Bundesverwaltungsgericht
Tribunal administratif fédéral
Tribunale amministrativo federale
Tribunal administrativ federal

Abteilung I
A-1597/2006 und A-1598/2006
{T 0/2}

Urteil vom 17. August 2009

Besetzung
Richterin Salome Zimmermann (Vorsitz), Richter Markus Metz, Richter Pascal Mollard,
Gerichtsschreiber Johannes Schöpf.

Parteien
X._______, ...,
vertreten durch ...,
Beschwerdeführerin,

gegen

Eidgenössische Steuerverwaltung ESTV,
Hauptabteilung Mehrwertsteuer, Schwarztorstrasse 50, 3003 Bern,
Vorinstanz.

Gegenstand
Mehrwertsteuer (1. Quartal 1999 bis 4. Quartal 2001).

Sachverhalt:

A.
X._______ betreibt das Geschäft "...". Sie liess durch ihre Treuhänderin am 7. Februar 2003 bei der Eidgenössischen Steuerverwaltung (ESTV) den Fragebogen zwecks Anmeldung als Mehrwertsteuerpflichtige mit der Begründung "Neu steuerpflichtig aufgrund der Überschreitung der Grenzwerte im Jahr 2002" bestellen. Am 25. Februar 2003 reichte X._______ den ausgefüllten Fragebogen ein und gab darin die Umsatzzahlen für die Jahre 1997 bis 2002 bekannt.

B.
Die ESTV forderte die Treuhänderin am 12. März 2003 telefonisch auf, für die Jahre 1997 bis 2002 eine genaue Berechnung der geschuldeten Mehrwertsteuerbeträge einzureichen. Die Verwaltung wies darauf hin, dass dabei die Mehrwertsteuer auf den Investitionen und Betriebsmitteln nicht vollumfänglich als Vorsteuer geltend gemacht werden dürfe, sondern nur im Umfang eines jährlichen Abschreibungswertes von einem Fünftel. Nach Überprüfung der eingereichten Unterlagen wurde X._______ rückwirkend auf den 1. Januar 1999 gemäss Art. 17 der Verordnung vom 22. Juni 1994 über die Mehrwertsteuer (MWSTV, AS 1994 1464) bzw. Art. 21 des Mehrwertsteuergesetzes vom 2. September 1999 (MWSTG, SR 641.20) in das von der ESTV geführte Register der Mehrwertsteuerpflichtigen (Nummer ...) eingetragen. Am 13. August 2003 wurde der Unternehmerin durch die Verwaltung auf den Termin der rückwirkenden Eintragung sowohl die Abrechnung nach vereinnahmten Entgelten als auch die Abrechnung nach der Saldosteuermethode bewilligt.

C.
Gleichentags verlangte die Treuhänderin eine anfechtbare Verfügung über den Beginn der Mehrwertsteuerpflicht, da sie der Auffassung war, deren Voraussetzungen seien erst ab 1. Januar 2002 gegeben. Am 2. September 2003 bezahlte X._______ unter Vorbehalt für die strittigen Perioden einen Betrag von Fr. .... Am 9. Juli 2004 erliess die ESTV zwei Entscheide. Gestützt auf Art. 51 MWSTV bestätigte sie in einem ersten Entscheid die Mehrwertsteuerpflicht von X._______ ab 1. Januar 1999 und legte die Mehrwertsteuerschuld für den Zeitraum vom 1. Januar 1999 bis 31. Dezember 2000 auf Fr. ... zuzüglich Verzugszins von 5 % ab 30. Mai 2000 (mittlerer Verfall) fest; gleichzeitig liess sie ihr die Ergänzungsabrechnung (EA) Nr. ... über diesen Betrag zukommen. Im zweiten Entscheid - basierend auf der Mehrwertsteuerpflicht ab 1. Januar 1999 - bemass die Verwaltung die Mehrwertsteuerschuld für die Steuerperiode vom 1. Januar bis 31. Dezember 2001 auf Fr. ... zuzüglich Verzugszins ab 30. November 2001 (mittlerer Verfall) und stellte ebenfalls eine entsprechende EA (Nr. ...) zu. Die ESTV ging davon aus, dass die Steuerzahllast in den zur Diskussion stehenden Steuerperioden - mit Ausnahme des Jahrs 2000 - jeweils Fr. 4'000.-- überschritten habe. Die Unterschreitung der Grenze im Jahr 2000 sei jedoch nicht von Bedeutung, weil sie im Jahr 2001 wieder überschritten worden sei. Dabei berechnete die ESTV die Steuerzahllast nach der vereinfachten Methode und berücksichtigte lediglich einen Fünftel der auf den Investitionen und Betriebsmitteln angefallenen Vorsteuern.

D.
Gegen diese Entscheide reichte X._______ am 12. Juli 2004 bei der ESTV je eine separate Einsprache mit weiteren Unterlagen ein. Sie stellte sich auf den Standpunkt, dass zumindest bei einer effektiven Berechnung die Steuerzahllast von Fr. 4'000.-- nicht erreicht werde. Mit Einspracheentscheid vom 24. April 2006 hiess die Verwaltung die den Zeitraum der Geltung der MWSTV betreffende Einsprache teilweise gut, weil sie für die Jahre 1999 und 2000 statt der Abrechnung nach Saldosteuersätzen die effektive Abrechnung nach vereinnahmten Entgelten bewilligte, was zu einer geringeren Mehrwertsteuerforderung führe. Im Übrigen wies sie diese Einsprache ebenso ab wie - mit einem zweiten Einspracheentscheid vom 24. April 2006 - jene betreffend den Zeitraum des MWSTG. Zur Abweisung führte, dass die ESTV bei der Berechnung der Steuerzahllast lediglich einen dem zulässigen Abschreibungssatz entsprechenden Anteil der Vorsteuern auf den Investitionen und Betriebsmitteln zum Abzug zuliess. Dabei berücksichtigte die Verwaltung, weil sie eine falsche Auskunft erteilt habe, auch für die Geltung der MWSTV jeweils einen Fünftel der Vorsteuern.

