Auszug aus dem Urteil der Abteilung III i. S. santésuisse gegen A. und Regierungsrat des Kantons
Luzern
C-6571/2007 vom 21. Juni 2010
Aus den Erwägungen:
3.
3.1 Für die Umschreibung des Prozessthemas ist nach den Regeln über den Anfechtungs-
und Streitgegenstand zu verfahren. Streitgegenstand im System der nachträglichen Verwaltungsrechtspflege
sind die Rechtsverhältnisse, welche - im Rahmen des durch die Verfügung bestimmten Anfechtungsgegenstandes
- den auf Grund der Beschwerdebegehren effektiv angefochtenen Verfügungsgegenstand bilden. Anfechtungsgegenstand
und Streitgegenstand sind identisch, wenn die Verfügung insgesamt angefochten wird. Bezieht sich
demgegenüber die Beschwerde nur auf einzelne der durch die Verfügung bestimmten Rechtsverhältnisse,
gehören die nicht beanstandeten Rechtsverhältnisse zwar wohl zum Anfechtungs-, nicht aber zum
Streitgegenstand (BGE 130
V 501 E. 1.1, BGE 125
V 413 E. 1b und E. 2a, je mit Hinweisen).
Die begriffliche Unterscheidung von Streit- und Anfechtungsgegenstand
erfolgt demnach auf der Ebene von Rechtsverhältnissen. Für die Umschreibung des Streitgegenstandes
und seine Abgrenzung vom Anfechtungsgegenstand nicht von Bedeutung sind die bestimmenden Elemente («
Teilaspekte ») des verfügungsweise festgelegten Rechtsverhältnisses. Teilaspekte eines
verfügungsweise festgelegten Rechtsverhältnisses dienen in der Regel lediglich der Begründung
der Verfügung und sind daher grundsätzlich nicht selbstständig anfechtbar. Sie können
folgerichtig erst als rechtskräftig beurteilt und damit der richterlichen Beurteilung entzogen gelten,
wenn über den Streitgegenstand insgesamt rechtskräftig entschieden worden ist (BGE
125 V 413 E. 2b mit Hinweisen; Urteil des Bundesgerichts [BGer] 2C_446/2007 vom 22. Januar 2008 E.
2.2, Urteil des BGer 8C_690/2007 vom 27. Februar 2008 E. 2.3; CHRISTOPH AUER, Streitgegenstand und Rügeprinzip
im Spannungsfeld der verwaltungsrechtlichen Prozessmaximen, Bern 1997, S. 45 ff.).
Streitgegenstand
im vorliegenden Beschwerdeverfahren ist demnach die Festsetzung des Taxpunktwerts beziehungsweise der
Taxpunktwerte für die ambulanten Behandlungen beim Beschwerdegegners ab dem 1. Januar 2004.
3.2 Das BVGer wendet das Recht von Amtes wegen an, das heisst es ist nicht an die Begründung
der Parteien gebunden (Art. 62 Abs. 4 des Bundesgesetzes vom 20. Dezember 1968 über das Verwaltungsverfahren
[VwVG, SR 172.021]). Es kann eine Verfügung zuungunsten einer Partei ändern, wenn die Verfügung
Bundesrecht verletzt oder auf einer unrichtigen oder unvollständigen Feststellung des Sachverhaltes
beruht, wobei die angefochtene Verfügung nicht wegen Unangemessenheit zuungunsten einer Partei geändert
werden darf, es sei denn, sie werde zugunsten einer Gegenpartei geändert (Art. 62 Abs. 2 VwVG).
3.3 Aufgrund der Zulässigkeit der reformatio in peius, darf die Gegenpartei eine Änderung
der angefochtenen Verfügung zulasten der beschwerdeführenden Partei und zu ihren Gunsten beantragen.
Da das VwVG jedoch keine Anschlussbeschwerde vorsieht, kommt einem solchen Antrag lediglich die Bedeutung
einer prozessualen Anregung an die Beschwerdeinstanz zu. Solche Anträge können indessen Kostenfolgen
nach sich ziehen (vgl. BGE
110 Ib 29 E. 2; Urteil des BGer 8C_256/2009 vom 8. Juni 2009, Urteil des BGer 2A.450/2005 vom 21.
April 2006; THOMAS HÄBERLI, in: Bernhard Waldmann/Philippe Weissenberger [Hrsg.] Praxiskommentar
VwVG, Zürich 2009, Art. 62 N 26 f.; RENÉ RHINOW/HEINRICH KOLLER/CHRISTINA KISS, Öffentliches
Prozessrecht und Justizverfassungsrecht des Bundes, Basel/Frankfurt am Main 1996, Rz. 1343; FRITZ GYGI,
Bundesverwaltungsrechtspflege, 2. Aufl., Bern 1983, S. 193 und 253). Vorliegend ist der Antrag des Beschwerdegegners,
es sei ein Taxpunktwert von Fr. 0.86 festzusetzen, daher in diesem Rahmen zu seinen Gunsten mitzuerwägen
(BGE 107 Ib 167 E. 1a).
