1.
Prozessvoraussetzungen (...)
2.
Beschwerdegründe und vorgeworfenes Verhalten
2.1
Zulässigkeit der Beschwerdegründe
Zur Begründung ihres Antrags auf Aufhebung der angefochtenen Verfügung
bringt die Beschwerdeführerin eine Vielzahl formeller wie auch materieller Rügen vor:
Einerseits
beklagt sie eine Verletzung ihres Anspruchs auf eine EMRK-konforme Behandlung der Streitsache,
welche auch das Bundesverwaltungsgericht nicht « heilen » könne,
sowie eine in mannigfacher Weise erfolgte Verletzung ihres Anspruchs auf rechtliches Gehör. Andererseits
rügt die Beschwerdeführerin, die Vorinstanz habe in wesentlichen Fragen auf eine
gewissenhafte Beweisführung verzichtet und sich weitgehend auf blosse Behauptungen und Vermutungen
gestützt und daher die tatsächlichen Voraussetzungen für die Verhängung einer Kartellsanktion
nicht nachweisen können. Überdies habe die Vorinstanz das massgebliche Recht in jeder
Hinsicht fehlerhaft angewendet.
In den folgenden
E. 3 ff. ist auf die einzelnen Rügen einzugehen, zumal sich diese an den Rahmen der zulässigen
Beschwerdegründe von Art. 49
des Verwaltungsverfahrensgesetzes vom 20. Dezember
1968 (VwVG, SR
172.021) halten.
Da die Vorinstanz
in der angefochtenen Verfügung gleichzeitig zwei unterschiedliche Positionen zu den angeblichen
Opfern des der Beschwerdeführerin vorgeworfenen Ausbeutungsmissbrauchs zu vertreten scheint,
ist vorab kurz auf die entsprechende Kritik der Beschwerdeführerin einzugehen.
2.2
Das der Beschwerdeführerin vorgeworfene Verhalten
2.2.1
Die Beschwerdeführerin bemängelt, die
Vorinstanz habe in der angefochtenen Verfügung die als missbräuchlich erachteten Verhaltensweisen
nirgends eindeutig substantiiert, sondern « wechselnde Vorwürfe » erhoben,
was auf die « sprunghafte Entstehungsgeschichte » der angefochtenen Verfügung
und deren unsorgfältige Redaktion zurückzuführen sei:
-
Sie werfe der Beschwerdeführerin
vor, ihre marktbeherrschende Stellung missbraucht zu haben, « indem sie nach Art. 7
Abs. 2 lit. c
KG unangemessene Terminierungsgebühren von anderen FDA » erzwungen
habe (vgl. Dispositiv-Ziff. 2 der angefochtenen Verfügung);
-
ein Missbrauch habe auf der « Wholesale-Ebene »
stattgefunden und sich « auf die Endkunden » ausgewirkt (vgl. Verfügung Ziff. 345);
-
die Beschwerdeführerin habe
« mit den überhöhten Terminierungsgebühren die Endkunden der FDA, die
eine Terminierung in das MF-Netz von SCM nachfragten, ausgebeutet » (vgl. Verfügung Ziff. 371);
-
die Beschwerdeführerin habe
sich unzulässig verhalten, « indem sie [...] gemäss Art. 7 Abs. 2 lit. c
KG unangemessene Preise [...] verlangt und damit die Endkunden der Marktgegenseite im Sinne
von Art. 7 Abs. 1
KG » ausgebeutet habe (vgl. Verfügung Ziff. 379).
Unklar sei, welches Verhalten ihr überhaupt vorgeworfen werde: (1.)
eine missbräuchliche Verhaltensweise auf der « Wholesale- und/oder Retail-Ebene »
oder (2.) eine Ausbeutung oder Behinderung der Anbieterinnen von Fernmeldediensten, der Mobilfunkanbieterinnen
oder der Endkunden der anderen FDA. Eine Auslegung des Dispositivs im Lichte der Erwägungen
führe zu keinem eindeutigen Ergebnis.
2.2.2
Die Vorinstanz widerspricht dieser
Darstellung in ihrer Vernehmlassung vom 18. Juni 2007. Die angefochtene Verfügung sei
eindeutig: Der Beschwerdeführerin werde die Benachteiligung der Marktgegenseite durch
das Erzwingen unangemessener Preise vorgeworfen. Die kritisierten Unklarheiten und Inkonsistenzen bestünden
nicht. Es sei bewiesen worden, dass die Beschwerdeführerin ihre marktbeherrschende Stellung
missbraucht habe, indem sie von anderen FDA unangemessene « Terminierungsgebühren »
erzwungen habe. Ob die Vertragspartner die Nachteile auf ihre Kunden überwälzt hätten,
liege ausserhalb des Einflussbereichs eines marktbeherrschenden Unternehmens und spiele kartellrechtlich
keine Rolle. Darum sei letztlich nicht ausschlaggebend, ob die Anbieterinnen von Fernmeldediensten oder
die Endkunden überhöhte Preise bezahlt hätten. Dies sei kein Tatbestandselement
von Art. 7 Abs. 1
KG, sondern eine Folge der Ausbeutung, welche die Beschwerdeführerin
begangen habe.
2.2.3
Im Sinne der überzeugenden
Ausführungen der Vorinstanz, welche vom klaren Wortlaut der Dispositiv-Ziff. 2 der angefochtenen
Verfügung gestützt werden, ist davon auszugehen, dass der Beschwerdeführerin
einzig vorgeworfen wird, sie habe im relevanten Zeitraum (bis 31. Mai 2005) ihre angeblich
marktbeherrschende Stellung dazu missbraucht, im Sinne von Art. 7 Abs. 2 Bst. c
KG von anderen Anbieterinnen von Fernmeldediensten (d. h. vorab von Sunrise und Orange) unangemessene
Terminierungspreise zu erzwingen. Deshalb wurde sie gestützt auf Art. 49
a
Abs. 1 KG (i. V. m. Art. 7 Abs. 2 Bst. c
KG) mit einem « Betrag »
von CHF 333'365'685.- « belastet » (vgl. Dispositiv-Ziff. 3
der angefochtenen Verfügung).
Dem scheint entgegenzustehen, dass die Vorinstanz insbesondere in der Ziff. 271
der angefochtenen Verfügung festhält,
die überhöhten
« Mobilterminierungsgebühren »
hätten sich negativ auf die Endkunden der Marktgegenseite ausgewirkt, indem Anbieterinnen von Fernmeldediensten
in der Regel die unangemessenen Terminierungspreise auf ihre Endkunden abgewälzt hätten,
womit diese die « primär Geschädigten » seien (vgl. dazu auch Verfügung
Ziff. 268, 271, 287, 306, 345, 347 [mit der Einschränkung « hauptsächlich »],
367, 371, 379, 410, 414).
Diese
Sicht hat die Vorinstanz in ihrer
Vernehmlassung vom 18. Juni 2007 (...) korrigiert und überzeugend dargelegt, dass
die FDA als Marktgegenseite (und damit implizit als die primär Geschädigten) anzusehen
seien, welche allenfalls die Möglichkeit hätten, die ihnen zugefügten Nachteile
abzuwälzen (auf Kosten von Zulieferern oder Kunden bzw. Endverbrauchern).
Insofern
scheinen die von der Beschwerdeführerin zu Recht beklagten Unklarheiten einerseits Folge eines redaktionellen
Versehens zu sein, das sich durch den langwierigen Entstehungsprozess der Verfügung (15. Oktober
2002 [Eröffnung der Untersuchung] bis 5. Februar 2007 [Erlass der angefochtenen Verfügung])
teilweise erklären lässt. Angesichts der hohen technischen und ökonomischen Komplexität
der zur Beurteilung stehenden Netzwerkverhältnisse hatte die Vorinstanz in der Anfangsphase
die Stossrichtung ihrer Untersuchung vorab auf das allfällige Bestehen missbräuchlicher
Absprachen (Art. 5
f. KG) gerichtet (...), weshalb natürlich der Endkunde als
benachteiligte Seite in den Vordergrund rückte. Wie die Beschwerdeführerin indessen zu
Recht rügt, hätte die Vorinstanz im Lichte ihres konzeptionell neu formulierten Vorwurfs (Preisausbeutung
nach Art. 7 Abs. 1
[i. V. m. Abs. 2 Bst. c] KG) die Ziff. 268,
271, 287, 306, 345, 347, 367, 371, 379, 410, 414 der angefochtenen Verfügung entsprechend
anpassen müssen.
Indes kommt
dieser redaktionellen Unsorgfalt für die Beurteilung des vorliegenden Falles keine erhebliche Bedeutung
zu. In diesem Sinne ist den nachfolgenden Erörterungen die zuletzt vertretene Sichtweise der Vorinstanz
zu Grunde zu legen, welche von einem angeblichen « Ausbeutungsmissbrauch zu Lasten anderer
Fernmeldedienstanbieter » (d. h. primär zu Lasten von Sunrise und Orange) ausgeht.
2.2.4
Angesichts der unbestrittenen Standpunkte
der Vorinstanz und der Beschwerdeführerin ist der Streitgegenstand des vorliegenden Verfahrens
nach zwei Richtungen hin abzugrenzen:
Obwohl
im Rahmen der Eröffnung der Untersuchung in der amtlichen Publikation der Verdacht auf unzulässige
Wettbewerbsabreden
erwähnt worden war (vgl. BBl 2002 6827, [...]), wird in
der angefochtenen Verfügung weder der Beschwerdeführerin
noch anderen Anbieterinnen von Fernmeldediensten vorgeworfen, die Mobilterminierungspreise
in unzulässiger Weise untereinander abgesprochen
zu haben (im Sinne einer Wettbewerbsabrede gemäss Art. 5
KG). Die Vorinstanz hat diesen
Anfangsverdacht nicht weiter verfolgt, nachdem sie auf der Infrastrukturebene
keine Wettbewerbsabrede erkennen konnte, sondern ein Problem des strukturell anders gearteten Marktmachtmissbrauchs
ortete. Deshalb sind allfällige Abreden auf der Infrastrukturebene von vornherein nicht Gegenstand
des vorliegenden Verfahrens, ebenso wenig wie allfällige Abreden auf der nachgelagerten Dienstleistungsebene.
Solche bildeten auch nicht Gegenstand des Untersuchungsverfahrens.
Ebenfalls nicht zu prüfen ist die
Frage, ob die Beschwerdeführerin mit ihrer Preissetzung im Bereich der Terminierung ihre Konkurrentinnen,
Orange und Sunrise, in der Ausübung des Wettbewerbs (auf Dienstleistungsebene)
behindert habe. Die Vorinstanz verneint diese Frage in den Ziff. 367-370
der angefochtenen Verfügung mit einlässlichen Argumenten. Hinweise auf einen Behinderungsmissbrauch
liegen nicht vor, weshalb auf diese unbestrittene Sachlage nicht zurückzukommen ist.
Im Streit liegt daher einzig der Ausbeutungsmissbrauch, den die Beschwerdeführerin
auf der Infrastrukturebene angeblich zum Nachteil ihrer Konkurrentinnen begangen haben soll (vgl. E. 11 f.).
3.
Anwendbares Recht
(...)
4.
Rüge der Verletzung von Art. 7
EMRK
Wie bereits
erwähnt, wird nach Art. 49
a
Abs. 1 erster Satz KG (direkte Sanktionierung) ein Unternehmen, das sich insbesondere nach
Art. 7
KG unzulässig verhält,
mit einem Betrag bis zu 10 % des in den letzten drei Geschäftsjahren in der Schweiz erzielten
Umsatzes belastet. Der Betrag bemisst sich nach der Dauer und der Schwere des unzulässigen
Verhaltens (Art. 49
a
Abs. 1 KG dritter Satz). Der mutmassliche Gewinn, den das Unternehmen dadurch erzielt
hat, ist angemessen zu berücksichtigen (Art. 49
a
Abs. 1 KG vierter Satz).
Unter der
Marginalie « Keine Strafe ohne Gesetz » hält Art. 7 Abs. 1
erster Satz
der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK, SR
0.101) (...) fest:
« Niemand
darf wegen einer Handlung oder Unterlassung verurteilt werden, die zur Zeit ihrer Begehung nach innerstaatlichem
oder internationalem Recht nicht strafbar war. »
4.1
Die Rügen der Beschwerdeführerin zu Art. 7
Abs. 1
EMRK
Anknüpfend
an die letztgenannte Bestimmung macht die Beschwerdeführerin zweierlei geltend:
Einerseits
erachtet sie zur Hauptsache die Tatbestandsseite
von Art. 49
a
Abs. 1 erster Satz KG als zu unbestimmt, weshalb sie angesichts der angeblich objektiv unklaren
Rechtslage den sanktionsbedrohten Verstoss nicht habe voraussehen können (vgl. E. 4.1.1). Andererseits
bemängelt sie, dass keine hinreichende Klarheit über die Rechtsfolgen
bestehe (vgl. E. 4.1.2).
4.1.1
Zur angeblich unzulässigen Unbestimmtheit des Tatbestands führt
die Beschwerdeführerin an, das Bestimmtheitsgebot nulla poena sine lege certa ergebe sich
aus dem Gebot der Rechtssicherheit und dem Legalitätsprinzip. Die Sanktionierung von gesetzwidrigem
Verhalten bezwecke Prävention und Repression. Dies wiederum setze vorwerfbares Verhalten voraus.
Ein solches sei nur dann strafwürdig, wenn die Rechtslage objektiv klar gewesen sei und dem
Täter subjektiv vorgeworfen werden könne, dass er diese Rechtslage missachtet habe.
Der Grad an Bestimmtheit einer Norm müsse umso höher sein, je
gravierender sich die Rechtsfolgen auswirkten. Die genügende Klarheit einer Gesetzesbestimmung
könne sich aus ihrem Wortlaut sowie aus behördlicher Fallpraxis ergeben. Blieben jedoch
der Anwendungsbereich und der Inhalt einer Norm auch unter Berücksichtigung behördlicher Fallpraxis
unklar, dürfe wegen eines Normverstosses keine Sanktion ausgefällt werden, wie im massgebenden
BGE 125 IV 35 festgehalten werde. Deshalb müsse eine Sanktion objektiv voraussehbar sein.
Art. 7 Abs. 2 Bst. c
KG,
der die « Erzwingung unangemessener Preise » für unzulässig erklärt
und vom Verweis in Art. 49
a
Abs. 1 erster Satz KG mitumfasst wird, bezeichne als unzulässige Verhaltensweise
pauschal die « Erzwingung unangemessener Preise », definiere aber nicht näher,
was unter « Erzwingung » oder unter « unangemessen » zu verstehen
sei. Insbesondere würden keinerlei Kriterien für die « Unangemessenheit »
genannt. Somit lasse der Gesetzestext von Art. 7
KG allein noch nicht hinreichend klar erkennen,
wann eine Sanktion zu erwarten sei - im Unterschied zum Normtext von Art. 5 Abs. 3
und 4
KG, den der Gesetzgeber bei der Einführung direkter Sanktionen vor Augen gehabt habe.
Da nach revidiertem KG keine konkretisierenden Verfügungen mehr ergingen, könne
sich die nötige Klarheit nur aus einer bereits bestehenden behördlichen Praxis ergeben. Indes
bestehe für den vorliegenden Fall zu Art. 7 Abs. 2 Bst. c
KG bis heute keine einschlägige
Fallpraxis.
Bereits die Gutachter Prof. Dr. iur. René Rhinow
und Dr. iur. András A. Gurovits (vgl. RPW 2001/3 S. 602 ff.)
hätten die Anknüpfung direkter Sanktionen an den Missbrauchstatbestand von Art. 7
KG - ohne die Möglichkeit einer vorgängigen Klarstellung der Rechtslage - für
verfassungsrechtlich bedenklich gehalten. Jedoch habe sie (als betroffenes Unternehmen) über
dieses Korrektiv, die Rechtslage vorgängig klären zu lassen, damals nicht verfügt. Denn
bei den strittigen « Terminierungsgebühren » sei es nicht um einen künftigen
Sachverhalt gegangen, wie dies das Meldeverfahren nach Art. 49
a
Abs. 3 KG voraussetze. Daher habe sie am 1. April 2004 eine Meldung gemäss Übergangsbestimmung
zum revidierten KG eingereicht, welche das Bundesgericht im Urteil 2A.289/2005 vom 8. Juni 2006
entgegen dem Entscheid der REKO/WEF nicht als sanktionsbefreiende Meldung anerkannt habe.
Trotz dieser Entwicklung sei bis heute unklar, welche « Terminierungsgebühr »
« angemessen » sei, was selbst die Vorinstanz einräume. Sie habe deshalb angesichts
zweier Entscheide der Eidgenössischen Kommunikationskommission (ComCom) ihre « Terminierungsgebühren »
für angemessen halten dürfen. Am 29. April 1999 habe die ComCom auf Begehren von Sunrise
(damals diAx) einen markt- und branchenüblichen Preis für nationale Terminierung von 47 Rp./Min.
errechnet und vorsorglich festgelegt. Am 3. April 2001 habe die ComCom auf Gesuch von Sunrise
hin eine « Terminierungsgebühren »-Differenz von 10 % festgelegt.
An diese behördlichen Rahmenvorgaben habe sie sich danach gehalten, weshalb sie ihr Verhalten
als zulässig habe betrachten dürfen. Auch die Vorinstanz erachte ein Verhalten für nicht
rechtswidrig, wenn es behördlichen Vorgaben folge. Ferner habe die bisherige Fallpraxis nicht
erkennen lassen, dass « Terminierungsgebühren » an ausländischen,
kaufkraftsparitätslosen Vergleichswerten zu messen seien. Insbesondere habe nicht damit gerechnet
werden müssen, die kartellrechtliche Angemessenheit der strittigen « Terminierungsgebühr »
würde sektorspezifisch anhand von ex-ante regulierten Ordnungen überprüft.
In Europa gebe es kein einziges kartellrechtliches ex-post-Verfahren, das sich mit der Frage der « Terminierungsgebühren »
auseinandergesetzt hätte. Sämtliche Entscheide seien von Regulierungsbehörden gestützt
auf sektorspezifische Regulierungen getroffen worden. Insofern habe entgegen den Behauptungen
der Vorinstanz eine einschlägige Fallpraxis gefehlt.
Somit habe sie in guten Treuen annehmen dürfen, zur Frage der Angemessenheit
ihrer « Terminierungsgebühr » würden ausländische Vergleichswerte
aus nichtregulierten Ordnungen sowie die Kaufkraftparität berücksichtigt. So gesehen habe die
strittige « Terminierungsgebühr » im europäischen Mittel gelegen,
weshalb nicht ersichtlich gewesen sei, dass die « Terminierungsgebühr »
unangemessen sein könnte. Dies aber schliesse nach dem Bestimmtheitsgebot eine Sanktion aus.
4.1.2
Neben diesen tatbestandsbezogenen Rügen macht die Beschwerdeführerin ferner geltend,
das Bestimmtheitsgebot gelte auch für die in einer Rechtsnorm vorgesehene Rechtsfolge,
die für den Normadressaten vorhersehbar sein müsse.
Im vorliegenden Fall bestehe jedoch nicht die nötige Klarheit über
die drohende Sanktion. Art. 49
a Abs. 1 KG setze nur
deren Obergrenze bei « 10 % des in den letzten drei Geschäftsjahren in der Schweiz
erzielten Umsatzes » an und führe als Bemessungskriterien nur die Dauer und die Schwere
des inkriminierten Verhaltens sowie den mutmasslich erzielten Gewinn an. Damit ergebe sich ein
exorbitanter, unverhältnismässiger und abstrakter Strafrahmen von null bis rund drei Milliarden
Franken und damit ein beispielloser Ermessensspielraum der Vorinstanz. Daher könne nicht von einer
klaren Rechtsfolge gesprochen werden. Hinzu komme, dass sich der KG-Sanktionsverordnung vom 12. März
2004 (SVKG, SR
251.5) (...) keine brauchbaren Kriterien entnehmen liessen. Die in Art. 3
SVKG
genannte « Schwere des Verstosses » sei als verschärfendes Element völlig
unbestimmt und unberechenbar. Nach Art. 4
SVKG sei aufgrund der Dauer des Verstosses ein Zuschlag
« bis zu » einem bestimmten Prozentsatz zu berechnen. Nach welchen Kriterien
dieser Zuschlag innerhalb dieses Rahmens festzulegen sei, werde nicht erklärt.
4.2
Die angefochtene Sanktion als « strafrechtliche Anklage »
Die als « Betrag » bezeichnete Sanktion, mit der die
Beschwerdeführerin « belastet » wurde, kommt unbestrittenermassen einer « strafrechtlichen
Anklage » gleich, weshalb sie Strafcharakter im Sinne von Art. 6 Abs. 1
EMRK hat
(vgl. BGE 135 II 60 E. 3.2.3; Urteil des Bundesverwaltungsgerichts B-4037/2007 vom 29. Februar
2008 E. 4.3 mit weiteren Hinweisen; vgl. Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte
[EGMR], Lilly France S.A. gegen Frankreich, Zulässigkeitsentscheid
vom 3. Dezember 2002, S. 9 Ziff. 2, sowie EGMR, Urteil
Dubus S. A. gegen Frankreich vom 11. Juni 2009, Ziff. 35; zu den einschlägigen
EMRK-Kriterien vgl. EGMR, Mamidakis gegen Griechenland,
Urteil vom 11. Januar 2007 Ziff. 20 f.; EGMR, Malige
gegen Frankreich, Urteil vom 23. September 1998, Ziff. 34 ff.; EGMR, Weber
gegen Schweiz, Urteil vom 22. Mai 1990, Ziff. 29 ff.; BGE 134 I 140 E. 4.2;
zum KG vgl. Botschaft des Bundesrates vom 7. November 2001 über die Änderung
des Kartellgesetzes [BBl 2002 2022, 2052, nachfolgend: Botschaft zum KG 2001]; Yvo
Hangartner, Aspekte des Verwaltungsverfahrensrechts nach dem revidierten Kartellgesetz
von 2003, in: Zäch/Stoffel [Hrsg.], Kartellgesetzrevision 2003 - Neuerungen und Folgen, Zürich
2004, S. 269 f., nachfolgend: Aspekte; Christof
Riedo/Marcel Alexander Niggli, Verwaltungsstrafrecht, Teil 1: Ein Märchen, eine Lösung,
ein Problem und ein Beispiel, in: Häner/Waldmann [Hrsg.], Verwaltungsstrafrecht und
sanktionierendes Verwaltungsrecht, Zürich/Basel/Genf 2010, S. 41 ff.,
sowie Marcel Alexander Niggli/Christof Riedo, Verwaltungsstrafrecht, Teil
2: Eine Lösung, viele Probleme, einige Beispiele und kein Märchen, in: Häner/Waldmann
[Hrsg.], Verwaltungsstrafrecht und sanktionierendes Verwaltungsrecht, Zürich/Basel/Genf
2010, S. 57 ff.; Christoph Tagmann, Die direkten Sanktionen nach
Art. 49a Abs. 1
Kartellgesetz, Zürich 2007, S. 85; Pieter van
Dijk/Fried van Hoof/Arjen van Rijn/Leo Zwaak, Theory and Practice of the European Convention on
Human Rights, 4. Aufl., Antwerpen/Oxford 2006, S. 539 ff.; Daniel
Zimmerli, Zur Dogmatik des Sanktionssystems und der « Bonusregelung »
im Kartellrecht, Bern 2007, S. 449 ff.).
Aus diesem Grunde fällt die hier aufgeworfene Fragestellung auch in
den Geltungsbereich von Art. 7
EMRK, den die Beschwerdeführerin ratione personae rügen
kann (vgl. BGE 128 I 346 E. 3.2; Mark E. Villiger, Handbuch der Europäischen
Menschenrechtskonvention [EMRK] unter besonderer Berücksichtigung der Schweizerischen Rechtslage,
2. Aufl., Zürich 1999, Rz. 534 bzw. 101). Dem
steht der Umstand nicht entgegen, dass die Beschwerdeführerin als spezialgesetzliche Aktiengesellschaft
mit dem Bund als Mehrheitsaktionär organisiert ist (Art. 2
und Art. 6
des Telekommunikationsunternehmungsgesetzes
vom 30. April 1997 [TUG, SR
784.11]), zumal sie im fraglichen Bereich der Mobilfunkterminierung
keine staatliche Hoheitsgewalt ausübt und deshalb als « nichtstaatliche Organisation »
im Sinne von Art. 34
EMRK parteifähig ist (vgl. Christoph Grabenwarter,
Europäische Menschenrechtskonvention, 4. Aufl., München/Basel/Wien 2009, § 13
N. 10, S. 51 f. und § 17 N. 5, S. 102 mit weiteren Hinweisen).
4.3
Zur Tragweite von Art. 7 Abs. 1
erster Satz EMRK im Allgemeinen
Art. 7
EMRK statuiert den Grundsatz, wonach Straftaten und Strafsanktionen
durch Gesetz umschrieben werden müssen (vgl. EGMR, Kokkinakis
gegen Griechenland, Urteil vom 25. Mai 1993, Ziff. 52; Joachim
Renzikowski, in: Wolfram Karl [Hrsg.], Internationaler Kommentar zur Europäischen
Menschenrechtskonvention, Köln/Berlin/München 2009, Rz. 2 zu Art. 7
EMRK; Niggli/Riedo,
a. a. O., S. 55). Dies gilt auch hinsichtlich direkter Sanktionen nach Art. 49
a
Abs. 1 KG, denen auch Strafcharakter zukommt (vgl. E. 4.2 mit weiteren Hinweisen).
4.3.1
Diese wesentliche Rechtsstaatsgarantie,
wonach jede Strafe auf Gesetz beruhen muss, soll den Einzelnen die Grenzen seiner Freiheit erkennen und
ausüben lassen (vgl. Louis-Edmond Pettiti/Emmanuel Decaux/Pierre-Henri
Imbert, La Convention européenne des droits de l'homme. Commentaire
article par article, 2. Aufl., Paris 1999, S. 294 f.; Renzikowski,
a. a. O., Rz. 5 und 52 ff. zu Art. 7
EMRK). Insofern soll vermieden werden,
dass eine Strafverurteilung im Sinne von Art. 6 Abs. 1
erster Satz EMRK auf eine Gesetzesnorm
gestützt wird, die eine Person nicht zumindest hätte kennen können (vgl. EGMR, Urteil
S.W. und C.R. gegen Vereinigtes Königreich vom 22. November
1995, Ziff. 35;
van Dijk/van Hoof/van Rijn/Zwaak, a. a. O.,
S. 654). Dabei variieren
die Anforderungen an ein Gesetz nach verschiedenen Kriterien: Ob es hinreichend bestimmt und klar ist,
hängt nach dem EGMR vom Rechtsgebiet, von der Zahl und vom Status der Adressaten ab. Insofern können
technische oder relativ unbestimmte Begriffe insbesondere im Wirtschaftsrecht noch die Bestimmtheitserfordernisse
erfüllen, während beispielsweise bei risikobehafteten Tätigkeiten von den Betroffenen
erwartet werden kann, dass sie besondere Sorgfalt aufbringen, um die Folgen ihres Verhaltens
abschätzen zu können (vgl. EGMR, Cantoni gegen Frankreich,
Urteil vom 15. November 1996, Ziff. 35;
Pettiti/Decaux/Imbert, a. a. O.,
S. 296; Renzikowski, a. a. O.,
Rz. 53 zu Art. 7
EMRK).
4.3.2
In diesem Zusammenhang lässt der EGMR richterliche Rechtsfortbildung nur in den Grenzen
der Vorhersehbarkeit zu (vgl. EGMR, Cantoni gegen Frankreich,
Urteil vom 15. November 1996, Ziff. 29 ff.; Renzikowski,
a. a. O., Rz. 58 zu Art. 7
EMRK; Villiger, a. a. O.,
Rz. 536). Zu beachten ist aber, dass Art. 7
EMRK kein Verbot einer schrittweise erfolgenden
Klärung der Vorschriften über die strafrechtliche Verantwortlichkeit durch richterliche Auslegung
enthält. Diesbezüglich muss die Rechtsprechung aber in sich widerspruchsfrei
und ihre Entwicklung mit dem Wesen des Straftatbestands vereinbar und ausreichend voraussehbar
sein (vgl. EGMR, Streletz, Kessler und Krenz gegen Deutschland,
Urteil vom 22. März 2001, Ziff. 50; Grabenwarter, a. a. O.,
§ 24 N. 137, S. 400; Arthur Haefliger/Frank Schürmann,
Die Europäische Menschenrechtskonvention und die Schweiz, 2. Aufl., Bern 1999,
S. 244 ff.; Renzikowski, a. a. O., Rz. 11, 43 ff.
zu Art. 7
EMRK).
4.3.3
Allerdings lässt sich im Einzelfall eine unzulässige Rechtsfortbildung
nur schwer von einer zulässigen Änderung der Rechtsprechung abgrenzen, welche auf entsprechender
gesetzlicher Auslegung beruht (vgl. Grabenwarter,
a. a. O., § 24 N. 132, S. 397 mit Beispielen). Daher wird in der
Praxis dem in Art. 7
EMRK (neben dem Gesetzmässigkeitsprinzip) ebenfalls angelegten
Bestimmtheits- und Klarheitsgebot Genüge getan, wenn dem Wortlaut der jeweiligen Vorschrift,
soweit erforderlich mit Hilfe der Auslegung durch die Gerichte, zu entnehmen ist, für welche
Handlungen und Unterlassungen der Einzelne strafrechtlich zur Verantwortung gezogen werden
kann (vgl. EGMR, Scoppola gegen Italien,
Urteil vom 17. September 2009,
Ziff. 99 ff., EGMR, Cantoni gegen Frankreich,
Urteil vom 15. November 1996, Ziff. 29, EGMR, Veeber
gegen Estland, Urteil vom 21. Januar 2001, Ziff. 31 ff.;
Grabenwarter, a. a. O.,
§ 24 N. 137, S. 400; van Dijk/van Hoof/van Rijn/Zwaak,
a. a. O., S. 654 f.). Insofern haben nationale Gerichte keine « autonome
Auslegung » nationaler Gesetze durch den EGMR zu befürchten, zumal sich dieser grösste
Zurückhaltung auferlegt, wenn er Normen prüft, welche als « zu unbestimmt »
kritisiert werden (vgl. EGMR, Custers,
Deveaux and Turk gegen Dänemark,
Urteil vom 3. Mai 2007, Ziff. 76 ff.; Jens Meyer-Ladewig,
Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten, 2. Aufl., Baden-Baden 2006, N. 6 f.
zu Art. 7
EMRK; van
Dijk/van Hoof/van Rijn/Zwaak, a. a. O.,
S. 654 f.; Villiger,
a. a. O., Rz. 538).
4.3.4
Eine Einschränkung hat die Tragweite von Art. 7
EMRK in
der Rechtsprechung des EGMR zum sogenannten « Mauerschützenfall » erfahren,
wo eine Verurteilung als vorhersehbar erachtet worden ist, obschon die menschenrechtswidrige staatliche
Praxis für die Dauer
und Gültigkeit der massgeblichen Rechtsordnung jegliche Strafbarkeit (von Tötungshandlungen
an der ehemaligen DDR-Grenze) ausschloss (vgl. EGMR, Streletz,
Kessler und Krenz gegen Deutschland, Urteil vom 22. März
2001, Ziff. 77 ff.; Stephan Breitenmoser/Boris Riemer/Claudia
Seitz, Praxis des Europarechts - Grundrechtsschutz, Zürich/Köln/Wien
2006, S. 47 f.; Grabenwarter,
a. a. O., § 24 N. 138, S. 400 f.; Anne
Peters, Einführung in die Europäische Menschenrechtskonvention,
München 2003, S. 145 ff.; Renzikowski,
a. a. O., Rz. 78 ff. zu Art. 7
EMRK).
4.3.5
Der EGMR prüft jedoch nicht, ob sich der Betroffene strafbar
gemacht hat, was Sache der nationalen Gerichte ist (vgl. EGMR, Streletz,
Kessler und Krenz gegen Deutschland,
Urteil vom 22. März 2001, Ziff. 49), sondern nur, ob
zur Tatzeit eine hinreichend bestimmte Gesetzesvorschrift bestand, welche die Tat strafbar
machte, und ob die auferlegte Strafe die von dieser Vorschrift bestimmten Grenzen überschritten
hat (vgl. EGMR, Gabarri Moreno gegen Spanien,
Urteil vom 22. Juli 2003, Ziff. 22 ff., Ziff. 33; Meyer-Ladewig,
a. a. O., N. 7 zu Art. 7
EMRK; Renzikowski,
a. a. O., Rz. 60 zu Art. 7
EMRK; van Dijk/van Hoof/van
Rijn/Zwaak, a. a. O., S. 656).
In seiner Rechtsprechung zur Rechtsfolgeseite
beschäftigt sich der EGMR mit angeblichen Fehlern bei der Strafzumessung, also mit der Frage, ob
die konkret erfolgte Strafzumessung dem gesetzlich vorgesehenen Strafrahmen entspricht
(vgl. EGMR, Scoppola gegen Italien,
Urteil vom 17. September 2009, Ziff. 95, EGMR, Gabarri
Moreno gegen Spanien, Urteil vom 22. Juli 2003, Ziff. 25,
EGMR, Zulässigkeitsentscheid Uttley gegen
Grossbritannien vom 29. November 2005, EGMR, Wedenig
gegen Österreich, Zulässigkeitsentscheid vom 14. Dezember
1999, S. 3 f.). Insofern verlangt das Bestimmtheitsgebot nicht, dass das genaue Mass der Strafe
oder ein abschliessender Katalog von Alternativen gesetzlich festgelegt sein müssten (vgl.
van Dijk/van Hoof/van Rijn/Zwaak, a. a. O.,
S. 656). Soweit nur Strafmaxima gesetzlich vorgesehen sind, wissen die Betroffenen, welche
Maximalstrafe sie bei einem Normverstoss zu erwarten haben (vgl. EGMR, Gabarri
Moreno gegen Spanien, Urteil vom 22. Juli 2003, Ziff. 33;
Renzikowski, a. a. O., Rz. 54
zu Art. 7
EMRK). Nach van Dijk/van Hoof/van Rijn/Zwaak
scheint Art. 7 Abs. 1
erster Satz EMRK auch nicht auszuschliessen, dass der Strafgesetzgeber
den Verstoss gegen eine - gesetzlich hinreichend bestimmte - Norm ohne gesetzliches Strafmaximum
unter Strafe stellt (vgl. van Dijk/van Hoof/van Rijn/Zwaak,
a. a. O., S. 656 f.;
anderer Meinung Niggli/Riedo,
a. a. O., S. 55, wonach betragsmässig unbestimmte Bussen unzulässig seien;
vgl. auch Bernd Meyring,
Uferlose Haftung im Bussgeldverfahren? Neuste Theorien der Kommission zur Zurechnung von Kartellverstössen,
Wirtschaft und Wettbewerb 2/2010, S. 157 ff., insbes. S. 168 f. mit Hinweis unter
anderem auf Rainer Bechtold/Stephan
Wernicke, Kartellbussen ohne Mass,
Frankfurter Allgemeine Zeitung
vom 14. Februar 2009).
Auch in seiner jüngsten Rechtsprechung
verlangt der EGMR nicht, dass das genaue Strafmass gesetzlich festgelegt sein müsste (vgl. EGMR,
Scoppola gegen Italien,
Urteil vom 17. September 2009, Ziff. 94). Vielmehr prüft der EGMR bei angefochtenen
Strafzumessungen einzig, ob diese den gesetzlich festgelegten Strafrahmen überschreiten (vgl.
EGMR, Scoppola gegen Italien,
a. a. O., Ziff. 95).
4.4
Die fehlende Fallpraxis zum inkriminierten
Verhalten
4.4.1
Im Lichte der soeben dargelegten
Grundsätze muss ein Gesetz so präzise formuliert sein, dass der Gesetzesadressat sein Verhalten
danach richten und die Folgen eines bestimmten Verhaltens mit einem nach den Umständen unterschiedlichen
Grad an Gewissheit erkennen kann. Dies ist unbestritten. Indessen fällt - entgegen den Ausführungen
der Vorinstanz - auf, dass zu Art. 7 Abs. 2 Bst. c
KG, der Art. 82 Abs. 2
Bst. a des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft vom 25. März
1957 (EGV; heute: Art. 102 Bst. a des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen
Union vom 25. März 1957 [AEUV], zuletzt geändert durch Art. 2 des Vertrags von Lissabon
vom 13. Dezember 2007) nachgebildet ist (vgl. E. 12.3.3), bis heute weder eine in- noch
eine ausländische wettbewerbsrechtliche Fallpraxis besteht, die ausgehend von der telekommunikationsrechtlichen
Rahmenordnung in vergleichbarer Weise die hier strittige Frage der « Erzwingung
unangemessener Terminierungspreise » thematisieren würde.
Wie die Beschwerdeführerin
zu Recht betont, gibt es selbst im europarechtlichen Kontext kein einziges kartellrechtliches « ex-post-Verfahren »,
das sich in vergleichbarem Sinne mit Terminierungspreisen auseinandergesetzt und der Beschwerdeführerin
hätte Anhaltspunkte liefern können, dass die von ihr geforderten Terminierungspreise Wettbewerbsrecht
verletzen könnten. Sämtliche einschlägigen Entscheide sind von Regulierungsbehörden
im Rahmen von telekommunikationsrechtlichen Preis-Genehmigungssystemen getroffen worden, die sektorspezifisches
Wettbewerbsrecht darstellen (sog. ex-ante-Regulierung; vgl. dazu im Einzelnen nachfolgend E. 11.3.4.4
und E. 12.3.3.4). Insofern stellte sich die hier interessierende Fragestellung im europäischen
Umfeld nicht, weshalb sich die Beschwerdeführerin entgegen den Behauptungen der Vorinstanz nicht
an einer einschlägigen Fallpraxis zu orientieren vermochte.
Trotz dieser
Umstände vermag die Beschwerdeführerin aus den in der E. 4.3 beschriebenen konventionsrechtlichen
Anforderungen von Art. 7 Abs. 1
erster Satz EMRK keine für sie entlastenden Schlüsse
zu ziehen, wenn sie geltend macht, sie hätte angesichts der Offenheit der hier anwendbaren
materiellrechtlichen Vorschriften keine
Möglichkeit gehabt zu erkennen, ob das ihr vorgeworfene Verhalten tatbestandsmässig sein könnte
(vgl. E. 4.5 f.).
4.5
Das Verhältnis von Art. 7 Abs. 1
und Abs. 2
Bst. c KG im Lichte von Art. 7 Abs. 1
erster Satz EMRK
4.5.1
Wie die Beschwerdeführerin
zu Recht einräumt, wird Art. 7 Abs. 2 Bst. c
KG, den die Vorinstanz in Verbindung
mit Abs. 1 dieser Bestimmung angewandt hat, vom Verweis in Art. 49
a
Abs. 1 erster Satz KG mitumfasst, was die in der Lehre geäusserten Bedenken an der Bestimmtheit
dieser Norm wohl etwas zu relativieren vermag (vgl. Stephan Breitenmoser,
Focus: Court Appeals in Competition Law, in: Carl Baudenbacher [Hrsg.], Current Developements in European
and International Competition Law 2008, Basel 2009, S. 381 ff., 385). Ungeachtet dieser
Bedenken scheinen die Vorinstanz und die Beschwerdeführerin Art. 7 Abs. 1
KG, wonach
sich marktbeherrschende Unternehmen unzulässig
verhalten, wenn sie durch den Missbrauch ihrer Stellung
auf dem Markt andere Unternehmen
in der Aufnahme oder Ausübung des Wettbewerbs behindern oder die Marktgegenseite benachteiligen,
als eine Norm aufzufassen, der unabhängig von ihrem Abs. 2 selbständige Bedeutung
zukommen könnte.
Dieser Sicht kann aber nicht gefolgt werden. Denn Art. 7 Abs. 1
KG enthält, wenn vom konkretisierenden Tatbestandskatalog in dessen Abs. 2 abgesehen wird,
keinerlei Konturen, die zumindest generalklauselhaft die Kriterien für « unzulässiges
Verhalten » beziehungsweise « den Missbrauch einer Stellung » erkennbar
und damit vorhersehbar machen würden (vgl. zur Generalklausel von Art. 7 Abs. 1
KG die Botschaft des Bundesrates vom 23. November 1994 zu einem Bundesgesetz über Kartelle
und andere Wettbewerbsbeschränkungen [BBl
1995 I 468, 569 f., nachfolgend: Botschaft zum KG 1994]; vgl. zur Problematik « normativer
Zirkelschlüsse » im Zusammenhang mit Art. 7
KG Marc Amstutz,
Die Paradoxie des Missbrauchsbegriffs im Wettbewerbsbeschränkungsrecht, in: Amstutz/Stoffel/Ducrey
[Hrsg.], Schweizerisches Kartellrecht im 13. Jahr nach dem Paradigmenwechsel, Zürich/Basel/Genf
2009, S. 48 ff.).
Dieser Befund
wiegt umso schwerer, als bereits der Bundesrat in seiner Botschaft auf das Problem der Doppelgesichtigkeit
von Verhaltensweisen hinweist, das darin besteht, dass ein bestimmtes Verhalten « a
priori sowohl Ausdruck erwünschten Wettbewerbs als auch einer missbräuchlichen Behinderungs-
oder Ausbeutungsstrategie sein kann » (vgl. Botschaft zum KG 1994, BBl 1995 I 569; Entscheid
der REKO/WEF i. S. X. AG vom 12. November 1998 E. 3.4, veröffentlicht in: RPW 1998/4
S. 655 ff. mit weiteren Hinweisen; Amstutz,
a. a. O., S. 55). Bei der Beurteilung dieser Fragen kommt sodann - insbesondere
angesichts der wachsenden Bedeutung des sogenannten « more economic approach » (vgl.
Stefan Bühler,
Ökonomik in der Rechtsanwendung - Bestandesaufnahme und Ausblick, in: Amstutz/Stoffel/Ducrey
[Hrsg.], Schweizerisches Kartellrecht im 19. Jahr nach dem Paradigmenwechsel,
Zürich/Basel/Genf 2009, S. 33 ff.;
Manuel Kellerbauer,
Der « more economic approach » bei der Anwendung des Artikels 82 EG-Vertrags, Aktuelle
Juristische Praxis [AJP] 12/2009 S. 1576 ff.; Lars-Hendrik Röller/Hans
W. Friederiszick, Ökonomische
Analyse in der EU-Wettbewerbspolitik, in: Carl Baudenbacher [Hrsg.], Neueste Entwicklungen
im europäischen und internationalen Kartellrecht, 11. St. Gallener Internationales
Kartellrechtsforum 2004, Basel 2005, S. 354 ff.;
vgl. die Kritik dazu in E. 11.3.1.3 und E. 12.4.2 mit Hinweis auf Roger
Zäch bzw.
Adrian Künzler) - erschwerend
hinzu, dass anerkanntermassen eine Vielfalt wirtschaftstheoretischer Erklärungsmodelle
zur Verfügung stehen, die Lehrmeinungen zufolge beinahe jedes Ergebnis einer Kartellgesetzanwendung
einer ökonomischen Rechtfertigung zugänglich machen und deshalb den Rechtsanwender
vor erhebliche methodische Probleme stellen (vgl. Beschwerdeentscheid der REKO/WEF
vom 4. Mai 2006 i. S. Berner Zeitung AG,
Tamedia AG/WEKO E. 6.3 [mit
Verweis auf Peter Hettich,
Wirksamer Wettbewerb - Theoretisches Konzept und Praxis, Bern 2003, Rz. 752, 758]
sowie E. 6.2 [mit Verweis auf Alan P. Kirman,
The Intrinsic Limits of Modern Economic Theory: The Emperor Has No Clothes, The Economic Journal, Bd. 99/1989,
S. 126-139], veröffentlicht
in: RPW 2006/2 S. 347 ff.; vgl. dazu Urteil des Bundesgerichts 2A.327/2006 vom
22. Februar 2007, veröffentlicht in: RPW 2007/2 S. 331 ff.; vgl. auch Amstutz,
a. a. O., S. 47 ff.).
Damit wird
deutlich, dass die Generalklausel von Art. 7 Abs. 1
KG angesichts ihrer inhaltlichen
Offenheit für sich alleine betrachtet nicht den rechtsstaatlichen Minimalanforderungen des in Art. 7
Abs. 1
erster Satz EMRK verankerten Legalitätsprinzips zu entsprechen vermag.
4.5.2
Indessen übersieht die Beschwerdeführerin,
dass die Vorinstanz im Ergebnis zu Recht Art. 7 Abs. 1
KG und
Art. 7 Abs. 2 Bst. c
KG als untrennbare Einheit
aufgefasst hat, indem sie für
die Tatbestandsmässigkeit des inkriminierten Verhaltens voraussetzte, dass eine Marktbeherrscherin
die Marktgegenseite « ausbeutet » (Art. 7 Abs. 1
KG), indem
jene von ihrer Vertragspartnerin unangemessene Preise erzwingt (Art. 7 Abs. 2 Bst. c
KG).
Dieses Prüfungsschema, das die Vorinstanz ihren Erwägungen zu Grunde gelegt hat, entspricht
im Grundsatz dem ebenfalls generalklauselhaft formulierten Art. 157 Abs. 1
erster und dritter
Satz des Schweizerischen Strafgesetzbuches vom 21. Dezember 1937 (StGB, SR
311.0) (« Wucher »),
wonach mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe bestraft wird, wer die Zwangslage,
die Abhängigkeit, die Unerfahrenheit oder die Schwäche im Urteilsvermögen
einer Person dadurch ausbeutet,
dass er sich oder einem anderen für eine Leistung Vermögensvorteile
gewähren oder versprechen lässt, die zur Leistung
wirtschaftlich in einem offenbaren Missverhältnis
stehen.
Der strafgesetzliche
Wuchertatbestand, dessen Vereinbarkeit mit dem in Art. 1
StGB verankerten Legalitätsprinzip
unbestritten ist, weist insofern eine gewisse strukturelle
Verwandtschaft mit Art. 7
Abs. 1
und Abs. 2 Bst. c KG auf, als es im kartell- wie auch im strafgesetzlichen Bereich
letztlich darum geht, gegen die Ausbeutung der qualifizierten Unterlegenheit einer anderen Person
zum Abschluss oder Vollzug eines für diese unverhältnismässig nachteiligen Geschäfts
vorzugehen (vgl. zu Art. 157
StGB Philippe Weissenberger,
in:
Basler Kommentar, Niggli/Wiprächtiger [Hrsg.], Strafgesetzbuch II, Basel 2003, N. 1 ff.
zu Art. 157
StGB mit weiteren Hinweisen). Im Unterschied jedoch zum « offenbaren
Missverhältnis » (der Austauschleistungen), das in Art. 157
StGB vorausgesetzt
wird, erfordern die im KG zentralen Begriffe wie « Marktbeherrschung » oder
der « Missbrauch » (einer marktbeherrschenden Stellung) eine ökonomische Analyse
(vgl. E. 4.5.1), und zwar in einem Ausmass, das in der Regel bei der Auslegung der wirtschaftsbezogenen
Tatbestände des StGB kaum erforderlich ist.
Bei dieser
Ausgangslage geht die Kritik der Beschwerdeführerin ins Leere, dass die in Art. 7 Abs. 2
Bst. c
KG für unzulässig erklärte « Erzwingung unangemessener Preise »
im KG nicht näher definiert ist, nachdem jedenfalls im Lichte von Art. 7 Abs. 1
erster Satz EMRK nach der Rechtsprechung des EGMR technische
oder relativ unbestimmte Begriffe im Wirtschaftsrecht die Bestimmtheitserfordernisse erfüllen können
(vgl. E. 4.3.1) und sich die inhaltliche Unschärfe von Art. 7 Abs. 1
(i. V. m.
Abs. 2 Bst. c) KG auch mit zahlreichen, offen formulierten Normen des StGB vergleichen
lässt (wie z. B. Art. 157
StGB [Wucher] oder Art. 181
StGB [Nötigung]), zu denen
im Laufe der Jahre eine reiche Rechtsprechung herangewachsen ist, ohne die freilich der Gesetzeswortlaut
allein kaum genügend Aufschluss über die Normtragweite zu geben vermag.
4.6
Zur Voraussehbarkeit einer allfälligen Tatbestandsmässigkeit
4.6.1
Um den Unternehmen ein gewisses
Mass an Rechtssicherheit zu vermitteln, hat der Gesetzgeber zwei Meldeverfahren vorgesehen, und zwar
(1.) ein Verfahren nach Art. 49
a
Abs. 3 Bst. a KG für
geplante,
wettbewerbsrelevante Vorhaben (vgl. Peter Reinert,
in: Baker & McKenzie [Hrsg.], Stämpflis Handkommentar zum Kartellgesetz, Bern 2007, N. 28 ff.
zu Art. 49
a
KG) sowie (2.) ein Verfahren nach
der Übergangsbestimmung zur Änderung vom 20. Juni 2003 für bereits bestehende
wettbewerbsrelevante Verhaltensweisen
(« Wettbewerbsbeschränkungen »), die innerhalb der Übergangsfrist
nach der erfolgten Einführung direkter Sanktionen gemeldet oder aufgelöst werden konnten
(vgl. Reinert,
a. a. O., N. 1 ff. zur Übergangsbestimmung). Dieses zweite Meldeverfahren innerhalb
der Übergangsfrist hatte die Beschwerdeführerin in Anspruch genommen (...).
In diesem
Kontext lässt das Bundesgericht in seiner jüngsten wettbewerbsrechtlichen
Rechtsprechung allfällige Bedenken hinsichtlich einer hinreichenden Bestimmtheit der gesetzlichen
Grundlage für direkte Sanktionen insbesondere dann nicht gelten, wenn eine Partei aufgrund von Hinweisen
der WEKO im Rahmen einer eröffneten Vorabklärung oder Untersuchung Gewissheit
hat, dass sie mit ihrem Verhalten ein allfälliges Sanktionsrisiko
eingeht (vgl. BGE 135 II 60 E. 3.2.3 mit Verweis auf das Urteil des Bundesgerichts 2A.287/2005
vom 19. August 2005 E. 3.4 und 3.5, sowie Urteil des Bundesgerichts 2A.288/2005 vom 8. Juni
2006 und Urteil des Bundesgerichts 2A.289/2005 und 2A.291/2005 vom 8. Juni 2006; anderer Meinung
Reto Jacobs,
Wirkungen der direkten Sanktionen, in: Amstutz/Stoffel/Ducrey [Hrsg.], Schweizerisches
Kartellrecht im 13. Jahr nach dem Paradigmenwechsel, Zürich/Basel/Genf 2009,
S. 151 ff.; Niggli/Riedo,
a. a. O., S. 71 ff., wobei beide Autoren den Umstand zu übersehen scheinen,
dass der vom Bundesrat vorgeschlagene Wortlaut zu Art. 49
a
Abs. 3 Bst. a KG im Laufe
der parlamentarischen Beratungen bewusst zu Ungunsten der Unternehmen abgeändert
wurde).
Mit anderen
Worten verneint das Bundesgericht eine Ungewissheit über das Risiko
direkter Sanktionen für Sachverhalte,
die im Zeitpunkt des Inkrafttretens der Revision - wie hier - bereits Gegenstand einer Vorabklärung
oder Untersuchung der Wettbewerbsbehörden bilden, da die Betroffenen aufgrund der eingeleiteten
Massnahmen wissen müssten, dass die Zulässigkeit der Weiterführung ihrer Verhaltensweise
zweifelhaft erscheint und unter dem neuen Recht direkt sanktioniert werden kann. Nach dem Bundesgericht
befänden sie sich « in einer vergleichbaren Situation », wie wenn die
Behörden nach einer Meldung gegen das fragliche Unternehmen innert der Widerspruchsfrist ein Verfahren
gemäss Art. 49
a
Abs. 3 Bst. a KG eröffneten (vgl. BGE 135 II 60 E. 3.2.4 am Ende).
4.6.2
Aus diesem Grund ist es auch unerheblich,
dass die Beschwerdeführerin im Rahmen der bereits gegen
sie laufenden Untersuchung - vor Einführung des Meldeverfahrens nach Art. 49
a
Abs. 3 KG - kein solches einleiten konnte, um die Rechtslage klären zu lassen, sondern
sich mit einer - aus ihrer Sicht sanktionsbefreienden - Meldung gemäss Schlussbestimmung
zum revidierten KG begnügen musste. Dieser räumt das Bundesgericht die gleiche - übergangsrechtliche
- Funktion ein wie jener gemäss Art. 49
a
Abs. 3 Bst. a KG:
« Es
sollen Unternehmen, die beim Inkrafttreten des neuen Rechts ein wettbewerbsbeschränkendes Verhalten
praktizieren, die Unsicherheit der Zulässigkeit dieses Verhaltens und damit das Risiko der neuen
empfindlichen Sanktionen gemäss Art. 49a Abs. 1
KG durch eine fristgerechte Meldung bzw.
durch Auflösung der Wettbewerbsbeschränkung - analog zu Art. 49a Abs. 3
lit. a
KG - ausschalten können » (vgl. Urteil des Bundesgerichts 2A.289/2005
vom 8. Juni 2006 E. 4.3).
Das Bundesgericht
bejaht somit im Ergebnis die hinreichende Bestimmtheit kartellgesetzlicher Grundlagen, wenn
die Möglichkeit besteht, aufgrund eines Meldeverfahrens Anhaltspunkte
zu erfahren, welche für eine unzulässige und damit allenfalls sanktionierbare Beschränkung
des Wettbewerbs sprechen (vgl. BGE 135 II 60 E. 3.2.3).
Hierbei lässt
es das Bundesgericht genügen, dass die Unternehmen das Risiko
einer allfälligen Rechtsunsicherheit insofern nicht alleine tragen müssen, als das Sekretariat
in die Beurteilung und Konkretisierung der offen formulierten Wettbewerbsbestimmungen eingebunden
wird (vgl. BGE 135 II 60 E. 3.2.3). Gemäss Bundesgericht konkretisiert das Melde- und Widerspruchsverfahren
nach Art. 49
a
Abs. 3 Bst. a KG die Gesetzesgrundlage, damit die Meldenden in geeigneter Weise
eine Selbstsubsumption vornehmen und ein allfälliges Sanktionsrisiko abschätzen können
(vgl. BGE 135 II 60 E. 3.2.3, E. 3.2.5; vgl. die kritischen Anmerkungen im Urteil
des Bundesverwaltungsgerichts B-4037/2007
vom 29. Februar 2008 E. 9).
4.6.3
Die Beschwerdeführerin strengte
vor Ablauf
der kartellgesetzlichen
Übergangsfrist am 31. März 2004 im Rahmen des gegen sie laufenden Untersuchungsverfahrens
zu den hier strittigen Terminierungspreisen ein Rechtsmittelverfahren an, um zu erfahren,
ob die von ihr eingereichte Meldung intertemporalrechtlich sanktionsbefreiend wirken würde
(...). Somit wusste sie bereits zu diesem Zeitpunkt, dass die Höhe der ihren Vertragspartnerinnen
verrechneten Terminierungspreise als problematisch eingestuft wurde, zumal die Untersuchung
auf die Höhe der Terminierungspreise und die allfällige marktbeherrschende Stellung der einzelnen
Mobilfunkanbieterinnen auf deren Netz gerichtet war (vgl. BBl 2002 6827).
Die Beschwerdeführerin
hatte somit im Sinne der bundesgerichtlichen Rechtsprechung Gewissheit,
dass sie beim Weiterführen ihres Verhaltens (Aufrechterhaltung der Höhe der Terminierungspreise)
eine Sanktionierung riskieren
würde (...). Insofern
wurde die Beschwerdeführerin auch nicht aus « heiterem Himmel » mit einer kartellgesetzlichen
Sanktion für ein Verhalten gebüsst, an dessen Rechtmässigkeit sie auf Grund der
Umstände vernünftigerweise nicht hätte zweifeln müssen. Trotz des zu ihren Gunsten
lautenden Entscheids der REKO/WEF vor Ablauf der Übergangsfrist (vgl. Entscheid i. S. X. AG
vom 18. März 2005, veröffentlicht in: RPW 2005/2 S. 418), der eine Sanktion
hier ausgeschlossen hätte, durfte die Beschwerdeführerin nicht auf ein gleichlautendes
Urteil des Bundesgerichts vertrauen. Entscheidend ist vielmehr, dass die Beschwerdeführerin die
Möglichkeit gehabt hätte, wegen der nach wie vor unsicheren Rechtslage ihr Verhalten im Sinne
der Schlussbestimmung zum KG, das heisst vor Ablauf der Übergangsfrist,
rechtzeitig « aufzulösen », was sie jedoch unterlassen hat.
4.6.4
Unbeachtlich ist ferner, dass die
Beschwerdeführerin infolge erheblicher Verzögerungen seitens der Vorinstanz im Vorverfahren
erst am 19. August 2005 - nach Ablauf der einjährigen Schonfrist - den negativen
Leitentscheid des Bundesgerichts zur Frage der strittigen « sanktionsbefreienden Meldung »
erhielt (vgl. Urteil des Bundesgerichts 2A.287/2005 vom 19. August 2005).
Dies ändert
jedenfalls nichts am entscheidenden Umstand, dass die Beschwerdeführerin ein Sanktionsrisiko
einging bei « Nichtauflösung » der « bestehenden Wettbewerbsbeschränkung »,
das heisst bei Nichtsenkung der Terminierungspreise. Entscheidend ist einzig, dass der Beschwerdeführerin
anlässlich der gegen sie laufenden Untersuchung (bereits vor Ablauf der Übergangsfrist)
die Konturen des - als potenziell sanktionswürdig - beanstandeten Verhaltens
bekannt waren, weshalb sie nach Ablauf der Übergangsfrist auch ein entsprechendes Sanktionsrisiko
trug (vgl. Urteil des Bundesgerichts 2A.287/2005 vom 19. August 2005 E. 3.4).
Insofern
war die Beschwerdeführerin grundsätzlich in der Lage, die erfolgte Sanktionierung als
mögliche Konsequenz ihres Verhaltens vorherzusehen. Diese Rechtsprechung des Bundesgerichts
bedeutet letztlich, dass die entsprechende Gesetzesgrundlage für hinreichend zu erachten ist, um
vor Bundesrecht zu bestehen (vgl. BGE 135 II 60 E. 3.2.3).
4.6.5
Von dieser Situation unterscheidet
sich die in BGE 125 IV 35 geschilderte Konstellation grundlegend, welche die Beschwerdeführerin
als einziges höchstrichterliches Urteil anruft, um ihren Standpunkt zu begründen, wonach die
gesetzliche Grundlage nicht ausreiche.
In diesem
Urteil ging es um Art. 46 Abs. 1 Bst. c
des Bankengesetzes vom 8. November 1934 (BankG,
SR
952.0), wonach derjenige bestraft wird, der « die mit der Bewilligung verbundenen Bedingungen
verletzt ». Dazu hielt das Bundesgericht fest, dieser Artikel sei eine Blankettstrafnorm,
aus der allein nicht ersichtlich sei, welches Verhalten strafbar ist (vgl. BGE 125 IV 35 E. 2/a).
