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Auszug aus dem Urteil der Abteilung III
i.S. Kanton Glarus gegen Beschlussorgan der Interkantonalen Vereinbarung über die hochspezialisierte Medizin
(HSM-Beschlussorgan)
C 5634/2013 vom 9. Januar 2014

Krankenversicherung. Hochspezialisierte Medizin (HSM). Legitima­tion eines Kantons zur Beschwerde gegen einen Beschluss des HSM-Beschlussorgans.

Art. 48 BV. Art. 39 Abs. 2bis, Art. 53 Abs. 1 KVG. Art. 48 Abs. 1 VwVG. Art. 120 Abs. 1 Bst. b BGG. Art. 2, Art. 3, Art. 9, Art. 11 und Art. 12 Abs. 1 IVHSM. Art. 31 34 IRV.

1.      Mit der Errichtung des HSM-Beschlussorgans mittels inter­kantonaler Vereinbarung haben die Kantone im Bereich der hochspezialisierten Medizin ihre ursprüngliche Kompetenz zum Erlass der Spitalliste für die als hochspezialisierte Medizin definierten Bereiche an das interkantonale Organ delegiert (E. 3.2.2.3).

2.      Ein Vereinbarungskanton hat die Beschlüsse des HSM-Be­schlussorgans gegen sich gelten zu lassen (E. 3.2.2.3).

3.      Einwände des Kantons gegen HSM-Planungsbeschlüsse sind im Rahmen des im interkantonalen Recht vorgesehenen zweistufi­gen Streitbeilegungsverfahrens vorzubringen. Subsidiär steht dem Kanton die staatsrechtliche Klage gegen das HSM-Be­schlussorgan an das Bundesgericht offen (E. 3.2.2.4 3.2.2.7).

4.      Eine Beschwerde oder Klage ans Bundesverwaltungsgericht ist dem Kanton verwehrt (E. 3.2.2.6, 3.2.2.7 und 3.4).

Assurance-maladie. Médecine hautement spécialisée (MHS). Qualité pour recourir d'un canton contre une décision de l'Organe de déci­sion MHS.

Art. 48 Cst. Art. 39 al. 2bis, art. 53 al. 1 LAMal. Art. 48 al. 1 PA. Art. 120 al. 1 let. b LTF. Art. 2, art. 3, art. 9, art. 11 et art. 12 al. 1 CIMHS. Art. 31 34 ACI.

1.      En créant un Organe de décision MHS par convention inter­cantonale, les cantons lui ont délégué leur compétence initiale d'établir la liste des hôpitaux dans les domaines définis comme relevant de la médecine hautement spécialisée (consid. 3.2.2.3).

2.      Un canton signataire doit s'en tenir aux décisions de l'Organe de décision MHS (consid. 3.2.2.3).

3.      Le canton doit faire valoir ses objections contre des décisions de planification MHS dans le cadre de la procédure, en deux étapes, de règlement des différends prévue dans le droit intercantonal. A titre subsidiaire, il peut intenter une action de droit public contre l'Organe de décision MHS devant le Tribunal fédéral (consid. 3.2.2.4 3.2.2.7).

4.      Le canton n'a pas qualité pour recourir ou pour intenter une action devant le Tribunal administratif fédéral (consid. 3.2.2.6, 3.2.2.7 et 3.4).

Assicurazione malattia. Medicina altamente specializzata (MAS). Legittimazione di un Cantone a ricorrere contro una decisione dell'organo decisionale MAS.

Art. 48 Cost. Art. 39 cpv. 2bis, art. 53 cpv. 1 LAMal. Art. 48 cpv. 1 PA. Art. 120 cpv. 1 lett. b LTF. Art. 2, art. 3, art. 9, art. 11 e art. 12 cpv. 1 CIMAS. Art. 31 34 CQI.

1.      Istituendo un organo decisionale MAS mediante convenzione intercantonale, i Cantoni hanno delegato a quest'ultimo la loro competenza originaria a definire l'elenco degli ospedali per i settori attribuiti alla medicina altamente specializzata (consid. 3.2.2.3).