E.
Gegen diese beiden Einspracheentscheide vom 24. April 2006 richtet sich die Beschwerde vom 22. Mai 2006 an die Eidgenössische Steuerrekurskommission (SRK), deren Behandlung das Bundesverwaltungsgericht am 1. Januar 2007 übernommen hat. X._______ (Beschwerdeführerin) stellt darin den Antrag, es sei der Beginn der Mehrwertsteuerpflicht auf den 1. Januar 2002 festzulegen und eventualiter seien (bei einer Verneinung der Mehrwertsteuerpflicht ab 1. Januar 1999) beide Einspracheentscheide zur Neubeurteilung, Sachverhaltsfeststellung und Neuentscheidung an die Vorinstanz zurückzuweisen. Dabei wiederholt sie im Wesentlichen die bereits im Einspracheverfahren geltend gemachte Begründung, die Beschränkung der Berücksichtigung der Vorsteuern auf den Investitionen auf den auf die zulässige Abschreibung entfallenden Teil sei nicht sachgerecht, sofern es sich nicht um eine Neugründung einer Firma handle, die im ersten Jahr überdurchschnittlich viel investiere. Es seien entweder die vollen Investitionen zu berücksichtigen oder zum mindesten auch ein Fünftel der in den Vorjahren getätigten Investitionen. Zudem werde bestritten, dass die Positionen "Lagerzunahme" bzw. "Zunahme Warenlager" in den Erfolgsrechnungen auf nicht verkaufte Waren zurückzuführen sei; vielmehr liege jeweils eine Höherbewertung des Lagers vor.

F.
In ihren Vernehmlassungen vom 11. Juli 2006 schliesst die ESTV auf kostenpflichtige Abweisung der Beschwerden und wiederholt, weshalb sie bei der Berechnung der Steuerzahllast lediglich einen der zulässigen Abschreibung auf den Investitionen entsprechenden Anteil der auf diesen lastenden Vorsteuern berücksichtigt habe. Sie sieht die Beweislast dafür, dass das Warenlager aufgrund einer Wertberichtigung und nicht wegen einer Zunahme des Warenbestandes zugenommen habe, bei der Beschwerdeführerin und macht Ausführungen zur Regelmässigkeit der Überschreitung der Steuerzahllast.

G.
Mit unaufgefordert eingereichter Eingabe vom 18. Juli 2006 bringt die Beschwerdeführerin vor, die ESTV gehe nicht auf ihr Argument der durchschnittlichen Investitionen ein, weist darauf hin, dass sie für die Änderung der Bewertung des Warenlagers Beweise angeboten habe und macht weiter geltend, aus der Sichtweise im Jahr 1998 habe man noch nicht davon ausgehen können, dass die Steuerzahllast in Zukunft regelmässig überschritten werde, sei doch dieses Jahr das erste Jahr gewesen, in dem diese Marke überschritten worden sei, während sie in den Jahren 1995 bis 1997 - also "regelmässig" - diese Schwelle unterschritten habe. In den beiden Duplikschriften vom 15. September 2006 widerspricht die ESTV diesen Ausführungen.

H.
Auf die einzelnen Argumente in den Eingaben der Parteien wird - soweit entscheiderheblich - im Rahmen der Erwägungen eingegangen.

Das Bundesverwaltungsgericht zieht in Erwägung:

1.
1.1 Bis zum 31. Dezember 2006 unterlagen Einspracheentscheide der ESTV der Beschwerde an die SRK. Das Bundesverwaltungsgericht übernimmt, sofern es zuständig ist, die Ende 2006 bei der SRK hängigen Verfahren. Die Beurteilung erfolgt nach neuem Verfahrensrecht (Art. 53 Abs. 2 des Bundesgesetzes vom 17. Juni 2005 über das Bundesverwaltungsgericht [Verwaltungsgerichtsgesetz, VGG, SR 173.32]). Soweit das VGG nichts anderes bestimmt, richtet sich gemäss Art. 37 VGG das Verfahren nach dem Bundesgesetz vom 20. Dezember 1968 über das Verwaltungsverfahren (VwVG, SR 172.021). Das Bundesverwaltungsgericht ist zur Behandlung der Beschwerde sachlich wie funktionell zuständig (Art. 31 und 33 Bst. d VGG). Die Beschwerdeführerin hat die beiden Einspracheentscheide vom 28. Februar 2006 frist- und auch formgerecht angefochten (Art. 50 und 52 VwVG). Sie ist durch diese beschwert und grundsätzlich zur Anfechtung berechtigt (Art. 48 VwVG). Somit ist auf die Beschwerde einzutreten.

1.2 Am 1. Januar 2001 sind das MWSTG sowie die Verordnung vom 29. März 2000 zum Bundesgesetz über die Mehrwertsteuer (MWSTGV, SR 641.201) in Kraft getreten. Die Beurteilung des vorliegenden Sachverhalts richtet sich nach dieser Gesetzgebung, soweit er sich in deren zeitlichem Geltungsbereich ereignet hat (1. Januar bis 31. Dezember 2001). Soweit sich hingegen der Sachverhalt vor Inkrafttreten des MWSTG zugetragen hat (1. Januar 1999 bis 31. Dezember 2000), ist auf die vorliegende Beschwerde grundsätzlich noch die MWSTV anwendbar (Art. 93 und 94 MWSTG).

1.3 Das Bundesverwaltungsgericht kann die angefochtenen Einspracheentscheide in vollem Umfang überprüfen. Die Beschwerdeführerin kann neben der Verletzung von Bundesrecht (Art. 49 Bst. a VwVG) und der unrichtigen oder unvollständigen Feststellung des rechtserheblichen Sachverhalts (Art. 49 Bst. b VwVG) auch die Rüge der Unangemessenheit erheben (Art. 49 Bst. c VwVG). Das Bundesverwaltungsgericht hat den Sachverhalt von Amtes wegen festzustellen und ist dabei nicht ausschliesslich an die Parteibegehren gebunden. Die Beschwerdeinstanz hat das Recht von Amtes wegen anzuwenden; sie ist an die vorgebrachten rechtlichen Überlegungen der Parteien nicht gebunden (vgl. Art. 62 Abs. 4 VwVG; Alfred Kölz/Isabelle Häner, Verwaltungsverfahren und Verwaltungsrechtspflege des Bundes, 2. Aufl., Zürich 1998, S. 39 Rz. 112).

