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Abteilung I

A-1184/2012

 

 

 


Sachverhalt:

A.
Die A._______ SA, B._______, C._______ und die D._______ AG (je einzeln: Steuerpflichtige bzw. Steuerpflichtiger; zusammen: die Steuerpflichtigen) sind bzw. waren gemäss eigenen Angaben in unterschiedlichen Bereichen des [...] tätig.

B.
Im August und im November 2011 führte die Eidgenössische Steuerverwaltung (ESTV) bei den Steuerpflichtigen MWST-Kontrollen durch. Untersucht wurden die Steuerperioden 1. Quartal 2005 bis 4. Quartal 2009 (Zeit vom 1. Januar 2005 bis zum 31. Dezember 2009) sowie 1. Quartal 2010 bis 4. Quartal 2010 (Zeit vom 1. Januar 2010 bis zum 31. Dezember 2010). Die ESTV erliess daraufhin am 15. Dezember 2011 für die Steuerperioden 1. Quartal 2005 bis 4. Quartal 2009 eine "Einschätzungsmitteilung Nr. [...] / Verfügung" (nachfolgend: EM 1). Darin hielt sie fest, dass (i) die B._______ rückwirkend auf den 1. Januar 2005, die C._______ rückwirkend auf den 1. Juni 2006 und die D._______ AG rückwirkend auf den 1. Juni 2007 aus dem Register der Mehrwertsteuerpflichtigen gelöscht würden (Ziffern 1-3), dass (ii) die in den vorstehenden Ziffern genannten Steuerpflichtigen und die A._______ SA als wirtschaftliche Einheit gelten und damit als Gesamtheit die steuerpflichtige Person A._______ SA bilden würden (Ziffer 4), dass (iii) die A._______ SA aufgrund der dadurch notwendigen Steuerkorrektur Mehrwertsteuern in der Höhe von Fr. 1'434'477.-- (zuzüglich Verzugszins) schulde (Ziffer 5) und dass die "Verfügung" allen Steuerpflichtigen schriftlich eröffnet werde (Ziffer 6). Mit einer zweiten "Einschätzungsmitteilung Nr. [...] / Verfügung" (nachfolgend: EM 2), ebenfalls vom 15. Dezember 2011, forderte die ESTV sodann für die Steuerperiode 1. Quartal 2010 bis 4. Quartal 2010 von der A._______ SA Mehrwertsteuern in der Höhe von Fr. 234'018.-- (zuzüglich Verzugszins) (Ziffer 5). Die übrigen Ziffern der EM 2 lauten gleich wie jene in der EM 1. Beide EM enthielten eine Rechtsmittelbelehrung des Inhalts, die Verfügung könne gemäss Art. 83 Abs. 1
des Bundesgesetzs vom 12. Juni 2009 über die Mehrwertsteuer (MWSTG, SR 641.20) innert 30 Tagen nach ihrer Eröffnung mit Einsprache angefochten werden.

Auf entsprechendes Gesuch der Steuerpflichtigen liess ihnen die ESTV am 25. Januar 2012 je eine Erläuterung der Ziffer 5 der EM 1 und der EM 2 zukommen. Die beiden Ziffern wurden ergänzt und es wurde festgehalten, die Einsprachefrist beginne neu zu laufen. Beide Erläuterungen enthielten eine Rechtsmittelbelehrung des Inhalts, die Verfügung könne gemäss Art. 83 Abs. 1 MWSTG innert 30 Tagen nach ihrer Eröffnung mit Einsprache angefochten werden.

