Auszug aus dem Urteil der Abteilung III i. S. santésuisse gegen Regierungsrat des Kantons Bern
und diespitäler.be
C-3940/2009 vom 20. Juli 2010
Aus den Erwägungen:
2. Das Verfahren vor dem BVGer richtet sich gemäss Art. 37 des Verwaltungsgerichtsgesetzes
vom 17. Juni 2005 (VGG, SR 173.32) und Art. 53 Abs. 2 Satz 1 des Bundesgesetzes vom 18. März 1994
über die Krankenversicherung (KVG, SR 832.10) grundsätzlich nach dem Bundesgesetz vom 20. Dezember
1968 über das Verwaltungsverfahren (VwVG, SR 172.021). Vorbehalten bleiben allfällige Abweichungen
des VGG und die besonderen Bestimmungen des Art. 53 Abs. 2 KVG.
2.1 (...)
2.2 (...)
2.3 Das Bundesamt für Gesundheit (BAG) und die PUE wurden im Instruktionsverfahren eingeladen,
eine Stellungnahme einzureichen. Im vorliegenden Verfahren sind die PUE und das BAG jedoch nicht Parteien
im Sinne von Art. 6 VwVG.
2.3.1 Die Beschwerdeinstanz kann andere Beteiligte, welchen im Beschwerdeverfahren nicht Parteistellung
zukommt, einbeziehen und von diesen eine Stellungnahme einholen (vgl. Art. 57 Abs. 1 VwVG; siehe auch
FRANK SEETHALER/KASPAR PLÜSS, in: Praxiskommentar VwVG, Bernhard Waldmann/Philippe Weissenberger
[Hrsg.], Zürich 2009, Art. 57 N 16; VERA MARANTELLI-SONANINI/SAID HUBER, in: Praxiskommentar VwVG,
Bernhard Waldmann/Philippe Weissenberger [Hrsg.], Zürich 2009, Art. 6 N 58; ANDRÉ MOSER, in:
Kommentar zum Bundesgesetz über das Verwaltungsverfahren [VwVG], Christoph Auer/Markus Müller/Benjamin
Schindler [Hrsg.], Zürich 2008, Art. 57 N. 6; BGE
122 II 382 E. 2c, BGE
124 II 409 E. 2, BGE
135 II 384 E. 1.2.1). Unter « andere Beteiligte » im Sinne von Art. 57 Abs. 1 VwVG (bzw.
« weitere Beteiligte » im Sinne von Art. 102 Abs. 1 des Bundesgerichtsgesetzes vom 17. Juni
2005 [BGG, SR 173.110]) fallen insbesondere Behörden, die im erstinstanzlichen Verfahren anzuhören
sind (ISABELLE HÄNER, Die Beteiligten im Verwaltungsverfahren und Verwaltungsprozess, Zürich
2000, Rz. 293), sowie in ihrer Aufgabenerfüllung betroffene Amtsstellen (ALFRED KÖLZ/ISABELLE
HÄNER, Verwaltungsverfahren und Verwaltungsrechtspflege des Bundes, 2. Aufl., Zürich 1998,
Rz. 527). Ob auch Fachstellen, die als Sachverständige beigezogen werden (d. h., die Gutachten oder
Amtsberichte, welche materiell Gutachtenscharakter aufweisen, erstellen), als weitere Beteiligte zu qualifizieren
sind, erscheint fraglich (vgl. HÄNER, a. a. O.; KÖLZ/HÄNER, a. a. O.; MOSER, a. a. O.,
N. 6). Sofern jedoch eine Kommission von Sachverständigen im erstinstanzlichen Verfahren von Gesetzes
wegen beteiligt ist und Antrag an die entscheidende Behörde zu stellen hat, kann sie als «
weitere Beteiligte » ins Beschwerdeverfahren einbezogen werden (vgl. BGE
135 II 384 E. 1.2).
2.3.2 Die PUE ist im Tariffestsetzungsverfahren nach Art. 47 Abs. 1 KVG von der Kantonsregierung
anzuhören (vgl. Art. 14 Abs. 1 des Preisüberwachungsgesetzes vom 20. Dezember 1985 [PüG,
SR 942.20], Kranken- und Unfallversicherung: Rechtsprechung und Verwaltungspraxis [RKUV] 2001 KV 177
S. 353 E. 2.1, RKUV 1997 KV 16 S. 343 E. 4). Sie kann gemäss Art. 14 Abs. 1 Satz 2 PüG beantragen,
auf die Preiserhöhung ganz oder teilweise zu verzichten oder einen missbräuchlich beibehaltenen
Preis zu senken. Den Stellungnahmen der PUE kommt nicht - oder jedenfalls nicht in erster Linie - die
Funktion zu, eine sachverständige Ermittlung und Würdigung des rechtserheblichen Sachverhalts
zu Handen der entscheidenden Behörde vorzunehmen (vgl. Art. 12 Bst. e VwVG; PATRICK L. KRAUSKOPF/KATRIN
EMMENEGGER, in: Praxiskommentar VwVG, Bernhard Waldmann/Philippe Weissenberger [Hrsg.], Zürich 2009,
Art. 12 N 147 f.). Vielmehr hat die PUE auch eine Beurteilung vorzunehmen, ob der von der Kantonsregierung
in Aussicht genommene Tarif als missbräuchlich im Sinne des PüG zu qualifizieren ist. Insofern
als die PUE eine rechtliche Beurteilung vornimmt, handelt es sich nicht um ein Beweismittel und somit
auch nicht um einen Amtsbericht, welchem materiell Gutachtenscharakter zukommt (vgl. dazu BGE
123 V 331 E. 1b; ALFRED KÖLZ/JÜRG BOSSHART/MARTIN RÖHL, Kommentar zum Verwaltungsrechtspflegegesetz
des Kantons Zürich, 2. Aufl., Zürich 1999, § 7 N. 78). Als solcher hätte sich der
Bericht der PUE nämlich nicht zu Rechtsfragen, sondern nur zu den von der entscheidenden Behörde
gestellten Fragen zum Sachverhalt zu äussern (vgl. auch CHRISTOPH AUER, in: Kommentar zum Bundesgesetz
über das Verwaltungsverfahren [VwVG], Christoph Auer/Markus Müller/Benjamin Schindler [Hrsg.],
Zürich 2008, Art. 12 N. 43). Die vom BVGer übernommene Rechtsprechung des Bundesrates (BR)
zur Stellung der PUE-Empfehlungen (vgl. Zwischenverfügung des BVGer C-297/2009 vom 8. Juli 2009
mit Hinweisen) ist entsprechend zu präzisieren.
