Urteilskopf

2008/48

Auszug aus dem Urteil der Abteilung II i. S. X. AG gegen Paul Scherrer Institut
B-1773/2006 vom 25. September 2008


Regeste Deutsch

Öffentliches Beschaffungswesen. Aufhebung eines Zuschlags. Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts (BVGer). Anspruch auf gerichtliche Beurteilung aus Rechtsweggarantie und EMRK.
Art. 2 Abs. 3 Satz 4 und Art. 5 Abs. 1 Bst. b BoeB. Art. 29a und Art. 27 BV. Art. 6 Ziff. 1 EMRK.
1. Die Beschwerde an das BVGer ist nach der Konzeption des BoeB nur in dessen Geltungsbereich zulässig (E. 2.1).
2. Anhang 1 Annex 4 des GATT/WTO-Übereinkommens über das öffentliche Beschaffungswesen (nachfolgend: ÜoeB) enthält im Sinne einer Positivliste eine abschliessende Aufzählung der Dienstleistungen, die dem ÜoeB und damit auch dem BoeB unterstellt sind. Alle anderen Dienstleistungen fallen nicht in den Anwendungsbereich des BoeB (E. 2.2 und 2.3).
3. Zur Anwendbarkeit des BoeB genügt es nicht, wenn im Rahmen eines mehrere Teildienstleistungen umfassenden Auftrags nur der kleinere Teil derselben in den Anwendungsbereich des BoeB fällt. Ein dem BoeB unterstehender Dienstleistungsauftrag darf nicht mit einer nicht unterstellten Dienstleistung kombiniert werden mit dem Ziel, den ganzen Auftrag dem Anwendungsbereich des BoeB zu entziehen (E. 4.3 und 4.9).
4. Die Zuständigkeit des BVGer gestützt auf Art. 29a BV kann aus intertemporalrechtlichen Gründen nur bejaht werden für nach dem Inkrafttreten der Justizreform ergangene Zuschlagsverfügungen. Dem BVGer ist es wohl grundsätzlich verwehrt, mit der Begründung, dies erscheine durch die Rechtsweggarantie gemäss Art. 29a BV geboten, über den Anwendungsbereich des BoeB hinausgehend seine Zuständigkeit zu bejahen; es gilt gemäss Art. 190 BV das Gebot der Anwendung von Bundesgesetzen (E. 5.1-5.3).
5. Art. 6 Ziff. 1 EMRK verleiht ausserhalb des Anwendungsbereiches des BoeB keinen Anspruch auf gerichtliche Beurteilung von Bundesvergaben. Aus der Wirtschaftsfreiheit (Art. 27 BV) kann kein Individualanspruch auf rechtsfehlerfreie Anwendung des BoeB hergeleitet werden (E. 5.4).

Regeste en français

Marchés publics. Annulation d'une adjudication. Compétence du Tribunal administratif fédéral (TAF). Droit à une décision judiciaire fondé sur la garantie de l'accès au juge et sur la CEDH.
Art. 2 al. 3 4e phrase et art. 5 al. 1 let. b LMP. Art. 29a et art. 27 Cst. Art. 6 ch. 1 CEDH.
1. Selon la conception de la LMP le recours au TAF n'est recevable que dans les limites de son champ d'application (consid. 2.1).
2. L'annexe 4 de l'appendice 1 de l'accord du GATT/OMC sur les marchés publics (ci-après: AMP) contient sous la forme d'une liste positive l'énumération exhaustive des services qui sont soumis à l'AMP, et par conséquent également à la LMP. Tous les autres services sont exclus du champ d'application de la LMP (consid. 2.2 et 2.3).
3. La LMP n'est pas applicable lorsque seule une partie mineure d'un marché comprenant plusieurs services entre dans son champ d'application. Un marché de services soumis à la LMP ne doit pas être combiné avec un service non soumis à cette loi dans le but de soustraire le marché entier à l'application de la LMP (consid. 4.3 et 4.9).
4. Pour des raisons de droit intertemporel, la compétence du TAF fondée sur l'art. 29a Cst. ne peut être admise que pour les adjudications survenues après l'entrée en vigueur de la réforme judiciaire. Le TAF ne peut guère affirmer sa propre compétence au-delà du champ d'application de la LMP, au motif que la garantie de l'accès au juge de l'art. 29a Cst. l'exigerait; il est tenu d'appliquer les lois fédérales en vertu de l'art. 190 Cst. (consid. 5.1-5.3).
5. L'art. 6 ch. 1 CEDH ne confère pas non plus un droit à porter devant le juge un marché passé par la Confédération en dehors du champs d'application de la LMP. La liberté économique (art. 27 Cst.) ne fonde pas un droit individuel à une application de la LMP exempte d'erreurs juridiques (consid. 5.4).

