Urteilskopf

2009/50

Auszug aus dem Urteil der Abteilung V i. S. T. gegen Bundesamt für Migration
E-423/2009 vom 8. Dezember 2009


Regeste Deutsch

Asylverfahren. Nichteintreten auf das Asylgesuch einer papierlosen Person. Begriff der Wegweisungsvollzugshindernisse. Zusätzliche Abklärungen medizinischer Vorbringen. Verhältnis zwischen Untersuchungsgrundsatz und Mitwirkungspflicht. Grundsatzurteil.
Art. 8 Abs. 1 Bst. d, Art. 32 Abs. 3 Bst. c AsylG. Art. 12 f. VwVG. Art. 83 AuG.
1. Als « Wegweisungsvollzugshindernisse » nach Art. 32 Abs. 3 Bst. c AsylG gelten nur Hindernisse, die sich auf die Zulässigkeit des Vollzugs auswirken können, nicht aber solche, welche die Zumutbarkeit oder Möglichkeit des Vollzuges betreffen (E. 58).
2. Relevante Gesundheitsprobleme sind von Asylsuchenden unaufgefordert und so substanziiert wie möglich aktenkundig zu machen. Liegen noch keine medizinischen Berichte vor, hat die asylsuchende Person sich nach Aufforderung durch die zuständige Behörde darum zu bemühen, innert einer angemessenen Frist entsprechende Beweismittel zu beschaffen (E. 10).

Regeste en français

Procédure d'asile. Non-entrée en matière sur la demande d'asile d'une personne sans papiers. Notion d'empêchement à l'exécution du renvoi. Mesures complémentaires d'instruction sur des allégations d'ordre médical. Relation entre maxime inquisitoire et obligation de collaborer. Arrêt de principe.
Art. 8 al. 1 let. d, art. 32 al. 3 let. c LAsi. Art. 12 s. PA. Art. 83 LEtr.
1. La notion d' « empêchement à l'exécution du renvoi » de l'art. 32 al. 3 let. c LAsi se réfère aux empêchements pouvant avoir une influence sur la licéité, mais non sur l'exigibilité ou la possibilité de l'exécution du renvoi (consid. 58).
2. Les problèmes de santé pertinents doivent être allégués par le requérant spontanément et de manière aussi circonstanciée que possible. Le requérant d'asile qui invoque des problèmes de santé, mais ne dispose pas encore de rapports médicaux, doit, à la demande de l'autorité compétente, s'efforcer d'obtenir les preuves y relatives dans un délai raisonnable (consid. 10).

Regesto in italiano

Procedura d'asilo. Non entrata nel merito della domanda d'asilo di una persona senza documenti. Nozione di impedimento all'esecuzione dell'allontanamento. Ulteriori chiarimenti su allegazioni di carattere medico. Relazione tra principio inquisitorio e obbligo di collaborare. Sentenza di principio.
Art. 8 cpv. 1 lett. d, art. 32 cpv. 3 lett. c LAsi. Art. 12 seg. PA. Art. 83 LStr.
1. La nozione di « impedimento all'esecuzione dell'allontanamento » dell'art. 32 cpv. 3 lett. c LAsi si riferisce a quegli impedimenti che possono influire sull'ammissibilità, ma non sull'esigibilità o sulla possibilità dell'esecuzione dell'allontanamento (consid. 58).
2. Problemi di salute rilevanti vanno documentati dai richiedenti l'asilo spontaneamente ed il più specificatamente possibile. Ove non vi siano ancora rapporti medici di un richiedente l'asilo che fa valere problemi di salute, quest'ultimo deve, su richiesta dell'autorità competente, adoperarsi per procurarsi i relativi mezzi di prova entro un termine adeguato (consid. 10).

Sachverhalt

Die Beschwerdeführerin, ihr Konkubinatspartner und deren gemeinsames Kind suchten am 14. Juni 2008 in der Schweiz um Asyl nach.
Anlässlich der Befragungen machte die Beschwerdeführerin im Wesentlichen geltend, sie sei in der Mongolei mit einem Mann verheiratet gewesen, der sie während der später aufgelösten Ehe misshandelt, geschlagen und mit dem Tod bedroht habe. Ihr Ex-Mann habe ihren Bruder im Jahr 2005 so schwer verletzt, dass dieser arbeitsunfähig geworden sei, und er sei deswegen zu einer Gefängnisstrafe verurteilt worden. Die Beschwerdeführerin habe sich einerseits vor Racheakten gefürchtet, weil sie inzwischen mit einem anderen Mann zusammenlebe und mit diesem ein Kind habe. Zudem sei sie im Zusammenhang mit einem Unfall am Arbeitsplatz ihres Konkubinatspartners, bei dem ein Mann ums Leben gekommen und ein anderer schwer verletzt worden sei, immer wieder zu Hause von der Polizei aufgesucht und auch verhaftet worden. Ihr Partner, der in den 1990er-Jahren bereits einige Jahre im Gefängnis gewesen sei, habe befürchtet, wegen des Unfalls mit tödlichen Folgen wieder inhaftiert zu werden, und er habe sich deshalb vor der Polizei versteckt. Unter diesen Umständen hätten sie gemeinsam beschlossen, das Land zu verlassen.
Mit Verfügung vom 13. Januar 2009 - eröffnet am 14. Januar 2009 - trat das Bundesamt für Migration (BFM) gestützt auf Art. 32 Abs. 2 Bst. a des Asylgesetzes vom 26. Juni 1998 (AsylG, SR 142.31) auf das Asylgesuch der Beschwerdeführenden und ihres Konkubinatspartners beziehungsweise Vaters nicht ein, verfügte die Wegweisung der Familie aus der Schweiz und ordnete den Wegweisungsvollzug an.
Mit Beschwerde vom 21. Januar 2009 an das Bundesverwaltungsgericht (BVGer) beantragten die Beschwerdeführenden die Aufhebung der vorinstanzlichen Verfügung, das Eintreten auf das Asylgesuch und eventualiter die Anordnung der vorläufigen Aufnahme infolge Unzumutbarkeit des Wegweisungsvollzugs. In der Beschwerde wurde darauf hingewiesen, dass die Beschwerdeführerin sich von ihrem Konkubinatspartner getrennt habe und sich die Beschwerde ausschliesslich auf die Beschwerdeführerin und ihr Kind beziehe.
Die Verfügung des BFM vom 13. Januar 2009 wurde vom Konkubinatspartner nicht angefochten und damit insoweit rechtskräftig.
Das BVGer heisst die Beschwerde soweit den Vollzug der Wegweisung betreffend gut und weist die Sache zur korrekten und vollständigen Feststellung des rechtserheblichen Sachverhalts und zur erneuten Beurteilung der Durchführung des Wegweisungsvollzugs an die Vorinstanz zurück. Im Übrigen wird die Beschwerde abgewiesen.
Das vorliegende Urteil (E. 68 und E. 10) bildete Gegenstand eines von der Vereinigung der Abteilungen IV und V im Sinne von Art. 25 Abs. 2 des Verwaltungsgerichtsgesetzes vom 17. Juni 2005 (VGG, SR 173.32) getroffenen Entscheids.