1.4 Grundsätzlich bildet jeder vorinstanzliche Einspracheentscheid ein selbständiges Anfechtungsobjekt und ist deshalb einzeln anzufechten. Es ist gerechtfertigt, von diesem Grundsatz abzuweichen und die Anfechtung in einem gemeinsamen Verfahren mit einem einzigen Urteil zuzulassen, wenn die einzelnen Sachverhalte in einem engen inhaltlichen Zusammenhang stehen und sich in allen Fällen gleiche oder ähnliche Rechtsfragen stellen (vgl. BGE 131 V 224 E. 1, 123 V 215 E. 1; Urteil des Bundesverwaltungsgerichts A-1630/2006 und A-1631/2006 vom 13. Mai 2008 E. 1.2 mit Hinweisen). Unter den gleichen Voraussetzungen können auch getrennt eingereichte Beschwerden in einem Verfahren vereinigt werden. Ein solches Vorgehen dient der Verfahrensökonomie und liegt im Interesse aller Beteiligten (André Moser/Michael Beusch/Lorenz Kneubühler, Prozessieren vor dem Bundesverwaltungsgericht, Basel 2008, S. 114 Rz. 3.17). Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt, ist doch in beiden Fällen dasselbe Mehrwertsteuersubjekt und (abgesehen von den Steuerperioden) der gleiche Sachverhalt betroffen und stellen sich grundsätzlich dieselben Rechtsfragen. Die beiden Einspracheentscheide wurden mit der gleichen Beschwerdeschrift angefochten, welche keine separaten Ausführungen für den zeitlichen Geltungsbereich der MWSTV bzw. des MWSTG enthält. Die beiden Beschwerdeverfahren A-1597/2006 und A-1598/2006 werden deshalb vereinigt.

2.
2.1 Mehrwertsteuerpflichtig ist gemäss Art. 17 Abs. 1 MWSTV bzw. Art. 21 Abs. 1 MWSTG, wer eine mit der Erzielung von Einnahmen verbundene gewerbliche oder berufliche Tätigkeit selbständig ausübt, selbst wenn eine Gewinnabsicht fehlt, sofern seine Lieferungen, seine Dienstleistungen und sein Eigenverbrauch im Inland gesamthaft jährlich Fr. 75'000.-- übersteigen. Von der Mehrwertsteuerpflicht ausgenommen sind Unternehmer mit einem Jahresumsatz zwischen Fr. 75'000.-- und Fr. 250'000.--, sofern der nach Abzug der Vorsteuer verbleibende Mehrwertsteuerbetrag (sogenannte Steuerzahllast) regelmässig nicht mehr als Fr. 4'000.-- betragen würde (Art. 19 Abs. 1 Bst. a MWSTV bzw. Art. 25 Abs. 1 Bst. a MWSTG). Die Mehrwertsteuerpflicht gemäss Art. 17 Abs. 1 MWSTV bzw. Art. 21 Abs. 1 MWSTG beginnt nach Ablauf desjenigen Kalenderjahres, in dem der massgebende Umsatz erzielt worden ist (Art. 21 Abs. 1 MWSTV bzw. Art. 28 Abs. 1 MWSTG; hierzu statt vieler: Urteile des Bundesverwaltungsgerichts A-1618/2006 vom 27. August 2008 E. 2.2, A-1389/2006 vom 21. Januar 2008 E. 2.1; Entscheid der SRK vom 3. Dezember 1998, veröffentlicht in Verwaltungspraxis der Bundesbehörden [VPB] 63.76 E. 3b/bb).

2.2 Für den Zeitraum der MWSTV ist die Steuerzahllast nach der Verwaltungspraxis entweder effektiv oder nach einer vereinfachenden Pauschalmethode zu ermitteln. Nach Letzterer ist die Mehrwertsteuer auf dem steuerbaren Umsatz des geprüften Jahres zu den vorgesehenen Sätzen zu berechnen. Davon kann abgezogen werden einerseits die Vorsteuer auf dem Waren- und Materialaufwand zu den anwendbaren Sätzen und anderseits die Vorsteuer auf dem übrigen Aufwand (Investitionen, Betriebsmittel und Gemeinkosten), welche sich anhand einer Pauschale von 0.7% (0.6% bis Ende 1998) des Umsatzes berechnet (Broschüre "Steuerpflicht bei der Mehrwertsteuer", Ausgabe August 1999 [Broschüre Steuerpflicht 1999], Ziff. 2.6). Diese Praxis verstösst nach der Rechtsprechung der SRK nicht gegen Bundesrecht (vgl. Art. 47 Abs. 3 MWSTV). Dem Betroffenen bleibt dabei unbenommen, die umsatzmässigen Voraussetzungen seiner Mehrwertsteuerpflicht effektiv zu berechnen (Entscheide der SRK vom 16. Juni 2004, veröffentlicht in VPB 68.157 E. 2c/aa; vom 10. Februar 2004, veröffentlicht in VPB 68.97 E. 2b; vom 20. Januar 2003, veröffentlicht in VPB 67.79 E. 2b). Die genaue Ermittlung der Vorsteuer erfolgt anhand der Einkaufsfakturen. Gemäss Verwaltungspraxis sind auf Verlangen der ESTV detaillierte Aufstellungen einzureichen (vgl. Ziff. 2.7 Broschüre Steuerpflicht 1999).

2.3 Die vereinfachte Ermittlung der Steuerzahllast gilt auch unter dem MWSTG (Spezialbroschüre Nr. 610.530.02 "Steuerpflicht bei der Mehrwertsteuer", gültig ab 1. Januar 2001 [nachfolgend Broschüre Steuerpflicht MWSTG 2001] Ziff. 2.4.1). Die ab 1. Januar 2008 geltende Fassung (nachfolgend Broschüre Steuerpflicht MWSTG 2008) enthält jedoch eine Praxisänderung (vgl. auch Broschüre 610.530.01 Übersicht über die Praxisänderungen per 1. Januar 2008. S. 12). Anstelle der bisherigen vereinfachten Methode kann für die Ermittlung der Steuerzahllast nun die Saldosteuersatzmethode angewendet werden. Die wesentliche Erleichterung besteht darin, dass für die Ermittlung der Steuerzahllast nur noch die Einnahmen von Bedeutung sind. Die Vorsteuer auf Waren- und Materialaufwand sowie auf Investitionen und Gemeinkosten ist bei der Anwendung der Saldosteuersatzmethode im Sinn einer Pauschale berücksichtigt. Die Mehrwertsteuerpflichtigen haben jedoch weiterhin die Möglichkeit, die Steuerzahllast effektiv zu berechnen, wobei zu beachten ist, dass die Vorsteuer auf Investitionen nur anteilsmässig berücksichtigt werden kann, das heisst ein Fünftel auf beweglichen Gegenständen bzw. ein Zwanzigstel auf unbeweglichen Gegenständen (Broschüre Steuerpflicht 2008 Ziff. 2.4.2). Das Bundesverwaltungsgericht hat die rückwirkende Anwendung dieser Praxisänderung durch die ESTV gutgeheissen (Urteil des Bundesverwaltungsgerichts A-1614/2006 vom 1. Oktober 2008).

