Bundesverwaltungsgericht
Tribunal administratif fédéral
Tribunale amministrativo
federale
Tribunal administrativ federal
Abteilung I
A-1597/2006 und
A-1598/2006{T
0/2}
Urteil vom 17. August 2009
Besetzung
Richterin Salome Zimmermann (Vorsitz),
Richter Markus Metz, Richter Pascal Mollard,
Gerichtsschreiber Johannes Schöpf.
Parteien
X._______,
...,
vertreten durch ...,
Beschwerdeführerin,
gegen
Eidgenössische
Steuerverwaltung ESTV,
Hauptabteilung Mehrwertsteuer, Schwarztorstrasse 50, 3003 Bern,
Vorinstanz.
Gegenstand
Mehrwertsteuer
(1. Quartal 1999 bis 4. Quartal 2001).
Sachverhalt:
A.
X._______ betreibt
das Geschäft "...". Sie liess durch ihre Treuhänderin am 7. Februar 2003 bei der
Eidgenössischen Steuerverwaltung (ESTV) den Fragebogen zwecks Anmeldung als Mehrwertsteuerpflichtige
mit der Begründung "Neu steuerpflichtig aufgrund der Überschreitung der Grenzwerte im
Jahr 2002" bestellen. Am 25. Februar 2003 reichte X._______ den ausgefüllten Fragebogen ein
und gab darin die Umsatzzahlen für die Jahre 1997 bis 2002 bekannt.
B.
Die ESTV
forderte die Treuhänderin am 12. März 2003 telefonisch auf, für die Jahre 1997 bis 2002
eine genaue Berechnung der geschuldeten Mehrwertsteuerbeträge einzureichen. Die Verwaltung wies
darauf hin, dass dabei die Mehrwertsteuer auf den Investitionen und Betriebsmitteln nicht vollumfänglich
als Vorsteuer geltend gemacht werden dürfe, sondern nur im Umfang eines jährlichen Abschreibungswertes
von einem Fünftel. Nach Überprüfung der eingereichten Unterlagen wurde X._______ rückwirkend
auf den 1. Januar 1999 gemäss Art. 17
der Verordnung vom 22. Juni 1994 über die Mehrwertsteuer
(
MWSTV, AS 1994 1464) bzw. Art. 21
des Mehrwertsteuergesetzes vom 2. September 1999 (
MWSTG,
SR 641.20)
in das von der ESTV geführte Register der Mehrwertsteuerpflichtigen (Nummer ...) eingetragen. Am
13. August 2003 wurde der Unternehmerin durch die Verwaltung auf den Termin der rückwirkenden Eintragung
sowohl die Abrechnung nach vereinnahmten Entgelten als auch die Abrechnung nach der Saldosteuermethode
bewilligt.
C.
Gleichentags verlangte die Treuhänderin eine anfechtbare Verfügung
über den Beginn der Mehrwertsteuerpflicht, da sie der Auffassung war, deren Voraussetzungen seien
erst ab 1. Januar 2002 gegeben. Am 2. September 2003 bezahlte X._______ unter Vorbehalt für die
strittigen Perioden einen Betrag von Fr. .... Am 9. Juli 2004 erliess die ESTV zwei Entscheide. Gestützt
auf Art. 51
MWSTV bestätigte sie in einem ersten Entscheid die Mehrwertsteuerpflicht von X._______
ab 1. Januar 1999 und legte die Mehrwertsteuerschuld für den Zeitraum vom 1. Januar 1999 bis 31.
Dezember 2000 auf Fr. ... zuzüglich Verzugszins von 5 % ab 30. Mai 2000 (mittlerer Verfall) fest;
gleichzeitig liess sie ihr die Ergänzungsabrechnung (EA) Nr. ... über diesen Betrag zukommen.
Im zweiten Entscheid - basierend auf der Mehrwertsteuerpflicht ab 1. Januar 1999 - bemass die Verwaltung
die Mehrwertsteuerschuld für die Steuerperiode vom 1. Januar bis 31. Dezember 2001 auf Fr. ... zuzüglich
Verzugszins ab 30. November 2001 (mittlerer Verfall) und stellte ebenfalls eine entsprechende EA (Nr.
...) zu. Die ESTV ging davon aus, dass die Steuerzahllast in den zur Diskussion stehenden Steuerperioden
- mit Ausnahme des Jahrs 2000 - jeweils Fr. 4'000.-- überschritten habe. Die Unterschreitung der
Grenze im Jahr 2000 sei jedoch nicht von Bedeutung, weil sie im Jahr 2001 wieder überschritten worden
sei. Dabei berechnete die ESTV die Steuerzahllast nach der vereinfachten Methode und berücksichtigte
lediglich einen Fünftel der auf den Investitionen und Betriebsmitteln angefallenen Vorsteuern.
D.
Gegen
diese Entscheide reichte X._______ am 12. Juli 2004 bei der ESTV je eine separate Einsprache mit weiteren
Unterlagen ein. Sie stellte sich auf den Standpunkt, dass zumindest bei einer effektiven Berechnung die
Steuerzahllast von Fr. 4'000.-- nicht erreicht werde. Mit Einspracheentscheid vom 24. April 2006 hiess
die Verwaltung die den Zeitraum der Geltung der MWSTV betreffende Einsprache teilweise gut, weil sie
für die Jahre 1999 und 2000 statt der Abrechnung nach Saldosteuersätzen die effektive Abrechnung
nach vereinnahmten Entgelten bewilligte, was zu einer geringeren Mehrwertsteuerforderung führe.
Im Übrigen wies sie diese Einsprache ebenso ab wie - mit einem zweiten Einspracheentscheid vom 24.
April 2006 - jene betreffend den Zeitraum des MWSTG. Zur Abweisung führte, dass die ESTV bei der
Berechnung der Steuerzahllast lediglich einen dem zulässigen Abschreibungssatz entsprechenden Anteil
der Vorsteuern auf den Investitionen und Betriebsmitteln zum Abzug zuliess. Dabei berücksichtigte
die Verwaltung, weil sie eine falsche Auskunft erteilt habe, auch für die Geltung der MWSTV jeweils
einen Fünftel der Vorsteuern.
E.
Gegen diese beiden Einspracheentscheide vom 24.
