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Bundesverwaltungsgericht
Tribunal administratif fédéral
Tribunale amministrativo federale
Tribunal administrativ federal
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Abteilung V
E-4444/2018
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Urteil vom 7. August 2020
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Besetzung
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Richterin Christa Luterbacher (Vorsitz),
Richterin Nina Spälti Giannakitsas, Richterin
Camilla Mariéthoz Wyssen,
Gerichtsschreiberin Tina Zumbühl.
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Parteien
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A._______, geboren
am (...),
Kongo (Brazzaville),
vertreten durch MLaw Nora Maria Riss, Freiplatzaktion
(...), Rechtshilfe Asyl und Migration, (...),
Beschwerdeführerin,
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gegen
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Staatssekretariat für Migration (SEM),
Quellenweg 6, 3003 Bern,
Vorinstanz.
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Gegenstand
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Flüchtlingseigenschaft und Asyl (ohne Wegweisungsvollzug); Verfügung des SEM vom 29.
Juni 2018 / N (...).
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Sachverhalt:
A. Die
Beschwerdeführerin hat ihren Heimatstaat eigenen Angaben zufolge am 25. November 2017 verlassen.
Mit einem Schlepper und durch ihn organisierten Reisepapieren sei sie über Marokko nach Frankreich
geflogen. Nach einem zweitägigen Aufenthalt in Frankreich sei sie am 27. November 2017 in die Schweiz
gefahren. Am 29. November 2017 stellte sie im damaligen Empfangs- und Verfahrenszentrum (EVZ) in B._______
ein Asylgesuch. In Anwendung von Art. 4 Abs. 3 der Verordnung über die Durchführung von Testphasen
zu den Beschleunigungsmassnahmen im Asylbereich vom 4. September 2013 (TestV; SR 142.318.1)
wurde sie dem damaligen Verfahrenszentrum in Zürich zugewiesen.
B. Am
5. Dezember 2017 fand eine Personalienaufnahme und am 8. Dezember 2017 ein Dublingespräch gemäss
Art. 5 der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 statt, bei welchen sie summarisch zu ihrer Person, ihrem Reiseweg
und ihrem Gesundheitszustand befragt wurde.
C. Die
Rechtsvertretung reichte zwischen dem 3. Januar 2018 und 23. März 2018 diverse Formulare mit medizinischen
Informationen des Ambulatoriums Kanonengasse, in welchem die Beschwerdeführerin zwischen dem 13.
Dezember 2017 und dem 14. März 2018 elf Konsultationen hatte, ein. Aus den Formularen geht im Wesentlichen
hervor, dass die Beschwerdeführerin an einer Posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS) nach
mehrmaliger Vergewaltigung leide.
D. Zur
Begründung ihres Asylgesuchs brachte die Beschwerdeführerin anlässlich der Erstbefragung
nach Art. 16 Abs. 3 TestV vom 12. April 2018 und der Anhörung nach Art. 17 Abs. 2 Bst. b TestV vom
25. April 2018 im Wesentlichen folgenden Sachverhalt vor:
Sie sei in C._______ geboren und aufgewachsen und habe im Jahr (...) das Gymnasium abgeschlossen.
Danach habe sie an der Universität drei Jahre lang (...) und (...) studiert und habe ein
Diplom erlangt. Später habe sie noch während einem weiteren Jahr (...) studiert und im
Jahr (...) ein weiteres Diplom erhalten. Anschliessend habe sie Mühe gehabt, eine Stelle zu
finden und habe im Jahr (...) begonnen, in einem Ort namens D._______ Handel zu betreiben. Zunächst
habe sie bei einer Freundin gewohnt, habe dann aber einen Mann kennengelernt und von Februar bis Dezember
2016 mit ihm zusammengelebt. Der Mann sei ein ehemaliger Kämpfer, welche man Ninja-Kämpfer
nenne, im Krieg von 1998 gewesen. Im April 2016 hätten die Ninja Brazzaville angegriffen, weshalb
es zu politischen Unruhen und vermehrter Militärpräsenz, insbesondere auch in D._______, gekommen
sei. Im Dezember 2016 sei ihr Freund deswegen in die Wälder geflohen. Nach seiner Flucht habe sie
zunächst alleine in seinem Haus gelebt und sie habe ihm regelmässig Lebensmittel in den Wald
gebracht. Nach einer Weile sei das Gerücht aufgekommen, Freundinnen der Ninjas würden diesen
Lebensmittel in den Wald bringen und man solle sie verhaften, um die Ninjas im Wald aushungern zu lassen.