Die PUE kann demnach als Fachstelle, die im
erstinstanzlichen Verfahren anzuhören war, im Verfahren vor BVGer ohne Weiteres einbezogen werden.
2.3.3 Das BAG ist das für die Krankenversicherung zuständige Bundesamt. Ihm kommen
bei der Durchführung der obligatorischen Krankenversicherung - wenn auch nicht explizite bei der
Tariffestsetzung nach Art. 47 KVG - wesentliche Aufsichtsfunktionen zu (vgl. Art. 21 KVG; Art. 24 ff.
der Verordnung vom 27. Juni 1995 über die Krankenversicherung [KVV, SR 832.102]). Es rechtfertigt
sich, angesichts des unbestreitbar bestehenden Zusammenhanges zwischen den Tariffragen und den Kosten
der obligatorischen Krankenversicherung, das BAG als für die Durchführung des KVG-Obligatoriums
verantwortliche Behörde am Verfahren zu beteiligen.
2.4 Die Beschwerdeführenden können im Rahmen des Beschwerdeverfahrens die Verletzung
von Bundesrecht unter Einschluss des Missbrauchs oder der Überschreitung des Ermessens, die unrichtige
oder unvollständige Feststellung des rechtserheblichen Sachverhalts sowie die Unangemessenheit des
Entscheids beanstanden (Art. 49 VwVG). Neue Tatsachen und Beweismittel dürfen nur so weit vorgebracht
werden, als erst der angefochtene Beschluss dazu Anlass gibt. Neue Begehren sind unzulässig (Art.
53 Abs. 2 Bst. a KVG).
Tariffestsetzungsbeschlüsse nach Art. 47 KVG sind vom BVGer - im Unterschied
zu Beschlüssen über die Spitalplanung (vgl. Art. 53 Abs. 2 Bst. e KVG) - mit voller Kognition
zu überprüfen.
2.4.1 Nach der Rechtsprechung hat auch eine Rechtsmittelbehörde, der volle Kognition
zusteht, in Ermessensfragen einen Entscheidungsspielraum der Vorinstanz zu respektieren. Sie hat eine
unangemessene Entscheidung zu korrigieren, kann aber der Vorinstanz die Wahl unter mehreren angemessenen
Lösungen überlassen (BGE
133 II 35 E. 3). Das BVGer hat daher nur den Entscheid der unteren Instanz zu überprüfen
und sich nicht an deren Stelle zu setzen (vgl. BGE
126 V 75 E. 6). Insbesondere dann, wenn die Ermessensausübung, die Anwendung unbestimmter Rechtsbegriffe
oder die Sachverhaltswürdigung hoch stehende, spezialisierte technische, wissenschaftliche oder
wirtschaftliche Kenntnisse erfordert, ist eine Zurückhaltung des Gerichts bei der Überprüfung
vorinstanzlicher Bewertungen angezeigt (vgl. BGE
135 II 296 E. 4.4.3, BGE
133 II 35 E. 3, BGE 128
V 159 E. 3b/cc). Es stellt daher keine unzulässige Kognitionsbeschränkung dar, wenn das
Gericht - das nicht als Fachgericht ausgestaltet ist - nicht ohne Not von der Auffassung der Vorinstanz
abweicht, soweit es um die Beurteilung technischer, wissenschaftlicher oder wirtschaftlicher Spezialfragen
geht, in denen die Vorinstanz über ein besonderes Fachwissen verfügt (vgl. BGE
135 II 296 E. 4.4.3, BGE
133 II 35 E. 3 mit Hinweisen; siehe zum Ganzen auch YVO HANGARTNER, Behördenrechtliche Kognitionsbeschränkungen
in der Verwaltungsrechtspflege, in: Benoît Bovay/Minh Son Nguyen [Hrsg.], Mélanges en l'honneur
de Pierre Moor, Bern 2005, S. 319 ff.; RETO FELLER/MARKUS MÜLLER, Die Prüfungszuständigkeit
des Bundesverwaltungsgerichts - Probleme der praktischen Umsetzung, Schweizerisches Zentralblatt für
Staats- und Verwaltungsrecht 110/2009 S. 442 ff.).
2.4.2 Im Bereich der Tariffestsetzungen gilt es indessen zu beachten, dass die Kantonsregierung
die PUE nicht nur anhören, sondern gemäss Art. 14 Abs. 2 PüG auch begründen muss,
wenn sie deren Empfehlung nicht folgt. Nach der Rechtsprechung des BR kommt den Empfehlungen der PUE
ein besonderes Gewicht zu, weil die auf Sachkunde gestützte Stellungnahme bundesweit einheitliche
Massstäbe bei der Tariffestsetzung setzt (vgl. RKUV 1997 KV 16 S. 343 E. 4.6). Das Gericht hat sich
insbesondere dann eine Zurückhaltung aufzuerlegen, wenn der Entscheid der Vorinstanz mit den Empfehlungen
der PUE übereinstimmt.
2.4.3 Weicht die Kantonsregierung hingegen von den Empfehlungen der PUE ab, kommt weder der
Ansicht der PUE noch derjenigen der Vorinstanz generell ein Vorrang zu (vgl. auch DANIEL STAFFELBACH/YVES
ENDRASS, Der Ermessensspielraum der Behörden im Rahmen des Tariffestsetzungsverfahrens nach Art.