Des Weiteren wurde festgehalten, der Begriff der « Bedingungen » werde weder im Bankengesetz
definiert noch verweise Art. 46 Abs. 1 Bst. c
BankG auf irgendwelche andere Bestimmungen,
aus denen sich ergeben könnte, was unter den « Bedingungen » zu verstehen
sei. Nach einlässlicher Analyse kam das Bundesgericht zum Schluss, dass der Anwendungsbereich
dieser Strafbestimmung uferlos wäre, « wollte man das Nichteinhalten der Bewilligungsvoraussetzungen
nach Erteilung der Bewilligung als Verletzung der < mit der Bewilligung verbundenen Bedingungen >
im Sinne von Art. 46 Abs. 1 Bst. c
BankG qualifizieren », da zahlreiche, ganz
unterschiedliche Verhaltensweisen darunter fielen (vgl. BGE 125 IV 35 E. 5/b/cc). Zusammenfassend
hielt das Bundesgericht fest, die dem Verurteilten vorgeworfene « Überschreitung
des statutarisch umschriebenen Geschäftskreises » werde von Art. 46
Abs. 1 Bst. c
BankG nicht mit der nach dem Legalitätsprinzip gemäss Art. 1
StGB erforderlichen Bestimmtheit erfasst (vgl. BGE 125 IV 35 E. 8).
Anders als
in BGE 125 IV 35 ist der hier in Frage stehende Art. 49
a
Abs. 1 erster Satz KG (i. V. m.
Art. 7 Abs. 1
und Abs. 2 Bst. c KG) nicht als Blankettstrafnorm ausgestaltet, zumal
das sanktionierbare Verhalten im Tatbestand - wenigstens generalklauselhaft - umschrieben
ist.
4.6.6
Somit erweisen sich die entsprechenden
Rügen der Beschwerdeführerin zur angeblich unzulässigen Unbestimmtheit der Tatbestandsseite
als unbegründet.
4.7
Zur Voraussehbarkeit der Rechtsfolge
Die von der
Beschwerdeführerin aufgeworfene Frage, ob im Rahmen von Art. 49
a
Abs. 1 KG das Gebot nulla poena sine lege certa
auch insofern gilt, als die
Höhe der zu erwartenden Sanktion betragsmässig « klar » vorhersehbar sein
müsste, kann an dieser Stelle offengelassen werden, wie die nachfolgenden E. 11 und 12 zur
Tatbestandsmässigkeit des inkriminierten Verhaltens zeigen werden.
4.8
Zusammenfassung
Nach dem
Gesagten lässt sich festhalten, dass Art. 7 Abs. 1
KG und Art. 7 Abs. 2 Bst. c
KG - zusammen als untrennbare Einheit
aufgefasst (E. 4.5.2)
- eine genügende gesetzliche Grundlage im Sinne von Art. 7 Abs. 1
EMRK zu bilden
vermögen.
Die sich
in diesem Zusammenhang stellende weitere Frage, ob sich der Sachverhalt, wie er der Beschwerdeführerin
gegenüber vorgeworfen wird, unter Art. 7 Abs. 1
i. V. m. Art. 7 Abs. 2
Bst. c
KG subsumieren lässt, wird nachfolgend in den E. 11 und 12 zu prüfen sein.
5.
Rüge der Verletzung der Garantien von Art. 6 Abs. 1
EMRK
5.1
Die Rügen im Überblick
Gestützt
auf Art. 6 Abs. 1
erster Satz EMRK und Art. 30 Abs. 1
erster Satz der Bundesverfassung
der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 (BV, SR
101) bemängelt
die Beschwerdeführerin zweierlei:
5.1.1
Einerseits werde ihr Anspruch auf
ein unabhängiges und gesetzmässiges Gericht dadurch verletzt, dass die Vorinstanz
als nichtrichterliche Behörde eine strafähnliche Sanktion ausgefällt
habe, was ein schwerwiegender Mangel darstelle, den selbst das Bundesverwaltungsgericht trotz
seiner Kognitionsbefugnisse nicht heilen könne (vgl. E. 5.4 ff.).
5.1.2
Andererseits sei in der Untersuchung
ihr Recht, zu schweigen und sich nicht selbst belasten zu müssen, verletzt worden (vgl. E. 5.7).
5.2
Art. 6 Abs. 1
EMRK im Verhältnis zu Art. 30
Abs. 1
BV
Gemäss
Art. 6 Abs. 1
erster Satz EMRK hat jede Person ein Recht darauf, dass über Streitigkeiten
in Bezug auf ihre zivilrechtlichen Ansprüche und Verpflichtungen oder über eine gegen
sie erhobene strafrechtliche Anklage von einem unabhängigen und unparteiischen, auf Gesetz
beruhenden Gericht in einem fairen Verfahren, öffentlich und innerhalb angemessener Frist verhandelt
wird.
Diese Bestimmung
hat im Kontext der als verletzt gerügten Organisationsgarantie dieselbe Tragweite wie Art. 30
Abs. 1
erster Satz BV, wonach jede Person, deren Sache in einem gerichtlichen Verfahren beurteilt
werden muss, Anspruch auf ein durch Gesetz geschaffenes, zuständiges, unabhängiges und
unparteiisches Gericht hat (vgl. BGE 135 I 14 E. 2, BGE 133 I 1 E. 5.2 mit weiteren Hinweisen).
Die Beanstandungen
der Beschwerdeführerin, bei denen sie gleichzeitig auch eine Verletzung von Art. 30 Abs. 1
erster Satz BV rügt, sind deshalb im Lichte von Art. 6 Abs. 1
EMRK zu behandeln.
5.3
Die Rügen der Beschwerdeführerin im Einzelnen
Die Beschwerdeführerin
führt zur Begründung ihrer Rüge im Wesentlichen an, das Sekretariat sei -
als untersuchende Behörde - in unzulässigem Masse mit der WEKO - als
erkennender Behörde - organisatorisch-funktionell verflochten. Deshalb habe sich die
WEKO auch systematisch in die laufende Untersuchung des Sekretariats eingemischt und zu Unrecht die Mitwirkung
von Mitarbeitern des Sekretariats bei der Entscheidfindung geduldet. In Verletzung des Anklageprinzips
hätten Sekretariat und WEKO einen Inquisitionsprozess ohne klare Trennung zwischen Ankläger
und Richter geführt. Diese gegenseitigen Einwirkungsmöglichkeiten stünden nicht
im Einklang mit Art. 6 Abs. 1
EMRK und Art. 30 Abs. 1
BV. Darüber hinaus sei
die Vorinstanz wegen der Einsitznahme von Interessenvertretern nicht genügend unabhängig von
der Einflussnahme durch nichtstaatliche Interessengruppen.
Die Einschätzung
der Vorinstanz, wonach allfällige organisatorisch-funktionelle Mängel durch die umfassende
Kognition des Bundesverwaltungsgerichts geheilt werden könnten, verwirft die Beschwerdeführerin:
Eine allfällige Heilung des hier verletzten Anspruchs auf ein unabhängiges Gericht
komme nach der Rechtsprechung des EGMR einzig bei Massenbagatelldelikten in Frage, wenn ein Administrativentscheid
von einer gerichtlichen Rechtsmittelinstanz überprüft werden könne, die über
volle Kognition verfüge und diese auch effektiv ausübe. Nur dann dürfe eine nichtrichterliche
Administrativbehörde eine erstinstanzliche Sanktion aussprechen.
Demgegenüber
könne die hier erfolgte Verletzung von Art. 6 Abs. 1
EMRK im Rechtsmittelverfahren vor
dem Bundesverwaltungsgericht nicht geheilt werden, weil (1.) kein Fall von Massenbagatelldelinquenz vorliege,
(2.) die Heilung keinen Ausnahmecharakter habe, (3.) das Bundesverwaltungsgericht de facto nicht
über volle Kognition verfüge (weil es keine umfassenden Beweiserhebungen tätigen könne
und der Vorinstanz ein weitgehendes technisches Ermessen zugestehen müsse) und (4.) eine besonders
schwerwiegende Verletzung von Parteirechten vorliege.
5.4
Die WEKO als EMRK-konformes Gericht?
5.4.1
Unbestrittenermassen untersteht
die Beschwerdeführerin angesichts des Strafcharakters der strittigen Sanktion (vgl. E. 4.2)
auch den Verfahrensgarantien von Art. 6 Abs. 1
EMRK, und zwar ungeachtet ihrer Rechtsform als
juristische Person (vgl. EGMR, Zulässigkeitsentscheid
Sojus Trade Company GmbH et al. gegen Deutschland
vom 20. April 1999, Ziff. 2, EGMR, Lilly France S.A.
gegen Frankreich, Zulässigkeitsentscheid
vom 3. Dezember 2002; Jochen A. Frowein/Wolfgang Peukert,
Europäische MenschenRechtsKonvention. EMRK-Kommentar, 3. Aufl., Kehl 2009,
Rz. 4 zu Art. 6
und Rz. 18 zu Art. 34
EMRK; Tagmann,
a. a. O., S. 91 f., 115; Astrid Waser,
Grundrechte der Beteiligten im europäischen und schweizerischen Wettbewerbsverfahren, Zürich
2002, S. 108 f.).
Demzufolge
hat sie insofern Anspruch darauf, dass ihre Sache durch ein unabhängiges, unparteiisches, auf Gesetz
beruhendes Gericht beurteilt wird, als ihr wirksamer Zugang zum Entscheidorgan « Gericht »
gewährt wird (vgl. Grabenwarter,
a. a. O., § 24 N. 27, S. 343).
5.4.2
Ein Gericht im Sinne von Art. 6
Abs. 1
EMRK ist eine Behörde, die nach Gesetz und Recht in einem justizförmigen, fairen
Verfahren begründete und bindende Entscheidungen über Streitfragen trifft. Es braucht nicht
in die ordentliche Gerichtsstruktur eines Staates eingegliedert zu sein, aber es muss organisch
und personell, nach der Art seiner Ernennung, der Amtsdauer, dem Schutz vor äusseren Beeinflussungen
und nach dem äusseren Erscheinungsbild unabhängig und unparteiisch sein, sowohl gegenüber
anderen Behörden als auch gegenüber den Parteien (vgl. BGE 126 I 228 E. 2a/aa mit
Verweis auf BGE 123 I 87 E. 4a, BGE 133 IV 278 E. 2.2; vgl. Hans-Heiner
Kühne, in: Wolfram
Karl [Hrsg.], Internationaler Kommentar zur Europäischen Menschenrechtskonvention, Köln/Berlin/München
2009, Rz. 282-320
zu Art. 6
EMRK; Jörg Paul Müller/Markus Schefer,
Grundrechte in der Schweiz, im Rahmen der Bundesverfassung, der EMRK und der UNO-Pakte, 4. Aufl.,
Bern 2008, S. 927 ff.).
5.4.3
Übereinstimmend mit der Beschwerdeführerin
hält die Vorinstanz sich selbst nicht
für ein unabhängiges Gericht im Sinne von Art. 6 Abs. 1
erster Satz EMRK (vgl. Verfügung
Ziff. 39 ff., 317; [...]).
Diese Einschätzung
wird vom Bundesrat wie auch von einer überwiegenden Mehrheit der Lehre geteilt
(vgl. Botschaft zum KG 2001, BBl 2002 2040; Jürg Borer,
Kommentar zum Kartellgesetz, Zürich 2005, Rz. 9
zu Art. 18
KG; Hangartner,
Aspekte, a. a. O., S. 267 f.; Pierre Kobel,
Sanctions du droit des cartels et problèmes de droit administratif pénal, AJP 9/2004, S. 1157;
Tagmann,
a. a. O., S. 96 ff.; Rolf H. Weber/Michael Vlceck,
Tafeln zum Kartellrecht, Bern 2008, Tafel 82 Ziff. 1; Roger Zäch,
Schweizerisches Kartellrecht, 2. Aufl., Bern 2005, Rz. 1144, nachfolgend: Kartellrecht;
vgl. die gleichläufige Meinung zur institutionell eng mit der Vorinstanz verwandten Bankenkommission
bei Beat Kleiner/Dieter Zobl/Christine
Breining-Kaufmann, in: Bodmer/Kleiner/Lutz
[Hrsg.], Kommentar zum schweizerischen Bankengesetz, N. 12
zu Art. 23
BankG [Ausgabe Mai 2006], sowie Tomas
Poledna/Lorenzo Marazzotta, in:
Basler Kommentar, Watter/Vogt/Bauer/Winzeler [Hrsg.], Bankengesetz, Basel 2005, N. 6
zu Art. 23
BankG). Gegenteiliger Meinung ist, soweit ersichtlich, einzig Waser
(a.a.O., S. 140 ff.).
5.4.4
Die Frage, ob die WEKO ein Gericht
im Sinne von Art. 6 Abs. 1
erster Satz EMRK ist, kann nach der Rechtsprechung des EGMR
letztlich offengelassen werden (vgl. EGMR, Urteil Albert
und Le Compte gegen Belgien vom
10. Februar 1983, Ziff. 29, EGMR, Lilly France S.A.
gegen Frankreich, Zulässigkeitsentscheid
vom 3. Dezember 2002, Ziff. 2
S. 9 ff.; BGE 123 I 87 E. 4a; Tagmann,
a. a. O., S. 98 f.). Denn die gerügten angeblichen institutionell-organisatorischen
Mängel der Vorinstanz sowie die sich daraus ergebenden angeblich unzulässigen Verfahrensabläufe
innerhalb ihrer Organisation müssten nur dann vertieft geprüft werden, wenn die Beschwerdeführerin
Anspruch darauf hätte, dass im Verfahrensgang bis zum rechtskräftigen Sanktionsurteil bereits
die WEKO als Gericht im Sinne von Art. 6 Abs. 1
erster Satz EMRK organisiert ist.
Ein solcher
Anspruch besteht aber nicht, wie nachfolgend zu zeigen ist:
5.5
Zu den Anforderungen an ein EMRK-konformes Gericht
5.5.1
Die Beschwerdeführerin übersieht,
dass es nach der Rechtsprechung des EGMR zu Art. 6 Abs. 1
erster Satz EMRK ausreicht,
wenn in einem Verfahrensgang ein
Gericht entscheidet (vgl. BGE 129 I 207 E. 5.2, BGE 123 I 87 E. 3a, BGE 115 Ia 406 E. 3b/bb;
Frowein/Peukert,
a. a. O., Rz. 200 ff. zu Art. 6
EMRK; Grabenwarter,
a. a. O., § 24 N. 58, S. 360, sowie § 24 N. 147 ff.,
407 ff.; Haefliger/Schürmann,
a. a. O., S. 166 ff.; Regina Kiener,
Richterliche Unabhängigkeit, Bern 2001, S. 382; Kühne,
a. a. O., Rz. 318 zu Art. 6
EMRK; van Dijk/van Hoof/van
Rijn/Zwaak, a. a. O.,
S. 564 ff. i. V. m. S. 567 f.; Villiger,
a. a. O., Rz. 427), dem volle Kognition zukommt (vgl. E. 5.5.4).
Insbesondere
sind die Mitgliedstaaten nicht verpflichtet, Streitigkeiten, wie sie hier in Frage stehen, einem Verfahren
zu unterstellen, das in jeder Phase vor einem Gericht im Sinne von Art. 6 Abs. 1
EMRK geführt
werden müsste (vgl. BGE 132 V 299 E. 4.3.1, BGE 128 I 237 E. 3, BGE 124 I 92 E. 2a,
BGE 124 I 255 E. 5b/aa; Grabenwarter,
a. a. O., § 24 N. 58, S. 360; van Dijk/van
Hoof/van Rijn/Zwaak, a. a. O.,
S. 568). Nur wenn ein Staat ein Gerichtssystem mit mehreren gerichtlichen Instanzen einrichtet,
muss er sicherstellen, dass den grundrechtsberechtigten Personen grundsätzlich vor allen
diesen Gerichten die gerichtlichen Garantien von Art. 6
EMRK gewährt werden (vgl.
EGMR, Urteil Levages gegen Frankreich
vom 23. Oktober 1996, Ziff. 44).
5.5.2
In der Schweiz aber hat der Kartellgesetzgeber
keinen solchen Instanzenaufbau für Verwaltungssanktionen (Art. 49
a ff.
KG) beziehungsweise für Strafsanktionen (Art. 54
ff. KG) vorgesehen. Dieses
gesetzgeberische Vorgehen steht im Einklang mit der Rechtsprechung des EGMR, wonach es aufgrund der Erfordernisse
der Flexibilität und Effizienz, welche ihrerseits mit dem Menschenrechtsschutz vereinbar sind, gerechtfertigt
sein kann, dass in erster Instanz eine Verwaltungsbehörde entscheidet, die den Ansprüchen
von Art. 6 Abs. 1
EMRK nicht in jeder Hinsicht zu genügen vermag (vgl. EGMR, Urteil Albert
und Le Compte gegen Belgien vom
10. Februar 1983, Ziff. 29; Grabenwarter,
a. a. O., § 24 N. 58, S. 360; Haefliger/Schürmann,
a. a. O., S. 133 f.; Benjamin Schindler,
Art. 6[1] ECHR and Judicial Review of Administrative Decision-Making in England and
Switzerland - A Comparative Perspective, Schweizerische Zeitschrift für internationales und
europäisches Recht [SZIER] 4/2006, S. 449, nachfolgend: Perspective; van
Dijk/van Hoof/van Rijn/Zwaak, a. a. O.,
S. 568 f.; Villiger,
a. a. O., Rz. 429).
5.5.3
Wie die Beschwerdeführerin
zu Recht einräumt, lässt es sich mit der EMRK vereinbaren, wenn insbesondere Bagatelldelikte
von Verwaltungsbehörden beurteilt werden, solange der Betroffene die Möglichkeit
hat, die Entscheidung durch ein Gericht im Sinne von Art. 6 Abs. 1
EMRK überprüfen
zu lassen (vgl. EGMR, Urteil Öztürk gegen Deutschland
vom 21. Februar 1984, Ziff. 56, EGMR, Urteil Albert
und Le Compte gegen Belgien vom
10. Februar 1983, Ziff. 29; BGE 133 IV 278 E. 2.2, BGE 124 IV 234 E. 3c, BGE 118
Ia 473 E. 5 ff., BGE 115 Ia 183 E. 4a; Grabenwarter,
a. a. O., § 24 N. 58, S. 360). Nur wenn eine solche Überprüfung
nicht stattfände, wäre Art. 6 Abs. 1
EMRK verletzt (vgl. EGMR, Urteil Obermeier
gegen Österreich vom 28. Juni
1990, Ziff. 70 i. V. m. Ziff. 17 und 52, EGMR, Dubus
S.A. gegen Frankreich, Urteil vom
11. Juni 2009, Ziff. 39 ff.).
5.5.3.1
Allerdings lässt sich entgegen
der Sicht der Beschwerdeführerin - und des von ihr konsultierten Privatgutachters, Prof.
Dr. iur. Jörg Paul Müller
- die Rechtsprechung des EGMR nicht dahingehend verstehen, dass gemäss Art. 6 Abs. 1
EMRK eine nur einmalige
richterliche Überprüfung einzig und allein bei strafrechtlichen oder strafrechtsähnlichen
Bagatelldelikten erfolgen dürfte (vgl. EGMR, Urteil Öztürk
gegen Deutschland vom 21. Februar
1984, Ziff. 56, EGMR, Urteil Belilos gegen Schweiz
vom 29. April 1988, Ziff. 68, EGMR, Riepan gegen
Österreich, Urteil vom
14. November 2000, Ziff. 39, EGMR, Malige gegen Frankreich,
Urteil vom 23. September 1998, Ziff. 45).
5.5.3.2
Vielmehr trifft das Gegenteil zu,
wie das Urteil des EGMR Mamidakis gegen Griechenland
vom 11. Januar 2007 (Ziff. 27-34)
zeigt: In dieser Sache wurde das Recht auf Zugang zu einem Gericht nicht als verletzt erachtet, als der
Vorsteher einer ausländischen Zollfahndungsbehörde einer natürlichen
Person wegen Zollgesetzwiderhandlungen (« contrebande »)
eine Busse von rund 3 Mio. Euros auferlegte, die von den zuständigen griechischen Verwaltungsgerichten
überprüft und für rechtlich zulässig erklärt worden war. Der EGMR erachtete
einzig die dem Betroffenen auferlegte Höhe der Busse als unverhältnismässig und Art. 1
des Protokolls Nr. 1 (Schutz des Eigentums) als verletzt (vgl. Ziff. 40-48;
Dispositiv-Ziff. 3); indessen wurde eine Verletzung von Art. 6 Abs. 1
EMRK verneint (vgl.
Dispositiv-Ziff. 2).
5.5.4
Ferner kann im Rahmen des Instanzenzugs
eine einmalige Überprüfung durch ein mit voller Kognition ausgestattetes Gericht auch
deshalb genügen, weil der EGMR den Art. 6 Abs. 1
EMRK hinsichtlich « strafrechtlicher
Anklagen » extensiv interpretiert, indem eine solche « Anklage » so lange
nicht als im Sinne von Art. 6 Abs. 1
EMRK « beurteilt » (« determined »)
gilt, als sie noch nicht in Rechtskraft erwachsen ist (vgl. EGMR, Urteil Delcourt
gegen Belgien vom 17. Januar
1970, Ziff. 25 f.; van Dijk/van Hoof/van Rijn/Zwaak,
a. a. O., S. 563, 567). Dass es auf die Rechtskraft
ankommen könnte, lässt sich zwar der deutschen Übersetzung von Art. 6 Abs. 1
erster Satz EMRK nicht entnehmen, drängt sich aber angesichts des für die Auslegung
massgeblichen englischen Wortlauts dieser Bestimmung auf (« In the determination
[...] of any criminal charge [...], everyone is entitled to a [...] hearing [...] by a [...] tribunal
established by law »; vgl. EGMR, Urteil Delcourt
gegen Belgien vom 17. Januar
1970, Ziff. 25: « La Cour constate d'ailleurs que le texte anglais de l'article
6 ne contient pas l'équivalent du mot < bien-fondé >: il utilise
l'expression, beaucoup plus large, de < determination of any criminal charge >
[< décision sur toute accusation en matière pénale >].
Or, une accusation pénale n'est pas vraiment < determined > aussi longtemps
que le verdict d'acquittement ou de condamnation n'est pas définitif. La procédure
pénale forme un tout et doit, normalement, s'achever par une décision exécutoire »;
vgl. auch Kühne,
a. a. O., Rz. 430 zu Art. 6
EMRK).
Demnach muss
auch im vorliegenden verwaltungsverfahrensrechtlichen Verfahrensgang - von der Erst- bis zur Letztinstanz
- vor Eintritt der Rechtskraft der verurteilenden Erkenntnis zumindest ein
Gericht im Sinne von Art. 6 Abs. 1
erster Satz EMRK urteilen. Mithin wird den Anforderungen
dieser Bestimmung hier bereits rechtsgenüglich entsprochen, weil das Bundesverwaltungsgericht
seine Kognition im Sinne der Rechtsprechung des EGMR ausübt (vgl. E. 5.6).
5.5.5
Dieses Ergebnis belegt, dass es
für das Genügen einer einmaligen gerichtlichen Überprüfung (mit voller Kognition)
letztlich auf die Verfahrensverwandtschaft der kartellrechtlichen Verwaltungssanktionen (Art. 49
a-Art. 53
KG) mit kartellrechtlichen Strafsanktionen (Art. 54
-Art. 57
KG i. V. m. Art. 1
ff. und Art. 72 Abs. 3
des Bundesgesetzes
vom 22. März 1974 über das Verwaltungsstrafrecht [VStrR, SR
313.0]) und die Nähe
dieser Verwaltungssanktionen zu strafrechtlichen Übertretungen (mit Bussenfolge gem. Art. 106
Abs. 1
StGB) ankommt, wie Hangartner
zutreffend herleitet (vgl. Aspekte,
a. a. O., S. 270 f.).
5.5.6
Zusammenfassend kann im Lichte
dieser Überlegungen der Beschwerdeführerin nicht gefolgt werden, wenn sie eine « unheilbare »,
besonders schwerwiegende Verletzung von Parteirechten im Umstand erblickt, dass die Vorinstanz
in organisatorisch-funktioneller Hinsicht nicht unabhängig sei.
Wie gezeigt
wurde, kann diese Frage letztlich offengelassen werden, da die Beschwerdeführerin keinen Anspruch
darauf hat, dass die erfolgte Sanktionierung bereits erstinstanzlich von einem
Gericht im Sinne von Art. 6 Abs. 1
EMRK beurteilt wird (vgl. E. 5.5.1 ff.). Diese
Bestimmung wird nicht verletzt, soweit die strittige (und daher noch nicht rechtskräftige)
Sanktion zumindest von einem Gericht beurteilt werden kann, das institutionell und hinsichtlich Kognition
den Anforderungen an Art. 6 Abs. 1
EMRK zu genügen vermag (vgl. E. 5.5).
5.6
Kognition des Bundesverwaltungsgerichts im vorliegenden Fall
Demnach bleibt
noch zu klären, ob die vom Bundesverwaltungsgericht konkret ausgeübte Kognition den Anforderungen
von Art. 6 Abs. 1
EMRK entspricht, wie die Vorinstanz behauptet, die Beschwerdeführerin
indes in Abrede stellt.
5.6.1
Zu dieser Frage rügt die Beschwerdeführerin
mit Verweis auf das von ihr eingereichte Rechtsgutachten, das Bundesverwaltungsgericht verfüge nicht
über die nötige volle Kognition im Sinne der Rechtsprechung zur Heilung von Verletzungen
des Anspruchs auf ein unabhängiges Gericht. Aufgrund seiner beschränkten personellen
Ressourcen sei es nicht in der Lage, umfassende Beweiserhebungen zu tätigen und eine Kontrolle des
technischen Ermessens auszuüben, was reformatorische Entscheide verunmögliche. Insbesondere
könne das Bundesverwaltungsgericht ohne Fachrichter den vorliegenden Sachverhalt nicht
mit der gleichen umfassenden Kognition wie die frühere REKO/WEF überprüfen und vermöge
deshalb auch nicht, mit voller Kognition auf Bestreitungen einzugehen. Dies aber schliesse eine
Heilung der Verletzung des fraglichen Anspruchs aus.
5.6.2
Die Beschwerdeführerin wie
auch die Vorinstanz diskutieren die Frage, auf welche Weise die angeblich fehlende organisatorisch-funktionelle
Unabhängigkeit der Vorinstanz behoben werden könnte, unter dem Gesichtspunkt einer allfälligen
« Heilung von Mängeln ». Diese Diktion, die gelegentlich auch in der Lehre und
Rechtsprechung zu Art. 6 Abs. 1
EMRK anzutreffen ist (vgl. BGE 115 Ia 183 E. 4b, BGE 119
Ia 88 E. 5c; Kiener,
a. a. O., S. 383), wird den vorliegenden Verhältnissen nicht gerecht (vgl.
demgegenüber BGE 115 Ia 406 E. 3b/bb, wo zutreffend nicht von « Heilung »
die Rede ist).
Ist, wie
hier, im innerstaatlichen Verhältnis nach der EMRK Rechtsschutz durch ein unabhängiges Gericht
nur mindestens
einmal zu gewährleisten
(vgl. E. 5.5.1), dann wäre es verfehlt, die den Anforderungen an ein Gericht im Sinne
von Art. 6 Abs. 1
EMRK nicht entsprechende Entscheidbehörde als letztlich « mangelhaft »
verfasst hinzustellen, was sie ja wohl kaum sein kann, wenn deren Struktur innerstaatlich
durch die Gesetzgebung positivrechtlich so vorgesehen ist und sich diese innerstaatliche
Verfahrensordnung selbst nicht als EMRK-widrig erweist.
Von einem
allfälligen Mangel könnte wohl erst gesprochen werden, wenn innerstaatlich überhaupt kein
den Anforderungen von Art. 6 Abs. 1
EMRK entsprechendes Gericht vorgesehen wäre, wie die
Beschwerdeführerin in Bezug auf den vorliegenden Fall behauptet. Daher wird nachfolgend
die Kognitionsfrage auch nicht unter dem Gesichtspunkt einer allfälligen « Heilung »
(von « Mängeln ») untersucht. Aus diesem Grund ist auch nicht auf den von der
Beschwerdeführerin als weitere Voraussetzung behaupteten « Ausnahmecharakter »
solcher Heilungen einzugehen, der hier angeblich nicht erfüllt sein soll.
5.6.3
Da es ausreicht, wenn die strittige
Sanktion durch eine
gerichtliche Instanz mit voller Kognition überprüft werden kann (vgl. E. 5.5.1)
und das Bundesverwaltungsgericht unbestrittenermassen organisatorisch-funktionell ein « unabhängiges
und unparteiisches, auf Gesetz beruhendes Gericht » im Sinne von Art. 6 Abs. 1
erster Satz EMRK ist, muss nachfolgend geprüft werden, ob die vom Bundesverwaltungsgericht
konkret ausgeübte Kognition den Anforderungen von Art. 6 Abs. 1
EMRK entspricht,
was die Beschwerdeführerin ganz grundsätzlich bestreitet.
5.6.4
Nach Art. 49
VwVG kann mit
der Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht gerügt werden, die angefochtene Verfügung
verletze Bundesrecht (einschliesslich der Überschreitung oder des Missbrauchs von Ermessen), beruhe
auf einer unrichtigen oder unvollständigen Feststellung des rechtserheblichen Sachverhalts
oder sei unangemessen, soweit nicht die Verfügung einer kantonalen Beschwerdeinstanz streitig
ist.
5.6.4.1
Das Bundesverwaltungsgericht ist
grundsätzlich verpflichtet, seine Kognition voll auszuschöpfen (vgl. André
Moser/Michael Beusch/Lorenz Kneubühler,
Prozessieren vor dem Bundesverwaltungsgericht, Basel 2008, Rz. 2.153 mit Verweis auf das Urteil
des Bundesverwaltungsgerichts B-3490/2007
vom 15. Januar 2008 E. 3.1). Eine zu Unrecht vorgenommene Kognitionsbeschränkung stellt
eine Verletzung des rechtlichen Gehörs oder eine formelle Rechtsverweigerung dar (vgl.
Moser/Beusch/Kneubühler,
a. a. O., Rz. 2.153 mit weiteren Hinweisen).
5.6.4.2
Indessen darf nach herrschender
Meinung auch das Bundesverwaltungsgericht, obschon es nach der gesetzlichen Ordnung « mit
freier Prüfung » zu entscheiden hat, seine Kognition einschränken, soweit die Natur
der Streitsache dies sachlich gebietet. Dies ist der Fall, wenn die Rechtsanwendung technische Probleme,
Fachfragen oder sicherheitsrelevante Einschätzungen betrifft, zu deren Beantwortung
und Gewichtung die verfügende Behörde aufgrund ihres Spezialwissens besser geeignet ist,
oder wenn sich Auslegungsfragen stellen, welche die Verwaltungsbehörde aufgrund ihrer örtlichen,
sachlichen oder persönlichen Nähe sachgerechter zu beurteilen vermag als die Beschwerdeinstanz.
Geht es um
die Beurteilung technischer oder wirtschaftlicher Spezialfragen, in denen die Vorinstanz
über ein besonderes Fachwissen verfügt, ist nur bei erheblichen Gründen von der Auffassung
der Vorinstanz abzuweichen (vgl. BGE 135 II 296 E. 4.4.3, BGE 133 II 35 E. 3, BGE
131 II 13 E. 3.4; Urteil des Bundesverwaltungsgerichts C-2265/2006
vom 14. September 2007 E. 2.1, teilweise veröffentlicht in BVGE 2007/43; Yvo
Hangartner, Richterliche Zurückhaltung
in der Überprüfung von Entscheiden von Vorinstanzen, in: Schindler/Sutter [Hrsg.],
Akteure der Gerichtsbarkeit, Zürich/St. Gallen 2007, S. 171 ff., nachfolgend: Richterliche
Zurückhaltung; Moser/Beusch/Kneubühler,
a. a. O., Rz. 2.154 mit weiteren Hinweisen; Oliver
Zibung/Elias Hofstetter,
in: Waldmann/Weissenberger [Hrsg.], Praxiskommentar VwVG, Zürich/Basel/Genf 2009, N. 19 f.
zu Art. 49
VwVG; kritisch dazu Benjamin Schindler,
in: Auer/Müller/Schindler [Hrsg.], Kommentar zum Bundesgesetz über das Verwaltungsverfahren
[VwVG], Zürich/St. Gallen 2008, N. 5 [Fn. 31] zu Art. 49
VwVG).
5.6.5
Soweit die Beschwerdeführerin
rügt, das Bundesverwaltungsgericht könne die Anforderungen an Art. 6 Abs. 1
EMRK bereits deshalb nicht erfüllen, weil es mangels Fachrichter den vorliegenden Sachverhalt nicht
mit einer gleich umfassenden Kognition überprüfen könne wie die ehemalige REKO/WEF, vermischt
sie in unzulässiger Weise zwei Fragestellungen, die auseinanderzuhalten sind:
Einerseits
die spezifische Kognition, welche das anwendbare Verwaltungsverfahrensrecht in Art. 49
VwVG
vorsieht (vgl. E. 5.6.4), und andererseits die konkret von Art. 6 Abs. 1
EMRK
geforderte Kognitionsdichte, die ein Gericht für einen wirksamen Rechtsschutz respektieren
muss.
5.6.5.1
Diese vom EGMR geforderte Kognitionsdichte
umfasst lediglich (aber immerhin) eine volle gerichtliche Überprüfung des Sachverhalts
und der sich stellenden Rechtsfragen (vgl. EGMR, Urteil Albert
und Le Compte gegen Belgien vom
10. Februar 1983, Ziff. 29, EGMR, Dallos gegen Ungarn,
Urteil vom 1. März 2001, Ziff. 50; BGE 127 I 115 E. 6d, BGE 120 Ia 19 E. 3a;
Haefliger/Schürmann,
a. a. O., S. 159 f.; Kühne,
a. a. O., Rz. 319 zu Art. 6
EMRK; van Dijk/van Hoof/van
Rijn/Zwaak,
a. a. O., S. 561 f.).
Sie umfasst
jedoch nicht die Ermessenskontrolle (vgl. z. B. EGMR, Urteil Albert
und Le Compte gegen Belgien vom
10. Februar 1983, Ziff. 29; Urteil des Bundesgerichts 2P.266/2006 vom 19. Februar 2007
E. 3.2 mit Verweis auf BGE 131 II 306 E. 2.1; BGE 125 II 417 E. 4/d, BGE 123 I 87 E. 3a,
BGE 120 Ia 19 E. 4/c; Hangartner,
Richterliche Zurückhaltung, a. a. O., S. 165; Schindler,
Perspective, a. a. O., S. 453).
Das Gericht
muss mit anderen Worten volle Kognitionsbefugnisse in Rechts- und Tatsachenfragen haben, das heisst befugt
sein, Punkt für Punkt eines Vorbringens in der Sache zu überprüfen, ohne seine Unzuständigkeit
zur Behandlung oder zur Ermittlung einzelner Sachverhaltselemente zu erklären.
Dabei sind kassatorische Befugnisse eines Gerichts ausreichend (vgl. EGMR, Urteil Zumtobel
gegen Österreich vom 21. September
1993, Ziff. 31 ff.; Grabenwarter,
a. a. O., § 24 N. 29, S. 344).
5.6.5.2
Soweit daher Art. 6 Abs. 1
EMRK keine Ermessenskontrolle gebietet, erweist sich die richterliche Zurückhaltung bei der Überprüfung
der Konkretisierung unbestimmter Rechtsbegriffe durch hochspezialisierte Behördenkommissionen
als zulässig.
So wird nach
einer einzelfallweisen, kontrovers beurteilten Praxis des EGMR richterliche Zurückhaltung selbst
dann zugelassen, wenn eine Beschwerde sich gegen Anordnungen einer (nichtrichterlichen) Vorinstanz
richtet, die in der Streitsache aufgrund ihrer Tätigkeit auf einem speziellen Rechtsgebiet
über besondere Kenntnisse verfügt und in einem quasigerichtlichen, das heisst qualifizierten
rechtstaatlichen Anforderungen genügenden Verfahren entschieden hat (vgl. EGMR, Urteil
Bryan gegen Vereinigtes Königreich
vom 22. November 1995, Ziff. 45 ff.; Hangartner,
Richterliche Zurückhaltung, a. a. O., S. 165 f. mit weiteren Hinweisen;
Schindler,
Perspective, a. a. O., S. 449 f.; van Dijk/van Hoof/van
Rijn/Zwaak, a. a. O.,
S. 561).
Da somit
der EGMR unter Umständen, die sich mit der vorliegenden Situation durchaus vergleichen lassen,
sogar eine eingeschränktere Kognition genügen lässt, fällt hier -
entgegen den Ausführungen der Beschwerdeführerin und des von ihr beigezogenen Rechtsgutachters
- der Umstand nicht ins Gewicht, dass sich das Bundesverwaltungsgericht insofern nicht mit der
REKO/WEF vergleichen lässt, als es - mangels Fachrichter - keine « Fach-Beschwerdeinstanz »
ist, die im Sinne von BGE 130 II 449 E. 4.1 auch Angemessenheitsfragen « voll »
überprüfen müsste.
Es vermag
deshalb im Lichte von Art. 6 Abs. 1
EMRK zu genügen, wenn sich das Bundesverwaltungsgericht
unter anderem auch damit begnügt, lediglich die rechtlichen Grenzen der Ermessensausübung zu
kontrollieren. « Volle Jurisdiktion » im Sinne der EMRK würde
nur fehlen, wenn sich die Rechtskontrolle bloss auf eine « Verfassungskontrolle »
oder « Willkürkontrolle » beschränken beziehungsweise
wenn der Sachverhalt nur beschränkt überprüft würde (vgl. BGE 124 I 255 E. 4b,
BGE 129 I 103 E. 3, BGE 123 I 87 E. 3b; Kiener,
a. a. O., S. 234; Schindler,
Perspective, a. a. O., S. 459 f.).
5.6.5.3
Diese vom Bundesverwaltungsgericht
auszuübende Kognition steht im Einklang mit der Praxis des Bundesgerichts, welche gestützt
auf inhaltlich identische Rechtsgrundlagen erfolgt.
So erachtet
das Bundesgericht in BGE 132 II 257 (E. 3.2 zur behördlichen Festlegung von Interkonnektionsbedingungen)
seine Prüfungsdichte als mit Art. 6 Abs. 1
EMRK vereinbar, obschon es der
ComCom (als nichtrichterliche Behördenkommission, BGE 131 II 13 E. 3.2) technisches Ermessen
bei der Auslegung unbestimmter Rechtsbegriffe - in einem hoch technischen Bereich mit Fachfragen
übermittlungstechnischer beziehungsweise ökonomischer Natur - zugesteht,
den es als « erheblichen Beurteilungs- und Ermessensspielraum » der ComCom bezeichnet
(E. 3.3.5 bestätigt in BGE 132 II 485 E. 1.2, BGE 131 II 13 E. 3.4; vgl. zur Frage
des Charakters als « civil rights » im Sinne von Art. 6 Abs. 1
EMRK BGE
131 II 13 E. 6.4.1, sowie Urteil des Bundesgerichts 2A.507/2006 vom 15. Januar
2007 E. 3.4).
5.6.5.4
Einen ähnlichen Ansatz hat
auch das Bundesverwaltungsgericht im Urteil A-109/2008 vom 12. Februar 2009 verfolgt
(teilweise veröffentlicht in BVGE 2009/35). Strittig war in diesem Fall die Rechtmässigkeit
eines von der ComCom erlassenen Feststellungsentscheids zur Frage einer allfälligen Marktbeherrschung
beim « schnellen Bitstromzugang », was letztlich auch « civil
rights » im Sinne von Art. 6 Abs. 1
EMRK betraf (vgl. E. 12 zum Vermögensinteresse
der Streitsache; kritisch zur Ausschöpfung der Kognition durch das Bundesverwaltungsgericht
Reto Feller/Markus Müller,
Die Prüfungszuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts -
Probleme in der praktischen Umsetzung: dargestellt am Urteil des Bundesverwaltungsgerichts
A-109/2008 vom 12. Februar
2009, Schweizerisches Zentralblatt für Staats- und Verwaltungsrecht 110/2009, S. 442 ff.).
5.6.5.5
In diesem Zusammenhang ist hinsichtlich
der Kognitionserfordernisse von Art. 6 Abs. 1
EMRK - entgegen der Auffassung der
Beschwerdeführerin - nicht von Belang, dass das Bundesverwaltungsgericht ähnlich
wie die REKO/WEF (vgl. Beschwerdeentscheid i. S. Swisscom AG, Swisscom Fixnet AG/WEKO vom 30. Juni
2005 E. 5.3.6, veröffentlicht in: RPW 2005/3 S. 524) in der Regel mangels eigener Ressourcen
keine umfassenden eigenen Beweismassnahmen wird durchführen können. Dies ist so
lange nicht zu beanstanden, als das Bundesverwaltungsgericht die Sach- wie auch die Rechtslage
umfassend prüft, was, wie bereits erwähnt, Rückweisungen an die Vorinstanz zur Korrektur
mangelhafter Sachverhaltsabklärungen nicht ausschliesst (vgl. Grabenwarter,
a. a. O., § 24 N. 29, S. 344). Denn in solchen Fällen werden, insbesondere
wenn Sanktionen zu beurteilen sind, die Rechte der beschwerdeführenden Partei im Sinne
der EMRK gewahrt (vgl. Hangartner,
Richterliche Zurückhaltung, a. a. O., S. 171 ff.).
Diese Zurückhaltung
der richterlichen Überprüfung erweist sich auch deshalb als richtig, weil sich das Bundesverwaltungsgericht
nicht die Freiheit herausnehmen darf, als wirtschaftsregulatorische « Oberverwaltungsbehörde »
zu amten (vgl. BGE 129 II 331 E. 3.2). Vielmehr hat das Bundesverwaltungsgericht dafür zu sorgen,
dass die Konkretisierung des offenen Wettbewerbsbegriffs wie auch die Konkretisierung der sonstigen
offenen Begriffe des KG in rechtsstaatlich einwandfreier, rational nachvollziehbarer Art erfolgt
(vgl. Urteil des Bundesverwaltungsgerichts B 4037/2007 vom 29. Februar 2008 E. 4.2.2
bzw. E. 7.3.2.1 zur interessenideologischen
Natur des Wettbewerbsbegriffs; dieses Urteil wurde bestätigt durch BGE 135 II 60 E. 3.2.3).
Daher darf der mögliche Beurteilungsspielraum beim « technischen Ermessen »
einer ermessensausübenden Fachbehörde auch nur so weit gewährt werden,
als diese die für den Entscheid wesentlichen Gesichtspunkte tatsächlich geprüft und die
erforderlichen Abklärungen sorgfältig und umfassend durchgeführt hat (vgl. BGE 135
II 296 E. 4.4.3, BGE 125 II 591 E. 8a, BGE 131 II 680 E. 2.3).
Anzumerken
ist, dass die oben dargelegten Gesichtspunkte zur Kognition des Bundesverwaltungsgerichts sich nicht
nur auf Fälle aus dem Bereich des Wettbewerbsrechts beziehen, sondern im gesamten Bereich des Wirtschaftsverwaltungsrechts
Geltung beanspruchen.
5.6.6
Im Lichte dieser Anforderungen
von Art. 6 Abs. 1
EMRK an die minimal notwendige Prüfungsdichte eines Gerichts vermag
das Bundesverwaltungsgericht hier die Rügen der Beschwerdeführerin in sachlicher und
rechtlicher Hinsicht mit einer dieser Bestimmung entsprechenden Kognition zu überprüfen (ebenso
Tagmann,
a. a. O., S. 99 f.; vgl. sinngemäss auch Hangartner,
Aspekte, a. a. O., S. 271 f.).
5.6.6.1
Die von der Beschwerdeführerin
aufgeworfenen verfahrensrechtlichen Rügen können
vom Bundesverwaltungsgericht mit voller Kognition im Sinne von Art. 6 Abs. 1
EMRK überprüft
werden.
Diese Rügen
betreffen (a) die angeblich ungenügende gesetzliche Grundlage von Art. 49
a
Abs. 1 KG i. V. m. Art. 7
KG (vgl. E. 4), (b) den angeblichen Anspruch
auf eine gerichtlich organisierte Erstinstanz (vgl. E. 5.4), (c) die angebliche Verletzung des Anspruchs
auf rechtliches Gehör (vgl. E. 6), (d) die angebliche Verletzung der Untersuchungsmaxime
(vgl. E. ...) und (e) die angebliche Verletzung des Anspruchs auf einen « fair trial »
durch eine Missachtung ihres Schweigerechts (vgl. E. 5.7).
5.6.6.2
Auch die materiellrechtlichen Fragen
betreffend die Marktabgrenzung
beziehungsweise allfällige Marktbeherrschung
lassen sich vom Bundesverwaltungsgericht mit einer hinreichenden Kognitionsdichte überprüfen
(vgl. E. 5.6.5.3 sowie E. 9 f.).
5.6.6.3
Insbesondere mit umfassender Kognition
wird das Bundesverwaltungsgericht die angeblich vorgefallene Ausbeutung
der Marktgegenseite
zu prüfen haben, zumal es um die strittige Hauptfrage geht, ob ein bisher aus wettbewerbsrechtlicher
Sicht nicht bekannter Sachverhalt - nämlich die angebliche Erzwingung unangemessener Interkonnektionspreise
von der Marktgegenseite in einem vom Fernmeldegesetz regulierten Wirtschaftsbereich -
überhaupt von kartellgesetzlichen Tatbeständen erfasst wird (vgl. E. 11 ff.;
Zwischenverfügung des Bundesgerichts 2C_676/2008 vom 27. November 2008 E. 1.3 zum
bundesverwaltungsgerichtlichen Verfahren B-2775/2008;
Peter Uebersax,
Unabhängige Verwaltungsinstanzen und offene Gesetze im öffentlichen Wirtschaftsrecht
des Bundes - ein rechtliches Risiko?, in: Sutter-Somm/Hafner/Schmid/Seelmann [Hrsg.], Risiko
und Recht, Festgabe zum Schweizerischen Juristentag 2004, Basel/Genf/München/Bern 2004,
S. 695).
5.6.6.4
Schliesslich sind auch keine Gründe
erkennbar, welche das Bundesverwaltungsgericht daran hindern würden, die Bemessung
der ausgefällten Sanktion
sowie die entsprechenden Schärfungs- und Milderungsgründe mit einer Kognition zu
überprüfen, die die Anforderungen von Art. 6 Abs. 1
EMRK respektieren würde
(vgl. BGE 115 Ia 406 E. 3b/bb zur Notwendigkeit der gerichtlich zu gewährenden freien Überprüfung
einer Strafzumessung).
5.6.7
Zusammenfassend lässt sich
nach dem Gesagten festhalten, dass das Bundesverwaltungsgericht im vorliegenden Fall die angefochtene
Verfügung - entsprechend der vom Bundesgericht in BGE 132 II 257 und BGE 132 II 485 eingenommenen
Haltung zur Kognitionsfrage - in sachverhaltlicher und rechtlicher Hinsicht im Einklang mit
Art. 6 Abs. 1
EMRK auf ihre Rechtmässigkeit hin überprüfen kann.
5.7
Verletzung des Selbstbelastungsverbots?
5.7.1
Die Beschwerdeführerin rügt
vorab ganz grundsätzlich, dass nach dem EGMR eine angeschuldigte Person nicht verpflichtet werden
dürfe, zur Sache auszusagen, da entsprechende Aussagen beweismässig nicht verwertbar seien.
Würden solche Aussagen, egal ob sie belastender Natur seien oder nicht, in einem Entscheid berücksichtigt,
so wäre dieser anfechtbar und aufzuheben. Insofern dürfe ein Angeschuldigter, der eine Aussage
zur Sache verweigere, dafür nicht bestraft werden. Zudem dürften aus einem Schweigen
keine nachteiligen Schlüsse gezogen werden. Geschehe dies dennoch, dann sei ein Strafentscheid
anfechtbar und aufzuheben. Ferner dürfe dieses Schweigerecht auch nicht durch eine ausserstrafprozessuale
Mitwirkungspflicht ausgehebelt werden, indem eine solche in einem Verwaltungsverfahren gestützt
auf Verwaltungsrecht statuiert werde. Entscheidend sei allein das Vorliegen einer « strafrechtlichen
Anklage » im Sinne von Art. 6 Abs. 1
EMRK.
Im Urteil
J.B. gegen die Schweiz
vom 3. Mai 2001 habe der EGMR den durch mehrere Ordnungsbussen ausgeübten Zwang zur Herausgabe
von Dokumenten in einem Nachsteuerverfahren als Verletzung von Art. 6 Abs. 1
EMRK gewertet,
zumal eine Herausgabe den Betroffenen im gleichzeitig geführten Steuerhinterziehungsverfahren belastet
hätte.
5.7.2
Mit der Beschwerdeführerin
ist davon auszugehen, dass bereits im Sanktionsverfahren vor der Vorinstanz das aus Art. 6 Abs. 1
und 2
EMRK abgeleitete Selbstbelastungsverbot, wonach eine Person sich nicht selbst beschuldigen muss,
also schweigen darf, zumindest dem Grundsatz nach zu beachten ist (vgl. dazu Hangartner,
Aspekte, a. a. O., S. 273 f.; Christoph Lang,
Untersuchungsmassnahmen der Wettbewerbskommission im Spannungsverhältnis zwischen Wahrheitsfindung
und Verteidigungsrechten eines Angeschuldigten, in: Jusletter vom 27. September 2004, Rz. 10;
Waser,
a. a. O., S. 174 ff.; vgl. demgegenüber die differenzierte Kritik bei Hansjörg
Seiler, Das [Miss-]Verhältnis
zwischen strafprozessualem Schweigerecht und verwaltungsrechtlicher Auskunftspflicht, recht
1/2005, S. 11 ff., insbes. S. 16; kritisch auch Philippe
Spitz, Ausgewählte Problemstellungen
im Verfahren und bei der praktischen Anwendung des revidierten Kartellgesetzes, sic! 2004, S. 557).
5.7.3
Dieser Grundsatz, der bisweilen
auch als Verbot des Selbstbelastungszwangs oder als Selbstbezichtigungsprivileg bezeichnet
wird, zählt zum Kernbereich eines fairen Verfahrens (vgl. EGMR, Urteil Funke
gegen Frankreich vom 25. Februar
1993, Ziff. 44) und steht in einem engen Zusammenhang zur Unschuldsvermutung gemäss Art. 6
Abs. 2
EMRK (vgl. Grabenwarter,
a. a. O., § 24 N. 119, S. 389 f.; Kühne,
a. a. O., Rz. 447 zu Art. 6
EMRK).
Wie die Beschwerdeführerin
zu Recht betont, ergibt sich aus dem Recht eines Angeklagten, nicht zu seiner eigenen Verurteilung beitragen
zu müssen, insbesondere, dass Anklagen ohne Rückgriff auf Beweismittel geführt werden,
die durch Zwang oder Druck in Missachtung des Willens des Angeklagten erlangt worden sind (vgl. BGE 131
IV 36 E. 3.1 mit Verweis auf EGMR, J.B. gegen Schweiz,
Urteil vom 3. Mai 2001 und BGE 121 II 273; Kühne,
a. a. O., Rz. 448 zu Art. 6
EMRK). Damit soll der Angeklagte vor missbräuchlichem
Zwang seitens der Behörden geschützt werden, was der Vermeidung von Justizirrtümern
sowie der Zielsetzung von Art. 6
EMRK dienen soll (vgl. BGE 131 IV 36 E. 3.1; vgl. die
Kritik bei Seiler,
a. a. O., S. 18 ff.). Gleiches gilt bei Verwaltungsverfahren mit strafrechtlichem
Charakter.
5.7.4
Allerdings gibt die Beschwerdeführerin
sich nicht hinreichend Rechenschaft über die Tragweite des Selbstbelastungsverbots.
5.7.4.1
Auch wenn das damit verbundene
Recht zu Schweigen nicht nur Aussagen, sondern auch den Zwang zur eigenhändigen Herausgabe
von Beweismaterial umfasst (vgl. EGMR, J.B. gegen Schweiz,
Urteil vom 3. Mai 2001, Ziff. 63 ff., veröffentlicht in: Verwaltungspraxis der Bundesbehörden
65.128; kritisch dazu Clémence Grisel,
L'obligation de collaborer des parties en procédure administrative, Zürich 2008, N. 414;
bestätigt in EGMR, Marttinen gegen Finnland,
Urteil vom 21. April 2009, Ziff. 71), vermittelt es entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin
kein absolutes Recht, da es Beschränkungen unterworfen sein kann. Unter Umständen kann
auch ein mittels Verwaltungsstrafen ausgeübter Zwang gerechtfertigt sein (vgl.
EGMR, O'Halloran gegen Vereinigtes Königreich,
Urteil vom 29. Juni 2007, Ziff. 55 ff.; BGE 131 IV 36 E. 3; Kühne,
a. a. O., Rz. 451 ff. zu Art. 6
EMRK; Seiler,
a. a. O., S. 19). Selbst das Ziehen nachteiliger Schlüsse aus einem allfälligen
Schweigen eines Beschuldigten wird unter bestimmten Voraussetzungen als vereinbar mit dem
Selbstbelastungsverbot angesehen (vgl. EGMR, Urteil Murray
gegen Grossbritannien vom 8. Februar
1996, Ziff. 45 ff.; kritisch Müller/Schefer,
a. a. O., S. 989 Fn. 44).
Der EGMR
beurteilt die Zulässigkeit einer Verpflichtung, gegen sich selber aussagen zu müssen,
aufgrund der Art und des Ausmasses des ausgeübten Zwanges, der verfahrensrechtlichen Sicherungen
und der Verwendung der erlangten Beweise (vgl. EGMR,
Abu Bakah Jalloh gegen Deutschland,
Urteil vom 11. Juli 2006, Ziff. 101). Freilich ist im Einzelnen die Tragweite des
Selbstbelastungsverbots in Bezug auf passive und aktive Verhaltenspflichten in vielen Rechtsbereichen
umstritten, insbesondere auch bezüglich Handlungspflichten, etwa Informationspflichten
gegenüber Behörden oder Privatpersonen, die sich mittelbar selbstbelastend auswirken
können (vgl. BGE 132 II 113 E. 3, BGE 131 IV 36 E. 3.1 mit weiteren Hinweisen; Holger
Dieckmann, in: Gerhard Wiedemann
[Hrsg.], Handbuch des Kartellrechts, 2. Aufl., München 2008, § 42 N. 21 f.,
S. 1547 ff. je mit weiteren Hinweisen; Patrick
L. Krauskopf/Katrin Emmenegger,
in: Waldmann/Weissenberger [Hrsg.], Praxiskommentar VwVG, Zürich/Basel/Genf 2009, N. 70
zu Art. 13
VwVG; Müller/Schefer,
a. a. O., S. 985; vgl. für Wettbewerbsverfahren vor den Behörden
der EU Andreas Klees,
Europäisches Kartellverfahrensrecht mit Fusionskontrollverfahren, Köln 2005,
§ 9 N. 34, S. 318 f.).
5.7.4.2
Ungeachtet dieser differenzierten
Rechtsprechung des EGMR, der sich zu dieser Frage ausschliesslich mit dem Selbstbelastungsverbot natürlicher
Personen zu befassen hatte (vgl. Tagmann,
a. a. O., S. 115), hält die Beschwerdeführerin auch die im KG statuierte
Mitwirkungspflicht für gänzlich unbeachtlich, weshalb zwingend ein generelles
Beweisverwertungsverbot zu folgen habe.
Dieser Auffassung
kann nicht gefolgt werden, auch wenn die Beschwerdeführerin als juristische Person den aus
Art. 6 Abs. 1
und 2
EMRK abgeleiteten Garantien grundsätzlich untersteht (vgl. E. 5.4.1).
5.7.4.3
Nach Art. 40
KG haben marktmächtige
Unternehmen den Wettbewerbsbehörden alle für deren Abklärungen erforderlichen Auskünfte
zu erteilen und die notwendigen Urkunden vorzulegen, wobei sich das Recht zur Verweigerung der Auskunft
nach Art. 16
VwVG (Zeugnisverweigerungsrecht) richtet. Ferner wird nach Art. 52
KG ein Unternehmen, das die Auskunftspflicht oder die Pflichten zur Vorlage von Urkunden
nicht oder nicht richtig erfüllt, mit einem Betrag bis zu CHF 100'000.- belastet. Zudem
wird nach Art. 55
KG mit Busse bis zu CHF 20'000.- bestraft, wer insbesondere vorsätzlich
Verfügungen der Wettbewerbsbehörden betreffend die Auskunftspflicht (Art. 40
KG)
nicht oder nicht richtig befolgt.
Damit stellt
sich die Frage, wie diese gesetzlich vorgesehenen Ermittlungsbefugnisse der Wettbewerbsbehörden,
die bei Auskunftsverweigerung sanktionierbar sind, mit den legitimen Verteidigungsinteressen
von Unternehmen,
die in der Regel juristische Personen sind, zu einem sachgerechten Ausgleich gebracht werden können,
ohne in Widerspruch zur Rechtsprechung des EGMR zu treten.
Dazu werden
zwei entgegengesetzte Standpunkte vertreten:
5.7.4.3.1
Nach der einen Auffassung, der
im Ergebnis die Vorinstanz folgt, verfügen die nach Art. 40
KG zur Mitwirkung Verpflichteten
über kein absolut geltendes Aussageverweigerungsrecht, sondern nur über eines, das sich auf
Fragen beschränkt, durch die das Unternehmen direkt oder indirekt dazu gezwungen würde, ein
« wettbewerbswidriges Verhalten » einzugestehen; solche Fragen müssten
nicht beantwortet werden. Dagegen erstrecke sich die (allenfalls nach Art. 52
und Art. 55
KG) sanktionierbare Auskunftspflicht auf rein tatsächliche Gegebenheiten (vgl. Krauskopf/Emmenegger,
a. a. O., N. 70
zu Art. 13
VwVG; Tagmann,
a. a. O., S. 119 mit weiteren Hinweisen).
Diese Sicht
orientiert sich an der Praxis des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) in
Wettbewerbsverfahren, wonach die Kommission ein Unternehmen gegebenenfalls durch Entscheidung verpflichten
darf, ihr alle erforderlichen Auskünfte über ihm eventuell bekannte Tatsachen zu erteilen,
jedoch nicht berechtigt ist, ein Unternehmen zu verpflichten, Antworten zu geben, durch welche
es eine Zuwiderhandlung eingestehen müsste, für welche die Kommission nachweispflichtig
ist (vgl. EuGH, Urteil vom 25. Januar 2007 in der Rechtssache C-407/04, Dalmine/Kommission, Rz. 34
mit weiteren Hinweisen, insbes. auf EuGH, Urteil vom 18. Oktober 1989 C-374/87, in der Rechtssache
Orkem/Kommission, Rz. 34 f.).
Nach dieser
Rechtsprechung darf eine Auskunft nicht damit verweigert werden, dass die Informationen dazu verwendet
werden könnten, den Beweis für ein wettbewerbswidriges Verhalten zu erbringen; Auskünfte
« rein tatsächlicher Art » müssten immer gegeben werden, nicht hingegen
Angaben, welche das « Eingeständnis einer Zuwiderhandlung » enthalten (vgl.