Regesto in italiano

Acquisti pubblici. Annullamento di un'aggiudicazione. Competenza del Tribunale amministrativo federale (TAF). Diritto ad una decisione giudiziaria sulla base della garanzia della via giudiziaria e della CEDU.
Art. 2 cpv. 3 frase 4 e art. 5 cpv. 1 lett. b LAPub. Art. 29a e art. 27 Cost. Art. 6 n. 1 CEDU.
1. Il ricorso al TAF è ammissibile ai sensi della LAPub solo entro i limiti del campo d'applicazione della legge (consid. 2.1).
2. L'appendice 1 allegato 4 dell'accordo del GATT/WTO sugli appalti pubblici (qui di seguito: AAP) comprende sotto forma di elenco positivo un'enumerazione esaustiva dei servizi sottoposti all'AAP e conseguentemente anche alla LAPub (consid. 2.2 e 2.3).
3. Affinché la LAPub sia applicabile non è sufficiente che, nell'ambito di una commessa comprendente più servizi, solo una minima parte della stessa rientri nel campo di applicazione della LAPub. Una commessa di servizi soggetta alla LAPub non può però essere combinata senza necessità oggettiva con un servizio che non vi è sottoposto allo scopo di sottrarre l'intera commessa al campo di applicazione della LAPub (consid. 4.3 e 4.9).
4. La competenza del TAF basata sull'art. 29a Cost. può essere ammessa, per ragioni di diritto intertemporale, solo per le decisioni di aggiudicazione prese dopo l'entrata in vigore della riforma giudiziaria. Al TAF è di principio vietato riconoscere la propria competenza oltre i limiti del campo di applicazione della LAPub, con la giustificazione che ciò sarebbe possibile sulla base della garanzia della via giudiziaria secondo l'art. 29a Cost.; secondo l'art. 190 Cost. vige l'obbligo di applicazione delle leggi federali (consid. 5.1-5.3).
5. L'art. 6 n. 1 CEDU non conferisce alcun diritto ad una decisione giudiziaria per le commesse della Confederazione oltre i limiti del campo di applicazione della LAPub. Dalla libertà economica (art. 27 Cost.) non può essere dedotto alcun diritto individuale ad un'applicazione della LAPub priva di errori giuridici (consid. 5.4).

Sachverhalt

Das Paul Scherrer Institut (PSI) schrieb im Schweizerischen Handelsamtsblatt (SHAB) Nr. 149 vom 4. August 2006 unter dem Projekttitel « Areal- und Gebäudebewachung des PSI » einen Dienstleistungsauftrag im offenen Verfahren aus. Der Aufgabenbeschrieb lautete wie folgt: « Areal- und Gebäudeüberwachung mit Kontrollen in den Arealen und Gebäuden, Überwachung von Anlagen, Betriebseinrichtungen, Geräten und Dauerversuchen nach Anweisung/Pflichtenheft auch in Strahlenschutzzonen, Reinräumen und Labors mit verschiedenen Klassifizierungen ».
Nachdem zwei Offerten der Anbieterinnen Y. AG und X. AG eingegangen waren, erteilte das PSI den Zuschlag am 5. Oktober 2006 der Y. AG. Mit Eingabe vom 20. Oktober 2006 erhob die X. AG (im Folgenden: Beschwerdeführerin) bei der Eidgenössischen Rekurskommission für das öffentliche Beschaffungswesen (BRK) dagegen Beschwerde und beantragte im Hauptpunkt insbesondere, die Zuschlagsverfügung sei aufzuheben und der Zuschlag sei an sie zu erteilen.
Das Begehren um Erteilung der aufschiebenden Wirkung wurde mit Zwischenentscheid vom 8. Dezember 2006 wegen prima facie fehlender Zuständigkeit der BRK abgewiesen. Mit Stellungnahme vom 9. Januar 2007 zuhanden des Bundesverwaltungsgerichts (BVGer) hat die Beschwerdeführerin an den gestellten Anträgen festgehalten.
Das BVGer tritt auf die Beschwerde nicht ein.