Aus den Erwägungen:

4.

4.1 Zur Begründung des Nichteintretensentscheids betreffend die Beschwerdeführerin und ihren Konkubinatspartner (von dem sie zwischenzeitlich getrennt lebt und der die Verfügung nicht angefochten hat) machte die Vorinstanz im Wesentlichen geltend, die Beschwerdeführerin habe anlässlich der Befragung in C. erklärt, sie werde ihren alten Reisepass nachkommen lassen, doch habe sie diesen ohne jede Begründung nicht zu den Akten gereicht.
Die Vorinstanz verwies weiter auf Ungereimtheiten in den Aussagen der Beschwerdeführerin und des Konkubinatspartners und qualifizierte die geltend gemachte Verfolgung als unglaubhaft. Die Beschwerdeführerin und ihr Partner erfüllten die Flüchtlingseigenschaft nicht, und es seien keine zusätzlichen Abklärungen zur Feststellung der Flüchtlingseigenschaft oder eines Wegweisungsvollzugshindernisses erforderlich, weshalb auf das Asylgesuch gemäss Art. 32 Abs. 2 Bst. a AsylG nicht einzutreten sei. Zudem qualifizierte das BFM den Vollzug der Wegweisung der Beschwerdeführerin, ihres Konkubinatspartners und des gemeinsamen Kindes als zulässig, zumutbar und möglich.

4.2 In der Beschwerde wurde unter anderem geltend gemacht, die Beschwerdeführerin habe anlässlich der Befragung zu den Asylgründen erklärt, dass es ihr gesundheitlich nicht gut gehe und ihr psychischer Zustand schlecht sei. Bereits aufgrund dieser Anhörung habe sich gezeigt, dass zusätzliche Abklärungen zur Feststellung eines Wegweisungsvollzugshindernisses nötig seien; der Nichteintretensentscheid sei deshalb ungerechtfertigterweise erfolgt. Das Verfahren sei zur materiellen Prüfung des Asylgesuchs an die Vorinstanz zurückzuweisen.
Abgesehen davon habe sich die persönliche Situation der Beschwerdeführenden seit der Verfügung des BFM massgebend verändert, weil die Beschwerdeführerin und ihr Kind mittlerweile getrennt vom Partner beziehungsweise Vater lebten. Angesichts der durch dessen Gewalttätigkeit ausgelösten Beziehungskrise sei von einer dauerhaften Trennung auszugehen. Jedenfalls sei nun der Vollzug der Wegweisung unzumutbar, weil die Beschwerdeführerin mit ihrem Kind vollständig auf sich allein gestellt sei und in der Mongolei über kein tragfähiges soziales Beziehungsnetz verfüge. Ausserdem würden die psychischen Probleme der Beschwerdeführerin die Situation zusätzlich erschweren, weil diese im Fall einer Rückkehr in die Mongolei auch befürchten müsste, wieder von ihrem Ex-Ehemann behelligt zu werden.

4.3 In ihrer Vernehmlassung ging die Vorinstanz nicht auf die Frage der Gesundheit der Beschwerdeführerin ein. Sie führte aus, in der Mongolei würden staatliche und nichtstaatliche Strukturen zum Schutz bedrohter Frauen existieren, erwähnte einige dieser Organisationen namentlich und beschrieb deren Angebote. Die Beschwerdeführerin sei ausgebildete Kindergärtnerin, habe einige Jahre in dieser Funktion gearbeitet und verfüge somit über gute berufliche Voraussetzungen. Aus den vorliegenden Akten ergebe sich zwar, dass sie in der Mongolei ausser ihrem gehbehinderten Bruder keine Verwandten habe. Indessen lebe dort eine Freundin, bei der sie sich auch schon aufgehalten habe. Somit erweise sich eine Rückkehr der Beschwerdeführerin und ihres Kinds auch ohne den (ehemaligen) Konkubinatspartner als zumutbar.

5. Auf ein Asylgesuch wird unter anderem nicht eingetreten, wenn Asylsuchende den Behörden nicht innerhalb von 48 Stunden nach Stellen des Gesuchs Reise- oder Identitätspapiere abgeben (Art. 32 Abs. 2 Bst. a AsylG). Die Bestimmung findet jedoch keine Anwendung, wenn Asylsuchende glaubhaft machen können, sie seien dazu aus entschuldbaren Gründen nicht in der Lage (Art. 32 Abs. 3 Bst. a AsylG), wenn aufgrund der Anhörung sowie gestützt auf Art. 3 und 7 AsylG die Flüchtlingseigenschaft festgestellt wird (Art. 32 Abs. 3 Bst. b AsylG), oder wenn sich aufgrund der Anhörung die Notwendigkeit zusätzlicher Abklärungen zur Feststellung der Flüchtlingseigenschaft oder eines Wegweisungsvollzugshindernisses ergibt (Art. 32 Abs. 3 Bst. c AsylG).

6.

6.1 Im Rahmen des vorliegenden erstinstanzlichen Asylverfahrens wurden unbestrittenermassen innerhalb von 48 Stunden nach Stellen des Asylgesuchs keine Reise- oder Identitätspapiere zu den Akten gegeben.
Die überzeugenden Argumente, mit denen das BFM das Vorliegen von entschuldbaren Gründen der Nichtabgabe von Ausweisschriften verneint und das offenkundige Nichterfüllen der Flüchtlingseigenschaft begründet hat, werden von der Beschwerdeführerin nicht bestritten. Die angefochtene Verfügung ist unter diesem Aspekt offensichtlich nicht zu beanstanden.