Sie habe Angst bekommen, alleine im Haus ihres Freundes zu bleiben, und sei deswegen wieder zu ihrer
Freundin gezogen. Am 1. Juli 2017 habe es früh morgens an der Türe geklopft und Personen des
Militärs hätten nach ihr gesucht. Man habe sie auf ein Kommissariat gebracht und sie sei nach
ihrem Freund gefragt worden. Man habe sie daraufhin in einem Raum mit anderen Frauen festgehalten. Am
folgenden Tag seien sie zum Wald gebracht worden und man habe sie aufgefordert anzugeben, wo im Wald
sich die Ninjas verstecken würden. Da sie die Frage nicht habe beantworten können, sei sie
vergewaltigt und mit dem Tode bedroht worden. Dies sei während sechs Tagen, bis zum 6. Juli 2017,
wiederholt worden, bis eine Person vom Militär ihr gegen Bezahlung geholfen habe, zu fliehen. Er
habe sie zunächst zu ihrer Freundin gefahren, wo sie ihr Geld geholt habe und sie dann an einem
anderen Ort abgesetzt. Sie habe dort einen Mann getroffen, welcher ihr über den Fluss in die Demokratische
Republik Kongo geholfen habe, und habe sich bis September 2017 bei seiner Familie in E._______ aufgehalten.
Danach habe der Mann sie zu seiner Schwester nach F._______ gebracht und habe ihr geholfen, die Ausreise
zu organisieren.
Zum Nachweis ihrer Identität reichte sie ihre Identitätskarte von Kongo Brazzaville zu
den Akten.
E. Mit
Verfügung vom 2. Mai 2018 teilte das SEM der Beschwerdeführerin mit, dass weitere Abklärungen
nötig seien und ihr Asylgesuch gemäss Art. 19 TestV im erweiterten Verfahren behandelt werde.
Gleichzeitig wurde sie dem Kanton G._______ zugewiesen.
F. Mit
Verfügung vom 29. Juni 2018, eröffnet am 4. Juli 2018, verneinte das SEM die Flüchtlingseigenschaft
der Beschwerdeführerin, lehnte ihr Asylgesuch ab und ordnete die Wegweisung aus der Schweiz an,
schob den Vollzug der Wegweisung infolge Unzumutbarkeit indessen auf und ordnete eine vorläufige
Aufnahme an.
Es begründete seinen Entscheid im Wesentlichen damit, dass ihre Vorbringen, sie habe mit einem
Ninja-Kämpfer eine Liebschaft gehabt und sei aufgrund dessen im Juli 2017 vom Militär während
einigen Tagen festgehalten und dabei mehrfach vergewaltigt worden, nicht glaubhaft seien. Sie habe sich
widersprüchlich zu den angeblichen Hintergründen der Festnahme geäussert. Sie habe einerseits
zu Protokoll gegeben, sie sei von den Soldaten aufgefordert worden, den Aufenthaltsort des Ninjas, mit
welchem sie eine Liebschaft gehabt habe, zu verraten. Demgegenüber habe sie gesagt, das Ziel der
Soldaten sei es nicht gewesen, den Ort des Verstecks der Ninjas in Erfahrung zu bringen, sondern sie
zu misshandeln und ihre Wut an ihr auszulassen. Ausserdem habe sie zu zentralen Punkten lediglich unsubstantiierte
Angaben gemacht. Zum Ablauf der Tage während der Inhaftierung habe sie stereotype und pauschale
Aussagen gemacht. Sie habe lediglich angegeben, man habe ihr ein Stück Brot und Ingwer sowie eine
Flasche Wasser gebracht und es sei in dem Raum erstickend gewesen. Ihre Schilderungen würden kein
Bild ermitteln, wie ein durchschnittlicher Tag während der Inhaftierung ausgesehen habe. Auch auf
die Frage, ob sie jeweils von der gleichen oder von verschiedenen Personen vergewaltigt worden sei, habe
sie ausweichend zur Antwort gegeben, es sei schwierig dies zu beantworten, da es jeweils in der Nacht
geschehen sei und sie nicht gewagt habe, die Soldaten anzuschauen. Sie wisse nur noch, dass diese bewaffnet
und in Militärkleidung gewesen seien. Diese Antwort sei als Schutzbehauptung zu qualifizieren, da
man sich bei einem solchen Übergriff nahe komme und erwartet werden könne, dass sie konkrete
Angaben hätte machen können. Des Weiteren habe sie auch keine Angaben zu den Frauen, welche
mit ihr während der mehrtätigen Haft im gleichen Raum festgehalten worden seien, machen können.
