Bundesverwaltungsgericht
Tribunal administratif fédéral
Tribunale amministrativo federale
Tribunal administrativ federal

Abteilung I
A-1791/2009
{T 0/2}

Urteil vom 28. September 2009

Besetzung
Richter Michael Beusch (Vorsitz), Richter Pascal Mollard, Richterin Salome Zimmermann,
Gerichtsschreiberin Nadine Mayhall.

Parteien
X._______, ... ,
vertreten durch ... ,
Beschwerdeführerin,

gegen

Eidgenössische Zollverwaltung EZV,
Zollkreisdirektion Basel, Sektion Tarif und Veranlagung, Postfach 666, 4010 Basel,
vertreten durch die Oberzolldirektion (OZD),
Sektion Zollverfahren, Monbijoustrasse 40, 3003 Bern.

Gegenstand
Nichteintreten.

Sachverhalt:

A.
Die X._______ ist eine Aktiengesellschaft mit Sitz in ... . Zweck der Gesellschaft bildet gemäss Handelsregistereintrag insbesondere die Durchführung von internationalen Warentransporten und Speditionen sowie Zollabfertigungen.

B.
B.a Am 8. Januar 2008 bzw. am 1. April 2008 meldete die X._______ bei der Zollstelle Basel/St. Louis-Autobahn im EDV-Verfahren e-dec zwei für die Gesellschaft B._______, ..., bestimmte Sendungen an. Die entsprechenden Einfuhrzollanmeldungen (EZA) enthielten die folgenden Angaben:
Nr. ...
Position 1: Carton, 600, adresse
Insecticides à base de soufre ou de composés cupriques, contenant 10 % de COV
"Gesal UKV SUPER RAPID REFILL 750 ML"
Zolltarifnummer 3808.9310; Eigenmasse: ... kg; Rohmasse: ... kg; VOC-Abgabe: ... kg à Fr. 3.-- je 100 kg; MWST-Wert: Fr. ... .
Nr. ...
Position 1: Carton, 1220, adresse
Herbicides, inhibiteurs de germination et régulateurs de croissance pour plantes, autres ne contenant pas de COV
"Gesal Unkraut spray 750 ml"
Zolltarifnummer 3808.9390; Eigenmasse: ... kg; Rohmasse: ... kg; VOC-Abgabe: ... kg à Fr. 3.-- je 100 kg; MWST-Wert: Fr. ... .
Das Selektionsergebnis durch das EDV-System ergab "gesperrt" für die EZA Nr. ... bzw. "frei - ohne" für die EZA Nr. ... .
B.b Mit Veranlagungsverfügung Nr. ... vom 8. Januar 2008 wurde für die erst genannte Sendung eine Abgabe für flüchtige organische Verbindungen (VOC) in Höhe von Fr. ... erhoben. Für die zweite Sendung wurde die geschuldete VOC-Abgabe mit Veranlagungsverfügung Nr. ... vom 2. April 2008 auf Fr. ... angesetzt.