2.4 Die Rechtsprechung hat sich auch mit dem in Art. 19 Ziff. 1 Bst. a MWSTV bzw. Art. 25 Abs. 1 Bst. a MWSTG verwendeten Begriff "regelmässig" befasst; dieser ist übrigens bereits in Art. 8 Abs. 2 Bst. d Ziff. 1 und 2 der Übergangsbestimmungen zur Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 29. Mai 1874 (aBV) bzw. in Art. 196 Ziff. 14 Abs. 1 Bst. d Ziff. 1 und 2 der Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 (BV, SR 101) enthalten. Dabei wurde festgestellt, dass dieser Begriff mehrere Jahre umfasst und der Umstand, dass der Betrag der Steuerzahllast von Fr. 4'000.-- gelegentlich - für ein isoliertes Jahr - nicht überschritten wird, nicht von der Mehrwertsteuerpflicht befreit. Damit wird vermieden, dass sich Löschungen und Wiedereintragungen folgen, was dem Prinzip der Erhebungswirtschaftlichkeit widerspricht. Es handelt sich um ein zusätzliches Kriterium, dessen Vorhandensein separat geprüft werden muss (Entscheid der SRK vom 16. Juni 2004, veröffentlicht in VPB 68.157 E. 2.c/bb; implizite auch Urteil des Bundesgerichts 2A.429/1999 vom 20. September 2000, E. 2.b). Die SRK bejahte in jenem Urteil die durchgehende Mehrwertsteuerpflicht bei einem Mehrwertsteuerpflichtigen, der die Limite 1999, 2000 und 2002 erreichte, nicht aber 2001. In einem weiteren Entscheid der SRK wurden von einem Unternehmen die Umsatzgrenzen in den Jahren 1996, 1997 und 1999 überschritten, nicht jedoch 1998; die durchgehende Mehrwertsteuerpflicht wurde bejaht (Entscheid der SRK vom 18. Januar 2005 [SRK 2003-026] E. 3). Hingegen wurde durch die SRK die Mehrwertsteuerpflicht verneint, da die Umsatzgrenze in zwei aufeinanderfolgenden Jahren nicht erreicht wurde (Entscheid der SRK vom 14. Juli 2004 [SRK 2002-147] E. 4b/bb). Hingegen hat das Bundesgericht festgehalten, dass bei der Feststellung der Mehrwertsteuerpflicht per 1. Januar 1995, dem Zeitpunkt der Einführung des Systems der Mehrwertsteuer, eine mehrjährige Betrachtungsweise nicht in Frage kommt, weil gemäss Art. 84 Abs. 2 MWSTV auf die vorangegangenen zwölf Monate, somit auf die im Jahr 1994 erzielten Umsätze abzustellen ist (Urteil des Bundesgerichts 2A.429/1999 vom 20. September 2000, E. 2a und 2b).

2.5 Nach dem Prinzip der Gleichmässigkeit der Besteuerung müssen Personen in gleichartigen Situationen gleich behandelt werden, währenddem unterschiedliche Situationen zu einer unterschiedlichen Steuerbelastung führen müssen (BGE 126 I 76, 78 E. 2a, 128 I 240, 243 E. 2.3 mit weiteren Hinweisen; XAVIER OBERSON, in: mwst.com, Rz. 41 zu Art. 1 MWSTG). Dabei hat das Bundesgericht erkannt, dass eine mathematisch exakte Gleichbehandlung jedes einzelnen Steuerpflichtigen aus praktischen Gründen nicht erreichbar ist und deshalb eine gewisse Schematisierung und Pauschalisierung des Abgaberechts unausweichlich und zulässig ist (BGE 131 II 271, 286 E. 7.2.4; 128 I 240, 243 E.2.3; 125 I 65 E. 3c mit Hinweisen, insbesondere S. 68).

2.6 Die Veranlagung und Entrichtung der Mehrwertsteuer erfolgt nach dem Selbstveranlagungsprinzip. Der Mehrwertsteuerpflichtige hat insbesondere selber festzustellen, ob bei ihm die Voraussetzungen der subjektiven Steuerpflicht erfüllt sind und sich unaufgefordert innert 30 Tagen nach Beginn seiner Mehrwertsteuerpflicht schriftlich bei der ESTV anzumelden (Art. 45 Abs. 1 MWSTV bzw. Art. 56 Abs. 1 MWSTG; Urteile des Bundesgerichts 2A.109/2005 vom 10. März 2006 E. 2.1; 2A.304/2003 vom 14. November 2003 E. 3.5; Urteil des Bundesverwaltungsgerichts A-1578/2006 vom 2. Oktober 2008 E. 2.3, A-1429/2006 vom 29. August 2007 E. 2.1 mit Hinweisen). Sind die Voraussetzungen der Mehrwertsteuerpflicht erfüllt und meldet sich der Mehrwertsteuerpflichtige nicht gemäss Art. 45 Abs. 1 MWSTV bzw. Art. 56 Abs. 1 MWSTG bei der ESTV an, wird er rückwirkend in das Register der Mehrwertsteuerpflichtigen eingetragen (Urteile des Bundesverwaltungsgerichts A-1618/2006 vom 27. August 2008, A-1389/2006 vom 21. Januar 2008 E. 3.1 und 5.4 sowie Entscheid der SRK vom 16. Juni 2004, veröffentlicht in VPB 68.157 E. 2b/bb).

3.
Im vorliegenden Fall ist der Zeitpunkt des Beginns der Mehrwertsteuerpflicht umstritten. Ursache dafür ist, dass bei der Berechnung der Steuerzahllast Differenzen über das Ausmass der Berücksichtigung der Vorsteuern auf Investitionen (E. 3.) sowie über die Auswirkung des Postens "Lagerzunahme" bzw. "Zunahme Warenlager" auf die Vorsteuerberechnung (E. 4) bestehen.

3.1 Vorweg ist festzuhalten, dass die Beschwerdeführerin die Berechnung der Steuerzahllast nach der effektiven Methode verlangt. Dieses Recht steht ihr sowohl unter der Geltung der MWSTV (E. 2.2) als auch unter der ursprünglichen Praxis der ESTV zum MWSTG wie auch nach der Praxisänderung vom 1. Januar 2008 (E. 2.3) zu. Damit kann sowohl die Frage offen gelassen werden, ob sich die Beschwerdeführerin trotz der Praxisänderung noch auf die vereinfachte Methode gemäss Broschüre Steuerpflicht MWSTG 2001 berufen könnte, wenn diese für sie günstiger wäre. Weiter ergibt sich aus den handschriftlichen Eintragungen der ESTV in den von der Beschwerdeführerin mit der Beschwerde eingereichten Berechnungsunterlagen, dass die Verwaltung die Steuerzahllast auch anhand des Saldosteuersatzes geprüft hat und dass der Grenzbetrag von Fr. 4'000.-- auch nach dieser Methode ebenfalls für sämtliche zur Diskussion stehenden Jahre überschritten wurde. Deshalb kann auf einen weiteren Schriftenwechsel zur Berechnung der Steuerzahllast nach der Saldosteuersatzmethode verzichtet werden.