47 in Verbindung mit Art. 53 Krankenversicherungsgesetz, Zürich/Basel/Genf 2006, Rz. 231). Nach
dem Willen des Gesetzgebers obliegt es - trotz Anhörungs- und Begründungspflicht gemäss
Art. 14 PüG - der Kantonsregierung, bei vertragslosem Zustand den Tarif festzusetzen (vgl. auch
RKUV 2004 KV 265 S. 2 E. 2.4; RUDOLF LANZ, Die wettbewerbspolitische Preisüberwachung, in: Thomas
Cottier/Matthias Oesch [Hrsg.], Schweizerisches Bundesverwaltungsrecht, Bd. XI, Allgemeines Aussenwirtschafts-
und Binnenmarktrecht, 2. Aufl., Basel 2007, N. 113). Das Gericht hat in diesen Fällen namentlich
zu prüfen, ob die Vorinstanz die Abweichung in nachvollziehbarer Weise begründet hat. Im Übrigen
unterliegen die verschiedenen Stellungnahmen - auch der weiteren Verfahrensbeteiligten - der freien Beweiswürdigung
beziehungsweise Beurteilung durch das BVGer (vgl. BGE
124 II 409 E. 2).
3. Streitig und im vorliegenden Verfahren zu beurteilen ist der für die psychiatrischen
Kliniken im Kanton Bern festgesetzte Tarif für die stationäre Behandlung in der allgemeinen
Abteilung ab Januar 2009.
3.1 - 3.4.1 (...)
3.4.2 Nach aArt. 49 Abs. 1 KVG (in der Fassung vom 18. März 1994, AS 1995 1328) vereinbaren
die Vertragsparteien für die Vergütung der stationären Behandlung einschliesslich Aufenthalt
in einem Spital (im Sinne von Art. 39 Abs. 1 KVG) Pauschalen. Diese decken für Kantonseinwohner
und -einwohnerinnen bei öffentlichen oder öffentlich subventionierten Spitälern höchstens
50 % der anrechenbaren Kosten je Patient oder Patientin oder je Versichertengruppe in der allgemeinen
Abteilung. Die anrechenbaren Kosten werden bei Vertragsabschluss ermittelt. Betriebskostenanteile aus
Überkapazität, Investitionskosten sowie Kosten für Lehre und Forschung werden nicht angerechnet.
3.4.3 Die Spitäler ermitteln ihre Kosten und erfassen ihre Leistungen nach einheitlicher
Methode; sie führen hiezu eine Kostenstellenrechnung und eine Leistungsstatistik. Die Kantonsregierung
und die Vertragsparteien können die Unterlagen einsehen. Der BR erlässt die nötigen Bestimmungen
(aArt. 49 Abs. 6 KVG). Diesem Auftrag des Gesetzgebers ist der BR mit dem Erlass der Verordnung vom 3.
Juli 2002 über die Kostenermittlung und die Leistungserfassung durch Spitäler und Pflegeheime
in der Krankenversicherung (VKL, SR 832.104) nachgekommen (in Kraft seit 1. Januar 2003).
3.4.4 Nach aArt. 49 Abs. 7 KVG ordnen die Kantonsregierungen und, wenn nötig, der BR
Betriebsvergleiche zwischen Spitälern an. Die Spitäler und die Kantone müssen dafür
die nötigen Unterlagen liefern. Ergibt der Betriebsvergleich, dass die Kosten eines Spitals deutlich
über den Kosten vergleichbarer Spitäler liegen, oder sind die Unterlagen eines Spitals ungenügend,
so können die Versicherer den Tarifvertrag nach Art. 46 Abs. 5 KVG kündigen und der Genehmigungsbehörde
(im Sinne von Art. 46 Abs. 4 KVG) beantragen, die Tarife auf das richtige Mass zurückzuführen.
3.5 (...)
4. Der Beschwerdeführer beanstandet zunächst den vom Regierungsrat festgesetzten
Kostendeckungsgrad von 47 %.
4.1 Nach der Rechtsprechung des BR sind die Spitäler - obwohl dies aus dem deutschen
Wortlaut des aArt. 49 Abs. 6 KVG nicht klar hervorgeht - gehalten, nebst der Leistungsstatistik eine
Betriebsabrechnung vorzulegen, welche die Kostenrechnung (bestehend aus der Kostenarten-, Kostenstellen-
und Kostenträgerrechnung) sowie die Ermittlung des Betriebserfolges umfasst (RKUV 2005 KV 338 S.
339 E. 5.2). Legt ein Spital eine gute Kostenstellenrechnung sowie eine vollständige, qualitativ
gute, ausreichend detaillierte Kostenträgerrechnung (inkl. Leistungserfassung) vor, ist die Kostentransparenz
vollständig gegeben (RKUV 2005 KV 338 S. 339 E. 6.2 mit Hinweisen).
Bei ungenügender Kostentransparenz
besteht die Gefahr, dass die Spitalpauschalen bei öffentlich subventionierten Spitälern mehr
als das gesetzlich vorgesehene Maximum (höchstens 50 % der anrechenbaren Kosten) decken. Der BR
hat deshalb den Grad der Kostendeckung (oder Deckungsquote) je nach Kostentransparenz abgestuft. Lag
eine gute Kostenstellenrechnung - jedoch keine Kostenträgerrechnung - vor, wurde die Deckungsquote
auf 46 % festgesetzt (RKUV 2002 KV 220 [nur elektronische Publikation] E. 13.2). Eine höhere Deckungsquote
von 48 % gewährte der BR im Fall eines öffentlichen Spitals, welches über eine - allerdings
noch nicht restlos genügende - Kostenträgerrechnung verfügte (unveröffentlichter
Bundesratsentscheid [BRE] 02-16 WS vom 2. Juli 2003 E. 5.2.2; vgl. auch in RKUV 2005 KV 325 S. 159 [BRE
vom 30. Juni 2004] nicht veröffentlichte E. 12.1 mit Hinweisen).
4.2 In der VKL wurden die von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze zur Nachvollziehbarkeit
der Kosten übernommen (vgl. Stellungnahme des Bundesrates vom 30. September 2002 zum Bericht der
Geschäftsprüfungskommission des Ständerates vom 5. April 2002 betreffend die « Aufsichtseingabe
der Kantone zur Entscheidpraxis des Bundesrates bei Beschwerden gegen Tarifentscheide der Kantonsregierungen
in der Krankenversicherung » [BBl 2003 334]).
