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Auszug aus dem Urteil der Abteilung I
i.S. Schutzverband der Bevölkerung um den Flughafen Zürich gegen Flughafen Zürich AG und Bundesamt für Zivilluftfahrt
A 1672/2016 vom 25. Oktober 2016

Art. 6, Art. 46a, Art. 48 Abs. 1, Art. 61 Abs. 1 und Art. 71 Abs. 2 VwVG.

1.      Zulässigkeit der Rechtsverweigerungsbeschwerde (E. 1 3).

2.      Parteistellung des Anzeigers im Aufsichtsverfahren. Anspruch auf Erlass einer Verfügung (E. 4).

3.      Prüfung der Parteistellung des Beschwerdeführers in dem von ihm angestossenen Aufsichtsverfahren betreffend Einhaltung der Nachtflugordnung Flughafen Zürich (E. 5 9).

4.      Gutheissung der Rechtsverweigerungsbeschwerde. Ausnahme vom Grundsatz der Rückweisung. Entscheid in der Sache (E. 10).

 

Mit Verfügung vom 29. März 2005 genehmigte das Bundesamt für Zivilluftfahrt (BAZL) das sogenannte vorläufige Betriebsreglement (nachfolgend: vBR) des Flughafens Zürich teilweise und mit diversen Auflagen. Die Genehmigung umfasste unter anderem eine Verlängerung der Nachtflugsperre von 23.00 (statt bisher 24.00 Uhr) bis 06.00 Uhr, mit der Möglichkeit des Verspätungsabbaus bis 23.30 Uhr (statt bisher 00.30 Uhr). Die Genehmigungsverfügung des BAZL wurde in diesem Punkt vom Bundesverwaltungsgericht und vom Bundesgericht bestätigt (BGE 137 II 58; BVGE 2011/19). Die geänderte Nachtflugordnung wurde bereits per 29. Juli 2010 eingeführt.

Mit Eingabe vom 22. April 2015 forderte der Schutzverband der Bevölkerung um den Flughafen Zürich (nachfolgend: sbfz oder Beschwerdeführer) das BAZL auf, aufsichtsrechtliche Massnahmen zu ergreifen, damit künftig am Flughafen Zürich die Nachtflugordnung gemäss der Verordnung vom 23. November 1994 über die Infrastruktur der Luftfahrt (VIL, SR 748.131.1) und gemäss dem Betriebsreglement eingehalten werde. Falls das BAZL nicht gewillt sei, dem Gesuch nachzukommen, sei eine anfechtbare Verfügung zu erlassen.

Nach Eingang der Stellungnahme der Flughafen Zürich AG vom 24. Juni 2015 und einer weiteren Stellungnahme des sbfz vom 11. November 2015 äusserte sich das BAZL mit Antwortschreiben vom 12. Februar 2016 in formeller Hinsicht dahingehend, dass das Gesuch des sbfz vom 22. April 2015 als aufsichtsrechtliche Anzeige betrachtet werde. Der Anzeiger habe keine Parteirechte, werde aber über die Erledigung informiert.

Am 16. März 2016 erhebt der sbfz Beschwerde beim Bundesverwaltungsgericht.

Das Bundesverwaltungsgericht heisst die Beschwerde gut, soweit eine Rechtsverweigerung gerügt wird.

Aus den Erwägungen:

1.                    

1.1                Gemäss Art. 31 VGG beurteilt das Bundesverwaltungsgericht Beschwerden gegen Verfügungen nach Art. 5 VwVG, sofern keine Ausnahme nach Art. 32 VGG vorliegt und eine Vorinstanz gemäss Art. 33 VGG entschieden hat. Das Verfahren richtet sich nach dem VwVG, soweit das VGG nichts anderes bestimmt (Art. 37 VGG).