Aus den Erwägungen:

2.

2.1 Das Bundesgesetz vom 16. Dezember 1994 über das öffentliche Beschaffungswesen (BoeB, SR 172.056.1) erfasst nur Beschaffungen, welche dem Übereinkommen vom 15. April 1994 über das öffentliche Beschaffungswesen (SR 0.632.231.422, nachfolgend: ÜoeB) unterstellt sind. Alle übrigen Beschaffungen sind in der Verordnung vom 11. Dezember 1995 über das öffentliche Beschaffungswesen (VoeB, SR 172.056.11) geregelt. Die Beschwerde an das BVGer gemäss dem 5. Abschn. des BoeB ist nur zulässig gegen Beschaffungen, die in den Geltungsbereich das BoeB fallen (e contrario Art. 2 Abs. 3 Satz 4 BoeB, vgl. auch Art. 39 VoeB; Entscheid der BRK vom 11. Oktober 2001, veröffentlicht in Verwaltungspraxis der Bundesbehörden VPB 66.4 E. 1b mit Hinweisen). Da das PSI im Anhang 1 Annex 1 ÜoeB als Vergabestelle im Sinne von Art. 2 Abs. 1 Bst. c BoeB ausdrücklich genannt ist und der für Dienstleistungen geltende Schwellenwert gemäss Art. 6 Abs. 1 Bst. b BoeB mit Offertsummen von mehr als 900'000 Franken überschritten ist, wird im Folgenden zu prüfen sein, ob eine in den Anwendungsbereich des BoeB fallende Dienstleistung vorliegt.

2.2 Auftragsinhalt ist die Areal- und Gebäudebewachung des PSI. Dabei geht es gemäss SHAB Nr. 149 vom 4. August 2006 um einen Areal- und Gebäudebewachungsauftrag mit Kontrollen in den Arealen und Gebäuden, die Überwachung von Anlagen, Betriebseinrichtungen, Geräten und Dauerversuchen nach Anweisung/Pflichtenheft auch in Strahlenschutzzonen, Reinräumen und Labors mit verschiedenen Klassifizierungen. Hierbei handelt es sich unbestrittenermassen um eine öffentliche Beschaffung sowie um eine Dienstleistung.

2.3 Nach Art. 5 Abs. 1 Bst. b BoeB bedeutet der Begriff « Dienstleistungsauftrag » einen Vertrag zwischen der Auftraggeberin und einem Anbieter oder einer Anbieterin über die Erbringung einer Dienstleistung nach Anhang 1 Annex 4 ÜoeB. In diesem Anhang werden die unterstellten Dienstleistungen im Sinne einer Positivliste abschliessend aufgeführt (vgl. Botschaft zu den für die Ratifizierung der GATT/WTO-Übereinkommen [Uruguay-Runde] notwendigen Rechtsanpassungen - Öffentliches Beschaffungswesen [GATT-Botschaft 2], in: BBl 1994 IV 1181; vgl. zum Ganzen den Entscheid der BRK vom 11. Oktober 2001, veröffentlicht in VPB 66.4 E. 2b/cc). Gemäss Art. 3 Abs. 1 VoeB gelten als Dienstleistungen die in Anhang 1 zur VoeB aufgeführten Leistungen. Die darin enthaltene Liste mit der Überschrift « Dem Gesetz unterstehende Dienstleistungen » entspricht derjenigen des Anhangs 1 Annex 4 ÜoeB, indem sämtliche dort aufgeführten Dienstleistungen durch die VoeB unverändert übernommen werden. Nur für solche dem Gesetz unterstehenden Dienstleistungen steht der Rechtsmittelweg offen (Entscheid der BRK vom 30. November 2004, veröffentlicht in VPB 69.32 E. 1c/aa; PETER GALLI/ANDRÉ MOSER/ELISABETH LANG/EVELYNE CLERC, Praxis des öffentlichen Beschaffungsrechts, Bd. 1, 2. Aufl., Zürich 2007, Rz. 132). Diese Rechtsprechung entspricht derjenigen des BVGer (BVGE 13/2007, nicht publizierte E. 1.1.2).