Stephan Breitenmoser,
Grundrechtsschutz im Wettbewerbsrecht - ein Überblick, SZIER 3/2007, S. 428 f.,
433; Dieckmann,
a. a. O., § 42 N. 21, S. 1547 f. mit weiteren Hinweisen; kritisch
Klees,
a. a. O., § 9 N. 34, S. 318 f.; Stefan
Lorenzmeier, Kartellrechtliche
Geldbussen als strafrechtliche Anklage im Sinne der Europäischen Menschenrechtskonvention,
Zeitschrift für Internationale Strafrechtsdogmatik 1/2008, S. 28; Jürgen
Schwarze/Rainer Bechtold/Wolfgang Bosch,
Rechtsstaatliche Defizite im Kartellrecht der Europäischen Gemeinschaft - Eine kritische
Analyse der derzeitigen Praxis und Reformvorschläge, Stuttgart 2008, S. 31 ff.,
online unter: http://www.gleisslutz.com > Publikationen > 2008 > 3).
5.7.4.3.2
Nach der anderen Auffassung, welche
im Ergebnis auch die Beschwerdeführerin vertritt, gelte hingegen ein absolutes Aussageverweigerungsrecht,
da die von den Europäischen Gerichten vertretene Unterscheidung zwischen Tatsachenaussagen und Aussagen
mit eigentlichem Geständnischarakter im Lichte strafprozessualer Mindestgarantien
« artifiziell » und nicht überzeugend sei. Nach dieser Meinung sei ein Unternehmen
nicht dazu verpflichtet, durch entsprechende Auskünfte selber zu seiner Verurteilung zu einer Geldbusse
beitragen zu müssen. Dasselbe gelte auch für die Herausgabe von Dokumenten.
Insofern
sei ein Angeschuldigter in einem Verfahren mit pönalem Charakter nicht verpflichtet, die Untersuchung
durch aktives Verhalten zu fördern, weshalb ihn auch keine Editionspflicht treffe. Daher dürfe
die Weigerung, einer Forderung auf Herausgabe nachzukommen, auch nicht mit Verwaltungssanktionen belegt
werden. Dies schliesse indessen nicht aus, dass die Wettbewerbsbehörden entsprechende Unterlagen
selber im Rahmen einer Hausdurchsuchung nach Art. 42 Abs. 2
KG beschaffen dürften, da
Angeschuldigte in einem Untersuchungsverfahren entsprechende Untersuchungsmassnahmen zu dulden
hätten (vgl. Lang,
a. a. O., Rz. 21 mit weiteren Hinweisen; Niggli/Riedo,
a. a. O., S. 61 ff.; Spitz,
a. a. O., S. 556 ff.).
5.7.5
Die Frage, welche Grenzen das aus
Art. 6 Abs. 1
und 2
EMRK abgeleitete Selbstbelastungsverbot eines Unternehmens seiner kartellgesetzlichen
Mitwirkungspflicht generell und unabhängig vom Einzelfall setzt, braucht hier jedoch nicht im Einzelnen
abschliessend erörtert zu werden, wenn sich erweist, dass die beiden sachbezogenen Rügen
der Beschwerdeführerin von vornherein im Lichte grundsätzlicher Überlegungen
unbegründet sind.
5.7.5.1
Einerseits beanstandet die Beschwerdeführerin,
sie sei durch zwei Begehren formell, das heisst unter Hinweis auf die gesetzliche Mitwirkungspflicht
nach Art. 40
KG, zur Auskunft verpflichtet worden, was ihr Schweigerecht verletze. Deshalb seien
die mit diesen Auskunftsbegehren erhobenen Beweise nicht verwertbar, ungeachtet des Umstands,
ob die Beweise sie belasteten oder nicht. Folglich sei die auf solche Beweise gestützte angefochtene
Verfügung aufzuheben.
5.7.5.1.1
Entgegen der Meinung der Beschwerdeführerin
ist mit der Vorinstanz davon auszugehen, dass, wenn - wie hier - die Beschwerdeführerin
auf die Auskunftsbegehren vorbehaltlos antwortete, dadurch das ihr zustehende Aussageverweigerungsrecht
noch nicht verletzt worden ist.
Zwar
gilt die Auskunftspflicht nach Art. 40
KG ex lege, aber um den Anforderungen an das Selbstbelastungsverbot
im Sinne der EMRK gerecht werden zu können, hat die zuständige Wettbewerbsbehörde
mittels selbständig anfechtbarer, verfahrensleitender Verfügung die Auskunftspflicht
sowie deren Umfang festzuhalten, wenn diese, insbesondere gestützt auf das Selbstbelastungsverbot,
bestritten wird (vgl. Stefan Bilger,
Das Verwaltungsverfahren zur Untersuchung von Wettbewerbsbeschränkungen, Freiburg 2002, S. 248 f.;
Borer,
a. a. O.,
Rz. 9
zu Art. 40
KG; Benoît Carron,
in: Commentaire romand, Tercier/Bovet [Hrsg.], Droit de la concurrence, Genf/Basel/München
2002, Rz. 25 zu Art. 40
KG; Laurent
Moreillon,
in: Commentaire romand, Tercier/Bovet [Hrsg.], Droit de la concurrence, Genf/Basel/München 2002,
Rz. 5
zu Art. 52
KG). Gleichzeitig sind die kartellgesetzlichen Sanktionsfolgen anzudrohen (vgl. Bilger,
a. a. O., S. 249; Paul Richli,
Kartellverwaltungsverfahren, in: von Büren/David [Hrsg.], Schweizerisches Immaterialgüter-
und Wettbewerbsrecht V/2, Basel 2000, S. 487).
Nur
eine solche Auskunftsverfügung, welche hier jedoch nicht ergangen ist, könnte unter Umständen
als unerlaubte Ausübung von Zwang aufgefasst werden, soweit damit unzulässige Fragen mit Sanktionsfolgen
durchgesetzt werden sollen. Ein solches Vorgehen entspricht auch der Praxis der Europäischen Kommission
(vgl. Dieckmann,
a. a. O., § 42 N. 13 ff. und 48, S. 1545 ff.; Klees,
a. a. O., § 9 N. 16 ff., S. 313 ff.).
5.7.5.1.2
Diese Sicht erweist sich im Rahmen
komplexer Wettbewerbsverfahren als notwendig. Denn das von der Beschwerdeführerin postulierte
umfassende Aussageverweigerungsrecht bezüglich aller Fragen, die einen bestimmten, von der Vorinstanz
zu untersuchenden Sachverhalt betreffen, könnte die behördliche Sachverhaltsabklärung
und damit letztlich die Anwendbarkeit der materiellen Bestimmungen des KG in unverhältnismässiger
Weise erschweren, wie die Vorinstanz zu Recht befürchtet (vgl. Seiler,
a. a. O., S. 14, 17 ff.; anderer Meinung Niggli/Riedo,
a. a. O., S. 66 f.), zumal sie die Beweislast für das Vorhandensein wettbewerbswidriger
Praktiken trägt.
Dem stünde
auch die bisherige Praxis der REKO/WEF entgegen, welche Art. 40
Satz 1 KG als unerlässliches
Instrument der Wettbewerbsbehörden bezeichnete, um den rechtserheblichen Sachverhalt (inkl.
Geschäftsgeheimnisse) feststellen zu können (vgl. Beschwerdeentscheid vom 26. September
2002 [Vertrieb von Tierarzneimitteln] E. 3, veröffentlicht in: RPW 2002/4
S. 698; vgl. auch Urteil des Bundesverwaltungsgerichts B-3577/2008 vom 6. November
2008 E. 1.3.1, veröffentlicht in: RPW 2008/4 S. 731 ff.).
5.7.5.1.3
Im vorliegenden
Fall legt die Beschwerdeführerin mit keinem Wort dar, inwiefern sie in den jeweiligen Fragebogen
durch unzulässige Fragen aufgefordert worden wäre, « wettbewerbswidriges Verhalten »
einzugestehen beziehungsweise Fragen zu beantworten, die sie zu selbstbelastenden Auskünften
verführt hätten. Hätte die Beschwerdeführerin tatsächlich unzulässige,
suggestive Belastungsfragen im Fragebogen entdeckt, wäre jedenfalls von ihr zu erwarten gewesen,
dass sie die Auskunft verweigert und den Erlass einer Auskunftsverfügung anbegehrt hätte,
was sie aber nicht getan hat.
Damit
hat die Beschwerdeführerin darauf verzichtet, die entsprechenden Auskunftsbegehren auf ihre
Rechtmässigkeit hin gerichtlich überprüfen
zu lassen, weshalb die in der Folge eingereichten Auskünfte auch nicht einem Beweisverwertungsverbot
unterstehen (vgl. Krauskopf/Emmenegger,
a. a. O., N. 195
zu Art. 12
VwVG). Insofern ist das von der Beschwerdeführerin angerufene Urteil des EGMR J.B.
gegen die Schweiz vom 3. Mai
2001 nicht einschlägig, da die Vorinstanz gegenüber der Beschwerdeführerin nie ein
Sanktionsverfahren gemäss Art. 52
KG durchgeführt hat, um sie zur Erteilung von Auskünften
oder zur Herausgabe von Dokumenten anzuhalten. Somit geht die entsprechende Kritik
ins Leere.
5.7.5.2
Des Weiteren rügt die Beschwerdeführerin,
die Vorinstanz habe ihr vorgeworfen, sie habe die Auskunft zu den Kosten der Terminierung verweigert,
was « die aus der Luft gegriffene Annahme eines unrechtmässigen Gewinns von 13,5
Rp./Min. » rechtfertigen soll. Zudem sei die Nichtbeantwortung der Fragen zu den Terminierungskosten
bei der Sanktionsbemessung als Verfahrensbehinderung im Sinne der KG-Sanktionsverordnung
gewertet worden. Dass diese angebliche Verfahrensbehinderung letztlich nicht sanktionserhöhend
berücksichtigt worden sei, liege daran, dass sich die entsprechenden Umstände vor Inkrafttreten
der Kartellgesetz-Revision per 1. April 2004 verwirklicht hätten. Grundsätzlich
verletzten diese mit ihrem Schweigen begründeten, für sie nachteiligen Schlüsse
ihr Schweigerecht. Im Übrigen sei sie objektiv gar nicht in der Lage gewesen, zu ihren Terminierungskosten
eine korrekte Auskunft zu geben. Auch deshalb sei die angefochtene Verfügung aufzuheben.
Auch dieser
Einwand geht fehl. Die Beschwerdeführerin selbst räumt ein, dass ihr Schweigen in der angefochtenen
Verfügung nicht nachteilig berücksichtigt worden sei, was unter dem Blickwinkel von Art. 6
Abs. 1
EMRK kaum problematisch sein kann.
5.7.6
Zusammenfassend ergibt sich, dass
die Rügen der Beschwerdeführerin, wonach ihr Schweigerecht im Verfahren vor der Vorinstanz
verletzt worden sei, unbegründet sind.
6.
Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör?
(...)
7.
Weitere Anträge der Beschwerdeführerin
(...)
8.
Unzulässige Verhaltensweise marktbeherrschender Unternehmen
Gemäss Art. 7 Abs. 1
KG verhalten sich marktbeherrschende
Unternehmen unzulässig, wenn sie durch den Missbrauch ihrer Stellung auf dem Markt andere
Unternehmen in der Aufnahme oder Ausübung des Wettbewerbs behindern oder die Marktgegenseite
benachteiligen. Die WEKO stellte in der angefochtenen Verfügung zunächst fest, « dass
Swisscom Mobile AG im Wholesale-Markt für die in ihr MF-Netz eingehenden Fernmeldedienste im
Bereich der Sprachtelefonie bis am 31. Mai 2005 über eine marktbeherrschende Stellung
im Sinne von Art. 4 Abs. 2
KG verfügte » (vgl. Dispositiv-Ziff. 1).
Als marktbeherrschende Unternehmen gelten einzelne oder mehrere Unternehmen,
die auf einem Markt als Anbieter oder Nachfrager in der Lage sind, sich von anderen Marktteilnehmern
(Mitbewerbern, Anbietern oder Nachfragern) in wesentlichem Umfang unabhängig zu verhalten (Art. 4
Abs. 2
KG). Zu diesem Zweck müssen zuerst der relevante Markt (vgl. E. 9) und die Stellung
der Beschwerdeführerin in diesem Markt (vgl. E. 10) bestimmt werden.
9.
Relevanter Markt
9.1
Abgrenzungskriterien
Das KG definiert den Begriff des relevanten Markts nicht näher.
Der Bundesrat formulierte jedoch in der Verordnung vom 17. Juni 1996 über die Kontrolle
von Unternehmenszusammenschlüssen (SR
251.4, nachfolgend: VKU) eine entsprechende Definition,
welche nicht nur für Unternehmenszusammenschlüsse, sondern auch für Wettbewerbsabreden
und das Verhalten marktbeherrschender Unternehmen gilt.
Der sachlich relevante Markt umfasst
gemäss Art. 11 Abs. 3 Bst. a VKU alle Waren oder Leistungen, die von der Marktgegenseite
hinsichtlich ihrer Eigenschaften und ihres vorgesehenen Verwendungszwecks als substituierbar angesehen
werden. Die Definition des sachlich relevanten Markts erfolgt aus der Sicht der Marktgegenseite. Massgebend
ist, ob aus deren Optik Waren oder Dienstleistungen miteinander im Wettbewerb stehen. Dies hängt
davon ab, ob sie vom Nachfrager hinsichtlich ihrer Eigenschaften und des vorgesehenen Verwendungszwecks
als substituierbar erachtet werden (Konzept der funktionellen Austauschbarkeit bzw. Bedarfsmarktkonzept;
vgl. etwa BGE 129 II 18 S. 34 mit weiteren Hinweisen; Beschwerdeentscheid der REKO/WEF i. S.
Ticketcorner AG und Ticketcorner Holding AG vom 27. September 2005 E. 5.2.1; Entscheid
der REKO/WEF i. S. Cablecom GmbH gegen Teleclub AG vom 20. März 2003 E. 5.1,
veröffentlicht in: RPW 2003/2 S. 406; Borer, a. a. O.,
N. 10 zu Art. 5
KG; Evelyn Clerc, in: Commentaire romand,
Tercier/Bovet [Hrsg.], Droit de la concurrence, Genf/Basel/München 2002, Rz. 62 zu Art. 4
Abs. 2
KG; Zäch, Kartellrecht, a. a. O., Rz. 538 ff.).
Neben der Nachfrageseite kommt als Marktgegenseite auch die Angebotsseite
in Betracht. Unter Umständen muss bei der Abgrenzung des sachlich relevanten Markts nicht nur die
Substituierbarkeit auf der Nachfrageseite, sondern auch auf der Angebotsseite berücksichtigt
werden (sog. Nachfrage- resp. Angebotssubstituierbarkeit, auch Angebotsumstellungsflexibilität
genannt; vgl. Borer,
a. a. O., Rz. 11 zu Art. 5
KG).
Der räumliche Markt umfasst
das Gebiet, in welchem die Marktgegenseite die den sachlichen Markt umfassenden Waren oder Leistungen
nachfragt oder anbietet (Art. 11 Abs. 3 Bst. b VKU).
9.2
Verzicht auf Marktabgrenzung?
9.2.1
Die Beschwerdeführerin vertritt zunächst mit folgender Begründung und dem
Hinweis auf die von ihr eingeholten Einschätzungen von Prof. Dr. phil. Carl
Christian von Weizsäcker (vgl. [...] sowie Carl Christian von Weizsäcker,
Ex-ante-Regulierung von Terminierungsentgelten?, Multimedia und Recht 3/2003, S. 170 ff.
[...], nachfolgend: Terminierungsentgelten; Carl Christian von Weizsäcker,
Kommentar, S. 17 f. [...], nachfolgend: Kommentar; vgl. [...]) den Standpunkt,
vorliegend könne auf die Abgrenzung des relevanten Markts verzichtet werden:
Aufgrund disziplinierender Kräfte könnten sich bei der Festsetzung
der « Terminierungsgebühren » unabhängig von der gewählten Marktabgrenzung
weder die Beschwerdeführerin noch andere Anbieterinnen von Fernmeldediensten unabhängig
voneinander verhalten. Erstens sei die Handlungsfreiheit aller FDA durch den Zwang zur Interkonnektion
eingeschränkt. Zweitens könne sich eine FDA auch deshalb von den anderen Anbieterinnen
nicht in wesentlichem Umfang unabhängig verhalten und die « Terminierungsgebühren »
einseitig diktieren, weil die Bestimmungen des Fernmeldegesetzes vom 30. April
1997 (AS 1997 2187) für alle disziplinierend wirkten (Disziplinierung durch den regulatorischen
Rahmen). Drittens werde eine allfällige
Marktmacht einer Mobilfunkanbieterin bei der Preisverhandlung durch die sogenannte Reziprozitätsbeziehung
zwischen den Mobilfunkanbieterinnen verhindert. Eine Mobilfunkanbieterin könne nämlich
nicht über ihre « Terminierungsgebühren » verhandeln, ohne
dass die anderen Mobilfunkanbieterinnen im Gegenzug deren eigene « Terminierungsgebühren »
in der Verhandlung berücksichtigten.
Wenn bei
allen möglichen Marktabgrenzungen disziplinierende Kräfte eine unabhängige Verhaltensweise
verhinderten, könne auf die Bestimmung des relevanten Markts verzichtet werden. Die Abgrenzung
eines relevanten Markts erübrige sich, ja sie sei im vorliegenden Fall weder hilfreich noch zielführend
(mit Hinweis auf das Gutachten von Carl Christian von Weizsäcker,
S. 29, [...]; von Weizsäcker,
Terminierungsentgelten, S. 170 ff., [...]; von Weizsäcker,
Kommentar, S. 17 f., [...]).
9.2.2
Die Vorinstanz verweist auf die « gefestigte
Rechtsprechung zum schweizerischen Kartellrecht », nach welcher in jedem Fall eine Abgrenzung
des relevanten Markts vorzunehmen sei. Die angefochtene Verfügung folge der langjährigen Praxis
der WEKO sowie der früheren REKO/WEF und des Bundesgerichts. Im Übrigen erfolge in der Verfügung
eine Analyse der Kräfte, welche in Bezug auf diesen relevanten Markt eine disziplinierende Wirkung
auf das entsprechende Unternehmen erzielen könnten. Entgegen der Beschwerdeführerin habe
in Sachen Swisscom ADSL weder die WEKO noch die REKO/WEF die Marktabgrenzung offen gelassen. Die
REKO/WEF habe hier vielmehr explizit bestätigt, dass die WEKO den Markt richtig abgegrenzt
habe (vgl. Beschwerdeentscheid i. S. Swisscom AG, Swisscom Fixnet AG/WEKO vom 30. Juni 2005,
veröffentlicht in: RPW 2005/3 S. 505 ff. E. 5.2 am Ende, S. 520).
9.2.3
Voraussetzung für die vorliegend nach Massgabe von Art. 7
KG vorzunehmende Missbrauchskontrolle
ist das Vorhandensein einer marktbeherrschenden Stellung, welche in Art. 4 Abs. 2
KG
definiert wird. Gemäss dem Gesetzeswortlaut setzt die Definition voraus, dass das marktbeherrschende
Unternehmen sich auf einem Markt gegenüber den anderen
Marktteilnehmern im wesentlichen Umfang unabhängig verhalten kann (Art. 4 Abs. 2
KG). Der abgegrenzte relevante Markt gibt insofern den Rahmen zur Analyse der Frage der Marktbeherrschung
vor.
Zwar betont die Beschwerdeführerin korrekt, dass der Verhaltensspielraum
eines Marktteilnehmers von den auf ihn einwirkenden und zu analysierenden Kräften abhängt.
Die Frage des Einflusses eines oder mehrerer Unternehmen auf
einem Markt kann jedoch nicht ohne vorgängige Bestimmung des relevanten Markts ermittelt
werden (vgl. Bruno Schmidhauser, in: Homburger/Schmidhauser/Hoffet/Ducrey
[Hrsg.], Kommentar zum schweizerischen Kartellgesetz vom 6. Oktober 1995 und den dazugehörenden
Verordnungen, Zürich 1997, Rz. 18 und 56 zu Art. 4
KG). Es gilt mit anderen Worten, die
Marktstellung eines Unternehmens in Bezug auf einen konkreten, im Einzelfall zu definierenden Markt
zu ermitteln (vgl. Matthias
Amgwerd, Netzzugang in der Telekommunikation,
Zürich/Basel/Genf 2008, Rz. 196). Zur
Feststellung des Masses an Unabhängigkeit eines marktstarken Unternehmens ist - als
Teil eines Vorgangs, der darauf abzielt, den Verhaltensspielraum eines Unternehmens zu bemessen und das
Vorliegen einer marktbeherrschenden Stellung zu beurteilen - zunächst der
relevante Markt abzugrenzen (vgl. Borer,
a. a. O., Rz. 18 zu Art. 4
KG; Roland von Büren/Eugen Marbach/Patrik Ducrey,
Immaterialgüter- und Wettbewerbsrecht, 3. Aufl., Bern 2008, N. 1331, 1478).
Dieser Auffassung ist auch die EU-Kommission, wie Ziff. 34 der Leitlinien
zur Marktanalyse und Ermittlung beträchtlicher Marktmacht nach dem Rechtsrahmen für elektronische
Kommunikationsnetze und -dienste (2002/C 165/03) zeigt (vgl. Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften
[ABl.] C 165/6 vom 11.7.2002, nachfolgend: Leitlinien):
« Bei der Feststellung,
ob ein Unternehmen über beträchtliche Marktmacht verfügt, ob es also eine < wirtschaftlich
starke Stellung > einnimmt, die es ihm gestattet, sich in beträchtlichem Umfang
unabhängig von Mitbewerbern, Kunden und letztlich Verbrauchern zu verhalten, ist die Definition
des relevanten Marktes von grundlegender Bedeutung, da echter Wettbewerb nur unter Bezugnahme auf
einen solchen relevanten Markt gewürdigt werden kann »
(mit Fussnotenverweisen auf Art. 14
Abs. 2 der Richtlinie 2002/21/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 7. März
2002 über einen gemeinsamen Rechtsrahmen für elektronische Kommunikationsnetze und -dienste
[Rahmenrichtlinie], ABl. Nr. L 108/33 vom 24.4.2002, nachfolgend: Rahmenrichtlinie 2002/21/EG,
sowie Rechtssache C-209/98, Entreprenørforeningens Affalds/Miljøsektion [FFAD], Slg. 2000,
I-3743, Rn. 57 und Rechtssache C-242/95, GT-LinkA/S, Slg. 1997, I-4449, Rn. 36).
Vergleichbar mit der
Rechtslage in der EU ist die Marktdefinition auch in der Schweiz nicht Selbstzweck, sondern bildet die
Grundlage für die weitere rechtliche und tatsächliche Beurteilung der Angelegenheit. Im Beschwerdeentscheid
FB-2004/4 vom 4. Mai 2006 (i. S. Berner Zeitung AG, Tamedia AG/WEKO, veröffentlicht in:
RPW 2006/2 S. 347) hielt die REKO/WEF mit Bezug auf das Verfahren betreffend Unternehmenszusammenschluss
- und in Verwerfung der These von Adrian Raass,
wonach eine Marktabgrenzung gänzlich überflüssig sei - ausdrücklich
fest, dass die vorzunehmende Prüfung vorab eine den wirtschaftlichen Realitäten
gerecht werdende Marktabgrenzung voraussetze (Beschwerdeentscheid vom 4. Mai 2006,
a. a. O., E. 6.1.3 mit Verweis auf Adrian Raass,
Zusammenschlusskontrolle im Medienbereich - Kritik an der Kritik, sic! 6/1999,
S. 675 f.). Im Rechtsmittelverfahren gegen diesen Entscheid bestätigte
das Bundesgericht, dass auch für die Frage, ob Wettbewerb beseitigt wird oder nicht,
der massgebliche Markt, auf dem die Wettbewerbssituation zu beurteilen ist, zu definieren
sei (vgl. Urteil des Bundesgerichts 2A.327/2006 vom 22. Februar 2007
E. 6.6, veröffentlicht
in: RPW 2007/2 S. 331). Zudem führte
das Bundesgericht in BGE 129 II 18 E. 7.2 (betr. Buchpreisbindung [vertikale Wettbewerbsabrede
über die direkte oder indirekte Festsetzung von Preisen]) aus, die Frage der Beseitigung wirksamen
Wettbewerbs beziehe sich immer auf einen sachlich und räumlich abgegrenzten Markt für bestimmte
Waren oder Leistungen.
Gerade im vorliegenden
- komplexen und vielschichtigen - Fall besteht eine offensichtliche Notwendigkeit, dem vom
Gesetzgeber vorgesehenen und in Rechtsprechung und Lehre bestätigten Prüfschema zu folgen
und vorab eine Marktabgrenzung vorzunehmen. Auf die von der Beschwerdeführerin vorgebrachten
disziplinierenden Kräfte (Interkonnektionszwang, regulatorischer Rahmen, Reziprozitätsbeziehung)
ist erst nach Absteckung des massgeblichen Rahmens einzugehen. Die Auseinandersetzung mit diesen
Parteivorbringen kann nicht ohne Festlegung des sachlich und örtlich relevanten Markts erfolgen.
Daran vermögen auch
die von der Beschwerdeführerin angeführten Entscheide der WEKO nichts zu ändern
(vgl. Entscheid der WEKO i. S. JC Decaux/Affichage, veröffentlicht in: RPW 2001/2 S. 318 f.
Rz. 58, Entscheid WEKO i. S. Schlachtbetrieb St. Gallen AG, veröffentlicht in: RPW
2003/3 S. 555 Rz.14, Entscheid WEKO i. S. TopCard-Angebot der Bergbahnen Lenzerheide-Valbella,
Klosters-Davos und Flims-Laax-Falera, veröffentlicht in: RPW 2005/1 S. 48 Rz. 24 f.,
Entscheid WEKO i. S. Feldschlössen Getränke Holding/Coca Cola AG/Coca Cola Beverages
AG, veröffentlicht in: RPW 2005/1 S. 118 Rz. 59). Angesichts der ausserordentlichen
Umstände des vorliegenden Falles kann - unabhängig vom Vorgehen der WEKO in den angerufenen
Einzelfällen - vorliegend nicht auf die Festlegung des relevanten Markts verzichtet werden.
Auch aus E. 5.2.
des ADSL-Entscheids kann die Beschwerdeführerin nichts zu ihren Gunsten ableiten (vgl. Beschwerdeentscheid
i. S. Swisscom AG, Swisscom Fixnet AG/WEKO vom 30. Juni 2005 betreffend unzulässige
Wettbewerbsbeschränkung E. 5.2, veröffentlicht in: RPW 2005/3 S. 520). Entgegen der
Darstellung der Beschwerdeführerin prüfte die REKO/WEF in diesem Entscheid die
sachliche Marktabgrenzung, welche die WEKO zuvor vorinstanzlich vorgenommen hatte.
In der erwähnten Erwägung bestätigte die REKO/WEF das vorinstanzliche Vorgehen
als korrekt, einen relevanten « Wholesale »-Teilmarkt abzugrenzen.
Die Argumentation der Beschwerdeführerin ist deshalb nicht stichhaltig.
Eine Marktabgrenzung ist vorzunehmen und damit zu prüfen, ob der Abgrenzung der Vorinstanz gefolgt
werden kann.
9.3
Standpunkte zur Marktabgrenzung
9.3.1
Nach Auffassung der Vorinstanz gilt es drei sachlich relevante Märkte abzugrenzen: je einen
« Wholesale »-Markt für in die Mobilfunknetze von Orange, Sunrise
und der Beschwerdeführerin eingehende Fernmeldedienste beziehungsweise für die Terminierung
von Anrufen im Bereich der Sprachtelefonie in die Mobilfunknetze von Orange, Sunrise und der Beschwerdeführerin
(vgl. Verfügung Ziff. 135).
Diese Marktabgrenzung sei international üblich und werde auch von der
EU im Rahmen ihrer ex-ante-Regulierung vorgenommen. Ein Rückgriff auf die Analysen der EU biete
sich an, da im Zusammenhang mit dem Rechtsrahmen für elektronische Kommunikation die relevanten
Märkte nach wettbewerbsrechtlichen Kriterien der europäischen Behörden abgegrenzt
würden. Die schweizerische Gesetzgebung und Praxis orientiere sich diesbezüglich an der
Regulierung und Rechtsprechung der EU. Ferner hätten verschiedene Regulierungs- beziehungsweise
Wettbewerbsbehörden in Europa die Märkte in dieser Weise abgegrenzt (vgl. Verfügung
Ziff. 73).
9.3.2
Die Beschwerdeführerin macht abgesehen von ihrer bereits beurteilten Argumentation, dass
die Marktabgrenzung vorliegend nicht von Relevanz sei, geltend, die sachliche Marktabgrenzung
der Vorinstanz sei falsch. Es bestünden zahlreiche bei der Definition des relevanten Markts zu berücksichtigende
Substitutionsmöglichkeiten, weshalb die Abgrenzung eines « Wholesale »-Markts
für Terminierung von Anrufen in ein Mobilfunknetz zu eng sei. Richtigerweise sei von einem Telefoniemarkt
oder zumindest von einem Markt für Mobiltelefonie auszugehen.
Zudem hält
die Beschwerdeführerin eine Berücksichtigung der Marktabgrenzungspraxis der EU für
unzulässig. Das Telekommunikationsrichtlinien-Paket
der EU sei in der Schweiz nicht anwendbar. Die Marktabgrenzung
müsse einzig gestützt auf eine Prüfung der nachfrage- und angebotsseitigen Substitutionsmöglichkeiten
gemäss Art. 11 Abs. 3 VKU erfolgen und könne nicht analog zur Rahmenrichtlinie 2002/21/EG
und der Empfehlung vorgenommen werden. Der « Rückgriff auf die Analyse der EU »
sei nicht angebracht. Auch bei analoger Anwendung der EU-Regeln wären die nachfrage- und angebotsseitigen
Substitutionsmöglichkeiten « entsprechend den nationalen Gepflogenheiten »
eingehend zu untersuchen, das heisst gemäss den Grundsätzen von Art. 11 Abs. 3
VKU (...).
9.3.3
Im Gegensatz dazu halten das Bundesamt für Kommunikation (BAKOM) und die ComCom die Marktabgrenzung
der Vorinstanz für korrekt (...).
Das BAKOM betont, dass die Terminierung in Mobilfunknetze und die damit
verbundene wettbewerbliche Situation in den EU-Mitgliedsländern im Rahmen der Umsetzung der EU-Regulierungsvorgaben
untersucht und in der Independent Regulatory Group (IRG) reflektiert werde, wobei die Definition des
sachlich und räumlich relevanten Markts der Vorinstanz derjenigen der anderen IRG-Mitgliedsländer
entspreche (...). Zum anderen unterstützt die ComCom (...) die Darstellung der Vorinstanz
durch den Hinweis, dass es bei der Frage der Terminierung um die einzelnen Terminierungsmärkte
der drei Mobilfunkanbieterinnen gehe und die Vorinstanz zu Recht festhalte, dass jedes Mobilfunknetz
als eigenständiger Markt zu betrachten sei. Denn sowohl die Nachfragegruppe der Endkunden
als auch diejenige der FDA müssten bei allen Mobilfunkanbieterinnen « einkaufen ».
Zudem habe die EU-Kommission ihre Sicht des « Wholesale »-Markts
bei der Mobilterminierung wie folgt dargestellt (mit Hinweis auf Working document: Public consultation
on a draft Comission Recommendation of 11 February 2003 on relevant product and service markets
within the electronic communications sector susceptible to ex ante regulation in accordance with
Directive 2002/21/EC of the European Parliament and of the Council on a common regulatory framework for
electronic communication networks and services, online unter: < http://ec.europa.eu/information_society/policy/ecomm/doc/library/proposals/sec2007_1483_final.pdf >):
« Mobile termination charges might be constrained via demand substitution.
There is no potential for demand substitution at a wholesale level. Demand at the wholesale level
is inextricably linked to supply. The operator (of the caller) is unable to purchase call termination
on a given network from an alternative source (as indicated above). »
9.4
Rückgriff auf die Marktabgrenzungspraxis der EU?
9.4.1
Die EU erliess am 7. März 2002 die Richtlinie über einen gemeinsamen Rechtsrahmen
für elektronische Kommunikationsnetze und dienste (Rahmenrichtlinien 2002/21/EG, a. a. O.,
S. 33 ff.; vgl.
ausführlich zu den
gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben: Mathias Elspass,
Marktabgrenzung in der Telekommunikation: Die Anforderungen an die Definition des relevanten
Markts im netzgebundenen Telekommunikationssektor, Heidelberg 2005, S. 137 ff.).
Art. 15 dieser Rahmenrichtlinie regelt das sogenannte Marktdefinitionsverfahren.
Abs. 1 dieser Bestimmung befasst sich mit der sogenannten Märkteempfehlung und gibt der Europäischen
Kommission die Kompetenz, im Rahmen einer regelmässig zu überprüfenden Empfehlung
die Märkte vorzugeben, die für eine ex-ante-Regulierung (Vorabregulierung) in Betracht kommen.
Die in der Empfehlung genannten Märkte sind in Übereinstimmung mit den Grundsätzen des
europäischen Wettbewerbsrechts zu definieren.
Die Europäische Kommission machte von dieser Kompetenz Gebrauch und
erliess am 11. Februar 2003 die Empfehlung 2003/311/EG (Empfehlung 2003/311/EG der Kommission
vom 11. Februar 2003 über relevante Produkt- und Dienstmärkte des elektronischen Kommunikationssektors,
die aufgrund der Richtlinie 2002/21/EG des Europäischen Parlaments und des Rates über einen
gemeinsamen Rechtsrahmen für elektronische Kommunikationsnetze und -dienste für eine Vorabregulierung
in Betracht kommen, ABl. L 114/45 vom 8. Mai 2003, nachfolgend: Empfehlung 2003/311/EG), die
im Sinne von Art. 15 Abs. 1 der Rahmenrichtlinie 2002/21/EG diejenigen Märkte
auflistet, welche für eine Vorabregulierung im Bereich elektronischer Kommunikationsnetze
und -dienste in Betracht kommen (die Märkte waren zunächst in Anhang I der Rahmenrichtlinie
2002/21/EG aufgeführt).
Zudem veröffentlichte die Kommission am 11. Juli 2002 in Ausführung
von Art. 15 Abs. 2 der Rahmenrichtlinie 2002/21/EG die mit den Grundsätzen des EU-Wettbewerbsrechts
in Einklang stehenden Leitlinien zur Marktanalyse und zur Bewertung beträchtlicher Marktmacht (Rahmenrichtlinie
2002/21/EG, a. a. O.).
9.4.2
Ein gemäss Empfehlung zu beachtender Markt bildet die « Anrufzustellung
in einzelnen Mobiltelefonnetzen » beziehungsweise - nach der englischen Fassung
- die « voice call termination on individual mobile networks ».
Diese Märkteempfehlung
entspricht den von der Vorinstanz abgegrenzten « Wholesale »-Märkten für
in die Mobilfunknetze von Orange, Sunrise und der Beschwerdeführerin eingehende Fernmeldedienste
beziehungsweise für die Terminierung von Anrufen im Bereich der Sprachtelefonie in die Mobilfunknetze
von Orange, Sunrise und der Beschwerdeführerin (vgl. Verfügung Ziff. 135). Insbesondere
umfasst die « Anrufzustellung in einzelnen Mobiltelefonnetzen » ausschliesslich
Sprachterminierungen,
das heisst die Zustellung von Sprache und keine sogenannte Datendienste (vgl. hierzu die Ausführungen
der deutschen Regulierungsbehörde für Telekommunikation
und Post [Reg TP, ehemals Bundesnetzagentur] im Entwurf zur Marktdefinition und Marktanalyse im
Bereich der Anrufzustellung in einzelnen Mobiltelefonnetzen, S. 17 ff., Bonn 2005, veröffentlicht
in: Amtsblatt Nr. 6 der Regulierungsbehörde für Telekommunikation und
Post vom 6. April 2005 als Mitteilung Nr. 65/05, nachfolgend: Entwurf Reg TP).
Die Art. 6
und Art. 7 der Rahmenrichtlinie 2002/21/EG räumen den EU-Mitgliedstaaten die Möglichkeit
ein, von der vorgeschlagenen Marktabgrenzung abzuweichen, wenn sich dies durch besondere nationale
Gegebenheiten rechtfertigt. Inzwischen wurden die sachlich relevanten Märkte im Bereich der
Mobilfunkterminierung von den meisten EU-Mitgliedstaaten auf Übereinstimmung mit ihren
nationalen Gegebenheiten untersucht. 25 EU-Mitgliedstaaten kamen zum Ergebnis, dass
entsprechend der Märkteempfehlung der Kommission jeweils ein relevanter Markt für
die Anrufzustellung in einzelnen Mobiltelefonnetzen zu definieren ist. Zudem haben die EFTA-Länder
Island und Norwegen sowie der EU-Beitrittskandidat Türkei den « Markt für die Anrufzustellung
in einzelnen Mobiltelefonnetzen » als relevanten Markt identifiziert (vgl. European Regulators
Group [ERG], ERG's Common Position on symmetry of fixed call
termination rates and symmetry of mobile call termination rates, Brüssel, 2008, S. 66,
online unter: http://www.erg.eu.int >
Documentation > ERG Documents > ERG [07] 83).
9.4.3
Damit bezeichnet die Vorinstanz
die von ihr in der angefochtenen Verfügung vorgenommene Marktabgrenzung zu Recht als international
üblich. Dass jedoch der EU-Rechtsrahmen
für die elektronische Kommunikation in der Schweiz nicht anwendbar ist, liegt auf der Hand
und wird auch von der Vorinstanz nicht behauptet.
Es steht
ausser Frage, dass vorliegend Art. 11 Abs. 3 VKU die Rechtsgrundlage darstellt und die
Marktabgrenzung nach Massgabe und in Konkretisierung des hier umschriebenen Marktbegriffs zu erfolgen
hat. Unstrittig sind in diesem Sinne - wie von der Beschwerdeführerin verlangt -
die nachfrage- und angebotsseitigen Substitutionsmöglichkeiten zu untersuchen, wobei
dies selbstverständlich in Übereinstimmung mit den besonderen schweizerischen Gegebenheiten
erfolgen muss. Dem steht aber nicht entgegen, dass die Vorinstanz rechtsvergleichende Betrachtungen
anstellt und auf Erfahrungen hinweist, welche das Ausland mit Bezug auf die Marktabgrenzung im Bereich
der Mobilterminierung gemacht hat (vgl. in diesem Sinne auch BVGE 2010/19 E. 9.3.8, wonach das Recht
der Europäischen Union [EU] keine unmittelbaren Auswirkungen auf das schweizerische
Recht entfaltet, die Rechtsordnung der EU unter Umständen aber als Auslegungshilfe beigezogen werden
kann [mit Hinweis auf das Urteil des Bundesgerichts 2A.503/2000 vom 3. Oktober 2001
E. 9a]).
9.5
Sachliche Marktabgrenzung
Somit wird in der Folge geprüft, ob die sachliche Marktabgrenzung der
Vorinstanz bestätigt werden kann oder aufgrund von Art. 11 Abs. 3 VKU eine davon abweichende
Marktabgrenzung vorgenommen werden muss.
9.5.1
Allgemeines
a) Ausgangspunkt der Prüfung
bildet die Terminierung in ein Mobilfunknetz (Mobilterminierung). Es geht um diejenigen Situationen,
in welchen Gesprächspartner unter ihrer Handynummer aus dem Netz einer anderen Anbieterin von Fernmeldediensten
angerufen werden, was die Terminierung durch das Mobilfunknetz des angerufenen Handybenutzers
erfordert. Die Mobilterminierung dient damit immer der Herstellung einer Verbindung über die
Grenzen des originierenden Netzes (Ausgangsnetz) hinaus. Bei diesem kann es sich sowohl um ein
Festnetz als auch um ein Mobilfunknetz handeln (vgl. [...], insbes. Abb. 3 betr. Mobilterminierung).
Es sind keine spezifischen, insbesondere technischen Bedürfnisse ersichtlich,
gestützt auf welche die Terminierung von einem Festnetz in ein Mobilfunknetz (« fix-to-mobile »
bzw. « F2M »-Terminierung) mit Bezug auf die Marktabgrenzung gesondert von
der Terminierung zwischen Mobilfunknetzen (« mobile-to-mobile » bzw. « M2M »-Terminierung)
zu beurteilen wäre (so auch der Entwurf Reg TP, a. a. O.,
S. 35; zum Ganzen vgl. das Gutachten vom 30. November 2004 von Christian
Koenig/Ingo Vogelsang/Kay E. Winkler, Marktregulierung im Bereich der Mobilfunkterminierung,
online unter: http://www.bundesnetzagentur.de
> Suche « Kurzgutachten Mobilfunkterminierung »).
Nachfrager von Mobilterminierungsleistungen
sind die Anbieterinnen von Fernmeldediensten (Mobilfunk- und Festnetzanbieterinnen),
Anbieter der Mobilterminierung die Mobilfunkanbieterinnen.
Die terminierende Mobilfunkanbieterin stellt den Mobilterminierungspreis - also das
Entgelt, zu welchem sie den ankommenden Anruf aus dem anderen Netz entgegennimmt und im Rahmen der Interkonnektion
an einen Gesprächsempfänger ihres Mobilfunknetzes weiterleitet, um eine entsprechende
Verbindung zu erstellen - derjenigen Netzbetreiberin in Rechnung, bei welcher der Anruf
originiert wurde.
Wird die Verbindung
über ein Transitnetz geleitet und schliesslich im Zielnetz
terminiert (...), fragt der Betreiber des originierenden Netzes die Terminierung nicht direkt,
sondern indirekt über den Betreiber des Transitnetzes nach. Nachfrager ist bei dieser Konstellation
der Betreiber des Transitnetzes. Die Dienstleistung der Mobilterminierung bleibt bei einer Transitverbindung
jedoch die gleiche, weshalb die Marktabgrenzung diesbezüglich nicht weiter zu
differenzieren ist (so auch der Entwurf Reg TP, a. a. O., S. 35 mit Verweis auf
das Gutachten Koenig/Vogelsang/Winkler, a. a. O., S. 38;
Entscheid der Europäischen Kommission i. S. Telia/Telenor vom 9. Februar 2001,
Rn. 87, ABl. L 40/1, wonach Transit und Terminierung untereinander nicht austauschbare
Leistungen darstellen und daher eigenständigen relevanten Märkten zuzuordnen sind [zitiert
in: Elspass, a. a. O.,
Fn. 633 mit weiteren Hinweisen]).
Des Weiteren kann festgehalten
werden, dass für das Nachfrageverhalten der FDA nicht jede einzelne Terminierung entscheidend ist,
sondern das Gesamtvolumen
aller Verbindungen, die zu einem Netz in einem bestimmten Zeitraum anfallen (so auch der Entwurf
Reg TP, a. a. O., S. 26). Dies rechtfertigt es, dass nachfolgend nicht jeder einzelne
Anruf separat betrachtet wird, sondern alle in einem Netz ausgeführten Terminierungen zu einem Produkt
zusammengefasst werden, ohne dass zu berücksichtigen ist, in welchem originierenden
Netz die Verbindungen generiert worden sind (so auch der Entwurf Reg TP, a. a. O., S. 26;
[...]).
b) Nach dem Gesagten steht
fest, dass die Mobilterminierung im Verhältnis zwischen den Fernmeldedienstanbieterinnen angeboten
und nachgefragt wird. Zu beachten ist, dass sich die Anzahl der bei einer Mobilfunkanbieterin
terminierten Minuten letztlich nicht aus der Nachfrage der Fernmeldedienstanbieterinnen
ergibt, sondern durch das Konsumverhalten der Endkunden des originierenden Netzes bestimmt
wird. Diese sind es, welche mit der Wahl einer Handynummer eines anderen Mobilfunknetzes die Mobilterminierung
beim terminierenden Mobilfunknetz auslösen. Die Nachfrage nach der Mobilterminierung
entsteht somit unmittelbar aus der nachgelagerten Nachfrage auf der Endkundenebene
(vgl. Elspass, a. a. O.,
S. 156). Auf dieser erbringen die Anbieterinnen von Fernmeldediensten beliebige Telekommunikationsdienstleistungen
für die Endkunden. Anlehnend an die EU-Kommission und die Literatur (vgl. Elspass,
a. a. O., S. 152, insbes. Fn. 618, 619, 620 mit weiteren Hinweisen) wird die so definierte
« Endkundenebene »
oder « Ebene der nachgelagerten Nachfrage der
Endkunden » nachfolgend auch « Dienstleistungsebene »
genannt.
Demgegenüber findet
die Mobilterminierung im Verhältnis zwischen den Anbieterinnen von Fernmeldediensten auf einer Ebene
statt, welche - in Anlehnung an die Terminologie der deutschen Regulierungsbehörde,
der EU-Kommission wie der Literatur (vgl. Entwurf Reg TP, a. a. O., S. 2;
Elspass, a. a. O., S. 152 Fn. 618,
619 und 621 mit weiteren Hinweisen) - als Vorleistungsebene
bezeichnet werden kann. Die Nachfrage auf der Vorleistungsebene und die nachgelagerte Endkundennachfrage
stehen in einer festen Eins-zu-eins-Relation zueinander (so auch der Entwurf Reg TP, a. a. O.,
S. 26).
c) Nach Art. 11 Abs. 3
VKU fragt sich, welche Leistungen von der Marktgegenseite hinsichtlich ihrer Eigenschaften und
ihres vorgesehenen Verwendungszwecks als Substitut zur Mobilterminierung angesehen
werden. Es besteht zu Recht Einigkeit darin, dass die für die Marktabgrenzung massgebliche
Marktgegenseite alle FDA sind, welche die Mobilterminierungsdienstleistungen zwecks Erbringung
ihrer Telekommunikationsdienstleistungen zu Gunsten ihrer Endkunden bei einer anderen Anbieterin
nachfragen (Verfügung Ziff. 71). Nachfolgend wird somit geprüft, ob es aus der Sicht
der Anbieterinnen von Fernmeldediensten Substitute zur Mobilterminierung gibt
(vgl. E. 9.5.3).
Da es sich bei der Nachfrage
auf der Vorleistungsebene, wie ausgeführt, um eine Nachfrage handelt, die direkt von der Nachfrage
auf der Endkundenebene abgeleitet ist, erscheint es angezeigt, dass neben diesen Substitutionsmöglichkeiten
auf der Vorleistungsebene
in einem zweiten Schritt zusätzlich geprüft wird, ob es auf der Endkundenebene
(Dienstleistungsebene)
Möglichkeiten gibt, die eine Umgehung der Mobilterminierungsleistungen ermöglichen
und somit auch die Wettbewerbsbedingungen auf der Vorleistungsebene beeinflussen (vgl.
E. 9.5.4). Diese Prüfung hat - in etwas anderer Abfolge - auch die Vorinstanz vorgenommen
(vgl. insbes. Verfügung Ziff. 77, 81, 87-96, 104, 109, 114 ff.; vgl. auch
Gutachten vom 26. November 2006 i. S. Interkonnektionsverfahren Mobilterminierung,
veröffentlicht in: RPW 2006/4 S. 739, nachfolgend: Gutachten IC).
9.5.2
Abgrenzung « Wholesale »-Markt
Vor der Untersuchung der Substitutionsmöglichkeiten aus der Sicht der
Marktgegenseite und der nachgelagerten Nachfrage der Endkunden ist auf den folgenden grundlegenden Standpunkt
der Beschwerdeführerin einzugehen:
a) Die Terminierung könne keinen eigenen sachlich relevanten Markt
bilden, sei sie doch kein Endprodukt, sondern nur eine unabdingbare Vorleistung, welche nicht separat
nachgefragt werde und auch gar nicht separat nachgefragt werden könne. Es bestehe seitens der Fernmeldedienstanbieterinnen
keine eigentliche Nachfrage nach Terminierung. Diese werde von den FDA ausschliesslich
im Zusammenhang mit Retail-Anrufen nachgefragt und gleichzeitig auch angeboten. Die Terminierungsdienstleistungen
würden jeweils durch die Retail-Nachfrage des Endkunden ausgelöst und entstünden im gleichen
Moment, in dem der Kunde telefoniere. Es bestehe somit ein Reaktionszusammenhang zwischen
Retail- und « Wholesale »-Ebene und eben keine gesonderte Nachfrage auf der
« Wholesale »-Ebene.
Mangels einer gesonderten Nachfrage auf der « Wholesale »-Ebene
könne kein separater « Wholesale »-Markt abgegrenzt werden. Auch frage kein
Endkunde Terminierungsleistungen nach, sondern sei angewiesen auf ein Gesamtpaket aus Leistungen
der FDA. Wenn schon, müsste deshalb geprüft werden, ob zwischen Absatzmärkten (d. h.
Telefonie-Angebot an Endkunden) und Beschaffungsmärkten (d. h. Terminierungsangebot
an andere Anbieterinnen von Fernmeldediensten) unterschieden werden könne (...).
b) Voraussetzung dafür, dass zwischen Retail- und « Wholesale »-Märkten
differenziert werden muss, ist insbesondere, dass sich die Nachfrage bezüglich Eigenschaften
und Verwendungszweck in erheblichem Masse unterscheidet (Theorie der getrennten Märkte; vgl.
dazu Amgwerd, a. a. O., Rz. 199 mit Verweis auf RPW 2004/2
S. 407 Rz. 94; Reto A. Heizmann, Der Begriff des marktbeherrschenden
Unternehmens im Sinne von Art. 4 Abs. 2
in Verbindung mit Art. 7
KG,
Zürich/Basel/Genf 2005, Rz. 281 ff.).
Indem die Beschwerdeführerin
vorbringt, eine gesonderte Nachfrage nach Terminierung auf der « Wholesale »-Ebene
existiere überhaupt nicht, verneint sie auch, dass diese Voraussetzung erfüllt ist. Demgegenüber
ist die Vorinstanz der Auffassung, die Nachfrage der FDA und der Endkunden unterscheide sich bezüglich
Eigenschaften und Verwendungszweck in erheblichem Masse, so dass zwischen relevanten Märkten
im Wiederverkaufs- (Wholesale) und im Endkundenbereich (Retail) zu unterscheiden sei (vgl. Verfügung
Ziff. 107; [...]).
c) Auf die Tatsache, dass
sich die Nachfrage auf der Vorleistungsebene stets direkt von der Nachfrage auf der Dienstleistungsebene
ableitet, wurde vorstehend hingewiesen. Es trifft zu, dass die Mobilterminierung eine mit
der nachgelagerten Endkundennachfrage verknüpfte Vorleistung darstellt. Auch stellt
die Mobilterminierung naturgemäss kein für den direkten Absatz an Endkunden bestimmtes Endprodukt
dar.
Die Vorinstanz stellt die Interdependenzen zwischen der Vorleistungs- und
der Dienstleistungsebene auch überhaupt nicht in Abrede. Bereits in ihrem Gutachten
IC vom 20. November 2006 i. S. Interkonnektionsverfahren Mobilfunkterminierung
(vgl. RPW 2006/4 S. 739) hielt
sie fest, dass die Terminierung eine notwendige Vorleistung für das Anbieten von Sprachtelefoniedienstleistungen
durch FDA sei (vgl. Ziff. 26; vgl. auch Verfügung Ziff. 108, wo darauf hingewiesen wird,
dass die Terminierung nicht direkt von den Endkunden, sondern von anderen Fernmeldedienstanbieterinnen
nachgefragt werde).
Das Zusammenspiel zwischen den beiden Ebenen bedeutet entgegen der Beschwerdeführerin
aber nicht, dass auf der Vorleistungsebene keine eigenständige Nachfrage nach Mobilterminierungsdienstleistungen
besteht. Die Beschwerdeführerin verkennt, dass die Mobilterminierung trotz ihrer Anbindung
an das Telefonieverhalten der Endkunden eine umfassende Dienstleistung (« Leistung »)
im Sinne von Art. 11 VKU bildet. Bei der Mobilterminierung handelt es sich um ein unter den Anbieterinnen
von Fernmeldediensten handelbares und auch tatsächlich gehandeltes Gut mit einer eigenständigen
wirtschaftlichen Bedeutung. Als solches kann die Mobilterminierung zusammen mit den dazugehörenden
Anbietern und Nachfragern unabhängig davon, dass sie einen notwendigen Bestandteil für die
Produktion der entsprechenden Telefoniedienstleistung auf der Dienstleistungsebene darstellt, durchaus
einen eigenständigen auf die Vorleistungsebene begrenzten Markt bilden.
Dafür, dass es sich bei der Mobilterminierung um eine separat nachgefragte
Dienstleistung handelt, spricht namentlich die hohe Bedeutung, welche die Anbieterinnen von Fernmeldediensten
den Mobilterminierungspreisen und den mit ihnen verbundenen Geldflüssen zumessen. So führen
die FDA zur Festlegung der gegenseitig geschuldeten Mobilterminierungspreise im Rahmen des Verhandlungsprimats
aufwändige Verhandlungen untereinander. Zudem war die Höhe der Mobilterminierungspreise
wiederholt Gegenstand von Klageverfahren gemäss aArt. 11 Abs. 3
FMG
(AS 1997 2187) bei der ComCom (...).
Dazu kommt, dass die ausschliesslich auf der Vorleistungsebene fliessenden
Mobilterminierungspreise den Endkunden weitgehend unbekannt
sind. Etwas anderes macht auch die Beschwerdeführerin nicht geltend (...). Die Beschwerdeführerin
verneint einen Zusammenhang zwischen den Terminierungspreisen und den Endkundentarifen der Mobilfunkanbieterinnen
sogar ausdrücklich. Die « Mobilterminierungsgebühren » hätten im « M2M »-Bereich
keinen Einfluss auf die Mobilfunktarife im Endkundenbereich (...). Unabhängig davon erweisen
sich die Vorgänge auf der Vorleistungsebene im Zusammenhang mit der Mobilterminierung als
deutlich von der Dienstleistungsebene abgekoppelt. Aus der Sicht der Endkunden sind diese Vorgänge
und deren Bedeutung für die Anbieterinnen von Fernmeldediensten nicht durchschaubar.
All dies zeigt, dass für die Dienstleistung der Mobilterminierung durchaus
eine gesonderte Nachfrage besteht, nämlich durch die vorstehend definierte Marktgegenseite im Sinne
von Art. 11 VKU (FDA). Dass sich die Nachfrage
der FDA nach Mobilterminierungsdienstleistungen bezüglich Eigenschaften
und Verwendungszweck erheblich von der Nachfrage der Endkunden nach ortsunabhängiger Sprachkommunikation
in Echtzeit unterscheidet, ist offensichtlich und braucht nicht weiter ausgeführt zu
werden.
Die Vorinstanz hat den sachlich relevanten Markt somit zu Recht auf die
Vorleistungsebene beziehungsweise - in der Terminologie der Vorinstanz - auf die « Wholesale »-Ebene
begrenzt (vgl. im Einzelnen die Erwägungen der Vorinstanz in Verfügung Ziff. 105 ff.).
Davon scheint auch Amgwerd in seiner Dissertation zum Netzzugang in
der Telekommunikation auszugehen, indem er festhält, dass beim
Netzzugang Vorleistungsmärkte
im Zentrum der Betrachtung stünden. Die Beurteilung fokussiere sich dabei auf die entsprechende
Marktstufe der Wertschöpfungskette (vgl. Amgwerd, a. a. O.,
Rz. 199 mit Verweis auf RPW 2006/4 S. 739
Rz. 86; vgl. bezüglich Abgrenzung « Wholesale »-Markt auch den Beschwerdeentscheid
der REKO/WEF i. S. Swisscom AG, Swisscom Fixnet AG/WEKO vom 30. Juni 2005 [betr. « Wholesale »-Markt
für Breitbanddienste, Rabattdiskriminierung] E. 5.2, veröffentlicht
in: RPW 2005/3 S. 505; im Entscheid Coop/Waro [vgl. RPW 2003/3 S. 559 ff.] wurden
Beschaffungs- und Absatzmärkte unterschieden, obwohl auf den Absatzmärkten ein
wirksamer Wettbewerb bestand).
Die Fokussierung auf die
Vorleistungsebene schliesst aber nicht aus, dass im Rahmen der Marktanalyse Interdependenzen zwischen
Vorleistungs- und Endkundenmärkten untersucht und berücksichtigt werden, mithin
der Einfluss des nachgelagerten Markts eruiert wird (vgl. Amgwerd, a. a. O.,
Rz. 199). Indem im Folgenden neben den Substitutionsmöglichkeiten
aus der Sicht der Marktgegenseite (FDA, Vorleistungsebene) auch Substitutionsmöglichkeiten
aus der Sicht der nachgelagerten Nachfrage der Endkunden geprüft werden (vgl. E. 9.5.3
und E. 9.5.4), wird der von der Beschwerdeführerin durchaus zu Recht ins Feld geführten
Interdependenz zwischen Vorleistungs- und Dienstleistungsebene Rechnung getragen. Diese Prüfung
wird zeigen, ob die Marktabgrenzung der Vorinstanz allenfalls zu eng ist.
9.5.3
Substitutionsmöglichkeiten aus der Sicht der Marktgegenseite
Der sachlich relevante Markt umfasst, wie erwähnt, diejenigen Alternativen,
welche die Marktgegenseite tatsächlich als substituierbar ansieht. Nachfolgend wird zwischen nachfrageseitigen
und angebotsseitigen Substitutionsmöglichkeiten
unterschieden (vgl. etwa Borer,
a. a. O., Rz. 11 zu Art. 5
KG). Diese Vorgehensweise stimmt mit jener gemäss
dem EU-Rechtsrahmen für elektronische Kommunikation überein (vgl. E. 9.4; Leitlinien,
a. a. O., Ziff. 39, 44, 48; siehe dagegen den Beschwerdeentscheid der
REKO/WEF FB/2004-1 i. S. Ticketcorner AG und Ticketcorner Holding AG vom 27. September 2005
E. 5.2.2, wonach in Fällen gemäss Art. 7
KG der sachlich relevante Markt grundsätzlich
primär gestützt auf die Nachfragesubstituierbarkeit abzugrenzen ist).
a) Bei der Nachfragesubstituierbarkeit
geht es um die Frage, ob tatsächlich Alternativangebote existieren, auf welche die Marktgegenseite
ausweichen kann. Diese bilden den sachlich relevanten Markt. Eine Ausweichmöglichkeit
wäre bei Angeboten von Unternehmen gegeben, die hinsichtlich der Eigenschaften, des Verwendungszwecks
und der Preise als gleichartig oder austauschbar angesehen werden. Dabei ist die Sicht tatsächlicher
und möglicher Geschäftspartner einzubeziehen (vgl. Roger Zäch,
Verhaltensweisen marktbeherrschender Unternehmen, in: von Büren/David [Hrsg.],
Schweizerisches Immaterialgüter- und Wettbewerbsrecht, Bd. V/2, Basel/Genf/München
2000, S. 147).