April 2006 richtet sich die Beschwerde vom 22. Mai 2006 an die Eidgenössische Steuerrekurskommission
(SRK), deren Behandlung das Bundesverwaltungsgericht am 1. Januar 2007 übernommen hat. X._______
(Beschwerdeführerin) stellt darin den Antrag, es sei der Beginn der Mehrwertsteuerpflicht auf den
1. Januar 2002 festzulegen und eventualiter seien (bei einer Verneinung der Mehrwertsteuerpflicht ab
1. Januar 1999) beide Einspracheentscheide zur Neubeurteilung, Sachverhaltsfeststellung und Neuentscheidung
an die Vorinstanz zurückzuweisen. Dabei wiederholt sie im Wesentlichen die bereits im Einspracheverfahren
geltend gemachte Begründung, die Beschränkung der Berücksichtigung der Vorsteuern auf
den Investitionen auf den auf die zulässige Abschreibung entfallenden Teil sei nicht sachgerecht,
sofern es sich nicht um eine Neugründung einer Firma handle, die im ersten Jahr überdurchschnittlich
viel investiere. Es seien entweder die vollen Investitionen zu berücksichtigen oder zum mindesten
auch ein Fünftel der in den Vorjahren getätigten Investitionen. Zudem werde bestritten, dass
die Positionen "Lagerzunahme" bzw. "Zunahme Warenlager" in den Erfolgsrechnungen
auf nicht verkaufte Waren zurückzuführen sei; vielmehr liege jeweils eine Höherbewertung
des Lagers vor.
F.
In ihren Vernehmlassungen vom 11. Juli 2006 schliesst die ESTV auf
kostenpflichtige Abweisung der Beschwerden und wiederholt, weshalb sie bei der Berechnung der Steuerzahllast
lediglich einen der zulässigen Abschreibung auf den Investitionen entsprechenden Anteil der auf
diesen lastenden Vorsteuern berücksichtigt habe. Sie sieht die Beweislast dafür, dass das Warenlager
aufgrund einer Wertberichtigung und nicht wegen einer Zunahme des Warenbestandes zugenommen habe, bei
der Beschwerdeführerin und macht Ausführungen zur Regelmässigkeit der Überschreitung
der Steuerzahllast.
G.
Mit unaufgefordert eingereichter Eingabe vom 18. Juli 2006 bringt
die Beschwerdeführerin vor, die ESTV gehe nicht auf ihr Argument der durchschnittlichen Investitionen
ein, weist darauf hin, dass sie für die Änderung der Bewertung des Warenlagers Beweise angeboten
habe und macht weiter geltend, aus der Sichtweise im Jahr 1998 habe man noch nicht davon ausgehen können,
dass die Steuerzahllast in Zukunft regelmässig überschritten werde, sei doch dieses Jahr das
erste Jahr gewesen, in dem diese Marke überschritten worden sei, während sie in den Jahren
1995 bis 1997 - also "regelmässig" - diese Schwelle unterschritten habe. In den beiden
Duplikschriften vom 15. September 2006 widerspricht die ESTV diesen Ausführungen.
H.
Auf
die einzelnen Argumente in den Eingaben der Parteien wird - soweit entscheiderheblich - im Rahmen der
Erwägungen eingegangen.
Das Bundesverwaltungsgericht zieht in Erwägung:
1.
1.1
Bis zum 31. Dezember 2006 unterlagen Einspracheentscheide der ESTV der Beschwerde an die SRK. Das Bundesverwaltungsgericht
übernimmt, sofern es zuständig ist, die Ende 2006 bei der SRK hängigen Verfahren. Die
Beurteilung erfolgt nach neuem Verfahrensrecht (Art. 53 Abs. 2
des Bundesgesetzes vom 17. Juni 2005 über
das Bundesverwaltungsgericht [Verwaltungsgerichtsgesetz, VGG,
SR 173.32]). Soweit das VGG nichts anderes
bestimmt, richtet sich gemäss Art. 37
VGG das Verfahren nach dem Bundesgesetz vom 20. Dezember 1968
über das Verwaltungsverfahren (VwVG,
SR 172.021). Das Bundesverwaltungsgericht ist zur Behandlung
der Beschwerde sachlich wie funktionell zuständig (Art. 31
und 33
Bst. d
VGG). Die Beschwerdeführerin
hat die beiden Einspracheentscheide vom 28. Februar 2006 frist- und auch formgerecht angefochten (Art.
50
und 52
VwVG). Sie ist durch diese beschwert und grundsätzlich zur Anfechtung berechtigt (Art.
48
VwVG). Somit ist auf die Beschwerde einzutreten.
1.2 Am 1. Januar 2001 sind das MWSTG sowie
die Verordnung vom 29. März 2000 zum Bundesgesetz über die Mehrwertsteuer (MWSTGV,
SR 641.201)
in Kraft getreten. Die Beurteilung des vorliegenden Sachverhalts richtet sich nach dieser Gesetzgebung,
soweit er sich in deren zeitlichem Geltungsbereich ereignet hat (1. Januar bis 31. Dezember 2001). Soweit
sich hingegen der Sachverhalt vor Inkrafttreten des MWSTG zugetragen hat (1. Januar 1999 bis 31. Dezember
2000), ist auf die vorliegende Beschwerde grundsätzlich noch die MWSTV anwendbar (Art. 93
und 94
MWSTG).
1.3 Das Bundesverwaltungsgericht kann die angefochtenen Einspracheentscheide in vollem
Umfang überprüfen. Die Beschwerdeführerin kann neben der Verletzung von Bundesrecht (Art.
49 Bst. a
VwVG) und der unrichtigen oder unvollständigen Feststellung des rechtserheblichen Sachverhalts
(Art. 49 Bst. b
VwVG) auch die Rüge der Unangemessenheit erheben (Art. 49 Bst. c
VwVG). Das Bundesverwaltungsgericht
hat den Sachverhalt von Amtes wegen festzustellen und ist dabei nicht ausschliesslich an die Parteibegehren
gebunden. Die Beschwerdeinstanz hat das Recht von Amtes wegen anzuwenden; sie ist an die vorgebrachten
rechtlichen Überlegungen der Parteien nicht gebunden (vgl. Art. 62 Abs. 4
VwVG; Alfred Kölz/Isabelle
Häner, Verwaltungsverfahren und Verwaltungsrechtspflege des Bundes, 2. Aufl., Zürich 1998,