3. - 4.2 (...)

4.3 Vorab ist festzuhalten, dass die Beschwerdeführerin zu Unrecht davon ausgeht, dass es zur Begründung der Anwendbarkeit des BoeB genügt, wenn im Rahmen eines mehrere Teildienstleistungen umfassenden Auftrags Teile desselben in den Anwendungsbereich des BoeB fallen. In diesem Sinne hat die BRK mit Entscheid BRK 2001-009 vom 11. Oktober 2001 festgehalten, dass der in Frage stehende Auftrag schwergewichtig dem Gesundheits- und Sozialbereich, also dem grundsätzlich nicht unterstellten Abschnitt 9 der Zentralen Produkteklassifikation, zugeordnet werden müsse (vgl. VPB 66.4 E. 2c/cc), und demnach die Zuständigkeit verneint. Gemäss Art. 7 Abs. 1 BoeB darf ein (den Schwellenwert überschreitender) Auftrag nicht in der Absicht aufgeteilt werden, die Anwendbarkeit dieses Gesetzes zu umgehen. Aus der Zwecksetzung dieser Bestimmung ergibt sich, dass es grundsätzlich vergaberechtlich als ebenso verpönt gelten muss, wenn ein den Schwellenwert überschreitender und dem BoeB unterstehender Dienstleistungsauftrag mit einer nicht unterstellten Dienstleistung kombiniert wird, um den ganzen Auftrag aufgrund der Tatsache, dass ein Teil des Gesamtauftrages nicht unterstellt ist, dem Anwendungsbereich des BoeB zu entziehen. Die Ausschreibung einer Kombination mehrerer Dienstleistungen ist indessen auch vor diesem Hintergrund dann nicht zu beanstanden, wenn die nicht unterstehende Dienstleistung den Gesamtauftrag entscheidend prägt und die Kombination verschiedener Dienstleistungen in einem Auftrag sachlich geboten erscheint.

4.4 - 4.8 (...)

4.9 Zusammenfassend steht demnach fest, dass sich der in Frage stehende Auftrag im Wesentlichen nicht einer in Anhang 1 zur VoeB genannten Dienstleistung, die dem Gesetz untersteht, zuordnen lässt. Da sich das Gericht der Beurteilung der Vergabestelle, wonach die Aufteilung des Auftrages insbesondere deshalb nicht möglich ist, weil sich das eingesetzte Personal über die verschiedenen Teilbereiche hinweg aushelfen muss, anschliesst, kann auch unter diesem Gesichtspunkt keine Rede davon sein, dass die Vergabestelle sicherheitsrelevante und nicht sicherheitsrelevante Dienstleistungen mit dem Ziel kombiniert hat, den Anwendungsbereich des BoeB zu umgehen. Sonst hätte sie den Zuschlag auch nicht fälschlicherweise mit einer Rechtsmittelbelehrung versehen. Es liegt nach dem Gesagten somit weder ein « Dienstleistungsvertrag » im Sinne von Art. 5 Abs. 1 Bst. b BoeB noch eine « Dienstleistung » im Sinne von Art. 3 Abs. 1 VoeB vor. Vielmehr steht eine so genannte « übrige Beschaffung » gemäss Art. 1 Bst. b VoeB bzw. ein Auftrag nach Art. 32 Bst. a Ziff. 2 VoeB in Frage, der « aus anderen Gründen » nicht unter das Gesetz fällt (vgl. PETER GALLI/DANIEL LEHMANN/PETER RECHSTEINER, Das öffentliche Beschaffungswesen in der Schweiz, Zürich 1996, Rz. 128 und 131 f.). Für solche Beschaffungen stand und steht der Rechtsmittelweg an das BVGer nicht offen VPB 69.32 E. 1c/ee mit Hinweisen; vgl. hierzu de lege ferenda kritisch EVELYNE CLERC, in: Pierre Tercier/Christian Bovet [Hrsg.], Commentaire romand, Droit de la concurrence, Genf/Basel/München 2002, Rz. 40 zu Art. 9 BGBM).