6.2 In der Beschwerde wird demgegenüber zu Recht festgestellt, dass die Beschwerdeführerin bereits anlässlich der Anhörung zu den Asylgründen auf konkrete gesundheitliche Probleme hingewiesen habe (...). Die an der Befragung mitwirkende Hilfswerksvertreterin hatte in ihrem Bericht zur Anhörung der Beschwerdeführerin denn auch ausdrücklich angeregt, es seien « weitere Abklärungen zu machen, vor allem betreffend eines eventuellen Wegweisungsvollzugshindernisses » (...).

6.3 Die Relevanz von gesundheitlichen Beschwerden von Asylsuchenden wird üblicherweise bei der Prüfung der Zumutbarkeit des Wegweisungsvollzugs beurteilt (Art. 83 Abs. 4 des Bundesgesetzes vom 16. Dezember 2005 über die Ausländerinnen und Ausländer [AuG, SR 142.20]; vgl. etwa Entscheidungen und Mitteilungen der Schweizerischen Asylrekurskommission EMARK 2003 Nr. 24). Nur unter ganz aussergewöhnlichen konkreten Verfahrensumständen sind medizinische Aspekte geeignet, sich - unter dem Blickwinkel der Bestimmung von Art. 3 der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK, SR 0.101) - auf die Zulässigkeit des Vollzugs der Wegweisung abgewiesener Asylsuchender auszuwirken (vgl. hierzu BVGE 2009/2 E. 9.1 S. 19 f.; EMARK 2005 Nr. 23 E. 5 S. 211 ff. unter Hinweis auf EMARK 2004 Nr. 6 sowie EMARK 2004 Nr. 7). Wie in der nachfolgenden E. 10 dargelegt wird, wäre das BFM gehalten gewesen, vor seinem Entscheid Abklärungen betreffend die gesundheitliche Situation der Beschwerdeführerin vorzunehmen.

6.4 Gemäss Art. 32 Abs. 3 Bst. c AsylG ist, wie erwähnt, trotz Nichteinreichens von Reise- oder Identitätspapieren auf ein Asylgesuch einzutreten, wenn sich aufgrund der Anhörung erweist, dass zusätzliche Abklärungen zur Feststellung der Flüchtlingseigenschaft oder eines Wegweisungsvollzugshindernisses erforderlich sind. Nachdem das BFM im vorliegenden Verfahren Instruktionsmassnahmen zwecks Feststellung und Beurteilung der geltend gemachten Gesundheitsbeschwerden hätte vornehmen müssen, stellt sich deshalb die Frage, ob insoweit Abklärungen zur Feststellung eines Wegweisungsvollzugshindernisses im Sinne von Art. 32 Abs. 3 Bst. c AsylG erforderlich gewesen wären.

6.4.1 Im Grundsatzurteil BVGE 2007/8 stellte das BVGer zur Bestimmung von Art. 32 Abs. 3 Bst. c AsylG Folgendes fest: « Unter dem hier verwendeten Begriff der Wegweisungsvollzugshindernisse sind auf jeden Fall Hindernisse zu verstehen, die die Zulässigkeit des Vollzugs beschlagen, sollte doch insbesondere dem Prinzip des Non-Refoulement Rechnung getragen werden (...). Ob unter Wegweisungsvollzugshindernissen parallel zu den übrigen Nichteintretenstatbeständen auch von Menschenhand ausgehende Nachteile oder gar sämtliche Vollzugshindernisse zu verstehen sind, bleibt zu klären. Diese Frage kann vorliegend jedoch offen bleiben (...). » (vgl. BVGE 2007/8 E. 5.6.6 S. 92).

6.4.2 Der in Art. 32 Abs. 3 Bst. c AsylG enthaltene Begriff des « Wegweisungsvollzugshindernisses » wird weder im Asylgesetz noch in den Asylverordnungen verwendet. In Lehre und Rechtsprechung werden darunter gemeinhin sämtliche völker- und landesrechtlich normierten Gründe verstanden, die eine gegenüber einem Ausländer verfügte Wegweisung aus der Schweiz als unzulässig, unzumutbar oder unmöglich (vgl. Art. 83 Abs. 24 AuG) erscheinen lassen (vgl. etwa PETER BOLZLI, in: Marc Spescha/Hans-Peter Thür/Andreas Zünd/Peter Bolzli [Hrsg.], Migrationsrecht, 2. Aufl., Zürich 2009, S. 192). Versteht man den Terminus in diesem gebräuchlichen Sinn, wäre auf ein Asylgesuch trotz unentschuldbarer Nichtabgabe von Reise- oder Identitätspapieren also auch dann einzutreten, wenn zur Prüfung der Frage der Zumutbarkeit oder der Möglichkeit des Wegweisungsvollzugs noch Abklärungen vorzunehmen wären. In der Lehre wurde bereits darauf hingewiesen, dass ein solches weites Verständnis von Wegweisungsvollzugshindernissen kaum dem Willen des Gesetzgebers entsprechen könne (vgl. WALTER STÖCKLI, Asyl, in: Peter Uebersax/Beat Rudin/Thomas Hugi Yar/Thomas Geiser [Hrsg.], Ausländerrecht, 2. Aufl., Basel 2009, Rz. 11.120, S. 562).
Nachdem die Formulierung von Art. 32 Abs. 3 Bst. c AsylG den wahren Sinn der Bestimmung offenbar nicht korrekt wiedergibt - oder jedenfalls unterschiedliche Interpretationen möglich sind , ist die wahre Tragweite der Norm im Folgenden durch Auslegung zu ermitteln (vgl. zur Auslegung und den Auslegungsmethoden statt vieler BVGE 2007/30 E. 4 S. 361 f. mit Hinweisen auf Lehre und Praxis).

7.