S. 39 Rz. 112).
1.4 Grundsätzlich bildet jeder vorinstanzliche Einspracheentscheid ein
selbständiges Anfechtungsobjekt und ist deshalb einzeln anzufechten. Es ist gerechtfertigt, von
diesem Grundsatz abzuweichen und die Anfechtung in einem gemeinsamen Verfahren mit einem einzigen Urteil
zuzulassen, wenn die einzelnen Sachverhalte in einem engen inhaltlichen Zusammenhang stehen und sich
in allen Fällen gleiche oder ähnliche Rechtsfragen stellen (vgl. BGE
131 V 224 E. 1,
123 V
215 E. 1; Urteil des Bundesverwaltungsgerichts
A-1630/2006 und
A-1631/2006 vom 13. Mai 2008 E. 1.2 mit
Hinweisen). Unter den gleichen Voraussetzungen können auch getrennt eingereichte Beschwerden in
einem Verfahren vereinigt werden. Ein solches Vorgehen dient der Verfahrensökonomie und liegt im
Interesse aller Beteiligten (André Moser/Michael Beusch/Lorenz Kneubühler, Prozessieren vor
dem Bundesverwaltungsgericht, Basel 2008, S. 114 Rz. 3.17). Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt,
ist doch in beiden Fällen dasselbe Mehrwertsteuersubjekt und (abgesehen von den Steuerperioden)
der gleiche Sachverhalt betroffen und stellen sich grundsätzlich dieselben Rechtsfragen. Die beiden
Einspracheentscheide wurden mit der gleichen Beschwerdeschrift angefochten, welche keine separaten Ausführungen
für den zeitlichen Geltungsbereich der MWSTV bzw. des MWSTG enthält. Die beiden Beschwerdeverfahren
A-1597/2006 und
A-1598/2006 werden deshalb vereinigt.
2.
2.1 Mehrwertsteuerpflichtig
ist gemäss Art. 17 Abs. 1
MWSTV bzw. Art. 21 Abs. 1
MWSTG, wer eine mit der Erzielung von Einnahmen
verbundene gewerbliche oder berufliche Tätigkeit selbständig ausübt, selbst wenn eine
Gewinnabsicht fehlt, sofern seine Lieferungen, seine Dienstleistungen und sein Eigenverbrauch im Inland
gesamthaft jährlich Fr. 75'000.-- übersteigen. Von der Mehrwertsteuerpflicht ausgenommen sind
Unternehmer mit einem Jahresumsatz zwischen Fr. 75'000.-- und Fr. 250'000.--, sofern der nach Abzug der
Vorsteuer verbleibende Mehrwertsteuerbetrag (sogenannte Steuerzahllast) regelmässig nicht mehr als
Fr. 4'000.-- betragen würde (Art. 19 Abs. 1 Bst. a
MWSTV bzw. Art. 25 Abs. 1 Bst. a
MWSTG). Die
Mehrwertsteuerpflicht gemäss Art. 17 Abs. 1
MWSTV bzw. Art. 21 Abs. 1
MWSTG beginnt nach Ablauf
desjenigen Kalenderjahres, in dem der massgebende Umsatz erzielt worden ist (Art. 21 Abs. 1
MWSTV bzw.
Art. 28 Abs. 1
MWSTG; hierzu statt vieler: Urteile des Bundesverwaltungsgerichts
A-1618/2006 vom 27.
August 2008 E. 2.2,
A-1389/2006 vom 21. Januar 2008 E. 2.1; Entscheid der SRK vom 3. Dezember 1998, veröffentlicht
in Verwaltungspraxis der Bundesbehörden [VPB] 63.76 E. 3b/bb).
2.2 Für den Zeitraum
der MWSTV ist die Steuerzahllast nach der Verwaltungspraxis entweder effektiv oder nach einer vereinfachenden
Pauschalmethode zu ermitteln. Nach Letzterer ist die Mehrwertsteuer auf dem steuerbaren Umsatz des geprüften
Jahres zu den vorgesehenen Sätzen zu berechnen. Davon kann abgezogen werden einerseits die Vorsteuer
auf dem Waren- und Materialaufwand zu den anwendbaren Sätzen und anderseits die Vorsteuer auf dem
übrigen Aufwand (Investitionen, Betriebsmittel und Gemeinkosten), welche sich anhand einer Pauschale
von 0.7% (0.6% bis Ende 1998) des Umsatzes berechnet (Broschüre "Steuerpflicht bei der Mehrwertsteuer",
Ausgabe August 1999 [Broschüre Steuerpflicht 1999], Ziff. 2.6). Diese Praxis verstösst nach
der Rechtsprechung der SRK nicht gegen Bundesrecht (vgl. Art. 47 Abs. 3
MWSTV). Dem Betroffenen bleibt
dabei unbenommen, die umsatzmässigen Voraussetzungen seiner Mehrwertsteuerpflicht effektiv zu berechnen
(Entscheide der SRK vom 16. Juni 2004, veröffentlicht in
VPB 68.157 E. 2c/aa; vom 10. Februar 2004,
veröffentlicht in
VPB 68.97 E. 2b; vom 20. Januar 2003, veröffentlicht in
VPB 67.79 E. 2b).
Die genaue Ermittlung der Vorsteuer erfolgt anhand der Einkaufsfakturen. Gemäss Verwaltungspraxis
sind auf Verlangen der ESTV detaillierte Aufstellungen einzureichen (vgl. Ziff. 2.7 Broschüre Steuerpflicht
1999).
2.3 Die vereinfachte Ermittlung der Steuerzahllast gilt auch unter dem MWSTG (Spezialbroschüre
Nr. 610.530.02 "Steuerpflicht bei der Mehrwertsteuer", gültig ab 1. Januar 2001 [nachfolgend
Broschüre Steuerpflicht MWSTG 2001] Ziff. 2.4.1). Die ab 1. Januar 2008 geltende Fassung (nachfolgend
Broschüre Steuerpflicht MWSTG 2008) enthält jedoch eine Praxisänderung (vgl. auch Broschüre
610.530.01 Übersicht über die Praxisänderungen per 1. Januar 2008. S. 12). Anstelle der
bisherigen vereinfachten Methode kann für die Ermittlung der Steuerzahllast nun die Saldosteuersatzmethode
angewendet werden. Die wesentliche Erleichterung besteht darin, dass für die Ermittlung der Steuerzahllast
nur noch die Einnahmen von Bedeutung sind. Die Vorsteuer auf Waren- und Materialaufwand sowie auf Investitionen
und Gemeinkosten ist bei der Anwendung der Saldosteuersatzmethode im Sinn einer Pauschale berücksichtigt.
Die Mehrwertsteuerpflichtigen haben jedoch weiterhin die Möglichkeit, die Steuerzahllast effektiv
zu berechnen, wobei zu beachten ist, dass die Vorsteuer auf Investitionen nur anteilsmässig berücksichtigt
werden kann, das heisst ein Fünftel auf beweglichen Gegenständen bzw. ein Zwanzigstel auf unbeweglichen
Gegenständen (Broschüre Steuerpflicht 2008 Ziff. 2.4.2). Das Bundesverwaltungsgericht hat die
rückwirkende Anwendung dieser Praxisänderung durch die ESTV gutgeheissen (Urteil des Bundesverwaltungsgerichts
A-1614/2006 vom 1. Oktober 2008).