2.      Un Cantone firmatario deve attenersi alle decisioni dell'organo decisionale MAS (consid. 3.2.2.3).

3.      Il Cantone deve far valere le proprie obiezioni contro le decisioni relative alla pianificazione MAS nell'ambito della procedura a due fasi di risoluzione delle contestazioni, prevista dal diritto intercantonale. A titolo sussidiario può proporre un'azione di diritto pubblico contro l'organo decisionale MAS dinanzi al Tribunale federale (consid. 3.2.2.4 3.2.2.7).

4.      Il cantone non ha qualità per ricorrere o per inoltrare un'azione dinanzi al Tribunale amministrativo federale (consid. 3.2.2.6, 3.2.2.7 e 3.4).

 

Mit Beschlüssen vom 4. Juli 2013 (nachfolgend: [angefochtene] Be­schlüsse, Entscheide) am 10. September 2013 publiziert im Schwei­zerischen Bundesblatt fällte das Beschlussorgan der Interkantonalen Vereinbarung über die hochspezialisierte Medizin (HSM-Beschlussor­gan) fünf Entscheide betreffend die Oesophagusresektion (BBl 2013 6792), die Leberresektion (BBl 2013 6801), die Pankreasresektion (BBl 2013 6809), die tiefe Rektumresektion (BBl 2013 6817) und die komp­lexe bariatrische Chirurgie (BBl 2013 6826) und erteilte den berück­sichtigten Spitälern und Kliniken definitive (Leistungsauftrag über vier Jahre) oder provisorische Leistungsaufträge (Leistungsauftrag über zwei Jahre). Gegen jeden dieser fünf Beschlüsse erhob der Kanton Glarus (nachfolgend: Kanton bzw. Beschwerdeführer) Beschwerde an das Bun­desverwaltungsgericht und beantragte, der jeweilige Beschluss sei aufzuheben, das Beschlussorgan sei anzuweisen, den betroffenen Eingriff nicht dem Bereich der hochspezialisierten Medizin zuzuweisen. Er begründete diese Anträge im Resultat damit, dass der Regierungsrat auf­grund der angefochtenen Beschlüsse im betroffenen Bereich keine Spital­leistungsaufträge (mehr) erteilen könne und dass die angefochtenen Beschlüsse verbindliche Zusagen missachteten, welche Grundlage für die Beitrittserklärungen der Kantone gewesen seien, was einen Verstoss gegen das Willkürverbot, ein Verhalten gegen Treu und Glauben und einen Ermessensmissbrauch beziehungsweise eine Ermessensüberschrei­tung darstelle.

Aus den Erwägungen:

1.2                Das Bundesverwaltungsgericht prüft von Amtes wegen und mit freier Kognition, ob die Prozessvoraussetzungen erfüllt sind und ob auf eine Beschwerde einzutreten ist (Art. 7 Abs. 1 VwVG; vgl. dazu auch BVGE 2007/6 E. 1 m.w.H.).

2.                   Die vorliegende Beschwerde richtet sich gegen einen Entscheid des HSM-Beschlussorgans zur Planung und Zuteilung der hochspezia­lisierten Medizin.

2.1                Gemäss Art. 31 VGG beurteilt das Bundesverwaltungsgericht Beschwerden gegen Verfügungen nach Art. 5 VwVG, sofern keine Aus­nahme nach Art. 32 VGG vorliegt. Als Vorinstanzen gelten die in Art. 33 VGG genannten Behörden, wobei insbesondere Instanzen des Bundes aufgeführt werden. Verfügungen kantonaler Instanzen sind gemäss Art. 33 Bst. i VGG nur dann beim Bundesverwaltungsgericht anfechtbar, wenn dies in einem Bundesgesetz vorgesehen ist.

2.2                Art. 90a Abs. 2 KVG (SR 832.10) sieht vor, dass das Bun­desverwaltungsgericht Beschwerden gegen Beschlüsse der Kantons­regierungen nach Art. 53 KVG beurteilt. Zu den gemäss Art. 53 Abs. 1 KVG anfechtbaren Beschlüssen der Kantonsregierungen gehören na­mentlich die Spital- oder Pflegeheimlisten im Sinne von Art. 39 KVG (vgl. in BVGE 2009/48 [C 5733/2007] sowie 2010/15 [C 6062/2007] nicht veröffentlichte E. 1.1).