7.1 Der interessierende Wortlaut der Bestimmung von Art. 32 Abs. 3 Bst. c AsylG stimmt in der deutschen, französischen und italienischen Fassung inhaltlich überein (« eines Wegweisungsvollzugshindernisses », « d'un empêchement à l'exécution du renvoi », « di un impedimento all'esecuzione dell'allontanamento »). Die grammatikalische Auslegung führt nach dem oben Gesagten indessen nicht zum wahren Sinn der Norm.
Nach dem üblichen weiten Verständnis und Gebrauch des Begriffs Wegweisungsvollzugshindernis in Lehre und Praxis hätte der Terminus beispielsweise hinsichtlich der Prüfung der Möglichkeit des Wegweisungsvollzugs zur Folge, dass bei papierlosen Asylsuchenden - bei denen aus naheliegenden Gründen regelmässig weitere Abklärungen bezüglich Identität, Herkunft oder Beschaffung von Reisepapieren notwendig sind ein Nichteintreten auf das Asylgesuch gestützt auf Art. 32 Abs. 2 Bst. a AsylG ausgeschlossen wäre. Dass der Gesetzgeber die Anwendung der neuen Bestimmung nicht ausgerechnet für die mit diesem Nichteintretenstatbestand anvisierte Gruppe von Asylsuchenden faktisch ausschliessen wollte, liegt auf der Hand.

7.2

7.2.1 Für die historische Auslegung ist grundsätzlich der Normsinn entscheidend, der zum Zeitpunkt des Erlasses einer Regelung als richtig angesehen wurde. Eine Norm soll bei der Rechtsanwendung denjenigen Sinn haben, der vom Gesetzgeber auch tatsächlich vorgesehen war. Der Wille des historischen Gesetzgebers ist von den rechtsanwendenden Organen nach dem Prinzip der Gewaltenteilung zu respektieren und soll nicht nachträglich umgedeutet werden (vgl. etwa ULRICH HÄFELIN/WALTER HALLER/HELEN KELLER, Schweizerisches Bundesstaatsrecht, 7. Aufl., Zürich/Basel/Genf 2008, Rz. 101 ff. mit weiteren Hinweisen).
Bei der revidierten, am 1. Januar 2007 in Kraft getretenen Bestimmung von Art. 32 Abs. 3 Bst. c AsylG handelt es sich um eine junge Rechtsnorm. Somit kommt den Materialien vorliegend besonderes Gewicht zu, weil nicht von zwischenzeitlich veränderten Umständen oder einem massgeblich gewandelten Rechtsverständnis auszugehen ist (vgl. BGE 131 II 697, 703 E. 4.1).

7.2.2 Im Antrag des Bundesrats vom 25. August 2004 an die Staatspolitische Kommission des Ständerats (« Antrag Nr. 12, Förderung der Papierabgabe - Änderung des Nichteintretenstatbestandes bei Papierlosen », nachfolgend: Antrag Nr. 12) wurde vorab die Praxis zu Art. 32 Abs. 2 Bst. a AsylG in der bisherigen Fassung vom 26. Juni 1998 (AS 1999 2262) analysiert. Dabei wurde unter Hinweis auf den massgeblichen so genannten weiten Verfolgungsbegriff von Art. 18 AsylG - der über Art. 3 AsylG hinausgeht und auch unter dem Aspekt des Vollzugs der Wegweisung relevante, von Menschenhand zugefügte Nachteile umfasst (vgl. EMARK 2003 Nr. 18 S. 110 ff.) - und den tief angesetzten Beweismassstab festgestellt, dass die Zahl der Verfahren bisher vergleichsweise bescheiden gewesen sei, bei denen trotz unentschuldigter Nichtabgabe von Papieren auf das Asylgesuch nicht eingetreten worden sei. Die Einführung der « Papierlosenbestimmung » habe sich zudem wenig positiv auf den Anteil von Asylverfahren mit abgegebenen Papieren ausgewirkt. Aus diesen Gründen wurde vorgeschlagen, den Artikel derart umzuformulieren, dass eine konsequentere Anwendung des Nichteintretenstatbestands möglich werde. In der Absicht, nur noch Gründe zu beachten, welche für die Flüchtlingseigenschaft gemäss Art. 3 AsylG von Bedeutung sind, wurde der in Art. 32 Abs. 2 Bst. a AsylG in der Fassung vom 26. Juni 1998 (AS 1999 2262) enthaltene Terminus « Hinweise auf Verfolgung » nicht mehr verwendet. Die neue Formulierung sollte sich - mit dem Ziel einer engen Auslegung des Verfolgungsbegriffs - explizit auf die Flüchtlingseigenschaft beziehen. Daneben sollten nur noch Gründe berücksichtigt werden, welche unter dem Aspekt des Non-Refoulement-Gebots von Bedeutung seien.
Im Antrag Nr. 12 wurde auch ausgeführt, dass zusätzliche Abklärungen, welche nur zur Erhellung der Identität der asylsuchenden Person getätigt würden, nicht in den Anwendungsbereich von Art. 32 Abs. 3 Bst. c AsylG fallen sollen (vgl. zum Ganzen auch BVGE 2007/8 E. 5.4).

7.2.3 Anlässlich der parlamentarischen Beratungen wurde die Formulierung « Abklärungen zur Feststellung eines Wegweisungsvollzugshindernisses » nicht thematisiert.