Die Nachfragesubstituierbarkeit kann geklärt werden mittels Befragung
der Marktteilnehmer, einer Prüfung der Kreuzpreiselastizität oder mit dem SSNIP (Small but
Significant and Non-transitory Increase in Price)-Test, welcher auch in der Praxis der EG-Kommission
Anwendung findet (vgl. Clerc, a. a. O., Rz. 30 und 60 ff.
zu Art. 4 Abs. 2
KG; Beschwerdeentscheid der REKO/WEF i. S. Ticketcorner AG und
Ticketcorner Holding AG vom 27. September 2005 E. 5.2.2). Konkret fragt sich, ob
die Nachfrager der Mobilterminierungsdienstleistung - also die Anbieterinnen
von Fernmeldediensten, welche netzübergreifende Telefondienstleistungen anbieten
- die Terminierung eines Gesprächs in die Mobilfunknetze der Beschwerdeführerin sowie
von Sunrise und Orange substituieren können.
Die Vorinstanz verneint diese Frage zu Recht. Sie weist korrekt darauf hin,
dass sämtliche FDA, welche Telefondienstleistungen an Endkunden anbieten, sicherstellen müssen,
dass von jedem ihrer Anschlüsse aus auf die Mobilfunknetze von Orange, Sunrise und der Beschwerdeführerin
angerufen werden kann (vgl. Verfügung Ziff. 71). Auch trifft zu, dass die Anbieterinnen
von Fernmeldediensten die jeweilige Terminierung bei Orange, Sunrise und der Beschwerdeführerin
« einkaufen » müssen, um eigene Dienste für ihre Kunden anbieten zu können
(vgl. Verfügung Ziff. 71). Sind Kunden eines bestimmten Mobilfunknetzes zu erreichen, kann
die Terminierung in das Netz dieser Mobilfunkanbieterin nur bei dieser nachgefragt werden (vgl.
Verfügung Ziff. 72).
Es ist der Telefonkunde, der über die Wahl der Telefonnummer nicht
nur seine Anbieterin von Fernmeldediensten beauftragt, die netzübergreifende Verbindung
zum Kunden der Mobilfunkanbieterin herzustellen, sondern auch verbindlich das Netz bestimmt, in das sein
Gespräch terminiert werden soll. Damit ist der Weg vorgegeben. Dem Nachfrager auf der Vorleistungsebene,
also der FDA des Telefonkunden, bleibt keine andere Möglichkeit, als das Gespräch in
das gewählte Mobilfunknetz weiterzuleiten und die Mobilterminierung bei der anderen FDA nachzufragen.
Eine Ausweichmöglichkeit hat der Nachfrager nicht, weil die Zustellung des Anrufs in das spezifische
Netz einzig von der Mobilfunkanbieterin dieses Mobilfunknetzes selber vorgenommen werden
kann. Die technisch grundsätzlich denkbare Alternative, dass Anbieterinnen von Fernmeldediensten
die Verbindungen über eine Zugriffsmöglichkeit auf die Informationen von SIM (subscriber
identity module)-Karten der Endkunden anderer FDA selbst terminieren, existierte in der Schweiz
(zumindest) im untersuchten Zeitraum nicht und wird von der Beschwerdeführerin auch nicht angerufen.
Auch das in der angefochtenen Verfügung (vgl. Verfügung Ziff. 128 ff.)
erwähnte « Refiling » beziehungsweise « Tromboning » stellt
keine nachfrageseitige Substitutionsmöglichkeit auf der Vorleistungsebene dar. In diesen Fällen
wird ein nationaler Anruf indirekt über internationale Transitnetze geleitet und erst anschliessend
im Bestimmungsnetz terminiert, dies mit dem Ziel, von günstigeren Terminierungspreisen bestimmter
FDA zu profitieren. Dieser Umweg über eine Transitverbindung ändert an der Art und Unumgänglichkeit
der Terminierung im Bestimmungsnetz nichts (vgl. [...] und E. 9.5.1). Im Ergebnis sind
alle Anbieterinnen von Sprachtelefoniedienstleistungen darauf angewiesen,
die Mobilterminierung in das Netz der jeweiligen Mobilfunkanbieterin nachzufragen (vgl. auch Elspass,
a. a. O., S. 156 f.).
Dies räumen auch die Mobilfunkanbieterinnen ein. So hielt Sunrise bereits
im Rahmen einer durch das BAKOM in einem Interkonnektionsverfahren durchgeführten Marktbefragung
fest, dass es in der Natur der Sache liege, dass Anrufe auf ein bestimmtes Netz nur auf dem Netz der
fraglichen FDA terminiert werden könnten und damit keine Substitutionsmöglichkeiten bestünden.
Die damalige Swisscom Mobile antwortete dem BAKOM, dass es per definitionem keine Alternative
und kein Substitut gebe. Auch die in der Marktbefragung befragten Festnetzanbieterinnen erklärten
gegenüber dem BAKOM, dass es keine Ausweichmöglichkeiten für die Terminierung
auf ein Mobilfunknetz gebe (vgl. Gutachten IC vom 20. November 2006, veröffentlicht in: RPW
2006/4 S. 739 Ziff. 32 ff.
mit Verweis auf Eingabe Sunrise vom 28. September 2006, S. 4, Eingabe Swisscom
Mobile vom 8. September 2006, S. 14, sowie auf Eingabe Verizon vom 19. September
2006, S. 2; [...]).
b) Die Angebotsumstellungsflexibilität
beziehungsweise Angebotssubstituierbarkeit betrifft die Frage, ob andere Unternehmen ihr Angebot
kurzfristig und ohne spürbare Zusatzkosten und Risiken um Alternativprodukte erweitern
könnten (vgl. Zäch, Kartellrecht, a. a. O., Rz. 566;
vgl. auch die Umschreibung in den Leitlinien, a. a. O., Ziff. 39). Vorliegend stellt
sich die Frage, ob die Dienstleistung der Mobilterminierung in das Netz einer bestimmten Mobilfunkanbieterin
von verschiedenen Anbietern erstellt werden kann. Könnte die Mobilterminierung in das
vom Endkunden angewählte Mobilfunknetz nicht nur vom Betreiber dieses spezifischen Mobilfunknetzes,
sondern zusätzlich durch alternative Anbieterinnen vorgenommen werden, wäre
die Marktabgrenzung der Vorinstanz auszuweiten (vgl. Verfügung Ziff. 132 ff.
[angebotsseitige Substitutionsmöglichkeiten] sowie Verfügung Ziff. 109 ff.
[drei « Wholesale »-Märkte]).
Aufgrund der diesfalls gegebenen Möglichkeit der die Mobilterminierung
nachfragenden FDA, zwischen mehreren Anbietern zu wählen, würde sich die Abgrenzung von drei
je eigenen sachlichen Märkten für die Terminierung in die Mobilfunknetze der Beschwerdeführerin
und von Sunrise und Orange als falsch erweisen. Wäre zum Beispiel jede Mobilfunkanbieterin
in der Lage, die Mobilterminierung in das Netz einer beliebigen Mobilfunkanbieterin selber zu erstellen,
wäre der sachlich relevante Markt nicht auf die Mobilterminierungsdienstleistung in jedes
einzelne Netz beschränkt, sondern würde die Mobilterminierung in alle Mobilfunknetze umfassen.
Die Marktabgrenzung müsste in diesem Fall auf einen Gesamtmarkt für Terminierungen
in allen Mobilfunknetzen ausgedehnt werden (vgl. auch Entwurf
Reg TP, a. a. O., S. 31 mit Verweis auf Explanatory Memorandum, S. 34 sowie
S. 32 mit Verweis auf Gutachten Koenig/Vogelsang/Winkler,
a. a. O., S. 28).
Es ist jedoch keine technische Alternative ersichtlich, welche die Mobilfunkanbieterinnen
in die Lage versetzen würde, Verbindungen mit anderen Mobilfunknetzen unabhängig von den jeweiligen
anderen Mobilfunkanbieterinnen zu terminieren. Wie früher erwähnt, haben die Mobilfunkanbieterinnen
nämlich keinen direkten Zugriff auf die SIM-Karte der Kunden anderer Mobilfunkanbieterinnen (vgl.
vorstehend Bst. a). Ebensowenig gibt es Anhaltspunkte, dass im vorliegend relevanten Zeitraum
Anbieterinnen anderer Funknetztechnologien (etwa Anbieterinnen von WLAN [= wireless local
area network]) Technologien greifbar hatten, mit welchen sie die Terminierung in Mobilfunknetze
alternativ hätten anbieten können. Auch hier scheint eine Austauschbarkeit
im Übrigen bereits mangels Zugriffmöglichkeit auf die SIM-Karte ausgeschlossen.
Somit besteht auch aus der Sicht der Anbieter keine technische Möglichkeit,
ein Substitut für die Terminierung in das Netz einer anderen Mobilfunkanbieterin anzubieten
(vgl. ebenso Elspass, a. a. O., S. 157 mit Verweis auf Entscheid
der Europäischen Kommission i. S. Telia/Telenor vom 9. Februar 2001,
ABl. L 40 Rn. 87). Gleichzeitig steht fest, dass die Vorinstanz den sachlich relevanten Markt
korrekt auf jedes einzelne Mobilfunknetz beschränkt und drei je eigene sachliche (« Wholesale »)-Märkte
für die Terminierung in die Mobilfunknetze der Beschwerdeführerin sowie von Sunrise
und Orange abgegrenzt hat (vgl. Verfügung Ziff. 109 ff.). Für eine Ausweitung der
Marktabgrenzung auf einen Gesamtmarkt für Terminierungen in alle
Mobilfunknetze besteht kein Anlass.
c) Als Zwischenergebnis ist festzuhalten, dass es aus der Sicht der Marktgegenseite
(Fernmeldedienstanbieterinnen, Vorleistungsebene) weder nachfrage- noch angebotsseitige Substitutionsmöglichkeiten
zur Terminierung eines Anrufs in ein bestimmtes Mobilfunknetz gibt. Die Vorinstanz kommt
in Ziff. 72 der angefochtenen Verfügung sinngemäss ebenfalls zu diesem Schluss.
9.5.4
Substitutionsmöglichkeiten aus der Sicht der Endkunden
9.5.4.1
Überblick
a) Wie angekündigt, wird im Folgenden zusätzlich zur Analyse der
Substitutionsmöglichkeiten aus der Sicht der Marktgegenseite (Art. 11 VKU) der
Interdependenz zwischen der Vorleistungsebene und der Ebene der nachgelagerten Nachfrage der Endkunden
(Dienstleistungsebene) Rechnung getragen. Dazu wird gefragt, ob die Endkunden der Anbieterinnen
von Fernmeldediensten Möglichkeiten haben, die Mobilterminierungsleistungen der Mobilfunkanbieterinnen
zu umgehen (der deutsche Regulator fragt bei dieser Prüfung der Substitutionsmöglichkeiten
aus der Sicht der Endkunden anschaulich nach « abgeleiteten Substitutionsmöglichkeiten »
[vgl. Entwurf Reg TP, a. a. O., S. 29]).
b) Die Vorinstanz folgert
bereits unmittelbar aus dem beschriebenen Umstand, dass die Mobilterminierung aus der Sicht der
Marktgegenseite nicht substituierbar ist, dass nach Massgabe von Art. 11 Abs. 3 Bst. a
VKU drei sachlich relevante Märkte vorliegen, nämlich die « Wholesale »-Märkte
für in ein Mobilfunknetz eingehende Fernmeldedienste im Bereich der Sprachtelefonie
beziehungsweise die Terminierung von Anrufen in ein Mobilfunknetz (vgl. Verfügung Ziff. 72 f.).
Anschliessend unterzieht die Vorinstanz diese Marktdefinition jedoch einer Prüfung
unter Einbezug der Merkmale der Endkundenmärkte. Indem sie dabei « die aus Sicht
der Endkunden (Retail-Märkte) substituierbaren Produkte » (vgl. Verfügung
Ziff. 77) bestimmt, fragt die Vorinstanz ebenfalls nach Substitutionsmöglichkeiten aus der
Sicht der Endkunden. Bei dieser Überprüfung ihrer Marktdefinition geht die Vorinstanz
zunächst von sämtlichen Telekommunikationsdienstleistungen aus,
insbesondere unter Einschluss von Mobilfunk-, Datenübertragungs- und Festnetzdiensten
(vgl. Verfügung Ziff. 78).
Im Ergebnis verneint die
Vorinstanz Substitutionsmöglichkeiten aus Endkundensicht und bestätigt die aus der Sicht
der Marktgegenseite erfolgte Marktabgrenzung mit der Begründung, dass die verschiedenen geprüften
Arten von Dienstleistungen aufgrund ihrer Eigenschaften und ihres Verwendungszwecks nicht
in den relevanten Markt einzubeziehen seien. Dies betreffe das Übermitteln von Daten, das Telefonieren
über das Festnetz, die « Retail »-Märkte im Bereich Mobilfunk
sowie aus einem Mobilfunknetz ausgehende Fernmeldedienste (vgl. Verfügung Ziff. 109;
vgl. zudem die Ausführungen in Verfügung Ziff. 114 ff., wo die Vorinstanz
unter anderem festhält, dass auch die Analyse des Nachfrageverhaltens
der Mobilfunkbenutzer zeige, dass es keine nachfrageseitigen
Substitutionsmöglichkeit auf Retail-Ebene gebe [vgl. Verfügung Ziff. 127]).
c) Die Beschwerdeführerin
ist demgegenüber der Meinung, die Marktabgrenzung der Vorinstanz sei aufgrund diverser Substitutionsmöglichkeiten
aus Endkundensicht auszuweiten. So seien die Sprach- und Datenübertragung Teile desselben
Markts (vgl. [...]; nachfolgend E. 9.5.4.3). Entgegen der Vorinstanz sei nicht in allen Fällen
entscheidend, dass eine Information sofort übermittelt und vom Empfänger zeitgleich in
Empfang genommen werden könne (...). Auch fixe und mobile Telefonie könne nicht ohne
Weiteres in separate Märkte unterteilt werden (vgl. [...]; vgl. nachfolgend E. 9.5.4.4).
Je nach Situation seien diese Dienste sowohl als Komplemente als auch als Substitute einzustufen
(vgl. [...]).
Zudem gebe es eine Vielzahl
von Kommunikationsmitteln und -formen, die als Alternativen zum Informationsaustausch über Mobiltelefone
beziehungsweise als Substitute zur Mobiltelefonie im relevanten Markt einzuschliessen seien
(so VoIP-Dienste, Dual Mode Telefone, Instant Messaging, Video Calls, Video Conferencing und Video Mail,
Blogs bzw. Weblogs, E-Mail push and pull, SMS, Mobile Chat [...]; vgl. nachfolgend E. 9.5.4.5).
Schliesslich seien eingehende und ausgehende Gespräche Teile desselben Markts
(vgl. nachfolgend E. 9.5.4.2). Die Trennung von in ein Netz eingehenden und aus einem Netz
abgehenden Anrufen sei künstlich (...).
9.5.4.2
Eingehende - ausgehende Gespräche
a) Mit Bezug auf die umstrittene
Differenzierung zwischen ein- und abgehenden Anrufen bringt die Beschwerdeführerin konkret
Folgendes vor: Das Ziel der Sprach- und Datenübertragung sei der gegenseitige Informationsaustausch.
Die Endkunden fragten sowohl in ihr Netz eingehende als auch aus ihrem Netz abgehende Anrufe nach
(...). Es bestünden keine Abonnemente oder Prepaid-Angebote, die nur eingehende oder nur
ausgehende Anrufe beinhalten. Beide Funktionen würden immer gemeinsam eingekauft.
Kein Kunde frage immer nur eingehende oder abgehende Anrufe nach.
Das Gleiche
gelte auch für die Anbieterinnen von Fernmeldediensten, welche Anrufe sowohl originierten als auch
terminierten. Die Abgrenzung zweier separater relevanter Märkte für eingehende bzw. abgehende
Anrufe gebe folglich die Realität nicht wieder und sei somit künstlich (...). Eine Einzelanrufbetrachtung
sei sinnwidrig, da ein Kunde beim Erwerb eines Telefonabonnements erwarte, dass er damit anrufen
kann und angerufen werden kann (...). Diese Dienste würden immer im Bündel angeboten.
Die Behauptung
der Vorinstanz, wonach « viele Mobilfunknutzer » ihr Mobiltelefon nur in eine Richtung
benutzten, sei weder substantiiert noch erwiesen, sondern eine blosse Behauptung. Es gebe kein « Retail »-Angebot,
das sich auf eingehende oder ausgehende Anrufe beschränke (vgl. Verfügung Ziff. 103).
Dass eine veraltete Technologie - der Pager - existiere (...), welche nur eingehende
Anrufe anzeige, sei kein Beweis dafür, dass ein separater Markt abgegrenzt werden müsse (...).
b) Die Vorinstanz
setzt sich in Ziff. 97 ff. der angefochtenen Verfügung damit auseinander, ob aus Endkundensicht
zwischen « Anrufen » und « Angerufenwerden » eine Substitutionsbeziehung
bestehe. Die Frage wird im Ergebnis verneint mit dem Hinweis, dass sich eine Unterscheidung
zwischen ein- und ausgehenden Dienstleistungen im Rahmen der Marktabgrenzung rechtfertige,
da eingehende und ausgehende Mobilfunkdienstleistungen von der Art, Technik und von den Preisen
her verschieden seien, und die Dienstleistungen auch heute noch getrennt nachgefragt würden
(vgl. Verfügung Ziff. 104).
Bezüglich Preis etwa würden sich ein- und ausgehende Dienstleistungen aufgrund des calling-party-pays-Prinzips
(cpp-Prinzip) unterscheiden, habe dieses Prinzip doch zur Folge, dass « Angerufenwerden »
im Normalfall kostenlos sei, während « Anrufen » relativ teuer sei (vgl.
Verfügung Ziff. 99). Obwohl
es bei längeren Gesprächen mit einem Bekannten häufig unerheblich sei, wer wen angerufen
hat, spiele es letztlich doch eine Rolle, wer die Rechnung erhalte (vgl. Verfügung Ziff. 100).
Des Weiteren könne davon ausgegangen werden, dass viele Mobilfunkkunden
ihr Mobiltelefon lediglich in eine Richtung verwenden würden (vgl. Verfügung Ziff. 103;
[...]). Jedes Mobiltelefon sei im Prinzip auch ein Pager - ein Gerät, das nur anzeigen
könne, dass jemand versucht hat anzurufen -, verfüge aber über eine Vielzahl weiterer
Eigenschaften und Gebrauchsmöglichkeiten. Die Existenz von Geräten
wie Pagern zeige, dass auch einzelne Dienstleistungen eines Mobiltelefons als eigenständige
Märkte betrachtet werden könnten (vgl. Verfügung Ziff. 103).
c) Bei allfälligen Möglichkeiten der Endkunden, die Mobilterminierungsdienstleistungen
der Mobilfunkanbieterinnen zu umgehen, müsste es sich um Telekommunikationsdienstleistungen
auf Endkundenebene handeln, welche (selbstredend) keine Mobilterminierung auslösen und die
Endkunden im Sinne von Art. 11 Abs. 3 VKU hinsichtlich ihrer Eigenschaften
und ihres vorgesehenen Verwendungszwecks als Umgehungsmöglichkeit zum Tätigen
von Mobilfunkanrufen ansehen. Falls es aus Endkundensicht solche Dienstleistungen -
also Substitute - gibt, würde der sachlich relevante Markt auch diese Telekommunikationsdienstleistungen
mitumfassen.
Dies wäre dann der Fall, wenn die Endkunden « Anrufen »
und « Angerufenwerden » hinsichtlich ihrer Eigenschaften und ihres Verwendungszwecks
als austauschbare Alternativen ansehen würden. Diesfalls bestünde für die Endkunden
nämlich insofern eine Möglichkeit, selber keine Mobilterminierungen auszulösen sowie
einer allfälligen Überwälzung der (von der terminierenden Mobilfunkanbieterin)
der eigenen Mobilfunkanbieterin in Rechnung gestellten Mobilterminierungspreise zu entgehen,
als nur eingehende Dienstleistungen (« Angerufenwerden »)
in Anspruch genommen werden, statt zusätzlich auch ausgehende
Dienstleistungen (« Anrufen ») zu beanspruchen. Durch Letztere wird aufgrund
des cpp-Prinzips (calling-party-pays, [...]) nicht nur die eigene Kostenpflicht begründet,
sondern auch die Mobilterminierung im Netz der anderen Mobilfunkanbieterin ausgelöst. Im Gegensatz
dazu initiiert ein Endkunde, der einzig eingehende Dienstleistungen
entgegennimmt, das heisst sich mit dem blossen « Angerufenwerden » begnügt,
selber keine Mobilterminierungen.
Die Einschränkung der Marktabgrenzung auf drei « Wholesale »-Märkte
für in die betreffenden Mobilfunknetze eingehende Fernmeldedienste
erweist sich jedoch dann als richtig, falls eine Beschränkung auf bloss eingehende
Anrufe für die Endkunden keine Option darstellt, sondern die Endkunden auch selber ausgehende Anrufe
auf ein anderes Mobilfunknetz vornehmen wollen. In diesem Fall wäre die vorinstanzliche
Begrenzung auf eingehende Telekommunikationsdienstleistungen mangels entsprechender
Substitutionsmöglichkeit aus Endkundensicht zu bestätigen, sehen die Endkunden doch dann
keine Möglichkeit, die Mobilterminierung beziehungsweise die allfällige Überwälzung
des Mobilterminierungspreises durch Inanspruchnahme einzig eingehender Dienstleistungen
zu umgehen.
d) Nun räumt die Beschwerdeführerin selber ein, dass die Endkunden
sowohl in ihr Netz eingehende als auch aus ihrem Netz abgehende Anrufe nachfragen und diese Funktionen
gemeinsam einkaufen würden. Kein Kunde frage immer nur eingehende oder abgehende Anrufe nach.
Auch damit, dass es kein Retail-Angebot gebe, welches sich auf eingehende oder ausgehende Anrufe
beschränke, und weil keine Abonnemente bestünden, die nur eingehende oder nur ausgehende Anrufe
beinhalten, zeigt die Beschwerdeführerin zu Recht auf, dass Endkunden « Anrufen »
und « Angerufenwerden » hinsichtlich ihrer Eigenschaften und ihres Verwendungszwecks
nicht als austauschbare Alternativen ansehen. Damit bilden ein- und ausgehende Anrufe aus Endkundensicht
aber keine Substitute, weshalb sich die auf eingehende Fernmeldedienste beschränkten
« Wholesale »-Märkte der Vorinstanz bereits nach der eigenen Argumentation der
Beschwerdeführerin als korrekt erweisen.
Die Ausführungen der Vorinstanz stehen dem keineswegs entgegen, schliessen
doch auch diese sinngemäss darauf, dass zwischen « Anrufen » und « Angerufenwerden »
keine Substitutionsbeziehung besteht. Die Vorinstanz begründet dies mit den Hinweisen auf die Unterschiede
dieser Dienstleistungen hinsichtlich ihrer Art, Technik und den Preisen. Namentlich die Erwähnung
der Tatsache, dass « Angerufenwerden » kostenlos und « Anrufen »
kostenpflichtig ist, und es erheblich ist, wer die Kosten bezahlen muss, führt vor Augen, dass die
Vorinstanz - wie die Beschwerdeführerin - der Auffassung ist, dass die Endkunden « Anrufen »
und « Angerufenwerden » hinsichtlich ihrer Eigenschaften und ihres Verwendungszwecks
nicht als austauschbare Alternative ansehen.
In diesem Sinne ist den Parteien zuzustimmen, dass die Möglichkeit,
mittels Mobiltelefon jemanden anrufen zu können, aus Endkundensicht nicht ersetz- beziehungsweise
substituierbar ist durch die Erreichbarkeit, welche das Mobiltelefon ebenfalls bietet. Die
zwei Dienstleistungen unterscheiden sich allzu wesentlich hinsichtlich dem Zweck und dem Nutzen,
den sie dem Endkunden stiften. Da « Angerufenwerden » und « Anrufen »
somit keine Substitute sind, gehören sie auch nicht zum gleichen Markt. Beide Parteistandpunkte
führen im Ergebnis zum
Resultat, dass die Einschränkung der « Wholesale »-Märkte auf
eingehende Fernmeldedienste korrekt ist.
e) Entgegen der Beschwerdeführerin verhindert die Abgrenzung solcher
« Wholesale »-Märkte keineswegs, dass jeder Endkunde beliebige Personen
anrufen und auch uneingeschränkt selbst angerufen werden kann. Es ist nicht ersichtlich, inwiefern
die Sicht der Vorinstanz die Realität nicht wiedergebe, künstlich sei und den gegenseitigen
Informationsaustausch zwischen zwei Gesprächspartnern in Frage stelle. Ein- wie ausgehende
Sprachanrufe können ohne Einschränkung geführt werden.
Die Beschwerdeführerin
übersieht zum einen, dass an jedem von der vorinstanzlichen Marktabgrenzung erfassten Anruf in ein
Mobilfunknetz zwei Gesprächspartner beteiligt sind. Das Marktabgrenzungsergebnis der
Vorinstanz besagt nichts Gegenteiliges, sondern setzt dies als selbstverständlich voraus.
Zum anderen ist zu beachten, dass die abgegrenzten Märkte « Wholesale »-Märkte
- also Märkte auf der Vorleistungsebene - und keine Dienstleistungsmärkte
auf der Endkundenebene sind. Wie bereits ausgeführt, wird zudem nicht
jeder einzelne Anruf separat betrachtet, sondern alle
in einem Netz ausgeführten Terminierungen als Produkt, ohne dass zu berücksichtigen ist, in
welchem originierenden Netz die Verbindungen generiert worden sind (vgl. E. 9.5.1 [...]).
Die so verstandenen
drei
« Wholesale »-Märkte für die Terminierung in die Mobilfunknetze von Orange,
Sunrise und der Beschwerdeführerin im Bereich der Sprachtelefonie stehen nicht damit im Widerspruch,
dass die Endkunden in jedem
der drei Mobilfunknetze angerufen werden. Ebenso können die Endkunden ohne Beeinträchtigung
der vorinstanzlichen Marktabgrenzung beliebig in alle drei Mobilfunknetze anrufen.
Der Hinweis der Beschwerdeführerin auf eine angeblich sinnwidrige Einzelanrufbetrachtung
erweist sich als verfehlt (...). Die gegenseitige Kommunikation ist in keiner Weise gestört.
f) Auch aus
dem Verweis auf die FDA, welche Anrufe sowohl originieren als auch terminieren würden, kann die
Beschwerdeführerin nichts für sich ableiten. Die Vorinstanz hat Substitutionsmöglichkeiten
aus der Sicht der Anbieterinnen von Fernmeldediensten (d. h. der Marktgegenseite)
zu Recht verneint. Aus ihrer Sicht bestehen weder angebots- noch nachfrageseitige Substitute
zur Mobilterminierung (vgl. E. 9.5.3).
Würde
der Argumentation der Beschwerdeführerin gefolgt und die Marktabgrenzung auf ein- und ausgehende
Anrufe ausgedehnt, wäre der Markt auszuweiten. Dies würde - wie dargelegt - Art. 11
VKU widersprechen, da aus technischen Gründen keine Substitutionsmöglichkeiten
für die Mobilterminierung bestehen. Dass die Vorinstanz mangels angebotsseitiger Substitutionsmöglichkeiten
für jedes einzelne
Mobilfunknetz einen eigenen Markt abgegrenzt hat, ist, wie ausgeführt, nicht zu beanstanden
(vgl. E. 9.5.3 Bst. b). Die Mobilterminierung kann aus der Sicht der Marktgegenseite definitionsgemäss
immer nur einen eingehenden
Anruf betreffen.
g) Das Argument
der Beschwerdeführerin, die Unterscheidung zwischen ein- und ausgehenden Anrufen sei künstlich,
erweist sich damit als unbegründet. Die Einschränkung der Marktabgrenzung auf drei « Wholesale »-Märkte
für in die betreffenden Mobilfunknetze eingehende Fernmeldedienste ist richtig.
9.5.4.3
Daten - Sprache
a) Die vorinstanzliche
Marktabgrenzung ist zudem eingeschränkt auf den Bereich der Sprachtelefonie.
Die Beschwerdeführerin hält diese Beschränkung für falsch und macht geltend,
der relevante Markt umfasse zusätzlich zur Sprach- auch die Datenübertragung.
Zusammenfassend argumentiert die Beschwerdeführerin wie folgt (...):
Die Unterscheidung
zwischen Sprach- und Datenübertragung sei künstlich. Beide Dienste dienten der Übermittlung
von Informationen. Wie etwa der Erfolg von Kommunikationsmitteln wie SMS oder E-Mail (...) zeige,
sei es nicht in allen Fällen der Informationsübermittlung wichtig, dass eine sofortige Übermittlung
beziehungsweise ein zeitgleicher Empfang einer Information erfolge. Es werde übersehen,
dass der Anrufende auch Sprachinformationen hinterlegen (Combox) und der Informationsempfänger
übermittelte Daten sofort - das heisst in Echtzeit - abrufen könne (z. B.
VoIP via Mobile, Instant Messaging und E-Mail push and pull; [...]).
Selbst die
eigene Einschätzung der Vorinstanz spreche eher dafür, dass der Datenverkehr zum gleichen sachlich
relevanten Markt gehöre. Die WEKO anerkenne nämlich, dass eine Preiserhöhung im Bereich
des Telefonierens zu einer Erhöhung des Datenaufkommens führen könnte. Nach Auffassung
der Vorinstanz sei diese jedoch nur gering, und es würde lediglich weniger telefoniert (vgl. Verfügung
Ziff. 85). Wenn die Vorinstanz davon ausgehe, dass eine Substituierung zwischen Telefonie-
und Datendienstleistungen stattfinden könnte, so habe sie die Effekte einer Preiserhöhung
für eine korrekte Marktabgrenzung zu prüfen und empirisch zu belegen. Die Vorinstanz habe dies
aber unterlassen.
b) Die Vorinstanz
grenzt zunächst die Sprachtelefonie von der Datenübertragung ab (vgl. Verfügung
Ziff. 81): Telefonieren sei Sprachkommunikation
in Echtzeit über eine Distanz. Bei der Übermittlung von Daten - wie beim Versenden
von E-Mails, SMS, MMS, Fax und Ähnlichem - würden Informationen über
eine Leitung von einem Endgerät auf ein anderes übertragen, ohne dass es notwendig sei,
dass die Empfängerperson anwesend oder das empfangende Gerät eingeschaltet sei.
Bis ein Endgerät wieder empfangsbereit sei, würden die Daten zwischengespeichert.
Davon ausgehend hält die Vorinstanz dem Standpunkt der Beschwerdeführerin
sinngemäss entgegen, dass der Transfer von Daten kein geeignetes Substitut zu einem Telefonat
in Echtzeit darstellen könne (vgl. Verfügung Ziff. 80 ff.). Das Telefonieren als
Sprachkommunikation weise gegenüber den verschiedenen Möglichkeiten des Datentransfers
grundsätzlich unterschiedliche Eigenschaften auf. Zwar könne eine Information wie die
Ankunftszeit an einem Treffpunkt durchaus über ein SMS erfolgen. Seien hingegen zum
Beispiel noch der genaue Treffpunkt selbst oder die Ziele des Treffens zu bestimmen, sei ein Anruf zweckmässiger,
womit weder SMS noch E-Mail als Substitute in Frage kämen. Andererseits liessen sich gewisse
Informationen - wie etwa Bilder oder andere elektronische Dokumente - nur mit Hilfe
von E-Mails, MMS oder SMS transferieren.
Es sei klar, dass es für einen Benutzer einen erheblichen Unterschied
mache, ob er angerufen werde oder ob er Daten erhalte. Solle ein Gespräch zustande kommen,
müsse ein Anruf sofort beim Klingeln des Telefons entgegengenommen werden. Daten könnten demgegenüber
zu einem späteren Zeitpunkt eingesehen und über eine längere Zeit gespeichert werden.
Weiter begründet die Vorinstanz die nach ihr fehlende Substitutionsbeziehung
zwischen Sprachtelefonie und Datentransfer mit der Aussage, dass eine
Preiserhöhung im Bereich der Sprachtelefonie zwar die Nachfrage nach Sprachtelefonieren verringern,
aber nur zu einem geringen Teil zu einer Erhöhung des Datenaufkommens führen würde. Es
würde lediglich weniger telefoniert werden, da die Nachfrage mit steigendem Preis falle (vgl. Verfügung
Ziff. 85).
c) Zu prüfen
ist somit, ob zusätzlich zum Bereich der Sprachtelefonie die verschiedenen Möglichkeiten
des Transfers von Daten in die relevanten « Wholesale »-Märkte miteinbezogen
werden müssen.
Dazu stellt sich die Frage, ob die Endkunden Datenübertragungsdienste
wie SMS, MMS, E-Mail und Fax hinsichtlich ihrer Eigenschaften und ihrer Verwendungszwecke als gleichwertige
Alternativen zu netzübergreifenden Sprachanrufen auf ein Mobilfunknetz betrachten. Weil
das Übermitteln von Daten bei einer Bejahung dieser Frage aus Endkundensicht ein Substitut
zur Sprachkommunikation (und der dadurch ausgelösten Mobilterminierung) wäre, würden
die sachlich relevanten « Wholesale »-Märkte diesfalls auch die Datenübermittlung
umfassen (Art. 11 VKU).
Es ist der Vorinstanz jedoch zuzustimmen, dass Sprachkommunikation und die
verschiedenen Möglichkeiten des Datentransfers von Grund auf unterschiedliche Eigenschaften aufweisen
und die Frage der Substituierbarkeit zu verneinen ist. Die Vorinstanz verweist zu Recht auf
das wesentliche Merkmal eines Sprachanrufs, nämlich die Kommunikation in Echtzeit. Bereits
daraus folgt, dass ein Sprachanruf nicht durch Datenübertragungsdienste substituiert werden
kann. So entsteht für den Endkunden mit einem Sprachanruf die Möglichkeit, Informationen
durch ein aufeinander bezogenes Gespräch in kürzester Zeit auszutauschen.
Eine Kommunikation, die sich aufeinander bezieht und bei der komplexe
Inhalte ausgetauscht werden, kann zwar durchaus auch bei Datenübertragungsdiensten erfolgen.
Selbst bei den von der Beschwerdeführerin angerufenen Varianten, bei denen Daten zeitgleich
abrufbar seien (Instant Messaging, E-Mail push and pull; [...]), bedarf es jedoch der manuellen Eingabe
der Nachricht und eines Versendungsvorgangs, der keine dem direkten Gespräch vergleichbare
Kommunikation ermöglicht. Die Sprachkommunikation ist namentlich insofern nicht mit einem datenbasierten
Informationsaustausch vergleichbar, als über die Stimme (Tonlage, Lautstärke, Tempo
etc.) unwillkürlich zusätzliche Schattierungen zum Ausdruck kommen. Diese stellen
einen wesentlichen Teil der Interaktion der Gesprächspartner dar und beeinflussen den
Gesprächsverlauf unmittelbar.
Dass eine gewünschte Information in gewissen Situationen ebenso gut
über eine Datenübertragung statt mit einem Sprachanruf übermittelt werden kann,
scheint offensichtlich und hat auch die Vorinstanz erkannt (z. B. Ankunftszeit an einem Treffpunkt
mit SMS). Dies vermag jedoch nichts daran zu ändern, dass die Datenübermittlung dem direkten
Gespräch dann nicht ebenbürtig ist, wenn Gesprächspartner (komplexere) Inhalte miteinander
besprechen wollen.
Andererseits liegt es auf der Hand, dass für die Übermittlung
gewisser Informationen nur die Datenübertragung in Frage
kommt, mithin die Sprachtelefonie als Substitutionsgut nicht sinnvoll ist. Wie die Vorinstanz richtig
festhält, verhält es sich so, wenn ein Endkunde jemandem Fotografien, Grafiken
oder sonstige elektronische Dokumente zukommen lassen will und dazu ein E-Mail, MMS oder SMS mit
entsprechendem Datenanhang versendet. Für diesen - im heutigen Privat- und
Berufsleben unverzichtbaren - spezifischen Verwendungszweck der Datenübermittlung
stellt ein Sprachanruf aus Endkundensicht keine Alternative dar. Das Gleiche gilt, wenn ein Dokument
per Fax versandt wird, damit der Empfänger dieses einsehen und zum gewünschten Zweck
weiterverwenden kann.
Wie die Vorinstanz ebenfalls korrekt erwähnt, zeichnet sich die Datenübermittlung
weiter dadurch aus, dass Daten zwischengespeichert und vom Empfänger zu einem beliebigen Zeitpunkt
zur Kenntnis genommen und bearbeitet werden können. Der Versender hat dadurch die Möglichkeit,
den Zeitpunkt und die Art der Beantwortung der Meldung bewusst dem Empfänger zu überlassen,
ohne diesen durch einen Anruf auf sein Mobiltelefon zu einem möglicherweise unpassenden Zeitpunkt
zu einer sofortigen Rückmeldung zu veranlassen.
Wie von der Beschwerdeführerin vorgebracht, können zwar auch Sprachinformationen
auf einem mobilen Anrufbeantworter (z. B. in einer « Combox ») hinterlegt werden.
Das gewünschte Telefongespräch kommt dann aber überhaupt nicht zustande. Zudem liegt
es nicht im Einflussbereich des Anrufenden, ob eine Sprachmitteilung hinterlegt werden kann. Darüber
entscheidet vielmehr der Angerufene, welcher den Anruf zum fraglichen Zeitpunkt nicht entgegennehmen
will oder kann.
Bei dieser Sachlage ist nicht zu beanstanden, dass die Vorinstanz auf eine
detaillierte Prüfung der Effekte einer Preiserhöhung im
Bereich des Telefonierens verzichtet hat. Unabhängig davon überzeugt die Darstellung
der Vorinstanz, dass zwischen Telefonie- und Datendienstleistungen keine hinlängliche Substitutionsbeziehung
besteht.
Die in gewissen Situationen zweifellos gegebene - also unvollkommene
(vgl. dazu BGE 130 II 449 E. 5.5) - Substitutionsmöglichkeit ändert nichts daran,
dass Datenübertragungsdienste wie SMS, MMS, E-Mail und Fax grundlegend andere Eigenschaften als
die Sprachkommunikation aufweisen. Da sie auch unterschiedlichen Verwendungszwecken
dienen, stellen Datendienste aus Endkundensicht keine gleichwertige Alternative zur Sprachkommunikation
dar. Die Vorinstanz hat die relevanten « Wholesale »-Märkte damit zu Recht
auf die Sprachtelefonie beschränkt.
9.5.4.4
Fixe - mobile Telefonie
a) Des Weiteren
bemängelt die Beschwerdeführerin, fixe und mobile Telefonie könne nicht ohne Weiteres
in separate Märkte unterteilt werden (...). Diese Dienste seien je nach Situation sowohl als
« Komplemente » als auch als Substitute einzustufen.
In den meisten
Fällen stünden den Telefonierenden beide Alternativen zur Verfügung, insbesondere in privat
oder geschäftlich genutzten Gebäuden. Fixe und mobile Telefonie seien in diesen Fällen
Substitute. Die Folgerung der Vorinstanz, dass fixe und mobile Telefonie nicht austauschbar seien,
weil mobile Telefonie im Gegensatz zur fixen Telefonie ortsungebunden möglich sei, möge
im Einzelfall zutreffen (vgl. Verfügung Ziff. 89 ff.). Dies gelte etwa, wenn ein
Anrufender und/oder ein Angerufener gerade keinen Zugang zu einem Festnetzanschluss habe. Diesfalls
seien fixe und mobile Telefonie « Komplemente ».
80 %
aller Anrufe würden jedoch ab einem Mobiltelefon « unter einem Dach » getätigt,
wo auch Festnetz-Anschlüsse zur Verfügung stünden. Über 40 % derjenigen, die
sowohl über einen Festnetz-Anschluss als auch über einen Mobilfunk-Anschluss verfügten,
würden ihre Mobilfunkgeräte auch von zu Hause aus gebrauchen (Verweis auf Erhebungen
von British Telecom: DotEcon, Fixed-mobile substitution, S. vii Ziff. 7, [...]). Somit
seien fixe und mobile Telefonie auch Substitute (...). Die fixe Telefonie stelle aber auch bei nicht
gleichzeitiger Verfügbarkeit von fixer und mobiler Telefonie dann ein Substitut dar, wenn der Anrufer
beziehungsweise Angerufene die Möglichkeit habe, das Gespräch zu einem anderen Zeitpunkt
zu führen.
Zudem seien
Technologien zu beachten, bei denen Endgeräte fix und mobil eingesetzt werden könnten. Die
Auffassung der Vorinstanz verkenne diese technologischen Substitutionsmöglichkeiten und das
tatsächliche Nachfrageverhalten (...). Im Rahmen der sogenannten Zugangssubstitution
würden Mobilfunkabonnemente als Substitut für zusätzlich benötigte Computer-
oder Fax-Linien dienen. Fast zwei Drittel der Personen, die zugleich einen Festnetz- und einen
Mobilfunk-Anschluss hätten sowie am Internet angeschlossen seien, würden gemäss
der Studie von DotEcon ihre Festnetzlinie für den Internetanschluss benutzen und mobilfunknetzbasiert
telefonieren. DotEcon weise nach, dass die Nutzung von Festnetz-Linien durch Mobilfunkabonnemente
im Durchschnitt gesenkt werde (...).
Über
die Frage, ob letztlich der substitutive oder der komplementäre Charakter überwiege, bestehe
in der ökonomischen Literatur noch keine Einigkeit (mit Hinweis auf drei Vertreter der Substitutions-
und zwei Vertreter der Komplementaritätsthese; [...]). Indem die Vorinstanz festhalte,
dass eine Preiserhöhung im Bereich der mobilen Telefonie zu einer (teilweisen) Substitution
durch die fixe Telefonie führen könne, aber voraussichtlich einfach weniger mit Mobiltelefonen
telefoniert würde (vgl. Verfügung Ziff. 94), habe sie reine Spekulation betrieben
und den rechtlich erheblichen Sachverhalt nicht genügend erstellt. Die Vorinstanz wäre verpflichtet
gewesen, die Nachfragereaktion bei einer Preiserhöhung der mobilen Telefonie zu prüfen
und empirisch zu belegen (...).
b) Die Vorinstanz
setzt sich in ihrer Verfügung (Ziff. 87 ff.) mit der Frage auseinander, ob das Telefonieren mittels
Mobiltelefon durch das Telefonieren über das Festnetz substituiert werden kann. Im Resultat
schliesst die Vorinstanz auf grundsätzlich unterschiedliche Eigenschaften des Telefonierens
mittels Mobiltelefon und Festnetz, weshalb für das Telefonieren über ein Mobiltelefon
ein eigenständiger Markt auszuscheiden sei (vgl. Verfügung Ziff. 96).
Zur Begründung betont die Vorinstanz, dass sich derjenige einen Mobilfunkanschluss
erwerbe, der (1.) die Möglichkeit haben will, jemanden anrufen zu können, wann und wo
immer er will, und (2.) telefonisch erreichbar sein möchte, wann und wo immer er will (vgl.
Verfügung Ziff. 90). Dies seien die beiden Eigenschaften, welche einen Mobilfunkanschluss
in Bezug auf das Telefonieren fundamental von einem Festnetzanschluss unterscheiden.
Ein weiterer Unterschied bestehe darin, dass ein Mobilfunkanschluss personenbezogen
sei und über ihn die Zielperson in der Regel direkt erreicht werde. Ein Festnetzanschluss sei dagegen
auf einen Ort bezogen. Ob die Zielperson über diesen Anschluss erreicht werden könne, sei davon
abhängig, ob die Person sich bei dem entsprechenden Festnetzanschluss aufhalte
oder nicht. Beim Anruf auf einen Festnetzanschluss sei im Gegensatz zu einem Anruf auf ein Mobiltelefon
ferner häufig nicht bekannt, wer den Anruf entgegennehme.
Zudem sei in der Schweiz im Bereich Mobilfunk eine Marktdurchdringung
von 91,6 % Realität geworden, obwohl fast jeder Haushalt und jedes Büro über mindestens
einen Festnetzanschluss verfüge (mit Verweis auf die Fernmeldestatistik 2005 des BAKOM, S. 35,
online unter: http://www.bakom.admin.ch > Dokumentation > Zahlen und Fakten > Statistik
zu Telekommunikation > statistische Publikationen, Fernmeldestatistiken 1998-2006
nur noch auf Anfrage verfügbar). Der Grund könne nur darin bestehen, dass ein Mobilfunkanschluss
nicht durch einen Festnetzanschluss substituierbar sei (vgl. Verfügung Ziff. 92; ähnlich
auch Verfügung Ziff. 115). Es könne von einer asymmetrischen Substitution gesprochen
werden: Das Festnetz könne von einem Mobiltelefon in gewissen Fällen substituiert werden,
jedoch nicht umgekehrt (vgl. Verfügung Ziff. 93).
Weiter weist die Vorinstanz darauf hin, dass ein durchschnittlicher Festnetzanruf
im Jahr 2004 3,39 Min. (Jahr 2005: 3,38), ein Anruf mit dem Mobiltelefon hingegen nur gerade 1,51 Min.
(Jahr 2005: 1,56) gedauert habe (mit Verweis auf die Fernmeldestatistik 2005 des BAKOM, a. a. O.,
S. 40). Die deutlich kürzere Dauer zeige, dass die beiden Technologien verschieden
zum Einsatz gelangten: Längere Gespräche erfolgten in der Regel über den günstigeren
Festnetzanschluss, mit einem Mobilfunkanruf werde unterwegs nur das Nötigste mitgeteilt
(vgl. Verfügung Ziff. 93).
Ebenfalls ein Indiz dafür, dass ein Festnetzanschluss nicht als Substitut
für einen Mobilfunkanschluss angesehen werden könne, sei der Umstand, dass die Preise
im Bereich Mobilfunk deutlich höher und viele Endkunden bereit seien, diese trotz vorhandenen Festnetzanschlusses
zu bezahlen (vgl. Verfügung Ziff. 94). Eine Preiserhöhung im Bereich der mobilen Telefonie
würde nach Auffassung der Vorinstanz zwar die Nachfrage nach dieser verringern, jedoch
nur zu einem geringen Teil zu einer Substitution durch das Festnetz und damit zu einer Zunahme des Telefonierens
über einen Festnetzanschluss führen: « Voraussichtlich würde lediglich weniger
mit Mobiltelefonen telefoniert » (vgl. Verfügung Ziff. 94).
Weiter argumentiert die Vorinstanz, ein Mobiltelefon stifte selbst einem
Büroangestellten, welcher in der Regel Zugriff auf einen Festnetzanschluss habe, zusätzlichen
Nutzen, wie etwa die Erreichbarkeit ausserhalb seines Arbeitsplatzes, welcher nicht durch
den vergleichsweise günstigeren Festnetzanschluss erzielt werden könne (vgl. Verfügung
Ziff. 89). Für Personen, welche sich nicht mehrheitlich in der Nähe eines Festnetzanschlusses
aufhielten und auf Kommunikation angewiesen seien, sei ein Mobilfunkanschluss häufig
notwendig (vgl. Verfügung Ziff. 89).
Schliesslich erläutere die Beschwerdeführerin den Mehrwert der
Mobiltelefonie gegenüber dem Festnetz in ihrer Eingabe vom 9. März 2004 gleich
selber. Hier weise die Beschwerdeführerin auf die Netzabdeckung und die Netzqualität
hin, welche nach ihr sehr wichtige Argumente für die Wahl einer bestimmten Mobilfunkanbieterin bilden
und den Mehrwert gegenüber dem Festnetz ausmachen würden, da sie die ständige Erreichbarkeit
garantierten (vgl. Verfügung Ziff. 87; [...]).
c) Aus der vorstehenden Zusammenfassung geht hervor, dass sich die Vorinstanz
gründlich mit der Frage auseinandergesetzt hat, ob fixe und mobile Telefonie Substitute sind. Dabei
ist die Vorinstanz in nachvollziehbarer Weise und mit in sich schlüssiger Begründung
zum Schluss gelangt, dass Festnetz- und Mobiltelefonie insgesamt nicht als Substitute angesehen werden
können.
Die Vorinstanz legt einleuchtend dar, dass und inwiefern die Festnetz- und
Mobiltelefonie fundamental unterschiedliche Eigenschaften aufwiesen. Die jederzeitige Möglichkeit
zu ortsungebundener Sprachkommunikation ist nicht mehr aus dem Alltag wegzudenken.
Wie die Vorinstanz zutreffend festhält, untermauert die Beschwerdeführerin die Bedeutung
dieser einzig der Mobiltelefonie zukommenden Eigenschaft sinngemäss auch selber, indem sie in der
Eingabe vom 9. März 2004 die Netzqualität der Mobilfunknetze und die damit gewährleistete
ständige Erreichbarkeit als Mehrwert des Mobilfunknetzes gegenüber dem Festnetz hervorhebt
(...).
Selbstverständlich gilt es nicht zu verkennen, dass ein Endkunde in
gewissen Situationen die Möglichkeit hat, einen Anruf in ein Mobilfunknetz zu vermeiden
und stattdessen den Festnetzanschluss des gewünschten Gesprächspartners anzurufen.
Diese Möglichkeit stellt insgesamt jedoch kein echtes Substitut dar, da der sofortige und
vom Aufenthaltsort des Angerufenen unabhängige Kontakt wesentlicher Zweck für einen Anruf auf
ein Mobiltelefon ist (so auch der Entwurf Reg TP, a. a. O., S. 29).
Trotz teilweiser Überschneidungen mit der Festnetztelefonie besteht
kein Zweifel daran, dass die Mobiltelefonie ein eigenständiges Bedürfnis der Endkunden erfüllt
und einen Verwendungszweck hat, der von jenem der Festnetztelefonie abweicht. Neben dem « beispiellosen
Erfolg des Mobilfunks » macht dies auch der Umstand klar, dass « der typische
Kunde zunächst Festnetzkunde bzw. -benützer ist und zusätzlich
Mobilfunkkunde wird » (...).
Die Vorinstanz belegt ihren Standpunkt zudem mit der hohen Marktdurchdringung
im Bereich Mobilfunk. Angesichts der mehrheitlich gleichzeitig zur Verfügung stehenden Festnetzanschlüsse
spricht auch dies gegen eine Substitutionsbeziehung (vgl. Fernmeldestatistik 2005 des BAKOM, a. a. O.,
S. 35).
Im Übrigen fällt auf, dass die Beschwerdeführerin selber
darauf hinweist, dass in der ökonomischen
Literatur unterschiedliche Auffassungen vertreten werden, ob letztlich der substitutive oder
der komplementäre Charakter überwiegt (...). Indem sich die Vorinstanz mit nachvollziehbarer
Begründung für die eine Seite entschieden und die Substitutionsbeziehung
verneint hat, nahm sie den ihr zustehenden Beurteilungsspielraum in nicht zu beanstandender
Weise wahr. Dies gilt erst recht, da die Auffassung der Vorinstanz mit dem einhelligen Marktabgrenzungsergebnis
der EU sowie zahlreicher EU-Mitgliedstaaten übereinstimmt (vgl. E. 9.4). Durch den Verweis
auf die Fernmeldestatistik 2005 des BAKOM wird zudem korrekt der Bezug zu den Schweizer Verhältnissen
hergestellt (hohe Marktdurchdringung im Bereich Mobilfunk, deutlich kürzere Dauer
der Mobilfunkanrufe).
Das Bundesverwaltungsgericht
sieht keinen Anlass, der ein Eingreifen in den Beurteilungsspielraum der Vorinstanz oder ein Abweichen
von den vorinstanzlichen Erwägungen gebieten würde. Die Beschwerdeführerin
vermag nichts vorzubringen, das die vorinstanzliche Beurteilung ernsthaft in Frage stellen
könnte. Namentlich kann die aufgeworfene Frage ohne weitere Abklärungen beurteilt werden.
Auch ohne Erhebung der Nachfragereaktion bei einer Preiserhöhung der mobilen Telefonie steht
damit fest, dass die Festnetztelefonie nicht zum selben sachlich relevanten Markt zu zählen
ist.
9.5.4.5
Alternative Kommunikationsmittel
a) Schliesslich
rügt die Beschwerdeführerin, es gebe eine Vielzahl von Kommunikationsmitteln und
-formen, welche als Alternativen zum Informationsaustausch über Mobiltelefone beziehungsweise
als Substitute zur Mobiltelefonie im relevanten Markt zu berücksichtigen seien (...).
Der Austausch von Informationen in Echtzeit könne zunehmend über verschiedene Dienstleistungen,
basierend auf unterschiedlichen Technologien und ungeachtet des Standorts, erfolgen.
Die Folgerung, dass Mobiltelefonie nicht mit anderen Kommunikationsformen austauschbar sei, weil
nur Mobiltelefonie ortsungebunden möglich sei, sei falsch (...). Dass jedes Kommunikationsmittel
besondere Eigenschaften habe, schliesse eine Substituierbarkeit nicht aus. Offensichtlich bestünden
zahlreiche Substitutionsmöglichkeiten zur Mobiltelefonie.
Alternative Kommunikationsmittel
seien zum Beispiel (...) VoIP-Dienste (Telefonieren über Internet in den verschiedensten
Varianten, z. B. Skype, Vonage, Econostream), Dual Mode Telefone (Telefonieren über PWLAN Hotspots
an öffentlichen Orten bzw. zu Hause via Bluetooth über DSL/POTS), Instant Messaging (Dienst,
der es ermögliche, in Echtzeit zu « chatten », kurze Nachrichten
an andere Teilnehmer über ein Fest- wie Mobilfunknetz zu schicken oder Dateien auszutauschen),
Video (Video Calls, Video Conferencing und Video Mail), Blogs beziehungsweise Weblogs (Webseiten,
die periodisch neue Einträge enthielten), E-Mail push and pull (Senden und Abrufen von E-Mails über
mobile Geräte), SMS sowie Mobile Chat (könne für private und geschäftliche Textkommunikation
in Echtzeit verwendet werden).
b) Die Vorinstanz weist
darauf hin, dass jede technische Möglichkeit, Informationen auszutauschen, verschiedene
besondere Eigenschaften aufweise (vgl. Verfügung Ziff. 84). VoIP-Dienste, wie zum Beispiel
Skype, würden in aller Regel von einem breitbandfähigen Festnetzanschluss aus getätigt.
Sie kämen als Substitute zur Mobiltelefonie deshalb nicht in Frage. Sollten VoIP-Dienste ausnahmsweise
über einen PWLAN Hotspot angeboten werden, könne dies ebenfalls nicht als Substitut zum Mobilfunknetz
angesehen werden, da die Abdeckung mit PWLAN (Public Wireless LAN [Local Area Network]) nur punktuell
und die Verbindungsqualität gering sei (vgl. Verfügung Ziff. 95, [...], sowie das
Gutachten IC vom 20. November 2006, a. a. O., S. 739 Ziff. 38 f.).
c) Bereits aus dem früher
Ausgeführten ergibt sich, dass Endkunden alle diejenigen Kommunikationsmittel nicht als gleichwertige
Alternativen zu netzübergreifenden Sprachanrufen auf ein Mobilfunknetz ansehen, welche
an einen bestimmten Standort gebunden sind.
Solche standortabhängigen alternativen Kommunikationsformen verfügen
nicht über die spezifischen Vorteile der mobilen Kommunikation. Sie scheiden deshalb von vornherein
als mögliche Substitute zur Mobiltelefonie aus (vgl. E. 9.5.4.4 betr. « fixe
- mobile Telefonie »). In diese Kategorie fällt insbesondere die Internettelefonie
(VoIP [= Voice over Internet Protocol]-Dienste), sofern sie festnetzbasiert erfolgt (vgl. zum Verhältnis
der Internettelefonie und der festnetzgebundenen Sprachtelefonie
Elspass, a. a. O., S. 151, nach
welchem von getrennten relevanten Märkten für leitungsvermittelte Festnetztelefonie und
Internettelefonie auszugehen ist).
Wird Internettelefonie standortunabhängig
angeboten, kommt sie als gleichwertige Alternative zur Mobiltelefonie zwar grundsätzlich in Frage.
Es ist aber nicht anzuzweifeln, dass die dazu erforderliche technologische Infrastruktur
(wie PWLAN, Hotspots) im vorliegend massgeblichen Zeitraum erst sehr punktuell zur Verfügung
stand, so dass eine hinlängliche Substitutionsbeziehung zur Mobiltelefonie mit der Vorinstanz
zu verneinen ist (per 1. August 2004 standen 595 Swisscom Mobile Hotspots zur Verfügung,
vgl. online unter: http://www.swiss-hotspots.ch > News; inzwischen bietet Public Wireless LAN mobile
Dienstleistungen an über 1200 Hotspots in der Schweiz an, vgl. online unter: http://www.swisscom.ch
> Internet > Internet am Hotspot). Gegen eine Substituierbarkeit spricht auch, dass die Bedeutung
der Internettelefonie zumindest im vorliegend relevanten Zeitraum aufgrund der aufwendigen
technischen Realisierung noch sehr gering und die Existenz von VoIP-Angeboten den Endkunden
häufig nur unzureichend bekannt war (vgl. Elspass, a. a. O.,
S. 151).
Ferner kommen alle diejenigen alternativen Kommunikationsmittel nicht als
Substitute zur Mobiltelefonie in Betracht, welche zwar ortsungebunden einsetzbar sind,
aber einzig der Übermittlung von Daten dienen. Wie
früher dargelegt, hat die Vorinstanz die relevanten « Wholesale »-Märkte
zu Recht auf die Sprachtelefonie beschränkt, da Datendienste aus Endkundensicht keine
gleichwertige Alternative zur Sprachkommunikation darstellen (vgl. E. 9.5.4.3 betr.
« Daten - Sprache »).
Datenbasierte und schriftliche Kommunikationsdienstleistungen sind neben
SMS, E-Mail (« push and pull ») auch das von der Beschwerdeführerin
genannte Instant Messaging (u. a. « chatten » in Echtzeit) sowie Mobile Chat
und Blogs beziehungsweise Weblogs. Alle diese Dienste bilden - selbst wenn sie ortsungebunden zur
Verfügung stehen und eine Textkommunikation in Echtzeit ermöglichen - keine gleichwertige
Alternative zu Sprachanrufen in ein Mobilfunknetz.
Damit hat sich der Kreis der als Substitute zur Mobiltelefonie in Frage
kommenden alternativen Kommunikationsmittel auf diejenigen reduziert, welche mobil einsetzbar sind
und eine Sprachkommunikation in Echtzeit ermöglichen. Wie bereits gezeigt, ist die vor diesem Hintergrund
grundsätzlich denkbare Einbeziehung der standortunabhängigen Internettelefonie
in die vorinstanzlich vorgeschlagenen « Wholesale »-Märkte im Ergebnis
abzulehnen.
Gleiches gilt für die von der Beschwerdeführerin ins Feld geführten
Video-Dienste (Video Calls, Video Conferencing). Mit diesen werden zwar Bild und Ton - und damit
auch die Sprache - übermittelt. Es handelt sich jedoch um Breitband-Dienste, welche
über die bisherigen GSM-Netze noch nicht angeboten werden konnten, sondern Übertragungsnetze
der sogenannten dritten Generation der Mobilkommunikation erfordern, welche deutlich höhere
Datenraten übertragen können (sog. UMTS Mobilfunkstandard).
