zulässigen
Rechtsmitteln anfechten kann (zum Ganzen: Urteile des Bundesverwaltungsgerichts A-48/2007 vom 17. November
2009 E. 1.4, A 7512/2006 vom 23. August 2007 E. 6.1, A-1363/2006 vom 30. Mai 2007 E. 1.3).
2.8 Jede
Person hat Anspruch darauf, von den staatlichen Organen ohne Willkür und nach Treu und Glauben behandelt
zu werden (Art. 9 der Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 [BV;
SR 101]). Das Gebot von Treu und Glauben verhindert illoyales Verhalten der Behörden, prüft
also deren Verhalten nach den materiellen Kriterien der Vertrauenswürdigkeit und der Widerspruchsfreiheit
(Felix Uhlmann, Das Willkürverbot [Art. 9 BV], Bern
2005, Rz. 106). Nach dem Grundsatz des Vertrauensschutzes haben die Privaten Anspruch darauf, in ihrem
berechtigten Vertrauen in behördliche Zusicherungen oder in anderes, bestimmte Erwartungen begründendes
Verhalten der Behörden geschützt zu werden (Häfelin/Müller/Uhlmann,
a.a.O., Rz. 627). Nach dem Verbot widersprüchlichen Verhaltens dürfen Verwaltungsbehörden
insbesondere einen einmal in einer bestimmten Angelegenheit eingenommenen Standpunkt ohne sachlichen
Grund nicht wechseln. Verhält sich eine Verwaltungsbehörde widersprüchlich und vertrauen
Private auf deren ursprüngliches Verhalten, stellt das widersprüchliche Verhalten eine Verletzung
des Vertrauensschutzprinzips dar, wobei die Unterscheidung zwischen dem Verbot widersprüchlichen
Verhaltens und dem Vertrauensschutzprinzip schwer fällt (vgl. Häfelin/Müller/Uhlmann,
a.a.O., Rz. 707 f.; vgl. Urteil des Bundesverwaltungsgerichts A-1560/2007 vom 20. Oktober 2009
E. 1.3; vgl. auch Urteil der Eidgenössischen Steuerrekurskommission [SRK] 2004-029/030 vom 3. November
2006 E. 4a/bb; VPB 60.81 E. 3).
3.
3.1 Vorliegend ist
- anders als noch im Verfahren vor der ESTV -
einzig mehr die mehrwertsteuerliche Behandlung der Zahlungen im Zusammenhang mit den Lieferungen an die
D1._______ AG strittig. Während die ESTV davon ausgeht, dass eine Forderungsabtretung i.S.d. MWST-Info
04 vorliegt (E. 2.5.2.3) und die Anforderungen an eine Entgeltsminderung i.S.v. Art. 41 MWSTG (E.
2.4) nicht erfüllt sind, bestreitet die Beschwerdeführerin das Vorliegen einer Forderungsabtretung.
Da der "Factoringvertrag" vom 7. Juni 2006 nicht unterzeichnet worden sei, fehle es an
der Voraussetzung, dass die Entgeltsforderung schriftlich mit Einzel- oder Globalzession zediert werden
müsse. Die ESTV bringt dagegen vor, dass im Sinne der wirtschaftlichen Betrachtungsweise auf wirtschaftliche,
tatsächliche Kriterien abgestellt werden müsse. Da die Beschwerdeführerin nicht behaupte
(bzw. nachweise), dass der Vertragsinhalt nach wirtschaftlicher Betrachtungsweise nicht dem tatsächlichen
Parteiwillen entsprochen habe, müsse angenommen werden, dass der Inhalt des "Factoringvertrags"
vom 7. Juni 2006 dem tatsächlichen, wirtschaftlichen Verhalten der Parteien entsprochen habe. Dafür
spreche auch, dass die D2._______ AG ihre vertraglich vorgesehene Zahlungsregulierungstätigkeit
offensichtlich (tatsächlich) ausgeübt und auch die ihr vertraglich zustehende Factoring- bzw.
Delkrederegebühr einbehalten habe.
3.2 Von
der Beschwerdeführerin nicht bestritten sind die von der ESTV aufgestellten Voraussetzungen, unter
denen eine Forderungsabtretung gemäss der MWST-Info 04 Ziff. 2.3.2 angenommen werden kann. Dazu
ist freilich auszuführen, dass das Bundesverwaltungsgericht bereits in einem früheren Entscheid,
bei welchem unter anderem die Abgrenzung von "fester Abtretung" (nach neuer Terminologie: "Forderungsabtretung")
und "Inkassoauftrag" bei Leistungen im Geschäft mit Geldforderungen gemäss Art. 18
Ziff. 19 aMWSTG Streitgegenstand bildete, angeführt hat, dass das von der ESTV aufgestellte Kriterium
der Einzelabrechnung kein taugliches Abgrenzungskriterium bildet (E. 2.5.2.2). Entscheidend für
die Beantwortung der Frage, ob ein Abtretungsgeschäft unter die Steuerausnahme von Art. 18 Ziff.