C.
Gegen diese beiden Einschätzungsmitteilungen gelangten die Steuerpflichtigen (nachfolgend auch: die Beschwerdeführenden) am 31. Januar 2012 mit einer als "Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht (Sprungbeschwerde)" bezeichneten Eingabe an die ESTV. Sie beantragen, die Beschwerde sei als Sprungbeschwerde gemäss Art. 83 Abs. 4 MWSTG entgegenzunehmen. Eventualiter und für den Fall, dass die Rechtsschrift nicht als Sprungbeschwerde entgegengenommen werden sollte, sei sie als Einsprache zu behandeln und an die ESTV zu überweisen. Sodann seien die beiden Verfahren "betreffend die beiden Verfügungen vom 15. Dezember 2011" zu vereinigen. Materiell beantragen die Beschwerdeführenden, Ziffer 1 bis Ziffer 4, sowie Ziffer 6 der "beiden Verfügungen vom 15. Dezember 2011" (in der am 25. Januar 2012 erläuterten Fassung) seien vollständig aufzuheben. Die Ziffern 5 seien mit Ausnahme der unbestrittenen Steuerforderungen gemäss Bst. A Ziff. 1, 3 und 4 der "beiden Verfügungen" (unbestrittene Steuerbeträge von Fr. 49'051.-- und Fr. 1'255.45) vollumfänglich aufzuheben. Eventualiter sei die Sache an die ESTV zur Neuberechnung der Steuerforderung zurückzuweisen - alles unter Kosten- und Entschädigungsfolgen zulasten der ESTV.

D.
Mit Schreiben vom 29. Februar 2012, mittels welchem die Sprungbeschwerde an das Bundesverwaltungsgericht weitergeleitet wurde, beantragt die ESTV, auf die Sprungbeschwerde sei nicht einzutreten, da die Voraussetzungen nicht erfüllt seien. Eine Sprungbeschwerde sei nur gegen einlässlich begründete Verfügungen der ESTV möglich und solche lägen in den vorliegenden Fällen nicht vor.

E.
Mit Eingabe vom 8. März 2012 reichten die Beschwerdeführenden eine Stellungnahme zu den Ausführungen der ESTV betreffend Zulässigkeit einer Sprungbeschwerde ein. Die Beschwerdeführenden sind der Ansicht, dass die beiden Einschätzungsmitteilungen der Vorinstanz einlässlich begründet und somit die Voraussetzungen einer Sprungbeschwerde erfüllt seien.

 

Das Bundesverwaltungsgericht zieht in Erwägung:

1.  

1.1. Das Bundesverwaltungsgericht beurteilt gemäss Art. 31 des Bun­desgesetzes vom 17. Juni 2005 über das Bundesverwaltungsgericht (Verwaltungsgerichtsgesetz, VGG, SR 173.32) Beschwerden gegen Verfügungen nach Art. 5 des Bundesgesetzes vom 20. Dezember 1968 über das Verwaltungsverfahren (VwVG, SR 172.021), sofern keine Ausnahme nach Art. 32 VGG gegeben ist. Eine solche Ausnahme liegt hier nicht vor, und die Vorinstanz ist eine Behörde im Sinn von Art. 33 VGG. Das Bundesverwaltungsgericht ist demnach für die Beurteilung der vorliegenden Beschwerde sachlich zuständig.

1.2.  