Sie habe weder deren Namen noch die Hintergründe deren Inhaftierung gekannt. Sie habe diesbezüglich
angegeben, sie habe sich nie mit den Frauen unterhalten, da es sich nicht gehöre, in einer solchen
Situation Fragen zu stellen. Diese Aussagen seien realitätsfremd und es wäre zu erwarten gewesen,
dass sie sich mit den anderen beiden Frauen, welche ihr Schicksal geteilt hätten, ausgetauscht hätte.
Schliesslich habe sie auch keine ungefähren Angaben zur Höhe der Geldsumme, welche sie einem
Soldaten für ihre Freilassung bezahlt habe, machen können. Nicht nachvollziehbar sei in diesem
Zusammenhang ihre Aussage, dass der sie freilassende Soldat mit ihr nicht über eine konkrete Geldsumme
als Gegenleistung für die Freilassung diskutiert oder verhandelt habe, zumal es für diesen
von grundlegendem Interesse hätte sein müssen zu wissen, für welche Summe er ihretwegen
seine Anstellung und auch allfällige strafrechtliche Konsequenzen und Sanktionen riskiert hätte.
Hinzukommend liessen ihre Schilderungen über die mehrtägige Haft und die massiven Übergriffe
auf ihre Integrität gänzlich die Wiedergabe von Emotionen und inneren psychischen Vorgängen
vermissen, was im Fall von effektiven Erlebnissen der angeführten Art jedoch zwingend wäre.
Aufgrund dessen seien die mehrtägige Inhaftierung und die Vergewaltigungen nicht glaubhaft.
Des Weiteren sei ihr Vorbringen, die allgemeine Situation in Kongo Brazzaville
sei instabil und unsicher,
nicht asylrelevant. Die schwierige Sicherheitslage in ihrem Heimatstaat sei
die Folge der allgemeinen
politischen und sozialen Verhältnisse, wie sie sich für einen Grossteil der Bevölkerung
präsentiere, und stelle keine gezielte asylbeachtliche Verfolgung im Sinne des Art. 3 AsylG dar.
Ihr Vorbringen würden insgesamt weder den Anforderungen an die Glaubhaftigkeit gemäss Art.
7 AsylG noch den Anforderungen an die Flüchtlingseigenschaft gemäss Art. 3 AsylG standhalten.
G. Die
Beschwerdeführerin liess diese Verfügung mit Beschwerde vom
31. Juli 2018 durch ihre Rechtsvertreterin anfechten und beantragte, die angefochtene Verfügung
sei in den Ziffern 1 bis 3 aufzuheben, es sei ihre Flüchtlingseigenschaft anzuerkennen und ihr Asyl
zu gewähren, eventualiter sei die Beschwerdeführerin als Flüchtling vorläufig aufzunehmen,
subeventualiter sei die Sache zur erneuten Feststellung des Sachverhalts und zur erneuten Beurteilung
an die Vorinstanz zurückzuweisen. In verfahrensrechtlicher Hinsicht sei die unentgeltliche Rechtspflege
zu gewähren und die Rechtsvertreterin als amtliche Rechtsbeiständin zu bestellen.