1.2                 

1.2.1           Eine Verfügung liegt vor bei einer hoheitlichen, individuell-konkreten, auf Rechtswirkungen ausgerichteten und verbindlichen Anordnung einer Behörde, die sich auf öffentliches Recht des Bundes stützt, oder bei einer autoritativen und individuell-konkreten Feststellung bestehender Rechte oder Pflichten (Art. 5 Abs. 1 VwVG; Häfelin/Müller/
Uhlmann, Allgemeines Verwaltungsrecht, 7. Aufl. 2016, Rz. 849 ff., Tschannen/Zimmerli/Müller, Allgemeines Verwaltungsrecht, 4. Aufl. 2014, § 28 N. 17). Im Falle von Unklarheiten über den Verfügungscharakter eines Schreibens ist nicht massgebend, ob die Verwaltungshandlung als Verfügung gekennzeichnet ist oder den gesetzlichen Formvorschriften für eine Verfügung entspricht, sondern ob die Strukturmerkmale einer Verfügung vorhanden sind (BVGE 2009/43 E. 1.1.4 ff.; Urteil des BVGer
A 2923/2015 vom 27. Juli 2015 E. 1.1.1; Tschannen/Zimmerli/
Müller, a.a.O., § 29 N. 3).

1.2.2           Der Beschwerdeführer hat in seiner Eingabe vom 22. April 2015 die Vorinstanz ersucht, eine anfechtbare Verfügung zu erlassen, sollten die von ihm geforderten Massnahmen zur Einhaltung der Nachtflugordnung nicht ergriffen werden. Auch wenn das Antwortschreiben der Vorinstanz vom 12. Februar 2016 eingehend begründet ist und Merkmale einer Verfügung aufweist ([...]), kann darin keine Verfügung gesehen werden. Einer solchen Annahme steht die klare Willensäusserung der Vorinstanz entgegen, keine Verfügung zu erlassen und den Beschwerdeführer formlos über den Ausgang des aufsichtsrechtlichen Verfahrens in Kenntnis zu setzen (vgl. Urteile des BVGer A 2069/2015 vom 11. August 2015 E. 2.1.2;
A 4862/2014 vom 3. Juni 2015 E. 1.2; A 2317/2014 vom 28. Oktober 2014 E. 3.1; vgl. auch Urteil des BGer 2C_245/2007 vom 10. Oktober 2007 E. 3.1). Es liegt somit keine anfechtbare Verfügung vor. Davon ist auch der Beschwerdeführer ausgegangen, macht er mit seiner Beschwerde doch eine Rechtsverweigerung geltend.

1.3                Nach Art. 46a VwVG kann gegen das unrechtmässige Verweigern oder Verzögern einer anfechtbaren Verfügung ebenfalls Beschwerde geführt werden. Beschwerdeinstanz ist jene Behörde, die zuständig wäre, wenn die Verfügung ordnungsgemäss ergangen wäre (Botschaft vom 28. Februar 2001 zur Totalrevision der Bundesrechtspflege BBl 2001 4202, 4408; Moser/Beusch/Kneubühler, Prozessieren vor dem Bundesverwaltungsgericht, 2. Aufl. 2013, Rz. 5.18 m.H.). Das BAZL gehört zu den Behörden nach Art. 33 Bst. d VGG und ist daher eine Vorinstanz des Bundesverwaltungsgerichts. Eine Ausnahme, was das Sachgebiet angeht, ist nicht gegeben (Art. 32 VGG). Das Bundesverwaltungsgericht ist deshalb für die Beurteilung der frist- und formgerecht (Art. 50 und Art. 52 VwVG) eingereichten Rechtsverweigerungsbeschwerde zuständig.

2.                    