C.
Mit Schreiben vom 10. September 2008 und vom 11. September 2008 an die Zollstelle Basel/St. Louis-Autobahn machte die X._______ geltend, dass die eingeführten Produkte "Gesal UKV SUPER RAPID REFILL 750 ML" und "Gesal Unkraut spray 750 ml" einen VOC-Gehalt von 10 % aufweisen würden. Dennoch sei auf diese Produkte eine Abgabe zum Tarif eines Produkts mit einem VOC-Gehalt von 100 % erhoben worden. Aus diesem Grund ersuchte die X._______ um Rückerstattung der zuviel geleisteten Abgabe.
Diese Eingaben wurden der Zollkreisdirektion Basel zur Behandlung überwiesen. Die Vorinstanz teilte der X._______ mit, dass die Eingaben als Beschwerden gegen die entsprechenden Veranlagungen zu behandeln seien. Ebenso machte sie die X._______ darauf aufmerksam, dass die Beschwerdefrist von 60 Tagen ab Ausstellen der Veranlagungsverfügung gemäss Art. 116 Abs. 3 des Zollgesetzes vom 18. März 2005 (ZG, SR 631.0) nicht eingehalten worden sei und räumte ihr die Möglichkeit ein, die Beschwerden ohne Kostenfolge zurückzuziehen.
Mit Entscheid vom 16. Februar 2009 trat die Vorinstanz auf die Beschwerden infolge Fristversäumnis nicht ein. Gegen diesen Nichteintretensentscheid gelangte die X._______ (Beschwerdeführerin) mit Beschwerde vom 19. März 2009 an das Bundesverwaltungsgericht. Die Beschwerdeführerin beantragte, die beiden Abfertigungen seien zu annullieren, die VOC-Abgaben seien neu zu veranlagen sowie die sich ergebende Differenz in Höhe von Fr. ... sei - unter Abzug der reglementarischen Gebühren - zurückzuerstatten und die im vorinstanzlichen Verfahren auferlegten Verfahrenskosten seien zu erlassen.
Mit Vernehmlassung vom 22. Juli 2009 beantragte die Oberzolldirektion (OZD) die Abweisung der Beschwerde unter Kostenfolge. Die Beschwerdeführerin hielt mit Eingabe vom 3. September 2009 an ihren Begehren fest.
Auf die Begründung der Anträge wird - soweit entscheidwesentlich - im Rahmen der Erwägungen eingegangen.
Das Bundesverwaltungsgericht zieht in Erwägung:

1.
1.1 Entscheide der Zollkreisdirektionen können gemäss Art. 31 i.V.m. Art. 33 Bst. d des Bundesgesetzes vom 17. Juni 2005 über das Bundesverwaltungsgericht (Verwaltungsgerichtsgesetz, VGG, SR 173.32) beim Bundesverwaltungsgericht angefochten werden. Im Verfahren vor dieser Instanz wird die Zollverwaltung durch die OZD vertreten (Art. 116 Abs. 2 ZG). Das Verfahren richtet sich nach den Vorschriften des Bundesgesetzes vom 20. Dezember 1968 über das Verwaltungsverfahren (VwVG, SR 172.021), soweit das VGG nichts anderes bestimmt (Art. 37 VGG; Art. 2 Abs. 4 VwVG). Die Beschwerdeführerin ist durch den angefochtenen Beschwerdeentscheid berührt und hat ein schutzwürdiges Interesse an dessen Aufhebung (Art. 48 VwVG).

1.2 Anfechtungsobjekt in einem Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht bildet regelmässig der angefochtene vorinstanzliche Entscheid. Vorliegend ist die Vorinstanz auf das Gesuch um die Rückerstattung eines Teils der geleisteten Abgabe nicht eingetreten. Mit Beschwerde gegen einen solchen Nichteintretensentscheid kann nur geltend gemacht werden, die Vorinstanz sei zu Unrecht auf das eingereichte Rechtsmittel nicht eingetreten. Damit bleibt das Anfechtungsobjekt auf die Eintretensfrage beschränkt, deren Verneinung als Verletzung von Bundesrecht mit Beschwerde gerügt werden kann. Die beschwerdeführende Partei kann entsprechend nur die Anhandnahme beantragen, nicht aber die Änderung oder Aufhebung der angefochtenen Verfügung verlangen; auf materielle Begehren kann nicht eingetreten werden (Urteile des Bundesverwaltungsgerichts A-5798/2007 vom 6. Juli 2009 E. 1.4 und A-5104/2007 vom 19. Januar 2009 E. 1.3; ANDRÉ MOSER/MICHAEL BEUSCH/LORENZ KNEUBÜHLER, Prozessieren vor dem Bundesverwaltungsgericht, Basel 2008, N. 2.164).
Vorliegend ist somit einzig zu prüfen, ob die Vorinstanz auf die Beschwerde hätte eintreten müssen. Soweit die Beschwerdeführerin eine materielle Überprüfung der im vorinstanzlichen Verfahren angefochtenen Veranlagungsverfügungen beantragt (vgl. oben, C), kann auf die Beschwerde nicht eingetreten werden.