Sie begründete die Rechtsmitteleingabe dahingehend, dass ihre Aussagen trotz ihrer traumatischen
Erlebnisse und der Tatsache, dass die erste Anhörung nicht in einem Frauenteam durchgeführt
worden sei, nachvollziehbar und detailliert ausgefallen seien. Die Beschwerdeführerin habe mehrfach
angegeben, dass sie den Soldaten alles, was sie über die Ninjas gewusst habe, gesagt hätte,
dennoch hätten diese nicht aufgehört, sie zu misshandeln. Sie sei deswegen davon ausgegangen,
dass die Soldaten sie quälen wollten und gar nicht an den Informationen interessiert gewesen seien.
Es handle sich dabei jedoch um eine Annahme ihrerseits, sie könne nicht wissen, warum die Soldaten
sie so lange festgehalten und misshandelt hätten und es sei in ihren Aussagen kein Widerspruch zu
erkennen. Ob sie noch weitere Informationen über die Ninjas gehabt habe, habe die Soldaten anscheinend
nicht interessiert. Der Soldat, welcher sie freigelassen habe, habe ihr zudem gesagt, dass die Personen
im Normalfall nicht länger als eine Woche in Haft überleben würden.
In der Beschwerde wird weiter ausgeführt, dass die Beschwerdeführerin detaillierte Angaben
zu ihrer Verhaftung, zum Polizeikommissariat und zum Ablauf, wie sie in die Zelle gebracht worden sei,
wie auch zum Aussehen der Zelle gemacht habe. Sie habe auch erklärt, wie sie die Notdurft verrichtet
habe, sich nicht habe waschen können und Stimmen gehört habe. Daneben habe sie auch die Abläufe
der Vergewaltigungen und den Transport sehr detailliert geschildert. Es würden sich in beiden Anhörungsprotokollen
keine pauschalen und stereotypen Aussagen befinden und sie habe auch glaubhaft geschildert, wie sie sich
in Haft gefühlt habe. Ausserdem sei anzumerken, dass die Ansicht der Vorinstanz, man komme sich
bei einer Vergewaltigung sehr nahe und müsse daher Eindrücke über die Umrisse, Statur,
Körpergerüche und die individuelle Verhaltens- und Vorgehensweise des Täters bekommen,
eine sehr plakative und vereinfachte Vorstellung einer Vergewaltigung darstelle und nicht der Realität
entspreche.
Die Vorinstanz habe sich überdies in keiner Weise mit der psychischen Verfassung der Beschwerdeführerin
und dem Aussageverhalten von Opfern von sexueller Gewalt im Allgemeinen auseinandergesetzt. Gemäss
dem Istanbul-Protokoll könnten Personen, welche an einer PTBS leiden, unfähig sein, gewisse
Details der Folterung in Erinnerung zu rufen und sie würden sich nur noch an die wichtigsten Ereignisse
dieses Erlebnisses erinnern. Die Unfähigkeit der Beschwerdeführerin, sich an gewisse Details
erinnern zu können, bestärke somit vielmehr ihre Glaubhaftigkeit. Des Weiteren sei eine vom
Bundesverwaltungsgericht anerkannte Theorie der wissenschaftlichen Traumaforschung zu berücksichtigen,
welche besage, dass traumatisierte Asylsuchende häufig nicht in der Lage seien, präzise, vollständige
und widerspruchsfreie Angaben zu erlittenen Misshandlungen zu machen. Sie würden dazu neigen, Gedanken,
Gefühle und Gespräche die sich auf traumatische Ereignisse beziehen würden, zu vermeiden.
Die damalige Asylrekurskommission (ARK) habe im Urteil EMARK 2003 Nr. 17 E.4b festgehalten, dass jenen
Selbstschutz- und Verdrängungsmechanismen im Rahmen der Beurteilung von Aussagen potentieller Traumaopfer
hinreichend Rechnung zu tragen sei.
In Bezug auf die anderen beiden Frauen, welche mit der Beschwerdeführerin im selben Raum festgehalten
worden seien, habe sie gesagt, die beiden Frauen seien bereits im Raum gewesen, als sie gekommen sei.