2.2.1           Spitalplanung ist Aufgabe der Kantone (vgl. Art. 39 Abs. 1 Bst. e KVG; BVGE 2009/48 E. 12.1). Gemäss Art. 39 Abs. 2 KVG (in der seit 1. Januar 2009 gültigen Fassung) koordinieren die Kantone ihre Planung. Nach Art. 39 Abs. 2bis KVG (in Kraft seit 1. Januar 2009) be­schliessen die Kantone im Bereich der hochspezialisierten Medizin ge­meinsam eine gesamtschweizerische Planung. Kommen sie dieser Auf­gabe nicht zeitgerecht nach (vgl. auch KVG Übergangsbestimmungen zur Änderung vom 21. Dezember 2007 [Spitalfinanzierung] Abs. 3), so legt der Bundesrat fest, welche Spitäler für welche Leistungen auf den kantonalen Spitallisten aufzuführen sind.

2.2.2           Um die gesamtschweizerische Planung zu gewährleisten, verab­schiedete die Schweizerische Konferenz der kantonalen Gesundheits­direktorinnen und direktoren (GDK) am 14. März 2008 die Interkan­tonale Vereinbarung über die hochspezialisierte Medizin (IVHSM), die  nachdem alle Kantone beigetreten sind am 1. Januar 2009 in Kraft getreten ist (vgl. < http://www.gdk-cds.ch > Themen > Hochspezialisierte Medizin, abgerufen am 15.11.2013; für den Kanton Glarus siehe Publika­tion der IVHSM im Amtsblatt des Kantons Glarus vom 12. Februar 2009 [vgl. < http://www.glarus24.ch > Amtsblatt, abgerufen am 15.11.2013]). Art. 3 IVHSM regelt die Zusammensetzung, Wahl und Aufgaben des HSM-Beschlussorgans. Das Beschlussorgan bestimmt gemäss Art. 3 Abs. 3 IVHSM die Bereiche der hochspezialisierten Medizin, die einer schweizweiten Konzentration bedürfen, und trifft die Planungs- und Zu­teilungsentscheide. Hierzu erstellt es eine Liste der Bereiche der hoch­spezialisierten Medizin und der mit der Erbringung der definierten Leis­tungen beauftragten Zentren. Die Liste wird periodisch überprüft. Sie gilt als gemeinsame Spitalliste der Vereinbarungskantone gemäss Art. 39 KVG. Die Zuteilungsentscheide werden befristet (Art. 3 Abs. 4 IVHSM). Art. 9 Abs. 1 IVHSM hält zudem fest, dass die Vereinbarungskantone ihre Zuständigkeit gemäss Art. 39 Abs. 1 Bst. e KVG zum Erlass der Spitalliste für den Bereich der hochspezialisierten Medizin an das HSM-Beschlussorgan übertragen. Ab dem Zeitpunkt der gemäss Art. 3 Abs. 3 und 4 IVHSM erfolgten Bestimmung eines Bereichs der hochspeziali­sierten Medizin und seiner Zuteilung durch das HSM-Beschlussorgan an mit der Erbringung der betreffenden Leistung beauftragte Zentren gelten abweichende Spitallistenzulassungen der Kantone im entsprechenden Umfang als aufgehoben (Art. 9 Abs. 2 IVHSM).

2.2.3           In BVGE 2012/9 stellte das Bundesverwaltungsgericht fest, dass Beschlüsse im Sinne von Art. 39 Abs. 2bis KVG des HSM-Beschluss­organs gestützt auf Art. 53 Abs. 1 KVG beim Bundesverwaltungsgericht angefochten werden können (BVGE 2012/9 E. 1). Gemäss Art. 12 Abs. 1 IVHSM kann gegen Beschlüsse betreffend die Festsetzung der gemein­samen Spitalliste nach Art. 3 Abs. 3 und 4 beim Bundesverwaltungs­gericht Beschwerde nach Art. 53 KVG geführt werden. Sowohl Abs. 3 als auch Abs. 4 von Art. 3 IVHSM haben jeweils Zuordnung und Zutei­lung zum Gegenstand (vgl. BVGE 2013/45). Ob die Vertragspartner der IVHSM die Beschwerde ans Bundesverwaltungsgericht einzig gegen Zuteilungsentscheide zulassen wollten, kann vorliegend offenbleiben, da in casu die HSM-Spitalliste angefochten ist, wofür die Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts zweifellos gegeben ist.