1.2.1. Grundsätzlich bildet jeder vorinstanzliche Entscheid bzw. jede Verfügung ein selbständiges Anfechtungsobjekt und ist deshalb einzeln anzufechten. Es ist gerechtfertigt, von diesem Grundsatz abzuweichen und die Anfechtung in einer gemeinsamen Beschwerdeschrift und in einem gemeinsamen Verfahren mit einem einzigen Urteil zuzulassen, wenn die einzelnen Sachverhalte in einem engen inhaltlichen Zusammenhang stehen und sich in allen Fällen gleiche oder ähnliche Rechtsfragen stellen (vgl. BGE 123 V 214 E. 1; Urteile des Bundesverwaltungsgerichts A 1527/2006 vom 6. März 2008 E. 1.3, A-1435/2006 vom 8. Februar 2007 E. 1.2 und A-1536/2006 vom 16. Juni 2008 E. 1.3). Unter den gleichen Voraussetzungen können auch getrennt eingereichte Beschwerden in einem Verfahren vereinigt werden. Die Frage der Vereinigung von Verfahren steht im Ermessen des Gerichtes und hängt mit dem Grundsatz der Prozessökonomie zusammen, wonach ein Verfahren möglichst einfach, rasch und zweckmässig zum Abschluss gebracht werden soll, was wiederum im Interesse aller Beteiligten liegt. Die Zusammenlegung der Verfahren braucht dabei nicht in einer selbständig anfechtbaren Zwischenverfügung angeordnet zu werden (BGE 131 V 222 E. 1, 128 V 124 E. 1; Alfred Kölz/Isabelle Häner, Verwaltungsverfahren und Verwaltungsrechtspflege des Bundes, 2. Auflage, Zürich 1998, Nr. 155 S. 54 f.; zum Ganzen André Moser/Michael Beusch/Lorenz Kneubühler, Prozessieren vor dem Bundesverwaltungsgericht, Basel 2008, Rz. 3.17).

1.2.2. Die Beschwerdeführenden haben gegen die EM 1 und die EM 2 mit einer einzigen Beschwerdeschrift Sprungbeschwerde an das Bundesverwaltungsgericht geführt und ersuchen darin um Vereinigung der Verfahren. Die ESTV hat sich in ihrer Stellungnahme zur Sprungbeschwerde nicht gegen eine Verfahrensvereinigung ausgesprochen.

Da die vorliegenden Sachverhalte in einem engen inhaltlichen Zusammenhang stehen und sich gleiche oder gleichartige Rechtsfragen stellen, ist es aus prozessökonomischen Gründen geboten und im Interesse der Beteiligten, die Verfahren zu vereinigen. Folglich wurde betreffend die Sprungbeschwerde gegen die EM 1 und die EM 2 antragsgemäss nur ein einziges - das vorliegende - Verfahren vor Bundesverwaltungsgericht eröffnet, womit die Verfahren als vereinigt gelten können und ein entsprechender ausdrücklicher Beschluss unterbleiben kann.

2.  

2.1. Am 1. Januar 2010 ist das MWSTG in Kraft getreten. Soweit sich der zu beurteilende Sachverhalt nach diesem Datum zugetragen hat, ist demnach das neue MWSTG anzuwenden. Der relevante Sachverhalt hat sich aber auch in den Jahren 2005 bis 2009 ereignet, also vor Inkrafttreten des neuen Gesetzes. Gemäss Art. 112 Abs. 1 MWSTG bleiben die bisherigen gesetzlichen Bestimmungen sowie die darauf gestützt erlassenen Vorschriften grundsätzlich weiterhin auf alle während ihrer Geltungsdauer eingetretenen Tatsachen und entstandenen Rechtsverhältnisse anwendbar. Jener Teil des Verfahrens untersteht deshalb in materieller Hinsicht dem bisherigen Recht, somit dem Bundesgesetz vom 2. September 1999 über die Mehrwertsteuer (aMWSTG, AS 2000 1300).

Unter Vorbehalt der - hier nicht relevanten - Bestimmungen betreffend die Bezugsverjährung ist dagegen das neue Verfahrensrecht im Sinne von Art. 113 Abs. 3 MWSTG auf sämtliche im Zeitpunkt des Inkrafttretens hängigen Verfahren anzuwenden. Art. 113 Abs. 3 MWSTG ist allerdings insofern restriktiv zu handhaben, als gemäss höchstrichterlicher Rechtsprechung nur eigentliche Verfahrensnormen sofort auf hängige Verfahren anzuwenden sind, und es dabei nicht zu einer Anwendung von neuem materiellen Recht auf altrechtliche Sachverhalte kommen darf (ausführlich: Urteil des Bundesverwaltungsgerichts A-1113/2009 vom 23. Februar 2010 E. 1.3).