2.1                Der Beschwerdeführer rügt, die Vorinstanz habe seinem Antrag auf Erlass einer anfechtbaren Verfügung keine Folge geleistet, weshalb eine Rechtsverweigerung im Sinne von Art. 46a VwVG vorliege. Nur weil er die Vorinstanz an ihre aufsichtsrechtlichen Pflichten erinnert habe, heisse das nicht, dass sein Gesuch formlos im Sinne einer Aufsichtsbeschwerde erledigt werden dürfe. Sein Gesuch habe zum Ziel, die Bevölkerung besser gegen den Fluglärm zu schützen, der durch die regelmässigen rechtswidrigen Starts nach 23.00 Uhr hervorgerufen werde. Die Mitglieder des Beschwerdeführers seien mehrheitlich Gemeinden, die allesamt von den Auswirkungen des Flugverkehrs besonders betroffen seien. Er sei daher zur Erhebung der sogenannten egoistischen Verbandsbeschwerde befugt.

2.2                Die Vorinstanz stellt sich im Antwortschreiben vom 12. Februar 2016 auf den Standpunkt, das Gesuch des Beschwerdeführers sei als aufsichtsrechtliche Anzeige zu betrachten. Der Anzeiger habe keine Parteirechte, werde aber über die Erledigung informiert. In der Vernehmlassung hält die Vorinstanz daran fest, dass der Beschwerdeführer ihr Einschreiten in der Funktion als Aufsichtsbehörde verlangt habe. Eine andere Funktion, insbesondere als Genehmigungsbehörde, könne ihr nicht zukommen, nachdem kein Gesuch der Beschwerdegegnerin vorliege. Da kein Anlass für ein aufsichtsrechtliches Einschreiten bestanden habe, sei sie nicht gehalten gewesen, eine anfechtbare Verfügung zu erlassen, welche sich ohnehin nur an die Beschwerdegegnerin hätte richten können.

2.3                Die Beschwerdegegnerin legt in Übereinstimmung mit der Auffassung der Vorinstanz dar, dem Beschwerdeführer komme weder ein Anspruch auf eine Verfügung noch eine Parteistellung in der fraglichen Sache zu. Es könne nicht angehen, dass Dritte generell-abstrakte Aussagen über die Art und Weise der Umsetzung einzelner Bestimmungen des rechtskräftig genehmigten vBR verlangen könnten. Ein solches Verfahren liefe auf eine nachträgliche Anpassung und Ergänzung der aktuellen Regelungen des vBR hinaus. Wenn der Beschwerdeführer der Ansicht sei, die Nachtflugordnung werde nicht eingehalten, stehe ihm diesbezüglich der Rechtsbehelf einer Aufsichtsanzeige offen. Davon sei bei Lichte betrachtet selbst der rechtskundig vertretene Beschwerdeführer im Schreiben vom 11. November 2015 ausgegangen. Die Kontrolle des Vollzugs respektive der Einhaltung der Nachtflugordnung liege nicht im Aufgabenbereich der Gemeinden. Es sei daher auch nicht dargetan, worin ein schutzwürdiges, spezifisches öffentliches Interesse des Beschwerdeführers bestehe.

3.                   Voraussetzung für eine Rechtsverweigerungsbeschwerde ist, dass der Rechtsuchende zuvor ein Begehren um Erlass einer anfechtbaren Verfügung bei der zuständigen Behörde gestellt hat, bevor er eine Beschwerde einreicht. Eine Rechtsverweigerungsbeschwerde soll sodann nur dann zur Anwendung kommen, wenn die verweigerte Verfügung grundsätzlich selbst anfechtbar wäre. Der Beschwerdeführer hat im Sinne einer Eintretensvoraussetzung zumindest glaubhaft zu machen, dass ein Anspruch auf Erlass einer anfechtbaren Verfügung besteht. Ein solcher Anspruch liegt dann vor, wenn einerseits eine Behörde nach dem anzuwendenden Recht verpflichtet ist, in Verfügungsform zu handeln, und wenn andererseits die gesuchstellende Person nach Art. 6 in Verbindung mit Art. 48 Abs. 1 VwVG Parteistellung beanspruchen kann (vgl. Urteile A 2923/2015 E. 1.3.1; A 4862/2014 E. 2.1; A 2317/2014 E. 2.2; Moser/Beusch/
Kneubühler, a.a.O., Rz. 5.20; Markus Müller, in: Kommentar zum Bundesgesetz über das Verwaltungsverfahren [VwVG], 2008, Art. 46a N. 7 ff.).