Auch sind für die Nutzung von UMTS und den darauf beruhenden multimedialen
Datendiensten spezielle UMTS-fähige Endgeräte (Handys, Personal Digital Assistants, Laptops
mit Spezialkarten etc.) erforderlich (vgl. BAKOM, « Faktenblatt »
UMTS vom 16. November 2004, online unter: http://www.bakom.admin.ch > Themen > Technologie
> Telekommunikation > UMTS sowie zur Videotelefonie über UMTS online unter: http://www.teltarif.ch
> Mobilfunk > Videotelefonie). Das Bundesverwaltungsgericht geht davon aus, dass die
Entwicklung und Verbreitung dieser Technologie im vorliegend relevanten Zeitraum noch zu wenig fortgeschritten
war, als dass sie aus Endkundensicht eine hinlängliche Substitutionsmöglichkeit zur Mobiltelefonie
dargestellt hätte.
Andere alternative mobile Kommunikationsmittel, welche als Substitute an
die Stelle der Mobiltelefonie treten könnten, sind nicht ersichtlich. Die Beschwerdeführerin
dringt damit auch mit dieser Rüge nicht durch (vgl. auch Entwurf Reg TP, a. a. O., S. 30,
der das gleiche Ergebnis festhält).
9.5.4.6
Als Ergebnis der Prüfung der Substitutionsmöglichkeiten
aus der Sicht der nachgelagerten Nachfrage der Endkunden kann festgehalten werden: Die Endkunden
der FDA verfügen über keine Möglichkeiten, die Mobilterminierungsleistungen der
Mobilfunkanbieterinnen zu umgehen. Damit bestehen keine « abgeleiteten Substitutionsmöglichkeiten »,
gestützt auf welche die Marktabgrenzung der Vorinstanz auszuweiten wäre.
9.5.5
Fazit: sachliche Marktabgrenzung
Da, wie in der E. 9.5.3 dargelegt, auch aus der Sicht der Marktgegenseite
weder nachfrage- noch angebotsseitige Substitutionsmöglichkeiten zur Terminierung eines Anrufs
in ein bestimmtes Mobilfunknetz bestehen, bleibt es bei der von der Vorinstanz vorgenommenen Abgrenzung
des sachlich relevanten Markts.
Die Beschwerdeführerin bringt nichts Weiteres vor, was ein Abweichen
davon nahelegen würde. Es steht damit fest, dass die Marktabgrenzung der Vorinstanz mit Art. 11
Abs. 3 Bst. a VKU sowie mit der Lehre, Rechtsprechung und der europäischen Praxis übereinstimmt.
Zudem stützen die Fachbehörden, BAKOM und ComCom, die vorinstanzliche Marktdefinition (vgl. E. 9.3.3,
[...]).
9.6
Örtliche Marktabgrenzung
9.6.1
Der räumlich relevante Markt umfasst sodann dasjenige
Gebiet, in welchem die Marktgegenseite die den sachlichen Markt umfassenden Waren oder Leistungen
nachfragt oder anbietet (Art. 11 Abs. 3 Bst. b VKU; Borer,
a. a. O., Rz. 14 zu Art. 5
KG; Silvio Venturi,
in: Commentaire
romand, Tercier/Bovet [Hrsg.], Droit de la concurrence, Genf/Basel/München 2002, Rz. 37-42
zu Art. 10
KG; Zäch, Kartellrecht,
a. a. O., Rz. 551).
9.6.2
Nach der Darstellung der Vorinstanz umfasst der räumlich relevante Markt die ganze
Schweiz (vgl. Verfügung Ziff. 136-139
sowie das Gutachten IC vom 20. November 2006, a. a. O., S. 739 Ziff. 43 f.).
Die Mobilfunkanbieterinnen böten die Terminierung in der ganzen Schweiz an, während
die FDA im In- und Ausland die Terminierung ebenfalls auf dem gesamtschweizerischen
Gebiet bezögen. Die Ausdehnung auf das Gebiet der Schweiz ergebe sich ferner aus den
Fernmeldekonzessionen der Mobilfunkanbieterinnen (vgl. Verfügung Ziff. 137).
Eine differenzierte geografische Marktabgrenzung in verschiedene Regionen
sei nicht vorzunehmen, da die Mobilfunkanbieterinnen überall in der Schweiz tätig
seien und die Intensität der Wettbewerbsverhältnisse in der ganzen Schweiz ähnlich
sei (vgl. Verfügung Ziff. 138).
Die Beschwerdeführerin stellt diese Abgrenzung zu Recht nicht in Frage.
9.6.3
Es bleibt daher auch bei der von der Vorinstanz korrekt vorgenommenen Abgrenzung des räumlich
relevanten Markts.
9.7
Zeitliche Marktabgrenzung
9.7.1
Schliesslich kann es in gewissen Situationen Sinn machen, auch in zeitlicher
Hinsicht zu prüfen, ob eine Substituierbarkeit gegeben ist (vgl. Amgwerd,
a. a. O., Rz. 202; von Büren/Marbach/Ducrey,
a. a. O., N. 1337). Die Abgrenzung in zeitlicher Hinsicht ist in der Regel von geringerer
Bedeutung und lediglich ausnahmsweise vorzunehmen (vgl. Roger Zäch/Reto A.
Heizmann, Markt und Marktmacht, in: Geiser/Krauskopf/Münch [Hrsg.], Schweizerisches und europäisches
Wettbewerbsrecht. Handbücher für die Anwaltspraxis, Bd. IX, Basel/Genf/München
2005, S. 34, 37; Heizmann, a. a. O., Rz. 179 ff.,
277 f., 750).
9.7.2
Vorliegend ist unbestritten, dass die Mobilfunkanbieterinnen die Dienstleistung der Mobilterminierung
im sanktionierten Zeitraum (1. April 2004-31. Mai
2005) ohne Unterbrechung angeboten und nachgefragt haben. Zudem hat sich mit Bezug auf diesen Zeitraum
ergeben, dass weder aus der Sicht der Marktgegenseite noch der Endkunden Substitutionsmöglichkeiten
bestanden haben. Für die daran anschliessende Periode wird gegebenenfalls neu geprüft werden
müssen, ob sich die Verhältnisse aufgrund der technischen Entwicklung geändert
haben. Für den sanktionierten Zeitraum erweist sich die vorinstanzliche Marktabgrenzung
jedoch als korrekt.
9.8
Gesamtfazit: Marktabgrenzung
Im Ergebnis ist nicht zu beanstanden, dass die Vorinstanz für den der
Sanktion zugrunde liegenden Zeitraum vom 1. April 2004 bis 31. Mai 2005 die folgenden drei
sachlich relevanten Märkte abgegrenzt hat:
Je einen « Wholesale »-Markt für in die Mobilfunknetze
von Orange, Sunrise und der Beschwerdeführerin eingehende Fernmeldedienste beziehungsweise
für die Terminierung von Anrufen im Bereich der Sprachtelefonie in die Mobilfunknetze von
Orange, Sunrise und der Beschwerdeführerin (vgl. Verfügung Ziff. 135). In räumlicher
Hinsicht können diese Märkte auf das Gebiet der Schweiz begrenzt werden.
10.
Marktstellung
10.1
Der Begriff des marktbeherrschenden Unternehmens
Gemäss Art. 4 Abs. 2
KG gilt ein Unternehmen als marktbeherrschend,
wenn es in der Lage ist, sich auf einem Markt von anderen Marktteilnehmern (Mitbewerbern,
Anbietern oder Nachfragern) in wesentlichem Umfang unabhängig zu verhalten. Zur Beurteilung der
Frage der Marktbeherrschung stellt das Kartellrecht auf Verhaltens- beziehungsweise Preissetzungsspielräume
ab, welche marktbeherrschende Unternehmen gegenüber anderen Marktteilnehmern haben.
Solche Spielräume bestehen nicht, wenn Unternehmen durch genügend Wettbewerbsdruck in ihrem
Verhalten diszipliniert werden (vgl. Amgwerd, a. a. O.,
Rz. 226, 231; Carole Bührer/Stefan
Renfer, Medienkonzentration im Spannungsverhältnis zwischen Kartellgesetz und
neuem Radio- und Fernsehgesetz, in Jusletter vom 9. Oktober 2006, Rz. 25; Zäch,
Kartellrecht, a. a. O., Rz. 532, 572; ähnlich auch die Umschreibung des « unabhängigen
Verhaltens » nach Art. 4 Abs. 2
KG bei
Schmidhauser,
a. a. O., Rz. 66 f., 69 zu Art. 4
KG).
Zur Untersuchung der Stellung eines Unternehmens auf einem Markt sind alle
jeweils konkret relevanten Kriterien im Sinne einer Gesamtprüfung der Verhältnisse
heranzuziehen (vgl. Heizmann,
a. a. O., Rz. 305 mit Hinweis auf den
Entscheid der REKO/WEF i. S. X. AG vom 12. November 1998,
veröffentlicht in: RPW 1998/4 S. 674 E. 4.1; Lucas David/Reto
Jacobs, Schweizerisches Wettbewerbsrecht, 4. Aufl.,
Bern 2005, Rz. 537). Zu den massgeblichen Kriterien zählen die Marktstrukturdaten,
das heisst insbesondere der Marktanteil des in Frage stehenden Unternehmens und die Marktanteile der
übrigen, auf dem gleichen Markt agierenden Konkurrentinnen sowie deren Entwicklung (vgl. Clerc,
a. a. O., Rz. 101 f. zu Art. 4 Abs. 2
KG; Zäch,
Kartellrecht, a. a. O., Rz. 583). Ebenfalls
relevant sind die Eigenschaften des betreffenden Unternehmens, wie etwa dessen Finanzkraft
und Grösse sowie andere marktspezifische Eigenschaften, die eine Marktbeherrschung indizieren
können, sein Marktverhalten, aber auch die Offenheit des betreffenden Markts, das heisst der potenzielle
Wettbewerb (vgl. Clerc, a. a. O., Rz. 101 f. zu Art. 4
Abs. 2
KG; Zäch, Kartellrecht, a. a. O.,
Rz. 584, 586 f.).
Abweichend von dem in der Zusammenschlusskontrolle verlangten Marktbeherrschungsgrad
(Art. 10 Abs. 2 Bst. a
KG) wird bei der - vorliegend in Frage stehenden -
Missbrauchsaufsicht über marktbeherrschende Unternehmen keine Beseitigung wirksamen
Wettbewerbs verlangt; dessen Beschränkung ist ausreichend (Art. 7 Abs. 1
KG;
vgl. Beschwerdeentscheid der REKO/WEF vom 1. Mai 2006, veröffentlicht in: RPW 2006/2 S. 319
[vom Bundesgericht bestätigt in BGE 133 II 104 E. 6.3. S. 108] sowie Beschwerdeentscheid
vom 4. Mai 2006 i. S. Berner Zeitung
AG, Tamedia AG/WEKO, veröffentlicht in: RPW 2006/2 S. 366 [vom Bundesgericht bestätigt,
vgl. RPW 2007/2 S. 335]; weitergehend Roger Zäch/Adrian Künzler,
Marktbeherrschung - Bedeutung des Tatbestandsmerkmals in Art. 7
und Art. 10
Abs. 2
KG, in: Kunz/Herren/Cottier/Matteotti [Hrsg.], Wirtschaftsrecht in Theorie und Praxis,
Festschrift für Roland von Büren, Basel 2009, S. 469 ff.).
In verfahrensrechtlicher Hinsicht ist nicht ein Nachweis der marktbeherrschenden
Stellung im Sinne eines Vollbeweises zu erbringen; vielmehr hat die Vorinstanz im Rahmen ihrer
Erwägungen abzuwägen, ob im konkreten Fall von einer Marktbeherrschung auszugehen ist,
und diesen Entscheid genügend zu begründen. An die Begründungspflicht und -dichte
sind hohe Anforderungen zu stellen (vgl. BVGE 2009/35 E. 7.4 mit weiteren Hinweisen).
In der Praxis erfolgt die Beurteilung der Marktstellung eines angeblich
marktbeherrschenden Unternehmens regelmässig in der Rangfolge aktueller Wettbewerb, potenzieller
Wettbewerb und Stellung der Marktgegenseite. Unter
Umständen wird die Prüfung jedoch auf weitere in Frage kommende disziplinierende Einflüsse
ausgedehnt - namentlich auf solche aus dem nachgelagerten Markt - und geprüft, ob diese
ausreichend stark sind, um ein unabhängiges Verhalten einzuschränken (vgl. Amgwerd,
a. a. O., Rz. 205; Heizmann,
a. a. O., Rz. 14, 305, 332; Zäch,
Kartellrecht, a. a. O., Rz. 582).
10.2
Standpunkte zur Marktstellung
10.2.1
Die Vorinstanz vertritt die Auffassung, die Beschwerdeführerin habe auf dem für sie
relevanten « Wholesale »-Markt für die Terminierung
von Sprachanrufen in ihr Mobilfunknetz bis am 31. Mai 2005 über eine marktbeherrschende Stellung
im Sinne von Art. 4 Abs. 2
KG verfügt.
Es habe im relevanten Markt weder ein aktueller noch ein potenzieller Wettbewerb
bestanden. Auch vom nachgelagerten Markt (Endkundenmarkt für Mobilfunkdienstleistungen bzw.
« Retail-Markt »), auf dem die Beschwerdeführerin eine starke Stellung habe,
und der Marktgegenseite (Orange und Sunrise) gingen keine Kräfte aus, welche sich disziplinierend
auf das Verhalten der Beschwerdeführerin im relevanten Markt ausgewirkt hätten.
Demgegenüber sei davon auszugehen, dass Orange und Sunrise ihre « Terminierungsgebühren »
auf dem für sie relevanten Markt für die Terminierung von Sprachanrufen in das eigene
Mobilfunknetz in der Zeit bis zum 31. Mai 2005 nicht unabhängig hätten festlegen können.
Die beiden Mobilfunkanbieterinnen hätten ihre Preise an das von der Beschwerdeführerin
festgelegte Preisniveau angleichen müssen und seien somit nicht marktbeherrschend gewesen. Dies
ergebe sich aufgrund der schwachen Position von Orange und Sunrise auf dem nachgelagerten Endkundenmarkt,
des Vorhandenseins sogenannter preisinduzierter Netzwerkeffekte sowie aufgrund der starken Position
der (damaligen) Swisscom Mobile und der Swisscom Fixnet als Hauptnachfrager von Terminierungsleistungen.
10.2.2
Die Beschwerdeführerin macht
unter Berufung auf die von ihr eingeholte Begutachtung durch Prof. Dr. phil. Carl
Christian von Weizsäcker (...) geltend,
auf den vorstehend abgegrenzten relevanten Märkten verfüge kein Unternehmen über eine
marktbeherrschende Stellung. Keine der Anbieterinnen von Fernmeldediensten sei in der Lage, ihre
« Terminierungsgebühr » in wesentlichem Umfang unabhängig von den anderen
FDA festzulegen.
Einerseits
werde die Handlungsfreiheit aller FDA durch den Zwang zur Interkonnektion eingeschränkt. Keine FDA
könne sich erlauben, andere FDA zu boykottieren oder bei Vertragsverhandlungen zu drohen, die Terminierungsleistungen
nicht zu erbringen.
Auch könne
eine FDA die « Terminierungsgebühren » nicht einseitig diktieren,
weil die Bestimmungen des Fernmeldegesetzes vom 30. April 1997 (FMG, SR
784.10) für alle disziplinierend
wirkten (Disziplinierung durch den regulatorischen Rahmen).
Eine allfällige
Marktmacht einer Mobilfunkanbieterin bei der Preisverhandlung werde zudem durch die sogenannte
Reziprozitätsbeziehung zwischen den Mobilfunkanbieterinnen verhindert. Eine Mobilfunkanbieterin
könne nicht über ihre « Terminierungsgebühren » verhandeln, ohne dass
die anderen Mobilfunkanbieterinnen im Gegenzug ihre eigenen « Terminierungsgebühren »
in der Verhandlung berücksichtigten.
Des Weiteren
sei zu beachten, dass die Beschwerdeführerin seit Beginn der Marktöffnung nie in der Lage gewesen
sei, ihre eigenen « Terminierungsgebühren » auf gleichem oder höherem
Niveau wie Orange und Sunrise anzusetzen, und deshalb einen Verlust aus der Terminierung mit den anderen
Mobilfunkanbieterinnen mache. Aufgrund ihrer tieferen « Terminierungsgebühr »
könne die Beschwerdeführerin nämlich immer nur geringere Einnahmen aus der « mobile-to-mobile »-Terminierung
generieren als Orange und Sunrise und müsse Nettozahlungen in Millionenhöhe
an diese leisten. Dass die Beschwerdeführerin in dieser Hinsicht nicht reagieren könne, zeige,
dass sie nicht marktbeherrschend sei.
Werde die
Beschwerdeführerin unzutreffenderweise als marktbeherrschend betrachtet, müssten
konsequenterweise alle Mobilfunkanbieterinnen -
und nicht die Beschwerdeführerin
allein -
für die Terminierung in ihr eigenes Netz marktbeherrschend sein. Die Vorinstanz begründe
nicht stichhaltig, weshalb einzig die Beschwerdeführerin marktbeherrschend sein solle.
Mit der Theorie
der preisinduzierten Netzwerkeffekte könne eine unterschiedliche Behandlung der drei Mobilfunkanbieterinnen
bezüglich der Feststellung der Marktposition nicht begründet werden. Auch schätze die
Vorinstanz den Einfluss des nachgelagerten Markts sowie den Handlungsspielraum und die Marktstellung
von Orange und Sunrise falsch ein. Letztere seien äusserst starke und aggressive Konkurrentinnen,
die mittels innovativer und preislich kompetitiver Angebote erheblichen Wettbewerbsdruck ausübten.
Entgegen der Annahme der Vorinstanz könne nicht von einer überaus starken Position
der Beschwerdeführerin auf dem « Retail-Markt » ausgegangen werden.
10.2.3
Die ComCom und das BAKOM betonen,
dass eine Mobilfunkanbieterin auf ihrem Netz naturgemäss eine 100-prozentige Dominanz habe
und die « Terminierungsgebühr » unabhängig von den anderen Marktteilnehmern
festlegen könne (...).
Jede Mobilfunkanbieterin habe bei der Terminierung in ihr Netz eine marktbeherrschende Stellung.
Der Argumentation der Vorinstanz, dass nur die Beschwerdeführerin marktbeherrschend
sei, nicht aber Orange und Sunrise, könne man nicht folgen. Die meisten Regulierungsbehörden
Europas und die EU-Kommission seien der Ansicht, dass jede Mobilfunkanbieterin mit eigenem Netz
betreffend die Terminierung marktbeherrschend sei.
10.3
Eingrenzung der Fragestellung
10.3.1
Strittig und im Folgenden zu prüfen
ist, ob die Beschwerdeführerin in dem der vorinstanzlichen Sanktion zugrunde gelegten
Zeitraum (1. April 2004 bis 31. Mai 2005) auf dem für sie relevanten Markt über
eine marktbeherrschende Stellung im Sinne von Art. 4 Abs. 2
KG verfügte oder aber,
ob das Verhalten der Beschwerdeführerin auf dem relevanten Markt durch genügend Wettbewerbsdruck
diszipliniert wurde.
10.3.2
Nicht Gegenstand der nachfolgenden
Prüfung bildet die Frage, wie es sich mit der Marktbeherrschung der beiden Mobilfunkanbieterinnen
Sunrise und Orange auf dem für sie jeweils relevanten Markt für
die Terminierung von Sprachanrufen in ihr eigenes Mobilfunknetz verhält, da die Vorinstanz die Untersuchung
gegenüber Orange und Sunrise für Sachverhalte bis zum 31. Mai 2005 ohne Auferlegung einer
Sanktion eingestellt hat.
10.3.3
Das Bundesverwaltungsgericht hat
die Darstellung der Vorinstanz auf ihre Vereinbarkeit mit Bundesrecht zu überprüfen
und zu beurteilen, ob die Vorinstanz die angebliche marktbeherrschende Stellung der Beschwerdeführerin
in ihren Erwägungen umfassend und klar begründet hat, das heisst ob der Entscheid der
Vorinstanz hinsichtlich der Marktbeherrschungsfrage die (hohen) Anforderungen an die Begründungspflicht
und -dichte erfüllt (vgl. vorstehend E. 10.1 sowie BVGE 2009/35 E. 7.4 mit weiteren Hinweisen).
Geht es um die Beurteilung technischer oder wirtschaftlicher Spezialfragen, in denen die Vorinstanz
über ein besonderes Fachwissen verfügt, ist nur bei erheblichen Gründen von der
Auffassung der Vorinstanz abzuweichen (vgl. E. 5.6.4.2 mit weiteren Hinweisen).
10.4
Aktueller und potenzieller Wettbewerb
10.4.1
Die Vorinstanz führt aus (vgl.
Verfügung Ziff. 141 ff.), dass sowohl Orange als auch Sunrise und die Beschwerdeführerin
in den drei abgegrenzten Märkten jeweils einen Marktanteil von 100 % hätten und damit
über eine Monopolstellung verfügten.
Um Verbindungen
in alle drei Mobilfunknetze sicherstellen zu können, müsse eine FDA alle Terminierungen (diejenige
von Orange, Sunrise und der Beschwerdeführerin) einkaufen. Es bestehe daher kein aktueller Wettbewerb,
der eine disziplinierende Wirkung auf das Verhalten der Mobilfunkanbieterinnen ausüben könnte.
Selbst wenn
in der Schweiz eine neue Mobilfunkanbieterin auftreten würde, hätte dies in den abgegrenzten
Märkten keinen Einfluss. Dann käme ein neuer « Wholesale »-Markt hinzu,
in dem die neue Mobilfunkanbieterin ebenfalls einen Marktanteil von 100 % hätte. Die
anderen vorhandenen FDA müssten dann auch noch bei der neuen Mobilfunkanbieterin die Terminierung
in deren Netz einkaufen. Es bestehe daher auch kein potenzieller Wettbewerb, welcher eine disziplinierende
Wirkung auf das Verhalten der Mobilfunkanbieterinnen ausüben könnte.
10.4.2
Die Beschwerdeführerin stellt
diese Darstellung zu Recht nicht in Abrede. Sie bringt nichts vor, gestützt darauf entgegen der
Vorinstanz geschlossen werden müsste, dass die Beschwerdeführerin auf dem relevanten
Markt einer ausreichend starken aktuellen oder potenziellen Konkurrenz ausgesetzt wäre.
10.4.3
Es trifft zu, dass die Beschwerdeführerin
auf dem relevanten Markt für die Terminierung von Sprachanrufen in ihr eigenes Mobilfunknetz
die alleinige Anbieterin ist. Die anderen Anbieterinnen von Fernmeldediensten müssen die Verbindung
zum Mobilfunknetz der Beschwerdeführerin und damit die Terminierung in dieses Netz sicherstellen,
ohne dass sie technisch über eine Ausweichmöglichkeit verfügen (vgl. die Erwägungen
zu den [fehlenden] Substitutionsmöglichkeiten aus der Sicht der Marktgegenseite, E. 9.5.3).
Wie die Vorinstanz
richtig festhält, verfügt die Beschwerdeführerin auf dem für sie relevanten Markt
über einen Marktanteil von 100 %, das heisst über eine « Monopolstellung »
(Gleiches gilt für Orange und Sunrise auf dem jeweiligen, das eigene Mobilfunknetz betreffenden
Markt). Als « Monopolistin » ist die Beschwerdeführerin keinem aktuellen
Wettbewerb ausgesetzt (vgl. Heizmann,
a. a. O., Rz. 321).
10.4.4
In Bezug auf die potenzielle Konkurrenz
auf einem Markt fragt sich, ob mit einiger Wahrscheinlichkeit neue Konkurrenten kurzfristig, das heisst
innerhalb von 2 bis 3 Jahren, und ohne grossen Aufwand in den Markt eintreten könnten, was
in der Regel nicht der Fall ist, wenn der Markteintritt - wie hier - hohe Investitionen erfordert
(vgl. statt vieler David/Jacobs,
a. a. O., Rz. 540; Zäch,
Kartellrecht, a. a. O., Rz. 584).
Vorliegend
bestehen jedoch weder Hinweise noch wird argumentiert, inwiefern andere Unternehmen in der Lage wären,
in naher Zukunft als Wettbewerber neu in den für die Beschwerdeführerin relevanten Markt einzutreten.
Voraussetzung dazu wären das Vorhandensein und die Möglichkeit, neue Technologien zu
nutzen, mit welchen ein neuer Wettbewerber die Mobilterminierung im Mobilfunknetz der Beschwerdeführerin
substituieren könnte. Da jedoch keine Hinweise vorliegen, dass entsprechende Technologien
in den dem untersuchten Zeitraum folgenden Jahren greifbar waren, betont die Vorinstanz zu Recht, dass
ein Auftritt einer neuen Mobilfunkanbieterin nichts anderes als das Hinzutreten eines weiteren relevanten
Markts für die Terminierung von Sprachanrufen in das Mobilfunknetz der neuen Mobilfunkanbieterin
zur Folge hätte (mangels Möglichkeiten, die Mobilterminierung im neuen Mobilfunknetz
zu substituieren). Eine neue Mobilfunkanbieterin wäre im Übrigen mit erheblichen Marktzutrittsschranken
konfrontiert (u. a. Erfordernis einer Mobilfunkkonzession, hohe Anfangsinvestitionen, [Grössen-]Vorteile
der etablierten Anbieterinnen [vgl. in diesem Sinne das Gutachten IC vom 20. November 2006,
a. a. O., S. 739 Ziff. 70]).
Damit ist
auch die Folgerung der Vorinstanz, dass kein potenzieller Wettbewerb besteht, nicht in Frage zu
stellen.
10.5
Zwischenergebnis
10.5.1
Als Zwischenergebnis steht fest,
dass die Beschwerdeführerin im fraglichen Zeitraum auf dem relevanten Markt weder aktueller noch
potenzieller Konkurrenz ausgesetzt war. Die beiden Prüfkriterien ergeben keine Hinweise auf einen
allfälligen, den Verhaltensspielraum der Beschwerdeführerin einschränkenden Wettbewerbsdruck.
Es handelt sich im Gegenteil um Indikatoren, die eine marktbeherrschende Stellung der Beschwerdeführerin
nahelegen.
10.5.2
Die Praxis
der Wettbewerbsbehörden schliesst verschiedentlich
allein aufgrund von fehlendem aktuellem und potenziellem Wettbewerb darauf, dass das betreffende Unternehmen
nach Art. 4 Abs. 2
KG marktbeherrschend sei (vgl. etwa Gutachten der WEKO vom 23. Juni
2008 gemäss Art. 47
KG betreffend Mietleitungen, veröffentlicht in: RPW 2008/4 S. 751 ff.
und Gutachten der WEKO vom 7. Juli 2008 betreffend Kabelkanalisationen, veröffentlicht
in: RPW 2008/4 S. 760 ff.).
10.5.3
Unternehmen mit monopolartiger
Stellung werden grundsätzlich ungeachtet ihrer Entstehungsart ohne Weiteres als marktbeherrschend
beurteilt (vgl. in diesem Sinne auch BGE 132
II 257 E. 3.3.1 [wonach « bei der Swisscom Fixnet AG {...} diese faktische Marktbeherrschung
{...} auf den früheren Vorrechten ihrer Rechtsvorgängerin als Monopolistin im Fernmeldewesen »
gründet]; Heizmann,
a. a. O., Rz. 321
mit weiteren Hinweisen; Peter
R. Fischer/Oliver Sidler, Fernmelderecht, in:
Rolf H. Weber [Hrsg.], Schweizerisches Bundesverwaltungsrecht, Bd. V, Informations- und Kommunikationsrecht,
Teil 1, 2. Aufl., Basel/Genf/München 2003, Rz. 135 und 143, S. 169 ff.;
Urteil des Bundesgerichts 2A_142/2003 vom 5. September 2003 E. 4.2.3. [wonach sich
die Cablecom GmbH bei der Übertragung von Fernsehsignalen über CATV-Netze mit einer Marktabdeckung
von 46 % von anderen Marktteilnehmern in wesentlichem Umfang unabhängig verhalten
könne, da de facto jeweils ein Gebietsmonopol bestehe, so dass es sich bei den zahlreichen
übrigen grösseren und kleineren Kabelunternehmen nicht um eigentliche Konkurrenten der Cablecom
handle]; Georg-Klaus de Bronett, in:
Gerhard Wiedemann [Hrsg.], Handbuch
des Kartellrechts, 2. Aufl., München 2008, § 22 Rz. 18, S. 906 und Gerhard
Wiedemann, in: Gerhard Wiedemann
[Hrsg.], Handbuch des Kartellrechts,
2. Aufl., München 2008, § 23 Rz. 16 f., S. 983 [wonach eine Monopolstellung
in jedem Fall eine beherrschende Stellung im Sinne von Art. 82 EGV begründe. Gemäss § 19
Abs. 2 erster Satz Nr. 1 des deutschen Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen
[GWB] vom 15. Juli 2005 [Bundesgesetzblatt I S. 2114]
sei ein Unternehmen marktbeherrschend, « soweit es als Anbieter oder Nachfrager einer
bestimmten Art von Waren oder gewerblichen Leistungen ohne
Wettbewerber oder keinem wesentlichen Wettbewerb
ausgesetzt ist [...]. Die Fälle, in denen das Unternehmen auf dem relevanten Markt ohne Wettbewerber
- also Monopolist - ist », würden « regelmässig keine Subsumtionsprobleme »
aufwerfen]).
10.5.4
Vorliegend scheint es jedoch durchaus vertretbar,
dass die Vorinstanz die Prüfung ausnahmsweise
- zur Gewährleistung einer umfassenden Gesamtbetrachtung aller allenfalls zusätzlich
massgebenden Umstände - trotz fehlenden aktuellen und potenziellen Wettbewerbs
und der « Monopolstellung » der Beschwerdeführerin (wie auch von Sunrise und
Orange) zu Gunsten
der Beschwerdeführerin auf weitere in Frage kommende disziplinierende Einflüsse ausgedehnt
hat.
10.5.5
Vor diesem Hintergrund fragt
sich nachfolgend, ob die Schlussfolgerung -
dass auch die geprüften weiteren
Kräfte nicht ausreichend stark sind, um zu verhindern, dass sich die Beschwerdeführerin
auf dem relevanten Markt im Sinne von Art. 4 Abs. 2
KG in wesentlichem Umfang unabhängig
von anderen Marktteilnehmern verhalten konnte - hinlänglich begründet ist oder
aufgrund der Einwände der Beschwerdeführerin davon abgewichen werden muss.
10.6
Einfluss des nachgelagerten Markts
10.6.1
Darstellung der Vorinstanz
Nach der
Vorinstanz ist eine Analyse des Einflusses des nachgelagerten Markts (Endkundenmarkt bzw. « Retail-Markt »)
notwendig, da jede im « Wholesale »-Markt beobachtete Minute von einem Retail-Kunden
(Endkunde) ausgelöst werde. Wenn folglich eine Mobilfunkanbieterin im « Retail »-Markt
schwach sei, so könne sie sich im « Wholesale »-Markt unter Umständen nicht
unabhängig verhalten. Im vorliegenden Fall ergebe sich, dass die Beschwerdeführerin bis
am 31. Mai 2005 eine starke Position auf dem nachgelagerten Markt eingenommen habe. Von diesem seien
daher keine das Verhalten der Beschwerdeführerin auf dem relevanten Markt disziplinierenden
Kräfte ausgegangen. Die Beschwerdeführerin sei deshalb für den Zeitraum bis
zum 31. Mai 2005 als marktbeherrschend im Sinne von Art. 4 Abs. 2
KG zu qualifizieren
(vgl. Verfügung Ziff. 172).
Zur Begründung
stützt sich die Vorinstanz weitgehend auf Daten der Fernmeldestatistik des BAKOM und weist
im Wesentlichen auf Folgendes hin:
Vergleich Festnetz - Mobilfunk
Ein Vergleich
der Anzahl Anschlüsse und Verbindungen sowie der durchschnittlichen Dauer von Gesprächen
im Fest- beziehungsweise Mobilfunkbereich im Jahr 2004 zeige, dass der Mobilfunkbereich Ende 2004
deutlich mehr Anschlüsse aufgewiesen habe als der Festnetzbereich (6'274'763 gegenüber 4'008'460).
Trotzdem habe es im Mobilfunkbereich weniger (3'579 gegenüber 5'766) und deutlich kürzere (1,51
gegenüber 3,39 Min.) Gespräche als im Festnetzbereich gegeben.
Entwicklung der Anzahl Mobilfunkanschlüsse
von 1998-2004
Die Entwicklung
(bildlich dargestellt in der Ziff. 150/Abb. B-3 der angefochtenen Verfügung) zeige
ein abnehmendes Wachstum im Mobilfunkbereich. Der Endkundenmarkt scheine eine gewisse Sättigung
erreicht zu haben. Für den Beginn einer Marktreife spreche auch die hohe Anzahl der Mobilfunkanschlüsse,
welche bereits höher als im Festnetz sei.
Marktanteile und Marktanteilsentwicklung
der drei Mobilfunkanbieterinnen im Endkundenmarkt von 1999-2004
Die Marktanteile
der Beschwerdeführerin sowie von Sunrise und Orange seien etwa seit dem Jahr 2000 auf ähnlichem
Niveau stehen geblieben, nämlich bei circa 60 % (Beschwerdeführerin) beziehungsweise je
rund 20 % (Sunrise und Orange; bildlich dargestellt in der Ziff. 152/Abb. B-4 der angefochtenen
Verfügung).
Alle drei
Anbieterinnen hätten folglich in ähnlichem Umfang vom Marktwachstum profitieren können.
Entgegen ihrer früheren Annahme (vgl. Verfügung der WEKO vom 3. Dezember 2001, veröffentlicht
in: RPW 2002/1 S. 97) sei der damals mutmasslich unmittelbar bevorstehende Markteintritt
einer weiteren international tätigen FDA (3G Mobile, Telefonica) nicht erfolgt. Auch sei es den
beiden neu in den Markt eingetretenen Mobilfunkanbieterinnen Orange und Sunrise trotz teilweise
deutlich tieferer Endkundenpreise und vergleichbarer Netzabdeckung nicht gelungen, ihre Marktanteile
auszubauen. Aus heutiger Sicht sei daher in Frage zu stellen, ob im « Retail-Markt »
für abgehende mobile Fernmeldedienste ein gewisser Wettbewerb bestehe.
Endkundenpreise der drei Mobilfunkanbieterinnen
(Sprachkommunikation, per 31. Mai 2005)
Die WEKO
habe sowohl die Abonnementsgebühren als auch die Minutenpreise sämtlicher Angebote
der drei Mobilfunkanbieterinnen analysiert (ohne Subventionen der Endgeräte) und
daraus für jede Mobilfunkanbieterin die sogenannte optimale Angebotskurve abgeleitet.
Diese zeige die aus Endkundensicht preislich optimalen Angebote in Abhängigkeit der pro Monat
telefonierten Minuten beziehungsweise die jeweils optimale Mobilfunkanbieterin (bildlich dargestellt
in den Ziff. 154 und 157 [Abb. B-5 und B-6] der angefochtenen Verfügung).
Aus dem Preispfad
gehe hervor, dass selbst ein Mobilfunkkunde, welcher 1'000 Min. pro Monat telefoniere, immer noch
durchschnittlich circa 30 Rp. pro telefonierte Minute bezahlen müsse. Die optimalen Angebotskurven
würden für die drei Mobilfunkanbieterinnen insbesondere in den umsatzstarken Segmenten
relativ gleichartig verlaufen und sich mit wachsender Minutenzahl angleichen.
Ausserordentlich hohe Gewinne und Margen
der Beschwerdeführerin
Aus der Analyse
der Geschäftsberichte der Beschwerdeführerin der Jahre 2001 bis 2005 gehe hervor, dass diese
in den letzten Jahren ausserordentlich hohe Gewinne sowie einen hohen Betriebsgewinn
vor Abschreibungen, Zinsen und Steuern (EBITDA) ausgewiesen habe (vgl. Ziff. 249/Tabelle
B-8 der angefochtenen Verfügung, wonach die Beschwerdeführerin Margen zwischen 44,4 %
bis 48,0 % erwirtschaftet habe). Bei der Masszahl « Einnahmen pro Mitarbeiter »,
welche auch andere Geschäftsfelder berücksichtige, sei die Swisscom Gruppe im Jahr 2003
mit Abstand weltweit führend gewesen.
Bessere Netzauslastung der Beschwerdeführerin
Die Beschwerdeführerin
verfüge aufgrund der höheren Kundenzahl über eine bessere Netzauslastung als Orange und
Sunrise.
Preisinduzierte Netzwerkeffekte als Vorteil
der Beschwerdeführerin
Die Beschwerdeführerin habe als etablierte Mobilfunkanbieterin mit
dem grössten Endkundenmarktanteil von ihren hohen Preisunterschieden zwischen on-net- und
off-net-Anrufen profitiert, das heisst von sogenannten preisinduzierten Netzwerkeffekten. Bei einer grossen
Preisdifferenz zwischen netzübergreifenden Anrufen (off-net) und solchen innerhalb desselben
Netzes (on-net) sei aus Endkundensicht die Anbieterin mit dem grössten Endkundenmarktanteil am attraktivsten,
weil bei dieser die Wahrscheinlichkeit eines relativ teuren off-net-Anrufs am kleinsten ausfalle.
Ein Kunde der Beschwerdeführerin tätige circa 60 % seiner
Anrufe innerhalb des Netzes der Beschwerdeführerin und nur circa 20 % der Anrufe
würden bei Orange und circa 20 % bei Sunrise terminiert. Ein Kunde von Orange oder Sunrise
müsse hingegen circa 80 % seiner Anrufe in fremde Netze tätigen, so dass er nur
bei circa 20 % der Anrufe von den tieferen on-net-Tarifen profitieren könne. Betreibe ein Unternehmen
mit einem grossen Marktanteil eine Preisdifferenzierung zwischen on-net- und off-net-Anrufen, habe
es gegenüber kleinen Anbietern allein aufgrund des Marktanteils einen Vorteil.
Die Beschwerdeführerin habe aufgrund der preisinduzierten Netzwerkeffekte
ihre starke Position im Endkundenmarkt gegenüber den kleineren Mobilfunkanbieterinnen halten oder
sogar verstärken können. Aufgrund ihres grossen Endkundenmarktanteils habe sie von einem erheblichen
Wettbewerbsvorteil in der Form von preisinduzierten Netzwerkeffekten profitiert.
« First
mover advantage »
Bei der Beurteilung der Marktstellung sei zudem zu berücksichtigen,
dass Orange und Sunrise ihre Angebote erst circa 21 Jahre (Natel A, 1978) beziehungsweise 6 Jahre
(Natel D, 1993) nach der Beschwerdeführerin lanciert hätten (vgl. Verfügung Ziff. 163;
[...]), als Letztere bereits über circa 1,7 Mio. Mobilfunkanschlüsse
und über einen Marktanteil im Endkundenmarkt von 100 % verfügt habe (sog. « first
mover advantage »). Als erheblicher Vorteil des etablierten Anbieters sei ebenfalls anzusehen,
dass sich bei diesem viele Fixkosten auf wesentlich mehr Kunden beziehungsweise Minuten verteilen würden
und viele Anschaffungen bereits hätten amortisiert werden können.
Insgesamt
habe die Beschwerdeführerin auf dem nachgelagerten Markt bis am 31. Mai 2005 eine starke Stellung
eingenommen. Vom nachgelagerten Markt seien daher keine das Verhalten der Beschwerdeführerin
auf dem relevanten Markt disziplinierenden Kräfte ausgegangen.
10.6.2
Stellungnahme BAKOM/ComCom
Die ComCom und das BAKOM teilen die Einschätzung der Vorinstanz insofern,
als zutreffe, dass die Beschwerdeführerin mit einem Marktanteil von circa 60 % eine starke
Stellung im Endkundenmarkt für Mobilfunkdienste einnehme. Der Endkundenmarktanteil beeinflusse
jedoch nicht die Marktstellung im relevanten Markt (...). Jede Mobilfunkanbieterin sei betreffend
die Terminierung in das eigene Netz marktbeherrschend, so dass sich die Wettbewerbsverhältnisse
im Endkundenmarkt für Mobilfunkdienste grundsätzlich nicht disziplinierend auf das Verhalten
einer Mobilfunkanbieterin im Terminierungsmarkt auswirken würden (...).
10.6.3
Stellungnahme der Beschwerdeführerin
a) Die Beschwerdeführerin wendet sich zunächst grundlegend gegen
die Vorgehensweise der Vorinstanz: Sie macht geltend, die Marktstellung auf dem nachgelagerten
Retail-Markt für Mobilfunkdienstleistungen sei für die Beurteilung der Markstellung auf
dem « Wholesale »-Markt für die Terminierung in ein Mobilfunknetz
nicht ausschlaggebend (...).
Ausgehend
von der Marktdefinition der Vorinstanz und unter der - gemäss Beschwerdeführerin falschen
- Annahme, dass der regulatorische Rahmen keine disziplinierende Wirkung entfalte, hätten
auch kleine Mobilfunkanbieterinnen Marktmacht in Bezug auf deren eigenen Netze. Die Vorinstanz setze
sich in Widerspruch zu ihrer eigenen Marktdefinition. Zweitens hätten die Verhältnisse
im Retail-Bereich keine Auswirkung auf die Preisbildung der « Mobilterminierungsgebühr »
im « mobile-to-mobile »-Verkehr (...). Drittens sei der Vorwurf, dass sich die
Verhältnisse im « Retail-Markt » auf den « Wholesale »-Markt
für Terminierung auf einem bestimmten Netz ausgewirkt hätten, an keiner Stelle substantiiert
(...).
b) Damit macht die Beschwerdeführerin sinngemäss geltend, die
Vorinstanz hätte - mangels einer relevanten Beeinflussung - auf die Prüfung
des Einflusses des nachgelagerten Markts verzichten können. Was die Beschwerdeführerin
hieraus für sich ableiten will, ist nicht ersichtlich.
Zwar sind
zur Klärung der Stellung eines Unternehmens auf einem bestimmten relevanten Markt in erster
Linie die Verhältnisse auf diesem Markt zu untersuchen, was die Beschwerdeführerin mit dem
Hinweis zum Ausdruck bringt, die Vorinstanz setze sich in Widerspruch zur eigenen Marktdefinition. Die
Beschwerdeführerin verkennt jedoch nicht nur, dass die Vorinstanz dies durchaus getan hat, sondern
vor allem auch, dass der ergänzende Miteinbezug des Einflusses des nachgelagerten Markts in ihrem
eigenen Interesse erfolgt, um allfällige « entlastende Gesichtspunkte »
zu erkennen. Mit anderen Worten geht es um die Frage, ob von der nachgelagerten Marktstufe Wirkungen
ausgehen, welche die Macht der Beschwerdeführerin als « Monopolistin »
auf dem relevanten Markt einschränken, so dass eine marktbeherrschende Stellung auf dem relevanten
Markt trotz fehlenden aktuellen und potenziellen Wettbewerbs verneint werden könnte.
Ein Befolgen
der Auffassung der Beschwerdeführerin würde bedeuten, dass es ohne Weiteres bei der Feststellung
sein Bewenden hätte, dass die Beschwerdeführerin mangels aktuellen und potenziellen Wettbewerbs
beziehungsweise als « Monopolistin » auf dem relevanten Markt marktbeherrschend
war. Insofern und angesichts der engen
Verflechtung des vorliegend relevanten Markts mit der nachgelagerten Endkundenebene - die
Nachfrage nach der Mobilterminierung auf der Vorleistungsebene und die nachgelagerte Endkundennachfrage
stehen in einer festen Eins-zu-eins-Relation zueinander -
ist die Prüfung allfälliger disziplinierender Einflüsse aus dem nachgelagerten Markt
vorliegend durchaus angezeigt.
c) Im Übrigen
entspricht die Vorgehensweise der Vorinstanz jener in ähnlich gelagerten Fällen.
So hat das
Bundesverwaltungsgericht die Frage des Einflusses des nachgelagerten Markts auch in seinem (rechtskräftigen)
Urteil A-109/2008 vom 12. Februar 2009 (betr. Zugang zum schnellen Bitstrom) aufgenommen
(teilweise veröffentlicht in BVGE 2009/35 E. 10.4.3) und das entsprechende Gutachten
der WEKO vom 3. September 2007 (vgl. RPW 2008/1 S. 222 Rz. 62) bestätigt.
Auch erwies
es sich im Gutachten der Vorinstanz vom 3. Juni 2008 gemäss Art. 47
KG betreffend
Netzzugangsverfahren und Verrechnung von Teilnehmeranschlüssen als angezeigt, zusätzlich zum
aktuellen und potenziellen Wettbewerb zu prüfen, inwiefern aus dem nachgelagerten Markt für
Breitbanddienste « genügend starker Wettbewerbsdruck besteht, welcher geeignet wäre,
die Verhaltensspielräume von Swisscom auf der Wholesale-Ebene zu disziplinieren » (vgl.
RPW 2008/4 S. 748 ff. Rz. 38).
Die WEKO
setzte sich ebenso in der Untersuchung betreffend Swisscom ADSL mit dem Einfluss der Wettbewerbsverhältnisse
auf dem nachgelagerten Markt auseinander (vgl. Verfügung vom 15. Dezember 2003, veröffentlicht
in: RPW 2004/2 S. 407 ff., 436). Der dagegen ergangene Beschwerdeentscheid der REKO/WEF
vom 30. Juni 2005 (i. S. Swisscom AG, Swisscom Fixnet/WEKO, veröffentlicht in: RPW
2005/3 S. 505 ff.) hält (in seiner E. 5.3) ausdrücklich fest, dass bei vorgelagerten
Märkten neben der Beurteilung des aktuellen und potenziellen Wettbewerbs auch der Einfluss
der Verhältnisse auf nachgelagerten Märkten zu veranschlagen sei. Die Beschwerdeführerin
kann aus diesem Beschwerdeentscheid nichts zu ihren Gunsten ableiten (...).
10.6.4
Einfluss des nachgelagerten Markts
a) In der
Sache ist die Beschwerdeführerin der Auffassung, die Vorinstanz habe den Einfluss des nachgelagerten
Markts auf den « Wholesale »-Markt falsch eingeschätzt. Entgegen der Vorinstanz
könne nicht von einer überaus starken Position der Beschwerdeführerin im Retail-Markt
ausgegangen werden. Die angeblich starke Position der Beschwerdeführerin im Retail-Markt sei
in keiner Weise substantiiert worden. Allein aus dem Marktanteil der Beschwerdeführerin im
Retail-Markt könne kein Schluss auf die Marktstellung der Beschwerdeführerin im relevanten
Markt gezogen werden. Es sei eine Gesamtprüfung unter Berücksichtigung von Marktstruktur, Marktverhalten
und Marktergebnis notwendig.
Die Beschwerdeführerin
äussert sich indes nicht dazu, inwiefern entgegen der Darstellung der Vorinstanz anzunehmen
wäre, dass das Verhalten der Beschwerdeführerin auf der Vorleistungsebene durch genügend
Wettbewerbsdruck aus dem nachgelagerten Endkundenmarkt für Mobilfunkdienstleistungen diszipliniert
worden sei.
b) Dass die
Vorinstanz die starke Position der Beschwerdeführerin auf dem Retail-Markt in keiner Weise substantiiert
habe, trifft nicht zu. Insbesondere lässt sich nicht von der Hand weisen, dass die Beschwerdeführerin
im fraglichen Zeitraum dank grossen Gewinnen und Margen im Endkunden-Bereich über eine hohe
Finanzkraft verfügte, was - wie der konstant hohe Marktanteil von 60 % im Endkundenmarkt
und die beschriebenen Startvorteile als erste und etablierte Anbieterin (« first
mover », vgl. E. 10.6.1) - unbestritten auf eine starke Stellung der Beschwerdeführerin
im Endkundenmarkt hinweist.
Aus welchen
Gründen die Beschwerdeführerin ihren hohen Endkundenmarktanteil halten konnte, das heisst
inwiefern dies auf sogenannte preisinduzierte Netzwerkeffekte zurückzuführen ist, spielt
für die Frage, ob vom nachgelagerten Markt disziplinierende Kräfte ausgingen, letztlich
keine Rolle. Unabhängig davon weist der hohe Marktanteil der Beschwerdeführerin auf eine
gewichtige Stellung auf dem nachgelagerten Markt hin (vgl. zur Bedeutung des Marktanteils
bei der Beurteilung der Marktstellung etwa die Ausführungen von Heizmann,
a. a. O., Rz. 309 ff.).
Im vorliegenden
Zusammenhang ist letztlich auch nicht von Interesse, ob die Beschwerdeführerin unterschiedlich hohe
Endkundenpreise im on- und off-net-Bereich (sog. On-/Off-net-Preisdifferenzierung) unabhängig
von den erhobenen Terminierungspreisen als blosses « Ergebnis einer Marketingstrategie »
erhoben hat (...). Ohne darauf eingehen zu müssen, steht gestützt auf die von der Vorinstanz
beigezogenen Daten fest, dass die Beschwerdeführerin im nachgelagerten Markt einen erheblichen
Markterfolg verzeichnete.
Die Beschwerdeführerin
ist auch nicht zu hören, wenn sie argumentiert, auf dem « Retail-Markt »
habe intensiver Preis- und Innovationswettbewerb (...) geherrscht, oder es seien ihre Verhaltensspielräume
auf dem nachgelagerten Markt wirkungsvoll durch Konkurrentinnen wie Orange und Sunrise und
andere Anbieterinnen eingeschränkt worden, so dass sie sich im « Retail-Markt »
nicht unabhängig habe verhalten können (...). Die Darstellung der Vorinstanz hat
nicht die Verhaltensspielräume der Beschwerdeführerin auf dem nachgelagerten
Markt für Mobilfunkdienstleistungen zum Gegenstand, das heisst, sie äusserte sich nicht
dazu, ob die Beschwerdeführerin auf dem nachgelagerten Markt marktbeherrschend war,
sondern sie hält einzig fest, dass von diesem keine die Beschwerdeführerin im relevanten
Markt disziplinierenden Kräfte ausgingen. Dagegen bringt die Beschwerdeführerin
nichts Stichhaltiges vor.
10.6.5
Ergebnis
Insgesamt
besteht für das Bundesverwaltungsgericht keine Veranlassung, von der Schlussfolgerung der
Vorinstanz, welche letztlich selbst von der Beschwerdeführerin nicht bestritten wird (vgl. E. 10.6.3),
abzuweichen: Es sind keine Einflüsse des nachgelagerten Markts ersichtlich, welche die Macht
der Beschwerdeführerin als « Monopolistin » auf dem relevanten Markt einschränken
könnten.
10.7
Stellung der Marktgegenseite
10.7.1
Darstellung der Vorinstanz
a) Nach der
Vorinstanz (vgl. Verfügung Ziff. 173-194)
hätten Orange und Sunrise weder über Möglichkeiten verfügt, ihre « Terminierungsgebühren »
unilateral zu senken noch diese zu erhöhen. Sunrise und Orange seien vielmehr gezwungen gewesen,
ihre « Terminierungsgebühren » an das von der Beschwerdeführerin
festgelegte Preisniveau anzugleichen.
Zum einen
wäre eine Senkung
für eine kleine Anbieterin finanziell verheerend gewesen: Da von allen Anrufen auf das Netz
von Orange beziehungsweise Sunrise circa 90 % von fremden Netzen und nur etwa 10 % von
eigenen Kunden stammten, würden bei einer Senkung der « Terminierungsgebühr »
die Einnahmen der Anrufe aus anderen Netzen bei Orange und Sunrise massiv zurückgehen, nicht aber
bei ihren unmittelbaren Konkurrentinnen. Eine Senkung der « Terminierungsgebühr »
von Orange und Sunrise hätte eine Verringerung der Kosten ihrer unmittelbaren Konkurrentinnen
zur Folge, welche dadurch ihre jeweiligen Endkundenpreise senken könnten, wodurch Sunrise
und Orange Marktanteile verlieren würden. Bei einer grossen Anbieterin wie der Beschwerdeführerin
hätte eine Senkung der « Terminierungsgebühr »
demgegenüber andere Folgen gezeigt. Anders als bei den beiden kleinen Mobilfunkanbieterinnen
komme hier der grösste Teil der Anrufe vom eigenen Mobilfunknetz (on-net-Anrufe), wobei zusätzlich
ein zweiter grosser Block vom konzerninternen Festnetz stamme. Hingegen seien auf dem Mobilfunknetz
der Beschwerdeführerin nur kleinere Teile für Orange und Sunrise sowie weitere Anbieterinnen
terminiert worden (vgl. Ziff. 176/Tabelle B-2 der angefochtenen Verfügung, mit Angabe
der je terminierten Minuten in der Zeit vom 1. Juni 2004 bis 31. Mai 2005). Eine
Senkung der « Terminierungsgebühr » der Beschwerdeführerin würde
folglich zu Kostensenkungen bei der grössten Festnetzanbieterin der Schweiz (Swisscom Fixnet)
führen, die dadurch mit entsprechendem Mehrverkehr wieder mehr Einnahmen generieren könnte.
Zum anderen
erscheine in Anbetracht der Marktverhältnisse glaubhaft, dass auch eine unilaterale Erhöhung
der « Terminierungsgebühr » von Sunrise und Orange kaum möglich gewesen
sei, da aufgrund der vielschichtigen bilateralen Geschäftsbeziehungen mit anderen Anbieterinnen
von Fernmeldediensten einer gewissen Grösse Kündigungen von Backbone- oder Transitdiensten
hätten befürchtet werden müssen.
Bei der Frage,
ob sich Orange und Sunrise unabhängig hätten verhalten können, sei ebenfalls deren deutlich
schwächere Position auf dem Retail-Markt zu berücksichtigen, gäben doch - im Sinne
der bereits erwähnten preisinduzierten Netzwerkeffekte - hohe « Terminierungsgebühren »
der etablierten Anbieterin mit dem grössten Marktanteil die Möglichkeit, durch das Festlegen
hoher Preisunterschiede zwischen on-net- und off-net-Anrufen deren starke Marktposition gegenüber
den kleinen Mobilfunkanbieterinnen zu halten oder sogar zusätzlich zu verstärken.
Zudem hätten sich die beiden kleineren Anbieterinnen an der von der ComCom im Entscheid vom 3. April
2001 zugestandenen Preisdifferenz von 10 % bei den « Terminierungsgebühren »
gegenüber der historischen Anbieterin orientiert.
Wie grundlegend
sich die Positionen der Beschwerdeführerin von denjenigen der kleineren Mobilfunkanbieterinnen
Orange und Sunrise unterscheiden würden, werde auch daraus ersichtlich, dass der Orange-
beziehungsweise Sunrise-Verkehr auf dem Mobilfunknetz der Beschwerdeführerin nur rund 10 %
ausmache, während der Swisscom-Verkehr bei Sunrise und Orange jeweils etwa 70 % der terminierten
Minuten ausmache. Auch aufgrund dieser starken Position der Beschwerdeführerin (Swisscom
Mobile und Swisscom Fixnet) als Hauptnachfrager von Terminierungsleistungen sei insgesamt davon
auszugehen, dass Orange und Sunrise bis zum 31. Mai 2005 ihre « Terminierungsgebühren »
nicht unabhängig hätten festlegen können.
b) Davon
ausgehend schliesst die Darstellung der Vorinstanz mit der Feststellung, dass die beiden
kleineren Mobilfunkanbieterinnen in der Zeit bis zum 31. Mai 2005 in deren jeweiligen « Wholesale »-Märkten
ihre « Terminierungsgebühren » nicht hätten unabhängig
festlegen können.
Was die marktbeherrschende
Stellung der Beschwerdeführerin betrifft, bleibt die Vorinstanz - ohne dies näher auszuführen
- dabei, dass die Beschwerdeführerin auch unter Einbezug des Einflusses der Marktgegenseite
als marktbeherrschendes Unternehmen im Sinne von Art. 4 Abs. 2
KG zu qualifizieren sei (vgl.
Verfügung Ziff. 195).
10.7.2
Überprüfung der Marktstellung von Orange und Sunrise
im Beschwerdeverfahren?
a) Die Beschwerdeführerin
macht zunächst geltend, zur Beurteilung ihrer Marktstellung sei es unabdingbar, dass auch die Marktstellung
von Orange und Sunrise geprüft werde.
Ohne Prüfung
der gesamten Wettbewerbssituation könne die Marktstellung eines einzelnen Wettbewerbers
nicht beurteilt werden. Daher könne auf diese Prüfung - unabhängig von einer Einstellung
des Verfahrens gegen Orange und Sunrise - nicht verzichtet werden. Sollte am Vorwurf einer Ausbeutung
der Endkunden der anderen FDA durch die Beschwerdeführerin festgehalten werden, sei
auch die Frage zu prüfen, ob Orange und Sunrise ihrerseits die Endkunden der anderen FDA (einschliesslich
der Beschwerdeführerin) ausbeuteten. Zuvor sei notwendigerweise zu prüfen, ob Orange
und Sunrise marktbeherrschend seien.
b) Dem kann
nur insofern gefolgt werden, als die Frage der Marktbeherrschung der Beschwerdeführerin,
wie erwähnt (vgl. E. 10.1), im Sinne einer Gesamtprüfung der Verhältnisse unter
Einbezug von allen relevanten Beurteilungskriterien zu erörtern ist.
Zur Untersuchung
der Macht der Beschwerdeführerin auf dem relevanten Markt sind auch die sogenannten « marktstrukturbezogenen »
Kriterien heranzuziehen. Unter diesem Titel muss namentlich hinlänglich begründet
sein, wer Wettbewerber ist und wie das Kräfteverhältnis zwischen diesen Wettbewerbern beschaffen
ist. Für die Stellung eines Unternehmens macht es einen Unterschied, ob es mit vielen schwachen
oder wenigen starken Unternehmen auf der Marktgegenseite beziehungsweise als Mitbewerber
konfrontiert ist (Kriterium der vertikalen bzw. horizontalen Gegenmacht; vgl. Heizmann,
a. a. O., Rz. 339 ff.).
Dies ändert
aber nichts daran, dass im Ergebnis einzig zu beantworten ist, ob die Vorinstanz die Beschwerdeführerin
zu Recht als marktbeherrschend qualifiziert. Die Frage, ob auch Sunrise und Orange auf dem
für sie jeweils relevanten Markt im fraglichen Zeitraum über eine marktbeherrschende
Stellung im Sinne von Art. 4 Abs. 2
KG verfügten, ist vorliegend entgegen der Auffassung
der Beschwerdeführerin nicht zu entscheiden (vgl. E. 10.3).
10.7.3
Einfluss der Marktgegenseite auf die Marktstellung der Beschwerdeführerin?
a) Was den
vorliegend interessierenden Einfluss der Marktgegenseite auf die Marktstellung der Beschwerdeführerin
betrifft, bringt diese nichts Stichhaltiges vor. Die Beschwerdeführerin wendet sich nicht
grundsätzlich gegen die Auffassung der Vorinstanz, dass der Einbezug dieses Kriteriums an
der marktbeherrschenden Stellung der Beschwerdeführerin nichts zu ändern vermag. Die
(implizit gezogene) Schlussfolgerung der Vorinstanz, dass der Einfluss der Marktgegenseite ihre
gestützt auf den fehlenden aktuellen und potenziellen Wettbewerb und den ebenfalls fehlenden Einfluss
des nachgelagerten Markts getroffene Einschätzung nicht umstösst, die Beschwerdeführerin
also auch unter Einbezug dieser ergänzenden Analyse als marktbeherrschend zu qualifizieren
sei, bleibt seitens der Beschwerdeführerin unbestritten.