7.2.4 Hinweise auf den Hintergrund der Wortwahl liefert hingegen die Entstehungsgeschichte von Art. 32 Abs. 3 Bst. c AsylG: In einem ersten, amtsinternen Entwurf der neuen Gesetzesbestimmung hatte das damals zuständige Bundesamt für Flüchtlinge (BFF) eine Änderung von Art. 32 Abs. 2 Bst. a AsylG favorisiert, welche das Nichteintreten auf Asylgesuche bei Papierlosigkeit unter anderem dann ausschloss, wenn « zusätzliche Abklärungen nötig sind ». Das BFF eröffnete in der Folge eine « informelle Konsultation zu den geplanten Vorschlägen für weitere Verschärfungen des Asylgesetzes » und lud unter anderem das Amt des Hohen Flüchtlingskommissars der Vereinten Nationen (UNHCR) zur Abgabe einer Stellungnahme ein. Das UNHCR beauftragte Prof. Dr. W. KÄLIN mit der rechtlichen Beurteilung der vorgeschlagenen Gesetzesänderungen (vgl. WALTER KÄLIN, Rechtsfragen im Zusammenhang mit den Vorschlägen des BFF für zusätzliche Massnahmen im Rahmen der Teilrevision des Asylgesetzes, Gutachten zuhanden UNHCR/Verbindungsbüro Schweiz, Bern 26. Juli 2004 [nachfolgend: Gutachten KÄLIN], in: Schweizerische Zeitschrift für Asylrecht und -praxis [ASYL] 4/2004 S. 3 ff.).
Der Gutachter bezeichnete unter anderem die Formulierung « zusätzliche Abklärungen » respektive die diesbezüglich auf die Bestimmung von Art. 41 AsylG verweisenden Erläuterungen des BFM als « offenkundig widersinnig » (vgl. Gutachten KÄLIN, S. 4); er hielt zudem unter Hinweis auf die Praxis des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte fest, mit der beabsichtigten Gesetzesänderung würde ein Verfahren zur Anwendung kommen, das nicht die erforderliche Qualität aufweise, um sicherzustellen, dass die Schweiz auch die menschenrechtlichen Refoulement-Verbote einhalte (vgl. Gutachten KÄLIN, S. 2, 5 und 7 f.). In der Folge wurde unter - möglicherweise überschiessender - Berücksichtigung der aufgeworfenen Bedenken inhaltlich die heutige Formulierung von Art. 32 Abs. 3 Bst. c AsylG in den Gesetzgebungsprozess eingespiesen. Dieser Umstand veranlasste den Gutachter in der Folge zur Bemerkung, die neue Formulierung mache nun deutlich, unter welchen Voraussetzungen weitere Abklärungen getroffen würden, was erlaube, « die krassen Völkerrechtswidrigkeiten zu vermeiden, welche der ursprünglichen Fassung eigen » gewesen seien (vgl. WALTER KÄLIN, Bemerkungen zum Antrag des Bundesrates vom 25. August 2004, zu Handen des EDA, Bern 14. November 2004, ASYL 2+3/2005 S. 12 f.).

7.3 In einem ersten Schritt ist demnach Folgendes festzustellen: Die Formulierungen im Antrag Nr. 12 und die (vorparlamentarische) Entstehungsgeschichte der interessierenden Gesetzesbestimmung bestätigen die Schlussfolgerungen des BVGer im Grundsatzurteil vom 11. Juli 2007 (vgl. BVGE 2007/8 E. 5.6.6 S. 92), wonach unter dem Begriff des « Wegweisungsvollzugshindernisses » im Sinne von Art. 32 Abs. 3 Bst. c AsylG wohl jedenfalls diejenigen Vollzugshindernisse zu verstehen seien, welche die Zulässigkeit des Wegweisungsvollzugs gemäss Art. 83 Abs. 3 AuG betreffen, namentlich die Normen des menschenrechtlichen Rückschiebungsverbots (also insbes. Art. 25 Abs. 3 der Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 [BV, SR 101], Art. 3 EMRK und Art. 3 des Übereinkommens vom 10. Dezember 1984 gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe [SR 0.105]).

8. Im zweiten Schritt bleibt die Frage zu prüfen, ob mit dem Begriff des « Wegweisungsvollzugshindernisses » gemäss Art. 32 Abs. 3 Bst. c AsylG zusätzlich auch die Zumutbarkeit und Möglichkeit des Vollzugs der Wegweisung betreffende - allenfalls beschränkt auf von Menschenhand ausgehende - Nachteile gemeint sind.

8.1 In diesem Zusammenhang ist zunächst erneut auf die deklarierte Absicht des Gesetzgebers bei der Revision von Art. 32 Abs. 2 Bst. a AsylG hinzuweisen, der « Papierlosenbestimmung » durch Verschärfung zu grösserer praktischer Relevanz zu verhelfen. Dieses Ziel sollte einerseits mittels engerer Definition der abzugebenden Ausweisschriften erreicht werden, andererseits mittels Ersatz der Formulierung « Hinweise auf Verfolgung » durch die heutige Ausschlussklausel von Art. 32 Abs. 3 Bst. b AsylG (Glaubhaftmachen der Flüchtlingseigenschaft gemäss Art. 3 AsylG) - mithin durch den bewussten Ausschluss des bisher relevanten weiten Verfolgungsbegriffs. Bei dieser Ausgangslage erscheint die Vorstellung unlogisch, der Gesetzgeber habe durch die Nennung eines Wegweisungsvollzugshindernisses den weiten Verfolgungsbegriff über diese Ausnahmebestimmung faktisch wieder einführen wollen (so als mögliche Praxis vorgeschlagen von STÖCKLI, a. a. O., Rz. 11.120, letzter Satz).
An dieser Feststellung vermag auch das Postulat der Schweizerischen Flüchtlingshilfe nichts zu ändern, im Zusammenhang mit Wegweisungsvollzugshindernissen sollten aus Gründen « der Rechtslogik (...) materielle Fragen in einem ordentlichen Verfahren » geprüft werden (vgl. Schweizerische Flüchtlingshilfe [Hrsg.], Handbuch zum Asyl- und Wegweisungsverfahren, Bern/Stuttgart/Wien 2009, S. 129). Im Übrigen erfolgt die erstinstanzliche Prüfung des Vorliegens von Vollzugshindernissen letztlich auch bei Verfügungen des BFM, mit denen auf ein Asylgesuch nicht eingetreten wird, in einem inhaltlich uneingeschränkten, materiellen (Wegweisungs-) Verfahren; erfüllen Asylsuchende den Nichteintretenstatbestand von Art. 32 Abs. 2 Bst. a AsylG und liegt ein Vollzugshindernis vor, tritt das BFM zwar auf ihr Asylgesuch nicht ein, ordnet jedoch mit der gleichen Verfügung ihre vorläufige Aufnahme an.
Erst recht schwer vorstellbar ist die Annahme, der Gesetzgeber hätte mit Art. 32 Abs. 3 Bst. c AsylG sogar die Anerkennung sämtlicher - also auch der nicht von Menschenhand ausgehenden - Nachteile beabsichtigt, die unter dem Blickwinkel der Zumutbarkeit oder Möglichkeit des Vollzugs der Wegweisung relevant sein könnten. Jedenfalls darf davon ausgegangen werden, dass ein derartiger Wille des Gesetzgebers trotz des aussergewöhnlichen formalen Ablaufs dieser Gesetzesrevision (vgl. dazu JÜRG SCHERTENLEIB, Zur Teilrevision des Asylgesetzes, ASYL 4/2005 S. 27) seinen Niederschlag in den Materialien gefunden hätte.