4.                    

4.1                Das VwVG enthält in Art. 71 VwVG eine allgemeine Bestimmung zur Aufsichtsbeschwerde (Marginalie). Gegenstand einer Aufsichtsbeschwerde/-anzeige kann eine Verfügung oder jegliches andere Handeln oder Unterlassen einer Behörde sein (Oliver Zibung, in: Praxiskommentar Verwaltungsverfahrensgesetz [VwVG], 2. Aufl. 2016, Art. 71 N. 3). Nach Art. 71 Abs. 2 VwVG hat der Anzeiger nicht die Rechte einer Partei. Damit wird zum Ausdruck gebracht, dass ein Anzeiger nicht allein aufgrund seiner Aufsichtsanzeige, mithin seiner Stellung als Anzeiger, Parteistellung im folgenden Aufsichtsverfahren erhält (BGE 139 II 279 E. 2.3). Art. 71 VwVG verschafft denn auch keinen Anspruch auf Einleitung eines Aufsichtsverfahrens; die angerufene Behörde entscheidet nach pflichtgemässem Ermessen, ob sie auf eine Aufsichtsbeschwerde/-anzeige eintritt oder nicht (vgl. BGE 133 II 468 E. 2; 123 II 402 E. 1b; Urteil des BVGer A 5664/2014 vom 18. November 2015 E. 8.2 ff.; Zibung, a.a.O., Art. 71 N. 33, Kölz/Häner/Bertschi, Verwaltungsverfahren und Verwaltungsrechtspflege des Bundes, 3. Aufl. 2013, Rz. 774; je m.H.).

4.2                Umgekehrt lässt sich aus Art. 71 Abs. 2 VwVG indes nicht ableiten, die Parteirechte seien einem Anzeiger in einem allfälligen nachfolgenden Aufsichtsverfahren in jedem Fall zu verweigern (vgl. Urteil des BVGer A 678/2015 vom 28. Juli 2015 E. 4.1). Die Parteistellung richtet sich vielmehr nach Art. 6 und 48 VwVG. Sind die entsprechenden Voraussetzungen erfüllt, sind auch in einem Aufsichtsverfahren ausnahmsweise Parteirechte vorhanden. Nach der Rechtsprechung erwirbt derjenige, welcher bei einer Aufsichtsbehörde eine Anzeige erstattet oder ein aufsichtsrechtliches Vorgehen gegen einen Dritten fordert, Parteistellung, wenn er die Voraussetzungen von Art. 48 Abs. 1 Bst. b und c VwVG erfüllt. Er muss durch die Verfügung oder Handlung der beaufsichtigten Stelle besonders berührt beziehungsweise aufgrund einer besonderen, beachtenswerten, nahen Beziehung zur Streitsache stärker als die Allgemeinheit betroffen sein. Zusätzlich ist ein schutzwürdiges Interesse erforderlich, also ein aus der Sicht der Rechtspflege gewürdigt ausreichender Anlass dafür, dass sich die angerufene Instanz mit der Sache befasst. Der Anzeiger muss einen praktischen Nutzen aus einer allfälligen Aufhebung oder Änderung des beanstandeten Entscheids ziehen, das heisst seine Situation muss durch den Ausgang des Verfahrens in relevanter Weise beeinflusst werden können. Das schutzwürdige Interesse besteht im Umstand, einen materiellen oder ideellen Nachteil zu vermeiden, den der bemängelte Entscheid mit sich bringen würde. Ob ein Anzeiger diese Voraussetzungen erfüllt, ist für jedes Rechtsgebiet und in jedem Einzelfall gesondert zu beurteilen. Es gibt keine rechtslogisch stringente, sondern nur eine praktisch vernünftige Abgrenzung zur Popularbeschwerde oder zur blossen Aufsichtsbeschwerde/-anzeige, die dem Anzeiger keine Parteistellung verschafft. Massgebend sind namentlich einerseits die Möglichkeit für den Interessierten, den angestrebten Erfolg auf anderem zum Beispiel zivil- oder strafrechtlichem Weg zu erreichen, und andererseits das Anliegen, die Verwaltungstätigkeit nicht übermässig zu erschweren (vgl. zum Ganzen BGE 139 II 279 E. 2.3; Urteil des BGer 2C_959/2014 vom 24. April 2015 E. 3.1; Urteile des BVGer A 3434/2015 vom 15. Dezember 2015 E. 1.2.1; A 5664/2014 E. 8.5.1, je m.H.). Der Umstand, dass allenfalls zahlreiche Personen besonders berührt sein können, ist für sich allein kein Grund, diesen die Parteistellung abzusprechen. Trotzdem soll der Kreis der Personen mit Parteistellung nicht derart weit gezogen werden, dass dadurch die Verwaltungstätigkeit ausserordentlich erschwert würde (Urteil des BGer 2C_762/2010 vom 2. Februar 2011 E. 4.4; Urteil des BVGer
A 1703/2016 vom 29. September 2016 E. 6.4.6; je m.H.).