1.3 Im Beschwerdeverfahren gilt der Grundsatz der Rechtsanwendung von Amtes wegen. Das Bundesverwaltungsgericht ist demzufolge verpflichtet, auf den - unter Mitwirkung der Verfahrensbeteiligten - festgestellten Sachverhalt die richtige Rechtsnorm, d.h. jenen Rechtssatz anzuwenden, den es als den zutreffenden erachtet, und ihm jene Auslegung zu geben, von der es überzeugt ist (MOSER/BEUSCH/KNEUBÜHLER, a.a.O., N. 1.54, unter Verweis auf BGE 119 V 349 E. 1a). Aus der Rechtsanwendung von Amtes wegen folgt, dass das Bundsverwaltungsgericht als Beschwerdeinstanz nicht an die rechtliche Begründung der Begehren gebunden ist (Art. 62 Abs. 4 VwVG) und eine Beschwerde auch aus anderen als den geltend gemachten Gründen (teilweise) gutheissen oder den angefochtenen Entscheid im Ergebnis mit einer von der Vorinstanz abweichenden Begründung bestätigen kann (vgl. BVGE 2007/41 E. 2 mit Hinweisen).

1.4 Das Prinzip der Rechtsanwendung von Amtes wegen bedeutet auch, dass das so genannte Rügeprinzip höchstens in stark abgeschwächter Form zur Anwendung gelangen kann. Die Rechtsmittelinstanz ist jedoch nicht gehalten, allen denkbaren Rechtsfehlern von sich aus auf den Grund zu gehen; für entsprechende Fehler müssen sich immerhin mindestens Anhaltspunkte aus den Parteivorbringen oder den Akten ergeben (MOSER/BEUSCH/KNEUBÜHLER, a.a.O., N. 1.55).

2.
2.1 Die VOC-Abgabe hat ihre gesetzliche Grundlage in Art. 35a sowie in Art. 35c des Umweltschutzgesetzes vom 7. Oktober 1983 (USG, SR 814.01) und wird in der Verordnung vom 12. November 1997 über die Lenkungsabgabe auf flüchtigen organischen Verbindungen (VOCV, SR 814.018) näher geregelt.
Wer VOC einführt oder wer als Hersteller solche Stoffe in Verkehr bringt oder selber verwendet, hat dem Bund grundsätzlich eine Lenkungsabgabe zu entrichten (Art. 35a USG). Abgabepflichtig sind die bei der Einfuhr nach dem Zollgesetz Zahlungspflichtigen sowie die Hersteller und Erzeuger im Inland (Art. 35c Abs. 1 Bst. a USG). Der Bundesrat regelt das Verfahren für die Erhebung und Rückerstattung der Abgaben auf VOC; ist die Einfuhr oder Ausfuhr betroffen, so gelten die entsprechenden Verfahrensbestimmungen der Zollgesetzgebung (Art. 35c Abs. 3 USG; Art. 3 VOCV).