8.2 Bezüglich der systematischen Einordnung von Art. 32 Abs. 3 Bst. c AsylG ist festzuhalten, dass das materielle ausländerrechtliche Verfahren gemäss Art. 44 Abs. 1 AsylG auf das durch Ablehnung oder Nichteintreten abgeschlossene Asylverfahren folgt. Aus welchem Grund Abklärungen bezüglich sämtlicher Wegweisungsvollzugshindernisse einem Nichteintretensentscheid gestützt auf Art. 32 Abs. 2 Bst. a AsylG entgegenstehen sollen, ist auch unter diesem Blickwinkel nicht einzusehen (so auch STÖCKLI, a. a. O., Rz. 11.120, S. 562). Die Systemlogik des nachgelagerten Einbaus des ausländerrechtlichen in das asylrechtliche Verfahren legt - soweit Wegweisungsvollzugshindernisse betreffend - demnach ebenfalls eine einschränkende Auslegung der Bestimmung von Art. 32 Abs. 2 Bst. c AsylG nahe.

8.3 Schliesslich ist an dieser Stelle auch auf Folgendes hinzuweisen: Die revidierte Bestimmung von Art. 32 Abs. 2 Bst. a (und Abs. 3) AsylG hat komplexe dogmatische und praktische Fragen aufgeworfen, welche das BVGer vor der ersten Rechtsanwendung im Rahmen von zwei umfassenden Grundsatzurteilen zu klären hatte (vgl. BVGE 2007/7 und BVGE 2007/8; vgl. hierzu auch ALEXANDER BECK, Juristischer Balanceakt auf einer verunglückten Norm, ASYL 1/2008 S. 3 ff.). Abgesehen von den dort behandelten rechtlichen Aspekten können Aufbau und Struktur der revidierten Norm auch aus einem anderen Grund zu schwer verständlichen Rechtsanwendungsergebnissen führen:
Legt ein papierloser Asylsuchender, der keine entschuldbaren Gründe für seine Papierlosigkeit geltend machen kann, dem BFM eine konkrete, aber flüchtlingsrechtlich nicht relevante Gefährdung seiner Menschenrechte im Heimatland in offenkundiger Weise dar, beispielsweise indem er bei seiner ersten Anhörung aussagekräftige Beweise einer Verfolgung aus asylfremden Gründen zu den Akten reicht, wird auf sein Asylgesuch gemäss Art. 32 Abs. 2 Bst. a AsylG nicht eingetreten. Hält dieselbe Person ihre Beweismittel ganz oder teilweise zurück und provoziert dadurch zunächst weitere Abklärungen - etwa die Überprüfung der Glaubhaftigkeit der Vorbringen durch die Schweizer Botschaft im Heimatland , muss auf ihr Asylgesuch infolge Verwirklichung des Ausnahmetatbestands von Art. 32 Abs. 3 Bst. c AsylG (Abklärungen zur Feststellung eines Wegweisungsvollzugshindernisses) eingetreten und dieses materiell geprüft werden. Zwar wird das BFM im Ergebnis bei beiden Konstellationen die vorläufige Aufnahme infolge völkerrechtlicher Unzulässigkeit des Wegweisungsvollzugs (Art. 83 Abs. 3 AuG) anzuordnen haben, im ersten Fall nach Nichteintreten auf das Asylgesuch, im zweiten nach der Gesuchsabweisung. Dass die Gesetzesrevision für papierlose Asylsuchende zu bewirken vermöchte, den Ausschluss aus dem Asylverfahren durch Verletzung ihrer gesetzlichen Mitwirkungspflichten (Art. 8 Abs. 1 Bst. d AsylG) zu verhindern, ist jedoch widersinnig. Das Gleiche gilt für die ungerechtfertigte prozessuale Schlechterstellung von Asylsuchenden, die bei der Feststellung des Sachverhalts uneingeschränkt kooperieren. Diese systemimmanente Unlogik der neuen Papierlosenbestimmung lässt sich auf dem Weg der Auslegung oder Rechtsanwendung nicht beseitigen. Sie legt aber angesichts des Missbrauchspotenzials nahe, den Kreis möglicher Anwendungsfälle nicht durch eine extensive Auslegung des Ausnahmetatbestands von Art. 32 Abs. 3 Bst. c AsylG noch zu vergrössern.

8.4 Zusammenfassend ist nach dem Gesagten als Ergebnis der Auslegung von Art. 32 Abs. 3 Bst. c AsylG festzuhalten, dass der Begriff des « Wegweisungsvollzugshindernisses » ausschliesslich diejenigen Hindernisse umfasst, welche sich auf die Zulässigkeit des Vollzugs (Art. 83 Abs. 3 AuG) auswirken können. Ergibt sich aufgrund der Anhörung die Notwendigkeit zusätzlicher Abklärungen zur Feststellung eines Wegweisungsvollzugshindernisses gemäss Art. 83 Abs. 2 und 4 AuG (Möglichkeit bzw. Zumutbarkeit des Vollzugs), führt dies nicht zum Eintreten auf das Asylgesuch einer (unentschuldigt) papierlosen Person.

8.5 Im vorliegenden Verfahren hätte das BFM Abklärungen zur gesundheitlichen Situation der Beschwerdeführerin vornehmen müssen. Den Akten sind keinerlei Anhaltspunkte für die Annahme von ganz aussergewöhnlichen Umständen zu entnehmen, unter denen sich Gesundheitsprobleme auf die Zulässigkeit des Wegweisungsvollzugs auswirken können (E. 6.3). Diese Abklärungen betreffen somit die Frage der Zumutbarkeit des Wegweisungsvollzugs und sind nach dem oben Festgestellten unter dem Blickwinkel von Art. 32 Abs. 3 Bst. c AsylG nicht relevant.
Die Beschwerdeführerin hat den Behörden ohne entschuldbare Gründe nicht innerhalb von 48 Stunden nach Stellen des Asylgesuchs ihre Reise- oder Identitätspapiere abgegeben. Auf Grund der Anhörung konnte ihre Flüchtlingseigenschaft nicht festgestellt werden, und zusätzliche Abklärungen zur Feststellung der Flüchtlingseigenschaft oder eines Wegweisungsvollzugshindernisses waren nach dem oben Gesagten nicht nötig. Das BFM ist damit zu Recht in Anwendung von Art. 32 Abs. 2 Bst. a AsylG nicht auf ihr Asylgesuch eingetreten.