5.

5.1 Die Beschwerdeführerin macht geltend, die mit Art. 29a der Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 (BV, SR 101) neu vorgesehene Rechtsweggarantie verschaffe ihr auch ausserhalb des Anwendungsbereichs des Bundesgesetzes über das öffentliche Beschaffungswesen Anspruch auf die Beurteilung ihrer Beschwerde durch eine richterliche Behörde. Die Vergabestelle bringt demgegenüber vor, dass aufgrund der Tatsache, dass das ganze Vergabeverfahren noch vor Inkrafttreten des Art. 29a BV am 1. Januar 2007 abgewickelt worden sei, Art. 29a BV schon wegen der unzulässigen « positiven Vorwirkung » nicht zur Anwendung kommen könne. Entsprechend äussert sich die Vergabestelle nicht zur Frage, ob die Umschreibung des Anwendungsbereichs des Bundesgesetzes über das öffentliche Beschaffungswesen vor Art. 29a BV standhält.

5.2 Art. 29a BV bestimmt, dass jede Person bei Rechtsstreitigkeiten Anspruch auf Beurteilung durch eine richterliche Behörde hat. In Ausnahmefällen können Bund und Kantone durch Gesetz die richterliche Beurteilung ausschliessen. Dem durch Art. 29a BV eröffneten Rechtsweg sollen nur in einem eng umgrenzten Rahmen Akte der Regierung und des Parlamentes entzogen werden (Botschaft über eine neue Bundesverfassung vom 20. November 1996, BBl 1997 I 1 ff., insbes. S. 503 und S. 524; ANDREAS KLEY, in: Ehrenzeller et alii [Hrsg.], Die Schweizerische Bundesverfassung, Kommentar, 2. Aufl., Zürich/St. Gallen 2008, Rz. 18 ff. und insbes. Rz. 28 zu Art. 29a BV).