2.2. Wie eben dargelegt, ist auch auf Sachverhalte, die sich vor dem 1. Januar 2010 zugetragen haben, das Verfahrensrecht des MWSTG anzuwenden. Damit sind vorliegend in erster Linie die Voraussetzungen einer Sprungbeschwerde gemäss Art. 83 Abs. 4 MWSTG zu prüfen. Dabei handelt es sich um Verfahrensrecht im engeren Sinn, weshalb auch bei restriktiver Handhabung von Art. 113 Abs. 3 MWSTG für die ganze im vorliegenden Fall relevante Zeitperiode das neue Recht anzuwenden ist. Zudem geht nach Art. 4 VwVG die Regelung der Sprungbeschwerde gemäss MWSTG als lex specialis derjenigen nach Art. 47 Abs. 2 VwVG vor.

2.3. Verfügungen der ESTV müssen eine Rechtsmittelbelehrung sowie eine angemessene Begründung enthalten (Art. 82 Abs. 2 MWSTG). Gemäss Art. 83 Abs. 1 MWSTG können Verfügungen innert 30 Tagen nach Eröffnung mit Einsprache angefochten werden. Richtet sich die Einsprache hingegen gegen eine einlässlich begründete Verfügung der ESTV, ist sie auf Antrag oder mit Zustimmung des Einsprechers oder der Einsprecherin als Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht weiterzuleiten (sog. Sprungbeschwerde, Art. 83 Abs. 4 MWSTG; vgl. [noch zum aMWSTG] Urteil des Bundesverwaltungsgerichts A 5113/2009 vom 16. Dezember 2009 E. 1.2).

Die Zulässigkeit einer Sprungbeschwerde setzt nach dem klaren Gesetzestext voraus, dass kumulativ (i) eine Verfügung der ESTV ergangen ist und (ii) diese einlässlich begründet wurde. Im Gegensatz zum aMWSTG keine Voraussetzung mehr ist hingegen eine Zustimmung der ESTV zur Sprungbeschwerde (vgl. Botschaft des Bundesrats vom 25. Juni 2008 zur Vereinfachung der Mehrwertsteuer [nachfolgend: Botschaft Mehrwertsteuer], BBl 2008 7006).

3.  

3.1. Vorliegend fechten die Beschwerdeführenden die beiden als "Einschätzungsmitteilung / Verfügung" bezeichneten und mit einer Rechtsmittelbelehrung versehenen Dokumente der ESTV vom 15. Dezember 2011, die EM 1 und die EM 2, an. Die Vorinstanz ist diesbezüglich der Auffassung, es handle sich um Verfügungen im Sinn von Art. 5 VwVG.