4.2.1 Die Ermittlung der Kosten und die Erfassung der Leistungen muss gemäss Art. 2 Abs.
1 VKL so erfolgen, dass damit namentlich die Grundlagen geschaffen werden für die Unterscheidung
der Leistungen und der Kosten zwischen der stationären, teilstationären (mit dem am 1. Januar
2009 in Kraft getretenen Art. 49 KVG wurde die Kategorie « teilstationäre Behandlung »
aufgehoben), ambulanten und Langzeitbehandlung (Bst. a), die Bestimmung der Leistungen und der Kosten
der obligatorischen Krankenpflegeversicherung in der stationären Behandlung im Spital (Bst. b) und
die Ausscheidung der nicht anrechenbaren Kosten der obligatorischen Krankenpflegeversicherung in der
stationären Behandlung im Spital (Bst. g). Die Unterscheidung und Bestimmung der in Abs. 1 genannten
Kosten und Leistungen soll die Bildung von Kennzahlen (Bst. a), Betriebsvergleiche auf regionaler, kantonaler
und überkantonaler Ebene zur Beurteilung von Kosten und Leistungen (Bst. b), die Berechnung der
Tarife (Bst. c), die Berechnung von Globalbudgets (Bst. d), die Aufstellung von kantonalen Planungen
(Bst. e), die Beurteilung der Wirtschaftlichkeit und Billigkeit der Leistungserbringung (Bst. f) sowie
die Überprüfung der Kostenentwicklung und des Kostenniveaus (Bst. g) erlauben (Art. 2 Abs.
2 VKL).
4.2.2 Nach Art. 9 Abs. 1 und 2 VKL müssen die Spitäler eine Kostenrechnung führen,
welche insbesondere die Elemente Kostenarten, Kostenstellen, Kostenträger und die Leistungserfassung
umfassen muss. aArt. 10 Abs. 1 VKL (in der Fassung vom 3. Juli 2002, AS 2002 2835) verpflichtet die Spitäler
zudem, eine Finanzbuchhaltung zu führen.
4.3 Der Regierungsrat und der Verein diespitäler.be erachten die eingereichten Kostenrechnungen
als transparent, weshalb der Kostendeckungsgrad auf 47 % festzusetzen sei. Demgegenüber vertreten
der Beschwerdeführer, die PUE und das BAG die Ansicht, es könne lediglich ein Deckungsgrad
von 46 % gewährt werden, weil keine Kostenträgerrechnung vorliege.
4.3.1 Im angefochtenen Beschluss wird dazu Folgendes ausgeführt: Für psychiatrische
Leistungen gebe es bis anhin noch keine kostenadäquatere Leistungseinheit als die Pflegetage. Daher
würden die Tarife in der Psychiatrie - im Unterschied zur Akutsomatik - nach wie vor pflegetagorientiert
ermittelt. Für pflegetagorientierte Tarife sei ein Kalkulationsobjekt (Kostenträger) dann zweckmässig,
wenn es die Kosten der erbrachten Pflegetage sachgerecht abbilde. Diese Anforderung würden die eingereichten
Kostenrechnungen erfüllen. Weiter wird darauf hingewiesen, dass die psychiatrischen Institutionen
zudem daran seien, eine fallorientierte Kostenträgerrechnung aufzubauen. Da die Kostenträgerrechnungen
noch nicht in allen Institutionen den gleichen Stand aufwiesen, erachte der Regierungsrat auf Grund der
eingereichten Unterlagen einen Kostendeckungsgrad von 47 % als angemessen (...).
4.3.2 Dieser Argumentation kann nicht gefolgt werden. Weder aus der Rechtsprechung des BR
noch aus der VKL kann geschlossen werden, dass für psychiatrische Institutionen geringere Anforderungen
an die Kostenrechnungen zu stellen wären beziehungsweise die erforderliche Transparenz auch lediglich
mit Kostenstellenrechnungen gewährleistet würde. Auch dem Handbuch REKOLE®
von H+ (PASCAL BESSON, REKOLE® Betriebliches Rechnungswesen im Spital, 3. Aufl., Bern
2008) lässt sich nicht entnehmen, dass Kostenträgerrechnungen im Bereich Psychiatrie nicht
erforderlich wären (vgl. BESSON, a. a. O., S. 17, S. 253 ff.), zumal die Kostenträgerrechnung
unter anderem eine transparente Ausscheidung der Kosten für Lehre und Forschung gewährleisten
soll (vgl. BESSON, a. a. O., S. 272 ff.). Im Übrigen erscheint die Begründung des Regierungsrates
etwas widersprüchlich, wenn er zunächst sinngemäss geltend macht, in der Psychiatrie sei
eine Kostenträgerrechnung entbehrlich, und gleich anschliessend ausführt, die Kostenträgerrechnungen
würden in den psychiatrischen Institutionen eingeführt. Allein der Umstand, dass mit der Einführung
der nach Art. 9 Abs. 2 VKL erforderlichen Kostenträgerrechnung begonnen wurde, rechtfertigt für
das BVGer kein Abweichen von der konstanten Rechtsprechung des BR, wonach bei Vorliegen einer guten Kostenstellenrechnung
ein Kostendeckungsgrad von 46 % zu gewähren ist.
4.3.3 Dass die Tarifparteien in ihrem bis Ende 2008 gültigen Tarifvertrag einen Kostendeckungsgrad
von 47 % vereinbart hatten, ändert an dieser Beurteilung nichts. Der Regierungsrat hatte nur die
Möglichkeit, den Tarif neu festzusetzen oder den bestehenden Vertrag um ein Jahr zu verlängern.
Eine dritte Möglichkeit, im Sinne einer Vertragsverlängerung mit Änderung einzelner Bestimmungen,
gibt es nach der Rechtsprechung des BR, welche fortzuführen ist, nicht (BRE 96-84 TG vom 23. September
1996 E. 4 mit Hinweis auf Verwaltungspraxis der Bundesbehörden VPB
54.34 und VPB 56.44;
vgl. auch GEBHARD EUGSTER, Bundesgesetz über die Krankenversicherung [KVG] - Rechtsprechung des
Bundesgerichts zum Sozialversicherungsrecht, Zürich 2010, Art. 47 N. 11 und 13). Wird der Tarif
neu festgesetzt, muss dieser den Anforderungen, welche sich aus Gesetz und Rechtsprechung ergeben, entsprechen.
4.4 Vorliegend ist der Kostendeckungsgrad demnach auf 46 % festzusetzen.
5. Streitig ist weiter der Abzug für Lehre und Forschung.
5.1 Nach aArt. 49 Abs. 1 KVG sind die Kosten für Lehre und Forschung von den auf die
Pauschalen anrechenbaren Kosten abzuziehen.