4.
4.1 Die obligatorische Krankenpflegeversicherung übernimmt nach Art. 24 des Bundesgesetzes
vom 18. März 1994 über die Krankenversicherung (KVG, SR 832.10) die Kosten für die Leistungen
gemäss Art. 25-Art. 31 KVG nach Massgabe der in den Art. 32-Art. 34 KVG festgelegten Voraussetzungen.
Nach Art. 43 Abs. 4 KVG sind die entsprechenden Tarife und Preise in Verträgen zwischen Versicherern
und Leistungserbringern (Tarifvertrag) zu vereinbaren oder werden in den vom Gesetz bestimmten Fällen
von der zuständigen Behörde festgesetzt. Dabei ist auf eine betriebswirtschaftliche Bemessung
und eine sachgerechte Struktur der Tarife zu achten. Die Vertragspartner und die zuständigen Behörden
achten darauf, dass eine qualitativ hoch stehende und zweckmässige gesundheitliche Versorgung zu
möglichst günstigen Kosten erreicht wird (Art. 43 Abs. 6 KVG).
4.2 Parteien eines Tarifvertrags sind nach Art. 46 Abs. 1 KVG einzelne oder mehrere Leistungserbringer
oder deren Verbände einerseits, sowie einzelne oder mehrere Versicherer oder deren Verbände
andererseits. Ist ein Verband Vertragspartei, so ist der Tarifvertrag für die Mitglieder des Verbandes
nur verbindlich, wenn sie dem Vertrag beitreten. Die Art und Weise der Beitritts- sowie der Rücktrittserklärungen
und ihre Bekanntgabe wird gemäss Art. 46 Abs. 2 KVG im Vertrag geregelt. Nach Art. 46 Abs. 4 KVG
bedarf der Tarifvertrag der Genehmigung der zuständigen Kantonsregierung oder, wenn er in der ganzen
Schweiz gelten soll, des Bundesrats (BR). Die Genehmigungsbehörde prüft, ob der Tarifvertrag
mit dem Gesetz und dem Gebot der Wirtschaftlichkeit und Billigkeit in Einklang steht (Art. 46 KVG).
4.3 Der Anwendungsfall der in Art. 43 Abs. 3 KVG vorgesehenen hoheitlichen Festsetzung eines
Tarifs ist in Art. 47 Abs. 1 KVG geregelt. Demnach setzt die Kantonsregierung (nach Anhören der
Beteiligten) dann einen Tarif fest, wenn zwischen Leistungserbringern und Versicherern kein Tarifvertrag
zustande kommt. Die Bestimmung, wonach die Kantonsregierung bei der Genehmigung von Tarifverträgen
zu prüfen hat, ob diese mit dem Gesetz und den Geboten der Wirtschaftlichkeit und Billigkeit im
Einklang stehen (Art. 46 Abs. 4 KVG), gilt gemäss Praxis des BR, welcher bis zum Inkrafttreten der
neuen Bundesrechtspflege gemäss Art. 53 Abs. 1 KVG (in der bis Ende Dezember 2006 gültigen
Fassung) für die Beurteilung von Beschwerden gegen Beschlüsse im Sinne von Art. 47 Abs. 1 KVG
zuständig war, auch bei der Tariffestsetzung im vertragslosen Zustand nach Art. 47 KVG (vgl. Kranken-
und Unfallversicherung: Rechtsprechung und Verwaltungspraxis [RKUV] 6/2004 S. 502 ff. E 3.3). Diese Rechtsprechung
ist beizubehalten.
5.
5.1 Soweit eine kantonale Vorinstanz als erste Instanz verfügt hat, steht dem BVGer grundsätzlich
volle Prüfungsbefugnis in Sachverhalts- und Rechtsfragen zu; es kann insbesondere die Angemessenheit
des angefochtenen Entscheides prüfen (Art. 49 VwVG).