2.3                Das Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht richtet sich gemäss Art. 37 VGG und Art. 53 Abs. 2 Satz 1 KVG grundsätzlich nach dem VwVG. Vorbehalten bleiben allfällige Abweichungen des VGG und die besonderen Bestimmungen des Art. 53 Abs. 2 KVG. In Beschwerde­verfahren gegen Spitallistenbeschlüsse ist insbesondere Art. 53 Abs. 2 Bst. e KVG zu beachten, wonach in Abweichung von Art. 49 VwVG die Rüge der Unangemessenheit unzulässig ist.

3.                    

3.1                Anfechtungsgegenstand der von einem Leistungserbringer erho­benen Beschwerde kann nicht die Spitalliste als solche sein. In BVGE 2012/9 hat das Bundesverwaltungsgericht erkannt, dass die Spitalliste im Sinne von Art. 39 Abs. 1 Bst. e KVG als Rechtsinstitut sui generis zu qualifizieren ist und was für die Bestimmung des Anfechtungs- und Streitgegenstandes entscheidend ist aus einem Bündel von Einzelver­fügungen besteht (BVGE 2012/9 E. 3.2.6). Ein Leistungserbringer kann grundsätzlich nur die an ihn gerichtete Verfügung anfechten, das heisst diejenige Verfügung, welche das ihn betreffende Rechtsverhältnis regelt (BVGE 2012/9 E. 3.3). Den Fall, dass ein Regierungsrat die Beschlüsse des HSM-Beschlussorgans, an welches er seine Zuständigkeit gemäss Art. 39 Abs. 1 Bst. e KVG zum Erlass der Spitalliste für den Bereich der hochspezialisierten Medizin übertragen hat (Art. 9 Abs. 1 IVHSM), an­ficht, hatte das Bundesverwaltungsgericht bisher nicht zu prüfen, wes­halb sich nachfolgend die Frage nach seiner Beschwerdelegitimation im Rahmen der Spitalplanung im Bereich der hochspezialisierten Medizin stellt.

3.2                Zur Beschwerde berechtigt ist nach Art. 48 Abs. 1 VwVG, wer (kumulativ) vor der Vorinstanz am Verfahren teilgenommen hat oder kei­ne Möglichkeit zur Teilnahme erhalten hat (Bst. a), durch die angefoch­tene Verfügung besonders berührt ist (Bst. b) und ein schutzwürdiges Interesse an deren Aufhebung oder Änderung hat (Bst. c).

3.2.1           Beschwerdeführer ist vorliegend der Kanton Glarus, der (...) Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht erhoben hat.

3.2.2           Zur Prüfung, ob der Beschwerdeführer nach Art. 48 Abs. 1 VwVG beschwerdelegitimiert ist, erweist es sich als notwendig, die bis­herige Praxis des Bundesverwaltungsgerichts zur Beschwerdelegitima­tion im Bereich der Spitalplanung in Erinnerung zu rufen:

3.2.2.1     Im ordentlichen Spitallistenverfahren nach Art. 39 KVG er­lassen ein oder mehrere Kantone ihre Spitallisten. Die Versicherer sind nicht befugt, diese Beschlüsse anzufechten (BVGE 2010/51), ebenso wenig die Versicherten (BVGE 2010/51 E. 6.6.3). Ein Leistungserbringer kann grundsätzlich nur die an ihn gerichtete Verfügung anfechten, das heisst diejenige Verfügung, welche das ihn betreffende Rechtsverhältnis regelt (keine Möglichkeit der Konkurrentenbeschwerde; BVGE 2012/9 E. 3.3). Für diese Beschwerdelegitimierten eröffnet nach bisheriger Praxis Art. 53 Abs. 1 KVG im umschriebenen Umfang den Rechtsmittel­weg an das Bundesverwaltungsgericht. (...)