19 aMWSTG fällt, ist vielmehr die Tragung des Risikos der Einbringlichkeit der abgetretenen Forderung
(Delkredererisiko; echtes Factoring). Werden Forderungen ohne Übernahme des Delkredererisikos an
einen Dritten abgetreten oder zieht ein Dritter Forderungen im Namen und auf Rechnung des Gläubigers
ein, und hat der Dritte dabei über die vom Schuldner bezahlten Beträge Rechnung abzulegen,
so liegt kein ausgenommenes Abtretungsgeschäft, sondern eine steuerbare Dienstleistung vor (E. 2.2).
Vorliegend braucht dementsprechend nicht (mehr) geprüft zu werden, ob eine Einzelabrechnung vorliegt.
Dagegen hat sich das Bundesverwaltungsgericht bisher nicht
zur von der ESTV aufgestellten Voraussetzung der Schriftlichkeit der Forderungsabtretung geäussert
(E. 2.5.2.3).
3.3
3.3.1 Unbestrittenermassen
liegt zwischen der Beschwerdeführerin und der D2._______ AG kein schriftlicher Vertrag vor. Der
"Factoringvertrag" vom 7. Juni 2006 zwischen der Beschwerdeführerin und D2._______ AG
wurde von den Parteien nicht unterzeichnet. Damit fehlt es grundsätzlich an einer schriftlichen
Zession der Entgeltsforderungen wie von der ESTV gemäss Ziff. 2.3.2 der MWST-Info 04 gefordert ist.
Es gilt daher zunächst zu prüfen, ob - wie von der
ESTV vorgebracht - eine wirtschaftliche Betrachtung der tatsächlichen
Gegebenheiten die fehlende Schriftlichkeit für die mehrwertsteuerliche Beurteilung zu ersetzen vermag.
3.3.2 Vorliegend ist
weitgehend unbestritten, dass gemäss den tatsächlichen wirtschaftlichen Verhältnissen
zwischen der Beschwerdeführerin und der D2._______ AG ein mehrwertsteuerlich wie auch immer zu qualifizierendes
Factoringverhältnis bestand. So lässt sich dem mit der Stellungnahme vom 22. Juli 2013 der
Beschwerdeführerin ins Recht gelegten Schreiben der D2._______ AG entnehmen, dass -
wie üblich im Factoringgeschäft - die D2._______ AG
gegenüber der D1._______ AG die vorfinanzierten Leistungen zurückgefordert habe. Anschliessend
sei der Beschwerdeführerin bei jeder Zahlung ein sog. "Zahlungs-AVIS" zugestellt worden,
aus welchem der Auszahlungsbetrag nach Verrechnung der Abzüge (wie Skonti, Delkredere, etc.) entnehmen
sei. Die Belastung der Delkredere-Abzüge habe 2.75% des erhaltenen Entgelts betragen und sei -
da diese Leistung steuerausgenommen sei - bis anhin ohne Mehrwertsteuer
der Beschwerdeführerin belastet worden. Die D2._______ AG scheint somit davon auszugehen, dass ein
echtes Factoringgeschäft zwischen ihr und der Beschwerdeführerin vorliegt, da sie ansonsten
gemäss Rechtsprechung das von ihr vereinnahmte Entgelt von 2.75% der Gesamtentgeltssumme als Zahlung
für die von ihr erbrachte Factoringleistung grundsätzlich hätte versteuern müssen
(E. 2.2.2).
Der ESTV ist zuzustimmen, dass die mehrwertsteuerliche Qualifikation
von Vorgängen sich nicht in erster Linie aus einer zivil-, sprich vertragsrechtlichen Sicht beurteilt,
sondern nach wirtschaftlichen, tatsächlichen Kriterien zu erfolgen hat (E. 2.6). Dies gilt jedoch
nur - aber immerhin -
wenn der Normsinn das Abstellen auf den wirtschaftlichen Gehalt des Sachverhalts verlangt. Ergibt die
Auslegung, dass eine Bestimmung klare zivilrechtliche Schranken aufweist, darf nicht auf die wirtschaftlichen
Verhältnisse abgestellt werden (E. 2.6). Vorliegend verweist die ESTV in der MWST-Info 04 auf die
Bestimmungen der Zession von Art. 164 ff. OR (E. 2.5.2.3), wobei Art. 165 Abs. 1 OR ausdrücklich
vorsieht, dass die Abtretung zu ihrer Gültigkeit der schriftlichen Form bedarf. Schriftlichkeit
bedeutet diesbezüglich gemäss Art. 13 OR, dass der Vertrag die Unterschriften aller Personen
tragen muss, die durch ihn verpflichtet werden. Art. 165 Abs. 1 OR hält im Ergebnis unzweifelhaft
fest, dass für die Übertragung einer Forderung für alle wesentlichen Punkte die Schriftlichkeit
einzuhalten ist. Der klare Verweis der ESTV auf diese (zivilrechtliche) Norm und die sich daraus ergebende
Notwendigkeit der Schriftlichkeit der Abtretung verdeutlichen, dass für die mehrwertsteuerliche
Beurteilung des Factoringverhältnisses nach Auffassung der ESTV auf einen zivilrechtlichen Begriff
zurückgegriffen wird.