3.2 Die SRK hat mit Entscheid vom 16. Juni 2004 (veröffentlicht in VPB 68.157 E. 3c/aa) die Berücksichtigung der Vorsteuer auf einem Fahrzeug im Umfang von lediglich 20 % der Investitionskosten - das heisst von einem Fünftel - zugelassen und dabei auf jene Erwägung verwiesen, in welcher sie sich mit der Bedeutung des Begriffs "regelmässig" befasste (vgl. dazu E. 2.4). Diese Argumentation nimmt die ESTV in den Einspracheentscheiden auf und führt aus, dass einmalige Investitionen ausgenommen werden müssten bzw. nur im Betrag der Abschreibung berücksichtigt werden dürften, damit dies nicht zu einer Verfälschung der zu errechnenden Steuerzahllast führe. Die Beschwerdeführerin anerkennt diese Argumentation zwar für Neugründungen von Firmen, nicht aber für eine laufende Geschäftstätigkeit. Sie untermauert diese Auffassung mit dem Hinweis auf die in ihrem Unternehmen über die Jahre rückläufigen Investitionsbeträge.
Das Bundesverwaltungsgericht sieht keinen Anlass, grundsätzlich auf die Rechtsprechung der SRK zurückzukommen, wonach die Vorsteuer auf Investitionen bei der Berechnung der Steuerzahllast nur anteilsmässig, entsprechend der jeweiligen Amortisation, berücksichtigt werden kann. Mit ihrer Argumentation verkennt die Beschwerdeführerin, dass das Erfordernis der Regelmässigkeit als zusätzliches Kriterium insbesondere der Erhebungswirtschaftlichkeit der Steuererhebung dient und unnötige Löschungen und Wiedereintragungen vermeiden soll (E. 2.4). Wenn die Beschwerdeführerin somit in den Jahren 1998, 1999 und 2001 die Limite von Fr. 4'000.-- überschritten hätte, nicht jedoch im Jahr 2000, würde dies nicht dazu führen, dass ihre Mehrwertsteuerpflicht Ende 2000 enden würde, dies umso weniger, als unbestritten ist, dass die Limite ab 2001 in allen Folgejahren überschritten wurde und daher für das Jahr 2002 eine Wiedereintragung erfolgen müsste. Genau solche Löschungen und Wiedereintragungen will das Kriterium der Regelmässigkeit vermeiden.
Was die postulierte Unterscheidung zwischen Neugründungen und laufender Geschäftstätigkeit anbelangt, ist der Beschwerdeführerin zwar zuzustimmen, dass die MWSTV und das MWSTG die entsprechende Unterscheidung bezüglich des Zeitpunkts des Beginns der Mehrwertsteuerpflicht kennen (Art. 21 Abs. 1 bzw. Abs. 2 MWSTV und Art. 28 Abs. 1 bzw. Abs. 2 MWSTG). Sie übersieht jedoch, dass die Mehrwertsteuerpflicht auch bei Neugründungen nicht an den Umstand der Gründung selber anknüpft, sondern an die Erwartung eines Mindestumsatzes (Art. 21 Abs. 1 MWSTV bzw. Art. 28 Abs. 1 MWSTG). Falls diese Erwartung besteht, kann allenfalls die Ausnahme von der Mehrwertsteuerpflicht von Art. 19 Abs. 1 Bst. a MWSTV bzw. 25 Abs. 1 Bst. a MWSTG greifen. Damit erfolgt in dieser Hinsicht eine Gleichstellung von Neugründungen und laufender Geschäftstätigkeit. Der Zeitpunkt in der "Geschichte" des Unternehmens, in dem die Steuerzahllastgrenze in dieser Konstellation erreicht wird, spielt in dem Sinn somit keine Rolle. Deshalb verlangt das Prinzip der Gleichbehandlung (E. 2.5), dass in dieser Hinsicht keine Unterscheidung zwischen Neugründungen und bestehenden Unternehmen gemacht wird. Bei beiden müssen Investitionen in die Unternehmenstätigkeit in gleicher Weise berücksichtigt werden.