5.2
5.2.1 Der BR übte in seiner Praxis Zurückhaltung, wenn nach Sinn und Zweck der bundesrechtlichen
Bestimmungen den kantonalen Behörden ein weiter Ermessensspielraum eingeräumt wird. Einen weiten
Ermessensspielraum der kantonalen Behörden hat der BR zwar für die Entscheidung anerkannt,
ob diese die Geltung eines früher bestehenden Vertrags in Anwendung von Art. 47 Abs. 3 KVG verlängern
wollen (RKUV 1997 S. 371 ff. E. 3 ff., RKUV 1997 S. 220 ff. E. 3). Setzte die Kantonsregierung aber einen
Tarif nach Art. 47 Abs. 1 KVG fest, erachtete es der BR grundsätzlich für notwendig, dafür
zu sorgen, dass die tarifrechtlichen Ziele und Grundsätze des Krankenversicherungsrechts eingehalten
wurden; namentlich das Erreichen einer qualitativ hoch stehenden und zweckmässigen Versorgung zu
möglichst günstigen Kosten sowie die Übereinstimmung der Tarife mit dem Gesetz und den
Geboten der Wirtschaftlichkeit und Billigkeit (Botschaft zur Revision der Krankenversicherung vom 6.
November 1991, BBl 1992 I 188, nachfolgend: Botschaft zur Krankenversicherung). Dass diesem Auftrag nur
mit einer auch die Angemessenheit des Tarifes umfassenden Prüfung nachgekommen werden kann, versteht
sich.
Der BR sah sich gemäss erwähnter Rechtsprechung aber dann veranlasst, auf die Überprüfung
eines Tarifs sowohl in Bezug auf Angemessenheit als auch auf Rechtsverletzungen - einschliesslich unrichtiger
oder unvollständiger Feststellung des rechtserheblichen Sachverhalts und Rechtsfehler bei der Ausübung
des Ermessens - hin zu verzichten, wenn dies zur Durchsetzung des vom Gesetzgeber vorgesehenen Systems
der Tarifgestaltung in der obligatorischen Krankenpflegeversicherung notwendig erschien.
In diesem
System kommt der autonomen Gestaltung der Tarife durch die Tarifpartner mittels Verträgen zwischen
Leistungserbringern und Krankenversicherern gemäss Art. 43 Abs. 4 KVG die grundlegende Rolle zu
(Botschaft zur Krankenversicherung, BBl 1992 I 172). Bloss für den Fall, dass auf diese Weise kein
Tarif zustande kommt, hat der Gesetzgeber ein Tätigwerden der Kantonsregierung vorgesehen (Art.
47 Abs. 1 KVG). Diese setzt wie erwähnt erst dann einen Tarif fest, wenn trotz darauf zielender
Verhandlungen oder Angebote kein Vertrag zustande gekommen ist, wenn für bestimmte Einzelfälle
kein anwendbarer Vertrag existiert oder wenn die Erneuerung eines bestehenden, aber gekündigten
Vertrages gescheitert ist (Botschaft zur Krankenversicherung, BBl 1992 I 180 f.).
Gemäss Art.
46 Abs. 2 KVG ist ein von einem Verband abgeschlossener Tarifvertrag für dessen Mitglieder zwar
nur dann verbindlich, wenn sie diesem Vertrag beigetreten sind. Gemäss bundesrätlicher Praxis
müssen Versicherer oder Leistungserbringer, die den Verträgen ihrer Verbände unter Berufung
auf Art. 46 Abs. 2 KVG nicht beitreten, jedoch darum bemüht sein, dem Grundgedanken des Systems
der Tarifgestaltung folgend zu entsprechenden Vereinbarungen mit der Gegenseite zu kommen. Dieses System
würde ad absurdum geführt, wenn Tarifpartner, die sich der konstruktiven Mitarbeit in Vertragsverhandlungen
verweigern, dadurch die ihnen zugedachte Rolle bei der Tariffindung beliebig auf die staatlichen Behörden
überwälzen könnten. Die Botschaft des BR, der in diesem Punkt weder im Stände- noch
im Nationalrat widersprochen worden ist, stellt die Absicht des Gesetzgebers klar, dass Tarife nur in
Ausnahmesituationen hoheitlich festzulegen sind (RKUV 5/1998 S. 410 ff. E. 3, RKUV 2/1999 S. 174 ff.
E. 3 und 4, RKUV 1/2004 E. 3).
Da selbst ein überzeugend berechneter alternativer Tarifvorschlag
nicht unbedingt zum Ziel führen wird, steht als Ausweg nach dem Scheitern der Verhandlungen der
Weg zur hoheitlichen Tariffestsetzung offen. Allerdings kann gemäss erwähnter bundesrätlicher
Rechtsprechung nur derjenige Tarifpartner mit dem Erlass eines für ihn günstigeren Tarifs rechnen,
der sich nicht bloss darauf beschränkt darzulegen, was gegen den vom Verband abgeschlossenen Vertrag
einzuwenden sei, sondern konstruktive und substanziierte Vorschläge zur Tarifgestaltung vorlegt.