Die ESTV ist zudem gemäss dem Grundsatz von Treu und
Glauben und dem Vertrauensschutzprinzips an ihre eigene Praxisfestlegung gebunden (E. 2.8). Sie verhält
sich widersprüchlich, indem sie einerseits in der MWST-Info 04 eindeutig und ohne Ausnahme die Schriftlichkeit
für die Forderungsabtretung verlangt, andererseits aber im vorliegenden Fall davon abweichen will.
In einer solchen Situation darf -
entgegen dem Vorbringen der ESTV - die wirtschaftliche Betrachtungsweise
keine Anwendung finden. Der ESTV bleibt mit anderen Worten verwehrt, das von ihr selbst aufgestellte
Kriterium der Schriftlichkeit durch die wirtschaftliche Betrachtungsweise der tatsächlichen Verhältnisse
zu ersetzen. Folglich muss auch auf das von der ESTV vorgebrachte Argument, der Beschwerdeführerin
obliege die Beweislast (E. 2.7.2) in Bezug auf Voraussetzungen der Entgeltsminderungen i.S.v. Art. 41
MWSTG - und damit auch in Bezug darauf, dass die tatsächlichen,
wirtschaftlichen Verhältnisse nicht dem Inhalt des "Factoringvertrags" entsprechen würden,
nicht eingegangen zu werden.
Im Ergebnis läge nach dem Ausgeführten keine Forderungsabtretung
i.S.d. MWST-Info 04 vor und den Vorbringen der Beschwerdeführerin wäre diesbezüglich zu
folgen. Aufgrund dem mit der Stellungnahme vom 22. Juli 2013 der Beschwerdeführerin ins Recht
gelegten Schreiben der D2._______ AG bestehen nun jedoch Zweifel, ob wirklich keine Forderungsabtretung
gegeben ist.
3.3.3 Diesem Schreiben
der D2._______ AG lässt sich nämlich entnehmen, dass "ein Vertrag mit gleichem Inhalt
[wie demjenigen des 'Factoringvertrags' vom 7. Juni 2006] mit der Muttergesellschaft in Deutschland"
bestehe. Im Schreiben wird somit wohl auf einen Factoringvertrag zwischen der Beschwerdeführerin
und der Muttergesellschaft der D2._______ AG Bezug genommen. Diese Ausführungen der D2._______ AG
widersprechen allerdings den Vorbringen der Beschwerdeführerin in ihrer Beschwerde vom 7. Mai 2013,
mit welcher sie geltend macht, dass weder Einzel- noch Globalabtretungen bezüglich der Forderungen
gegenüber der D1._______ AG vorliegen würden.
Art. 165 Abs. 1 OR setzt mangels Verpflichtung der Zessionarin
(vorliegend also die D2._______ AG) nicht voraus, dass diese die Abtretungsurkunde ebenfalls unterzeichnet.
Vielmehr genügt, dass die Zedentin (vorliegend die Beschwerdeführerin) als verpflichtete Partei
die Urkunde unterzeichnet (vgl. statt vieler Claire Huguenin,
Obligationenrecht, Allgemeiner und Besonderer Teil, Zürich 2012, § 15 Rz. 1344). Läge
ein solcher schriftlicher Factoringvertrag zwischen der Beschwerdeführerin und der Muttergesellschaft
vor, mit dem die Beschwerdeführerin ihre Entgeltsforderungen an die D2._______ AG abtritt, wäre
die von der ESTV aufgestellte Voraussetzung für die Annahme einer Forderungsabtretung erfüllt.
Entgegen den Vorbringen der Beschwerdeführerin wären somit die Vertragsbeziehungen mit Drittpersonen
für die vorliegende mehrwertsteuerliche Beurteilung des Sachverhalts sehr wohl relevant.