2.4 Die Rechtsprechung hat sich auch mit dem in Art. 19
Ziff. 1 Bst. a
MWSTV bzw. Art. 25 Abs. 1 Bst. a
MWSTG verwendeten Begriff "regelmässig"
befasst; dieser ist übrigens bereits in Art. 8 Abs. 2 Bst. d Ziff. 1
und 2
der Übergangsbestimmungen
zur Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 29. Mai 1874 (aBV) bzw. in Art. 196 Ziff.
14 Abs. 1
Bst. d Ziff. 1 und 2 der Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April
1999 (BV,
SR 101) enthalten. Dabei wurde festgestellt, dass dieser Begriff mehrere Jahre umfasst und
der Umstand, dass der Betrag der Steuerzahllast von Fr. 4'000.-- gelegentlich - für ein isoliertes
Jahr - nicht überschritten wird, nicht von der Mehrwertsteuerpflicht befreit. Damit wird vermieden,
dass sich Löschungen und Wiedereintragungen folgen, was dem Prinzip der Erhebungswirtschaftlichkeit
widerspricht. Es handelt sich um ein zusätzliches Kriterium, dessen Vorhandensein separat geprüft
werden muss (Entscheid der SRK vom 16. Juni 2004, veröffentlicht in
VPB 68.157 E. 2.c/bb; implizite
auch Urteil des Bundesgerichts
2A.429/1999 vom 20. September 2000, E. 2.b). Die SRK bejahte in jenem
Urteil die durchgehende Mehrwertsteuerpflicht bei einem Mehrwertsteuerpflichtigen, der die Limite 1999,
2000 und 2002 erreichte, nicht aber 2001. In einem weiteren Entscheid der SRK wurden von einem Unternehmen
die Umsatzgrenzen in den Jahren 1996, 1997 und 1999 überschritten, nicht jedoch 1998; die durchgehende
Mehrwertsteuerpflicht wurde bejaht (Entscheid der SRK vom 18. Januar 2005 [SRK 2003-026] E. 3). Hingegen
wurde durch die SRK die Mehrwertsteuerpflicht verneint, da die Umsatzgrenze in zwei aufeinanderfolgenden
Jahren nicht erreicht wurde (Entscheid der SRK vom 14. Juli 2004 [SRK 2002-147] E. 4b/bb). Hingegen hat
das Bundesgericht festgehalten, dass bei der Feststellung der Mehrwertsteuerpflicht per 1. Januar 1995,
dem Zeitpunkt der Einführung des Systems der Mehrwertsteuer, eine mehrjährige Betrachtungsweise
nicht in Frage kommt, weil gemäss Art. 84 Abs. 2
MWSTV auf die vorangegangenen zwölf Monate,
somit auf die im Jahr 1994 erzielten Umsätze abzustellen ist (Urteil des Bundesgerichts
2A.429/1999
vom 20. September 2000, E. 2a und 2b).
2.5 Nach dem Prinzip der Gleichmässigkeit der
Besteuerung müssen Personen in gleichartigen Situationen gleich behandelt werden, währenddem
unterschiedliche Situationen zu einer unterschiedlichen Steuerbelastung führen müssen (BGE
126 I 76, 78 E. 2a,
128 I 240, 243 E. 2.3 mit weiteren Hinweisen; XAVIER OBERSON, in: mwst.com, Rz. 41
zu Art. 1
MWSTG). Dabei hat das Bundesgericht erkannt, dass eine mathematisch exakte Gleichbehandlung
jedes einzelnen Steuerpflichtigen aus praktischen Gründen nicht erreichbar ist und deshalb eine
gewisse Schematisierung und Pauschalisierung des Abgaberechts unausweichlich und zulässig ist (BGE
131 II 271, 286 E. 7.2.4;
128 I 240, 243 E.2.3;
125 I 65 E. 3c mit Hinweisen, insbesondere S. 68).
2.6
Die Veranlagung und Entrichtung der Mehrwertsteuer erfolgt nach dem Selbstveranlagungsprinzip. Der Mehrwertsteuerpflichtige
hat insbesondere selber festzustellen, ob bei ihm die Voraussetzungen der subjektiven Steuerpflicht erfüllt
sind und sich unaufgefordert innert 30 Tagen nach Beginn seiner Mehrwertsteuerpflicht schriftlich bei
der ESTV anzumelden (Art. 45 Abs. 1
MWSTV bzw. Art. 56 Abs. 1
MWSTG; Urteile des Bundesgerichts
2A.109/2005
vom 10. März 2006 E. 2.1;
2A.304/2003 vom 14. November 2003 E. 3.5; Urteil des Bundesverwaltungsgerichts
A-1578/2006 vom 2. Oktober 2008 E. 2.3,
A-1429/2006 vom 29. August 2007 E. 2.1 mit Hinweisen). Sind die
Voraussetzungen der Mehrwertsteuerpflicht erfüllt und meldet sich der Mehrwertsteuerpflichtige nicht
gemäss Art. 45 Abs. 1
MWSTV bzw. Art. 56 Abs. 1
MWSTG bei der ESTV an, wird er rückwirkend
in das Register der Mehrwertsteuerpflichtigen eingetragen (Urteile des Bundesverwaltungsgerichts
A-1618/2006
vom 27. August 2008,
A-1389/2006 vom 21. Januar 2008 E. 3.1 und 5.4 sowie Entscheid der SRK vom 16. Juni
2004, veröffentlicht in
VPB 68.157 E. 2b/bb).
3.
Im vorliegenden Fall ist der Zeitpunkt
des Beginns der Mehrwertsteuerpflicht umstritten. Ursache dafür ist, dass bei der Berechnung der
Steuerzahllast Differenzen über das Ausmass der Berücksichtigung der Vorsteuern auf Investitionen
(E. 3.) sowie über die Auswirkung des Postens "Lagerzunahme" bzw. "Zunahme Warenlager"
auf die Vorsteuerberechnung (E. 4) bestehen.
3.1 Vorweg ist festzuhalten, dass die Beschwerdeführerin
die Berechnung der Steuerzahllast nach der effektiven Methode verlangt. Dieses Recht steht ihr sowohl
unter der Geltung der MWSTV (E. 2.2) als auch unter der ursprünglichen Praxis der ESTV zum MWSTG
wie auch nach der Praxisänderung vom 1. Januar 2008 (E. 2.3) zu. Damit kann sowohl die Frage offen
gelassen werden, ob sich die Beschwerdeführerin trotz der Praxisänderung noch auf die vereinfachte
Methode gemäss Broschüre Steuerpflicht MWSTG 2001 berufen könnte, wenn diese für
sie günstiger wäre. Weiter ergibt sich aus den handschriftlichen Eintragungen der ESTV in den
von der Beschwerdeführerin mit der Beschwerde eingereichten Berechnungsunterlagen, dass die Verwaltung
die Steuerzahllast auch anhand des Saldosteuersatzes geprüft hat und dass der Grenzbetrag von Fr.