Die Darstellung
der Beschwerdeführerin beschränkt sich auf den Vorwurf, die Vorinstanz habe den Handlungsspielraum
und die Marktstellung von Orange und Sunrise falsch eingeschätzt (...). Dies unter anderem
insofern, als Orange und Sunrise ein eigenes Interesse an hohen « Terminierungsgebühren »
hätten. Ihr Verhalten nach dem 1. Juni 2005 zeige, dass sie kein Interesse daran gehabt hätten,
die « Terminierungsgebühren » zu senken. Entgegen der Auffassung der Vorinstanz
hätten Sunrise und Orange ihre « Terminierungsgebühren » theoretisch
jederzeit senken und eine Anpassung der « Terminierungsgebühren » der Beschwerdeführerin
verlangen können. Die Vorinstanz stelle im Zusammenhang mit ihrer Schlussfolgerung, dass Orange
und Sunrise nicht in der Lage gewesen seien, ihre « Terminierungsgebühren »
unabhängig von der Beschwerdeführerin und den anderen Anbieterinnen von Fernmeldediensten
festzulegen, und der dazu vorgenommenen Prüfung, ob Sunrise und Orange ihre Gebühren hätten
senken können, eine Reihe unsubstantiierter Thesen auf. Keine dieser Thesen könne widerlegen,
dass Orange und Sunrise ein eigenes Interesse an hohen « Terminierungsgebühren »
gehabt hätten und nach wie vor hätten.
b) Damit
wendet sich die Beschwerdeführerin jedoch nicht gegen die Bejahung der marktbeherrschenden Stellung
ihr gegenüber, sondern macht nur geltend, die Vorinstanz hätte auch Sunrise und Orange als
marktbeherrschend qualifizieren müssen, was, wie erwähnt, nicht Gegenstand des
vorliegenden Verfahrens ist.
Abgesehen
von den die telekommunikationsrechtliche Rahmenordnung betreffenden und noch zu beurteilenden Argumenten
(vgl. E. 10.8, E. 11 ff.), führt die Beschwerdeführerin nicht an, inwiefern
die Marktgegenseite ein Gegengewicht zu ihrer Marktmacht (im Sinne einer hinlänglichen
ausgleichenden Nachfragemacht) auf sie erzeugt haben soll, so dass die Marktbeherrschung entgegen der
Vorinstanz zu verneinen wäre.
c) Zwar legt
auch die angefochtene Verfügung den Schwerpunkt auf die Beurteilung der marktbeherrschenden Stellung
von Sunrise und Orange, ohne sich im Detail zu deren Einfluss auf die Marktstellung der Beschwerdeführerin
zu äussern. Die Darstellung der Vorinstanz zeigt aber gleichwohl hinlänglich auf, mit was für
Unternehmen die Beschwerdeführerin auf der Marktgegenseite konfrontiert ist und
wie das Kräfteverhältnis untereinander beschaffen ist. Demnach muss die der Beschwerdeführerin
beziehungweise der damaligen Swisscom Mobile im vorliegend relevanten Zeitraum gegenüberstehende
Marktgegenseite zweifellos als vergleichsweise klein bezeichnet werden.
Anhaltspunkte,
gestützt auf welche entgegen der Darstellung der Vorinstanz anzunehmen wäre, die Marktgegenseite
habe einen nennenswerten Einfluss auf das Verhalten der Beschwerdeführerin auf dem für
sie relevanten Markt ausüben können, bestehen keine.
Damit bleibt
es bei der Schlussfolgerung der Vorinstanz, dass die Beschwerdeführerin auch unter Einbezug
des Einflusses der Marktgegenseite als marktbeherrschend im Sinne von Art. 4 Abs. 2
KG zu qualifizieren ist.
10.7.4
Verletzung des Gleichbehandlungsgebots?
a) Die Vorbringen
der Beschwerdeführerin bilden - wie die Aufzählung in Ziff. 324 der Beschwerdeschrift
deutlich macht - Bestandteil ihrer Auffassung, dass die Vorinstanz versuche, « mittels
waghalsiger Argumentationen » eine Gleichbehandlung der Mobilfunkanbieterinnen
zu Ungunsten der Beschwerdeführerin zu vermeiden (...).
Die Vorinstanz
begründe nicht stichhaltig, weshalb einzig die Beschwerdeführerin marktbeherrschend sein
solle. Keines der Vorbringen, mit welchen die Vorinstanz zu begründen versuche, dass sich die Anhaltspunkte
für eine marktbeherrschende Stellung bezüglich Sunrise und Orange nicht erhärtet hätten,
sei geeignet, eine unterschiedliche Behandlung der Beschwerdeführerin und von Orange und Sunrise
zu rechtfertigen. Insbesondere könne die Theorie der preisinduzierten Netzwerkeffekte
nicht zur Rechtfertigung einer unterschiedlichen Behandlung der Beschwerdeführerin und von Sunrise
und Orange bezüglich der Feststellung der Marktposition vorgeschoben werden. Verfehlt
sei auch die These, dass die Beschwerdeführerin (bzw. Swisscom Mobile und Swisscom Fixnet) als Hauptnachfrager
von Terminierungsleistungen von Orange und Sunrise eine Marktbeherrschung von Orange und Sunrise verhindern
würde.
Es bestünden
keine Unterschiede, die eine Ungleichbehandlung rechtfertigen könnten. Aus dem Gleichbehandlungsgrundsatz
ergebe sich, dass die Beschwerdeführerin, Orange und Sunrise gleich zu behandeln seien. Die
tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse seien für alle die gleichen. Werde die Beschwerdeführerin
als marktbeherrschend betrachtet und ihre Verhaltensweise auf Missbräuchlichkeit untersucht,
könnten Orange und Sunrise diesbezüglich nicht anders behandelt werden. Die Vorinstanz betreibe
ein eigentliches « Cherry-picking », indem sie hinsichtlich der Marktstellung von
Orange und Sunrise andere Massstäbe anwende als in Bezug auf die Beschwerdeführerin (...).
b) Nach dem
von der Beschwerdeführerin angerufenen Art. 8 Abs. 1
BV sind « alle Menschen
[...] vor dem Gesetz gleich ». In der Rechtsanwendung verbietet das daraus
hervorgehende allgemeine Gleichbehandlungsgebot den rechtsanwendenden Behörden, zwei
tatsächlich gleiche Situationen ohne sachlichen Grund rechtlich unterschiedlich zu behandeln (Gebot
der rechtsgleichen Rechtsanwendung; vgl. Pierre Tschannen/Ulrich Zimmerli/Markus
Müller, Allgemeines Verwaltungsrecht,
3. Aufl., Bern 2009, § 23 Rz. 3, 11).
Die Problematik
für die Beurteilung, ob vorliegend zwei tatsächlich gleiche Situationen und gegebenenfalls
sachliche Gründe für eine unterschiedliche Behandlung der Beschwerdeführerin und
der beiden kleineren Mobilfunkanbieterinnen hinsichtlich der Frage der Marktbeherrschung
vorliegen, scheint darin zu bestehen, dass das Bundesverwaltungsgericht im vorliegenden
Beschwerdeverfahren ohne Überprüfung der entsprechenden vorinstanzlichen Ausführungen
offenlassen muss, ob die Vorinstanz Sunrise und Orange in der angefochtenen Verfügung zu Recht
als nicht marktbeherrschend bezeichnet hat oder darin eine fehlerhafte Rechtsanwendung liegt (vgl.
E. 10.3, E. 10.7.2).
Diese Bedenken
erweisen sich allerdings als unbegründet, da sich zeigt, dass die Beschwerdeführerin aus dem
allgemeinen Gleichbehandlungsgebot weder im einen noch im anderen Fall etwas für sich
ableiten kann:
Variante 1: Sunrise und Orange zu Recht
nicht marktbeherrschend
Geht man
nämlich unpräjudiziell von der Variante aus, dass die Vorinstanz Sunrise und Orange bis
zum 31. Mai 2005 zu Recht
als nicht marktbeherrschend betrachtet,
hätte die Vorinstanz die tatsächliche und rechtliche Situation bezüglich Sunrise und Orange
richtig eingeschätzt.
Es erwiese
sich folglich im Sinne der Darstellung der Vorinstanz als zutreffend, dass Sunrise und Orange aufgrund
ihrer spezifischen Situation und Einbettung in das Marktumfeld nicht über Möglichkeiten
verfügten, ihren Terminierungspreis unilateral zu senken oder diesen zu erhöhen, sondern
gezwungen waren, ihre Terminierungspreise an das Preisniveau der Beschwerdeführerin anzugleichen.
Andererseits haben die bisherigen Erwägungen unabhängig von der vorstehenden Annahme bestätigt,
dass sich die Beschwerdeführerin weder aktueller noch potenzieller Konkurrenz gegenübersieht
und auch vom nachgelagerten Markt und der Marktgegenseite keine disziplinierenden Kräfte auf
sie eingewirkt haben.
Insofern
lägen bei dieser Variante keine tatsächlich gleichartigen, sondern voneinander abweichende
Situationen vor. Eine Verletzung des Gleichbehandlungsgebots wäre zu verneinen, da die unterschiedliche
rechtliche Beurteilung der jeweiligen Marktstellung sachlich begründet und nicht zu beanstanden
wäre.
Variante 2: Sunrise und Orange zu Unrecht
nicht marktbeherrschend
Geht man
von der zweiten denkbaren Möglichkeit aus und nimmt mit der Beschwerdeführerin und wiederum
unpräjudiziell an, die Begründung der Vorinstanz überzeuge nicht, was die Beurteilung
der Marktstellung von Sunrise und Orange betrifft, hätte die marktbeherrschende Stellung korrekterweise
nicht nur mit Bezug auf die Beschwerdeführerin, sondern auch bezüglich den beiden kleineren
Mobilfunkanbieterinnen bejaht und im Verfügungsdispositiv festgestellt werden müssen. Die Vorinstanz
hätte Sunrise und Orange bei dieser Annahme zu Unrecht als nicht marktbeherrschend qualifiziert.
So
argumentiert die Beschwerdeführerin, indem sie vorbringt, konsequenterweise müssten alle
Mobilfunkanbieterinnen für die Terminierung in deren eigenes Netz marktbeherrschend sein,
wenn die Beschwerdeführerin unzutreffenderweise als marktbeherrschend betrachtet werde. Die
Beschwerdeführerin unterstützt ihren Standpunkt durch Hinweise auf die fernmelderechtliche
Praxis der EU, die Ansicht von BAKOM und ComCom, die ökonomische Literatur, auf die sich die Vorinstanz
selber selektiv berufe, sowie das Gutachten IC der Vorinstanz vom 20. November 2006, in welchem
die Vorinstanz Sunrise und Orange für die Periode nach dem 1. Juni 2005 ebenfalls als marktbeherrschend
qualifiziert hat (vgl. RPW 2006/4 S. 739, 752).
Mit dieser
Argumentation übersieht die Beschwerdeführerin, dass im vorliegenden Kontext nicht die Korrektur
der möglicherweise zu Unrecht verneinten Marktbeherrschung von Sunrise und Orange zur Diskussion
steht. Unter dem hier interessierenden Aspekt der rechtsgleichen Behandlung der Beschwerdeführerin
nach Art. 8
BV fragt sich vielmehr einzig, ob mangels sachlicher Gründe für eine unterschiedliche
Behandlung auch die Beschwerdeführerin gleich wie Sunrise und Orange als nicht marktbeherrschend
hätte bezeichnet werden müssen. Unter der Annahme, dass die Vorinstanz Sunrise und Orange zu
Unrecht als nicht marktbeherrschend eingeschätzt hat, käme dies jedoch einer Gleichbehandlung
im Unrecht gleich, worauf grundsätzlich kein Anspruch besteht.
Dass das
Gesetz in einem Fall nicht oder nicht richtig angewendet wird, vermittelt kein Recht, in einem ähnlich
gelagerten Fall ebenfalls gesetzwidrig begünstigt zu werden. Ein Anspruch auf eine gesetzeswidrige
Gleichbehandlung wird ausnahmsweise nur anerkannt, falls die Behörde in ständiger Praxis vom
Gesetz abweicht, zudem zu erkennen gibt, dass sie auch in Zukunft nicht gesetzeskonform entscheiden
wird sowie keine überwiegenden Gesetzmässigkeitsinteressen bestehen (vgl.
Tschannen/Zimmerli/Müller,
a. a. O., § 23 Rz. 18 f.).
Da von diesen
(kumulativ geforderten) Voraussetzungen vorliegend offensichtlich keine erfüllt ist, liegt
auch - falls die Vorinstanz Sunrise und Orange zu Unrecht als nicht marktbeherrschend eingeschätzt
hat - keine Verletzung des allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatzes gemäss Art. 8
BV
vor.
c) Die Beschwerdeführerin
beruft sich ergänzend auf die Praxis der REKO/WEF, nach welcher schon eine Ungleichbehandlung zwischen
marktbeherrschenden Unternehmen, die ihr missbräuchliches Verhalten eingestellt haben, und
marktbeherrschenden Unternehmen, deren Verhalten rechtmässig sei, den Gleichbehandlungsgrundsatz
von Art. 8
BV verletze (mit Hinweis auf den Entscheid der REKO/WEF vom 25. Oktober 2006
i. S. Swisscom Directories AG/WEKO, veröffentlicht in: RPW 2006/4 S. 698 ff., 715).
Dem ist entgegenzuhalten,
dass der im angesprochenen Entscheid zu beurteilende Sachverhalt mit dem vorliegenden nicht zu vergleichen
ist. So lagen in jenem Fall unbestrittenermassen zwei tatsächlich gleiche Situationen vor, dies
insofern, als abweichend vom vorliegenden Fall unbestritten war, dass alle betroffenen Unternehmen
marktbeherrschend waren. Unter dem Aspekt der Gleichbehandlung war « nur » zu beurteilen,
ob es gerechtfertigt war, die Marktbeherrschung beim einen Unternehmen im Verfügungsdispositiv
festzustellen und beim anderen nicht, was der Entscheid aufgrund von fehlenden sachlichen Gründen
für eine unterschiedliche Behandlung der tatsächlich gleichen Situation verneint.
Im Gegensatz
dazu hat sich vorliegend gezeigt, dass unabhängig davon, ob die Vorinstanz Sunrise und Orange zu
Recht oder zu Unrecht
als nicht marktbeherrschend betrachtet
hat, in der Bejahung der Marktbeherrschung gegenüber der Beschwerdeführerin keine Verletzung
des allgemeinen Gleichbehandlungsgebots gemäss Art. 8
BV liegt. Die Argumentation
mit dem angerufenen Entscheid stösst damit ebenfalls ins Leere.
d) Denkbar
wäre noch, in der unterschiedlichen Beurteilung der marktbeherrschenden Stellung gegenüber
den beiden kleineren Mobilfunkanbieterinnen und der Beschwerdeführerin allenfalls einen
Verstoss gegen den in der Wirtschaftsfreiheit gemäss Art. 27
BV verankerten und das allgemeine
Gleichbehandlungsgebot gemäss Art. 8
BV ergänzenden Grundsatz der Gleichbehandlung
der Konkurrentinnen und Konkurrenten zu erblicken (vgl. Klaus A. Vallender/Peter
Hettich/Jens Lehne, Wirtschaftsfreiheit
und begrenzte Staatsverantwortung - Grundzüge des Wirtschaftsverfassungs- und Wirtschaftsverwaltungsrechts,
4. Aufl., Bern 2006, S. 143 ff.
mit weiteren Hinweisen, u. a. auf BGE 121 I 129 [« Taxileitentscheid »]).
Die Beschwerdeführerin
scheint in der unterschiedlichen Beurteilung der Marktstellung durch die Vorinstanz jedoch einzig eine
Verletzung des allgemeinen Gleichbehandlungsgebots gemäss Art. 8
BV zu sehen, macht sie doch
keine Ausführungen und Angaben, inwiefern eine unzulässige Wettbewerbsverzerrung vorliegen
beziehungsweise die Wettbewerbsneutralität betroffen und das Gebot der Gleichbehandlung
der Konkurrentinnen und Konkurrenten verletzt sein sollte.
Das Bundesverwaltungsgericht
prüft die Rechtslage zwar frei, ohne in irgendeiner Weise an die in den Parteieingaben vorgetragene
Rechtsauffassung gebunden zu sein. Das Rügeprinzip, gemäss welchem das Gericht
sich grundsätzlich nur mit der in der Beschwerdebegründung vorgetragenen Kritik an der
angefochtenen Verfügung auseinanderzusetzen hätte, ohne von sich aus zu prüfen,
ob diese an anderen Mängeln leidet, gilt im vorliegenden Beschwerdeverfahren nicht (vgl. Thomas
Häberli, in: Waldmann/Weissenberger
[Hrsg.], Praxiskommentar VwVG, Zürich/Basel/Genf 2009, N. 37 f. zu Art. 62
VwVG). Andererseits hat die Prüfung im Rechtsmittelverfahren primär die in den Parteieingaben
vorgetragenen Rügen zum Gegenstand.
Gerade vorliegend
kann die durch einen ausgewiesenen und im Kartellrecht erfahrenen Rechtsanwalt vertretene Beschwerdeführerin
nicht damit rechnen, dass ihre zahlreichen, in diversen umfangreichen Rechtsschriften vorgetragenen
Vorbringen in jede zusätzlich denkbare Richtung geprüft werden (vgl. Frank
Seethaler/Fabia Bochsler, in: Waldmann/Weissenberger
[Hrsg.], Praxiskommentar VwVG, Zürich/Basel/Genf 2009, N. 69 zu Art. 52
VwVG).
Unter diesen
Umständen lässt sich auch aus dem Aspekt der Gleichbehandlung der Konkurrenten
nichts zu Gunsten der Beschwerdeführerin ableiten. Dies erscheint erst recht als sachgerecht, nachdem
im Sinne der Stellungnahme der Beschwerdeführerin vom 8. Mai 2007 weder Sunrise noch Orange
als Parteien in das Beschwerdeverfahren miteinbezogen wurden.
10.7.5
Ergebnis
Im Ergebnis
ist die Schlussfolgerung der Vorinstanz nicht zu beanstanden, dass die Beschwerdeführerin
auch unter Einbezug des Einflusses der Marktgegenseite als marktbeherrschendes Unternehmen im Sinne von
Art. 4 Abs. 2
KG zu qualifizieren ist.
10.8
Einfluss der fernmelderechtlichen Rahmenordnung
a) Die Beschwerdeführerin
beruft sich des Weiteren auf die fernmelderechtliche Einbettung der abgegrenzten relevanten Märkte
und macht geltend, die von der fernmelderechtlichen Rahmenordnung ausgehenden Kräfte (Interkonnektionszwang,
Disziplinierung durch den regulatorischen Rahmen, Reziprozitätsbeziehung, vgl. [...]
und E. 10.2.2) seien disziplinierend und würden eine marktbeherrschende Stellung aller Fernmeldedienstanbieterinnen
ausschliessen.
b) Die Vorinstanz
widerspricht und macht geltend, das schweizerische ex-post-Regulierungssystem habe im Untersuchungszeitraum
nicht vermocht, das Verhalten der Beschwerdeführerin im relevanten Markt zu disziplinieren.
In ihrer Vernehmlassung weist die Vorinstanz ergänzend darauf hin, dass aus dem Vergleich der Bestimmungen
in aArt. 11
FMG (AS 1997 2187)
und Art. 7
KG hervorgehe, dass die Interkonnektionsregulierung in aArt. 11
FMG
(AS 1997 2187) grundsätzlich nicht bei der Analyse der Frage der Marktbeherrschung, sondern in erster
Linie bei der Frage eines Missbrauchs nach Art. 7
KG zu berücksichtigen sei ([...];
ähnlich auch Verfügung Ziff. 166, 167, je am Schluss).
c) Dieser
Ergänzung ist entgegen den Ausführungen der Beschwerdeführerin in Ziff. 16
ihrer Replik zuzustimmen.
Zwar liegt
es auf der Hand, dass die gegenseitige Koordination und Kooperation, mit welcher die Anbieterinnen
von Fernmeldediensten die Zusammenschaltung der Netze nach Massgabe der fernmelderechtlichen Rahmenordnung
verwirklichen müssen, und die in diesem Zusammenhang spezialgesetzlich geschaffenen regulatorischen
Pflichten und Klagemöglichkeiten einen Einfluss auf das Verhalten der FDA und ihren Verhaltensspielraum
ausüben.
Es liegt
per definitionem im Wesen jeder Regulierungsordnung, dass deren Normen geeignet sind, den freien Handlungsspielraum
der Rechtssubjekte zu beschränken (vgl. Amgwerd, a. a. O.,
Rz. 87 Fn. 194 mit Verweis
auf Rolf H. Weber,
Wirtschaftsregulierung in wettbewerbspolitischen Ausnahmebereichen, Baden-Baden 1986, S. 30 ff.).
Die Interkonnektionspflicht gemäss aArt. 11 Abs. 1
FMG (AS 1997 2187),
welche die Beschwerdeführerin anruft, will marktbeherrschende Anbieterinnen aus wettbewerbstheoretischer
Sicht gerade - anstelle des fehlenden Wettbewerbs - disziplinieren, um einen Machtmissbrauch
zu verhindern und den freien Netzzugang zu gewährleisten (vgl. Amgwerd,
a. a. O., Rz. 239,
344).
Bei der Beurteilung
der marktbeherrschenden Stellung nach Art. 4 Abs. 2
KG kann es jedoch nicht darum gehen zu
prüfen, inwiefern der freie Handlungsspielraum der betroffenen Unternehmen durch wirtschaftspolitisch
motivierte Eingriffe des Staates in den Marktmechanismus in Form der fernmelderechtlichen ex-post-Marktregulierung
eingeschränkt wird. Massgeblich nach Art. 4 Abs. 2
KG kann vielmehr nur sein, inwiefern
der Wettbewerb
eine disziplinierende Wirkung auf das individuelle Vorteilsstreben der Wirtschaftssubjekte hat. Dazu
hat eine Analyse der Wettbewerbssituation auf dem definierten Markt zu erfolgen, das heisst, es
ist zu prüfen, ob das fragliche Unternehmen in genügendem Masse disziplinierendem Wettbewerb
ausgesetzt ist und sich folglich nicht unabhängig verhalten kann (vgl. zur Gewährleistung
von freiem Wettbewerb als Zweck
des KG Roger Zäch,
Wettbewerbsfreiheit oder Konsumentenwohlfahrt als Zweck des Kartellgesetzes?, Schranken des Rechts,
in: Roger Zäch [Hrsg.], Schweizerisches Kartellrecht - an Wendepunkten?, Zürich/St. Gallen
2009, S. 1 ff., nachfolgend: Wettbewerbsfreiheit).
Die Frage
ist, ob tatsächlich oder potenziell konkurrierende Unternehmen in der Lage sind, das betreffende
Unternehmen unter Wettbewerbsdruck
zu setzen und dadurch zu verhindern, dass es sich in wesentlichem Umfang unabhängig verhalten
kann. Entsprechend sind die Wettbewerbskräfte
zu ermitteln, um beurteilen zu
können, ob diese genügen, um dem betroffenen Unternehmen Schranken zu setzen, das heisst zu
verhindern, dass es sich einem wirksamen Wettbewerbsdruck entziehen kann (so ausdrücklich
Zäch, Kartellrecht,
a. a. O., Rz. 532, 572, und Amgwerd, a. a. O.,
Rz. 59, 226, 231; sinngemäss
auch Schmidhauser, a. a. O.,
Rz. 69, 73 zu Art. 4
KG, der bei den Ausführungen zum Begriff der Marktbeherrschung beziehungsweise
Marktmacht ebenfalls an den Wettbewerbsbegriff anknüpft, indem von « wettbewerbsarmem »
bzw. « wettbewerbslosem »
Zustand und der « Fähigkeit, wirksamen Wettbewerb
zu verhindern », gesprochen wird).
Davon abweichend
sind die von der Beschwerdeführerin angerufenen Einflüsse der fernmelderechtlichen Rahmenordnung
auf ihren Verhaltensspielraum nicht auf das freie Spiel der Marktkräfte, sondern auf die sektorspezifisch
vorgesehene staatliche Einflussnahme und Lenkung im Bereich der wechselseitig funktionierenden
Telekommunikationsnetze zurückzuführen und bilden in diesem Sinne kein Kriterium für
die Beurteilung der marktbeherrschenden Stellung nach Art. 4 Abs. 2
KG.
Auch um Wertungswidersprüche
mit dem fernmelderechtlichen Zugangsregime zu vermeiden, welches an die Marktbeherrschung ebenfalls
bestimmte Wirkungen knüpft (kostenorientierte
Festlegung der Interkonnektionsbedingungen gemäss aArt. 11 Abs. 1
FMG [AS
1997 2187]), ist die marktbeherrschende
Stellung aus kartellrechtlicher Sicht ohne Weiteres zu bejahen, wenn, wie vorliegend, feststeht,
dass auf dem relevanten Markt angesichts des Angebotsmonopols und der fehlenden technischen
Alternativen kein Wettbewerb beziehungsweise Wettbewerbsdruck besteht und auch von der Marktgegenseite
und dem nachgelagerten Markt keine disziplinierenden Einflüsse ausgehen. Dies bedeutet
vorerst einmal nur, dass auf die Beschwerdeführerin Art. 7
KG anwendbar ist, mithin
die Eingriffsschwelle für die materiellrechtliche Beurteilung nach dieser Bestimmung gegeben
ist.
Dies erweist
sich durchaus als sachgerecht, da der geltend gemachte Einfluss der fernmelderechtlichen Rahmenordnung
bei korrekter Optik ohnehin nicht den Aspekt der Marktbeherrschung, sondern die Frage betrifft,
ob die Beschwerdeführerin trotz gegebenen staatlichen ex-post-Regulierungssystems in der Lage war,
der Marktgegenseite als Marktbeherrscherin ihren Willen aufzuzwingen, nämlich von dieser im
Sinne von Art. 7 Abs. 2 Bst. c
(i. V. m. Abs. 1) KG in unzulässiger
Weise unangemessene Terminierungspreise zu erzwingen.
Diese Möglichkeit,
« unangemessene Preise erzwingen zu können », ist im Rahmen der nachfolgenden
Würdigung der Missbrauchsfrage als Tatbestandsvoraussetzung zu prüfen. Dabei wird sich
unter anderem die zentrale Rechtsfrage stellen, ob sich die beanstandete angeblich kartellgesetzverletzende
Erzwingung eines unangemessenen Terminierungspreises von 33,5 Rp. pro terminierter Minute
von einer Marktgegenseite, die eine amtliche Preisfestsetzung verlangen könnte beziehungsweise
darauf verzichtet (und sich mit dem « aufgezwungenen » Preis abfindet),
unter Art. 7 Abs. 1
(i. V. m. Art. 2 Bst. c
) KG subsumieren lässt
(vgl. E. 11 f., insbes. E. 12.3 ff.).
10.9
Verlust im Terminierungsverkehr zwischen Mobilfunknetzen?
10.9.1
Darstellung der Beschwerdeführerin
a) Schliesslich
argumentiert die Beschwerdeführerin mit Verweis auf die von ihr eingereichten Ausführungen
von Prof. Dr. phil. Carl Christian von Weizsäcker
(vgl. [...], insbes. von Weizsäcker,
Gutachten, S. 9 ff., 24 ff. [...]), sie sei nicht marktbeherrschend gewesen, weil
sie beziehungsweise die damalige Swisscom Mobile eine tiefere « Mobilterminierungsgebühr »
als Orange und Sunrise verlangt habe und deshalb Nettozahlungen in Millionenhöhe an Orange
und Sunrise geleistet habe. Es habe für Swisscom Mobile ein Verlust aus dem Terminierungsgeschäft
im mobile-to-mobile-(« M2M »)Bereich, das heisst im Terminierungsverkehr
zwischen Mobilfunknetzen, resultiert. Dass die Beschwerdeführerin ihre « Mobilterminierungsgebühr »
nicht auf einem profitablen Niveau habe festlegen können, zeige, dass sie nicht marktbeherrschend
gewesen sei. Als marktbeherrschendes Unternehmen hätte sie eine derartige Verlustsituation
nicht akzeptiert.
b) Der Verlust
von Swisscom Mobile aus der Terminierung mit den anderen Mobilfunkanbieterinnen (« M2M »)
liesse sich konkret wie folgt aufzeigen:
Nach dem Prinzip der ausgeglichenen Gesprächsströme
seien die Gesprächsströme zwischen zwei Netzen verschiedener Anbieterinnen von
Fernmeldediensten in beide Richtungen jeweils gleich hoch. Jede FDA könne vernünftigerweise
davon ausgehen, dass die Anzahl Minuten, welche ihre Endkunden im Netz einer anderen FDA terminieren,
etwa der Anzahl Minuten entspreche, welche die Endkunden der anderen Anbieterin in ihrem Netz terminieren.
Aufgrund dieses Prinzips sei die Terminierung in Bezug auf die « Terminierungsgebühren »
dann ein Nullsummenspiel, falls die « Terminierungsgebühren »
verschiedener Anbieterinnen gleich hoch seien.
Würden in beide Richtungen gleich viele Gesprächsminuten terminiert
und für eine terminierte Minute jeweils der gleiche Betrag in Rechnung gestellt, würden sich
die beiden Rechnungsbeträge gegenseitig aufheben. Die « Terminierungsgebühren »
seien dann kostenneutral. Seien die « Terminierungsgebühren » zweier FDA hingegen
- wie im Verhältnis
von Swisscom Mobile zu Sunrise und Orange -
unterschiedlich hoch, führe das Terminierungsgeschäft
zu Gewinnen und Verlusten. Grundsätzlich erziele diejenige FDA mit den höheren
« Terminierungsgebühren » (d. h. Sunrise und Orange) einen Gewinn.
Die FDA mit der tieferen « Terminierungsgebühr » (d. h. Swisscom Mobile)
leiste dagegen Nettozahlungen an die anderen FDA.
Die Höhe des Gewinns beziehungsweise Verlusts berechne sich aus der
Differenz zwischen den « Terminierungsgebühren » der betroffenen Anbieterinnen.
Je grösser diese sei, desto grösser sei auch der zu tragende negative Saldo bei gleichzeitig
grösserem positivem Saldo der Anbieterin mit der höheren « Terminierungsgebühr ».
Während sich aufgrund der ausgeglichenen Gesprächsströme die Zahlungen für die Terminierung
bei gleichen « Terminierungsgebühren »
gegenseitig aufheben würden, sei bei ungleichen « Terminierungsgebühren »
einzig die Differenz zwischen den « Terminierungsgebühren » und nicht deren
absolute Höhe relevant.
Aufgrund der im Vergleich zu Swisscom Mobile höheren « Mobilterminierungsgebühren »
von Orange und Sunrise und der leicht höheren Anzahl der von Swisscom Mobile auf die Netze
von Orange und Sunrise terminierten Minuten ergäben sich für den « M2M »-Verkehr
zwischen Swisscom Mobile und Orange beziehungsweise Sunrise Transferzahlungen von Swisscom Mobile
an Orange und Sunrise in Millionenhöhe. Daher sei die « M2M »-Terminierung für
Swisscom Mobile ein Verlustgeschäft (...).
Im Verhältnis zu den Gesamtkosten von Swisscom Mobile seien die Nettozahlungen
allerdings minim. Der Einfluss der Terminierungszahlungen auf die Gesamtkosten und letztlich
auf die Retail-Tarife von Swisscom Mobile sei vernachlässigbar. Die « Terminierungsgebühren »
würden sich im « M2M »-Bereich gegenseitig praktisch vollständig aufheben
(...).
c) Was den Terminierungsverkehr zwischen Mobil- und Festnetzen betrifft
(Fix-to-Mobile [F2M] und Mobile-to-Fix [M2F]), welchen die Beschwerdeführerin in der oben
dargestellten « Verlustrechnung » zur Begründung der angeblich fehlenden Marktbeherrschung
ausschliesst, läge eine differenziert zu beurteilende Situation vor:
Im Gegensatz zu den « Terminierungsgebühren » der
Mobilfunkanbieterinnen habe der Regulator die « Terminierungsgebühren »
der Festnetzanbieterinnen festgelegt, und dies auf tiefem Niveau. Aufgrund dieser Regulierung
habe der Preis für die Terminierung in das Netz von Swisscom Fixnet in den Jahren 2004 und 2005
durchschnittlich (nur) 1,504 beziehungsweise 1,435 Rp./Min. betragen. Während der Zeit, als
Swisscom Mobile eine « Mobilterminierungsgebühr » von 33,5 Rp./Min.
erhoben habe, habe sich im « F2M »-Verkehr dadurch eine Differenz von 31,996 beziehungsweise
32,065 Rp./Min. zu Gunsten von Swisscom Mobile, eine Differenz von 35,446 beziehungsweise 35,515 Rp./Min.
zu Gunsten von Orange und eine solche von 35,346 beziehungsweise 35,415 Rp./Min. zu Gunsten von
Sunrise ergeben (...).
Aufgrund dieser regulierungsbedingt grossen Differenz zu den « Terminierungsgebühren »
der Mobilfunkanbieterinnen im Untersuchungszeitraum (Swisscom Mobile 33,5 Rp./Min., Sunrise
36,85 Rp./Min., Orange 36,95 Rp./Min.) würden die Festnetzanbieterinnen erhebliche Nettozahlungen
an alle Mobilfunkanbieterinnen leisten. Swisscom Fixnet
habe im Jahr 2004 und 2005 für F2M-« Terminierungsgebühren » insgesamt
einen dreistelligen Millionenbetrag an die Mobilfunkanbieterinnen Swisscom Mobile, Orange und Sunrise
bezahlt (...).
Von diesen Nettozahlungen aus der « F2M »-Terminierung
würden sämtliche Mobilfunkanbieterinnen profitieren, Orange und Sunrise aufgrund
ihrer höheren « Mobilterminierungsgebühr » jedoch noch mehr als Swisscom
Mobile. Swisscom Mobile generiere zwar Einnahmen aus der Terminierung im « F2M »-Bereich.
Es sei jedoch davon auszugehen, dass Orange und Sunrise aus dem « F2M »-Verkehr pro
Kunde mehr Terminierungseinnahmen generierten als Swisscom Mobile. Die Mobilfunkanbieterinnen
würden deren Gewinne aus der « F2M »-Terminierung zur Finanzierung des Mobilfunkgeschäfts
verwenden. Die « F2M »-Terminierungseinnahmen seien für alle Mobilfunkanbieterinnen
von grosser Bedeutung, da sie die Verbilligung der Mobilfunk-Retail-Tarife und die Gewährung von
Preisnachlässen auf Endgeräten auf der Retail-Ebene ermöglichten und den Mobilfunk als
Ganzes förderten.
Aufgrund der unterschiedlichen regulatorischen Eingriffe der ComCom und
weil daraus auch unterschiedliche Verhandlungspositionen von Mobil- und Festnetzanbieterinnen entstünden,
seien « M2M »- und « F2M »-Sachverhalte entgegen der Vorinstanz,
welche diese Sachverhalte vermische, differenziert zu beurteilen.
10.9.2
Darstellung der Vorinstanz
Die Vorinstanz entgegnet - zusammengefasst - Folgendes: Eine
« allfällige
Symmetrie unter den Verkehrsströmen der MFA »
(Mobilfunkanbieterinnen) könne an der marktbeherrschenden Stellung der Beschwerdeführerin
nichts ändern. Die Argumentation übersehe, dass -
wie bereits aus der Marktanteilsverteilung hervorgehe -
trotz ausgeglichenen Verkehrs auf dem Netz von Swisscom Mobile wesentlich mehr Minuten terminiert
würden als auf allen anderen Mobilfunknetzen zusammen. Insbesondere die vom Festnetz her kommenden
Minuten würden den zweitgrössten Teil der auf dem Netz von Swisscom Mobile terminierten
Minuten ausmachen. Es sei ferner inkohärent, dass die Beschwerdeführerin im Widerspruch
zum abgegrenzten relevanten Markt eine Unterscheidung des eingehenden Verkehrs nach der Herkunft
der Anrufe mache (Fest- und Mobilnetz), während sie gleichzeitig geltend mache, die Marktabgrenzung
sei zu eng (vgl. Verfügung Ziff. 169).
Die Aussage, das Terminierungsgeschäft sei ein Verlustgeschäft,
treffe offensichtlich nicht zu. Zwar sei es richtig, dass aufgrund des sogenannten « balanced
traffic » und der tieferen
« Terminierungsgebühren » von Swisscom Mobile Nettozahlungen von
Swisscom Mobile an die beiden kleineren Anbieterinnen stattfänden (vgl. Verfügung Ziff. 170).
Diese Argumentation sei aber nicht sachdienlich, weil aus der Tatsache, dass Orange und Sunrise höhere
« Terminierungsgebühren » verlangten als Swisscom Mobile, nicht geschlossen
werden könne, dass Swisscom Mobile nicht über eine marktbeherrschende Stellung verfüge.
Die höheren « Terminierungsgebühren » von Orange und
Sunrise seien auch auf die Interpretation des Entscheids der ComCom vom 3. April 2001 durch die
Mobilfunkanbieterinnen zurückzuführen und liessen keinen Schluss auf die Marktstellung
von Swisscom Mobile zu.
Ferner sei die Argumentation der Beschwerdeführerin irreführend,
weil sie verschweige, dass bei Swisscom Mobile die Einnahmen aus der Terminierung vom Festnetz
her um ein Vielfaches höher als bei allen anderen Mobilfunkanbieterinnen zusammen seien (vgl.
Verfügung Ziff. 170). Die Beschwerdeführerin konstruiere eine hypothetische
Marge, indem sie zwei verschiedene Dienstleistungen miteinander vermische, die bei Swisscom
Mobile jeweils unterschiedliche Einnahmen und unterschiedliche Ausgaben
generierten. Die Beschwerdeführerin verschweige, dass für die Terminierung auf
fremde Netze von den Endkunden, welche diese Minuten durch ihre Anrufe auslösten, direkt Einnahmen
generiert würden (...). Die Beschwerdeführerin vermische im Bereich der « M2M »-Terminierung
zwei verschiedene Kostenarten und die daraus zu berechnenden Margen, die jedoch klar zu unterscheiden
seien:
Auf der einen Seite seien (1.) die Kosten einer von einem anderen Netz her
kommenden Minute, welche Swisscom Mobile auf ihrem Netz terminiere, zu berücksichtigen. Da
die Beschwerdeführerin diese Kosten nicht offenlege, habe die Vorinstanz auf Kostenschätzungen
ausländischer Unternehmen zurückgreifen müssen, welche ergeben hätten,
dass die effektiven Kosten einer terminierten Minute bei höchstens 10 Rp. anzusiedeln
seien. Daraus ergebe sich für jede auf dem Netz von Swisscom Mobile terminierte Minute unabhängig
von deren Herkunft, also auch im « M2M »-Verkehr, eine sehr hohe Gewinnmarge (...).
Klar zu unterscheiden von diesen Kosten seien (2.) die Zahlungen, welche
Swisscom Mobile an ihre Wettbewerber leiste, wenn die Swisscom Mobile-Kunden auf die Netze von Orange
und Sunrise anriefen und Swisscom Mobile dann deren « Terminierungsgebühren »
bezahlen müsse. Die dort entstehenden Margen entsprächen der Differenz aus
den Endkundenpreisen, welche Swisscom Mobile ihren Endkunden verrechne, und den Kosten
der Originierung, allenfalls eines Transits und der « Terminierungsgebühren »
der anderen Anbieterinnen (...).
Eine korrekte Berechnung der beiden Margen, diejenige von eingehendem
und diejenige von ausgehendem Verkehr, komme zwangsläufig zum Schluss, dass die Terminierung kein
Verlustgeschäft sein könne. Das Gegenteil sei der Fall: Es würden in diesem Bereich
hohe Margen erzielt (...). Abgesehen davon seien ausgehende Minuten Teil eines anderen Markts und
daher bei der Kostenberechnung von eingehenden Minuten nicht zu berücksichtigen (vgl. Verfügung
Ziff. 354).
10.9.3
Beurteilung
a) Die Darstellung der Beschwerdeführerin ist lediglich zutreffend,
soweit sie sich zur Höhe der Terminierungspreise der drei Mobilfunkanbieterinnen
(Mobilterminierung) und von Swisscom Fixnet (Festnetzterminierung) im vorliegend relevanten
Zeitraum äussert:
Orange verlangte von der Beschwerdeführerin
sowie von Sunrise und Swisscom Fixnet je einen Mobilterminierungspreis von 36,95 Rp./Min. Der Mobilterminierungspreis
von Sunrise gegenüber den erwähnten Anbieterinnen
betrug 36,85 Rp./Min., während die Beschwerdeführerin
Orange, Sunrise und Swisscom Fixnet 33,5 Rp./Min. berechnete. Diese Mobilterminierungspreise blieben
im Zeitraum vom 1. Oktober 2002 bis 31. Mai 2005 konstant. Insofern trifft es zu, dass die
Mobilterminierungspreise von Swisscom Mobile stets tiefer als diejenigen von Sunrise und Orange
waren (...).
Auch steht im Sinne der Ausführungen der Beschwerdeführerin fest,
dass die ComCom den Festnetz-Terminierungspreis von Swisscom Fixnet rückwirkend per 1. Januar
2000 festgelegt hat, und dies auf einem deutlich tieferen Niveau als die genannten Mobilterminierungspreise
(vgl. Medienmitteilung der ComCom vom 31. August 2006; [...]).
Bildlich ergibt dies folgende Situation:
Abb. 6: Übersicht Fest- und Mobilterminierungspreise
Abgesehen von dieser nicht zu beanstandenden Ausgangslage überzeugt
das Modell, mit dem die Beschwerdeführerin darzulegen versucht, wegen eines Verlusts im Terminierungsverkehr
im « M2M »-Bereich nicht marktbeherrschend zu sein, jedoch nicht. Unabhängig
davon, dass die Vorinstanz gemäss ihrem Hinweis auf den « balanced
traffic » (vgl. Verfügung
Ziff. 170) mit der Beschwerdeführerin von grundsätzlich gegenseitig ausgeglichenen
Gesprächsströmen auszugehen scheint, vermögen die Ausführungen der Beschwerdeführerin
an der bisherigen Beurteilung ihrer Marktstellung nichts zu ändern.
b) Die Modellrechnung der Beschwerdeführerin ist bereits deshalb nicht
stichhaltig, weil sie dem vorliegend relevanten Markt für die Terminierung von in das
Mobilfunknetz der Beschwerdeführerin eingehenden Sprachanrufen
widerspricht. Da die marktbeherrschende Stellung der Beschwerdeführerin nur auf dem relevanten
Markt und nicht anderswo zu bejahen oder zu verneinen ist, könnte die bisherige Einschätzung
höchstens dann fraglich sein, wenn die Beschwerdeführerin den geltend
gemachten Verlust auf diesem relevanten Markt einfahren würde, ohne daran etwas ändern zu können.
Dies behauptet die Beschwerdeführerin jedoch überhaupt nicht. Vielmehr weitet sie die
Sicht mit ihrem « Nettozahlungsmodell » entgegen der korrekten Marktabgrenzung
- welche einzig die auf das Mobilfunknetz der Beschwerdeführerin eingehenden, von einem
Mobilfunknetz oder einem Festnetz herkommenden Gespräche umfasst - nach
ihrem freien Dafürhalten aus beziehungsweise ein:
Zusätzlich zu den auf das Mobilfunknetz der Beschwerdeführerin
eingehenden Mobilanrufen (« M2M »)
berücksichtigt das Berechnungsmodell jene Mobilgespräche,
welche von ihrem Mobilfunknetz auf ein anderes Mobilfunknetz geführt werden, und bezieht so den
bilateralen Mobilterminierungsverkehr zwischen der Beschwerdeführerin
und Orange beziehungsweise Sunrise mit ein.
Wie ausführlich dargelegt wurde (vgl. E. 9.5.4.2), bilden ausgehende
Gespräche jedoch ausdrücklich nicht Teil des relevanten Markts. Der neuerlich vorgebrachte
Einwand der Beschwerdeführerin -
die Gewinnberechnung der Vorinstanz (Multiplikation aller im Netz von Swisscom Mobile terminierten
Minuten mit dem angeblich unrechtmässigen Gewinn von 13,5 Rp. pro terminierter Minute) gehe
fälschlicherweise davon aus, ein Abonnent der Beschwerdeführerin erhalte nur Anrufe und
betrachte damit nur die eine Seite der Rechnung, obwohl den Einnahmen
aus den « Terminierungsgebühren » immer auch Ausgaben
für die Terminierung in andere Netze gegenüberstünden -
vermag daran nichts zu ändern. Die Unterscheidung zwischen ein- und ausgehenden Anrufen ist nicht
nur für die korrekte Marktabgrenzung, sondern auch für die auf dieser Basis vorzunehmende Beurteilung
der Marktstellung sachgerecht. Die Vorinstanz weist zu Recht darauf hin, dass ausgehende
Minuten als Teil eines anderen Markts bei der Kostenberechnung von eingehenden Minuten nicht zu berücksichtigen
sind.
Das Modell der Beschwerdeführerin zieht damit abweichend vom relevanten
Markt zusätzlich die beiden jeweils für Sunrise und Orange relevanten Mobilterminierungsmärkte
in die Betrachtung mit ein (vgl. dazu Abb. 6 betr. Übersicht Fest- und Mobilterminierungspreise).
Selbst wenn man dieser fiktiven Marktabgrenzung folgen würde, stellt man fest, dass die Beschwerdeführerin
diesen Schritt aber nicht vollständig vollzieht, sondern nur insoweit, als die Mobilterminierung
durch einen von einem anderem Mobilfunknetz her kommenden Anruf
ausgelöst wird (« M2M »). Obwohl die Beschwerdeführerin den Fokus ausdrücklich
auf die (gegenseitige) Mobilterminierung legt, klammert ihre Berechnung die ebenfalls eine Mobilterminierung
auslösenden und zu den Mobilterminierungsmärkten gehörenden Anrufe von einem Festnetz
auf ein Mobilfunknetz (« F2M ») und die hier als Mobilterminierungspreise
anfallenden Einnahmen aus.
Dass die Beschwerdeführerin diesen Bereich nach eigenem Gutdünken
aus der Berechnung ausschliesst, erscheint willkürlich, umfasst der relevante Markt doch -
ohne, dass nach der Herkunft der Anrufe (von einem Mobil- oder Festnetz) zu unterscheiden wäre
- alle
auf dem betreffenden Mobilfunknetz durch netzübergreifende Sprachanrufe ausgelösten Terminierungen.
Eine Beurteilung der Stellung der Beschwerdeführerin auf dem abgegrenzten relevanten Markt, basierend
einzig auf den terminierten Minuten mit Herkunft in den Mobilfunknetzen,
kann nicht angehen. Bei einer Nichtberücksichtigung der von den Festnetzen
ausgelösten Mobilterminierungen (« F2M »), die einen grossen Anteil an
der Gesamtmenge der im Mobilfunknetz der Beschwerdeführerin terminierten Minuten
ausmachen, würde ein bedeutender Teil des relevanten Markts ausgeblendet. Da die Beschwerdeführerin
zudem die Gespräche von den Mobilfunknetzen auf ein Festnetz
(« M2F », Festnetzterminierung) nicht beachtet, bleiben bei ihrer Berechnung das
Verhältnis zwischen den Mobilfunknetzen und den Festnetzen (insbes. Swisscom Fixnet) und damit
die hier gemäss eigenen Angaben der Beschwerdeführerin für alle Mobilfunkanbieterinnen
resultierenden erheblichen Profite gänzlich unberücksichtigt.
Was die Beschwerdeführerin zur Rechtfertigung vorbringt, überzeugt
nicht. Ihre Argumentation, dass zwischen Mobilfunkanbieterinnen eine Reziprozitätsbeziehung bestehe,
wogegen dies im Verhältnis « Festnetzanbieter-Mobilfunkanbieter »
aufgrund des « asymmetrischen »
Eingriffs des Regulators im Festnetzbereich nicht der Fall sei, steht in keinem Zusammenhang zu
der hier zur Debatte stehenden Gewinn- beziehungsweise Verlustrechnung, nach welcher die damalige
Swisscom Mobile über keine marktbeherrschende Stellung verfügt haben soll.
Mit dem gewählten « Nettozahlungsmodell »
konstruiert die Beschwerdeführerin faktisch einen fiktiven, nicht existierenden « Markt »
für die Terminierung von ein- und ausgehenden Mobilfunkgesprächen, allerdings unter
Ausschluss der durch ein Festnetz ausgelösten Mobilterminierungen (« F2M »)
und der Gespräche von einem Mobilfunknetz auf ein Festnetz (« M2F », Festnetzterminierung),
um im Ergebnis auf diesem fiktiven
« Markt »
gezielt einen Verlust ausweisen zu können. Es geht nicht an, aus einer derart zurechtgelegten und
den tatsächlich relevanten Markt ignorierenden Berechnung herleiten zu wollen, die Beschwerdeführerin
habe sich auf dem relevanten Markt nicht in wesentlichem
Umfang unabhängig verhalten können.
Dies umso weniger, als auf dem relevanten
Markt offensichtlich eine Gewinnsituation vorliegt: Denn es
ist augenfällig, dass die Beschwerdeführerin aus der Terminierung von Anrufen auf ihr
Mobilfunknetz keine Verluste machte, sondern mit jeder in ihrem Mobilfunknetz terminierten Minute
eine Gewinnmarge realisierte. Davon muss ausgegangen werden, weil der Terminierungspreis, den Swisscom
Mobile im vorliegend relevanten Zeitraum von den anderen Mobilfunkanbieterinnen und auch
von Swisscom Fixnet für jede terminierte Minute einnahm
(33,5 Rp./Min.), ohne jeden Zweifel höher war als
die Ausgaben, welche der Beschwerdeführerin jeweils für
die Erstellung einer Minute Terminierung anfielen. Die genaue Höhe dieser Terminierungskosten
und die - sich daraus und
den insgesamt im Mobilfunknetz der Beschwerdeführerin terminierten Minuten ergebende
- Höhe des Gewinns dürfen
an dieser Stelle offen bleiben.
Relevant ist hier einzig, dass keine Anhaltspunkte dafür bestehen und
auch nicht geltend gemacht wird, dass die Terminierungskosten der Beschwerdeführerin ihren
Mobilterminierungspreis von 33,5 Rp./Min. überschritten hätten, weshalb feststeht,
dass die Beschwerdeführerin auf dem relevanten Markt keinen Verlust, sondern einen Gewinn erwirtschaftete.
Die Argumentation der Beschwerdeführerin geht bereits aus diesen Überlegungen fehl.
c) Ihr Berechnungsmodell erweist sich jedoch auch losgelöst von einer
strengen Bindung an den relevanten Markt als unhaltbar.
Soll der von der Beschwerdeführerin erwirtschaftete Gewinn bzw. Verlust
nämlich, wie von der Beschwerdeführerin verlangt, unter Einbezug der ein-
und ausgehenden Gespräche berechnet werden, wären nicht nur einfach isoliert die von
der Beschwerdeführerin im « M2M »-Bereich eingenommenen und bezahlten Terminierungspreise
miteinander zu verrechnen, worauf sich die Beschwerdeführerin beschränkt. Für ein
den wirtschaftlichen Verhältnissen im « gegenseitigen
Terminierungsgeschäft »
gerecht werdendes Ergebnis müssten vielmehr alle
Einnahmen und Ausgaben, welche der Beschwerdeführerin
im Zusammenhang mit den auf ihrem Mobilfunknetz eingehenden
und von ihrem Mobilfunknetz ausgehenden netzübergreifenden
Gesprächen anfallen, einander gegenübergestellt werden.
Im Sinne des bisher Ausgeführten (vgl. vorstehend Bst. b) wären
vorerst auch all jene Einnahmen und Ausgaben zu beachten, die mit den Gesprächen vom Mobilfunknetz
der Beschwerdeführerin auf ein Festnetz und umgekehrt
verbunden sind (« F2M », « M2F »). Das Berechnungsmodell
der Beschwerdeführerin klammert diesen Bereich (und damit namentlich die Einnahmen aus der Terminierung
von den Festnetzen her) trotz dessen nach eigener Beschreibung grossen wirtschaftlichen Bedeutung
auch für die damalige Swisscom Mobile in nicht überzeugender Weise aus.
Auch schenkt das « Nettozahlungsmodell »
weder den Kosten Beachtung, welche die Beschwerdeführerin selber für die Terminierung
der auf ihrem Mobilfunknetz eingehenden Anrufe aufwendet (Erstellungskosten),
noch jenen, welche der Beschwerdeführerin bei den von ihrem Mobilfunknetz abgehenden
Gesprächen für die Originierung anfallen (Originierungskosten); ebenso unberücksichtigt
sind die Kosten eines abgehenden Gesprächs für einen allfälligen Transit über
ein Drittnetz.
Vor allem weist die Vorinstanz aber zu Recht darauf hin, das « Nettozahlungsmodell »
verschweige, dass jedes vom Mobilfunknetz der Beschwerdeführerin abgehende
Gespräch nicht nur den der anderen Mobil- beziehungsweise Festnetzanbieterin geschuldeten (Mobil-
bzw. Festnetz-)Terminierungspreis (sowie Originierungs- und evtl. Transitkosten als weitere
Ausgaben) auslöst, sondern direkt auch Einnahmen
generiert, und dies in Form der Endkundenpreise, welche die Beschwerdeführerin (damalige Swisscom
Mobile) von ihren Endkunden gemäss den Konditionen des jeweiligen Abonnements für die
von diesen initiierten Gespräche verlangt (...). Bei einer Berechnung, welche sich
(fälschlicherweise) nicht am relevanten Markt, sondern dem « gegenseitigen
Terminierungsgeschäft »
orientiert, wären diese - erst und nur durch die Ausdehnung der Betrachtung auch auf ausgehende
Gespräche ins Spiel kommenden - Einnahmen ebenfalls zu beachten. Für die hier gemachte
wirtschaftliche Betrachtungsweise erwiese sich alles andere als verfehlt und im Widerspruch zur eigenen
Darstellung der Beschwerdeführerin, welche selber wiederholt mit dem (zutreffenden) Umstand
argumentiert, dass es sich bei der Terminierung « nur »
um eine durch die Nachfrage auf der Endkundenebene ausgelöste Vorleistung zur Erbringung der
damit in einer unverrückbaren 1:1-Relation stehenden Telekommunikationsdienstleistung
auf der Endkundenebene handeln würde.
Unter diesen Umständen bietet das « Nettozahlungsmodell »
keine Basis für eine nachvollziehbare Gewinn- beziehungsweise Verlustrechnung. Durch die Gegenüberstellung
nicht aller, sondern nur bestimmter willkürlich ausgewählter Einnahmen- und Ausgabenfaktoren
(nur die von Swisscom Mobile von den anderen Mobilfunkanbieterinnen
eingenommenen [mit 33,5 Rp./Min. tieferen] und an diese bezahlten [mit 36,85 bzw. 36,95 Rp./Min.
höheren] Mobilterminierungspreise) wird die wirtschaftliche Bedeutung des « gegenseitigen
Terminierungsgeschäfts »
für die Beschwerdeführerin (damalige Swisscom Mobile) auf unzulässige Weise verfälscht.
Bilden entgegen der konstruierten Betrachtungsweise der Beschwerdeführerin
alle anfallenden Einnahmen und Ausgaben (inkl. der Einnahmen
aus der Terminierung von den Festnetzen her und der von den eigenen Endkunden für die ausgehenden
Gespräche bezahlten Beträge) Gegenstand der Berechnung, besteht kein Grund zur Annahme,
dass das « gegenseitige
Terminierungsgeschäft »
für die Beschwerdeführerin zu Verlusten führte:
Einerseits ist nach dem Gesagten bei richtiger Betrachtung nicht daran zu
zweifeln, dass Swisscom Mobile mit Bezug auf die von ihrem Mobilfunknetz ausgehenden
Gesprächsströme gewinnbringend wirtschaftete. Andererseits steht fest, dass auch auf dem relevanten
Markt, das heisst dem die eingehenden Gespräche umfassenden
Bereich, eine Gewinnsituation besteht (vgl. oben Bst. b).
Damit ist entgegen der Beschwerdeführerin und mit der Vorinstanz festzuhalten,
dass eine korrekte Berechnung der Margen des eingehenden und
ausgehenden Verkehrs zum Schluss führt, dass die Terminierung kein Verlustgeschäft sein kann.
d) Die Beschwerdeführerin bringt nichts vor, was die aufgezeigten Schwächen
ihres « Nettozahlungsmodells » widerlegen und rechtfertigen würde, dieses zur
Anwendung zu bringen.
Dies gilt auch für die Auffassung, das
Verhalten von Orange und Sunrise nach der Senkung des Terminierungspreises durch die Beschwerdeführerin
am 1. Juni 2005 beweise, dass ihr Nettozahlungsmodell stimme. Orange und Sunrise hätten nach
der Senkung der « Terminierungsgebühr » durch die Beschwerdeführerin
ihre eigenen « Terminierungsgebühren » nicht freiwillig angemessen gesenkt,
weil sie ein eigenes Interesse an hohen « Terminierungsgebühren » beziehungsweise
an einer möglichst grossen Differenz zwischen der eigenen « Terminierungsgebühr »
und derjenigen der Beschwerdeführerin gehabt hätten. Die Vorinstanz bestätige in
Ziff. 80 und 111 ihres Gutachtens IC vom 20. November 2006 (vgl. RPW 2006/4 S. 739)
selber, dass Orange und Sunrise infolge der Preissenkung der Beschwerdeführerin in der Lage gewesen
seien, durch ein hohes Delta von der Beschwerdeführerin monatliche Zahlungen in Millionenhöhe
zu erzielen (...).
All dies
ändert an der im Ansatz falschen Berechnungsmethode der Beschwerdeführerin nichts. Die
Senkung des Mobilterminierungspreises von Swisscom Mobile führte aus der Sicht von Orange und Sunrise
zwar zweifellos insofern zu einem finanziellen Vorteil, als sich dadurch deren Ausgaben
für die Terminierung in das Mobilfunknetz der Beschwerdeführerin erheblich verringerten.
Dies stösst jedoch die Tatsache nicht um, dass die Beschwerdeführerin im vorliegend relevanten
Zeitraum, das heisst vor
der Senkung ihres Mobilterminierungspreises, sowohl auf dem relevanten Markt als auch im « gegenseitigen
Terminierungsgeschäft » entgegen ihrer Darstellung Gewinne machte.