3.2. Das Gesetz selbst gebraucht den Begriff der EM im Zusammenhang mit der Rechtskraft der Steuerforderung (Art. 43 Abs. 1 Bst. b MWSTG), dem Abschluss von Kontrollen durch die ESTV bei der steuerpflichtigen Person (Art. 78 Abs. 5 MWSTG), der Ermessenseinschätzung (Art. 79 Abs. 2 MWSTG) und der Revision (Art. 85 MWSTG), nicht aber in Art. 82 MWSTG, der das Marginale "Verfügungen der ESTV" trägt. Bei Art. 85 MWSTG fällt sodann auf, dass der Begriff der EM als erster in einer Aufzählung erscheint, an deren zweiter Stelle sich der Begriff "Verfügung" und an deren dritter Stelle sich der Begriff "Einspracheentscheid" (sämtliche Begriffe sind im Gesetz im Plural gesetzt) findet. In der Lehre wird die Auffassung, die EM stelle eine Verfügung dar, wiederholt als unzutreffend kritisiert (vgl. Ivo P. Baumgartner/Diego Clavadetscher/Martin Kocher, Vom alten zum neuen Mehrwertsteuergesetz, Einführung in die neue Mehrwertsteuerordnung, Langenthal 2010, § 8 N. 39, § 10 N. 83 ff., die Autoren bezeichnen die EM als "Verfügungssurrogat"; Michael Beusch, in: MWSTG Kommentar, Schweizerisches Mehrwertsteuergesetz mit den Ausführungserlassen sowie Erlasse zum Zollwesen, Regine Schluckebier/Felix Geiger [Hrsg.], Zürich 2012 [nachfolgend: MWSTG Kommentar], N. 18 zu Art. 42; derselbe, Der Untergang der Steuerforderung, Zürich etc. 2012, 122, 306 f.; Beatrice Blum, Auswirkungen des neuen Verfahrensrechts für die steuerpflichtigen Personen, in: Schweizer Treuhänder [ST] 2010, S. 289, 291 f.; dieselbe, in: zsis) 2010 Best Case Nr. 7, Ziff. 3.3; dieselbe, in: MWSTG Kommentar, N. 35 zu Art. 78; Felix Geiger, in: MWSTG Kommentar, N. 5 zu Art. 82). Wie es sich damit verhält, ob es sich mithin bei der EM 1 und bei der EM 2 um Verfügungen im Sinn von Art. 5 VwVG handelt oder nicht, braucht vorliegend - ebenso wie in den Urteilen des Bundesverwaltungsgerichts A-4506/2011 vom 30. April 2012 (E. 1.2.3) sowie A-5798/2011 vom 29. Mai 2012 (E. 1.3) - aufgrund der nachfolgenden Ausführungen jedoch nicht abschliessend beurteilt zu werden.

3.3. Zweite zwingend erforderliche Voraussetzung für die Zulässigkeit der Sprungbeschwerde ist gemäss Art. 83 Abs. 4 MWSTG nämlich, dass die von der ESTV erlassene Verfügung "einlässlich begründet" ist. Was darunter zu verstehen ist, was eine solche Begründung genau enthalten muss, um "einlässlich" im Sinn des Gesetzes zu sein, wird in diesem nicht näher festgelegt.

3.3.1. In diesem Kontext ist vorab Sinn und Zweck der Begründung einer Verfügung bzw. eines Entscheides darzulegen. Diese hat verschiedene Funktionen. An erster Stelle steht regelmässig das Interesse der betroffenen Person auf Kenntnis der Urteilsgründe, um den Entscheid allenfalls sachgerecht anfechten zu können. Zudem soll auch die Rechtsmittelinstanz der Begründung die Überlegungen entnehmen können, von denen sich die verfügende bzw. urteilende Behörde leiten liess und auf welche sich die Verfügung stützt (vgl. Lorenz Kneubühler, Die Begründungspflicht, Bern/Stuttgart/Wien 1998, S. 26 f.; Felix Uhlmann/Alexandra Schwank, in: Praxiskommentar VwVG, Waldmann/Weissenberger [Hrsg.], Zürich 2009 [nachfolgend: Kommentar VwVG], Art. 35 N. 10 ff.). Damit eine Begründung diese Funktionen erfüllen kann, ist es notwendig, dass ihr neben dem Entscheiddispositiv der rechtserhebliche Sachverhalt, die angewandten Rechtsnormen sowie die Subsumtion des Sachverhalts unter diese Normen entnommen werden können. Des Weiteren muss auch eine Auseinandersetzung mit allfälligen Argumenten und Vorbringen der betroffenen Person erfolgen. Wie ausführlich und in welcher Anordnung die einzelnen Elemente in der Verfügung enthalten sein müssen, hängt stark von den konkreten Umständen des Einzelfalles ab. So sind die Anforderungen bei einfachen Sachverhalten oder Rechtsfragen tiefer anzusetzen, als bei komplexen Fragen. In jedem Fall muss aber aus der Verfügung klar hervorgehen, was die Behörde anordnet und wie sie diese Anordnung begründet (Uhlmann/Schwank, Kommentar VwVG, Art. 35 N.12). Das Erfordernis der Begründung ist dergestalt ein wichtiger Bestandteil des Rechts auf ein faires Verfahren im Sinne von Art. 29 der Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 (BV, SR 101), insbesondere des Anspruchs auf rechtliches Gehör (Lorenz Kneubühler, in: Christoph Auer/Markus Müller/Ben­ja­min Schindler [Hrsg.], Kommentar zum Bundes­ge­setz über das Verwaltungsverfahren [VwVG], Zürich 2008 [nachfolgend: VwVG-Kommentar] N 4 f. zu Art. 35 VwVG).