4'000.-- auch nach dieser Methode ebenfalls für sämtliche zur Diskussion stehenden Jahre überschritten
wurde. Deshalb kann auf einen weiteren Schriftenwechsel zur Berechnung der Steuerzahllast nach der Saldosteuersatzmethode
verzichtet werden.
3.2 Die SRK hat mit Entscheid vom 16. Juni 2004 (veröffentlicht in
VPB 68.157 E. 3c/aa) die Berücksichtigung der Vorsteuer auf einem Fahrzeug im Umfang von lediglich
20 % der Investitionskosten - das heisst von einem Fünftel - zugelassen und dabei auf jene Erwägung
verwiesen, in welcher sie sich mit der Bedeutung des Begriffs "regelmässig" befasste (vgl.
dazu E. 2.4). Diese Argumentation nimmt die ESTV in den Einspracheentscheiden auf und führt aus,
dass einmalige Investitionen ausgenommen werden müssten bzw. nur im Betrag der Abschreibung berücksichtigt
werden dürften, damit dies nicht zu einer Verfälschung der zu errechnenden Steuerzahllast führe.
Die Beschwerdeführerin anerkennt diese Argumentation zwar für Neugründungen von Firmen,
nicht aber für eine laufende Geschäftstätigkeit. Sie untermauert diese Auffassung mit
dem Hinweis auf die in ihrem Unternehmen über die Jahre rückläufigen Investitionsbeträge.
Das
Bundesverwaltungsgericht sieht keinen Anlass, grundsätzlich auf die Rechtsprechung der SRK zurückzukommen,
wonach die Vorsteuer auf Investitionen bei der Berechnung der Steuerzahllast nur anteilsmässig,
entsprechend der jeweiligen Amortisation, berücksichtigt werden kann. Mit ihrer Argumentation verkennt
die Beschwerdeführerin, dass das Erfordernis der Regelmässigkeit als zusätzliches Kriterium
insbesondere der Erhebungswirtschaftlichkeit der Steuererhebung dient und unnötige Löschungen
und Wiedereintragungen vermeiden soll (E. 2.4). Wenn die Beschwerdeführerin somit in den Jahren
1998, 1999 und 2001 die Limite von Fr. 4'000.-- überschritten hätte, nicht jedoch im Jahr 2000,
würde dies nicht dazu führen, dass ihre Mehrwertsteuerpflicht Ende 2000 enden würde, dies
umso weniger, als unbestritten ist, dass die Limite ab 2001 in allen Folgejahren überschritten wurde
und daher für das Jahr 2002 eine Wiedereintragung erfolgen müsste. Genau solche Löschungen
und Wiedereintragungen will das Kriterium der Regelmässigkeit vermeiden.
Was die postulierte
Unterscheidung zwischen Neugründungen und laufender Geschäftstätigkeit anbelangt, ist
der Beschwerdeführerin zwar zuzustimmen, dass die MWSTV und das MWSTG die entsprechende Unterscheidung
bezüglich des Zeitpunkts des Beginns der Mehrwertsteuerpflicht kennen (Art. 21 Abs. 1
bzw. Abs.
2
MWSTV und Art. 28 Abs. 1
bzw. Abs. 2
MWSTG). Sie übersieht jedoch, dass die Mehrwertsteuerpflicht
auch bei Neugründungen nicht an den Umstand der Gründung selber anknüpft, sondern an die
Erwartung eines Mindestumsatzes (Art. 21 Abs. 1
MWSTV bzw. Art. 28 Abs. 1
MWSTG). Falls diese Erwartung
besteht, kann allenfalls die Ausnahme von der Mehrwertsteuerpflicht von Art. 19 Abs. 1 Bst. a
MWSTV bzw.
25 Abs. 1 Bst. a MWSTG greifen. Damit erfolgt in dieser Hinsicht eine Gleichstellung von Neugründungen
und laufender Geschäftstätigkeit. Der Zeitpunkt in der "Geschichte" des Unternehmens,
in dem die Steuerzahllastgrenze in dieser Konstellation erreicht wird, spielt in dem Sinn somit keine
Rolle. Deshalb verlangt das Prinzip der Gleichbehandlung (E. 2.5), dass in dieser Hinsicht keine Unterscheidung
zwischen Neugründungen und bestehenden Unternehmen gemacht wird. Bei beiden müssen Investitionen
in die Unternehmenstätigkeit in gleicher Weise berücksichtigt werden.
3.3 Weiter
ist auf das Argument der Beschwerdeführerin einzugehen, dass - wenn schon die Vorsteuer auf Investitionen
nicht in vollem Ausmass zu berücksichtigen sei - diese dann immerhin nicht nur anteilsmässig
im Jahr der Investition abgezogen werden müsse, sondern in jedem Jahr, auf welches eine entsprechende
Abschreibungsrate entfalle. Die ESTV setzt dem in der Vernehmlassung entgegen, dass für die Beurteilung
der Mehrwertsteuerpflicht nur die Ausgaben des laufenden Jahres berücksichtigt werden dürften.
Bei Investitionen aus früheren Jahren sei lediglich eine Korrektur mittels Einlageentsteuerung nach
Art. 42 Abs. 3
MWSTG möglich. Diese könne jedoch nur bei den jeweiligen Quartalsabrechnungen
berücksichtigt werden, nicht aber bei der Beurteilung der Mehrwertsteuerpflicht, da die Einlageentsteuerung
die Mehrwertsteuerpflicht voraussetze. Die Broschüren der Verwaltung äussern sich zu dieser
Frage nicht, die Rechtsprechung hat sich noch nicht damit befasst.
Einleitend ist festzuhalten,
dass die ESTV ihre Auffassung, dass nur die Ausgaben des laufenden Jahres berücksichtigt werden
dürfen, nicht auf das in E. 2.4 aufgeführte Urteil des Bundesgerichtes stützen kann (Urteil
des Bundesgerichts
2A.429/1999 vom 20. September 2000, E. 2a und 2b), da jene Erwägung den Sonderfall
der Prüfung der Mehrwertsteuerpflicht zum Zeitpunkt der Einführung des Systems der Mehrwertsteuer
betraf und dort die MWSTV selber mit Art. 84 Abs. 2 eine Übergangsbestimmung enthielt. Im vorliegenden
Fall geht es jedoch um den Beginn der Mehrwertsteuerpflicht während der Geltung der MWSTV bzw. des
MWSTG.