5.3 Am 12. März 2000 ist mit dem Justizreformpaket auch Art. 29a BV von Volk und Ständen angenommen worden (BBl 2000 2990). Am 8. März 2005 hat das Parlament den Bundesbeschluss über das vollständige Inkrafttreten der Justizreform vom 12. März 2000 verabschiedet (AS 2006 1059). Dieser sieht vor, dass die Rechtsweggarantie zusammen mit dem Bundesgerichtsgesetz in Kraft tritt. Nach dem Willen des Gesetzgebers soll das Übergangsrecht zu Art. 29a BV und zum Bundesgerichtsgesetz in einem Gesamtzusammenhang gesehen werden (vgl. zum Ganzen die Botschaft zum Bundesgesetz über die Bereinigung und Aktualisierung der Totalrevision der Bundesrechtspflege vom 1. März 2006, BBl 2006 3067, S. 3075 f. insbes. in Bezug auf Art. 130 des Bundesgerichtsgesetzes vom 17. Juni 2005 [BGG, SR 173.110]). Damit ist in der Regelung betreffend die Übergangsbestimmungen gemäss Art. 132 BGG und gemäss dem dieser Norm nachgebildeten Art. 53 des Verwaltungsgerichtsgesetzes vom 17. Juni 2005 (VGG, SR 173.32) auch die Antwort auf die Frage nach der zeitlichen Geltung von Art. 29a BV zu sehen. Gemäss Art. 132 Abs. 1 BGG ist das Bundesgerichtsgesetz auf die nach seinem Inkrafttreten eingeleiteten Verfahren anwendbar, auf ein Beschwerdeverfahren jedoch nur dann, wenn auch der angefochtene Entscheid nach dem Inkrafttreten dieses Gesetzes ergangen ist, wobei das Entscheiddatum und nicht dasjenige der Eröffnung massgebend ist (vgl. zum Ganzen YVES DONZALLAZ, Loi sur le Tribunal fédéral, Commentaire, Bern 2008, Rz. 4800 f. mit Hinweisen). Entsprechend ist auch Art. 53 VGG zu verstehen. Ist ein vor dem 1. Januar 2007 ergangener Zuschlag angefochten, wird das BVGer nicht dadurch gestützt auf Art. 29a BV zuständig, dass es gemäss Art. 53 Abs. 2 VGG das Verfahren von der BRK übernimmt. In diesen Fällen ist das BVGer nur soweit zuständig, als auch die BRK zuständig gewesen ist. Die Zuständigkeit des BVGer gestützt auf Art. 29a BV kann also aus intertemporalrechtlichen Gründen nur behauptet werden für nach dem Inkrafttreten der Justizreform ergangene Zuschlagsverfügungen. Im vorliegenden Fall hat die Beschwerdeführerin die im SHAB Nr. 196 vom 10. Oktober 2006 veröffentlichte Zuschlagsverfügung vom 5. Oktober 2006 mit Beschwerde vom 20. Oktober 2006 vor der BRK angefochten. Damit fällt die Zuständigkeit des BVGer ausserhalb des Anwendungsbereichs des BoeB gestützt auf Art. 29a BV aus intertemporalrechtlichen Gründen ausser Betracht. Demnach kann offen bleiben, ob der Ausschluss öffentlicher Beschaffungen, welche nicht in den Anwendungsbereich des BoeB fallen, in Bezug auf nach dem 1. Januar 2007 ergangene Zuschlagsverfügungen vor Art. 29a BV standhält. Dasselbe gilt auch bezüglich der Frage, ob ausserhalb des Anwendungsbereichs des BoeB eine Verfügung gestützt auf Art. 25a VwVG erwirkt werden kann, was nach der Kommentarliteratur zum Bundesgerichtsgesetz denkbar erscheint (HANSJÖRG SEILER, in: Hansjörg Seiler/Nicolas von Werdt/Andreas Güngerich [Hrsg.], Bundesgerichtsgesetz (BGG), Bern 2007, Rz. 47 zu Art. 83 BGG; vgl. auch THOMAS HÄBERLI, in: Marcel Alexander Niggli/Peter Uebersax/Hans Wiprächtiger [Hrsg.], Basler Kommentar zum Bundesgerichtsgesetz, Basel 2008, Rz. 162 zu Art. 83 BGG), ohne dass aus den Materialien indessen eine entsprechende Absicht des Gesetzgebers hervorgehen würde. In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass Bundesgesetze gemäss Art. 190 BV für das Bundesgericht und die anderen rechtsanwendenden Behörden massgebend sind. Demnach ist es dem BVGer - unabhängig von der intertemporalrechtlichen Beurteilung des vorliegenden Falles - wohl grundsätzlich verwehrt, mit der Begründung, dies erscheine durch die Rechtsweggarantie gemäss Art. 29a BV geboten, über den Anwendungsbereich des BoeB hinausgehend seine Zuständigkeit zu bejahen; es gilt das Gebot der Anwendung von Bundesgesetzen (vgl. zum Ganzen KLEY, a. a. O., Rz. 39 zu Art. 29a BV sowie YVO HANGARTNER, in: Bernhard Ehrenzeller et alii [Hrsg.], Die schweizerische Bundesverfassung, Kommentar, 2. Aufl., Zürich/St. Gallen 2008, Rz. 8 zu Art. 190 BV).