3.3.2. Sodann ist zur Klärung der Bedeutung des Begriffs der "einlässlichen Begründung" nach der Tragweite der für Verfügungen der ESTV im Bereich der Mehrwertsteuer geltenden "normalen Begründung" zu fragen. Grundsätzlich müssen Verfügungen der ESTV gemäss Art. 82 Abs. 2 MWSTG eine "angemessene Begründung" enthalten. Diesbezüglich lässt sich der Botschaft Mehrwertsteuer entnehmen, dass eine Begründung über die blosse Bestätigung des Kontrollergebnisses hinausgehen müsse. Nur so könne der Rechtsweg von Anfang an effizient beschritten werden und dies erlaube der steuerpflichtigen Person auch, eine Sprungbeschwerde einzureichen (vgl. Botschaft Mehrwertsteuer, BBl 2008 7006). Art. 82 Abs. 2 MWSTG ist somit eine Bestätigung des Mindeststandards, welcher sich bereits aus der Bundesverfassung und dem einschlägigen Verfahrensrecht ergibt (vgl. Baumgartner/Clavadetscher/Kocher, a.a.O, § 10 N. 120; Geiger, in: MWSTG Kommentar, N. 12 zu Art. 82).

3.3.3. Demgegenüber verlangt die Sprungbeschwerde nach einer einlässlich begründeten Verfügung. Schon aus dieser terminologischen Unterscheidung ergibt sich zwangslos, dass der Gesetzgeber betreffend die Begründungsdichte ein qualifizierendes Merkmal für die Verfügungen festgelegt hat, welche Gegenstand einer Sprungbeschwerde sein können sollen. Daran ändert nichts, dass in der Botschaft festgehalten wird, Art. 82 Abs. 2 MWSTG erlaube es der steuerpflichtigen Person, eine Sprungbeschwerde einzureichen. Der Stellenwert der terminologischen Unterscheidung, welche der Gesetzgeber getroffen hat, zeigt sich im Übrigen noch deutlicher - als in der deutschen - in der französischen und italienischen Fassung der Gesetzestexte, welche gleichwertig heranzuziehen sind (Art. 14 Abs. 1 des Bundesgesetzes vom 18. Juni 2004 über die Sammlungen des Bundesrechts und das Bundesblatt [PublG, SR 170.512]). Art. 83 Abs. 4 MWSTG spricht in diesen nämlich davon, um Gegenstand einer Sprungbeschwerde darstellen zu können, müsse die Verfügung "motivée en détail" (detailliert begründet) bzw. "già esaustivamente motivata" (bereits erschöpfend begründet) sein.