Die Argumentation der ESTV ist widersprüchlich. Zum einen wird - zu Recht - betont,
dass es in casu nicht um die Geltendmachung des Vorsteuerabzugs in den Quartalsabrechnungen gehe, sondern
um die Abklärung, ob die Steuerzahllast regelmässig Fr. 4'000.-- nicht überschreite. Dies
führe dazu, dass in der Mehrwertsteuerabrechnung zwar der ganze auf der Investition lastende Vorsteuerbetrag
subtrahiert, aber bei der Beurteilung der Mehrwertsteuerpflicht nur der Anteil berücksichtigt werden
könne, welcher der Amortisation entspreche. Umgekehrt macht die Verwaltung jedoch geltend, der Berücksichtigung
eines entsprechenden Vorsteueranteils in jedem der "Abschreibungsjahre" stehe Art. 42 Abs.
3
MWSTG entgegen, der die Mehrwertsteuerpflicht voraussetze, die Beschwerdeführerin sei jedoch im
jeweils geprüften Jahr noch nicht mehrwertsteuerpflichtig gewesen. Damit verkennt die ESTV, dass
es nicht um die Rückforderung von Vorsteuern in den Quartalsabrechnungen (aufgrund einer Einlageentsteuerung)
geht, sondern um eine allfällige Anwendung des dieser Norm zu Grunde liegenden Gedankens bei der
Auslegung des Begriffs "regelmässig" im Rahmen der Steuerzahllast.
Nach Auffassung
des Bundesverwaltungsgerichts unterstützt Art. 42 Abs. 3
MWSTG jedoch die Meinung der Beschwerdeführerin.
Diese Bestimmung bringt nämlich zum Ausdruck, dass, wo die Voraussetzungen des Vorsteuerabzugs erst
nach Empfang der Lieferung, der Dienstleistung oder der Einfuhr eintreten, dieser zwar nachträglich
geltend gemacht werden kann, jedoch nur - aber immerhin - im Umfang des "Restwertes" der Leistung.
Obwohl diese Leistung somit in einem einzelnen - zurückliegenden - Steuerjahr eingekauft wurde,
in dem die Voraussetzungen zum Vorsteuerabzug nicht gegeben waren, wird berücksichtigt, dass sie
auch in einer späteren Steuerperiode genutzt wird, in welcher diese Voraussetzungen erfüllt
sind. Dies hat zur Folge, dass nach Art. 42 Abs. 3
MWSTG in einer späteren Steuerperiode eine Ausgabe
einer früheren Steuerperiode berücksichtigt wird. Die Argumentation der ESTV, dass die Berücksichtigung
späterer "Tranchen" bei der Berechnung der Steuerzahllast der Folgejahre nicht zulässig
sei, weil eine Ausgabe aus einer früheren Periode berücksichtigt würde, für die noch
keine Steuerpflicht bestand, ist somit nicht stichhaltig.
Zentral ist, dass die Praxis der ESTV,
den der Amortisation der Investition entsprechenden Anteil lediglich im Investitionsjahr zu berücksichtigen
und nicht auch in den Folgejahren, einen unzulässigen Methodendualismus darstellt (BGE
103 Ia 23;
MAX IMBODEN/RENÉ A. RHINOW, Schweizerische Verwaltungsrechtsprechung, 5. Aufl., Basel 1976, Bd.
I, Nr. Nr. 77 B II, S. 476). Die ESTV verwendet nämlich diese Methode nur, wenn es darum geht, "Spitzen"
der Steuerzahllast bei Unterschreitung der relevanten Grenze von Fr. 4'000.-- nach Art. 19 Abs. 1 Bst.
a
MWSTV bzw. Art. 25 Abs. 1 Bst. a
MWSTG zu vermeiden, also zu Lasten der Mehrwertsteuerpflichtigen,
nicht aber, um einen ebensolchen Ausgleich bezüglich der Überschreitung dieser Grenze - also
zu Gunsten der Mehrwertsteuerpflichtigen - zu schaffen. Wie bereits ausgeführt (E. 2.4), umfasst
der Begriff der "Regelmässigkeit" mehrere Jahre. In diesen sind nach Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts
die "Spitzen" sowohl zu Gunsten als auch zu Lasten der Mehrwertsteuerpflichtigen auszugleichen.
3.4
Demnach ist die Beschwerde gutzuheissen und die Sache zur neuen Berechnung der Steuerzahllast bzw. Festsetzung
des Beginns der Mehrwertsteuerpflicht an die ESTV zurückzuweisen, wobei diese die auf Investitionen
angefallenen Vorsteuern jeweils über fünf Jahre verteilt zu berücksichtigen hat. Auf die
Frage, wie die Abschreibungen beim Übergang von der Regelung nach MWSTV zur fünfjährigen
Abschreibungsperiode gemäss MWSTG zu behandeln seien, muss vorliegend nicht eingegangen werden,
weil die Verwaltung aufgrund der von ihr erteilten falschen Auskunft vom 12. März 2003 auch für
den Geltungsbereich der MWSTV die für die Beschwerdeführerin günstigere fünfjährige
Abschreibungsperiode angewendet hat.
4.
Die Beschwerdeführerin beanstandet weiter
die Behandlung der Positionen "Lagerzunahme" bzw. "Zunahme Warenlager" bei der Berechnung
der Steuerzahllast. Umstritten ist, ob es sich dabei um eine Höherbewertung des Lagers oder eine
effektive Bestandesänderung handelt, aber auch wer den entsprechenden Beweis zu führen hat
bzw. wer die entsprechende Beweislast trägt.
4.1 Das Verfahren vor der ESTV wie auch
jenes vor dem Bundesverwaltungsgericht wird von der Untersuchungsmaxime beherrscht. Danach muss die entscheidende
Behörde den rechtlich relevanten Sachverhalt von sich aus abklären und darüber ordnungsgemäss
Beweis führen. Hat eine der Untersuchungsmaxime unterworfene Behörde den Sachverhalt nicht
von Amtes wegen abgeklärt oder hat sie dies nur unvollständig getan, so bildet das einen Beschwerdegrund
nach Art. 49 Bst. b
VwVG (statt vieler: Urteile des Bundesverwaltungsgerichts
A-1624/2006 vom 4. November
2008 E. 1.3;
A-3069/2007 vom 29. Januar 2008 E. 1.2; Moser/Beusch/Kneubühler, a.a.O., Rz. 1.49 ff.).
Der Untersuchungsgrundsatz wird jedoch durch die Mitwirkungspflichten der Mehrwertsteuerpflichtigen relativiert
(statt vieler: Urteile des Bundesverwaltungsgerichts
A-1620/2006 vom 22. Juni 2009 E. 6.1,
A-1624/2006
vom 4. November 2008 E. 1.4;
A-3069/2007 vom 29. Januar 2008 E. 1.2).