4.3                Wird einem Anzeiger Parteistellung eingeräumt, nähert sich das Aufsichtsverfahren einem ordentlichen Verwaltungsverfahren an. Die Aufsichtsbehörde dürfte in einem solchen Fall verpflichtet sein, mittels Verfügung über die Aufsichtsbeschwerde/-anzeige zu entscheiden (vgl. Urteile A 3434/2015 E. 1.2.1; A 5664/2014 E. 8.5.1; Marantelli/
Huber, in: Praxiskommentar Verwaltungsverfahrensgesetz [VwVG], 2. Aufl. 2016, Art. 6 N. 60). Selbst wenn die allgemeinen Voraussetzungen erfüllt sind, sind Anzeiger gemäss Rechtsprechung schliesslich nur dann zur Beschwerdeerhebung befugt, wenn die Vorinstanz zur Ausübung der Aufsicht verpflichtet ist (vgl. BGE 135 II 145 E. 6.1; Urteil A 3434/2015 E. 1.2.1; Bernhard Waldmann, in: Basler Kommentar, Bundesgerichtsgesetz, 2. Aufl. 2011, Art. 89 N. 27).

5.                   Gemäss Art. 3 Abs. 2 LFG (SR 748.0) kommt dem BAZL die unmittelbare Aufsichtskompetenz über die zivile Luftfahrt auf dem Gebiet der Schweiz zu. Das BAZL überwacht bei den Infrastrukturanlagen der Luftfahrt die Einhaltung der luftfahrtspezifischen, der betrieblichen und der baupolizeilichen Anforderungen sowie der Anforderungen des Umweltschutzes oder lässt sie durch Dritte überwachen. Es führt die erforderlichen Kontrollen durch oder lässt sie durch Dritte durchführen. Es trifft die notwendigen Massnahmen zur Aufrechterhaltung oder Wiederherstellung des rechtmässigen Zustandes (Art. 3b VIL). Zudem kann das BAZL gestützt auf Art. 26 VIL zur Anpassung an den rechtmässigen Zustand Änderungen des Betriebsreglements verfügen, wenn veränderte rechtliche oder tatsächliche Verhältnisse dies erfordern (vgl. zum Ganzen BGE 129 II 331 E. 3.1; 128 II 292 E. 7; BVGE 2011/19 E. 45.5; Urteile des BVGer A 2669/2016 vom 22. August 2016 E. 6.1; A 3339/2015 vom 22. August 2016 E. 5.6; A 5661/2015 vom 26. Juli 2016 E. 4; A 6496/2013 vom 19. März 2015 E. 2.3.2).

Die Aufsichtspflicht der Vorinstanz ist daher ohne Weiteres zu bejahen. Zu prüfen ist nachfolgend, ob die übrigen der zuvor dargelegten Voraussetzungen erfüllt sind.