3.3.4 Da sich aufgrund
der von den Parteien ins Recht gelegten Akten erst aus dem Schreiben vom 7. Mai 2013 der D2._______ AG
an die Beschwerdeführerin das (mögliche) Vorhandensein einer schriftlichen Abtretung ergibt,
konnte die ESTV bisher hierzu nicht ausführlich Stellung beziehen. Ergäbe sich aus den weiteren
Abklärungen, dass ein schriftlicher Vertrag vorläge, mit welchem die Beschwerdeführerin
ihre Entgeltsforderungen abtritt, müsste geprüft werden, ob das Delkredererisiko auf die Zedentin
übergegangen ist. Falls dem so wäre, stünde echtes Factoring im Raum (E. 2.2.1 f.). Die
ESTV hätte infolgedessen zu prüfen, ob in einer solchen Konstellation Skontoabzüge, die
grundsätzlich Entgeltsminderungen gemäss Art. 41 MWSTG (E. 2.3) darstellen, möglich wären.
3.4 Im Ergebnis hängt
somit die mehrwertsteuerliche Beurteilung des vorliegenden Sachverhalts davon ab, ob die Entgeltsforderungen
im Rahmen eines echten Factoringgeschäfts abgetreten wurden. Für die diesbezügliche Würdigung
ist entscheidend, ob die Entgeltsforderung der Beschwerdeführerin gegenüber der D1._______
AG rechtsgültig - also insbesondere schriftlich -
zediert wurde. Darüber kann im Moment noch nicht befunden werden. Die Streitsache ist zur Edition
des allfälligen Vertrags zwischen der Beschwerdeführerin und der Muttergesellschaft der D2._______
AG und zur allfälligen Würdigung durch die ESTV an diese zurückzuweisen (E. 2.7.3).
4.
4.1 Bei diesem Verfahrensausgang
erweist sich die Streitsache zwar als noch unentschieden. Da die Rückweisung indessen Folge eines
ungeklärten Sachverhalts ist, muss die Beschwerdeführerin für das vorliegende Verfahren
keine Verfahrenskosten tragen und gilt als prozessual obsiegend. Der dem Bundesverwaltungsgericht einbezahlte
Kostenvorschuss im Umfang von Fr. 1'000.-- ist damit der Beschwerdeführerin nach Eintritt der
Rechtskraft des vorliegenden Entscheids zurückzuerstatten. Der ESTV sind keine Verfahrenskosten
aufzuerlegen (Art. 63 Abs. 1 und 2 VwVG).
4.2 Die
Beschwerdeinstanz spricht der obsiegenden Partei von Amtes wegen oder auf Begehren eine Entschädigung
für ihr erwachsene notwendige und verhältnismässig hohe Kosten zu (Art. 64 Abs. 1 VwVG
und Art. 7 Abs. 1 des Reglements vom 21. Februar 2008 über die Kosten und Entschädigungen
vor dem Bundesverwaltungsgericht [VGKE; SR 173.320.2]). Die Parteientschädigung umfasst die Kosten
der Vertretung sowie allfällige weitere notwendige Auslagen der Partei (Art. 8 VGKE). Zu den weiteren
notwendigen Auslagen gehören die Spesen der Partei, soweit sie Fr. 100.-- übersteigen (Art.
13 Bst. a VGKE), sowie der Verdienstausfall der Partei, soweit er einen Tagesverdienst übersteigt
und die Partei in bescheidenen finanziellen Verhältnissen lebt (Art. 13 Bst. b VGKE). Die Beschwerdeführerin
macht zwar geltend, dass "ein grosser Kostenaufwand aus Rechtsberatung" entstanden sei, hat
aber für das Verfahren vor Bundesverwaltungsgericht keinen Vertreter beigezogen, so dass ihr hieraus
keine Kosten entstanden sind. Obwohl die Beschwerdeführerin vorbringt, es sei ihr "ein enormer
Aufwand" entstanden, wurden von ihr keine weiteren notwendigen Auslagen beziffert. Eine Parteientschädigung
ist deshalb nicht auszurichten.
Demnach erkennt das Bundesverwaltungsgericht:
1.
Die
Beschwerde wird im Sinne der Erwägungen teilweise gutgeheissen. Die Verfügung der Eidgenössischen
Steuerverwaltung vom 5. April 2013 wird aufgehoben und die Sache zur Fällung eines neuen Entscheids
im Sinne der Erwägungen an die Eidgenössische Steuerverwaltung zurückgewiesen.
2.
Es
werden keine Verfahrenskosten erhoben. Der geleistete Kostenvorschuss im Gesamtbetrag von Fr. 1'000.--
wird der Beschwerdeführerin nach Eintritt der Rechtskraft des vorliegenden Urteils zurückerstattet.
3.
Eine
Parteientschädigung wird nicht zugesprochen.
4.
Dieses
Urteil geht an:
-
die Beschwerdeführerin (Gerichtsurkunde)
-
die Vorinstanz (Ref-Nr. ...; Gerichtsurkunde)
Die Rechtsmittelbelehrung findet sich auf der
nächsten Seite.
Der
vorsitzende Richter:
|
Der
Gerichtsschreiber:
|
|
|
Michael
Beusch
|
Ralf
Imstepf
|