2.2 Das Zollgesetz sowie die dazugehörige Verordnung vom 1. November 2006 (ZV, SR 631.01) sind am 1. Mai 2007 in Kraft getreten.
2.2.1 Das Zollveranlagungsverfahren unterliegt - vorbehältlich der Verfahrensgarantien der Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 (BV, SR 101) und der allgemeinen Grundsätze des Verwaltungsrechts - grundsätzlich nur den vom Grundsatz des Selbstanmeldungsprinzips geprägten besonderen Bestimmungen des Zollrechts. Das VwVG findet auf das gesamte Verfahren bis zum Erlass der Veranlagungsverfügung bzw. der Freigabe der gestellten und angemeldeten Waren keine Anwendung (Art. 3 Bst. e VwVG; Urteile des Bundesverwaltungsgerichts A-5798/2007 vom 6. Juli 2009 E. 1.3 und A-4617/2007 vom 14. Januar 2009 E. 1.2; REMO ARPAGAUS, Zollrecht, in: Schweizerisches Bundesverwaltungsrecht, Bd. XII, 2. Aufl., Basel 2007, N. 447).
In Übereinstimmung mit dem das Zollverfahren beherrschende Prinzip der Selbstanmeldung obliegt der anmeldepflichtigen Person (Art. 26 ZG) die Verantwortung für die rechtmässige und richtige Deklaration ihrer grenzüberschreitenden Warenbewegungen. Sie muss die der Zollstelle zugeführten, gestellten und summarisch angemeldeten Waren innerhalb der von der Zollverwaltung bestimmten Frist zur Veranlagung anmelden und die Begleitdokumente einreichen (Art. 25 Abs. 1 ZG). Damit überbindet das Zollgesetz der anmeldepflichtigen Person die volle Verantwortung für die eingereichte Anmeldung und stellt hohe Anforderungen an ihre Sorgfaltspflicht; namentlich wird von ihr eine vollständige und richtige Deklaration der Ware verlangt (Botschaft vom 15. Dezember 2003 über ein neues Zollgesetz, BBl 2004 612; noch zum - mit Art. 25 ZG nahezu identischen - Art. 31 Abs. 1 des Zollgesetzes vom 1. Oktober 1925 [aZG, BS 6 465 und nachträgliche Änderungen] Urteil des Bundesgerichts 2A.566/2003 vom 9. Juni 2004 E. 2.4; Urteil des Bundesverwaltungsgerichts A-5798/2007 vom 6. Juli 2009 E. 2.2). Das zuständige Zollamt überprüft die vom Anmeldepflichtigen abzugebende Anmeldung lediglich auf ihre formelle Richtigkeit und Vollständigkeit sowie auf das Vorliegen der Begleitpapiere (Art. 32 Abs. 1 ZG). Im Falle dabei nicht festgestellter Mängel lassen sich daraus keinerlei Rechte zugunsten der anmeldepflichtigen Person ableiten (Art. 32 Abs. 3 ZG; ARPAGAUS, a.a.O., N. 703; PATRICK RAEDERSDORF, in Martin Kocher/Diego Clavadetscher [Hrsg.], Kommentar zum Zollgesetz, Bern 2009, N. 10 f. zu Art. 32). Berichtigungen oder ein Rückzug der Anmeldung sind von der anmeldepflichtigen Person unter den Voraussetzungen von Art. 34 ZG vorzunehmen (zu Art. 34 Abs. 3 und 4 ZG vgl. unten, E. 3.3.1).
2.2.2 Das streitige Zollverfahren hingegen wird im ZG lediglich in den Grundzügen geregelt. Neben der Regelung des Anfechtungsobjekts und der Zuständigkeit wird in Art. 116 ZG auch die Frist für die Einreichung einer Beschwerde festgelegt; im Übrigen verweist jedoch Art. 116 Abs. 4 ZG ausdrücklich auf die allgemeinen Bestimmungen der Bundesrechtspflege. Für das Beschwerdeverfahren findet somit grundsätzlich die allgemeine Verfahrensordnung für die Verwaltungsrechtspflege des Bundes Anwendung (ARPAGAUS, a.a.O., N. 447). Entsprechend wird die Erstreckung und die Wiederherstellung der Beschwerdefrist gemäss Art. 116 Abs. 3 ZG durch Art. 22 und Art. 24 VwVG geregelt ([noch zu Art. 109 Abs. 2 aZG] Urteil des Bundesverwaltungsgerichts A-5104/2007 vom 19. Januar 2009 E. 2.3 und 2.4).