6.                   Nach der Systematik des VwVG sind Parteistellung und Beschwerdebefugnis aufeinander abgestimmt: Art. 6 VwVG umschreibt den Parteibegriff offen und knüpft über den Verweis auf die Beschwerdebefugnis nach Art. 48 VwVG an das Rechtsschutzinteresse an. Daraus folgt, dass über den Kreis der beschwerdeberechtigten Personen mittelbar auch die Parteien im erstinstanzlichen Verwaltungsverfahren umschrieben werden. Zu den Parteien zählen damit neben den materiellen Verfügungsadressaten auch Dritte, die in einem besonders engen, spezifischen Verhältnis zum Verfügungsgegenstand stehen und deren Situation durch den Ausgang des Verfahrens in relevanter Weise beeinflusst werden kann (vgl. BGE 139 II 328 E. 4.1; 139 II 279 2.2; Urteil des BGer 2C_888/2015 vom 23. Mai 2016 E. 2.2; Urteil A 1703/2016 E. 6.1, je m.H.).

7.                    

7.1                Im Bereich von Flughäfen ist ganz generell anerkannt, dass ein unmittelbares Berührtsein vorausgesetzt ein sehr weiter Kreis von Betroffenen zur Beschwerde legitimiert sein kann, ohne dass bereits eine Popularbeschwerde vorliegt. Für die Umschreibung des Kreises der zur Beschwerdeführung befugten Personen ist es unerheblich, ob die Lärmgrenzwerte überschritten sind oder nicht. So können Anwohnerinnen und Anwohner aus dem Lärmeinflussbereich des Flughafens Beschwerde führen. Ebenso können flughafennahe Gemeinwesen, Kantone oder Gemeinden, die sich für den Schutz ihrer Bevölkerung vor Lärm einsetzen, beschwerdebefugt sein. Das Beschwerderecht steht auch Vereinigungen und Organisationen zu, welche die Voraussetzungen für die egoistische Verbandsbeschwerde erfüllen (vgl. zum Ganzen BGE 104 Ib 307 E. 3b; BVGE 2008/18 E. 2.2; Urteile des BVGer A 3339/2015 E. 1.3.1.1;
A 7248/2014 vom 27. Juni 2016 E. 1.2.2; A 1936/2006 vom 10. Dezember 2009 E. 3.1, nicht publ. in: BVGE 2011/19).

7.2                Der Beschwerdeführer ersuchte die Vorinstanz um die Ergreifung aufsichtsrechtlicher Massnahmen zur Einhaltung der Nachtflugordnung am Flughafen Zürich. Die flughafennahen Gemeinden sind von den Lärmimmissionen und damit auch von der Einhaltung der Nachtflugordnung stärker als die Allgemeinheit berührt. Der sbfz besteht vorwiegend aus Anliegergemeinden, die sich zu einem Verein zusammengeschlossen haben mit dem statutarischen Zweck, die Bevölkerung vor unzumutbarem Fluglärm und anderen durch den Flugbetrieb verursachten Immissionen zu schützen, die natürlichen Lebensgrundlagen zu erhalten und die Interessen und Rechte der Betroffenen zu wahren (vgl. § 2 der Statuten). Die Legitimation von Gemeinden wird praxisgemäss bejaht, wenn es diesen um spezifische öffentliche Anliegen wie vorliegend den Schutz der Einwohner vor Immissionen geht. Entgegen der Ansicht der Beschwerdegegnerin erfüllt der Beschwerdeführer die Voraussetzungen der egoistischen Verbandsbeschwerde (vgl. Urteile des BVGer A 769/2013 vom 30. Oktober 2013 E. 2.6.2.4; A 1899/2006 vom 11. Februar 2010 E. 2.4; A 1936/2006 E. 3.2, nicht publ. in: BVGE 2011/19).