Wie sich
die Senkung des Mobilterminierungspreises von 33,5 auf 20 Rp./Min. auf die « Bilanz »
der Beschwerdeführerin und von Orange und Sunrise auswirkten, steht hier nicht zur Diskussion, müsste
aber wiederum nicht nach dem « Nettozahlungsmodell », sondern für jedes
Unternehmen separat unter Berücksichtigung der je individuellen Einnahmen- und Kostenstruktur
geprüft werden.
e) Im Übrigen
scheint auch die Beschwerdeführerin ihr gezielt arrangiertes « Verlustgeschäft »
für nicht besonders gravierend zu halten. Nur so kann ihre Aussage interpretiert werden, die
Nettozahlungen seien - im Verhältnis zu den Gesamtkosten - « minim »
beziehungsweise « vernachlässigbar »; die Terminierungspreise würden
sich im M2M-Bereich « gegenseitig praktisch vollständig » aufheben (...).
f) Worin
die Beschwerdeführerin unter diesen Umständen eine Situation erblickt, welche ein
marktbeherrschendes Unternehmen umgehend durch Ausübung von Marktmacht korrigiert hätte,
ist nicht ersichtlich. Eine Einschränkung ihres Verhaltensspielraums auf dem relevanten
Markt vermag die Beschwerdeführerin mit dem « Nettozahlungsmodell » jedenfalls
nicht darzulegen. Die vorstehenden Ausführungen machen vielmehr deutlich, dass es auch
unter Berücksichtigung dieses Einwands bei der bisherigen, die marktbeherrschende Stellung
der Beschwerdeführerin bejahenden Einschätzung bleibt.
10.10
Weitere Einwände
Weitere Einwände,
aus welchen die Beschwerdeführerin etwas zur Beurteilung ihrer Stellung auf dem relevanten
Markt für sich ableiten könnte, sind nicht ersichtlich.
Weder aus
dem Gutachten IC der Vorinstanz vom 20. November 2006 (vgl. RPW 2006/4 S. 739), den Stellungnahmen
von ComCom und BAKOM ([...]; vgl. E. 10.2.3) noch der fernmelderechtlichen Praxis der EU (...)
ergeben sich von den bisherigen Ausführungen abweichende Erkenntnisse. Dies gilt namentlich
hinsichtlich dem, was zur Eingrenzung der Fragestellung (vgl. E. 10.3) und zur verlangten
Gleichbehandlung mit Orange und Sunrise dargelegt wurde (vgl. E. 10.7.4).
10.11
Fazit
Damit ergibt
sich, dass die Vorinstanz zu Recht von einer marktbeherrschenden Stellung gemäss Art. 4
Abs. 2
KG der Beschwerdeführerin auf dem für sie relevanten Markt für die Terminierung
von Sprachanrufen in ihr Mobilfunknetz bis am 31. Mai 2005 ausgeht. Die Dispositiv-Ziff. 1 der angefochtenen
Verfügung stellt dies, ohne Bundesrecht zu verletzen, fest.
11.
Die Missbräuchlichkeit des vorgeworfenen Verhaltens im Kontext
des Streitgegenstands und der potenziell anwendbaren bundesrechtlichen Wertparitätskontrollen
Ausgehend
vom relevanten Markt (E. 9) und der dort beherrschenden Stellung der Beschwerdeführerin (E. 10)
ist als Nächstes zu prüfen, ob das ihr zur Last gelegte, angeblich unzulässige Verhalten
(« Missbrauch der marktbeherrschenden Stellung durch Erzwingung des unangemessenen Terminierungspreises
von 33,5 Rp./Min. vom 1. April 2004 bis 31. Mai 2005 ») nach Art. 49
a
Abs. 1 KG sanktionswürdig war, weil dieses Verhalten die Tatbestandsvoraussetzungen von Art. 7
Abs. 1
(i. V. m. Abs. 2 Bst. c) KG erfüllt.
Diese von
der Vorinstanz angerufene Bestimmung lässt sich in ihrer Tragweite nur richtig erfassen, wenn
vorab Art. 7 Abs. 1
KG, der sowohl öffentlich-rechtlicher als auch privatrechtlicher Natur
ist (vgl. Borer,
a. a. O., Rz. 6
vor Art. 12
-17
KG; Zäch,
Kartellrecht, a. a. O., Rz. 5), im Kontext des Streitgegenstands beleuchtet (E. 11.1 f.)
und
danach in seiner Konkretisierung in Abs. 2 Bst. c in den Zusammenhang mit den ebenfalls preisbezogenen
bundesrechtlichen Wertparitätskontrollen gestellt wird, die in Bezug auf Terminierungspreise
potenziell anwendbar sind (E. 11.3). Danach ist in E. 12 die Hauptfrage zu prüfen, ob
das strittige Verhalten die gesetzlichen Tatbestandsvoraussetzungen erfüllt und damit sanktionswürdig
ist, wie die Vorinstanz meint, die Beschwerdeführerin jedoch bestreitet.
11.1
Art. 7 Abs. 1
KG: Behinderung oder Ausbeutung?
Nach Art. 7
Abs. 1
KG verhalten sich marktbeherrschende Unternehmen unzulässig, wenn sie durch den
Missbrauch ihrer Stellung auf dem Markt andere Unternehmen in der Aufnahme oder Ausübung des Wettbewerbs
behindern
oder die Marktgegenseite
benachteiligen.
In dieser
Bestimmung, auf die in der E. 4.5 im Zusammenhang mit Art. 7 Abs. 1
erster Satz EMRK
eingegangen wurde, werden zwei strukturell verschiedenartige
Verhaltensweisen als missbräuchlich
bezeichnet, nämlich
Behinderungssachverhalte
und Ausbeutungssachverhalte,
die voneinander abzugrenzen sind (vgl. Clerc,
a. a. O., Rz. 71 ff. zu Art. 7
KG):
11.1.1
Behinderungssachverhalte
treten immer (gegenüber Konkurrenten) als Wettbewerbsbeschränkungen auf und sind ihrem
Wesen nach wettbewerbsbezogen.
Solche Sachverhalte
drücken sich, um im technisch
komplexen Netzwerkkontext zu bleiben, beispielsweise dadurch aus, dass ein Anbieter sein Zugangskontrollmonopol
dazu missbraucht, die Entfaltung des nachgelagerten
Dienstleistungsmarkts zu behindern (vgl. Mitteilung der Kommission vom 22. August 1998 über
die Anwendung der Wettbewerbsregeln auf Zugangsvereinbarungen im Telekommunikationsbereich -
Rahmen, relevante Märkte und Grundsätze, [ABl. 1998 C 265/2, Rz. 52, nachfolgend: Zugangs-Mitteilung]).
Denkbar ist auch, dass eine Interkonnektionsvereinbarung den Wettbewerb zwischen den beiden Parteien
dieser Vereinbarung oder den Wettbewerb Dritter einschränkt (vgl. Zugangs-Mitteilungen,
a. a. O., Rz. 131). So wäre eine Verweigerung oder die Erschwerung des Netzzugangs
durch marktmächtige Unternehmen als Behinderungsstrategie gegenüber
Konkurrenten zu werten, wenn aktuelle oder potenzielle Marktrivalen, die auf den Netzzugang
angewiesen sind, von nachgelagerten
Märkten verdrängt oder ferngehalten werden sollen (vgl. Amgwerd,
a. a. O., Rz. 63).
Solche Sachverhalte
erfasst - der hier zwar nicht zur Diskussion stehende - Art. 7 Abs. 2 Bst. b
KG, wonach unter Umständen auch die Diskriminierung von Handelspartnern bei Preisen (oder sonstigen
Geschäftsbedingungen) unzulässig sein kann. Denn solche « unangemessenen
Preise » lassen sich nicht anders als Zugangsverweigerungen oder Zugangserschwerungen (mit
wettbewerbsbehindernder Auswirkung) interpretieren (vgl. Patrik Ducrey,
Das schweizerische Kartellrecht, in: Cottier/Oesch [Hrsg.], Schweizerisches Bundesverwaltungsrecht,
Bd. XI: Allgemeines Aussenwirtschafts- und Binnenmarktsrecht, 2. Aufl., Basel 2007, S. 692
Rz. 211 ff.). Daher ist die Wettbewerbspolitik im Wesentlichen darauf gerichtet, solche
Marktbarrieren zu verhindern oder zu beseitigen, da offene Märkte als beste Garanten
für wirksamen Wettbewerb gelten (vgl. Amgwerd, a. a. O.,
Rz. 77).
11.1.2
Demgegenüber spielen sich
Ausbeutungssachverhalte
im wettbewerbsfreien
Raum ab, und zwar gegenüber der anbietenden oder nachfragenden Marktgegenseite. Zu denken
ist etwa an die Situation, dass ein Angebotsmonopolist seine Stellung dazu benutzt (d. h. missbraucht),
um ausbeuterische (« wucherische ») Preise dem Nachfrager aufzuzwingen, im
Wissen, dass dieser - angesichts des Monopols - über keine zumutbaren Alternativen
verfügt, wenn er seinen Bedarf nach dem Gut des Monopolisten decken will oder muss (vgl. Ducrey,
a. a. O., Rz. 199,
wonach es nach Art. 7 Abs. 1
KG unzulässig wäre, zu einem übermässig hohen
Preis zu liefern, wenn ein Kunde keine Ausweichmöglichkeiten besitzt). Insofern ist der in Art. 7
Abs. 1
KG verwendete, unscharfe Terminus « benachteiligen » als « ausbeuten »
zu verstehen (vgl. Zäch,
Kartellrecht, a. a. O., Rz. 619).
Diese Form
kartellrechtlicher
Preismissbrauchsaufsicht hat dann zu greifen, wenn Märkte nicht mehr wettbewerblich strukturiert
sind (vgl. Wiedemann,
a. a. O., § 23 N 1, S. 972), also wenn die Wettbewerbspolitik ihrer
angestammten Aufgabe, Wettbewerb zu fördern oder diesen zu erhalten, nicht nachkommen kann. Mit
der in Art. 7 Abs. 2 Bst. c
KG vorgesehenen Möglichkeit, kartellgesetzlich
gegen Preisausbeutungen vorzugehen, soll insbesondere verhindert werden, dass ein marktbeherrschendes
Unternehmen seinen vom Wettbewerb nicht wirksam kontrollierten Gestaltungsspielraum zu Lasten Dritter
mit einem Verhalten, das zu « nicht wettbewerbsgerechten Marktergebnissen » führt,
ausnützt (vgl. Wiedemann,
a. a. O., § 23 N 32, S. 992 mit dem entsprechenden Zitat des Kammergerichts).
11.1.3
Wie bereits in E. 4.5 festgehalten
wurde, vermag Art. 7 Abs. 1
KG - angesichts seiner inhaltlichen Offenheit - zwar
nicht für sich alleine betrachtet, sondern nur im Rahmen der Konkretisierung durch Abs. 2 Bst. c
KG, den Anforderungen des in Art. 7 Abs. 1
erster Satz EMRK verankerten Legalitätsprinzips
zu entsprechen.
Daher setzt,
wie die Vorinstanz zu Recht ihrem Prüfungsschema zu Grunde gelegt hat, die Tatbestandsmässigkeit
des inkriminierten Verhaltens voraus, dass eine Marktbeherrscherin die Marktgegenseite « ausbeutet »
(Art. 7 Abs. 1
KG), indem
jene von ihrer Vertragspartnerin unangemessene Preise
erzwingt (Art. 7 Abs. 2
Bst. c
KG).
11.2
Die Vorinstanz als sanktionierende « Preisüberwacherin »
Ausschliesslich
um den in E. 11.1.2 dargestellten Preisausbeutungstatbestand dreht sich der vorliegende
Streit, dessen Gegenstand
in E. 2.2.3 kurz umrissen wurde und hier zu vertiefen ist:
11.2.1
Der Beschwerdeführerin wird
- gestützt auf die Aktenlage - einzig
vorgeworfen, sie habe vom 1. April 2004 bis am 31. Mai 2005 im Sinne von Art. 7 Abs. 1
und Abs. 2 Bst. c KG ihre marktbeherrschende Stellung dazu missbraucht, von anderen FDA (d. h.
vorab von Sunrise und Orange) den unangemessenen Terminierungspreis von 33,5 Rp./Min. zu erzwingen.
Deshalb sei der verhängte Sanktionsbetrag gemäss Art. 49
a
Abs. 1 KG im Grundsatz gerechtfertigt.
Diese -
der Beschwerdeführerin ausschliesslich
vorgeworfene - Preisausbeutung
spielt sich unbestrittenermassen
im wettbewerbsfreien Raum ab, da angesichts der angebotsmonopolistischen Struktur des relevanten Terminierungsmarkts
(für eingehende Gespräche auf das Mobilfunknetz der Beschwerdeführerin, E. 9.8) insofern
kein Wettbewerb herrscht beziehungsweise herrschen kann, als die auf Terminierung angewiesenen FDA nicht
auf technisch zumutbare Alternativen ausweichen können (vgl. E. 10.5 sowie die Ziff. 69
[Fn. 69] der Leitlinien, a. a. O.). Daher versucht die Vorinstanz mit ihrem Eingriff als
« Preisüberwacherin », die Folgen von fehlendem
Wettbewerb zu bekämpfen, die
sie darin erblickt, dass die Beschwerdeführerin vom 1. April 2004 bis 31. Mai 2005 von
allen auf Interkonnektion angewiesenen FDA den angeblich « unangemessenen »
Terminierungspreis von 33,5 Rp./Min. « erzwingen » konnte.
Ihr Eingriff
ist deshalb nicht
darauf gerichtet, gegen allfällige Wettbewerbsbehinderungen, das heisst ein « Zuwenig
an Wettbewerb », anzukämpfen, um so dessen Wirksamkeit wiederherzustellen, was sich
bei Abreden oder abgestimmten Verhaltensweisen aufdrängen würde, wenn sich diese im Sinne von
Art. 5
KG als wettbewerbsschädlich erwiesen (vgl. zur Offenheit dieses Begriffs E. 5.6.5.5).
Zu einem solchen Vorgehen hätte die Vorinstanz auch keinen Anlass, da sie der Beschwerdeführerin,
wie bereits in E. 2.2.4 erwähnt, keine Behinderung
des Wettbewerbs - weder auf der Infrastrukturebene (« Wholesale »)
noch auf der Dienstleistungsebene (« Retail ») - vorwirft. Aus diesem Grunde
wird in der angefochtenen Verfügung davon abgesehen,
gestützt auf Art. 5 Abs. 3
KG eine auf die Preise
der Dienstleistungsebene (Endkundenebene)
bezogene Abrede (oder abgestimmte Verhaltensweise) aller
Mobilfunkanbieter zu sanktionieren, in deren Rahmen - neben anderen Faktoren, wie zum
Beispiel « Handysubventionen », Abonnements- und Minutenpreise
- auch die gegenseitig verrechneten Terminierungspreise (als Kostenbestandteile
des vom Endkonsumenten zu
bezahlenden Minutenpreises) einer kartellrechtlichen Würdigung zu unterziehen gewesen wären.
Insofern
erfolgte die hier strittige Intervention auch nicht primär im Interesse der Endkonsumenten, wie
die Vorinstanz selbst einräumt (vgl. E. 2.2.3), sondern im Interesse der als schutzbedürftig
erachteten Marktgegenseite, von der - so der Vorwurf - als Vertragspartnerin der angeblich
unangemessene Terminierungspreis von 33,5 Rp./Min. erzwungen worden sei (vgl. Dispositiv-Ziff. 2).
Dazu fällt auf, dass das im Verfügungsentwurf vom 11. Oktober 2006 (...) in
den Ziff. 193-200 noch enthaltene zweiseitige Kapitel zur angeblichen « Ausbeutung der
Endkunden » keinen Eingang in die angefochtene Verfügung gefunden hat. Dies belegt
im Rahmen der Entstehungsgeschichte der angefochtenen Verfügung die Verlagerung des Fokus
von den Verhältnissen auf der Endkundenebene (Dienstleistungsebene) zu den Terminierungspartnern
auf der strukturell anders gearteten Infrastrukturstufe (vgl. dazu nachfolgend E. 11.3.1.4
und E. 12.3.4).
11.2.2
Dieses prozessuale Vorgehen der
Vorinstanz gegen allfällige Preisausbeutungen ist im Grundsatz nicht zu beanstanden. Denn nach Art. 7
Abs. 1
KG lassen sich folgende zwei Ziele verwirklichen: Einerseits dürfen Massnahmen
getroffen werden, um fehlenden wirksamen Wettbewerb wiederherzustellen, was die Hauptaufgabe der Vorinstanz
ist. Darüber hinaus darf sie - im Sinne der Preisüberwachung (PUE) nach dem Preisüberwachungsgesetz
vom 20. Dezember 1985 (PüG, SR
942.20) - die
Folgen von fehlendem Preiswettbewerb korrigieren (vgl. Ducrey,
a. a. O., Rz. 217 mit weiteren Hinweisen). Daher ist - entgegen den Ausführungen
der Beschwerdeführerin - auch nicht zu bemängeln, dass die Vorinstanz - in der
von ihr wahrgenommenen Funktion als « Preisüberwacherin » - für
die Beurteilung der Angemessenheit der Preise die Kriterien nach Art. 13
PüG heranzieht (vgl.
Verfügung Ziff. 203 und 386).
11.3
Die kartellgesetzliche Wertparitätskontrolle im Kontext
der bundesrechtlichen Kodifikationen mit Auswirkungen auf Verträge
Die hier
ausschliesslich nach kartellgesetzlichen
Gesichtspunkten, das heisst nach Art. 7 Abs. 1
und Abs. 2 Bst. c KG zu klärende
Streitfrage, ob der angeblich erzwungene schuldrechtliche
Terminierungspreis von 33,5 Rp./Min. im relevanten Zeitraum angemessen war, liegt im Querschnittsbereich
von Schuld-, Straf-, Preisüberwachungs- und Fernmelderecht.
In diesen
vier Rechtsbereichen sind zur Überprüfung von schuldvertragsrechtlichen Äquivalenzverhältnissen
bereichsspezifisch definierte, behördliche
Wertparitätskontrollen bundesgesetzlich
vorgesehen, denen auch der strittige Terminierungspreis von 33,5 Rp./Min. unterworfen werden
könnte, sofern die einschlägigen gesetzlichen Voraussetzungen gegeben sind.
Denn es ist
zu beachten, dass im Unterschied zur Regulierung des Netzzugangs nach aArt. 11
FMG
(AS 1997 2187, neu: Art. 11
f.
FMG), welche öffentlichrechtlicher Natur ist, die direkt zwischen den FDA im Rahmen der Interkonnektion
vertraglich vereinbarten Terminierungspreise rein schuldrechtlicher
Natur sind und bei Streitigkeiten in die Zuständigkeit von Zivilgerichten fallen - ebenso
wie alle Streitigkeiten aus Interkonnektionsentscheiden der ComCom (aArt. 11 Abs. 4
zweiter Satz FMG, AS 1997 2187
[heute: Art. 11
b
FMG]; BGE 125 II 613 E. 1d; vgl. zu den fernmelderechtlichen Erfordernissen an die Interkonnektionsvereinbarungen
Art. 49
aFDV vom 2001, AS 2001 2759 [neu: Art. 64
der Verordnung vom 9. März 2007
über Fernmeldedienste {FDV, SR
784.101.1}]; vgl. dazu Amgwerd,
a. a. O., Rz. 339 ff., sowie Rz. 171 zum privat- bzw. öffentlichrechtlichen
Doppelcharakter des Netzzugangsregimes und der Doppelnorm von aArt. 11
FMG [AS
1997 2187, neu: Art. 11
und Art. 11
a
FMG]). Daher ist angesichts des Verhandlungsprimates nach aArt. 11 Abs. 3
FMG (AS 1997
2187) eine staatliche Regelung nur subsidiär für den Fall vorgesehen, dass sich die Parteien
nicht innert vernünftiger Frist einigen können (vgl. BGE 125 II 613 E. 1c; vgl. nachfolgend
E. 11.3.4).
Insbesondere
die parallel neben
dem KG - als Privatrechtskodifikation - bestehenden obligationen-, preisüberwachungs-
und fernmelderechtlichen Wertparitätskontrollen
sind für die Auslegung von Art. 7 Abs. 2 Bst. c
KG insofern von grundlegender Bedeutung,
als erst vor deren Hintergrund die Konturen dieser Bestimmung sichtbar werden und damit deren Anwendungsbereich
in einer Weise erkennbar wird, der dem in Art. 7 Abs. 1
erster Satz EMRK verankerten Bestimmtheitsgebot
und Gesetzmässigkeitsprinzip zu genügen vermag (vgl. E. 4.3). Gemäss Bundesgericht
ist bei der Suche nach der wahren Tragweite einer Norm - neben deren Entstehungsgeschichte und
ihres Zwecks - auch die Bedeutung zu suchen, die der Norm im
Kontext mit anderen Bestimmungen
zukommt (vgl. Urteil des Bundesgerichts 2A.503/2000 und 2A.505/2000 vom 3. Oktober 2001 E. 4c
mit weiteren Hinweisen).
Deshalb muss
hier im Einklang mit der höchstrichterlichen Rechtsprechung auf die kontextual bedeutsamsten
Wertparitätskontrollen Bezug genommen werden, weil diese - genauso wie das KG als Privatrechtskodifikation
- auf die privatrechtlichen Verhältnisse der FDA ausstrahlen und weil insbesondere im Interesse
der Einheit
der Rechtsordnung Wertungswidersprüche
vermieden werden müssen, die sich durch eine kartellgesetzlich verkürzte Sicht der Dinge
ergeben könnten.
In diesem
Zusammenhang hat das Handelsgericht Zürich zutreffend festgehalten, die Rechtsordnung
eines Rechtsstaats müsse als Einheit
betrachtet werden und der Anforderung nach Widerspruchsfreiheit genügen. Ansonsten bestehe
die Gefahr von offenen oder versteckten Widersprüchen rein logischer Natur oder auf der Werteebene.
Neben der Harmonisierung in der Gesetzgebung habe eine solche auch im Rahmen der Rechtsanwendung stattzufinden.
Diese Koordinationsaufgabe lasse sich grundsätzlich nicht generell-abstrakt, sondern nur problembezogen
und fallorientiert lösen. Zu beachten sei dabei, dass letztlich das Bundeszivil- und
das Bundesverwaltungsrecht demselben Ziel dienten, nämlich der Verwirklichung der an denselben
grundsätzlichen Werten orientierten, als Einheit zu betrachtenden Rechtsordnung (vgl.
Urteil vom 3. Oktober 2006 i. S. TDC Switzerland gegen Swisscom AG, Swisscom Fixnet AG betreffend
Forderung aus Wettbewerbsbeschränkung E. 4c, veröffentlicht in: RPW 2006/4 S. 730 ff.).
Dieses Urteil hat die I. zivilrechtliche Abteilung des Bundesgerichts im einlässlich
begründeten Urteil 4C.404/2006 vom 16. Februar 2007 bestätigt.
Entgegen
der Auffassung der Vorinstanz erachtet auch das Bundesverwaltungsgericht die im besagten
Urteil 4C.404/2006 vom 16. Februar 2007 vorgegebene Rechtsprechungslinie als massgebend. Denn das
Interesse an der Einheit der Rechtsordnung wiegt hier besonders schwer, nachdem die Schweiz die
Besonderheit kennt, dass parallel zwei Behörden - der Preisüberwacher und die WEKO
- existieren, die sich zuständig erklären können, um ex officio, das
heisst von Amtes wegen, die Angemessenheit des hier strittigen Terminierungspreises
von 33,5 Rp./Min. zu überprüfen, soweit die spezialgesetzlichen Voraussetzungen
erfüllt sind (vgl. dazu Botschaft zum KG 1994, BBl 1995 I 468, 526 f.; Christian
Bovet, in: Commentaire romand,
Tercier/Bovet [Hrsg.], Droit de la concurrence, Genf/Basel/München 2002, Introduction
à la LSPr, Rz. 5 ff.; Clerc,
a. a. O., Rz. 198 zu Art. 7
KG; Rolf H. Weber,
Preisüberwachungsgesetz [PüG], Stämpflis Handkommentar, Bern 2009, Vorbem.
N. 48-61 und N. 9 ff. zu Art. 3
PüG [zur Entstehungsgeschichte]
sowie Vorbem. N. 70 ff., N. 24 ff. zu Art. 3
, N. 10 ff. zu Art. 5
,
N. 1 ff. zu Art. 16
PüG [zum Verhältnis beider Behörden zueinander],
nachfolgend: Handkommentar).
Somit ist
nachfolgend entsprechend der höchstrichterlichen Rechtsprechung, soweit dies hier für
das Verständnis erforderlich ist, auf die wichtigsten, potenziell anwendbaren Instrumente
beziehungsweise Verfahren zur « Preishöhenkontrolle » einzugehen, die in den
folgenden vier Bundesgesetzen geregelt sind: (1.) Kartellgesetz:
Art. 7 Abs. 2 Bst. c
KG (vgl. E. 11.3.1); (2.) Obligationenrecht:
Art. 21
des Obligationenrechts vom 30. März 1911 (OR, SR
220) (vgl. E. 11.3.2); (3.)
Preisüberwachungsgesetz:
Art. 12
f. PüG (vgl. E. 11.3.3) und (4.) Fernmeldegesetz:
aArt. 11
FMG (AS 1997 2187)
(vgl. E. 11.3.4).
11.3.1
Vom KG, das heisst von Art. 7
Abs. 2 Bst. c
KG, ist auszugehen. Nach dieser Bestimmung fällt als unzulässige Verhaltensweise
« die Erzwingung unangemessener Preise »
in Betracht. Dieses Verhalten stellt gleichzeitig eine « Benachteiligung »
(Ausbeutung) der Marktgegenseite im Sinne von Art. 7 Abs. 1
KG dar, weshalb sie dem marktbeherrschenden
Unternehmen als ein nach Art. 49
a
Abs. 1 KG sanktionswürdiger Missbrauch seiner Stellung ausgelegt wird (vgl. E. 4.5
und E. 11.1.3).
11.3.1.1
Zum Verständnis dieser kartellgesetzlichen
Schutznorm, mit der privatrechtsgestaltende
Interventionen der Vorinstanz gerechtfertigt werden sollen, ist vorauszuschicken, dass Vertragsparteien
als Ausfluss der Vertragsfreiheit
(verstanden als Inhaltsfreiheit) die Wertrelationen von Leistung
und Gegenleistung grundsätzlich frei bestimmen
können (vgl. Bernhard Berger,
Allgemeines Schuldrecht, Bern 2008, Rz. 1067; Jacques Bonvin,
in: Commentaire romand, Tercier/Bovet [Hrsg.], Droit de la concurrence, Remarques liminaires
aux art. 6-11
LSPr, Rz. 14, Genf/Basel/München 2002; Eugen Bucher,
Schweizerisches Obligationenrecht - Allgemeiner Teil, 2. Aufl., Zürich 1988, S. 228;
Pierre Engel,
Traité des obligations en droit suisse, 2. Aufl., Bern 1997, S. 298; Nicolas
Herzog, in: Heinrich Honsell [Hrsg.],
Kurzkommentar Obligationenrecht, Basel 2008, N. 1 zu Art. 21
OR; Bruno
Schmidlin, in:
Commentaire romand, Thévenoz/Werro [Hrsg.], Code des obligations I, Genf/Basel/München
2003, N. 2 und 30
zu Art. 21
OR).
Insofern
ist es den Parteien eines schuldrechtlichen Vertrags nicht verwehrt, auch die Bezahlung von « hohen »
Preisen abzumachen, die selbst die wirtschaftliche Leistungskraft des Schuldners übersteigen, ohne
dass solche Preise aus obligationenrechtlicher Sicht als « ausbeuterisch » oder « unangemessen »
in Frage gestellt werden dürften (vgl. Herzog,
a. a. O., N. 3 zu Art. 21
OR; Claire Huguenin,
in: Basler Kommentar, Honsell/Vogt/Wiegand [Hrsg.],
Obligationenrecht I, 4. Aufl., Basel 2007, N. 21 zu Art. 21
OR). In diesem Sinne
hat es das Bundesgericht abgelehnt, ein behauptetes Missverhältnis von Leistung und
Gegenleistung unter dem Gesichtswinkel der Sittenwidrigkeit (Art. 20 Abs. 1
OR) zu prüfen, weil es gerade nicht Ziel der Grundwerte unserer Rechtsordnung sei, eine
Wertdisparität
von Vertragsleistungen zu verbieten (vgl. BGE 115 II 232 E. 4c). Nach dem Bundesgericht
werde dieser Problemkreis abschliessend vom Übervorteilungstatbestand
des Art. 21
OR erfasst (vgl. BGE 115 II 232 E. 4c; Urteil des Bundesgerichts 4A_504/2008 vom
6. Juli 2009 E. 2.1; Huguenin,
a. a. O., N. 21 zu Art. 21
OR; Alfred Koller,
Schweizerisches Obligationenrecht - Allgemeiner Teil, 3. Aufl., Bern 2009, Rz. 265;
anderer Meinung Bonvin,
a. a. O.,
Rz. 17 f.; Engel,
a. a. O., S. 306; Pierre Tercier,
Le droit des obligations, 3. Aufl., Genf/Zürich/Basel 2004, N. 778).
11.3.1.2
Aus diesem Grund werden im Vertragsrecht
(vorbehältlich von Art. 21
OR) selbst gravierende
Inadäquanzen toleriert (vgl. Herzog,
a. a. O., N. 3 zu Art. 21
OR). Infolgedessen wird nur in Ausnahmefällen
eine Verletzung der « Vertragsgerechtigkeit »
angenommen (vgl. BGE 123 III 292 E. 2e/aa; Bucher,
a. a. O., S. 229; anderer Meinung Peter Gauch,
Der Fussballclub und sein Mietvertrag: Ein markanter Entscheid zur Übervorteilung, recht 1998, S. 55 ff.,
95). Denn nach Auffassung des Bundesgerichts dürfe im geltenden System der Privatautonomie
einer Berufung auf Art. 21
OR nur ausnahmsweise stattgegeben werden (vgl. Urteil des Bundesgerichts
4C.238/2004 vom 13. Oktober 2005 E. 2.1; Bucher,
a. a. O., S. 229).
Diese restriktive
Haltung hängt mit der Auffassung zusammen, dass es « nur
einen durch Angebot und Nachfrage bestimmten, nicht jedoch einen < gerechten
Preis >
gibt »
(Bucher,
a. a. O., S. 231; vgl. auch BGE 123 III 292 E. 6b; Ducrey,
a. a. O., Rz. 216; Zäch,
Kartellrecht, a. a. O., Rz. 693; Weber,
Handkommentar, a. a. O., Vorbem. N. 1, sowie N. 6 und N. 10 zu Art. 12
PüG; zum « Zusammenspiel von Angebot und Nachfrage » im marktwirtschaftlichen
Preisbildungsprozess
vgl. [1.] aus ökonomischer Sicht Hans Christoph Binswanger,
Die Wachstumsspirale - Geld, Energie und Imagination in der Dynamik des Marktprozesses,
Marburg 2006, S. 9, 86-95, 97-102, sowie [2.] die Kritik am Denkmodell dieses
« Zusammenspiels » bei Karl-Heinz Brodbeck,
Die fragwürdigen Grundlagen der Ökonomie, 3. Aufl., Darmstadt 2007, S. 25 ff.;
Steve Fleetwood,
Why neoclassical economics explains nothing at all, in: Edward Fullbrook [Hrsg.],
Real World Economics, London/New York/Delhi 2007, S. 45 ff.; Bernard
Guerrien, Dictionnaire d'analyse
économique, 3. Aufl., Paris 2002, S. 305-307; Claus
Peter Ortlieb, Methodische Probleme
und methodische Fehler der mathematischen Modellierung in der Volkswirtschaftslehre, Hamburg 2004,
S. 4-18, online unter: http://www.math.uni-hamburg.de/home/ortlieb/ Ökonomische
und ökonomiekritische Texte; Wilhelm Röpke,
Jenseits von Angebot und Nachfrage. Ein Klassiker der Sozialen Marktwirtschaft, Düsseldorf 2009,
S. 334 ff.; Kurt W. Rothschild,
Macht: Die Lücke in der Preistheorie, in: Held/Kubon-Gilke/Sturn [Hrsg.],
Macht in der Ökonomie, Marburg 2008, S. 15 ff., insbes. S. 22-32).
Auch die
Lehre zum Kartellrecht befürwortet für Art. 7 Abs. 2 Bst. c
KG einhellig diese dem
Schuldrecht entstammende Auffassung des Primats der Privatautonomie, indem eine kartellgesetzliche
Intervention zur Festlegung eines « gerechten
Preises » abgelehnt wird
(vgl. Ducrey, a. a. O.,
Rz. 216; Reinert,
a. a. O., N. 23 zu Art. 7
KG; Zäch,
Kartellrecht, a. a. O., Rz. 693; aus ökonomischer Sicht zur Geschichte und
Kritik der im Laufe der Zeit entwickelten Tausch- und Geldtheorien und ihres Verhältnisses zur Idee
des « gerechten Preises » vgl. Karl-Heinz Brodbeck,
Die Herrschaft des Geldes - Geschichte und Systematik, Darmstadt 2009, S. 398-847).
11.3.1.3
Im Unterschied zum schuldrechtlichen
Übervorteilungstatbestand (vgl. nachfolgend E. 11.3.2) ist Art. 7 Abs. 2 Bst. c
KG auf Fälle von « marktbedingter Leistungsinäquivalenz » zugeschnitten
(vgl. Huguenin,
a. a. O., N. 21 zu Art. 21
OR). Diese Bestimmung enthält deshalb einen auf marktbeherrschende
Unternehmen zugeschnittenen Anwendungsbereich, indem das nach Art. 4 Abs. 2
KG die Marktbeherrschung
konstituierende Merkmal des « in wesentlichem Umfange unabhängigen Verhaltens »
ein Ausmass an Handlungsfreiheit
beinhaltet, das mit einem entsprechenden Zwangspotenzial gegenüber einer auf Geschäftsbeziehungen
angewiesenen Marktgegenseite einhergeht (vgl. Reinert,
a. a. O., N. 23 zu Art. 7
KG; Zäch,
Kartellrecht, a. a. O., Rz. 694).
Insofern
geht es letztlich - aus der Sicht der marktbeherrschenden « Täterseite »
- um den « Missbrauch wirtschaftlicher Handlungsfreiheit » gegenüber
der als Opfer ausgebeuteten Marktgegenseite (Art. 4 Abs. 2
i. V. m. Art. 7
KG;
Roger Zäch/Adrian Künzler,
Traditionelle europäische Wettbewerbspolitik versus « more economic approach »,
in: Schweizerisches Jahrbuch für Europarecht 2007/2008, S. 30 ff., insbes. S. 32 ff.;
Zäch,
Kartellrecht, a. a. O., Rz. 91, 526 ff.; vgl. auch Amstutz,
a. a. O., S. 52 ff.; Bundeskartellamt, Die Zukunft der Missbrauchsaufsicht
in einem ökonomisierten Wettbewerbsrecht [Hintergrundpapier vom 20. September 2007],
online unter: < http://www.bundeskartellamt.de/wDeutsch/download/pdf/Diskussionsbeitraege/07
0920_AK_Kartellrecht.pdf >;
zum Problem der Gefährdung
der Handlungsfreiheit im Markt
unter Bezugnahme auf Friedrich
August von Hayek; vgl.
Adrian Künzler, Effizienz
oder Wettbewerbsfreiheit?, Zur Frage nach den Aufgaben des Rechts gegen private Wettbewerbsbeschränkungen,
Tübingen 2008, S. 201-219, sowie Karl-Heinz Brodbeck,
Was heisst eigentlich « Marktgehorsam »?, in: Assländer/Ulrich [Hrsg.],
60 Jahre Soziale Marktwirtschaft - Illusionen und Reinterpretationen einer
ordnungspolitischen Integrationsformel, Bern/Stuttgart/Wien 2009, S. 45-67, online
unter: http://www.khbrodbeck.homepage.t-online.de
> Downloads > Ökonomie).
In diesem
Sinne verweist der im Kontext von Art. 7 Abs. 2 Bst. c
KG verwendete Begriff « Erzwingung »,
der Art. 82 EGV nachgebildet ist (vgl.
E. 12.3.3), auf die wirtschaftliche
Macht eines beherrschenden Unternehmens, das seinen Vertragspartnern seinen Willen aufzwingen kann,
weshalb es auf deren Verhandlungsgeschick nicht ankommen kann (vgl. de Bronett,
a. a. O., § 22 N. 49, S. 928; Clerc,
a. a. O., Rz. 209 zu Art. 7
KG).
Aus diesem Grunde stehen insbesondere Monopolisten unter dem Generalverdacht, dass sie ihre Preissetzungsmacht
tendenziell durch die Festsetzung von « unangemessen hohen Preisen » missbrauchen
(vgl. Amgwerd, a. a. O.,
Rz. 58). Dazu hält indessen Zäch
einschränkend fest, dass auch hohe Preise nicht per se als unangemessen zu beurteilen seien.
Denn Wettbewerb schliesse die Möglichkeit ein, hohe Preise zu verlangen, nachdem man durch überlegene
Leistung eine Monopolstellung errungen habe (Zäch,
Kartellrecht, a. a. O., Rz. 693; vgl. auch Künzler,
a. a. O., S. 125 f.). Gerade die hier angesprochene Notwendigkeit,
missbräuchliche beziehungsweise wettbewerbswidrige von wettbewerbskonformen Verhaltensweisen
abzugrenzen (vgl. E. 4.5.1, sowie Zäch,
Kartellrecht, a. a. O.,
Rz. 626 ff.), hat zur Lehre der sogenannten « legitimate
business reasons » geführt,
mit der das Vorliegen « sachlicher Gründe » evaluiert werden soll, um
beispielsweise auf den ersten Blick unübliche Geschäftspraktiken rechtfertigen zu können
(vgl. Amstutz,
a. a. O., S. 59 ff.; Borer,
a. a. O., Rz. 9 zu Art. 7
KG; Clerc,
a. a. O., Rz. 79 ff. zu Art. 7
KG; Künzler,
a. a. O., S. 452 ff.; Katharina Schindler,
Wettbewerb in Netzen als Problem der kartellrechtlichen Missbrauchsaufsicht: die « Essential
Facility »-Doktrin im amerikanischen, europäischen und schweizerischen Kartellrecht,
Bern 1998, S. 195 f., nachfolgend: Wettbewerb; Zäch,
Kartellrecht, a. a. O., Rz. 627 ff.).
Diese Grundlagen
befolgt auch die WEKO in ihrer Praxis zur Preisausbeutung. In ihrer Verfügung vom 22. November
2004 i. S. Swisscom Directories AG hält die Vorinstanz fest, gemäss Art. 7 Abs. 2
Bst. c
KG sei ein von einem marktbeherrschenden Unternehmen « festgelegter »
Preis unangemessen, wenn er in keinem angemessenen Verhältnis zur wirtschaftlichen Gegenleistung
stehe und nicht Ausdruck von Leistungswettbewerb, sondern einer monopolnahen Dominanz auf
dem relevanten Markt sei (veröffentlicht in: RPW 2005/1 S. 54 ff., insbes. S. 104
Rz. 300). Nach Auffassung der Vorinstanz habe das KG dort einzugreifen, wo die Preise nicht
Resultat des Zusammenspiels von Angebot und Nachfrage seien, das heisst in Fällen, wo die Renditennormalisierungsfunktion,
welche die Preisbildung im wirksamen Wettbewerb determiniert, ausgeschaltet sei (RPW 2005/1 S. 104
Rz. 300). In diesem Zusammenhang anerkennt die Vorinstanz in Übereinstimmung mit der
Lehre, dass auch hohe Preise gerechtfertigt sein können, wenn die Preisbildung auf sachlichen
Grundlagen (« legitimate
business reasons »)
beruhe, zumal das KG nicht bezwecke, für « gerechte » Preise zu sorgen (RPW
2005/1 S. 104 Rz. 300). Daher, so die Schlussfolgerung der Vorinstanz, sei in einem nach Art. 4
Abs. 2
KG vermachteten Markt nach Art. 7 Abs. 2 Bst. c
KG zu prüfen, wie sich
die strittigen Preise (oder Geschäftsbedingungen) ohne Bestehen einer marktbeherrschenden
Position eines Unternehmens präsentieren würden (RPW 2005/1 S. 104 Rz. 300).
11.3.1.4.
Bei diesen Gedanken aus der Lehre und der Praxis zur Auslegung von Art. 7 Abs. 2 Bst. c
KG ist freilich zu beachten, dass stillschweigend jeweils Märkte vorausgesetzt werden, die
von der Vertragsfreiheit
in ihren unterschiedlichen Aspekten etwa der Abschlussfreiheit, Partnerwahlfreiheit, Inhaltsfreiheit,
Formfreiheit oder der Aufhebungsfreiheit (vgl. BGE 129 III 35 E. 6.1; Eugen
Bucher, in: Basler Kommentar,
Honsell/Vogt/Wiegand [Hrsg.],
Obligationenrecht I, 4. Aufl., Basel 2007, N. 5-19 vor Art. 1
-40
OR)
beherrscht werden. Diese implizite
Voraussetzung wird nie speziell erwähnt, sondern als für « normale » Märkte
selbstverständlich angenommen. Demgemäss wird - wie hier ohne vertiefte Reflexion
- davon ausgegangen, dass sich bei Marktbeherrschungssachverhalten ein kartellgesetzlicher
Interventionsbedarf immer dann ergeben müsse, wenn die Preisbildung nicht mehr als das
Ergebnis von wirksamem Wettbewerb erscheint.
Im Kontrast
dazu stehen Netzwerksachverhalte,
die sich dadurch auszeichnen, dass - wie beispielsweise hier - Angebotsmonopolisten
auf der Infrastrukturebene in gegenseitiger Abhängigkeit voneinander Terminierungspreise
aushandeln müssen. Solche Netzwerksachverhalte finden insbesondere in der gängigen Literatur
zum Kartellrecht, wenn überhaupt, kaum Erwähnung.
In der bei
der kartellrechtlichen Prüfung mitzuberücksichtigenden öffentlichrechtlichen Interkonnektionsregelung
von aArt. 11
FMG (AS 1997 2187)
wird mit der fernmelderechtlichen Kontrahierungspflicht der Beschwerdeführerin die Abschluss-
und Partnerwahlfreiheit (als Teilaspekte der Vertragsfreiheit) eingeschränkt (aArt. 11
Abs. 1
FMG [AS 1997 2187]). Gleichzeitig wird den Vertragsparteien des Marktbeherrschers
das - auf « normalen » Märkten nicht
bestehende - Recht eingeräumt, bereits im Rahmen von Vertragsverhandlungen einen behördlichen
Regulator (ComCom als spezialgesetzliche Wettbewerbsbehörde) zur Festsetzung von Terminierungspreisen
oder weiteren Vertragsnebenbedingungen anzurufen (aArt. 11 Abs. 3
FMG
[AS 1997 2187]; vgl. Amgwerd, a. a. O.,
Rz. 353-357).
Der Einfluss,
den diese fernmelderechtliche Ordnung für den zu beurteilenden angeblich kartellgesetzwidrigen Terminierungspreis
von 33,5 Rp./Min. hat (vgl. E. 10.8), wird in der E. 12.3 vertieft zu erörtern sein,
nachdem im Folgenden die weiteren bundesrechtlichen Wertparitätskontrollen kurz
darzustellen sind.
11.3.2
Der Übervorteilungstatbestand
von Art. 21
OR, der ebenfalls
mit Art. 157
StGB (E. 4.5.2) strukturell verwandt ist, enthält einen schuldrechtlichen
Prüfungsmassstab, der sich mit den Voraussetzungen von Art. 7 Abs. 2 Bst. c
KG vergleichen
lässt (E. 11.3.1 und E. 12.1).
Nach
Art. 21 Abs. 1
OR kann der Verletzte
innert Jahresfrist erklären, dass er den Vertrag nicht halte und das schon Geleistete zurückverlange,
wenn ein offenbares Missverhältnis zwischen der Leistung
und der Gegenleistung durch einen
Vertrag begründet wird, dessen Abschluss von dem einen Teil durch Ausbeutung der
Notlage,
der Unerfahrenheit oder
des Leichtsinns
des anderen herbeigeführt worden ist.
11.3.2.1
Dieser Tatbestand setzt objektiv
ein offenbares Missverhältnis zwischen den Austauschleistungen und subjektiv eine Schwächelage
des Übervorteilten sowie ihre bewusste Ausbeutung durch den Übervorteilenden voraus (vgl.
BGE 123 III 292 E. 4; Herzog,
a. a. O., N. 4-9 zu Art. 21
OR; Huguenin,
a. a. O., N. 5-14 zu Art. 21
OR).
Die Schwächelage
muss sich als Beeinträchtigung der Entscheidungsfreiheit in einer « subjektiven
Ausnahmesituation » manifestieren, die ein freies Aushandeln der Vertragsbedingungen ausschliesst
und den Betroffenen zu aussergewöhnlichen Entschlüssen führt (vgl. Huguenin,
a. a. O., N. 10 zu Art. 21
OR). Liegt diese Schwächelage vor, gilt der « ausgehandelte »
Preis nicht als Ausfluss der prinzipiell zu respektierenden Privatautonomie, was dem Übervorteilten
ein Anfechtungsrecht gibt. Auf dessen Zivilklage hin hat der Richter zu prüfen, ob ein objektives
Missverhältnis zwischen den Austauschleistungen besteht. Dabei ist vom Marktpreis
gleicher oder vergleichbarer Leistungen auszugehen und bei dessen Fehlen von anerkannten Bewertungsmassstäben
entsprechender Leistungen (vgl. BGE 123 III 292 E. 6a). Fehlt ein Marktpreis,
kann eine Leistung aufgrund der Kosten (Leistungsaufwand) zuzüglich eines angemessenen Profitzuschlags
bewertet werden oder es sind die Kriterien des Art. 13
PüG beizuziehen (Huguenin,
a. a. O., N. 6 zu Art. 21
OR mit weiteren Hinweisen).
11.3.2.2
Bereits diese knappe Übersicht
zeigt, wie anspruchsvoll die Aufgabe aller
preiskontrollierenden Behörden ist, wenn diese mit Blick auf privatrechtsgestaltende oder sanktionierende
Entscheide die Angemessenheit intersubjektiver Wertrelationen, das heisst den im Preis ausgedrückten
Sach- oder Leistungswert, sachlich fundiert beurteilen müssen (vgl. zur Problematik verschiedener
Preisregulierungsmodelle: Weber,
Handkommentar, a. a. O., Vorbem. N. 22-39).
11.3.3
Im Unterschied zu den vorgenannten
Bestimmungen, denen letztlich immer die amtliche Kontrolle bestehender
Schuldverträge zu Grunde liegen, sind die preisüberwachungsrechtlichen
Interventionsschwellen wesentlich tiefer angesetzt, indem ganz allgemein und einzelvertragsunabhängig
Preise - als in Geld ausgedrückte Tauschwerte von Gütern oder Dienstleistungen (vgl.
Weber,
Handkommentar, a. a. O., N. 15 zu Art. 1 PüG) - amtlich überprüft
werden können, sofern nicht Sonderregelungen dem entgegenstehen.
11.3.3.1
Nach Art. 4 Abs. 2 erster Satz
PüG obliegt dem Preisüberwacher die Hauptaufgabe, die missbräuchliche Erhöhung und
Beibehaltung von Preisen zu verhindern oder zu beseitigen, wenn marktmächtige Unternehmen
(Art. 2 PüG) Preise verlangen, die auf dem betreffenden Markt nicht das Ergebnis von wirksamem
Wettbewerb sind (vgl. Art. 12 Abs. 1 PüG). Ein solcher fehlt insbesondere dann, wenn die
Abnehmer keine Möglichkeit haben, ohne erheblichen Aufwand auf vergleichbare Angebote auszuweichen
(Art. 12 Abs. 2 PüG; Weber,
Handkommentar, a. a. O., N. 20 ff. zu Art. 12
PüG).
11.3.3.2
Das Preisüberwachungsrecht
kennt keine spezifisch subjektbezogenen Eingriffskriterien, wie beispielsweise die Erzwingung gegenüber
dem Betroffenen (Art. 7 Abs. 2 Bst. c
KG) oder dessen Not- (Art. 21
OR) oder Zwangslage
(Art. 157
StGB), die im Rahmen eines konkreten Vertragsverhältnisses bestehen müsste (vgl.
Weber,
Handkommentar, a. a. O., N. 23 zu Art. 1 PüG).
Denn der
Preisüberwacher soll nach PüG im Interesse des Konsumentenschutzes
(vgl. Bonvin,
a. a. O., Rz. 25 zu Art. 4 PüG; Weber,
Handkommentar, a. a. O., N. 21 zu Art. 4 PüG bzw. N. 13 zu Art. 12
PüG) generell verhindern, dass bei fehlendem wirksamem Wettbewerb bestehende erhöhte
Preissetzungsspielräume zur Festlegung missbräuchlicher Preise ausgenutzt und Kartell-
beziehungsweise Monopolrenten realisiert werden (vgl. BGE 130 II 449 E. 6.4; Rudolf
Lanz, Die wettbewerbspolitische
Preisüberwachung, in: Cottier/Oesch [Hrsg.], Schweizerisches Bundesverwaltungsrecht, Bd. XI:
Allgemeines Aussenwirtschafts- und Binnenmarktsrecht, 2. Aufl., Basel 2007, Rz. 29; Weber,
Handkommentar, a. a. O., Vorbem. N. 2 ff.). Insofern will die preisüberwachungsrechtliche
Wettbewerbsersatzpolitik missbräuchliche Preisbildungen als Folge von fehlendem Preiswettbewerb
verhindern (vgl. Lanz,
a. a. O., Rz. 13).
11.3.3.3
Im Unterschied zur Vorinstanz,
die in der angefochtenen Verfügung darauf verzichtet, die preisliche Angemessenheitsgrenze
festzulegen (Verfügung Ziff. 353 und 422; vgl. kritisch dazu Jacobs,
a. a. O., S. 147), obliegt dem Preisüberwacher diese Aufgabe (vgl. Lanz,
a. a. O., Rz. 25 ff., 58 ff.; Weber,
Handkommentar, a. a. O., N. 4 f. zu Art. 10 PüG mit Verweis auf BGE 130 II 449
E. 6.1). Bei der Prüfung, ob eine missbräuchliche Erhöhung oder Beibehaltung
eines Preises vorliegt, hat er nach Art. 13 Abs. 1 PüG insbesondere die folgenden
Faktoren zu berücksichtigen: die Preisentwicklung auf Vergleichsmärkten (Bst. a),
die Notwendigkeit der Erzielung angemessener Gewinne (Bst. b), die Kostenentwicklung
(Bst. c), besondere Unternehmerleistungen (Bst. d) und besondere Marktverhältnisse
(Bst. e). Das Gesetz enthält keine Definition des missbräuchlichen Preises,
sondern nur Elemente, die bei der Beurteilung zu berücksichtigen sind. Diese Elemente sind
nicht abschliessend und stehen nicht in einem hierarchischen Verhältnis. Zudem steht dem Preisüberwacher
in der Auswahl der anzuwendenden Methode ein erheblicher Ermessensspielraum zu
(vgl. BGE 130 II 449 E. 6.1 mit weiteren Hinweisen).
Fehlen Vergleichsmärkte,
das heisst vergleichbare Wettbewerbspreise, muss der Preisüberwacher bei der Angemessenheitsprüfung
auf die in Art. 13 Bst. b bis Bst. e PüG umschriebenen weiteren Beurteilungselemente
ausweichen (vgl. BGE 130 II 449 E. 6.4). Bei der Frage der Missbräuchlichkeit ist insbesondere
nach Art. 13 Abs. 1 Bst. b PüG die Notwendigkeit der Erzielung angemessener
Gewinne zu prüfen, das heisst die Gewinnmarge (vgl. BGE 130 II 449 E. 6.7.1 und E. 6.8.1).
11.3.3.4
Trotz der parallelen Sachzuständigkeit
des Preisüberwachers und der Vorinstanz bei Preiskontrollen (zu deren Arbeitsteilung vgl. Bonvin,
a. a. O., Rz. 16-37
zu Art. 5
PüG sowie Rz. 7 ff. zu Art. 16
PüG; Lanz,
a. a. O., Rz. 41; Weber,
Handkommentar, a. a. O., N. 10 zu Art. 5
PüG sowie N. 3 f. und N. 16
zu Art. 16
PüG) unterscheiden sich die Wirkungsmöglichkeiten dieser Behörden beträchtlich:
Bei Preisausbeutungssachverhalten
genügt für eine Intervention des Preisüberwachers zwar schon die Abwesenheit von wirksamem
Wettbewerb (Art. 12
PüG; vgl. Bonvin,
a. a. O., Rz. 14 ff. zu Art. 12
PüG),
sofern nicht die in Art. 15
PüG vorbehaltene bundesrechtliche PUE greift. Dies könnte
- im vorliegenden Kontext - nur bei einem hängigen
Interkonnektionsverfahren der Fall sein, was die Zuständigkeit des Preisüberwachers ausschliessen
und ihm lediglich ein Empfehlungsrecht einräumen würde (Art. 15 Abs. 2
bis f.
PüG). Diese differenzierte Sicht steht mit der Praxis des Bundesgerichts im Einklang, wonach Interkonnektionssachverhalte
unter Beachtung des Kartell-, Wettbewerbs- und
Preisüberwachungsrechts in den gesamten Kontext der Wirtschaftsordnung gestellt werden müssen
(vgl. Urteil des Bundesgerichts 2A.503/2000 vom 3. Oktober 2001 E. 6c, wonach die Interkonnektionspflicht
als besondere sektorielle Regelung ergänzend
zu der übrigen preis- und wettbewerbsrechtlichen Ordnung hinzutritt; Bonvin,
a. a. O., Rz. 19-34
zu Art. 15
PüG; Weber,
Handkommentar, a. a. O., N. 15 zu Art. 16
PüG;
anderer Meinung wenn auch ohne Bezugnahme auf das bundesgerichtliche Urteil 2A.503/2000,
Marcel Dietrich/Alexander Bürgi,
Abgrenzung der Zuständigkeiten von Wettbewerbskommission und Preisüberwacher, sic! 3/2005,
S. 179 ff.; Lanz,
a. a. O., Rz. 35, 134).
Indes stehen
dem Preisüberwacher - wegen der tiefen Eingriffsschwelle - im Unterschied zur Vorinstanz
keinerlei Sanktionskompetenzen
zu, um « Preisausbeutungen » als solche nachträglich
zu bestrafen (Bovet,
a. a. O.,
Rz. 38). Strafbestimmungen
sind nach Art. 23 Abs. 1
PüG nur vorgesehen, wenn (a.) eine verfügte Preissenkung
nicht vorgenommen wird, (b.) trotz Untersagung ein Preis erhöht wird oder (c.) einvernehmlich
geregelte Preise überschritten werden (vgl. die entsprechende Regelung in Art. 50
KG
sowie dazu das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts B-2157/2006
vom 3. Oktober 2007 i. S. Flughafen Zürich AG [Unique] E. 4 ff., veröffentlicht
in: RPW 2007/4 S. 653 ff.).
Im Unterschied
dazu ist die WEKO gestützt auf Art. 49
a
Abs. 1 KG (i. V. m. Art. 7 Abs. 1
und Abs. 2 Bst. c KG) ermächtigt,
Preisausbeutungen mit Verwaltungssanktionen zu belegen. Diese einschneidende Sanktionsbefugnis
erklärt auch, weshalb der Kartellgesetzgeber für die Vorinstanz eine bedeutend
höhere Eingriffsschwelle festgelegt hat, die mit den spezifischen Voraussetzungen von Art. 7
Abs. 2 Bst. c
KG - vergleichbar mit dem Wuchertatbestand von Art. 157
StGB
(E. 4.5.2) - die Sanktionswürdigkeit
des inkriminierten Verhaltens widerspiegeln soll (vgl. E. 12).
11.3.4
Zum Abschluss dieser Übersicht
ist auf das fernmelderechtliche
Preiskontrollverfahren einzugehen, das die strukturell tiefste Eingriffsschwelle kennt und
für das die ComCom als sektorspezifische Wettbewerbsbehörde
zuständig ist:
11.3.4.1
Gemäss dem hier anwendbaren
aArt. 11 Abs. 3
FMG (AS 1997 2187)
(vgl. E. 3.2) verfügt die ComCom auf Antrag des BAKOM (vgl. auch Art. 47
aFDV von 2001
[AS 2001 2759]) die Interkonnektionsbedingungen nach markt- und branchenüblichen
Grundsätzen, wenn innert dreier Monate zwischen der zur Interkonnektion verpflichteten
Anbieterin und der Anfragerin keine vertragliche Einigung zustande kommt. Zu betonen ist,
dass einzig die betroffenen FDA Parteien eines Interkonnektionsvertrags sind. Auf Gesuch
einer dieser Parteien - oder von Amtes wegen (Art. 44
aFDV von 2001 [AS 2001 2759]) -
kann die ComCom einstweiligen Rechtsschutz gewähren, um die Interkonnektion während
des Verfahrens sicherzustellen (aArt. 11 Abs. 3
zweiter Satz FMG [AS 1997 2187]; Art. 44
aFDV von 2001 [AS 2001 2759]). Die Art. 38
ff. aFDV von 2001 (AS 2001 2759) regeln das Verfahren
zum Abschluss von Interkonnektionsvereinbarungen, Art. 43
ff. aFDV von 2001
(AS 2001 2759) dasjenige zur Anordnung einer Verfügung auf Interkonnektion (vgl. dazu das
Urteil des Bundesgerichts 2A.206/2001 vom 24. Juli 2001 E. 1b).
11.3.4.2
Nach aArt. 11 Abs. 1
FMG (AS 1997 2187) sind die Interkonnektionspreise
einer marktbeherrschenden FDA kostenorientiert
auszugestalten. Die Grundsätze einer solchen kostenorientierten Preisgestaltung
werden in Art. 45
aFDV von 2001 (AS 2001 2759) konkretisiert (unter Verwendung verschiedener
unbestimmter Rechtsbegriffe, die sich durch eine hohe technische Komplexität auszeichnen).
Dazu hat das Bundesgericht festgehalten, dass Kostenorientierung nicht Kostengleichheit bedeute
(vgl. BGE 132 II 257 E. 3.3.2). Denn auch die marktbeherrschende Anbieterin dürfe auf
ihren Investitionen einen Gewinn erzielen, wobei sich die Preise an den Kosten ausrichten müssten
und der Gewinn nicht übermässig sein dürfe; im Zweifel habe er den markt- und branchenüblichen
Profiten für die fraglichen Interkonnektionsleistungen gemäss aArt 11 Abs. 3
FMG (AS 1997 2187) zu entsprechen (vgl. BGE 132 II 257 E. 3.3.2). In diesem Zusammenhang hält
das Bundesgericht fest, dass sich die interkonnektionspflichtige Anbieterin nicht auf allenfalls
ineffiziente eigene Kosten berufen dürfe, sondern dass sich die Preise am Aufwand einer effizienten
Anbieterin in einer funktionierenden Wettbewerbssituation auszurichten hätten, unter Berücksichtigung
einer üblichen Gewinnmarge (vgl. BGE 132 II 257 E. 3.3.2 mit Verweis auf Art. 45
Abs. 2
aFDV von 2001 [AS 2001 2759]). Auch verlange die Festsetzung kostenorientierter
Preise nicht die vollständig gesicherte Erhebung der tatsächlichen Kosten,
sondern lediglich eine auf objektiven Kriterien beruhende, nachvollziehbare Annäherung der
Preise an diese Kosten mit Zuschlag einer üblichen Profitmarge (vgl. BGE 132 II 257 E. 3.3.2).