3.
3.1 Nach Ablauf der Frist zur Ergreifung eines ordentlichen Rechtsmittels erwächst eine Verfügung in formelle Rechtskraft (ULRICH HÄFELIN/ GEORG MÜLLER/FELIX UHLMANN, Allgemeines Verwaltungsrecht, 5. Aufl., Zürich/St. Gallen/Basel/Genf 2006, N. 990 f.). Die Rechtsbeständigkeit von Verfügungen äussert sich darin, dass die Verwaltung eine formell rechtskräftige Verfügung nur bei Vorliegen bestimmter Voraussetzungen einseitig aufheben oder zum Nachteil des Adressaten abändern darf (PIERRE TSCHANNEN/ULRICH ZIMMERLI, Allgemeines Verwaltungsrecht, 2. Aufl., Bern 2005, S. 264). Der Widerruf von Verfügungen steht im Spannungsfeld zwischen dem zwingenden Charakter des öffentlichen Rechts bzw. der Natur der öffentlichen Interessen, wonach ein mit dem Gesetz nicht oder nicht mehr zu vereinbarender Verwaltungsakt nicht unabänderlich ist, und dem Gebot der Rechtssicherheit, welches die Beständigkeit von Verfügungen gebietet (anstatt vieler BGE 100 Ib 299 E. 2).

3.2 Welchem dieser Grundsätze im Einzelfall der Vorrang gebührt, kann positivrechtlich geregelt worden sei. So sehen grundsätzlich alle verfahrensrechtlichen Erlasse eine Korrekturmöglichkeit in Form des ausserordentlichen Rechtsmittels der Revision vor (BGE 127 I 133 E. 6). Für Verwaltungsverfahren auf Bundesebene ist die Revision in Art. 66 ff. VwVG geregelt. Gemäss dem Wortlaut von Art. 66 Abs. 1 VwVG sind nur Entscheide einer Beschwerdeinstanz einer Revision zugänglich; die bundesgerichtliche Rechtsprechung hat jedoch Art. 66 ff. VwVG auch für die Revision formell rechtskräftiger erstinstanzlicher Verfügungen als sinngemäss anwendbar erklärt (BGE 103 Ib 365 E. 3; KARIN SCHERRER, in Bernhard Waldmann/Philippe Weissenberger [Hrsg.], Praxiskommentar zum Bundesgesetz über das Verwaltungsverfahren, Zürich/Basel/Genf 2009, N. 6 zu Art. 66; so auch Botschaft vom 15. Dezember 2003 über ein neues Zollgesetz, BBl 2004 652). Zu beachten bleibt, dass eine Revision regelmässig unzulässig ist, wenn die angerufenen Revisionsgründe bereits in dem Verfahren, welches dem Erlass der Verfügung voranging, oder mit einem ordentlichen Rechtsmittel hätten geltend gemacht werden können (HÄFELIN/ MÜLLER/UHLMANN, a.a.O., N. 1040; für Verwaltungsverfahren auf Bundesebene Art. 66 Abs. 3 VwVG).