3.2.2.2     Art. 39 Abs. 2bis KVG hält fest, dass die Kantone eine gesamt­schweizerische Planung beschliessen. Konkretisiert haben die Kantone diese Zusammenarbeit in der IVHSM. Bei der IVHSM handelt es sich um eine interkantonale Vereinbarung, gestützt auf Art. 48 BV (vgl. Thierry Tanquerel, Manuel de droit administratif, 2011, Rz. 346 ff.; Simon Steinlin, Allgemeinverbindlicherklärung von Konkordaten Beurteilung der Kritik an diesem Instrument, LeGes 2011/1 S. 38), die aufgrund ihrer direkt anwendbaren Normen unmittelbar rechtsetzenden Charakter aufweist (vgl. zur Typisierung der Vereinbarungen Häfelin/ Haller/Keller, Schweizerisches Bundesstaatsrecht, 8. Aufl. 2012, Rz. 1283 ff.; Häfelin/Müller/Uhlmann, Allgemeines Verwaltungs­recht, 6. Aufl. 2010, Rz. 177 ff.; Uhlmann/Zehnder, Rechtsetzung durch Konkordate, LeGes 2011/1 S. 12 f.; Ursula Abderhalden, Möglichkeiten und Grenzen der interkantonalen Zusammenarbeit, 1999, S. 65 f.; Laurence Boegli, Les concordats intercantonaux: Quels enjeux pour la démocratie, IDHEAP 12/1999 S. 15).

3.2.2.3     In der IVHSM wird festgehalten, dass ein Beschlussorgan ge­wählt wird, dem der Vollzug der Vereinbarung obliegt (Art. 2 IVHSM). Das Beschlussorgan bestimmt die Bereiche der hochspezialisierten Medi­zin, die einer schweizweiten Konzentration bedürfen, und trifft die Pla­nungs- und Zuteilungsentscheide (Art. 3 Abs. 3 IVHSM).

Mit der Errichtung dieses interkantonalen Organs (vgl. dazu Häfelin/ Haller/Keller, a.a.O., Rz. 1293 ff.; Auer/Malinverni/Hottelier, Droit constitutionnel suisse, Bd. I: L'Etat, 2013, Rz. 573; Abderhalden, a.a.O., S. 67 und 120 ff.) geht eine Übertragung kantonaler Kompetenzen einher (Hannah Kauz, Multi-Level-Government Schweiz, in: Fö­deralismus 2.0 Denkanstösse und Ausblicke, 2011, S. 39). Im Bereich der hochspezialisierten Medizin haben die Kantone damit ihre ur­sprüngliche Kompetenz zum Erlass der Spitalliste für die als hoch­spezialisierte Medizin definierten Bereiche an das interkantonale Organ delegiert (Art. 9 Abs. 1 und 2 IVHSM i.V.m. Art. 39 Abs. 2bis KVG). Ein Vereinbarungskanton hat daher die Beschlüsse des interkantonalen Organs (vorliegend: des HSM-Beschlussorgans) gegen sich halten zu lassen (Art. 48 Abs. 5 BV; vgl. Boegli, a.a.O., S. 60 f.; BGE 81 I 351 E. 5a f.; vgl. auch den erläuternden Bericht der GDK-Plenarver­sammlung vom 14. März 2008 zur IVHSM [nachfolgend: IVHSM-Bericht], abrufbar auf der Internetseite der Zentralschweizer Regierungs­konferenz: < http://www.zrk.ch > Aktuelles > 03.02.2009 Interkantonale Vereinbarung über die hochspezialisierte Medizin [IVHSM] in Kraft > Bericht zur IVHSM, abgerufen am 22.11.2013).

3.2.2.4     Ist ein Vereinbarungskanton mit einem Planungsbeschluss (des HSM-Beschlussorgans) nicht einverstanden, hat er seine Einwände auf dem in der Vereinbarung festgelegten Weg der Streitbeilegung einzu­bringen. Darin eingeschlossen sind nicht nur Streitigkeiten um die Ausle­gung einzelner Bestimmungen, sondern auch Rügen gegen konkrete An­wendungsentscheide (vgl. BGE 81 I 351 E. 5a f.). Konkret verpflichten sich die Vereinbarungskantone, Meinungsverschiedenheiten und Streitig­keiten nach Möglichkeit gütlich zu regeln (Art. 11 Abs. 1 IVHSM). Ergänzend verweist die IVHSM in Art. 11 Abs. 2 auf die Rahmen­vereinbarung für die interkantonale Zusammenarbeit mit Lastenausgleich vom 24. Juni 2005 (Interkantonale Rahmenvereinbarung [IRV]; für den Kanton Glarus in Kraft seit dem 11. Mai 2007 [vgl. Gesetzessammlung des Kantons Glarus, abrufbar unter < http://www.gesetze.gl.ch > Geset­zessammlung > II B/1/2, abgerufen am 22.11.2013]), die ein eigentliches Streitbeilegungsverfahren definiert (vgl. Uhlmann/Zehnder, a.a.O., Ziff. 4.2.7). Die IRV regelt in ihrem Art. 31, dass sich die Kantone und interkantonalen Organe bemühen, Streitigkeiten aus bestehenden oder beabsichtigten interkantonalen Verträgen durch Verhandlung oder Ver­mittlung beizulegen (Abs. 1). Sie verpflichten sich zudem, bei allen Streitigkeiten im Zusammenhang mit der interkantonalen Zusammen­arbeit mit Lastenausgleich, vor Erhebung einer Klage gemäss Art. 120 Abs. 1 Bst. b BGG, am in den Art. 32 34 IRV beschriebenen Streitbeile­gungsverfahren teilzunehmen (Art. 31 Abs. 2 IRV). Das Streitbeilegungs­verfahren kann auch von Nichtvereinbarungskantonen sowie von inter­kantonalen Organen, die nicht auf der IRV basieren, angerufen werden (Abs. 3).