3.3 Weiter ist auf das Argument der Beschwerdeführerin einzugehen, dass - wenn schon die Vorsteuer auf Investitionen nicht in vollem Ausmass zu berücksichtigen sei - diese dann immerhin nicht nur anteilsmässig im Jahr der Investition abgezogen werden müsse, sondern in jedem Jahr, auf welches eine entsprechende Abschreibungsrate entfalle. Die ESTV setzt dem in der Vernehmlassung entgegen, dass für die Beurteilung der Mehrwertsteuerpflicht nur die Ausgaben des laufenden Jahres berücksichtigt werden dürften. Bei Investitionen aus früheren Jahren sei lediglich eine Korrektur mittels Einlageentsteuerung nach Art. 42 Abs. 3 MWSTG möglich. Diese könne jedoch nur bei den jeweiligen Quartalsabrechnungen berücksichtigt werden, nicht aber bei der Beurteilung der Mehrwertsteuerpflicht, da die Einlageentsteuerung die Mehrwertsteuerpflicht voraussetze. Die Broschüren der Verwaltung äussern sich zu dieser Frage nicht, die Rechtsprechung hat sich noch nicht damit befasst.
Einleitend ist festzuhalten, dass die ESTV ihre Auffassung, dass nur die Ausgaben des laufenden Jahres berücksichtigt werden dürfen, nicht auf das in E. 2.4 aufgeführte Urteil des Bundesgerichtes stützen kann (Urteil des Bundesgerichts 2A.429/1999 vom 20. September 2000, E. 2a und 2b), da jene Erwägung den Sonderfall der Prüfung der Mehrwertsteuerpflicht zum Zeitpunkt der Einführung des Systems der Mehrwertsteuer betraf und dort die MWSTV selber mit Art. 84 Abs. 2 eine Übergangsbestimmung enthielt. Im vorliegenden Fall geht es jedoch um den Beginn der Mehrwertsteuerpflicht während der Geltung der MWSTV bzw. des MWSTG.
Die Argumentation der ESTV ist widersprüchlich. Zum einen wird - zu Recht - betont, dass es in casu nicht um die Geltendmachung des Vorsteuerabzugs in den Quartalsabrechnungen gehe, sondern um die Abklärung, ob die Steuerzahllast regelmässig Fr. 4'000.-- nicht überschreite. Dies führe dazu, dass in der Mehrwertsteuerabrechnung zwar der ganze auf der Investition lastende Vorsteuerbetrag subtrahiert, aber bei der Beurteilung der Mehrwertsteuerpflicht nur der Anteil berücksichtigt werden könne, welcher der Amortisation entspreche. Umgekehrt macht die Verwaltung jedoch geltend, der Berücksichtigung eines entsprechenden Vorsteueranteils in jedem der "Abschreibungsjahre" stehe Art. 42 Abs. 3 MWSTG entgegen, der die Mehrwertsteuerpflicht voraussetze, die Beschwerdeführerin sei jedoch im jeweils geprüften Jahr noch nicht mehrwertsteuerpflichtig gewesen. Damit verkennt die ESTV, dass es nicht um die Rückforderung von Vorsteuern in den Quartalsabrechnungen (aufgrund einer Einlageentsteuerung) geht, sondern um eine allfällige Anwendung des dieser Norm zu Grunde liegenden Gedankens bei der Auslegung des Begriffs "regelmässig" im Rahmen der Steuerzahllast.
Nach Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts unterstützt Art. 42 Abs. 3 MWSTG jedoch die Meinung der Beschwerdeführerin. Diese Bestimmung bringt nämlich zum Ausdruck, dass, wo die Voraussetzungen des Vorsteuerabzugs erst nach Empfang der Lieferung, der Dienstleistung oder der Einfuhr eintreten, dieser zwar nachträglich geltend gemacht werden kann, jedoch nur - aber immerhin - im Umfang des "Restwertes" der Leistung. Obwohl diese Leistung somit in einem einzelnen - zurückliegenden - Steuerjahr eingekauft wurde, in dem die Voraussetzungen zum Vorsteuerabzug nicht gegeben waren, wird berücksichtigt, dass sie auch in einer späteren Steuerperiode genutzt wird, in welcher diese Voraussetzungen erfüllt sind. Dies hat zur Folge, dass nach Art. 42 Abs. 3 MWSTG in einer späteren Steuerperiode eine Ausgabe einer früheren Steuerperiode berücksichtigt wird. Die Argumentation der ESTV, dass die Berücksichtigung späterer "Tranchen" bei der Berechnung der Steuerzahllast der Folgejahre nicht zulässig sei, weil eine Ausgabe aus einer früheren Periode berücksichtigt würde, für die noch keine Steuerpflicht bestand, ist somit nicht stichhaltig.
Zentral ist, dass die Praxis der ESTV, den der Amortisation der Investition entsprechenden Anteil lediglich im Investitionsjahr zu berücksichtigen und nicht auch in den Folgejahren, einen unzulässigen Methodendualismus darstellt (BGE 103 Ia 23; MAX IMBODEN/RENÉ A. RHINOW, Schweizerische Verwaltungsrechtsprechung, 5. Aufl., Basel 1976, Bd. I, Nr. Nr. 77 B II, S. 476). Die ESTV verwendet nämlich diese Methode nur, wenn es darum geht, "Spitzen" der Steuerzahllast bei Unterschreitung der relevanten Grenze von Fr. 4'000.-- nach Art. 19 Abs. 1 Bst. a MWSTV bzw. Art. 25 Abs. 1 Bst. a MWSTG zu vermeiden, also zu Lasten der Mehrwertsteuerpflichtigen, nicht aber, um einen ebensolchen Ausgleich bezüglich der Überschreitung dieser Grenze - also zu Gunsten der Mehrwertsteuerpflichtigen - zu schaffen. Wie bereits ausgeführt (E. 2.4), umfasst der Begriff der "Regelmässigkeit" mehrere Jahre. In diesen sind nach Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts die "Spitzen" sowohl zu Gunsten als auch zu Lasten der Mehrwertsteuerpflichtigen auszugleichen.

3.4 Demnach ist die Beschwerde gutzuheissen und die Sache zur neuen Berechnung der Steuerzahllast bzw. Festsetzung des Beginns der Mehrwertsteuerpflicht an die ESTV zurückzuweisen, wobei diese die auf Investitionen angefallenen Vorsteuern jeweils über fünf Jahre verteilt zu berücksichtigen hat. Auf die Frage, wie die Abschreibungen beim Übergang von der Regelung nach MWSTV zur fünfjährigen Abschreibungsperiode gemäss MWSTG zu behandeln seien, muss vorliegend nicht eingegangen werden, weil die Verwaltung aufgrund der von ihr erteilten falschen Auskunft vom 12. März 2003 auch für den Geltungsbereich der MWSTV die für die Beschwerdeführerin günstigere fünfjährige Abschreibungsperiode angewendet hat.

4.
Die Beschwerdeführerin beanstandet weiter die Behandlung der Positionen "Lagerzunahme" bzw. "Zunahme Warenlager" bei der Berechnung der Steuerzahllast. Umstritten ist, ob es sich dabei um eine Höherbewertung des Lagers oder eine effektive Bestandesänderung handelt, aber auch wer den entsprechenden Beweis zu führen hat bzw. wer die entsprechende Beweislast trägt.