Nach
der Praxis des BR wird daher ein Leistungserbringer, der dem Verbandsvertrag nicht beigetreten ist und
gegenüber dem Tarifpartner keine konstruktiven und substanziierten Vorschläge zur Tarifgestaltung
gemacht hat, für sich keinen höheren als den von seinem Verband abgeschlossenen Tarif beanspruchen
können (RKUV 1/2004 S. 2 ff. E. 3 ff.). Nur wenn der Tariferlass offensichtlich fehlerhaft ist,
überwiegt das öffentliche Interesse an der Korrektur des angefochtenen Tariferlasses jenes
an der Aufrechterhaltung der vom Gesetzgeber vorgesehenen Art und Weise des Zustandekommens von Tarifen.
Insoweit hielt der BR eine materielle Überprüfung des Tariferlasses auch dann für angebracht,
wenn die Versicherer oder Leistungserbringer, welche dem von ihrem Verband abgeschlossenen Tarifvertrag
nicht beigetreten sind, der vom BR geforderten Pflicht, mit der Gegenseite zu verhandeln, nicht nachgekommen
waren. Wenn zum Beispiel im Verbandsvertrag festgelegt wurde, dass die Versicherer den Leistungserbringern
die Vergütung der Leistung direkt schulden (System des Tiers payant), und die Kantonsregierung die
Geltung des vom Verband abgeschlossenen Vertrags umfassend auf die Krankenversicherer ausdehnt, die dem
Verbandsvertrag nicht beigetreten sind, weicht er von der Regelung des Tiers garant, wonach die Versicherten
den Leistungserbringern die Vergütung der Leistung schulden, ab und verstösst damit offensichtlich
gegen Art. 42 Abs. 1 KVG. Das in Art. 42 Abs. 1 KVG verankerte System des Tiers garant kann nämlich
nur mit Zustimmung der Tarifparteien und insbesondere der Versicherer geändert werden, weshalb die
Kantonsregierung als Tariffestsetzungsbehörde nicht einseitig von dieser Regel abweichen kann. Art.
42 Abs. 1 KVG verwehrt somit dem Regierungsrat klar den Spielraum, über den er bei der Festsetzung
der Höhe des Tarifs, aber auch bei der Festlegung des Tarifierungssystems und der Regelung anderer
Modalitäten im vertragslosen Zustand aufgrund von Art. 47 Abs. 1 KVG verfügt (RKUV 1/2004 S.
20 f. E. 7).
Von dieser Praxis abzuweichen, besteht kein Anlass, vor allem auch mit Blick auf den
Umstand, dass die Kantonsregierung bei der Genehmigung des vom Verband abgeschlossenen Tarifs diesen
für rechtmässig und angemessen erklärt hat. An dieser Sichtweise vermag auch der Umstand
nichts zu ändern, dass die zitierte Rechtsprechung im Zusammenhang mit autoritativen Festlegungen
stationärer Tarife entwickelt wurde, es vorliegend jedoch eine hoheitliche Tariffestsetzung im ambulanten
Bereich zu beurteilen gilt.
5.2.2
5.2.2.1 Nach der zitierten Rechtsprechung ist ein Verhandlungen einleitender Vorschlag konstruktiv,
wenn er dem Verhandlungspartner nach Treu und Glauben einen Anreiz zur Führung weiterer Verhandlungen
bietet, und er ist substanziiert, wenn er auf einer Auseinandersetzung mit der konkreten Situation unter
Berücksichtigung der gesetzlichen Vorschriften beruht, wobei allerdings nur substanziierte Vorschläge
nach Treu und Glauben Anreiz zur Führung weiterer Verhandlungen bieten können, so dass es genügt
zu verlangen, dass Alternativvorschläge konstruktiv sein müssen (hierzu: RKUV 1/2004 S. 2 ff.
E. 5.1).
Eine Auseinandersetzung mit der konkreten Kostensituation bedingt in der Regel, dass sich
der Leistungserbringer, welcher dem vom Verband abgeschlossenen Tarif nicht beigetreten ist, auch mit
dem Verbandsvertrag auseinanderzusetzen hat, indem er dessen Mängel aufzeigt. Eine entsprechende
Rüge ist nur dann nicht nötig, wenn der Leistungserbringer einen Versicherer mit besonderen
Argumenten zum Abschluss eines für ihn günstigeren Vertrages als dem mit dem Verband abgeschlossenen
bewegen möchte (vgl. so hinsichtlich dem Verbandsvertrag nicht beigetretener Versicherer RKUV 1/2004
S. 2 ff. E. 5.1).
5.2.2.2 Gemäss Rechtsprechung des BR, die auch in dieser Hinsicht fortzuführen ist,
gelten alternative Tarifvorschläge und Vorbehalte gegen das Vertragswerk der Verbände als verspätet,
wenn sie erst im Tariffestsetzungsverfahren gegenüber der Kantonsregierung oder gar erst im Beschwerdeverfahren
vorgebracht werden, ist doch die Infragestellung des Verbandsvertrags Voraussetzung dafür, dass
ein Verhandlungen einleitender Vorschlag als konstruktiv betrachtet werden kann (RKUV 1/2004 S. 2 ff.