5.4 Im Weiteren stützt die Beschwerdeführerin ihren Anspruch auf gerichtliche Beurteilung der vorliegenden Streitsache auf Art. 6 der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK, SR 0.101). Es handle sich um eine zivilrechtliche Streitigkeit im Sinne von Art. 6 Ziff. 1 EMRK. Damit sei die Frage, ob eine Dienstleistung im Sinne der Definition des Anwendungsbereichs des BoeB vorliege, ohne Belang. Gemäss Art. 6 Ziff. 1 EMRK hat jede Person ein Recht darauf, dass über Streitigkeiten in Bezug auf zivilrechtliche Ansprüche von einem unabhängigen und unparteiischen, auf Gesetz beruhenden Gericht entschieden wird. Die BRK ist stets davon ausgegangen, dass es sich bei Rechtsstreitigkeiten im Anwendungsbereich des BoeB, die im Beschwerdeverfahren nach Art. 27 ff. BoeB zu beurteilen sind, um zivilrechtliche Ansprüche im Sinne von Art. 6 Ziff. 1 EMRK handelt. Dies gilt indessen nicht für Streitigkeiten betreffend Bundesvergaben ausserhalb des Anwendungsbereichs des BoeB VPB 66.4 E. 4 mit Hinweisen; GALLI/MOSER/LANG/CLERC, a. a. O., Rz. 772 mit Hinweisen; vgl. dazu kritisch BERNHARD WALDMANN, Rechtsmittelwege und Rechtsweggarantien im öffentlichen Vergabeverfahren, in: Baurecht 2002, S. 143 ff., insbes. S. 146 f. und S. 150). Die Anwendung von Art. 6 Ziff. 1 EMRK im Zusammenhang mit zivilrechtlichen Ansprüchen setzt voraus, dass das in Frage stehende Recht innerstaatlich gewährt wird (EGMR, Roche gegen Vereinigtes Königreich, Urteil vom 19. Oktober 2005, Recueil des arrêts et décisions CEDH 2005-X, Ziff. 117; CHRISTOPH GRABENWARTER, Europäische Menschenrechtskonvention, 3. Aufl., München/Basel/Wien 2008, S. 310). Denn nur wenn und soweit Rechtsmittel gegeben sind, müssen im Rechtsmittelverfahren die Garantien der genannten Bestimmung nach Massgabe der Besonderheiten dieses Verfahrens beachtet werden (vgl. VPB 66.4 E. 4; JOCHEN ABRAHAM FROWEIN/WOLFGANG PEUKERT, Europäische Menschenrechts-Konvention, EMRK-Kommentar, 2. Aufl., Kehl u. a. 1996, Art. 6 Rz. 68). Das innerstaatliche Recht kann den Rechtsschutzanspruch ausschliessen, indem es die gerichtliche Durchsetzung des Rechts untersagt. Vorausgesetzt wird allerdings, dass die Durchsetzung generell-abstrakt ausgeschlossen wird (MARK E. VILLIGER, Handbuch der Europäischen Menschenrechtskonvention, 2. Aufl., Zürich 1999, S. 242 und 273, je mit Hinweisen). Das Beschaffungsrecht des Bundes schliesst denn auch nicht dem BoeB unterstehende Beschaffungen sowohl in Art. 2 Abs. 3 Satz 4 BoeB als auch in Art. 39 VoeB von der gerichtlichen Beurteilung aus. Soweit WALDMANN (a. a. O., S. 150) dazu angemerkt hat, dass Art. 34 ff. VoeB den Anbieterinnen, die nicht in den Geltungsbereich des BoeB fallen, materielle Rechtspositionen zugesteht, ist darauf hinzuweisen, dass auch ein öffentliches Interesse daran besteht, dass die richtige Verfahrensart gewählt und das wirtschaftlich günstigste Angebot berücksichtigt wird. Demnach sind Art. 34 ff. VoeB i. V. m. Art. 39 VoeB materiell so zu verstehen, dass durch diese Bestimmungen keine Rechtsposition verliehen werden soll. Auch die Wirtschaftsfreiheit (Art. 27 BV) verleiht keinen bedingten allgemeinen Anspruch auf rechtsfehlerfreie Anwendung des Beschaffungsrechts des Bundes. Vorliegend steht weder die Binnenmarktkomponente der Wirtschaftsfreiheit noch eine Verletzung des Gebots der Wettbewerbsneutralität in Frage, womit in der Lehre teilweise postulierte Individualrechtspositionen hier von vornherein nicht von Bedeutung sind (vgl. zum Ganzen MATTHIAS HAUSER, Zuschlagskriterien im Submissionsrecht, in: Aktuelle juristische Praxis 2001, S. 1405 ff., insbes. S. 1407). Demnach lässt sich aus Art. 6 Ziff. 1 EMRK auch im vorliegenden Fall kein Anspruch auf Beurteilung der Streitsache durch eine verwaltungsunabhängige gerichtliche Instanz herleiten.

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