4.1 Das Verfahren vor der ESTV wie auch jenes vor dem Bundesverwaltungsgericht wird von der Untersuchungsmaxime beherrscht. Danach muss die entscheidende Behörde den rechtlich relevanten Sachverhalt von sich aus abklären und darüber ordnungsgemäss Beweis führen. Hat eine der Untersuchungsmaxime unterworfene Behörde den Sachverhalt nicht von Amtes wegen abgeklärt oder hat sie dies nur unvollständig getan, so bildet das einen Beschwerdegrund nach Art. 49 Bst. b VwVG (statt vieler: Urteile des Bundesverwaltungsgerichts A-1624/2006 vom 4. November 2008 E. 1.3; A-3069/2007 vom 29. Januar 2008 E. 1.2; Moser/Beusch/Kneubühler, a.a.O., Rz. 1.49 ff.). Der Untersuchungsgrundsatz wird jedoch durch die Mitwirkungspflichten der Mehrwertsteuerpflichtigen relativiert (statt vieler: Urteile des Bundesverwaltungsgerichts A-1620/2006 vom 22. Juni 2009 E. 6.1, A-1624/2006 vom 4. November 2008 E. 1.4; A-3069/2007 vom 29. Januar 2008 E. 1.2).
Von diesen Mitwirkungspflichten ist die (objektive) Beweislast zu unterscheiden, welche festlegt, zu wessen Lasten es sich auswirkt, wenn ein Sachumstand unbewiesen bleibt (KÖLZ/HÄNER, a.a.O. Rz. 105). Es ist anerkannt, dass die Steuerbehörde für die steuerbegründenden Tatsachen den Nachweis zu erbringen hat, während dem Steuerpflichtigen der Nachweis der Tatsachen obliegt, welche die Steuerschuld mindern oder aufheben (ERNST BLUMENSTEIN/PETER LOCHER, System des schweizerischen Steuerrechts, 6. Aufl., Zürich 2002, S. 454 sowie statt vieler: Urteil des Bundesgerichts vom 14. Juli 2005, veröffentlicht in Archiv für Schweizerisches Abgaberecht [ASA] 75 S. 495 ff. E. 5.4; Urteile des Bundesverwaltungsgerichts A-1469/2006 vom 7. Mai 2008 E. 1.4, A-1373/2006 vom 16. November 2007 E. 2.1, je mit Hinweisen). Eine vom Mehrwertsteuerpflichtigen zu beweisende steuermindernde Tatsache stellt etwa jene dar, die zum Vorsteuerabzug berechtigt (Urteil des Bundesgerichts 2A.406/2002 vom 31. März 2004 E. 3.4; Entscheide der SRK vom 15. Oktober 1999, veröffentlicht in VPB 64.47 E. 5b, vom 14. Januar 2005, veröffentlicht in VPB 69.88 E. 3c/bb mit Hinweis). Die Regeln über die Beweislastverteilung kommen jedoch erst bei Beweislosigkeit zum Zug, das heisst wenn ein Sachverhaltselement nicht bewiesen werden kann.
Für die Beweislastverteilung ist es grundsätzlich irrelevant, ob die Mehrwertsteuerpflichtige ihren Mitwirkungspflichten nachkommt. So gilt der Grundsatz, dass die Mehrwertsteuerpflichtige die Folgen der Beweislosigkeit von steuermindernden Tatsachen trägt, grundsätzlich auch dann, wenn sie die ihr durch das Selbstveranlagungsprinzip auferlegten Pflichten verletzt (für die Verletzung von Mitwirkungspflichten in Verfahren der direkten Steuern: Martin Zweifel/Silvia Hunziker, Beweis und Beweislast im Steuerverfahren bei der Prüfung von Leistung und Gegenleistung unter dem Gesichtswinkel dess Drittvergleiches (dealing at arm's length), ASA 77 S. 669). Zwischen Untersuchungsgrundsatz, Mitwirkungspflicht, Beweislastverteilung und Beweislosigkeit besteht trotzdem ein gewisser Zusammenhang. Wirkt die Steuerpflichtige nämlich an der Ermittlung steuerbegründender oder steuermehrender Tatsachen pflichtwidrig und schuldhaft nicht gehörig mit, - und vereitelt sie dadurch den von der Steuerbehörde zu leistenden Beweis - oder ist der Steuerpflichtigen die Ermittlung steueraufhebender oder -mindernder Tatsachen aus Gründen, die sie nicht zu vertreten hat, unmöglich oder nicht zumutbar, so befindet sich die Steuerbehörde in einem unverschuldeten Beweisnotstand, der es verbietet, nach der allgemeinen Beweislastregel zuungunsten der beweisbelasteten Behörde bzw. der steuerpflichtigen Person zu entscheiden (Daniel Schär, Grundsätze der Beweislastverteilung im Steuerrecht, Bern/Stuttgart/Wien 1998, S. 303 f.; Zweifel/Hunziker, a.a.O., S. 669 f.; Martin Zweifel, in: Kommentar zum Schweizerischen Steuerrecht, Bd. I/2b, 2.A., Basel 2000, Rz. 29 zu Art. 130 DBG; BarBARA HENZEN, in: Kocher/Clavadetscher, [Hrsg.], Stämpflis Handkommentar Zollgesetz, Bern 2009, Art. 116 Rz. 35; NADINE Mayhall, in: Waldmann/Weissenberger, Praxiskommentar VwVG, Zürich 2009, Art. 2 Rz. 11; Entscheid der SRK [2004-098] vom 4. Januar 2006 E. 2b).

4.2 Aufgrund des Selbstveranlagungsprinzips, das notwendigerweise auch die Selbstdeklaration umfasst, ist die Beschwerdeführerin verpflichtet, bei der Feststellung des für die für die Steuerveranlagung wesentlichen Sachverhalts mitzuwirken. Dazu gehört der Nachweis der Umstände des von ihr behaupteten Zuwachses der Positionen "Lagerzunahme" bzw. "Zunahme Warenlager", der angeblich aufgrund einer Höherbewertung der Waren entstand. Es liegt zudem auf der Hand, dass die Beschwerdeführerin diese Umstände besser kennt als die ESTV, da sie die Bewertung des Warenlagers selber vorgenommen hat; die entsprechende Mitwirkung war somit durchaus zumutbar. Demnach wäre sie aufgrund des Selbstveranlagungsprinzips verpflichtet gewesen, entsprechende Unterlagen einzureichen, was aber nicht geschah. Entgegen ihren Ausführungen in der Replik hat die Unternehmerin nämlich in der Beschwerde zu diesem Punkt keine Beweismittel angeboten (sie führte lediglich aus: "Unter der Annahme, dass es nicht unsere Aufgabe ist, zu beweisen, wodurch die Lagerzunahme entstanden ist, verzichten wir auf weitere Ausführungen zu diesem Punkt sowie auf die Einreichung von Beweismitteln.") und hat dies auch in der Replik nicht nachgeholt. Bezüglich der Tatsache, dass der Zuwachs der Positionen "Lagerzunahme" bzw. "Zunahme Warenlager" aufgrund einer Höherbewertung der Waren entstand, besteht somit eine Beweislosigkeit.