3.2.2.5     Damit ergibt sich aus dem für den Beschwerdeführer verbind­lichen Konkordatsrecht, dass in einem ersten Schritt eine gütliche Rege­lung anzustreben ist (Art. 11 Abs. 1 IVHSM). Gelingt dies nicht, ist in einem zweiten Schritt das Streitbeilegungsverfahren nach Art. 32 ff. IRV i.V.m. Art. 11 Abs. 2 IVHSM zu beschreiten. Schliesslich steht in einem dritten Schritt, gestützt auf Art. 120 Abs. 1 Bst. b BGG, die Klage an das Bundesgericht offen (s. unten). Im IVHSM-Bericht (S. 14) wird zu Art. 11 IVHSM denn auch explizit ausgeführt, dass die von den Kan­tonen (freiwillig) übernommene Verpflichtung zur Teilnahme an diesem zweistufigen Streitbeilegungsverfahren die Vermeidung einer Klage ge­mäss Art. 120 Abs. 1 Bst. b BGG bezwecke.

3.2.2.6     Als ultima ratio steht dem an der Vereinbarung beteiligten Kanton die staatsrechtliche Klage gegen das interkantonale Organ an das Bundesgericht offen, zumal es sich, ergreift ein Konkordatskanton ein Rechtsmittel gegen Entscheide des interkantonalen Organs, um eine « Streitigkeit staatsrechtlicher Natur zwischen Kantonen » handelt (so noch in Häfelin/Haller, Schweizerisches Bundesstaatsrecht, 3. Aufl. 1993, Rz. 519; vgl. auch Häfelin/Haller/Keller, a.a.O., Rz. 1301; Regula Kiener, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten, in: Neue Bundesrechtspflege, 2007, S. 275; Abderhalden, a.a.O., S. 108; Philipp Gelzer, Klage, in: Prozessieren vor Bundesgericht, 3. Aufl. 2011, § 7 Rz. 7.8 und 7.16), wovon auch die GDK-Plenarver­sammlung bei der Verabschiedung des IVHSM-Berichts ausgegangen ist (s. E. 3.2.2.5). Nicht zulässig ist jedoch die Beschwerdeerhebung nach Art. 53 Abs. 1 KVG in Verbindung mit Art. 33 Bst. i VGG ans Bundes­verwaltungsgericht, zumal sich der Vereinbarungskanton die Entscheide des Beschlussorgans als eigene Verwaltungsakte anzurechnen lassen hat, die Entscheide dem Vereinbarungskanton auch keine direkten (klag­baren) Rechte und Pflichten einräumen beziehungsweise auferlegen (vgl. Kiener, a.a.O.; Abderhalden, a.a.O., S. 106) und auch nicht die Klage ans Bundesverwaltungsgericht nach Art. 35 VGG offensteht. Dies ergibt sich ohne Weiteres auch daraus, dass im ordentlichen Spitallistenverfah­ren eine Beschwerdeerhebung des Kantons gegen seine eigenen Be­schlüsse undenkbar wäre.