Von diesen Mitwirkungspflichten
ist die (objektive) Beweislast zu unterscheiden, welche festlegt, zu wessen Lasten es sich auswirkt,
wenn ein Sachumstand unbewiesen bleibt (KÖLZ/HÄNER, a.a.O. Rz. 105). Es ist anerkannt, dass
die Steuerbehörde für die steuerbegründenden Tatsachen den Nachweis zu erbringen hat,
während dem Steuerpflichtigen der Nachweis der Tatsachen obliegt, welche die Steuerschuld mindern
oder aufheben (ERNST BLUMENSTEIN/PETER LOCHER, System des schweizerischen Steuerrechts, 6. Aufl., Zürich
2002, S. 454 sowie statt vieler: Urteil des Bundesgerichts vom 14. Juli 2005, veröffentlicht in
Archiv für Schweizerisches Abgaberecht [ASA] 75 S. 495 ff. E. 5.4; Urteile des Bundesverwaltungsgerichts
A-1469/2006 vom 7. Mai 2008 E. 1.4,
A-1373/2006 vom 16. November 2007 E. 2.1, je mit Hinweisen). Eine
vom Mehrwertsteuerpflichtigen zu beweisende steuermindernde Tatsache stellt etwa jene dar, die zum Vorsteuerabzug
berechtigt (Urteil des Bundesgerichts
2A.406/2002 vom 31. März 2004 E. 3.4; Entscheide der SRK vom
15. Oktober 1999, veröffentlicht in
VPB 64.47 E. 5b, vom 14. Januar 2005, veröffentlicht in
VPB 69.88 E. 3c/bb mit Hinweis). Die Regeln über die Beweislastverteilung kommen jedoch erst bei
Beweislosigkeit zum Zug, das heisst wenn ein Sachverhaltselement nicht bewiesen werden kann.
Für
die Beweislastverteilung ist es grundsätzlich irrelevant, ob die Mehrwertsteuerpflichtige ihren
Mitwirkungspflichten nachkommt. So gilt der Grundsatz, dass die Mehrwertsteuerpflichtige die Folgen der
Beweislosigkeit von steuermindernden Tatsachen trägt, grundsätzlich auch dann, wenn sie die
ihr durch das Selbstveranlagungsprinzip auferlegten Pflichten verletzt (für die Verletzung von Mitwirkungspflichten
in Verfahren der direkten Steuern: Martin Zweifel/Silvia Hunziker, Beweis und Beweislast im Steuerverfahren
bei der Prüfung von Leistung und Gegenleistung unter dem Gesichtswinkel dess Drittvergleiches (dealing
at arm's length), ASA 77 S. 669). Zwischen Untersuchungsgrundsatz, Mitwirkungspflicht, Beweislastverteilung
und Beweislosigkeit besteht trotzdem ein gewisser Zusammenhang. Wirkt die Steuerpflichtige nämlich
an der Ermittlung steuerbegründender oder steuermehrender Tatsachen pflichtwidrig und schuldhaft
nicht gehörig mit, - und vereitelt sie dadurch den von der Steuerbehörde zu leistenden Beweis
- oder ist der Steuerpflichtigen die Ermittlung steueraufhebender oder -mindernder Tatsachen aus Gründen,
die sie nicht zu vertreten hat, unmöglich oder nicht zumutbar, so befindet sich die Steuerbehörde
in einem unverschuldeten Beweisnotstand, der es verbietet, nach der allgemeinen Beweislastregel zuungunsten
der beweisbelasteten Behörde bzw. der steuerpflichtigen Person zu entscheiden (Daniel Schär,
Grundsätze der Beweislastverteilung im Steuerrecht, Bern/Stuttgart/Wien 1998, S. 303 f.; Zweifel/Hunziker,
a.a.O., S. 669 f.; Martin Zweifel, in: Kommentar zum Schweizerischen Steuerrecht, Bd. I/2b, 2.A., Basel
2000, Rz. 29 zu Art. 130
DBG; BarBARA HENZEN, in: Kocher/Clavadetscher, [Hrsg.], Stämpflis Handkommentar
Zollgesetz, Bern 2009, Art. 116 Rz. 35; NADINE Mayhall, in: Waldmann/Weissenberger, Praxiskommentar VwVG,
Zürich 2009, Art. 2 Rz. 11; Entscheid der SRK [2004-098] vom 4. Januar 2006 E. 2b).
4.2
Aufgrund des Selbstveranlagungsprinzips, das notwendigerweise auch die Selbstdeklaration umfasst, ist
die Beschwerdeführerin verpflichtet, bei der Feststellung des für die für die Steuerveranlagung
wesentlichen Sachverhalts mitzuwirken. Dazu gehört der Nachweis der Umstände des von ihr behaupteten
Zuwachses der Positionen "Lagerzunahme" bzw. "Zunahme Warenlager", der angeblich
aufgrund einer Höherbewertung der Waren entstand. Es liegt zudem auf der Hand, dass die Beschwerdeführerin
diese Umstände besser kennt als die ESTV, da sie die Bewertung des Warenlagers selber vorgenommen
hat; die entsprechende Mitwirkung war somit durchaus zumutbar. Demnach wäre sie aufgrund des Selbstveranlagungsprinzips
verpflichtet gewesen, entsprechende Unterlagen einzureichen, was aber nicht geschah. Entgegen ihren Ausführungen
in der Replik hat die Unternehmerin nämlich in der Beschwerde zu diesem Punkt keine Beweismittel
angeboten (sie führte lediglich aus: "Unter der Annahme, dass es nicht unsere Aufgabe ist,
zu beweisen, wodurch die Lagerzunahme entstanden ist, verzichten wir auf weitere Ausführungen zu
diesem Punkt sowie auf die Einreichung von Beweismitteln.") und hat dies auch in der Replik nicht
nachgeholt. Bezüglich der Tatsache, dass der Zuwachs der Positionen "Lagerzunahme" bzw.
"Zunahme Warenlager" aufgrund einer Höherbewertung der Waren entstand, besteht somit eine
Beweislosigkeit.
4.3 Demzufolge ist zu entscheiden, wer die Folgen dieser Beweislosigkeit
zu tragen hat. Die ESTV führt aus, die Tatsache, ob die Vergrösserung des Lagerbestandes auf
nicht verkaufter Ware oder einer Höherbewertung des Lagerbestandes beruhe, beeinflusse die Höhe
des Vorsteuerabzuges. Damit liege eine steuermindernde Tatsache vor, die von der Beschwerdeführerin
zu beweisen sei. Letztere stellt sich auf den Standpunkt, dass es sich um eine steuerbegründende
Tatsache handle, weil die ESTV daraus die Mehrwertsteuerpflicht ab 1. Januar 1999 ableite.