7.3                In Übereinstimmung mit der bisherigen Rechtsprechung ist somit festzuhalten, dass der Beschwerdeführer in einer besonderen, beachtenswerten, nahen Beziehung zur Streitsache steht. Zu klären bleibt, ob er im aufsichtsrechtlichen Verfahren der Vorinstanz zumindest glaubhaft machen konnte, dass er über ein eigenes schutzwürdiges Interesse für eine Parteistellung verfügt.

8.                    

8.1                Mit Blick auf den Verfahrensgegenstand ist zunächst festzuhalten, dass der Beschwerdeführer von der Vorinstanz die rechtskonforme Durchsetzung des rechtskräftig genehmigten vBR und nicht dessen Änderung einfordert. In seiner Eingabe vom 22. April 2015 führte er substanziiert aus, weshalb er der Auffassung sei, die Beschwerdegegnerin verletze systematisch die Vorgaben des vBR zu den Betriebszeiten und weshalb ihm ein schutzwürdiges Interesse an einem aufsichtsrechtlichen Einschreiten der Vorinstanz zukomme. Diese Ausführungen boten ausreichend Anlass für die Aufsichtsbehörde, sich mit der Sache zu befassen. Die Vorinstanz hat daher zu Recht ein aufsichtsrechtliches Verfahren eröffnet und die Vollzugspraxis der Beschwerdegegnerin einer Überprüfung unterzogen. Das Gesuch des Beschwerdeführers vom 22. April 2015 erschöpfte sich dabei jedoch nicht allein in typisch aufsichtsrechtliche Belange. Vielmehr forderte er die Vorinstanz auf, konkrete Massnahmen zu ergreifen, um die Beschwerdegegnerin zu einer Änderung der Vollzugspraxis anzuhalten. Wäre die Vorinstanz der Auffassung des Beschwerdeführers gefolgt, hätte dies zu einer Änderung des künftigen Flugplans geführt und damit zu einer Reduktion der nächtlichen Fluglärmbelastung für die Anliegergemeinden des Flughafens. Es kommt dem Beschwerdeführer, der bereits im Rechtsmittelverfahren betreffend Genehmigung vBR Verfahrenspartei war, ein eigenes schutzwürdiges Interesse zu, dass die rechtskräftig genehmigten Massnahmen zum Schutz der Bevölkerung gegen Fluglärm und zur Sanierung des Flughafens in der Praxis von der Beschwerdegegnerin nicht umgangen werden. Eine andere Möglichkeit, sein Begehren auf korrekten Vollzug des vBR rechtlich durchzusetzen, hat die Vorinstanz ihm nicht aufgezeigt. Auch kann im vorliegenden Fall nicht gesagt werden, dass das aufsichtsrechtliche Verfahren durch die Gewährung der Parteistellung übermässig erschwert worden wäre. Denn wie aufzuzeigen sein wird (...), hat die Vorinstanz dem Beschwerdeführer zwar die Parteistellung ausdrücklich aberkannt, ihn im Aufsichtsverfahren aber faktisch wie eine Partei behandelt.

8.2                Im Rahmen einer Gesamtbetrachtung und aufgrund der konkreten Umstände des Einzelfalls ist deshalb ein schutzwürdiges Interesse des Beschwerdeführers an einer Parteistellung zu bejahen.

9.                   Es ergibt sich somit, dass der Anspruch des Beschwerdeführers auf Parteistellung im aufsichtsrechtlichen Verfahren begründet ist und er dies in seiner Eingabe vom 22. April 2015 auch glaubhaft machen konnte. Entsprechend hätte die Vorinstanz dem gestellten Antrag auf Erlass einer anfechtbaren Verfügung nachkommen müssen. Die Beschwerde ist somit gutzuheissen, soweit eine Rechtsverweigerung gerügt wird.

10.                 