5.1.1 Die Kosten für die Lehre umfassen laut aArt. 7 Abs. 1 VKL die Aufwendungen für
die theoretische und praktische Ausbildung der Studierenden der Medizin bis zum Erwerb des Staatsexamens
(Bst. a), die Weiterbildung der Ärzte und Ärztinnen bis zum Erwerb eines Facharzttitels (Bst.
b), die Aus- und Weiterbildung des übrigen medizinischen akademischen Personals (Bst. c), die theoretische
und praktische Aus- und Weiterbildung des Pflegepersonals (Bst. d) sowie die theoretische und praktische
Aus- und Weiterbildung des Personals medizinisch-technischer und medizinisch-therapeutischer Fachbereiche
(Bst. e).
5.1.2 Die Kosten für die Forschung umfassen die Aufwendungen für systematische schöpferische
Arbeiten und experimentelle Entwicklung zwecks Erweiterung des Kenntnisstandes sowie deren Verwendung
mit dem Ziel, neue Anwendungsmöglichkeiten zu finden. Darunter fallen Projekte, die zur Gewinnung
wissenschaftlicher Erkenntnisse sowie zur Verbesserung der Prävention, der Diagnostik und Behandlung
von Krankheiten ausgeführt werden (aArt. 7 Abs. 2 VKL).
5.1.3 Ebenfalls als Kosten für Lehre und Forschung gelten die indirekten Kosten sowie
die Aufwendungen, die durch von Dritten finanzierte Lehr- und Forschungstätigkeiten verursacht werden
(aArt. 7 Abs. 3 VKL).
5.1.4 Die Definition der Lehre und Forschung in aArt. 7 VKL entspricht im Wesentlichen der
bundesrätlichen Praxis (BRE 02-11-23 TG vom 23. Juni 2004 E. 6.3.2), wonach von einem weiten Begriff
der Lehre und Forschung auszugehen ist. Ein Abzug für Lehre ist immer vorzunehmen, wenn Angestellte
gemäss Pflichtenheft zumindest während eines Teils ihrer Arbeitszeit als Ausbildnerin oder
Ausbildner tätig sind; die entsprechenden Kosten sind auszuweisen (RKUV 2002 KV 220 [nur elektronische
Publikation] E. 1.6.3; unveröffentlichte BRE 98-94 SG vom 14. April 1999 E. 8.3.2 und BRE 03-24-25
LU vom 4. März 2005 E. 16).
5.2 Nach der Rechtsprechung des BR, welche auch in dieser Hinsicht fortzuführen ist,
sind die effektiven Kosten für Lehre und Forschung abzuziehen, sofern diese bekannt sind; anderenfalls
sind normative Abschlagssätze anzuwenden (RKUV 2002 KV 220 [nur elektronische Publikation] E. 10.1,
RKUV 1997 KV 16 S. 343 E. 8.2). Sind die Kosten für Lehre und Forschung nicht ausgewiesen, kommen
praxisgemäss folgende, nach Spitalgrösse und -typ abgestufte Abzüge zur Anwendung: bei
Universitätsspitälern 25 %, bei mittelgrossen und grossen Spitälern (über 125 Betten)
5 %, bei Spitälern mit 75 - 124 Betten 2 % und bei kleineren Spitälern 1 % (vgl. RKUV 1997
KV 17 S. 375 E. 8.2, RKUV 2002 KV 220 [nur elektronische Publikation] E. 10.1.1).
5.3 Unbestritten ist, dass die Nicht-Universitätsspitäler in ihren Kostenrechnungen
die effektiven Kosten für Lehre und Forschung nicht oder nicht vollständig ausweisen und deshalb
der entsprechende Pauschalabzug vorzunehmen ist. Streitig und vorliegend zu prüfen ist, ob die von
den Universitären Psychiatrischen Diensten Bern (UPD) ausgewiesenen Kosten in der Höhe von
5,4 % der Gesamtkosten vollständig sind.
5.3.1 - 5.3.5 (...)
5.4 (Zusammenfassung: Die effektiven Kosten für Lehre und Forschung wurden vom Universitätsspital
nicht hinreichend ausgeschieden und ausgewiesen. Deshalb ist ein normativer Abzug vorzunehmen).
5.5 (...)
5.5.1 (...)
5.5.2 Die Pauschalabzüge für Lehre und Forschung stellen nach der Rechtsprechung
des BR lediglich ein Korrektiv dar, welches anzuwenden ist, wenn die Spitäler ihrer Pflicht, die
effektiven Kosten auszuscheiden, nicht nachgekommen sind. Daher sind an die Berechnungen der Pauschalabzüge
keine sehr differenzierten Anforderungen zu stellen (unveröffentlichter BRE 98-94 SG vom 14. April
1999 E. 8.3.4). Der BR wendete in den Bereichen Akutsomatik und Psychiatrie die gleichen Pauschalabzüge
an (vgl. unveröffentlichter BRE 02-11-23 TG vom 23. Juni 2004 E. 6.3.2, siehe auch RKUV 1997 KV
17 S. 375 E. 8.2 und E. 10.3.2). Es besteht für das BVGer kein Anlass, von dieser Praxis abzuweichen.
5.6 (...)
6. Nicht zu den anrechenbaren Kosten gehören gemäss aArt. 49 Abs. 1 KVG Betriebskostenanteile
aus Überkapazität.
6.1 Ob in einem Spital Überkapazitäten bestehen, beurteilt sich nach der Rechtsprechung
des BR aufgrund der Bettenbelegung. Dabei wurde der Auslastungsschwellenwert für Akutspitäler
mit Notfallstation auf 85 % festgelegt. Für Akutspitäler ohne Notfallstation, für Psychiatrie-,
Geriatrie- und Rehabilitationsspitäler gilt hingegen ein Auslastungsschwellenwert von 90 % (RKUV
1997 KV 17 S. 375 E. 8.4, RKUV 1997 KV 16 S. 343 E. 8.1.2 unveröffentlichter BRE 98-94 SG vom 14.
April 1999 E. 8.2.2; vgl. auch RKUV 2002 KV 220 [nur elektronische Publikation] E. 10.1.2).