11.3.4.3
Wie sich aArt. 11 Abs. 3
FMG (AS 2002 2197) entnehmen lässt, ist es der ComCom jedoch verwehrt,
Terminierungspreise von Amtes wegen
auf ihre Angemessenheit
hin zu überprüfen. Vielmehr darf sie nur auf Gesuch
einer auf Interkonnektion angewiesenen FDA hin tätig werden, wenn diese mit der marktbeherrschenden
- und daher nach aArt. 11 Abs. 1
FMG (AS 1997 2187) interkonnektionspflichtigen
- Anbieterin keine Einigung zum Terminierungspreis oder Terminierungstarif erzielt
(vgl. neurechtlich Urteil des Bundesverwaltungsgerichts A-7162/2008
vom 1. Februar 2010 E. 9.3.5 [teilweise veröffentlicht in BVGE 2010/19] sowie zur Tarifstruktur
von Terminierungsvereinbarungen BGE 132 II 257 E. 3.3.3).
Denn nach
den Vorstellungen des Bundesgesetzgebers sollen die - erst auf der Dienstleistungsebene
- als Konkurrenten auftretenden
Vertragsparteien selbst die Interkonnektionsbedingungen (d. h. Preise und Nebenbedingungen)
aushandeln (vgl. Botschaft vom 10. Juni 1996 zum revidierten Fernmeldegesetz [FMG], BBl 1996
III 1419, nachfolgend: Botschaft zum FMG 1996). Nur bei vertraglicher Nichteinigung soll der Regulator
vermitteln und die Modalitäten der Netzzusammenschaltung festlegen. Nach Auffassung des Bundesrats,
dem der Bundesgesetzgeber gefolgt ist, soll « staatliches Handeln [...] also auch hier subsidiär
sein, d. h. nur dann erfolgen, wenn vertraglich keine Lösung gefunden wird » (vgl.
Botschaft zum FMG 1996, BBl 1996 III 1419). Diese in aArt. 11 Abs. 3
FMG (AS 1997 2187) festgelegte
« Subsidiarität
der Behördenintervention » wird auch als Verhandlungsprimat
bezeichnet (vgl. Amgwerd, a. a. O.,
Rz. 349-352), das sich auf die Phase der vertraglichen Interkonnektionsverhandlungen
bezieht, die von der Vertragsfreiheit (als Inhaltsfreiheit) beherrscht werden. Dies ist abzugrenzen
von der nach aArt. 11 Abs. 1
FMG (AS 1997 2187) bestehenden Kontrahierungspflicht,
welche die Vertragsfreiheit des Marktbeherrschers in Bezug auf Abschluss- und Partnerwahlfreiheit
aufhebt (vgl. oben E. 11.3.1.3).
Anzumerken
bleibt auch hier, dass die fernmelderechtliche Preiskontrolle kein dem KG vergleichbares Sanktionssystem
kennt, in dem strafähnliche « Bussgelder » verhängt werden
können. Dies wäre im Übrigen systemwidrig, nachdem der ComCom die Rolle zukommt, auf Einigungen
hinzuwirken und bei Interkonnektionsverhandlungen der als schutzbedürftig erachteten Marktgegenseite
(des marktbeherrschenden Unternehmens) unterstützend beizustehen, und erst auf deren
Gesuch hin allenfalls privatrechtsgestaltend den Terminierungspreis festzulegen (vgl. Amgwerd,
a. a. O., Rz. 353-357).
11.3.4.4
Das Verhandlungsprimat, das die
Vorinstanz als « ineffizient » kritisiert (vgl. Verfügung Ziff. 60, 166),
wurde auch in der jüngsten Revision des FMG nicht in Frage gestellt. In seiner Botschaft dazu
hält der Bundesrat am Verhandlungsprimat mit der Begründung fest, die Vertragsfreiheit
gehe dem behördlichen Eingriff vor, zumal während des Instruktionsverfahrens noch eine
Vermittlung zwischen den Parteien versucht werden solle (vgl. Botschaft vom 12. November 2003
zur Änderung des Fernmeldegesetzes [FMG], BBl 2003 I 8002, nachfolgend: Botschaft zum FMG
2003).
Des Weiteren
hat es der Bundesgesetzgeber in Übereinstimmung mit dem Antrag des Bundesrats abgelehnt,
im revidierten Fernmelderecht die in Europa geltende ex-ante-Regulierung
einzuführen, wonach marktbeherrschende Anbieterinnen ihre Zugangsbedingungen (Preise und Nebenbedingungen)
dem Telekom-Regulator vorab
(ex ante) zur Genehmigung
vorlegen müssen (vgl. Amgwerd, a. a. O.,
Rz. 350 ff.). Dazu hält der Bundesrat in seiner Botschaft fest (Botschaft zum FMG 2003,
BBl 2003 I 8002):
« Demgegenüber
verlangt der neue EU-Rechtsrahmen die Einführung einer so genannten Ex-ante-Regulierung. Die Abkehr
vom Verhandlungsprimat zu Gunsten einer solchen Ex-ante-Regulierung hätte zur Folge, dass
die ComCom bei Vorliegen einer von der Wettbewerbskommission festgestellten Marktbeherrschung
von Amtes wegen eingreifen und die technischen sowie die kommerziellen Interkonnektionsbedingungen
unabhängig von einem Antrag einer Anbieterin von Fernmeldediensten festlegen könnte. Die Markteintrittsbedingungen
wären damit für alle Fernmeldedienstanbieterinnen von Anfang an bekannt. Zudem gälten
die von der ComCom festgelegten Interkonnektionsbedingungen nicht nur zwischen den am Verfahren
beteiligten Parteien, sondern für alle Fernmeldedienstanbieterinnen in der Schweiz
gleichermassen.
Ein solches
System würde zudem die Interkonnektionsverfahren stark verkürzen. Eine solche Ex-ante-Kompetenz
entspricht allerdings nicht der schweizerischen Rechtstradition der Subsidiarität von Regulierungen
und beinhaltet insbesondere die Gefahr eines übertriebenen Interventionismus des Regulators.
Auch könnten aufgrund von Regulierungsungenauigkeiten oder -fehlern Marktverzerrungen resultieren,
welche negative Innovations- und Investitionsanreize setzen könnten. Auf eine Abkehr vom bisherigen
System wird daher verzichtet. »
12.
Missbräuchlichkeit des vorgeworfenen Verhaltens?
12.1
Der massgebliche Prüfungsraster für den vorliegenden
Fall
Wie bereits
in E. 11.1.3 einlässlich dargelegt, setzt im Lichte von Art. 7 Abs. 1
erster Satz
EMRK (E. 4.5.2) die Tatbestandsmässigkeit des inkriminierten Verhaltens, das heisst die
unzulässige « Ausbeutung » (E. 11.1.2) der Marktgegenseite durch ein marktbeherrschendes
Unternehmen (Art. 7 Abs. 1
KG), im Kontext des vorliegenden Falles voraus, dass
unangemessene Preise erzwungen
wurden (Art. 7 Abs. 2 Bst. c
KG). Nach dieser Bestimmung müssen, wie in der E. 11.3.1
erwähnt wurde, drei Tatbestandselemente kumulativ
gegeben sein, damit eine Sanktionierung nach Art. 49
a
Abs. 1 KG rechtmässig erfolgen darf: (1.) Die Marktbeherrschung
durch ein Unternehmen, das (2.) gegenüber der Marktgegenseite (d. h. ihrer Vertragspartnerin
als Nachfragerin) durch Erzwingung
(3.) in den Genuss von unangemessen (hohen) Preisen
kommt (« Preisausbeutung »). Liegt auch nur eines dieser kartellgesetzlichen
Tatbestandselemente nicht vor, darf nach Art. 49
a
Abs. 1 KG keine
Sanktion verhängt werden.
Im Unterschied
zur Vorinstanz ist zuerst
die Frage zu prüfen, ob eine « Erzwingung »
überhaupt möglich war,
also für die Marktgegenseite dementsprechend eine Zwangslage bestand.
Besteht im
Rahmen von Vertragsverhandlungen über Terminierungspreise für die potenziell schutzbedürftige
Marktgegenseite keine solche Zwangslage, die sich als Beeinträchtigung
ihrer Entscheidungsfreiheit
äussert (und gleichsam spiegelbildlich
das Erzwingungspotenzial der als marktbeherrschend erachteten Beschwerdeführerin ausmacht),
kann sich auch die Frage einer allfälligen Wertdisparität beziehungsweise einer wucherischen
Äquivalenzstörung nicht sinnvoll stellen. Denn wie in der E. 11.3.1.1 einlässlich
dargelegt wurde, ist es ein Ausfluss vertraglicher Inhaltsfreiheit, dass Vertragsparteien die Wertrelationen
von Leistung und Gegenleistung grundsätzlich frei bestimmen können.
In diesem
Sinne wird nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung zu Art. 21
OR (E. 11.3.2), der
mit Art. 7 Abs. 2 Bst. c
KG strukturell verwandt ist, folgerichtig zuerst die Notlage
geprüft (vgl. BGE 123 III 292 E. 5) und erst danach, ob ein objektives Missverhältnis
der Austauschleistungen besteht (vgl. BGE 123 III 292 E. 6). Sind eine Notlage und damit
auch das entsprechende Erzwingungspotenzial des Preissetzers nicht gegeben, weshalb dieser der Marktgegenseite
(als Preisnehmerin) keinen ausbeuterischen Willen aufzwingen kann, dann ist der unter Vertragspartnern
abgemachte Preis, unabhängig von der Beurteilung durch « Vertragsaussenstehende »,
schuldrechtlich nicht zu beanstanden (E. 11.3.1.1). Dies muss nach dem Postulat
der Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung
zwingend auch im Kontext von Art. 7 Abs. 1
(i. V. m. Abs. 2 Bst. c) KG
gelten (vgl. E. 11.3 mit weiteren Hinweisen auf die für das Bundesverwaltungsgericht massgebliche
Rechtsprechung).
Somit bleibt
zu klären, ob die Beschwerdeführerin angesichts des Regulierungsrahmens von aArt. 11
Abs. 1
, 2
und 3
FMG (AS 1997 2187) in der Lage war, einen Zwang
auszuüben, der den - unter kartellgesetzlichen (nicht
fernmelderechtlichen) Gesichtspunkten - ausgehandelten Terminierungspreis von 33,5 Rp./Min.
als unangemessen erscheinen lassen könnte.
12.2
Die Parteistandpunkte zur angeblichen « Erzwingung »
12.2.1
Die WEKO
erachtet es für eine Erzwingung als genügend, wenn das marktmächtige Unternehmen kraft
seiner Verhandlungsposition die wettbewerbsbeschränkenden Klauseln durchzusetzen vermöge.
Die Erzwingung beziehe sich damit vor allem auch auf die marktbeherrschende Stellung
des Unternehmens und stelle kein qualifiziertes missbräuchliches Verhalten dar. Im Europäischen
Wettbewerbsrecht gelte für Art. 82 Abs. 2 Bst. a EGV, dem Art. 7 Abs. 2
Bst. c
KG « praktisch wörtlich nachempfunden sei », dass die Formulierung
vor allem die Ausbeutung von Handelspartnern und Verbrauchern durch das marktbeherrschende
Unternehmen erfasse. Das Wort « Erzwingung » im gesetzlichen Tatbestand
bringe zum Ausdruck, dass die unangemessenen Preise dem Vertragspartner auferlegt werden. Je mehr
dieser als Abnehmer darauf angewiesen sei, vertragliche Beziehungen zum Marktbeherrscher zu unterhalten,
desto geringer seien seine Möglichkeiten, sich dessen Diktat zu widersetzen (vgl. Verfügung
Ziff. 266).
Bezogen auf
den vorliegenden Sachverhalt seien die FDA zwangsläufig darauf angewiesen, die Terminierung
auf das Netz von Swisscom Mobile einzukaufen, da diese die einzige Anbieterin dieser Dienstleistung
sei. Dies werde noch deutlicher, wenn die Struktur der Marktgegenseite berücksichtigt werde. Daraus
gehe hervor, dass die grösste Abnehmerin von Terminierungsleistungen die Swisscom Fixnet sei.
Diese wiederum sei wahrscheinlich die einzige FDA, die allenfalls einen disziplinierenden Einfluss
auf die Höhe der Terminierungsgebühr der Beschwerdeführerin ausüben könnte (sog.
« countervailing buyer power »).
Da Swisscom Fixnet und Swisscom Mobile jedoch zum selben Konzern gehörten, sei davon auszugehen,
dass die Interessen beider Gruppengesellschaften aufeinander abgestimmt werden. Die Verhandlungsposition
der FDA hinsichtlich der Terminierungsgebühren sei damit als schwach anzusehen (vgl. Verfügung
Ziff. 267).
Dasselbe
gelte für die Endkunden, welche die hohen Terminierungspreise als Teil des Retail-Preises zahlten,
der ihnen von ihrer jeweiligen FDA in Rechnung gestellt werde. Da jede im Netz von Swisscom Mobile
terminierte Minute letztlich der Nachfrage eines Endkunden entspringe, sei auch deren Verhandlungsposition
als schwach anzusehen, wie diejenige der den Anruf vermittelnden FDA. Swisscom Mobile sei
deshalb auch in der Lage, die hohe Terminierungsgebühr sowohl gegenüber den FDA als auch gegenüber
den Endkunden zu erzwingen (vgl. Verfügung Ziff. 268).
Indem die
FDA die Terminierungsgebühren in der Regel auf die Endkunden überwälzten, erfolgte
auch bezüglich der Endverbraucher eine Erzwingung. Deshalb sei eine Erzwingung im Sinne von Art. 7
Abs. 2 Bst. c
KG gegeben (vgl. Verfügung Ziff. 269).
12.2.2
Die Beschwerdeführerin
stellt die ihr unterstellte « Erzwingung » im Wesentlichen mit folgenden Argumenten
in Abrede (...):
Vorab stünden
die Endkunden der anderen FDA in keinem vertraglichen Verhältnis mit ihr, weshalb sie diesen gegenüber
keine Retail-Tarife ansetzen und schon gar nicht erzwingen könne. Der Entscheid über
solche Tarife obliege allein den anderen FDA, die individuell ihre eigenen Preise festlegten und
so untereinander differenzieren könnten.
Wie alle
anderen FDA sei auch sie nicht in der Lage gewesen, ihre Terminierungsgebühren unabhängig
von den Terminierungspreisen der anderen FDA festzusetzen und damit bestimmte Preise zu erzwingen.
Einerseits sei sie angesichts des faktischen und rechtlichen Zwangs zur Interkonnektion nicht in der
Lage (gewesen), andere FDA zu boykottieren. Auch nehme sie - wie auch die anderen FDA -
eine Doppelstellung als Anbieterin und
Nachfragerin von Terminierungsleistungen ein. In dieser Situation hätten die anderen FDA immer
die Möglichkeit, Preisverhandlungen scheitern zu lassen und gleichwohl von ihr Terminierungsleistungen
in Anspruch zu nehmen oder die Gebühren vom Regulator nach markt- und branchenüblichen
Grundsätzen festlegen zu lassen. Werde auf dem Verhandlungsweg keine Einigung zum Terminierungspreis
erzielt, könne nach aArt. 11 Abs. 3
FMG (AS 1997 2187) jede FDA bei der ComCom auf Terminierung
zu markt- und branchenüblichen Bedingungen klagen und die Festsetzung von Terminierungspreisen
beantragen. Keine FDA könne ihre Terminierungspreise einseitig diktieren, weil die anderen
FDA über realistische und berechenbare Alternativen zu Vertragsverhandlungen verfügten.
Die Interkonnektionsklage sei ein äusserst griffiges Instrument zur Disziplinierung der FDA.
Da jeweils beide Verhandlungsparteien wüssten, dass die andere Partei die Verhandlungen unter
Anrufung des Regulators für gescheitert erklären könne, werde sich keine Partei
mit einem Verhandlungsresultat zufrieden geben, das für sie schlechter ausfallen könnte,
als die Gebühr, die der Regulator voraussichtlich bestimmen würde.
Das Wettbewerbsrecht
solle nur dort eingreifen, wo die Preisbildung beeinträchtigt sei, weil das freie Zusammenspiel
von Angebot und Nachfrage nicht funktioniere. Im vorliegenden Fall gebe es keinerlei Hinweise dafür.
Vielmehr spiele der Wettbewerb, da die FDA innerhalb des regulatorischen Rahmens die Möglichkeit
hätten, gegen Terminierungsgebühren vorzugehen, die sie für unangemessen
erachteten. Da im Mobilfunkbereich - im Gegensatz zum Festnetz-Bereich - praktisch
keine solchen Klagen erfolgten, sei von angemessenen Preisen auszugehen.
In ihrer
Replik vom 10. September 2007 hält die Beschwerdeführerin ergänzend fest (...),
eine einvernehmliche Verhandlungslösung zwischen den Mobilfunkanbieterinnen könne nur erfolgen,
wenn die beteiligten Parteien das erzielte Verhandlungsergebnis als angemessen erachteten, was
inter partes eine missbräuchliche Verhaltensweise zwischen den beteiligten Marktteilnehmern
ausschliesse, und zwar unabhängig davon, ob der vereinbarte Preis kostenorientiert sei oder über
den Preisen in anderen Ländern liege.
12.3
Erzwingung (eines unangemessenen Terminierungspreises) innerhalb
des fernmelderechtlich regulierten Rahmens?
12.3.1
Die Vorinstanz hat ihre Auffassung,
wonach die Vertragspartnerinnen der Beschwerdeführerin Terminierungspreise auf die eigenen
Endkunden
überwälzten (und diese damit « schädigten »), was der Beschwerdeführerin
ebenfalls als tatbestandsmässiges Verhalten anzurechnen sei, im Rahmen des Instruktionsverfahrens
aufgegeben (vgl. E. 2.2.3 und E. 11.2.1 am Ende).
Aber selbst
wenn - abweichend von den in den E. 2.2.3 und E. 11.2.1 angestellten Überlegungen
- nicht die FDA, sondern die Endkunden als die preislich ausgebeuteten Personen zu betrachten
wären, fiele hier eine Anwendung von Art. 7 Abs. 1
(i. V. m. Abs. 2 Bst. c)
KG zwingend ausser Betracht.
Diese Bestimmung
ist nach ihrem klaren Wortlaut einzig darauf ausgerichtet, die einem Marktbeherrscher als direkte
Vertragspartnerin ausgelieferte Marktgegenseite vor Preisausbeutung zu schützen. Marktgegenseite
kann - wie bereits der Begriff besagt - nur die auf dem relevanten
Markt dem
markt-beherrschenden
Unternehmen als Nachfragerin (und damit als Vertragspartnerin) gegenübertretende Seite sein, die
deswegen auch « Marktgegenseite »
heisst (vgl. Clerc,
a. a. O., Rz. 78 zu Art. 7
KG).
Anders zu entscheiden, hiesse, ohne hinreichenden Grund von dem für massgeblich erachteten relevanten
Markt abzuweichen, was nicht angeht.
Insofern
ist eine allfällige Preisausbeutung hier nur zwischen den unmittelbaren Vertragsparteien denkbar,
zumal dieser Tatbestand ein preislich missbrauchtes Marktbeherrschungspotenzial voraussetzt, das sich
dadurch auszeichnet, dass der marktbeherrschende Vertragspartner seinem (angesichts der Marktbeherrschung)
verhandlungsschwachen Vertragspartner seinen ausbeuterischen Willen, das heisst insbesondere
einen ausbeuterischen Preis, diktieren
beziehungsweise « aufzwingen »
kann.
Wie bereits
in der E. 11.3.4.1 erwähnt, stehen sich in den bilateralen Vertragsverhandlungen zu Terminierungspreisen
und -tarifen einzig die FDA als Vertragsparteien gegenüber, weshalb auch nur diese Parteien von
den bilateral ausgehandelten Preisen schuldrechtlich unmittelbar berechtigt und verpflichtet
werden. Deshalb befinden sich im hier massgeblichen Markt (E. 9) nur die auf Interkonnektion angewiesenen
FDA - als direkte Marktgegenseite der marktbeherrschenden Beschwerdeführerin (E. 10)
- im Schutzbereich von Art. 7 Abs. 1
(i. V. m. Abs. 2 Bst. c) KG.
Dies entspricht
im Ergebnis auch der Sichtweise der Vorinstanz, die im Rahmen der Vernehmlassung ihre Beurteilung zu
den angeblich « geschädigten Endkunden » nun endgültig verworfen
hat und neu zu Recht einzig die FDA als die nach Art. 7 Abs. 2 Bst. c
KG preislich ausgebeutete
Vertragspartei bezeichnet (vgl. E. 2.2.3).
Dieser einzig
auf die direkten Vertragspartner fokussierende Standpunkt deckt sich mit dem im Lichte von Art. 7
Abs. 1
erster Satz EMRK eng zu ziehenden Schutzbereich von Art. 7 Abs. 1
(i. V. m.
Abs. 2 Bst. c) KG (vgl. E. 4.5). Damit erweist sich die von der Vorinstanz in der angefochtenen
Verfügung noch problematisierte Frage « einer Erzwingung gegenüber den Endkunden »
im Rahmen des Streitgegenstands (vgl. E. 2.2.3 und E. 11.2.1) als bedeutungslos, weshalb dieser
Punkt nicht näher zu erörtern ist. Gleiches gilt auch für die Darlegungen der Vorinstanz
zu den von den Endkunden zu tragenden « Retail-Preisen », die von der Vorinstanz
nicht vertieft untersucht und schon gar nicht zur Begründung der hier zu beurteilenden Sanktionierung
herangezogen wurden.
Zur zentralen
Hauptfrage indessen, ob die Beschwerdeführerin den strittigen Terminierungspreis von 33,5 Rp./Min.
durch « Erzwingung » und damit durch Diktat ihres Willens ihren Vertragspartnerinnen
auferlegen konnte, widmet die Vorinstanz in ihrer rund 123 Seiten umfassenden Verfügung
lediglich eine Seite, ohne dort auch nur in einer Zeile auf die in den Ziff. 166 und 167 in Aussicht
gestellte Berücksichtigung der fernmelderechtlichen Rahmenordnung zurückzukommen.
Die Vorinstanz
übersieht vorab, dass im Rahmen eines fernmelderechtlich regulierten Markts das in Art. 7
Abs. 2 Bst. c
KG vorgesehene Tatbestandsmerkmal « Erzwingung » -
in verbalisierter Form - nicht einfach als Synonym von « verlangen »
verwendet werden darf, wie dies in der angefochtenen Verfügung geschehen ist (vgl. Verfügung
Ziff. 165, 197, 347, 379 und 381). Begriffliche Präzision ist hier umso mehr zu fordern, zumal kartellgesetzliche-
und preisüberwachungsrechtliche Eingriffskriterien (vgl. E. 11.3) nicht
vermischt werden dürfen, nachdem strafähnliche Sanktionen (vgl. E. 4.2) in Frage
stehen, die den strengen Anforderungen von Art. 7 Abs. 1
erster Satz EMRK genügen
müssen (vgl. E. 4.3).
In diesem
Zusammenhang ist allgemein zu beanstanden, dass die Argumentation der WEKO zur Frage der
Erzwingung auf normale, unregulierte und von der Vertragsfreiheit beherrschte Märkte ohne
regulatorischen Pflichten
und Klagemöglichkeiten für die Marktgegenseite zugeschnitten ist. Damit übersieht die
Vorinstanz, dass bei der Frage des Erzwingungspotenzials von der regulatorischen Rahmenordnung
(Interkonnektionsregelung) nicht abgesehen werden darf. Denn so wie es sachlogisch unzulässig
ist, diese Rahmenordnung bei der Frage nach den für die Marktbeherrschung mitbestimmenden
Verhaltensspielräumen zu berücksichtigen, weil diese die Schwelle bildet, um die Wettbewerbsverhältnisse
und damit die telekommunikationsrechtliche Regelungsbedürftigkeit bei allenfalls fehlendem
Wettbewerb auf der Infrastrukturebene zu begründen (vgl. E. 10.8), ist es sachlich
unhaltbar, bei der Frage der Erzwingung den regulatorischen Rahmen und dessen Ausgestaltung auszublenden.
Daher ist
der WEKO nicht zu folgen, wenn sie in Bezug auf die « Erzwingung » in
den Ziff. 266-269 der angefochtenen Verfügung das Interkonnektionsregime, das
spezialgesetzliches Wettbewerbsrecht darstellt, einfach übergeht, obschon sie in den
Ziff. 166 f. eine Berücksichtigung dieser Regulierungsordnung bei der Missbrauchsprüfung
in Aussicht gestellt hatte (und immerhin in den Ziff. 59, 190, 218 und 322 auf den regulatorischen Rahmen
eingegangen war).
12.3.2
Bezogen auf « normale »
Märkte, die von der Vertragsfreiheit (mit ihren fünf Aspekten der Abschluss-, Partnerwahl-,
Inhalts-, Form- und Aufhebungsfreiheit, vgl. BGE 129 III 35 E. 6.1) beherrscht werden, mag die Diktion
der Vorinstanz allenfalls als unproblematisch erscheinen, wenn der Gedanke etwas euphemistisch
ausgedrückt werden soll, dass ein Angebotsmonopolist von seinen Kunden (unangemessen) hohe
Preise « verlangt ».
Auf solchen
« normalen », von der Vertragsfreiheit beherrschten, nicht interdependent vernetzten
- beziehungsweise regulierten - Märkten beinhaltet - wie bereits erwähnt
(E. 11.3.1.3) - die marktbeherrschende Stellung dem Wesen nach zwingend auch die Möglichkeit,
« unwiderstehlichen Zwang » auszuüben und insofern ein Missbrauchspotenzial
gegen den Willen der Gegenseite zu aktualisieren (vgl. Clerc,
a. a. O., Rz. 209 zu Art. 7
KG).
Diesbezüglich gilt im Europäischen Kartellrecht zu Art. 82 Abs. 2 Bst. a EGV
sogar eine unwiderlegbare Vermutung
(vgl. de Bronett,
a. a. O., § 22 N. 49, S. 928). Keine andere Sicht lässt sich auch
den Gesetzesmaterialien zu Art. 7 Abs. 1
und Abs. 2 Bst. c KG entnehmen, der
nach dem Willen des Kartellgesetzgebers Art. 82 Abs. 2 Bst. a EGV nachgebildet wurde (vgl.
Botschaft zum KG 1994, BBl 1995 I 531; vgl. zu den Materialien Amtliches Bulletin der Bundesversammlung
[AB] 1995 N 1092; AB 1995 S 858; Clerc,
a. a. O., Rz. 44 zu Art. 7
KG).
Insofern
bedeutet nach Ducrey im
Kontext « normaler » Märkte die Erzwingung von unangemessenen Preisen und Bedingungen,
dass « die unangemessenen Bedingungen nur mittels auferlegtem Druck erreicht werden, der Handelspartner
die für das marktbeherrschende Unternehmen vorteilhaften Bedingungen also nicht freiwillig
erbringt » (Ducrey,
a. a. O., Rz. 215). Nach diesem Verständnis kann eine auf den Preis bezogene
Ausbeutung durch Erzwingung nicht vorliegen,
wenn die Marktgegenseite mit dem Preis einverstanden
ist, weil dies ihrem Interesse dient.
Denn bei der Beurteilung, ob eine Erzwingung vorliegt, sei nicht die Unangemessenheit ausschlaggebend,
sondern der auferlegte Druck; die Marktgegenseite erbringe den Vorteil nicht freiwillig, wobei Art und
Weise der Zwangsmittel unerheblich seien (vgl. Ducrey, a. a. O.,
Rz. 215). Unter diesen Umständen haben von Preisausbeutungen betroffene Vertragsparteien
nur die Wahl, auf eine der in den E. 11.3.1 ff. vorgestellten Wertparitätskontrollen
zu greifen, wenn sie eine behördliche Intervention gegen diese Ausbeutung anstreben wollen.
Einschränkend zu diesen Möglichkeiten vertritt jedoch Zäch
die Meinung, Art. 7
KG bezwecke nicht, Unternehmen oder Konsumenten zu schützen, die sich aus
« eigenem » Verschulden von marktbeherrschenden Unternehmen haben übervorteilen
lassen (Zäch,
Kartellrecht, a. a. O., Rz. 693).
12.3.3
Werden demgegenüber die Besonderheiten
des hier relevanten Netzwerkinfrastrukturmarkts berücksichtigt, so zeigt sich, in welchem Ausmass
die von der Vorinstanz vorgenommene Gleichsetzung von « erzwingen » und « verlangen »
unzulässig ist, da das Tatbestandselement der « Erzwingung » dann in einem
anderen Licht erscheint:
12.3.3.1
Der fragliche Infrastrukturmarkt
wurde durch den fernmeldegesetzlich
statuierten Kontrahierungszwang künstlich geschaffen, um das natürliche Angebotsmonopol aufzubrechen,
indem Konkurrenzunternehmen auf der Infrastrukturebene Zugang zu Anlagen oder entsprechenden
(Infrastruktur-)Dienstleistungen des Monopolisten erhalten, damit auf der nachgelagerten
Stufe « Wettbewerbsmärkte » der Fernmeldedienstleistungen entstehen können
(vgl. aArt. 11 Abs. 1
FMG [AS 1997 2187] und E. 11.3.4.1; Fischer/Sidler,
a. a. O., Rz. 138 ff.).
Mit anderen
Worten hat der Bundesgesetzgeber durch die (wettbewerbspolitische) Interkonnektionspflicht
nach aArt. 11 Abs. 1
FMG (AS 1997 2187) (vgl. BGE 131 II 13 E. 1.1 f., E. 7.3,
E. 7.3.2, BGE 132 II 257 E. 3.3.1) und die (versorgungspolitische) Interoperabilitätspflicht
nach aArt. 11 Abs. 2
FMG (AS 1997 2187) (vgl. BGE 132 II 257 E. 3.3.2; Fischer/Sidler,
a. a. O., Rz. 171; zutreffend: Verfügung Ziff. 76 und 190) wie auch durch das
Anknüpfen des Fernmeldegesetzes an die « Marktbeherrschung » (nach Art. 4
Abs. 2
KG) dieser Infrastrukturebene durch Statuierung eines Kontrahierungszwanges für
essential facility-Eigentümerinnen
normativ « Marktqualität » zugesprochen. Insofern stellt dieser normativ
geschaffene « Zwangsmarkt » auch die Ebene dar, auf der die Telekom-Unternehmen
durch gegenseitige Koordination und Kooperation
die Netzzusammenschaltung verwirklichen müssen, um als Anbieter von Dienstleistungen
(Handyverkauf, Mobil-Abos etc.) auf der nachgelagerten
Netzdienstleistungsebene (etwas verkürzt als « Retail » bezeichnet)
mit den Telekom-Konsumenten Geschäfte machen zu können und damit mit Mitkonkurrenten
in Wettbewerb zu treten.
Dieser auf
den Infrastrukturmarkt bezogene gesetzgeberische Wertungsentscheid ist für das Bundesverwaltungsgericht
ebenso verbindlich (vgl. BGE 132 II 257 E. 3.2.2; BVGE 2009/35 E. 8, insbes. E. 8.4.5
zum einseitigen, nichtreziproken « Markt für schnellen Bitstromzugang ») wie
auch der Umstand, dass die fernmelderechtliche regulatorische Rahmenordnung als lex
specialis dem KG grundsätzlich
vorgeht (vgl. Urteil des Bundesgerichts 4C.404/2006 vom 16. Februar 2007 E. 4, wonach auf Infrastrukturebene
kein kartellrechtlicher, sondern ein fernmelderechtlicher Kontrahierungszwang besteht). Dieser
Vorrang von sektorspezifischem Wettbewerbsrecht
(Telekom-Recht)
ist zurzeit auch im Recht der EU
vorgesehen (vgl. Leitlinien, a. a. O., Ziff. 135 ff.; Stefan
Heng, Mehr als « inszenierter
Wettbewerb » in der Telekommunikation, in: Deutsche Bank Resarch [Hrsg.],
Economics - Digitale Ökonomie und struktureller Wandel, Nr. 37 vom 11. April 2003,
S. 2 ff.; Robert Klotz,
Wettbewerb in der Telekommunikation: Brauchen wir die ex-ante-Regulierung noch?, Zeitschrift für
Wettbewerbsrecht 3/2003, S. 283-316; Toralf Nöding,
Das neue Europäische Telekommunikationsrecht und die Konvergenz der Übertragungswege, Berlin
2004, S. 106 ff.; Franz Jürgen Säcker,
Erfahrungen mit teilliberalisierten Märkten an den Beispielen der Energie- und Telekommunikationswirtschaft
in Deutschland, Vortrag auf der Follow-Up-Tagung Kartellrecht an der Universität Konstanz
vom 24. April 2009; Andreas Schulze,
Liberalisierung von Netzindustrien - eine ökonomische Analyse am Beispiel der Eisenbahn,
der Telekommunikation und der leitungsgebundenen Energieversorgung, Potsdam 2006, S. 167 ff.).
Indessen bestehen Bestrebungen, dem allgemeinen Wettbewerbsrecht im Telekom-Sektor neu Vorrangstellung
einzuräumen (vgl. dazu Ralf Dewenter/Justus Haucap/Ulrich Heimeshoff,
Regulatorische Risiken in Telekommunikationsmärkten aus institutionenökonomischer
Perspektive, Helmut-Schmidt-Universität Hamburg, Diskussionspapier Nr. 64, September
2007, S. 24 ff.; Robert Klotz/Alexandra Brandenberg,
Deregulierung der Telekommunikationsmärkte und Überführung in das allgemeine Wettbewerbsrecht
verursachen Regelungslücken zum Nachteil des Wettbewerbs, Brüssel 2008, S. 1 ff.,
online unter: < http://www.brekoverband.de/breko08/auto_cms/original/gutachten060908final.pdf >;
Hans Schedl/Kai Sülzle/Andreas Kuhlmann,
Sektorspezifische Regulierung: Transitorisch oder ad infinitum? Eine internationale
Bestandsaufnahme von Regulierungsinstitutionen [ifo-Forschungsbericht], München
2007, S. 3 ff.).
12.3.3.2
Angesichts dieser regulatorischen
Einbettung (mit der gesetzlichen Interkonnektions- und Interoperabilitätspflicht) kann
sich die Infrastrukturebene kaum als « freier », das heisst als « normal
funktionierender », von Vertragsfreiheit und Wettbewerbskräften bestimmter
Markt entfalten. Vielmehr sind auf dieser Ebene - angesichts der auf gegenseitiger
Abhängigkeit basierenden Verhandlungspositionen (sog. « Reziprozitätsbeziehung »;
Verfügung Ziff. 289-297, 362; [...]) - eine Kooperation und Koordination
zwischen den Marktteilnehmern zwecks interoperativer Netzzusammenschaltung notwendig.
Bei dieser
Ausgangslage hält das FMG, wie in der E. 11.3.4 dargelegt wurde, den auf Interkonnektion angewiesenen
FDA bei unzumutbaren Interkonnektionspreisofferten rechtliche Instrumente zur Interessenwahrung
bereit, indem diese eine amtliche Preisfestsetzung nach aArt. 11 Abs. 3
FMG (AS 1997 2187)
verlangen können (vgl. E. 11.3.4.2 f.), wenn sie sich, aus welchen Gründen
auch immer, mit dem vorgeschlagenen Terminierungspreis nicht abfinden wollen (vgl. E. 10.8
und E. 11.3.1.3 f.). Mit anderen Worten kann die auf technisches Zusammenwirken
der verschiedenen (miteinander zu verknüpfenden Netze) ausgerichtete Zusammenarbeit
(zwischen den FDA), wenn sie nicht funktioniert, auf Gesuch hin behördlich
erzwungen werden.
12.3.3.3
Inwiefern unter solchen Umständen
das von der Vorinstanz angenommene Erzwingungspotenzial, das für Art. 7 Abs. 2
Bst. c
KG konstitutiv ist, gegeben sein könnte, ist nicht ersichtlich. Gerade die Berücksichtigung
der fernmelderegulatorischen Rahmenordnung zerstört jegliches Erzwingungspotenzial, wie die
Beschwerdeführerin zu Recht einwendet.
Was die Vorinstanz
letztlich an der aus ihrer Sicht « ineffizienten » fernmelderechtlichen Regulierungsordnung
bemängelt (...), ist weniger der Umstand, dass die betroffenen FDA wegen eines ernst zu nehmenden
« Erzwingungspotenzials » der Marktbeherrscherin « unangemessene »
Terminierungspreise anzunehmen « gezwungen » wären, wie die Vorinstanz
zu Unrecht behauptet, sondern vielmehr die Tatsache, dass die FDA grundsätzlich ein gemeinsames
Interesse an hohen Terminierungsgebühren
haben und davon auch profitieren (Verfügung Ziff. 366, 368 und 370; [...]), ohne dass die
ComCom dagegen wegen des Verhandlungsprimates einschreiten könnte (vgl. E. 11.3.4.4 und
E. 12.6.1).
12.3.3.4
Die systemnotwendige gegenseitige
Kooperation bei der Interkonnektion auf der Netzinfrastrukturebene erlaubt zur Wahrung dieses gemeinsamen
Interesses ein gegenseitiges Preissetzungsverhalten, das bezogen auf Konsumenteninteressen zu einem überhöhten
Terminierungspreisniveau führen kann, aber nicht muss, wenn sich die von den FDA im Rahmen
der Untersuchung vorgebrachten Rechtfertigungsgründe als zutreffend erweisen sollten, was
hier aber nicht im Einzelnen zu klären ist. Wegen dieser Besonderheiten, die der Funktionsweise
des fernmelderechtlichen Regulierungssystems entspringen und zu überhöhten
Preisen führen können, wird in der EU
die Preisbildung für
Terminierungsleistungen nicht einfach den Marktteilnehmern überlassen, sondern ex ante et
ex officio staatlich reguliert, damit sich die jeweiligen Kartell- beziehungsweise Wettbewerbsbehörden
diesbezüglich nicht in den « Sumpf der Kostenkontrolle » (Wernhard
Möschel, zitiert in: Wiedemann, a. a. O.,
§ 23 N. 71, S. 1024)
begeben müssen (zur Ablehnung dieses Systems in der Schweiz vgl. oben E. 11.3.4.4 sowie
die dagegen gerichtete Motion 08.3639 von Ständerätin Erika Forster-Vannini
vom 3. Oktober 2008, AB 2009 S 57-61 und AB 2009 N 1357-1361; Bericht 08.3639 s der
Kommission für Verkehr und Fernmeldewesen vom 18. Mai 2009).
In der Schweiz
fehlt gegenwärtig ein solches System (vgl. E. 11.3.4.4). Deshalb hat die Vorinstanz in der
angefochtenen Verfügung den Versuch unternommen, ex post gestützt auf das KG mit einer Sanktion
korrigierend auf den - aus ihrer Sicht - unzulänglichen Preisbildungsprozess
einzugreifen (vgl. zur Zurückhaltung in der EU Art. 82 Abs. 2 Bst. a EGV, dem Art. 7
Abs. 2 Bst. c
KG nachgebildet ist [oben E. 12.3.3]), « als Instrument einer
allgemeinen Preisaufsicht zum Schutze der Verbraucherinteressen » aufzufassen;
Thomas Lübbig,
in: Loewenheim/Meessen/Riesenkampff [Hrsg.],
Kommentar Kartellrecht - Europäisches und Deutsches Recht, 2. Aufl., München
2009, Rz. 144 zu Art. 85 EG, S. 450; Clerc,
a. a. O., Rz. 187 zu Art. 7
KG; François Souty,
Le droit de la concurrence de l'Union Européenne, 2. Aufl., Paris 1999, S. 87; Koenig/Vogelsang/Winkler,
a. a. O., S. 51 ff., wonach das allgemeine Kartellrecht als ungeeignet erscheint
zur Regulierung des [deutschen] Mobilfunkterminierungssektors; anderer Meinung Jörn
Kruse, Regulierung der Terminierungsentgelte der deutschen Mobilfunknetze?, Wirtschaftsdienst
2003, S. 208, online unter: http://www.wirtschaftsdienst.eu > Archiv > Suche).
12.4
Ist eine allfällige Lückenfüllung angezeigt
beziehungsweise zulässig?
Ist nach
den bisherigen Überlegungen eine Erzwingung im Sinne von Art. 7 Abs. 2 Bst. c
KG
zu verneinen, ist die Tatbestandsmässigkeit des inkriminierten Verhaltens zwingend ausgeschlossen
und damit auch die erfolgte Sanktionierung nicht rechtmässig (vgl. E. 12.1). Dass diese hier
lediglich am fehlenden
Tatbestandsmerkmal der « Erzwingung » scheitert,
könnte auf den ersten Blick als « stossend » erscheinen, wenn Art. 7 Abs. 2
Bst. c
KG (i. V. m. Art. 7 Abs. 1
KG) nach der hier vertretenen Auslegung
letztlich einen auf « normale » Märkte eingeschränkten Anwendungsbereich
erhält (vgl. E. 12.3.2 f.).
Daher ist
die Frage naheliegend, ob hier nicht - entgegen den Darlegungen in der E. 12.3.1
- im Interesse der Endkunden
eine Lücke anzunehmen wäre, die dadurch zu schliessen wäre, dass der Anwendungsbereich
von Art. 7 Abs. 1
(i. V. m. Abs. 2 Bst. c) KG auch auf Netzwerk-Infrastrukturmärkte
ausgedehnt würde.
Eine solche
Lückenfüllung ist hier jedoch ausgeschlossen:
12.4.1
Bei der Beurteilung dieser Frage
müsste das von der Beschwerdeführerin - im Interesse der Rechtssicherheit und der
Voraussehbarkeit von Rechtspflichten und Verboten - angerufene Legalitätsprinzip von
Art. 1
StGB zumindest als Auslegungshilfe herangezogen werden, wenn Art. 333 Abs. 1
StGB
die Anwendbarkeit des allgemeinen Teils des StGB auf den vorliegenden Fall nicht erlauben würde.
In Bezug auf Art. 49
a
Abs. 1 KG ist aus strafrechtlicher Sicht unklar, ob diese Bestimmung im Sinne von Art. 333
Abs. 1
StGB ebenfalls zur « Nebenstrafgesetzgebung »
des Bundes gehört oder nicht (vgl. Niggli/Riedo,
a. a. O., S. 55; Stefan Trechsel/Viktor Lieber,
in: Stefan Trechsel et al. [Hrsg.],
Schweizerisches Strafgesetzbuch, Praxiskommentar, Zürich/St. Gallen 2008, N. 1-5
zu Art. 333
StGB; Roland Wiprächtiger,
in: Basler Kommentar, Niggli/Wiprächtiger
[Hrsg.],
Strafgesetzbuch II, Basel 2003,
N. 4-21 zu Art. 333
StGB).
Diese Frage
kann hier freilich offengelassen werden. Denn Art. 7 Abs. 1
erster Satz EMRK (E. 4.1)
und die darin verankerte staatsvertragliche Verpflichtung, wonach bei « strafrechtlichen Anklagen »
im Sinne von Art. 6 Abs. 1
erster Satz EMRK das Bestimmtheitsgebot und das Gesetzmässigkeitsprinzip
innerstaatlich zu beachten sind, käme bei einer Verneinung der eingangs gestellten Frage ohnehin
selbständige Bedeutung
zu, die sich im Übrigen mit der Tragweite von Art. 1
StGB grundsätzlich deckt (vgl. Peter
Popp/Patrizia Levante,
in: Basler Kommentar, Niggli/Wiprächtiger [Hrsg.],
Strafrecht I, 2. Aufl., Basel 2007, N. 9
zu Art. 1
StGB).
Wie bereits
erwähnt, gebietet Art. 7 Abs. 1
erster Satz EMRK eine klare gesetzliche Grundlage
für die hier strittige Sanktion (vgl. EGMR, Scoppola
gegen Italien, Urteil vom 17. September 2009, Ziff. 94,
sowie oben E. 4.3). Insofern darf nach dem Legalitätsprinzip eine Handlung nicht unter ein
Strafgesetz subsumiert werden, die darunter auch bei weitestgehender Auslegung nach allgemeinen
strafrechtlichen Grundsätzen nicht subsumiert werden kann (vgl. Stefan
Trechsel/Marc Jean-Richard, in:
Stefan Trechsel et al. [Hrsg.],
Schweizerisches Strafgesetzbuch, Praxiskommentar, Zürich/St. Gallen 2008, N. 1,
23 zu Art. 1
StGB). Dies bedeutet insbesondere, dass ein Gericht nicht über den dem Gesetz
bei richtiger Auslegung zukommenden Sinn hinausgehen und neue Straftatbestände schaffen oder
bestehende derart erweitern darf, dass die Auslegung durch den Sinn des Gesetzes nicht mehr gedeckt wird
(vgl. BGE 127 IV 198 E. 3/b; vgl. zu Art. 7
EMRK Haefliger/Schürmann,
a. a. O., S. 244, sowie
Renzikowski, a. a. O., Rz. 52
und 61; zum Analogieverbot
im Kartellrecht vgl. Claudia Seitz,
Prävention - Sanktion - Grundrechtsschutz, in: Wolf/Mona/Hürzeler [Hrsg.],
Prävention im Recht, Basel 2008, S. 328).
12.4.2
Den auf « normale »
Märkte eingeschränkten Anwendungsbereich von Art. 7 Abs. 2 Bst. c
KG (i. V. m.
Art. 7 Abs. 1
KG) als « Lücke » aufzufassen und zu füllen,
darf sich das Bundesverwaltungsgericht angesichts der bundesverfassungsrechtlich niedergelegten
Gewaltenteilung nicht erlauben; dies verbietet sich ebenso im Lichte von Art. 7 Abs. 1
erster Satz EMRK (vgl. Renzikowski,
a. a. O., Rz. 2, 5, 11 und 44 zu Art. 7
EMRK; Zäch,
Wettbewerbsfreiheit, a. a. O., S. 7).
Soweit allerdings
das hier vom Bundesverwaltungsgericht getroffene Auslegungsergebnis zu Bedenken Anlass geben sollte,
ist diesen auf der Grundlage des gegenwärtig in Kraft stehenden KG - als nur subsidiär
anwendbares Wettbewerbsrecht (vgl. Urteil des Bundesgerichts 4C.404/2006 vom 16. Februar 2007 E. 4)
- nicht beizukommen und insbesondere aus folgenden Gründen eine ausfüllungsbedürftige
Lücke zu verneinen:
12.4.2.1
Einerseits schwebten dem Kartellgesetzgeber
bei der Schaffung von Art. 7 Abs. 2 Bst. c
KG interdependente Netzwerkverhältnisse
ebenso wenig vor (vgl. E. 11.3.1.3) wie die im Interkonnektionskontext auf der Infrastrukturebene
normativ geschaffenen « Zwangsmärkte » (mit teilweise zumindest zweifelhafter
Marktqualität), die bei Fernmeldemonopolphänomenen einen Zugriff auf die Infrastruktur
beziehungsweise die Dienstleistungen eines über essential
facilities verfügenden « Marktbeherrschers »
ermöglichen sollen (vgl. E. 12.3.4; vgl. auch Schindler,
Wettbewerb, a. a. O., S. 149 ff., 181 ff., 210 ff.).
Wenn sich
daher - wie hier - ein bestimmtes unternehmerisches Verhalten nicht mehr unter einen
kartellgesetzlichen Tatbestand subsumieren lässt, so muss in erster Linie der Gesetzgeber entscheiden,
ob er die Lücke schliessen will oder nicht (für das deutsche
Kartellrecht vgl. Wiedemann,
a. a. O., § 3 N. 17, S. 60, sowie Karl Albert
Schachtschneider, Prinzipien des
Rechtsstaates, Berlin 2006, S. 305 ff.).
12.4.2.2
Andererseits ist eine Lückenfüllung
auch aus folgendem Grund ausgeschlossen: Im Sinne der höchstrichterlichen Rechtsprechung (vgl. Urteil
des Bundesgerichts 2A.503/2000 vom 3. Oktober 2001 E. 6c) hätte vorliegend auch der Preisüberwacher
unter den Voraussetzungen einer
tieferen Eingriffsschwelle (E. 11.3.3) und ohne
Sanktionskompetenzen (E. 11.3.3.4) tätig werden können, um - im Unterschied zur
Vorinstanz (E. 11.2.1 am Ende und E. 12.3.1) - eine vorab dem Konsumentenschutz
dienende Preismissbrauchskontrolle
durchzuführen (vgl. E. 11.3.3.2). Würde hier aber (zu Unrecht) eine Lücke bejaht
und auf dem Weg (einer unzulässigen) Lückenfüllung die Eingriffsschwelle der Vorinstanz
derjenigen des Preisüberwachers angeglichen, würde dies zu einem Wertungswiderspruch
mit der im Preisüberwachungsgesetz vorgesehenen Ordnung führen, die keine mit Art. 49
a
Abs. 1 KG vergleichbaren punitiven Sanktionen kennt (vgl. E. 11.3.3.4).
12.4.2.3
Zusammenfassend bestehen somit
keinerlei Gründe, von dem hier anwendbaren strafrechtlichen Analogieverbot abzuweichen und eine
Lückenfüllung anzunehmen (vgl. zu Art. 7 Abs. 1
erster Satz EMRK Pettiti/Decaux/Imbert,
a. a. O., S. 295: « la loi est l'instrument essentiel de la sécurité
juridique des citoyens. Il existe donc une obligation générale de prévisibilité
qui doit être entendue de façon plus rigoureuse encore en droit pénal. Le principe
de sécurité juridique se développe sous la forme de deux corollaires: l'exigence
d'une définition claire de la loi et le principe d'interprétation restrictive de l'infraction »,
sowie S. 297: « La principale directive est le refus de l'interprétation analogique
< in malam partem >
dont on sait comment elle fut pratiquée par les régimes totalitaires. »; Popp/Levante,
a. a. O., N. 21
zu Art. 1
StGB).
12.5
Zwischenergebnis
12.5.1
Art. 7 Abs. 1
(i. V. m.
Abs. 2 Bst. c) KG ist historisch (E. 12.3.3) und teleologisch-systematisch (im Kontext
mit den übrigen bundesrechtlichen Wertparitätskontrollen, E. 11.3 und E. 12.3.3)
einzig auf sogenannte « normale », das heisst von der Vertragsfreiheit beherrschte
Märkte zugeschnitten (E. 11.3.1.3 und E. 12.3.3), in denen neben der kartellgesetzlichen
Wertparitätskontrolle (E. 11.3.1) dem Individualrechtschutz einzig die Institute von
Art. 21
OR (E. 11.3.2) und Art. 157
StGB (E. 4.5.2) dienen. Deshalb hat der Kartellgesetzgeber
ein kartellrechtliches Korrekturinstrument geschaffen, um unter den spezifischen Voraussetzungen
von Art. 7 Abs. 1
und Abs. 2 Bst. c KG die mangels Wettbewerbs und griffiger « Preiskontrollinstrumente »
verhandlungsschwache Vertragspartnerin eines marktbeherrschenden Unternehmens vor Preisausbeutung
zu schützen (E. 11.3.1 und E. 12.3.3).
Wird der
Anwendungsbereich von Art. 7 Abs. 1
(i. V. m. Abs. 2 Bst. c) KG -
in Übereinstimmung mit Art. 7 Abs. 1
erster Satz EMRK (E. 4.5 und E. 12.4)
- in dieser Weise,
das heisst restriktiv, abgesteckt, lässt sich das inkriminierte Verhalten der Beschwerdeführerin
nicht unter Art. 7 Abs. 1
(i. V. m. Abs. 2 Bst. c) KG subsumieren.
Im vorliegenden
regulierten Netzwerkkontext auf der Infrastrukturebene entfällt wegen des regulatorischen
Rahmens (aArt. 11 Abs. 1
FMG [AS 1997 2187])
das Erzwingungspotenzial eines interkonnektionsverpflichteten Unternehmens, nachdem
die Verhandlungsmacht
der Nachfrageseite mit der in aArt. 11 Abs. 3
FMG (AS 1997 2187)
eingeräumten Möglichkeit, bei der ComCom ein Gesuch um Preisfestsetzung einzureichen,
erheblich gestärkt wird (E. 11.3.4 und E. 12.3.4). Insofern konnte die Beschwerdeführerin
auf dem normativ durch Interkonnektionszwang festgelegten, fernmelderechtlich regulierten
« Zwangsmarkt für Infrastrukturdienstleistungen » von der angeblich
ausgebeuteten Marktgegenseite keine unangemessenen Preise « erzwingen »,
nachdem die betroffenen FDA die ComCom als Preisregulatorin hätten anrufen können,
dies indessen - wegen der gemeinsam bestehenden Interessenlage an « hohen »
Terminierungspreisen (vgl. E. 12.3.4.3) - unterlassen haben.
12.5.2
Angesichts von Art. 7 Abs. 1
erster Satz EMRK ist es dem Bundesverwaltungsgericht verwehrt, dem Art. 7 Abs. 1
KG i. V. m. Art. 7 Abs. 2 Bst. c
KG durch eine « lückenfüllende
Auslegung » einen Sinn zu geben, der dem kartellgesetzlichen Preisausbeutungstatbestand nicht
zukommt (vgl. Popp/Levante,
a. a. O., N. 21
zu Art. 1
StGB). Gemäss dem bundesverfassungsrechtlichen Legalitätsprinzip (Art. 5
und Art. 190
BV; vgl. BGE 133 II 305 E. 5.2, BGE 131 II 13 E. 6.3) ist es in erster Linie am Gesetzgeber
zu entscheiden, ob er hier überhaupt eine Lücke annehmen und, wenn ja, ob er diese
auch schliessen will (E. 12.4.2.1).
Damit sind
wegen des fehlenden Erzwingungspotenzials der Beschwerdeführerin - entgegen der Ansicht
der Vorinstanz - die Voraussetzungen von Art. 7 Abs. 1
(i. V. m. Abs. 2
Bst. c) KG nicht erfüllt. Dies wiederum schliesst eine Sanktionierung nach Art. 49
a
Abs. 1 KG zwingend aus, weshalb die angefochtene Sanktion über keine hinreichende gesetzliche
Grundlage verfügt und deshalb gestützt auf das Legalitätsprinzip aufzuheben ist.
12.5.3
Bei diesem Verfahrensausgang können
die weiteren, von der Beschwerdeführerin aufgeworfenen grundlegenden Fragen zur subjektiven
Seite der Tatbestandserfüllung sowie zur Sanktionsbemessung offenbleiben.
12.6
Zur Frage der Angemessenheit des Terminierungspreises
12.6.1
Fehlt das für Art. 7
Abs. 2 Bst. c
KG konstitutive Erzwingungspotenzial und ist eine « lückenfüllende »
Ausdehnung des Anwendungsbereichs dieser Bestimmung unzulässig, lässt sich der zwischen
der Beschwerdeführerin und ihren Vertragspartnerinnen ausgehandelte Terminierungspreis von
33,5 Rp./Min. nach den massgeblichen kartellgesetzlichen
Kriterien nicht beanstanden (vgl. E. 11.3.1.1 f. und E. 12.1).
12.6.2
Ob dieser Preis nach den einschlägigen
preisüberwachungsrechtlichen
Kriterien angemessen war, hat das Bundesverwaltungsgericht im vorliegenden Verfahren aus diesem Grund
nicht zu überprüfen. Dies ungeachtet dessen, dass sich angesichts der von der Vorinstanz erhobenen
Daten und ihrer prima vista plausiblen Argumente an der Angemessenheit des hier zu Diskussionen
Anlass gebenden Terminierungspreises ernsthaft zweifeln lässt. Dies nicht zuletzt deshalb, weil
die Vorinstanz mit einem, wenn auch von der Beschwerdeführerin als unzulässig erachteten
Ländervergleich aufzeigen konnte, dass am 1. Januar 2005 in Österreich, Schweden und Norwegen
- ohne Berücksichtigung der Kaufkraftparität - kostenorientiert regulierte
Terminierungspreise von lediglich 16 beziehungsweise 11,8 und 12,6 Rp./Min. galten und die
Beschwerdeführerin, die europaweit den höchsten Terminierungspreis verlangte (vgl. Verfügung
Ziff. 224 ff. und Ziff. 248/Tabelle B-7), in der Folge ihren Terminierungspreis von 33,5 Rp./Min.
ab 1. Juni 2005 « freiwillig » auf 20 Rp./Min. senkte.
13.
Zusammenfassung
13.1
Die WEKO verletzt mit der verfügten
Sanktion Bundesrecht. Der als unangemessen gerügte Terminierungspreis von 33,5 Rp./Min.,
den die Beschwerdeführerin im sanktionierten Zeitraum von ihren Vertragspartnern verlangte,
lässt sich im Lichte der hier massgeblichen kartellgesetzlichen
Kriterien (E. 11 f.) nicht beanstanden (E. 12.6.1). Daher hat die Vorinstanz zu Unrecht
eine nach Art. 49
a
Abs. 1 KG sanktionswürdige Preisausbeutung im Sinne von Art. 7 Abs. 1
(i. V. m.
Abs. 2 Bst. c) KG angenommen (E. 12.2 f.).
Entbehrt
die zu Lasten der Beschwerdeführerin ausgesprochene Sanktion einer hinreichenden gesetzlichen Grundlage
(E. 12.3 f.), muss die vorinstanzliche Verfügung insoweit als bundesrechtswidrig
aufgehoben werden (E. 12.5.2). Die Beschwerde ist deshalb, soweit darauf eingetreten
werden kann ([...]; betr. Dispositiv-Ziff. 5 der angefochtenen Verfügung),
teilweise begründet und gutzuheissen. Dementsprechend sind die Ziff. 2 und 3 des
angefochtenen Verfügungsdispositivs aufzuheben.
13.2
Soweit jedoch in der Dispositiv-Ziff. 1
die marktbeherrschende Stellung der Beschwerdeführerin auf dem relevanten Markt festgestellt wird,
was Dispositivcharakter hat (vgl. Beschwerdeentscheid der vom 9. Juni 2005 i. S. Telekurs Multipay
AG/WEKO E. 6.2.6, veröffentlicht in: RPW 2005/3 S. 530 ff.), verletzt die angefochtene
Verfügung Bundesrecht nicht (E. 9 f.), weshalb die Beschwerde in diesem Punkt abzuweisen
ist.
13.3
Bei diesem Verfahrensausgang ebenfalls
aufzuheben ist die Ziff. 6a des Verfügungsdispositivs, wonach die Beschwerdeführerin den
Betrag von CHF 398'702.- an die vorinstanzlichen Verfahrenskosten zu leisten hat.
Aufgrund
des vorstehenden Ergebnisses darf die Beschwerdeführerin nur so weit zur Tragung von vorinstanzlichen
Verfahrenskosten verpflichtet werden, als solche in unmittelbarem Zusammenhang mit der Ermittlung und
Feststellung der marktbeherrschenden Stellung in Verbindung stehen. Daher ist die Sache in diesem
Punkt an die Vorinstanz zurückzuweisen, damit diese die entsprechenden Kosten ausscheidet
und der Beschwerdeführerin neu in Rechnung stellt.
14.
Kosten und Entschädigung