E. 6.2).
5.2.2.3 Aus dem Gebot der Gewährung des rechtlichen Gehörs (Art. 29 Abs. 2 der Bundesverfassung
der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 [BV, SR 101]) folgt der Anspruch auf Abnahme
der von einer Partei angebotenen Beweise, soweit diese erhebliche Tatsachen betreffen und nicht offensichtlich
beweisuntauglich sind (BGE
127 I 54 E. 2b mit Hinweisen; vgl. auch Art. 33 Abs. 1 VwVG). Keine Verletzung des rechtlichen Gehörs
liegt vor, wenn eine Behörde auf die Abnahme beantragter Beweismittel verzichtet, weil sie auf Grund
der bereits abgenommenen Beweise ihre Überzeugung gebildet hat, wenn die Tatsachen bereits aus den
Akten genügend ersichtlich sind und in vorweggenommener, antizipierter Beweiswürdigung angenommen
werden kann, dass die Durchführung des Beweises im Ergebnis nichts ändern wird (BGE
131 I 153 E. 3, BGE 124
I 208 E. 4a, BGE 122
II 464 E. 4a, je mit Hinweisen; ANDRÉ MOSER/MICHAEL BEUSCH/LORENZ KNEUBÜHLER, Prozessieren
vor Bundesverwaltungsgericht, Basel 2008, Rz. 3.124 ff.).
6.
6.1 Vorliegend argumentiert der Beschwerdegegner, dass er seiner Obliegenheit, einen konstruktiven
Tarifvorschlag vorzulegen, nachgekommen sei.
6.1.1 Der Beschwerdegegner macht namentlich geltend, dass die Tarifstruktur ungerechtfertigte
(nicht weiter substanziierte) Umverteilungen beinhalte. Mit Blick auf den Umstand, dass der Einzelleistungstarif
TARMED nach Art. 43 Abs. 5 KVG auf einer gesamtschweizerisch vereinbarten einheitlichen Tarifstruktur
beruhen muss, kann der Beschwerdegegner mit diesem Vorbringen seiner Verhandlungspflicht nur schon deshalb
nicht genügen, weil Rügen gegen diese Tarifstruktur nicht im Rahmen der Festlegung eines Taxpunktwerts
vorgebracht werden können; allfällige strukturelle Mängel können selbstredend nicht
durch die Festsetzung eines (überhöhten) Taxpunktwerts kompensiert werden. Im Übrigen
hat sich der Beschwerdegegner dieser Tarifstruktur zumindest implizit unterworfen, hat er doch ab dem
1. Januar 2004, wie er selbst darlegt, stets nach dieser Struktur abgerechnet. Da sich auch das insbesondere
im Rahmen der Stellungnahme an den Regierungsrat vom 30. Dezember 2005 (in dessen Rahmen er einen Taxpunktwert
von Fr. 1.08 rückwirkend seit 1. Januar 2004 beantragt hatte) vorgebrachte Argument, er sei Spezialist
mit langjähriger Erfahrung, und zudem beinhalte sein Beruf eine sehr technische Leistung mit hohen
Unkosten, um eine Kritik an der Tarifstruktur und nicht am Taxpunktwert selbst handelt, braucht auch
dieses Vorbringen nicht weiter geprüft zu werden, zumal es aufgrund der Akten auch verspätet
erscheint.
6.1.2 Was den kantonalen Anschlussvertrag angeht, rügte der Beschwerdegegner die Höhe
des darin vereinbarten Taxpunktwerts: Es sei nicht ersichtlich, weshalb die technischen Leistungen in
der Zentralschweiz bis zu 14 % billiger seien als in anderen Kantonen und gemäss anderen Abrechnungssystemen
innerhalb des Kantons Luzern. Ausserdem sei bei der Einführung von TARMED am 1. Januar 2004 von
einem zu tiefen Starttaxpunktwert ausgegangen worden, sei doch dieser seit 1992/1993 nicht angepasst
worden.
Auch hierin kann keine genügende Auseinandersetzung mit der konkreten Kostensituation
im Sinne der Rechtsprechung erblickt werden. Ebenso wenig ist eine solche darin zu sehen, dass gemäss
der Darstellung des Beschwerdegegners am 17. Januar 2005 ein Treffen mit einem Vertreter von santésuisse
stattgefunden habe, zumal in diesem Rahmen ein Taxpunktwert in der Höhe gemäss dem Starttaxpunktwert
vereinbart worden sei. In diesem Zusammenhang ist festzuhalten, dass entgegen der Ansicht des Beschwerdegegners
nur im Sinne von Art. 46 Abs. 4 KVG genehmigte Verträge die Tarifpartner rechtlich binden können;
konkludent geschlossene Verträge gibt es im Tarifrecht der obligatorischen Krankenversicherung nicht
(vgl. Bundesratsentscheid [BRE] 97-146 vom 14. April 1999 betreffend Tariffestsetzung im Kanton Basel-Landschaft).