6.2 (...)
6.2.1 Die Vorinstanz hat erwogen, die psychiatrischen Institutionen, die gemäss Leistungsauftrag
eine Notfallaufnahmepflicht hätten (...), seien als Akutspitäler mit Notfallstation zu qualifizieren,
weshalb der Bettenbelegungsgrad mindestens 85 % - und nicht 90 % wie von der PUE vertreten - betragen
müsse. (...)
6.2.2 - 6.3 (...)
6.3.1 Die Krankenhaustypologie des Bundesamtes für Statistik (BFS), auf welche auch die
Rechtsprechung abstellt (vgl. nachfolgende E. 10.5.1), unterscheidet zwischen den beiden Hauptkategorien
« Allgemeine Krankenhäuser » (K1) und « Spezialkliniken » (K2). Die psychiatrischen
Kliniken bilden eine Unterkategorie der « Spezialkliniken » (K21) und werden in zwei Versorgungsniveaus
unterteilt, wobei für die Unterscheidung die Anzahl Pflegetage massgebend ist (vgl. Statistik der
stationären Betriebe des Gesundheitswesens - Krankenhaustypologie, Version 5.2, Bundesamt für
Statistik, Neuenburg, November 2006, S. 3 f. und S. 7). In der Medizinischen Statistik der Krankenhäuser
werden unter dem Begriff « Akutspitäler » alle allgemeinen Krankenhäuser sowie die
Spezialkliniken für Chirurgie, Gynäkologie/Neonatologie und Pädiatrie zusammengefasst.
Nicht unter die Akutspitäler fallen die psychiatrischen Kliniken (vgl. BFS Aktuell vom März
2007, Spitalaufenthalte im Überblick - Ergebnisse aus der Medizinischen Statistik der Krankenhäuser
2005, Neuenburg, März 2007, S. 6 [http://www.bfs.admin.ch/bfs/portal/de/index/news/publikationen.html?publicationID=2586
]). In den Studien des BAG wird der Begriff « Akutspitäler » im gleichen Sinne verwendet
(vgl. Statistiken zur Krankenversicherung - Qualitätsindikatoren der Schweizer Akutspitäler
2006, Bericht über die Pilotstudie. Resultate von 29 Spitälern auf freiwilliger Basis, Bundesamt
für Gesundheit, Bern 2009, PDF-Version vom 17. Februar 2009, S. 13 [http://www.bfs.admin.ch
> Themen > 14 - Gesundheit > Zum Nachschlagen > Publikationen]).
6.3.2 Aufgrund der von der Rechtsprechung vorgenommenen Unterscheidung zwischen Akutspitälern
mit Notfallstation einerseits und Akutspitälern ohne Notfallstation, Psychiatrie-, Geriatrie- und
Rehabilitationsspitälern andererseits ist davon auszugehen, dass unter dem Begriff « Akutspitäler
» - entsprechend der Terminologie des BFS und des BAG im Bereich Statistik - lediglich somatische
und nicht psychiatrische Spitäler erfasst werden sollten. Nach der Rechtsprechung des BR gilt im
Bereich der stationären Psychiatrie lediglich die Besonderheit, dass eine normative Korrektur der
Aufenthaltsdauer nicht möglich ist, weshalb von der tatsächlichen Anzahl Pflegetage auszugehen
ist (vgl. BRE 02-11-23 TG vom 23. Juni 2004 E. 6.3.1). Aus der Rechtsprechung des BR lässt sich
jedoch nicht ableiten, dass bei psychiatrischen Kliniken zwischen zwei Kategorien - mit beziehungsweise
ohne Notfallaufnahme - unterschieden werden soll.
6.3.3 Die Argumentation des Beschwerdegegners und der Vorinstanz erscheint zwar insofern nachvollziehbar,
dass psychiatrische Kliniken, die gemäss Leistungsauftrag verpflichtet sind, Notfälle aufzunehmen,
über eine gewisse Kapazitätsreserve verfügen müssen. Da in anderen Kantonen die Bettenbelegung
zum Teil deutlich über 90 % liegt (...), kann ein Auslastungsschwellenwert von 90 % in den psychiatrischen
Kliniken mit Notfallaufnahmepflicht jedoch nicht als offensichtlich zu hoch bezeichnet werden. Weder
die Vorinstanz noch der Beschwerdegegner machen - unter Vorlage entsprechender Beweise - geltend, eine
durchschnittliche Auslastung der Kliniken von mindestens 90 % würde dazu führen, dass Akutabteilungen
periodisch überbelegt seien und die erforderliche Qualität in der Versorgung deshalb nicht
mehr gewährleistet wäre. Wie die PUE und das BAG zu Recht bemerkten, müssten die Spitäler
den Nachweis erbringen, dass eine Auslastungsreserve von 10 % in der Praxis unzureichend ist.
6.4 (...)
7. Die Bestimmung, wonach die Kantonsregierung bei der Genehmigung von Tarifverträgen
zu prüfen hat, ob diese mit dem Gesetz und dem Gebot der Wirtschaftlichkeit und Billigkeit im Einklang
stehen (Art. 46 Abs. 4 KVG), gilt auch bei der Tariffestsetzung im vertragslosen Zustand nach Art. 47
KVG (BVGE 2010/24 E. 4.3;
RKUV 2004 KV 311 S. 502 E. 3.3).
7.1 Bei Vergleichen zwischen Spitälern dürfen nach der Rechtsprechung des BR nicht
einfach die blossen Tarife einander gegenüber gestellt werden, weil damit nicht gewährleistet
ist, dass Gleiches mit Gleichem verglichen wird und daraus die richtigen Schlüsse gezogen werden.
Eine taugliche Vergleichsbasis besteht daher nur dann, wenn Kosten einander gegenüber gestellt werden,
die auf vergleichbare Leistungen entfallen. In diesem Sinne sind zunächst die mit den strittigen
Tarifen abgegoltenen Leistungen eines Spitals sowie die darauf entfallenden Kosten zu bestimmen und sodann
den Leistungen sowie Kosten eines oder mehrerer anderer Spitäler (nachfolgend: Referenzspitäler)
gegenüber zu stellen. Der an Hand der Zahlen der Referenzspitäler ermittelte Wert wird als
Benchmark (oder auch als Referenzwert oder Vergleichswert) bezeichnet, die Methode zur Bestimmung und
zum Vergleich der Leistungen und Kosten als Benchmarking und das zu vergleichende Spital als das zu benchmarkende
Spital ( RKUV 2002 KV 232 S. 480 E. 16.2.1 mit Hinweis).