3.3.4. Wo die Grenze genau zu ziehen ist, wann eine Begründung als angemessen im Sinn von Art. 82 Abs. 2 MWSTG gelten kann und wann eine in diesem Licht angemessene Begründung zur einlässlichen im Sinn von Art. 83 Abs. 4 MWSTG wird, lässt sich abstrakt nur umreissen. So ist
etwa bei einfachen Sachverhalten oder klaren Rechtsfragen nicht von Vornherein ausgeschlossen, dass sich die Anforderungen an eine angemessene und an eine einlässliche Begründung wenig unterscheiden und die Ausführungen der verfügenden Behörde durchaus kurz ausfallen können. Andererseits ist es bei komplizierten Sachverhalten dem Verfügungsadressaten und bei Weiterzug der Rechtsmittelinstanz nur möglich, die Motive und Gründe der Vorinstanz, welche zum Entscheid geführt haben, nachzuvollziehen, wenn die Begründung eine gewisse Dichte aufweist und insbesondere der rechtserhebliche Sachverhalt und die Subsumtion genügend dargelegt und dabei auch die Argumente des Betroffenen mit ein bezogen worden sind. Je umfangreicher und komplexer ein Fall ist, desto mehr ist eine verwaltungsexterne Rechtsmittelinstanz auf einen einlässlich begründeten Entscheid (bzw. Verfügung) der Vorinstanz angewiesen. Wenn eine Begründung mithin nur sehr kurz und wenig differenziert ausfällt, kann bei komplexen Fällen nicht von einer einlässlich, erschöpfend begründeten Verfügung gesprochen werden und ist eine Sprungbeschwerde aus den oben genannten Gründen nicht möglich.

3.4. Die vorliegend zu beurteilenden EM 1 und EM 2 sind je zwei Seiten lang. Die ersten Seiten bestehen aus dem "Dispositiv" mit jeweils sechs Ziffern, die zweiten Seiten je aus der "Begründung" und den Rechtsmittelbelehrungen. Die erwähnte "Begründung" enthält neben dem nachstehend in der Klammer wiedergegebenen Text ("Wir machen Sie darauf aufmerksam, dass allfällige seit der Aushändigung des Kontrollergebnisses unter Vorbehalt gemachte Zahlungen bereits Teil dieser Verfügung sind. Sollten Sie an Ihren Einwänden festhalten wollen und damit mit der vorliegenden Verfügung nicht einverstanden sein, weisen wir Sie auf das in der Rechtsmittelbelehrung beschriebene Vorgehen hin.") folgenden Hinweis: "Zur Begründung verweisen wir auf die Beiblätter". Diese wiederum bestehen bei der EM 1 aus sechs Seiten und vier weiteren Beilagen und bei der EM 2 aus drei Seiten und zwei Beilagen. Die erwähnten Beiblätter ihrerseits bestehen zu einem grossen Teil aus einer tabellarischen Aufstellung der von der ESTV vorgenommenen Korrekturen bei der Umsatz- und Bezugssteuer sowie beim Vorsteuerabzug. Den einzelnen Korrekturposten sind jeweils einige Anmerkungen beigefügt. Rechtsnormen sind keine angeführt. Die in der Folge von den Beschwerdeführenden bei der ESTV verlangten Erläuterungen enthalten sodann keine allgemeine Begründung zum Fall, sondern nur eine Klarstellung der Ziffer 5 des "Dispositivs".

3.5. Angesichts dieser Sachlage kann keine Rede davon sein, es liege eine "einlässlich begründete Verfügung" vor. Obwohl die mehrwertsteuerliche Behandlung des vorliegenden Sachverhalts sich als von einer gewissen Komplexität erweist, es geht materiell um einige - umfangreich bestrittene - Fragen, etwa um solche im Zusammenhang mit der sog. Einheit des Unternehmens, enthalten die EM 1 und die EM 2 gar keine und die Beiblätter nur einige sehr kurze meist stichwortartige Erwägungen der Vorinstanz. Eine (vertiefte) Auseinandersetzung mit dem Sachverhalt, den anwendbaren Rechtsnormen oder auch den allfälligen Vorbringen der Beschwerdeführenden ist nicht zu sehen. Die Ausführungen der Vorinstanz unterscheiden sich denn auch nicht erkennbar von denjenigen in normalen Kontrollberichten bzw. in den früheren altrechtlichen Ergänzungsabrechnungen, worauf auch die Vorinstanz in ihrem Schreiben vom 29. Februar 2012 zu Recht hinweist und welcher Befund letztlich wohl auch von den Beschwerdeführenden geteilt wird, wenn diese die Begründungen der EM 1 und der EM 2 als "nicht sehr umfangreich" bezeichnen ([...]). Unter diesen Umständen ist es jedenfalls dem Bundesverwaltungsgericht nicht möglich, sich aus den Einschätzungsmitteilungen hinreichend ein Bild des Falles und der Überlegungen der Vorinstanz zu machen. Die Voraussetzungen für eine Sprungbeschwerde gemäss Art. 83 Abs. 4 MWSTG sind somit nicht erfüllt.