3.2.2.7     Nicht gefolgt werden kann im Übrigen der Meinung der Vorin­stanz in einem weiteren Verfahren vor Bundesverwaltungsgericht betref­fend die Planung der hochspezialisierten Medizin im Bereich der grossen seltenen viszeralchirurgischen Eingriffe, wonach Art. 11 IVHSM auf die Beschwerde eines Mitgliedskantons nicht anwendbar sei, da das Verfah­ren, das letztinstanzlich ans Bundesgericht führe, nicht zu einem Ent­scheid in der Sache führe. Einerseits erklärt das Beschlussorgan den Art. 11 IVHSM und in Verbindung dazu die Art. 31 ff. IRV für die Beile­gung von Differenzen aus der Vereinbarung ohne Weiteres für anwendbar und sind diese Bestimmungen für eine Streitschlichtung (Art. 11 Abs. 1 IVHSM) und eine Streitbeilegung (Art. 11 Abs. 2 IVHSM) nach dem in der IRV vorgesehenen Verfahren geeignet. Anderseits ist weder dem Wortlaut von Art. 11 IVHSM noch dem IVHSM-Bericht zur genannten Bestimmung eine solche Einschränkung zu entnehmen. Die Vorinstanz führt selber aus, es handle sich in der IVHSM um einen « allgemeinen Streitbeilegungsmechanismus ». Soweit es zum Streit zwischen einem Mitgliedskanton und dem interkantonalen Organ kommt, handelt es sich zudem ohne Weiteres um eine Differenz der Vereinbarungskantone in der Anwendung der Vereinbarung, zumal sich die übrigen Vereinbarungs­kantone mit der Kompetenzdelegation mit den Handlungen des Be­schlussorgans einverstanden erklären und damit entgegen der Ansicht der Vorinstanz eine Differenz zwischen Kantonen in der Anwendung der Vereinbarung vorliegt. Inwiefern durch das Bundesgericht auf Klage hin kein Entscheid in der Sache herbeigeführt werden kann, wird von der Vorinstanz nicht dargetan. Nichts anderes lässt sich zudem aus der bis­herigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts und BVGE 2012/9 entnehmen, zumal diese für die Frage der Beschwerdelegitima­tion eines Kantons (vertreten durch den Regierungsrat) nicht einschlägig sind. Ebenso wenig ist der von der Vorinstanz zitierten Praxis des Bun­desrates mangels vergleichbarer Sachlage hierzu eine Antwort zu entneh­men.

3.2.2.8     Dem (freiwillig) der Vereinbarung beigetretenen Kanton bliebe im Falle abweichender Meinung über die Auslegung und Anwendung des Konkordats, das dem Beschlussorgan Vollzugskompetenzen einräumt (vgl. Art. 3 Abs. 3 und 4 IVHSM), schliesslich die Möglichkeit, von der interkantonalen Vereinbarung zurückzutreten (Art. 13 Abs. 2 f. IVHSM; Häfelin/Haller/Keller, a.a.O., Rz. 1300). Ausserdem nehmen die Vereinbarungskantone, sollten sie feststellen, dass eine Anpassung der Vereinbarung erforderlich ist, entsprechende Verhandlungen auf. Auf Antrag von drei Vereinbarungskantonen leitet die GDK die Anpassung der Vereinbarung ein (Art. 17 Abs. 1 Sätze 1 und 2 IVHSM).

3.2.2.9     Vorliegend ist festzustellen, dass der Regierungsrat des Kantons Glarus auf Erlass der fünf Beschlüsse vom 4. Juli 2013, publiziert am 10. September 2013, im Bereich der grossen seltenen viszeralchirurgi­schen Eingriffe direkt mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde vom 2. Okto­ber 2013 an das Bundesverwaltungsgericht gelangt ist und in seiner Be­schwerde um Aufhebung des angefochtenen Entscheides ersucht. Eine Streitschlichtung im Rahmen der IVHSM und/oder der IRV hat nicht stattgefunden, solches wurde auch nicht geltend gemacht.

3.3                (...)

3.4                Zusammenfassend ist somit festzuhalten, dass der Kanton weder gestützt auf Bundesrecht noch auf Konkordatsrecht dazu legitimiert ist, gegen den angefochtenen Beschluss Beschwerde beim Bundesverwal­tungsgericht zu erheben. Dieses tritt deshalb, wegen funktioneller Unzu­ständigkeit, auf die Beschwerde vom 2. Oktober 2013 nicht ein.

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kantonales rechtsmittel
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verfahren
regierungsrat
zuständigkeit
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