9. Lehnt das BFM das Asylgesuch ab oder tritt es darauf nicht ein, so verfügt es in der Regel die Wegweisung aus der Schweiz und ordnet den Vollzug an; es berücksichtigt dabei den Grundsatz der Einheit der Familie (Art. 44 Abs. 1 AsylG).
Die Beschwerdeführenden verfügen weder über eine ausländerrechtliche Aufenthaltsbewilligung noch über Anspruch auf Erteilung einer solchen. Die Wegweisung wurde demnach zu Recht angeordnet (Art. 44 Abs. 1 AsylG; vgl. EMARK 2001 Nr. 21).

10.

10.1 Ist der Vollzug der Wegweisung nicht zulässig, nicht zumutbar oder nicht möglich, so regelt das BFM das Anwesenheitsverhältnis nach den gesetzlichen Bestimmungen über die vorläufige Aufnahme von Ausländern (Art. 44 Abs. 2 AsylG; Art. 83 Abs. 1 AuG).
Gemäss Art. 83 Abs. 4 AuG kann der Vollzug für Ausländerinnen und Ausländer unzumutbar sein, wenn sie im Heimat- oder Herkunftsstaat auf Grund von Situationen wie Krieg, Bürgerkrieg, allgemeiner Gewalt und medizinischer Notlage konkret gefährdet sind. Wird eine konkrete Gefährdung festgestellt, ist - unter Vorbehalt von Art. 83 Abs. 7 AuG - die vorläufige Aufnahme zu gewähren (vgl. Botschaft zum Bundesgesetz über die Ausländerinnen und Ausländer vom 8. März 2002, BBl 2002 3818).

10.2

10.2.1 Im Verwaltungsverfahren und im spezifischen Asylverfahren gilt der Untersuchungsgrundsatz, das heisst die Behörde stellt den rechtserheblichen Sachverhalt von Amtes wegen fest (Art. 6 AsylG i. V. m. Art. 12 des Bundesgesetzes vom 20. Dezember 1968 über das Verwaltungsverfahren [VwVG, SR 172.021]; vgl. Art. 106 Abs. 1 Bst. b AsylG). Die Bestimmung von Art. 13 VwVG beschränkt den Untersuchungsgrundsatz und hält fest, dass die Parteien verpflichtet sind, an der Feststellung des Sachverhalts mitzuwirken (vgl. in diesem Zusammenhang CLÉMENCE GRISEL, L'obligation de collaborer des parties en procédure administrative, Lausanne 2008, insbes. N 146).
Eine im Vergleich zum Verwaltungsverfahren verstärkte Mitwirkungspflicht ist in Art. 8 AsylG vorgesehen und detailliert umschrieben. Dahinter steckt der Grundgedanke, dass die zuständige Behörde den Sachverhalt nicht selber ermitteln muss, wenn ein Asylsuchender die erforderliche Mitwirkung verweigert (vgl. dazu etwa ALBERTO ACHERMANN/CHRISTINA HAUSAMMANN, Handbuch des Asylrechts, 2. vollständig überarbeitete Auflage, Bern/Stuttgart 1991, S. 223 f.).
Für das erstinstanzliche Asylverfahren bedeutet dies, dass das BFM zur richtigen und vollständigen Ermittlung und Feststellung des rechtserheblichen Sachverhalts verpflichtet ist und auch nach allen Elementen zu forschen hat, die zugunsten der asylsuchenden Person sprechen (vgl. WALTER KÄLIN, Grundriss des Asylverfahrens, Basel/Frankfurt am Main 1990, S. 291 f.). Sofern es zur Feststellung des Sachverhalts notwendig ist und die gesetzlichen Mitwirkungspflichten durch die asylsuchende Person nicht verletzt worden sind, ist das BFM gesetzlich verpflichtet, über die Befragung hinaus weitere Abklärungen vorzunehmen (vgl. Art. 41 Abs. 1 AsylG). Nach Lehre und Praxis besteht eine Notwendigkeit für weitere Abklärungen insbesondere dann, wenn aufgrund der Vorbringen der asylsuchenden Person und der von ihr eingereichten oder angebotenen Beweismittel Zweifel und Unsicherheiten am Sachverhalt weiterbestehen, die voraussichtlich mit Ermittlungen von Amtes wegen beseitigt werden können (vgl. EMARK 1995 Nr. 23 E. 5a mit weiteren Hinweisen).

10.2.2 Gemäss Art. 8 Abs. 1 Bst. d AsylG sind Asylsuchende verpflichtet, an der Feststellung des Sachverhalts mitzuwirken, und sie müssen insbesondere allfällige Beweismittel vollständig bezeichnen und sie unverzüglich einreichen oder, soweit dies zumutbar erscheint, sich darum bemühen, sie innerhalb einer angemessenen Frist zu beschaffen.
Auf die Situation von Asylsuchenden mit gesundheitlichen Problemen übertragen bedeutet dies - unter gebührender Berücksichtigung der persönlichen, sozialen sowie medizinischen Lebensumstände und natürlich in Abhängigkeit vom Stand der eigenen Kenntnis über die Natur der physischen oder psychischen Beeinträchtigung - grundsätzlich zunächst Folgendes: Solche Probleme sind in gee igneter Form unaufgefordert geltend zu machen, sei dies mündlich im Rahmen einer Anhörung oder beispielsweise mittels einer schriftlichen Eingabe der Partei oder einer Betreuungsperson respektive Rechtsvertretung. Dabei wird in der Regel zumindest eine Umschreibung und Konkretisierung der behaupteten gesundheitlichen Beschwerden erwartet werden dürfen. Befindet sich die asylsuchende Person bereits in medizinischer Behandlung, ist dies ebenfalls aktenkundig zu machen. Verfügt sie schon über ärztliche Zeugnisse oder Bestätigungen, sind diese unaufgefordert einzureichen. Liegen noch keine medizinischen Berichte vor, hat die Partei sich - angesichts der damit verbundenen Kostenfolgen - nach Aufforderung durch das BFM darum zu bemühen, innert einer angemessenen Frist entsprechende Beweismittel zu beschaffen. Das BFM stellt zu diesem Zweck auf seiner Internet-Homepage ein standardisiertes Formular « Ärztlicher Bericht » zur Verfügung.