An diesem Ergebnis vermögen auch die übrigen Vorbringen der Beschwerdeführenden, etwa dasjenige hinsichtlich des Wunsches an einer schnellen Verfahrenserledigung, nichts zu ändern. Nicht im vorliegenden Verfahren zu befinden ist schliesslich über die Frage, ob die EM 1 und 2 den Anforderungen an eine angemessene Begründung gemäss Art. 82 Abs. 2 MWSTG genügen oder ob - wie dies die Beschwerdeführenden geltend machen - die "Vereinigung von Einschätzungsmitteilung und Leistungsverfügung" eine "Verletzung des klaren gesetzgeberischen Willens" darstellt ([...]).

3.6. Das Bundesverwaltungsgericht ist demnach für die Beurteilung der vorliegenden Sprungbeschwerde funktional nicht zuständig. Auf die Beschwerde ist nicht einzutreten (Art. 9 Abs. 2 VwVG). Sie wird zuständigkeitshalber an die Vorinstanz überwiesen (Art. 8 Abs. 1 VwVG). Dabei ist es grundsätzlich nicht Aufgabe des Bundesverwaltungsgerichts, der ESTV vorzuschreiben, wie sie in dieser Angelegenheit weiter vorzugehen hat. Die ESTV wird sich im weiteren Verfahren und bei dessen Abschluss freilich an die gesetzlichen Vorgaben des geltenden Rechts zu halten und insbesondere dem in Art. 29 Abs. 1 BV enthaltenen Beschleunigungsgebot Rechnung zu tragen haben.

4.
Bei diesem Ausgang des Verfahrens werden die Kosten den Beschwerdeführenden auferlegt und im entsprechenden Umfang mit dem geleisteten Kostenvorschuss verrechnet (Art. 63 Abs. 1 VwVG und Art. 1 ff. des Reglements vom 21. Februar 2008 über die Kosten und Entschädigungen vor dem Bundesverwaltungsgericht [VGKE, SR 173.320.2]). Eine Parteientschädigung steht den Beschwerdeführenden nicht zu (Art. 64 Abs. 1 VwVG).

 

Demnach erkennt das Bundesverwaltungsgericht:

1.
Auf die Beschwerde wird nicht eingetreten.

2.
Die Beschwerde wird zuständigkeitshalber an die Vorinstanz überwiesen.

3.
Die Verfahrenskosten werden auf Fr. 1'000.-- festgesetzt und den Beschwerdeführenden auferlegt. Sie werden im entsprechenden Umfang mit dem geleisteten Kostenvorschuss von Fr. 20'000.-- verrechnet. Der Überschuss von Fr. 19'000.-- wird den Beschwerdeführenden nach Rechtskraft des vorliegenden Urteils zurückerstattet.

Diese werden ersucht, dem Bundesverwaltungsgericht eine Auszahlungsstelle bekannt zu geben.

4.
Eine Parteientschädigung wird nicht zugesprochen.

5.
Dieses Urteil geht an:

-        die Beschwerdeführenden (Gerichtsurkunde)

-        die Vorinstanz (Ref-Nr. ... und ...; Gerichtsurkunde)

 

 

Der vorsitzende Richter:

Der Gerichtsschreiber:

 

 

Michael Beusch

Stefano Bernasconi

 

 

 

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