7.2 (...)
7.3 Da der Regierungsrat den Tarif hoheitlich neu festsetzte und nicht den bisherigen Vertrag
gestützt auf Art. 47 Abs. 3 KVG verlängerte, war er nicht gehalten, eine zwischen den Vertragsparteien
vereinbarte Methode des Benchmarkings zu übernehmen (vgl. E. 4.3.3). Das von ihm im Rahmen der Tariffestsetzung
gewählte Benchmarking muss den von der Rechtsprechung formulierten Anforderungen entsprechen.
7.3.1 Aus der Forderung, dass nur Gleiches mit Gleichem verglichen werden darf, folgt nach
der Rechtsprechung des BR, dass (1) das zu benchmarkende Spital und die Referenzspitäler über
dieselben rechnerischen Grundlagen in Form von Kostenstellenrechnungen verfügen müssen. Zudem
(2) müssen die Leistungen und Kosten des zu benchmarkenden Spitals und der Referenzspitäler
an Hand bestimmter Kriterien fassbar und vergleichbar sein (je nach Art des Kostenvergleichs bspw. hinsichtlich
Versorgungsstufe, Leistungsangebot in Diagnostik und Therapie, Zahl und Art sowie Schweregrad der Fälle
oder hinsichtlich Leistungen in Hotellerie/Service und Pflege [RKUV 2005 KV 325 S. 159 E. 11.1; vgl.
auch BVGE 2009/24 E. 4.2.4
S. 299]).
7.3.2 Wenn die Leistungen vergleichbar sind, so ist zu vermuten, dass auch deren Kosten etwa
gleich hoch liegen werden. Falls dies im Einzelfall nicht zutrifft und das zu benchmarkende Spital für
die strittigen Leistungen höhere Kosten aufweist als die Referenzspitäler, kann das Spital
diese Vermutung umstossen, indem es die höheren Kosten stichhaltig begründet. Wenn dies nicht
gelingt, so ist anzunehmen, dass die höheren Kosten mindestens teilweise auf einer unwirtschaftlichen
Leistungserbringung beruhen, was mit dem KVG nicht vereinbar und daher beim zu benchmarkenden Spital
zu korrigieren ist (Art. 43 Abs. 6 und 7 sowie Art. 46 Abs. 4 KVG; RKUV 2002 KV 232 S. 480 E. 16.2.1,
RKUV 2005 KV 325 S. 159 E. 11.1).
7.4 Das von der Vorinstanz vorgenommene Benchmarking erfüllt die Anforderungen der Rechtsprechung
nicht.
7.4.1 Zunächst ist festzuhalten, dass es nicht zulässig ist, bei den günstigeren
Institutionen die effektiv ermittelten anrechenbaren Kosten auf den Benchmark anzuheben (...). Mit dem
Benchmarking soll lediglich verhindert werden, dass unwirtschaftlich erbrachte Leistungen nicht von der
Krankenversicherung finanziert werden (vgl. auch RKUV 2002 KV 213 S. 195 E. 8.3.2 in fine), nicht aber
die wirtschaftlich arbeitenden Spitäler mit einer Prämie zu belohnen.
7.4.2 Der Regierungsrat hat bei den Institutionen UPD, Psychiatriezentrum Münsingen (PZM),
Psychiatrische Dienste Biel-Seeland-Berner Jura (PDBBJ), Psychiatrische Dienste Spital Region Oberaargau
(SRO) und Soteria einen Abzug wegen unwirtschaftlicher Leistungserbringung vorgenommen. Der Entscheid
enthält jedoch keine Ausführungen zur Frage der Vergleichbarkeit der Kliniken und deren Leistungen.
Die Ausführungen der Vorinstanz in der Vernehmlassung dazu sind zudem widersprüchlich, da im
Zusammenhang mit dem Abzug für Lehre und Forschung vorgebracht wird, im Universitätsspital
würden die medizinisch anspruchsvollsten Patientinnen und Patienten behandelt (...), beim Benchmarking
aber davon ausgegangen wird, dass die Leistungen der UPD mit denjenigen der übrigen Kliniken ohne
Weiteres vergleichbar seien (...).
7.4.3 Der Beschwerdeführer hat in seiner bei der Vorinstanz eingereichten Tarifberechnung
die Soteria vom Benchmarking ausgenommen und - im Unterschied zu den Berechnungen der Vorinstanz, der
PUE und der Kliniken - bei dieser Institution auch keinen Wirtschaftlichkeitsabzug vorgenommen. Eine
Begründung dafür lässt sich den Akten nicht entnehmen. Da die Soteria (als sehr kleine
Einrichtung) sich mit einem speziellen Therapiekonzept für eine besondere Zielgruppe anbietet (...),
ist diese Institution nicht nur aufgrund der geringen Anzahl Pflegetage vom Benchmarking auszunehmen,
sondern insbesondere weil sie nicht die gleichen Leistungen erbringt. Zweifelhaft erscheint die Vergleichbarkeit
aber auch bei den anderen beiden Kleininstitutionen, insbesondere beim SRO, welches - soweit ersichtlich
- im Bereich der stationären Psychiatrie nur eine Kriseninterventionsstation führt (...). Das
Regionalspital Emmental AG betreibt eine offen geführte psychiatrische Station im Spital Burgdorf
mit 18 Betten (...).
7.4.4 Den Kliniken UPD, PZM, PDBBJ und Privatklinik Meiringen (PM) wurde mit Regierungsratsbeschluss
Nr. 2838 vom 29. Juni 1988 ein Pflichtaufnahmegebiet zugeteilt (...). In diesem Punkt sind diese vier
Kliniken vergleichbar. Ob das Leistungsangebot tatsächlich gleich ist, lässt sich indessen
nicht ermitteln.
7.4.5 Ebenfalls nicht beurteilt werden kann die Vergleichbarkeit der beiden Institutionen
im Bereich KJP (UPD und PDBBJ).