3.3 Eine weitere Korrekturmöglichkeit für fehlerhafte Verfügungen stellt die Wiedererwägung dar. Eine Verwaltungsbehörde muss sich mit einem Wiedererwägungsgesuch dann förmlich befassen und allenfalls auf eine formell rechtskräftige Verfügung zurückkommen, wenn dies positivrechtlich vorgesehen ist und die entsprechenden Voraussetzungen erfüllt sind oder wenn unmittelbar aus der Bundesverfassung - Art. 29 Abs. 1 und 2 BV - fliessende Grundsätze dies gebieten (Urteil des Bundesgerichts 2C_102/2009 vom 11. Juni 2009 E. 2.1; grundlegend [noch zu Art. 4 der Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 29. Mai 1874] BGE 113 Ia 146 E. 3a).
3.3.1 Das Gesuch auf Wiedererwägung einer formell rechtskräftigen Verfügung ist im VwVG nicht allgemein geregelt (ANDREA PFLEIDERER, in Bernhard Waldmann/Philippe Weissenberger [Hrsg.], Praxiskommentar zum Bundesgesetz über das Verwaltungsverfahren, Zürich/Basel/Genf 2009, N. 29 zu Art. 58); Art. 58 VwVG bezieht sich auf die Rücknahme einer angefochtenen, noch nicht rechtskräftigen Verfügung und deren Ersetzung durch eine neue Verfügung während eines hängigen Beschwerdeverfahrens (TSCHANNEN/ZIMMERLI, a.a.O., S. 269).
Die spezialgesetzlichen - und dem VwVG regelmässig vorgehenden (vgl. dazu oben, E. 2.2.1) - zollrechtlichen Bestimmungen enthalten jedoch ihrerseits Regelungen, welche die Rechtsbeständigkeit von Verfügungen relativieren. Im Zuge der Revision des Zollrechts wurden die Bestimmungen von Art. 125 und Art. 126 aZG durch Art. 85 ZG ersetzt. Diese Neuregelung, wonach die Zollverwaltung unter der Voraussetzung, dass sie sich während der Veranlagung in einem Irrtum befand, im Interesse des Fiskus über eine erleichterte Korrekturmöglichkeit verfügt, enthält kein Art. 126 aZG entsprechendes Korrelat mehr für den Zollschuldner. Diese Lösung wurde jedoch vom historischen Gesetzgeber angesichts der neu eingeführten Korrekturmöglichkeiten nach Art. 34 ZG als gerechtfertigt angesehen (Botschaft vom 15. Dezember 2003 über ein neues Zollgesetz, BBl 2004 652; kritisch hiezu MICHAEL BEUSCH, in Martin Kocher/Diego Clavadetscher [Hrsg.], Kommentar zum Zollgesetz, Bern 2009, N. 14 ff. zu Art. 85).
Gemäss Art. 34 Abs. 3 ZG kann die anmeldepflichtige Person innerhalb von 30 Tagen ab dem Zeitpunkt, in dem die Waren den Gewahrsam der Zollverwaltung verlassen haben, um eine Änderung der Veranlagung nachsuchen; gleichzeitig muss sie eine berichtigte Zollanmeldung einreichen. Die Zollstelle gibt dem Gesuch statt, wenn die anmeldepflichtige Person nachweist, dass die Waren entweder irrtümlich zu dem in der Zollanmeldung genannten Zollverfahren angemeldet worden sind oder die Voraussetzungen für die beantragte neue Veranlagung schon erfüllt waren, als die Zollanmeldung angenommen wurde, und die Waren seither nicht verändert worden sind (Art. 34 Abs. 4 ZG). Die Voraussetzungen für eine neue Veranlagung gelten insbesondere dann als gegeben, wenn zum Zeitpunkt der ursprünglichen Zollanmeldung die materiellen und die formellen Voraussetzungen für die Gewährung einer Zollermässigung, einer Zollbefreiung oder einer Rückerstattung erfüllt waren (Art. 89 Bst. a ZV).
3.3.2 Unabhängig von einer allfälligen gesetzlichen Regelung leitet das Bundesgericht aus Art. 29 Abs. 1 und 2 BV einen Anspruch auf Eintreten auf ein Wiedererwägungsgesuch unter der Voraussetzung ab, dass sich entweder die Umstände seit dem ersten Entscheid wesentlich geändert haben oder der Gesuchsteller erhebliche Tatsachen oder Beweismittel namhaft macht, die im früheren Verfahren nicht bekannt waren bzw. die schon damals geltend zu machen für ihn unmöglich war oder keine Veranlassung bestand. Aus Gründen der Rechtssicherheit stellt die bundesgerichtliche Rechtsprechung dabei an die Geltendmachung von neuen Tatsachen die gleichen Anforderungen, wie sie die Praxis für die Bejahung eines Revisionsgesuchs entwickelt hat. Solche Gesuche dürfen insbesondere nicht dazu dienen, rechtskräftige Entscheide immer wieder in Frage zu stellen oder gesetzliche Vorschriften über Rechtsmittelfristen zu umgehen (BGE 127 I 133 E. 6).

4.
Einer konstanten Praxis von Verwaltungsbehörden und Gerichten kommt eine grosse Bedeutung zu. Dennoch sind Änderungen einer gefestigten Praxis selbst bei unverändertem Normwortlaut bei Vorliegen bestimmter Voraussetzungen zulässig (siehe dazu TSCHANNEN/ ZIMMERLI, a.a.O., S. 163; HÄFELIN/MÜLLER/UHLMANN, a.a.O., N. 509 ff.). Dies muss selbstredend um so mehr in Fällen der Revision der gesetzlichen Grundlage gelten. Rechtsetzungsakte bilden denn auch in aller Regel keine Vertrauensschutzgrundlage; der Private hat vielmehr jederzeit mit der Änderung von Erlassen zu rechnen (anstatt vieler BGE 130 I 26 E. 8.1).