4.3 Demzufolge ist zu entscheiden, wer die Folgen dieser Beweislosigkeit zu tragen hat. Die ESTV führt aus, die Tatsache, ob die Vergrösserung des Lagerbestandes auf nicht verkaufter Ware oder einer Höherbewertung des Lagerbestandes beruhe, beeinflusse die Höhe des Vorsteuerabzuges. Damit liege eine steuermindernde Tatsache vor, die von der Beschwerdeführerin zu beweisen sei. Letztere stellt sich auf den Standpunkt, dass es sich um eine steuerbegründende Tatsache handle, weil die ESTV daraus die Mehrwertsteuerpflicht ab 1. Januar 1999 ableite.
Aufgrund der Ausführungen in E. 4.1 kann jedoch offen bleiben, ob es sich bei den Ursachen für die Lagerzunahme um steuerbegründende oder steuermindernde Tatsachen handelt. Wie in E. 4.2 ausgeführt, wäre die Mehrwertsteuerpflichtige aufgrund des Selbstveranlagungsprinzips verpflichtet gewesen, an der Feststellung dieser Ursachen mitzuwirken, was sie nicht getan hat, obwohl ihr dies zuzumuten gewesen wäre. Damit befindet sich die Verwaltung, falls es sich um eine steuerbegründende Tatsache handelt, in einem Beweisnotstand, so dass von der allgemeinen Beweislastverteilung abgewichen und zuungunsten der Beschwerdeführerin zu entscheiden ist. Liegt eine steuermindernde Tatsache vor, hat die Beschwerdeführerin die Folgen der Beweislosigkeit von vornherein zu tragen. Somit stellt sich die ESTV zu Recht auf den Standpunkt, dass die Lagerzunahme auf der Tatsache resultiert, dass nicht alle eingekauften Waren wieder verkauft worden sind.

5.
Was schliesslich das Argument der Beschwerdeführerin anbelangt, man habe aus dem Blickwinkel des Jahres 1998 noch nicht voraussehen können, dass die Steuerzahllast von Fr. 4'000.-- auch im kommenden Jahr überschritten werde, da diese Limite in den Jahren 1995 bis 1997 und somit regelmässig unterschritten worden sei, ist der Argumentation der ESTV zuzustimmen, dass die Unternehmerin aufgrund von Art. 50 Abs. 1 MWSTV bzw. 62 Abs. 1 MWSTG verpflichtet war, das Vorliegen ihrer Mehrwertsteuerpflicht zu prüfen (Urteil des Bundesverwaltungsgerichts A-1578/2006 vom 2. Oktober 2008 E. 2.4.1). Innerhalb der Verjährungsfrist, das heisst für die Jahre 1997 bis 2002, war die ESTV berechtigt und auch verpflichtet, die Frage der Mehrwertsteuerpflicht der Beschwerdeführerin im Rahmen der Kontrolle einer Prüfung zu unterziehen; die Jahre 1995 und 1996 stehen somit nicht zur Diskussion. Dabei musste eine ex-post-Betrachtung über die Jahre 1997 bis 2002 erfolgen, so dass sich die Frage der Voraussehbarkeit gar nicht stellt. Zudem ist nochmals darauf hinzuweisen, dass nach der Rechtsprechung der Umstand, dass die Steuerzahllast von Fr. 4'000.-- für ein isoliertes Jahr nicht überschritten wird, nicht von der Mehrwertsteuerpflicht befreit (E. 2.4 und 3.2).

6.
Die Beschwerdeführerin dringt somit mit ihrem Eventualbegehren durch. Die Beschwerden sind teilweise gutzuheissen und die Sache wird zur Abklärung der Steuerzahllast und zur Feststellung der Mehrwertsteuerpflicht im Sinn der Erwägungen an die ESTV zurückgewiesen.

7.
Die Verfahrenskosten werden auf Fr. ... festgelegt (Art. 2 Abs. 1 und 4 des Reglements vom 21. Februar 2008 über die Kosten und Entschädigungen vor dem Bundesverwaltungsgericht (VGKE, SR 173.320.2). Da die Beschwerdeführerin nur mit dem Eventualbegehren durchdringt, im übrigen jedoch unterliegt, hat sie diese Kosten in reduziertem Umfang von Fr. ... - das heisst zur Hälfte - zu tragen (Art. 63 Abs. 1 Satz 2 VwVG). Die Differenz von Fr. ... zur Summe der von der Beschwerdeführerin bezahlten Kostenvorschüsse von Fr. ... ist dieser nach Eintritt der Rechtskraft dieses Urteils zurückzuerstatten. Die ESTV hat der Beschwerdeführerin eine um die Hälfte reduzierte Parteientschädigung von Fr. ... (inkl. Barauslagen und Mehrwertsteuer) zu bezahlen (Art. 64 Abs. 1 VwVG, Art. 7 VGKE).

Demnach erkennt das Bundesverwaltungsgericht:

1.
Die Verfahren A-1597/2006 und A-1598/2006 werden vereinigt.

2.
Die Beschwerden werden teilweise gutgeheissen, die Ziffern 2 bis 6 des Einspracheentscheids der ESTV vom 24. April 2006 betreffend den Zeitraum der Geltung der MWSTV sowie der Einspracheentscheid der ESTV vom 24. April 2006 betreffend den Zeitraum der Geltung des MWSTG werden aufgehoben und die Sache zu neuer Entscheidung im Sinne der Erwägungen an die ESTV zurückgewiesen.

3.
Die Verfahrenskosten werden auf Fr. 1'700.-- festgelegt, im Betrag von Fr. ... der Beschwerdeführerin auferlegt und mit den von der Beschwerdeführerin geleisteten Kostenvorschüssen von total Fr. ... verrechnet. Der Restbetrag von Fr. ... wird der Beschwerdeführerin nach Eintritt der Rechtskraft zurückerstattet.

4.
Die Vorinstanz hat der Beschwerdeführerin eine reduzierte Parteientschädigung von Fr. ... zu bezahlen.

5.
Dieses Urteil geht an:
die Beschwerdeführerin (Gerichtsurkunde)
die Vorinstanz (Gerichtsurkunde)

Die vorsitzende Richterin: Der Gerichtsschreiber:

Salome Zimmermann Johannes Schöpf

Rechtsmittelbelehrung:
Gegen diesen Entscheid kann innert 30 Tagen nach Eröffnung beim Bundesgericht, 1000 Lausanne 14, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten geführt werden (Art. 82 ff., 90 ff. und 100 des Bundesgerichtsgesetzes vom 17. Juni 2005 [BGG, SR 173.110]). Die Rechtsschrift ist in einer Amtssprache abzufassen und hat die Begehren, deren Begründung mit Angabe der Beweismittel und die Unterschrift zu enthalten. Der angefochtene Entscheid und die Beweismittel sind, soweit sie die beschwerdeführende Partei in Händen hat, beizulegen (vgl. Art. 42 BGG).

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1994/1464