10.2.3 Macht eine asylsuchende Person, deren Wegweisung zur Debatte steht, im erstinstanzlichen Verfahren unter Beachtung ihrer Mitwirkungspflicht substanziiert das Vorliegen medizinischer Umstände geltend, die unter dem Blickwinkel der Zumutbarkeit des Wegweisungsvollzugs relevant sein könnten, ist demgegenüber das BFM durch den Untersuchungsgrundsatz verpflichtet, die Richtigkeit und Relevanz des behaupteten Sachverhaltselements abzuklären. Asylbewerberinnen und Asylbewerber werden bei ihrer Erstbefragung im Empfangs- und Verfahrenszentrum regelmässig aufgefordert, ein Formular zu unterzeichnen, mit dem das behandelnde Personal gegenüber dem BFM von seiner Schweigepflicht entbunden wird. In diesen Fällen können Abklärungen durch Nachforschungen des BFM geschehen (wobei grundsätzlich die Schriftform einzuhalten ist, vgl. EMARK 2001 Nr. 18 E. 5d). In der Praxis ist es erfahrungsgemäss üblicher, dass das BFM die Partei unter Androhung der Säumnisfolge eines Entscheids auf der bestehenden Aktengrundlage (vgl. Art. 23 VwVG) auffordert, innert angemessener Frist ein aussagekräftiges Arztzeugnis respektive das ausgefüllte BFM-Standardformular zu den Akten zu reichen.

10.3 Im vorliegenden Asylverfahren hatte die Beschwerdeführerin am 4. August 2008 anlässlich der Summarbefragung im Transitzentrum das BFM-Formular « Einwilligungserklärung 2 (medizinische Akten) » unterzeichnet und damit das von ihr konsultierte medizinische Personal gegenüber den Mitarbeitenden des BFM von der Schweigepflicht entbunden. Anlässlich der Anhörung zu den Asylgründen vom 17. Dezember 2008 gab sie auf die Frage nach ihrem Gesundheitszustand unter Tränen zu Protokoll, es gehe ihr gesundheitlich nicht gut und sie sei « psychisch in ein Loch gefallen » (...); ihre Frauenärztin habe angekündigt, sie an einen Psychologen zu überweisen. Auf entsprechende Frage hin gab sie an, die Adresse der Gynäkologin nicht bei sich, sondern im Durchgangszentrum zu haben (...).
Unter den gegebenen Umständen - die Überweisung an die medizinische Fachperson hatte noch nicht stattgefunden und eine konkrete Diagnose lag zu diesem Zeitpunkt offenbar auch noch nicht vor - kann vorerst festgehalten werden, dass die Beschwerdeführerin ihrer Substanziierungspflicht hinreichend nachgekommen ist. Dem Befragungsprotokoll vom 17. Dezember 2008 waren klare Hinweise auf die schwierige, durch häusliche Gewalt geprägte persönliche Situation der Beschwerdeführerin in ihrer Konkubinatsgemeinschaft zu entnehmen (...); diese wurde gemäss Akten kurze Zeit später aufgelöst (nach einer Anzeige des Durchgangszentrums gegen den Konkubinatspartner, einem Schutzeinsatz der Kantonspolizei D. und der Verfügung eines polizeilichen Kontaktverbots).
Namentlich angesichts der geltend gemachten Überweisung an einen Psychologen wäre das BFM verpflichtet gewesen, die behaupteten Gesundheitsprobleme näher abzuklären respektive die Beschwerdeführerin aufzufordern, ihr Vorbringen mit einem Arztbericht zu substanziieren und zu belegen. Der rechtserhebliche Sachverhalt wurde damit von der Vorinstanz in diesem Punkt nicht vollständig festgestellt.

10.4 Das BFM thematisierte die behaupteten Gesundheitsbeschwerden in der angefochtenen Verfügung mit keinem Wort; erstaunlicherweise blieb auch die formelle Anregung der Hilfswerksvertretung, es seien weitere Abklärungen vorzunehmen, unerwähnt. Bei der Begründung der angeblichen Zumutbarkeit des Wegweisungsvollzugs beschränkte sich die Vorinstanz auf die zweizeilige, textbausteinartige Feststellung, es sprächen weder die im Heimatstaat herrschende politische Situation noch andere Gründe gegen die Zumutbarkeit der Rückkehr in die Mongolei. Die Rüge der Verletzung der Begründungspflicht erweist sich damit ebenfalls als begründet (zum Umfang der Begründungspflicht des BFM im Rahmen der Anordnung der Wegweisung und des Wegweisungsvollzugs, vgl. EMARK 2006 Nr. 4).
Eine Heilung dieser Verfahrensmängel steht schon deshalb nicht zur Debatte, weil das BFM trotz expliziter Rügen der Beschwerdeführerin auch in der Vernehmlassung darauf verzichtet hat, zu diesen Punkten Stellung zu beziehen.

10.5 Die Akten sind damit dem BFM zur korrekten und vollständigen Feststellung des rechtserheblichen Sachverhalts und zum neuen Entscheid über die Durchführbarkeit des Wegweisungsvollzugs zu überweisen.

11. Die Beschwerde gegen den Nichteintretensentscheid des BFM ist damit im Hauptpunkt (Nichteintreten auf Asylgesuch und Wegweisung) abzuweisen. Soweit den Wegweisungsvollzug betreffend ist die Beschwerde insoweit gutzuheissen, als die Aufhebung der vorinstanzlichen Verfügung in diesem Punkt (...) beantragt worden ist. Mit Bezug auf den Wegweisungsvollzug hat das BFM - nach Vornahme der gebotenen Abklärungen zur gesundheitlichen Situation der Beschwerdeführerin - eine neue Verfügung beschränkt auf den Vollzug der Wegweisung zu erlassen. Dabei wird die Vorinstanz auch den veränderten persönlichen beziehungsweise familiären Umständen der Beschwerdeführenden Rechnung zu tragen haben.

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