Dies gilt selbstredend nicht nur für Tarifverträge mit santésuisse, sondern auch mit einzelnen
Versicherern.
6.1.3 Hinzu kommt, dass sich aus dem Prinzip der betriebswirtschaftlichen Bemessung ohnehin
keine Garantie für ein ärztliches Mindesteinkommen ableiten lässt. Gemäss bundesrätlicher
Rechtsprechung, die fortzuführen ist, gilt der frei praktizierende Arzt als Einzelunternehmer mit
finanzieller Eigenverantwortung. Einkommen von Ärzten in anderen Kantonen, Vergleiche von Ärztekategorien
untereinander oder mit anderen Leistungserbringern im Bereich der Krankenversicherung können zwar
Indikatoren für die Angemessenheit eines bestimmten Einkommens sein, begründen indes keinen
Anspruch auf entsprechende Anhebung des eigenen Einkommens (RKUV 2/1997 S. 122 ff. E. 4); das Vorbringen
solcher Vergleiche vermag somit für sich allein keinen Anreiz zur Führung weiterer Verhandlungen
zu bieten.
6.1.4 Als Zwischenergebnis kann somit festgehalten werden, dass der dem kantonalen Anschlussvertrag
nicht beigetretene Beschwerdegegner seiner Obliegenheit, konstruktive Vorschläge zur Tarifgestaltung
vorzulegen, nicht nachgekommen ist. Gemäss Rechtsprechung hat er daher keinen Anspruch auf einen
höheren als den vom Verband abgeschlossenen Tarif (vgl. E. 5.2.1).
6.1.5 Vorliegend ist nicht ersichtlich, inwiefern der verfahrensrechtliche Antrag des Beschwerdegegners
dieses Ergebnis zu ändern vermag, so dass in antizipierter Beweiswürdigung von der erneuten
Einholung einer Stellungnahme der Ärztegesellschaft Luzern abgesehen und der entsprechende Beweisantrag
abgewiesen werden kann (vgl. E. 5.2.3.3).
7. Damit verbleibt zu prüfen, ob vorliegend allenfalls jeweils ein tieferer als vom Verband
abgeschlossener Tarif festzusetzen ist. Diese Frage überprüft das BVGer umfassend, also sowohl
auf Rechtsverletzungen - einschliesslich unrichtiger oder unvollständiger Feststellung des rechtserheblichen
Sachverhalts und Rechtsfehler bei der Ausübung des Ermessens - als auch auf Angemessenheit hin (vgl.
E. 5.1).
Wenn ein Leistungserbringer dem Vertrag seines Verbandes nicht beigetreten ist, muss in
erster Linie der Leistungserbringer darum bemüht sein, zu Vereinbarungen mit der Gegenseite zu kommen,
und nicht santésuisse oder einzelne Versicherer, welche dem Verbandsvertrag beigetreten sind. Diese
haben a priori kein Interesse an Separatverträgen, und es kann von ihnen somit auch nicht verlangt
werden, dass sie den ersten Schritt tun. Santésuisse ist demnach erst dann verpflichtet, weitere
Verhandlungen zu führen, wenn ihr von den dem Verbandsvertrag nicht beigetretenen Leistungserbringern
ein Verhandlungen einleitender Vorschlag unterbreitet worden ist, und zwar ein konstruktiver, was - wie
vorne dargelegt - vorliegend nicht der Fall war.
Wird von einem Leistungserbringer, welcher dem
Verbandsvertrag nicht beigetreten ist, zwar manifestiert, dass er (weiterhin) ambulante ärztliche
Leistungen zu Lasten der sozialen Krankenversicherung abrechnen möchte, jedoch nicht das Seine getan
hat, um zu einem Vertrag zu kommen, ist es santésuisse daher nicht verwehrt - auch ohne weitere
Verhandlungen angeboten oder geführt zu haben - beim Regierungsrat Antrag auf Tariffestsetzung zu
stellen.