10.1            Heisst das Bundesverwaltungsgericht eine Rechtsverweigerungs- oder Rechtsverzögerungsbeschwerde gut, weist es die Sache mit verbindlichen Weisungen an die Vorinstanz zurück (Art. 61 Abs. 1 VwVG). Eine andere Möglichkeit, den rechtmässigen Zustand herzustellen, gibt es grundsätzlich nicht; insbesondere darf das Gericht grundsätzlich nicht anstelle der das Recht verweigernden Behörde entscheiden, würden dadurch doch der Instanzenzug verkürzt und allenfalls weitere Rechte der am Verfahren Beteiligten verletzt. Ausnahmsweise kann allerdings in der Sache entschieden werden, wenn prozessuale Leerläufe vermieden werden sollen oder die Feststellung der Rechtsverweigerung zur Wiedergutmachung nicht genügt und weitere Anordnungen zu treffen sind (vgl. BVGE 2009/1 E. 4 [bestätigt durch: Urteil des BGer 1C_108/2008 vom 3. März 2009 E. 1.3]; Urteile des BVGer A-4862/2014 E. 5; E-4168/2013 vom 13. Februar 2014 E. 3; A-36/2013 vom 7. August 2013 E. 3.1.4 f. und
A 6437/2008 vom 16. Februar 2009 E. 2.2; Moser/Beusch/Kneubühler, a.a.O., Rz. 5.25, Kölz/Häner/Bertschi, a.a.O., Rz. 1312).

10.2            Vorliegend gilt es zu beachten, dass die Vorinstanz im Rahmen des von ihr durchgeführten aufsichtsrechtlichen Verfahrens die Rügen des Beschwerdeführers materiell geprüft hat. Des Weiteren hat sie sowohl dem Beschwerdeführer als auch der Beschwerdegegnerin das rechtliche Gehör gewährt und ihnen Gelegenheit gegeben, sich zur Streitsache materiell zu äussern. Das hier strittige Antwortschreiben der Vorinstanz vom 12. Februar 2016 enthält sodann eine eingehende Begründung, in der sie sich mit dem Gesuch des Beschwerdeführers inhaltlich auseinandersetzt und es im Ergebnis als unbegründet erachtet. Es kommt insofern einem materiellen Entscheid gleich. Auch im Rahmen des Schriftenwechsels vor Bundesverwaltungsgericht äusserten sich die Verfahrensbeteiligten umfassend zur Streitsache. Bei diesen besonderen Voraussetzungen erscheint eine Rückweisung der Sache an die Vorinstanz zum Erlass einer formellen Verfügung als nicht zweckmässig. Eine Rückweisung würde sich vollumfänglich in einem Verfahrensleerlauf erschöpfen, was unter prozessökonomischen Gesichtspunkten als nicht vertretbar erscheint. Nach dem Gesagten ist daher ausnahmsweise auf eine Rückweisung zu verzichten und nachfolgend zu prüfen, ob die Vorbringen des Beschwerdeführers materiell begründet sind.

Ein solches Vorgehen geht auch nicht über die Rechtsbegehren des Beschwerdeführers hinaus. Denn trotz der Rüge der Rechtsverweigerung beantragt der Beschwerdeführer in seinem Hauptbegehren zusätzlich eine materielle Prüfung durch das Bundesverwaltungsgericht. In den Schlussbemerkungen vom 11. August 2016 hält der Beschwerdeführer daran fest, es sei auf eine Rückweisung an die Vorinstanz zur Beurteilung und zur erneuten Gewährung des rechtlichen Gehörs zu verzichten. Dies würde nur zu einer weiteren Verzögerung führen, was der betroffenen Bevölkerung nicht zuzumuten sei. Anders als der Beschwerdeführer spricht sich zwar die Beschwerdegegnerin in ihrer Beschwerdeantwort ausdrücklich gegen einen reformatorischen Entscheid in der Sache aus, dies mit Blick auf das der Vorinstanz zustehende Ermessen und eine nachteilige Verkürzung des Instanzenzuges. Da aber die Rügen des Beschwerdeführers - wie noch zu sehen sein wird - sich ohnehin als unbegründet erweisen, kommen die von der Beschwerdegegnerin erhobenen Einwände vorliegend nicht zum Tragen und können deshalb unberücksichtigt bleiben.

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