5.
5.1 Im vorliegenden Verfahren ist unbestritten, dass die Veranlagungsverfügungen Nr. ... vom 8. Januar 2008 und Nr. ... vom 2. April 2008 (siehe oben, B.b) mit Beschwerde gemäss Art. 116 Abs. 1 ZG bei der zuständigen Zollkreisdirektion hätten angefochten werden können, die diesbezüglich einzuhaltende Frist nach Art. 116 Abs. 3 ZG bei Einreichung der Schreiben vom 10. September 2008 und vom 11. September 2008 (oben, C) jedoch längst abgelaufen war. Ebenso ist unbestritten, dass keine Gründe für eine Wiederherstellung dieser Frist (vgl. dazu oben, E. 2.2.2) geltend gemacht worden sind. In dieser Hinsicht kann der angefochtene Nichteintretensentscheid der Vorinstanz nicht beanstandet werden.

5.2 Die Schreiben der Beschwerdeführerin vom 10. September 2008 und vom 11. September 2008 waren jedoch nicht an die Zollkreisdirektion als Beschwerdeinstanz, sondern an die Zollstelle gerichtet, welche die besagten Veranlagungsverfügungen erlassen hatte. Es stellt sich somit die Frage, ob der Beschwerdeführerin ein Rechtsanspruch auf Behandlung ihrer Eingaben durch die Zollstelle zustand (siehe dazu oben, E. 3).
5.2.1 Dessen ungeachtet, ob Art. 66 VwVG aufgrund des Ausschlusses der Anwendbarkeit des VwVG auf Verfahren der Zollveranlagung gemäss Art. 3 Bst. e VwVG allenfalls analog als allgemeiner Grundsatz des Verwaltungsrechts anzuwenden ist (vgl. dazu oben, E. 2.2.1, E. 3.2), ist vorliegend ausschlaggebend, dass die Beschwerdeführerin in ihren Eingaben vom 10. September 2008 und vom 11. September 2008 keinen der in Art. 66 VwVG aufgeführten Revisionsgründe ausdrücklich geltend macht. Ob die Beschwerdeführerin in ihren Eingaben sinngemäss vorbrachte, die Zollstelle hätte bei Erlass ihrer Veranlagungsverfügungen aktenkundige erhebliche Tatsachen übersehen (Art. 66 Abs. 2 Bst. b VwVG), kann deswegen offen bleiben, weil sie diese Rüge mit ordentlicher Beschwerde gegen die Veranlagungsverfügungen hätte geltend machen können und diese somit auf jeden Fall keinen Revisionsgrund darstellt (Art. 66 Abs. 3 VwVG). Ein Anspruch auf Behandlung der Eingaben der Beschwerdeführerin vom 10. September 2008 und vom 11. September 2008 als Revisionsgesuche durch die Zollstelle bestand nach dem Gesagten nicht.
5.2.2 Des Weiteren bleibt zu prüfen, ob die Zollstelle die besagten Eingaben aufgrund eines gesetzlichen oder verfassungsmässigen Anspruchs der Beschwerdeführerin hätte behandeln müssen (vgl. oben, E. 3.3).
Hinsichtlich eines gesetzlichen Anspruchs der Beschwerdeführerin ist festzuhalten, dass ein Gesuch um eine Abänderung der Veranlagungsverfügung gemäss Art. 34 Abs. 3 ZG innerhalb von 30 Tagen ab dem Zeitpunkt, in dem die Waren den Gewahrsam der Zollverwaltung verlassen haben, hätte eingereicht werden müssen (vgl. oben, E. 3.3.1). Dass die Beschwerdeführerin mit ihren Eingaben vom 10. September 2008 und vom 11. September 2008 diese Frist eingehalten hätte, ist nicht dargetan. Unabhängig von einer allfälligen gesetzlichen Regelung besteht ein verfassungsmässiger Anspruch auf Behandlung eines Gesuchs um Wiedererwägung einer formell rechtskräftigen Verfügungen bei Vorliegen revisionsähnlicher Gründe (vgl. oben, E. 3.3.2). Das Vorliegen solcher Gründe hat die Beschwerdeführerin in ihren Eingaben vom 10. September 2008 und vom 11. September 2008 nicht dargetan.
5.2.3 Zusammenfassend ergibt sich, dass vorliegend der Beschwerdeführerin kein Rechtsanspruch auf Eintreten der Vorinstanz bzw. der Zollstelle Basel/St. Louis-Autobahn auf ihre Eingaben vom 10. September 2008 und vom 11. September 2008 zustand. Ein solcher Anspruch kann auch nicht aus einer allenfalls unter dem zeitlichen Geltungsbereich des aZG zur Anwendung gelangten Verwaltungspraxis abgeleitet werden (oben, E. 2.2 und E. 4). Anzumerken ist in diesem Zusammenhang, dass der Gesetzgeber anlässlich der Revision des Zollrechts die Möglichkeit, Zollanmeldungen zu berichtigen und zurückzuziehen bzw. eine Veranlagung - ausserhalb eines Beschwerdeverfahrens - nachträglich abändern zu lassen, in Art. 34 ZG ausdrücklich geregelt hat (oben, E. 2.2.1 und E. 3.3.1). Im Übrigen wäre eine Praxis ohne genügende gesetzliche Verankerung auch dann unzulässig, wenn sie zu Gunsten der Privaten lautete (BVGE 2007/41 E. 7.4.2).
Angesichts dieses Verfahrensausgangs kann auch dem Antrag der Beschwerdeführerin auf Erlass der im vorinstanzlichen Beschwerdeverfahren auferlegten Verfahrenskosten nicht gefolgt werden. Der angefochtene Nichteintretensentscheid ist somit zu bestätigen und die dagegen eingereichte Beschwerde abzuweisen, soweit darauf eingetreten werden kann (oben, E. 1.2).