7.1 Im angefochtenen Beschluss hat der Regierungsrat verfügt, dass für die ambulante
Behandlung von obligatorisch krankenpflegeversicherten Patientinnen und Patienten beim Beschwerdegegner
ab dem 1. Januar 2004 der jeweils gemäss kantonalem Anschlussvertrag zur Anwendung gekommene beziehungsweise
kommende Taxpunktwert gelte. Dieser lag bis zum 31. Dezember 2005 bei Fr. 0.86 und seit dem 1. Januar
2006 bei Fr. 0.80 (vgl. Regionaler, Zentralschweizer Anschlussvertrag zum Rahmenvertrag TARMED zwischen
santésuisse und der Vereinigung Zentralschweizer Ärztegesellschaften vom 5. Dezember 2003;
BRE 06-12 vom 23. August 2006 betreffend Tarifvertragsverlängerung i. S. santésuisse gegen
den Regierungsrat des Kantons Luzern und die Ärztegesellschaft des Kantons Luzern; kantonaler Anschlussvertrag
zum Rahmenvertrag TARMED zwischen santésuisse und der Ärztegesellschaft des Kantons Luzern
vom 10. Januar 2007). Santésuisse verlangt nun beschwerdeweise, den fraglichen Taxpunktwert für
den Beschwerdegegner rückwirkend ab dem 1. Januar 2004 auf Fr. 0.72, eventualiter nach richterlichem
Ermessen auf einen Taxpunktwert unter Fr. 0.80 festzusetzen.
7.2 Der BR hat sich im Entscheid vom 22. August 2007 betreffend Tarif für Apotheker im
Kanton Wallis [06-46], die dem Tarifvertrag über die leistungsorientierte Abgeltung nicht beigetreten
waren, erstmals mit der Frage befasst, ob ein tieferer Taxpunkt als vom Kanton beschlossen, festgelegt
werden kann. Dabei schützte der BR den Beschluss des Staatsrats des Kantons Wallis vom 23. August
2006, mit dem dieser den Taxpunktwert für Leistungen von dem Verbandsvertrag nicht beigetretenen
Apothekern anstatt auf den Verbandstarif von Fr. 1.08 auf lediglich Fr. 0.97 festgesetzt hatte, weil
diese Apotheker dem tarifvertraglich vereinbarten Kostenstabilisierungsbeitrag nicht unterworfen seien,
und somit - würde für sie ebenfalls der im Verbandstarif vereinbarte Taxpunktwert festgesetzt
- in den Genuss einer gesetzlich unerwünschten höheren Gewinnmarge kämen.
7.3 Vorliegend ist nicht ersichtlich, inwiefern der Beschwerdegegner, indem er den kantonalen
Anschlussverträgen nicht beigetreten ist, relevante finanzielle Vorteile geniessen soll, die zu
einer höheren Gewinnmarge führen, und ihm somit die hoheitliche Festsetzung des im Verbandstarif
vereinbarten Taxpunktwerts eine aufgrund von Sinn und Zweck des Gesetzes unerwünschte Bevorteilung
zu bringen vermag. Insbesondere ist ein solcher Vorteil entgegen der Darstellung von santésuisse
auch nicht darin zu sehen, dass der Beschwerdegegner den übrigen vertraglichen Vereinbarungen des
kantonalen Anschlussvertrages nicht unterworfen ist. Zwar wäre dem Regierungsrat die Möglichkeit
offen gestanden, entsprechende Massnahmen vorzusehen, sofern diese nicht ausschliesslich vertraglich
vereinbart werden können wie beispielsweise das System des Tiers payant gemäss Art. 42 Abs.
2 KVG (vgl. E. 5.2.1). Vorliegend hat er jedoch ausschliesslich den Taxpunktwert fixiert. Jene Bereiche,
in denen nun für den Beschwerdegegner keine speziellen Regelungen festgelegt worden sind, richten
sich deshalb nach den gesetzlichen Bestimmungen, welche sich, wie beispielsweise Art. 44 KVG hinsichtlich
des Tarifschutzes oder des Qualitätsschutzes, als genügend und nicht als Vorteil für den
Beschwerdegegner erweisen.
Was santésuisse vorbringt, um darzulegen, inwiefern der Beschwerdegegner
durch seinen Nichtbeitritt zum kantonalen Anschlussvertrag relevante finanzielle Vorteile geniesse, respektive
die Versicherer hierdurch relevante finanzielle Nachteile erlitten, welche die Festsetzung eines tieferen
als den im kantonalen Anschlussvertrag vereinbarten Taxpunktwerts begründeten, vermag nicht zu überzeugen.