7.5 Als Ergebnis kann somit bloss festgehalten werden, dass die vorliegenden Akten kein rechtskonformes
Benchmarking ermöglichen, weil nicht festgestellt werden kann, ob beziehungsweise welche Kliniken
miteinander vergleichbar sind. Deshalb kann auch nicht auf eine andere von den Verfahrensbeteiligten
vorgeschlagene Methode abgestellt werden. Die Sache ist deshalb zur Neubeurteilung an die Vorinstanz
zurückzuweisen.
8. (...)
9. (...)
10.
10.1 Bei der Neufestsetzung der Tarife wird die Vorinstanz zudem zu berücksichtigen haben,
dass nach der Rechtsprechung Gruppentaxen - dieselbe Pauschale für eine Gruppe von Spitälern
- nur unter bestimmten Voraussetzungen zulässig ist. Da die Kosten gemäss Art. 49 KVG für
jedes Spital separat zu ermitteln sind, müssen grundsätzlich auch die Pauschalen für jedes
Spital einzeln berechnet werden. Gruppentaxen sind ausnahmsweise dort zulässig, wo die Spitäler
bei entsprechender Struktur vergleichbare Kosten aufweisen (RKUV 2002 KV 220 [nur elektronische Publikation]
E. 10.5 mit Hinweis; EUGSTER, a. a. O., Art. 49 N. 19).
10.2 Der BR hat sich in seiner Rechtsprechung vorwiegend mit dem interkantonalen Vergleich
von (somatischen) Akutspitälern befasst. Aus prozessökonomischen Gründen rechtfertigen
sich daher die nachfolgenden Ausführungen zum Benchmarking.
10.2.1 Im Bereich der Akutspitäler stehen für den (interkantonalen) Vergleich der
Fallkosten in der Regel die Case-Mix-Indizes-Berechnungen (durchschnittlicher Schweregrad der in einem
Spital behandelten Fälle) im Vordergrund (vgl. eingehend RKUV 2005 KV 325 S. 159 E. 11). Nach der
Rechtsprechung des BR eignet sich indessen auch die Krankenhaustypologie beziehungsweise die Einreihung
der Spitäler in eine der Versorgungsstufen als Einstieg für Betriebsvergleiche, weil sich daraus
drei grundsätzliche Schlüsse ziehen lassen: (1) Spitäler der gleichen Stufe müssten
ähnliche Kostenniveaus aufweisen, (2) ein Spital sollte zumindest nicht teurer sein als eines, das
eine Versorgungsstufe höher liegt, und (3) ein Spital kann nicht gleich teuer oder teurer sein als
eines, das mindestens zwei Versorgungsstufen höher liegt. Weist ein zwei Stufen tiefer liegendes
Spital dennoch gleiche oder höhere Kosten aus, entsteht (automatisch) die Vermutung der unwirtschaftlichen
Leistungserbringung und es obliegt dem betreffenden Spital diese Vermutung umzustossen. Hingegen entsteht
eine solche Vermutung nicht ohne Weiteres bei einem auf der gleichen oder um eine Stufe tiefer liegenden
Spital, weil zahlreiche Unterschiede die verschiedenen Kostenniveaus erklärbar machen können
(RKUV 2005 KV 326 S. 172 E. 3.3).
10.2.2 Im Bereich der Psychiatrie lässt sich aus der Versorgungsstufe kaum etwas für
die Betriebsvergleiche ableiten, weil die Krankenhaustypologie für psychiatrische Kliniken (2 Versorgungsniveaus,
vgl. E. 6.3.1) im Vergleich zu den allgemeinen Spitälern (mit 5 Versorgungsniveaus) weit weniger
Differenzierungen vornimmt. Der Case Mix Index (CMI) ist eine der Grundlagen für die Festsetzung
von (diagnosebezogenen) Fallpauschalen in den Akutspitälern und wird für psychiatrische Kliniken
nicht ermittelt, weil noch nicht festgelegt ist, ob beziehungsweise nach welchen Kriterien der Schweregrad
der in der Psychiatrie behandelten Fälle bestimmt werden kann/soll (vgl. http://www.swissdrg.org
> Informationen zu SwissDRG sowie SwissDRG System 0.2 > Bericht betreffend Tarifentwicklungen in
den Bereichen Psychiatrie, Rehabilitation und Geburtshäuser, vom 12.6.2009 [nachfolgend: Bericht
Tarifentwicklungen]; Verordnung vom 27. Juni 1995 über die Krankenversicherung [KVV]. Änderungen
per 1. Januar 2009. Änderungen und Kommentar im Wortlaut [nachfolgend: Kommentar des BAG], S. 5
[...]). Für den Kostenvergleich im Bereich Psychiatrie kann der CMI deshalb keine Rolle spielen.
Im Hinblick auf die Einführung von leistungsbezogenen Pauschalen gemäss dem neuen Art. 49 Abs.
1 KVG (in der seit 1. Januar 2009 gültigen Fassung) soll auch bei Tagespauschalen die Art der Leistung
einerseits und die Ressourcenintensität beziehungsweise die Intensität der Leistung andererseits
berücksichtigt werden (vgl. Art. 59d Abs. 4 KVV [in Kraft seit 1. Januar 2009]; soeben zitierter
Kommentar des BAG, S. 11 f.). Zur Zeit liegt noch kein Tarifierungsprojekt der SwissDRG AG für den
Bereich Psychiatrie vor, aus welchem sich allenfalls anerkannte Kriterien zur Beurteilung einer wirtschaftlichen
Leistungserbringung in der stationären Psychiatrie ableiten liessen (vgl. Bericht Tarifentwicklungen).
10.2.3 Daraus folgt, dass allein die höheren anrechenbaren Kosten der einen psychiatrischen
Klinik gegenüber einer anderen Institution noch nicht die Vermutung der unwirtschaftlichen Leistungserbringung
begründet. Vielmehr muss - wie der BR in RKUV 2005 KV 326 S. 172 erwogen hat - zunächst glaubhaft
gemacht werden, dass tatsächlich einerseits Vergleichbarkeit und andererseits unwirtschaftliche
Leistungserbringung gegeben sind, was eine entsprechend zuverlässige und umfassende Datenbasis erfordert
(...).