Aufgrund
der Ausführungen in E. 4.1 kann jedoch offen bleiben, ob es sich bei den Ursachen für die Lagerzunahme
um steuerbegründende oder steuermindernde Tatsachen handelt. Wie in E. 4.2 ausgeführt, wäre
die Mehrwertsteuerpflichtige aufgrund des Selbstveranlagungsprinzips verpflichtet gewesen, an der Feststellung
dieser Ursachen mitzuwirken, was sie nicht getan hat, obwohl ihr dies zuzumuten gewesen wäre. Damit
befindet sich die Verwaltung, falls es sich um eine steuerbegründende Tatsache handelt, in einem
Beweisnotstand, so dass von der allgemeinen Beweislastverteilung abgewichen und zuungunsten der Beschwerdeführerin
zu entscheiden ist. Liegt eine steuermindernde Tatsache vor, hat die Beschwerdeführerin die Folgen
der Beweislosigkeit von vornherein zu tragen. Somit stellt sich die ESTV zu Recht auf den Standpunkt,
dass die Lagerzunahme auf der Tatsache resultiert, dass nicht alle eingekauften Waren wieder verkauft
worden sind.
5.
Was schliesslich das Argument der Beschwerdeführerin anbelangt,
man habe aus dem Blickwinkel des Jahres 1998 noch nicht voraussehen können, dass die Steuerzahllast
von Fr. 4'000.-- auch im kommenden Jahr überschritten werde, da diese Limite in den Jahren 1995
bis 1997 und somit regelmässig unterschritten worden sei, ist der Argumentation der ESTV zuzustimmen,
dass die Unternehmerin aufgrund von Art. 50 Abs. 1
MWSTV bzw. 62 Abs. 1
MWSTG verpflichtet war, das Vorliegen
ihrer Mehrwertsteuerpflicht zu prüfen (Urteil des Bundesverwaltungsgerichts
A-1578/2006 vom 2. Oktober
2008 E. 2.4.1). Innerhalb der Verjährungsfrist, das heisst für die Jahre 1997 bis 2002, war
die ESTV berechtigt und auch verpflichtet, die Frage der Mehrwertsteuerpflicht der Beschwerdeführerin
im Rahmen der Kontrolle einer Prüfung zu unterziehen; die Jahre 1995 und 1996 stehen somit nicht
zur Diskussion. Dabei musste eine ex-post-Betrachtung über die Jahre 1997 bis 2002 erfolgen, so
dass sich die Frage der Voraussehbarkeit gar nicht stellt. Zudem ist nochmals darauf hinzuweisen, dass
nach der Rechtsprechung der Umstand, dass die Steuerzahllast von Fr. 4'000.-- für ein isoliertes
Jahr nicht überschritten wird, nicht von der Mehrwertsteuerpflicht befreit (E. 2.4 und 3.2).
6.
Die
Beschwerdeführerin dringt somit mit ihrem Eventualbegehren durch. Die Beschwerden sind teilweise
gutzuheissen und die Sache wird zur Abklärung der Steuerzahllast und zur Feststellung der Mehrwertsteuerpflicht
im Sinn der Erwägungen an die ESTV zurückgewiesen.
7.
Die Verfahrenskosten
werden auf Fr. ... festgelegt (Art. 2 Abs. 1
und 4
des Reglements vom 21. Februar 2008 über die
Kosten und Entschädigungen vor dem Bundesverwaltungsgericht (VGKE,
SR 173.320.2). Da die Beschwerdeführerin
nur mit dem Eventualbegehren durchdringt, im übrigen jedoch unterliegt, hat sie diese Kosten in
reduziertem Umfang von Fr. ... - das heisst zur Hälfte - zu tragen (Art. 63 Abs. 1
Satz 2
VwVG).
Die Differenz von Fr. ... zur Summe der von der Beschwerdeführerin bezahlten Kostenvorschüsse
von Fr. ... ist dieser nach Eintritt der Rechtskraft dieses Urteils zurückzuerstatten. Die ESTV
hat der Beschwerdeführerin eine um die Hälfte reduzierte Parteientschädigung von Fr. ...
(inkl. Barauslagen und Mehrwertsteuer) zu bezahlen (Art. 64 Abs. 1
VwVG, Art. 7
VGKE).
Demnach
erkennt das Bundesverwaltungsgericht:
1.
Die Verfahren
A-1597/2006 und
A-1598/2006 werden
vereinigt.
2.
Die Beschwerden werden teilweise gutgeheissen, die Ziffern 2 bis 6 des
Einspracheentscheids der ESTV vom 24. April 2006 betreffend den Zeitraum der Geltung der MWSTV sowie
der Einspracheentscheid der ESTV vom 24. April 2006 betreffend den Zeitraum der Geltung des MWSTG werden
aufgehoben und die Sache zu neuer Entscheidung im Sinne der Erwägungen an die ESTV zurückgewiesen.
3.
Die
Verfahrenskosten werden auf Fr. 1'700.-- festgelegt, im Betrag von Fr. ... der Beschwerdeführerin
auferlegt und mit den von der Beschwerdeführerin geleisteten Kostenvorschüssen von total Fr.
... verrechnet. Der Restbetrag von Fr. ... wird der Beschwerdeführerin nach Eintritt der Rechtskraft
zurückerstattet.
4.
Die Vorinstanz hat der Beschwerdeführerin eine reduzierte
Parteientschädigung von Fr. ... zu bezahlen.
5.
Dieses Urteil geht an:
die
Beschwerdeführerin (Gerichtsurkunde)
die Vorinstanz (Gerichtsurkunde)
Die vorsitzende
Richterin: Der Gerichtsschreiber:
Salome Zimmermann Johannes Schöpf
Rechtsmittelbelehrung:
Gegen
diesen Entscheid kann innert 30 Tagen nach Eröffnung beim Bundesgericht, 1000 Lausanne 14, Beschwerde
in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten geführt werden (Art. 82 ff
., 90 ff. und 100 des Bundesgerichtsgesetzes
vom 17. Juni 2005 [
BGG,
SR 173.110]). Die Rechtsschrift ist in einer Amtssprache abzufassen und hat die
Begehren, deren Begründung mit Angabe der Beweismittel und die Unterschrift zu enthalten. Der angefochtene
Entscheid und die Beweismittel sind, soweit sie die beschwerdeführende Partei in Händen hat,
beizulegen (vgl. Art. 42
BGG).
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