So wird insbesondere gemäss Art. 3 des kantonalen Anschlussvertrages in Verbindung mit dessen Anhang
A lediglich von Ärzten, die nicht Verbandsmitglieder der kantonalen Ärztegesellschaften sind,
eine einmalige Beitrittsgebühr und ein jährlicher Unkostenbeitrag verlangt, da - wie die kantonale
Ärztegesellschaft dargelegt hat - die entsprechenden Kosten (insbes. die Kosten der Vertragsverhandlungen
und des Vertragsabschlusses, vgl. Anhang A Ziff. 2 e contrario) durch den Mitgliederbeitrag beglichen
seien. Ein entsprechender Abzug kann auch nicht damit begründet werden, dass der Beschwerdegegner
durch seinen Nichtbeitritt zum kantonalen Anschlussvertrag der Leistungs- und Kostenvereinbarung (LeiKoV),
welche integrierender Bestandteil des kantonalen Anschlussvertrags bildet, nicht unterstehe, und sich
somit der Kontrolle und Steuerung der Leistungen und Kosten im Bereich des TARMED, wie dies durch die
LeiKoV vereinbart wurde, entziehe, sind doch auch hierdurch keine relevanten finanziellen Vorteile des
Beschwerdegegners respektive Nachteile der santésuisse zu erwarten, zumal auch der Taxpunktwert
des Beschwerdegegners bei einer relevanten Veränderung der Situation zukünftig angepasst werden
kann.
Damit kann die Frage offen gelassen werden, ob die (relevanten) Vorteile für einen dem
Verbandsvertrag nicht beigetretenen Leistungserbringer, anstatt durch eine Reduktion des Taxpunktwerts
(welcher in aller Regel für eine unbestimmte Dauer gilt) durch eine einmalige Entschädigung
kompensiert werden sollten, wie dies von der PUE vorgeschlagen wurde.
8.
8.1 Aus dem Gesagten ergibt sich, dass der Regierungsrat für die Zeit seit dem 1. Januar
2004 bis zur heute geltenden Regelung zu Recht entschieden hat, dass für die ambulante Behandlung
von obligatorisch krankenpflegeversicherten Patientinnen und Patienten beim Beschwerdegegner jeweils
derjenige Taxpunktwert zu gelten hat, wie der gemäss dem jeweiligem kantonalen Anschlussvertrag
zur Anwendung gekommene Taxpunktwert, zumal zu dieser Festsetzung der entsprechenden Taxpunktwerte auch
die PUE im Rahmen von Art. 14 Abs. 1 des Preisüberwachungsgesetzes vom 20. Dezember 1985 (PüG,
SR 942.20) hat Stellung nehmen können.
8.2 Weiter soll jedoch gemäss angefochtenem Beschluss des Regierungsrats für ambulante
Behandlungen von obligatorisch krankenpflegeversicherten Patientinnen und Patienten beim Beschwerdegegner
der jeweils gemäss kantonalem Anschlussvertrag zu TARMED zur Anwendung kommende Taxpunktwert gelten,
das heisst der fragliche Taxpunktwert soll - bei zukünftigen Änderungen des Taxpunktwerts gemäss
dem kantonalen Anschlussvertrag - automatisch an diesen angepasst werden. Ein solcher Automatismus erweist
sich bereits deshalb als nicht rechtmässig, als zu solchen allfälligen zukünftigen Taxpunktanpassungen
für den Beschwerdegegner - entgegen Art. 14 PüG - keine Stellungnahme der PUE eingeholt werden
kann (vgl. RKUV 2/1997 S. 122 ff. E. 10).
Insofern als der Regierungsrat beschloss, den hier streitigen
Taxpunktwert bei einer künftigen Veränderung des Taxpunktwerts gemäss dem kantonalen Anschlussvertrag
automatisch an diesen anzupassen, erweist sich der angefochtene Beschluss daher als rechtswidrig. Jede
Änderung des fraglichen Taxpunktwerts hat vielmehr nach dem gesetzlich vorgesehenen Verfahren zu
erfolgen, wobei insbesondere auch die PUE anzuhören ist.
9. Zusammengefasst erweist sich der angefochtene Beschluss des Regierungsrates insofern als
rechtmässig, als für die ambulante Behandlung von obligatorisch krankenpflegeversicherten Patientinnen
und Patienten beim Beschwerdegegner ab dem 1. Januar 2004 der jeweils gemäss dem kantonalen Anschlussvertrag
zur Anwendung gekommene Taxpunktwert gilt, das heisst ab dem 1. Januar 2004 Fr. 0.86 und ab dem 1. Januar
2006 Fr. 0.80. Die Beschwerde ist insoweit abzuweisen.
Bei allfälligen zukünftigen Änderung
des Taxpunktwerts gemäss dem kantonalen Anschlussvertrag kann jedoch keine automatische Anpassung
des für den Beschwerdegegner geltenden Taxpunktwerts an jenen Wert erfolgen, so dass sich die Beschwerde,
soweit damit implizit die Festsetzung eines fixen Taxpunktwerts beantragt worden war, insofern als begründet
erweist und gutzuheissen sowie der angefochtene Beschluss aufzuheben ist.