6.
Die Kosten des Verfahrens werden auf Fr. ... angesetzt und der unterliegenden Beschwerdeführerin auferlegt (Art. 63 Abs. 1 VwVG; Art. 4 des Reglements vom 21. Februar 2008 über die Kosten und Entschädigungen vor dem Bundesverwaltungsgericht [VGKE, SR 173.320.2]). Bei diesem Verfahrensausgang ist der Beschwerdeführerin keine Parteientschädigung zuzusprechen (Art. 64 Abs. 1 VwVG).

Demnach erkennt das Bundesverwaltungsgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf eingetreten werden kann.

2.
Die Verfahrenskosten von Fr. ... werden der Beschwerdeführerin auferlegt und mit dem geleisteten Kostenvorschuss von Fr. ... verrechnet.

3.
Eine Parteientschädigung wird nicht zugesprochen.

4.
Dieses Urteil geht an:
die Beschwerdeführerin (Gerichtsurkunde)
die Vorinstanz (Ref-Nr. ...; Gerichtsurkunde)

Der vorsitzende Richter: Die Gerichtsschreiberin:

Michael Beusch Nadine Mayhall

Rechtsmittelbelehrung:
Gegen diesen Entscheid kann innert 30 Tagen nach Eröffnung beim Bundesgericht, 1000 Lausanne 14, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten geführt werden (Art. 82 ff., 90 ff. und 100 des Bundesgerichtsgesetzes vom 17. Juni 2005 [BGG, SR 173.110]). Die Rechtsschrift ist in einer Amtssprache abzufassen und hat die Begehren, deren Begründung mit Angabe der Beweismittel und die Unterschrift zu enthalten. Der angefochtene Entscheid und die Beweismittel sind, soweit sie die beschwerdeführende Partei in Händen hat, beizulegen (vgl. Art. 42 BGG).

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