So wie sie sich verhalten hätten, habe jede auf ihre Weise Angst gehabt. Sie seien jeweils zusammen
abgeholt und wieder zurückgebracht worden. Es sei alles sehr beschämend gewesen und sie habe
nicht sprechen können, da es so schlimm gewesen sei. Sie hätten alle geweint und man habe nicht
einfach fragen können, was los sei, da man ja nicht wisse, was der anderen Person passiert sei.
Es wäre für sie etwas anderes gewesen, wenn die Frauen sie zuerst angesprochen hätten,
sie habe aber nicht von sich aus Fragen stellen wollen. Es sei im Übrigen herabwürdigend, von
solchen Ereignissen zu erzählen, auch wenn die andere Person dasselbe erlebt habe. Es sei zudem
anzumerken, dass sie nicht erst auf Nachfrage des SEM erwähnt habe, dass sie nicht mit den anderen
beiden Frauen gesprochen habe. Es sei nicht möglich anzugeben, welches Verhalten in einer solchen
Situation mit fremden Personen zu erwarten wäre, wenn man so etwas nicht selber erlebt habe. Sie
und die beiden anderen Frauen hätten sich zutiefst dafür geschämt, was ihnen angetan worden
sei, und es sei absolut verständlich, dass sich die Frauen untereinander geschämt und nicht
gesprochen hätten.
Des Weiteren habe die Beschwerdeführerin ausführlich erklärt, weshalb der Soldat nicht
mit ihr über den Geldbetrag verhandelt habe und sie habe in der Eile auch nicht nachgeschaut, wie
viel sie ihm konkret gegeben habe. Sie habe erklärt, die Soldaten würden bis zu ihrem 30. Lebensjahr
kein Gehalt erhalten, weshalb sie gewusst habe, dass er das Geld annehmen würde. Bereits mit kleinsten
Beträgen könne man in ihrer Heimat jemanden bestechen.
In der Beschwerde wird zudem moniert, dass die Argumentation des SEM, ihre
Aussagen hätten die
Wiedergabe von Emotionen und inneren psychischen Vorgängen vermissen lassen, in keiner Weise zutreffend
sei. Sie habe in der ersten Anhörung sehr ausführlich ihre Verhaftung und die ersten Übergriffe
geschildert und habe so fest weinen müssen, dass die Dolmetscherin sie nicht mehr richtig habe verstehen
können. Auch bei der zweiten Anhörung habe sie geweint, als sie von der Vergewaltigung erzählt
habe und sie habe geschildert, wie sie sich aufgrund des Geschehenen fühle. Sie habe auch gesagt,
dass sie keinerlei Bedürfnis mehr habe, mit einem Mann zusammen zu sein, und sie nichts mehr empfinde.
Es sei für sie schwierig, immer wieder darüber sprechen zu müssen und sie könne jeweils
danach nicht schlafen, da es sie sehr bewege. In einer Anhörungspause habe sie ausserdem einen heftigen
Weinkrampf gehabt. Sie habe auch mehrfach angegeben, dass sie sich vorgenommen habe, sich an der Anhörung
zu beherrschen. Die Argumentation des SEM sei nicht nachvollziehbar.
Insgesamt habe es die Vorinstanz unterlassen, eine Gesamtbetrachtung der Aussagen
vorzunehmen und
keine Abwägung aller Elemente, welche für oder gegen die Richtigkeit ihrer Aussagen sprechen
würden, vorgenommen. Auch die zahlreichen Hinweise auf ihre gesundheitlichen Beeinträchtigungen
seien nicht berücksichtigt worden. Die Vorinstanz habe dadurch den Untersuchungsgrundsatz und das
rechtliche Gehör verletzt, weshalb die Sache eventualiter an die Vorinstanz zur erneuten Abklärung
zurückzuweisen sei.
H. Am
6. August 2018 reichte die Rechtsvertretung eine Vollmacht der Beschwerdeführerin im Original zu
den Akten.
I. Mit
Instruktionsverfügung vom 9. August 2018 bestätigte die Instruktionsrichterin den Eingang der
Beschwerde und hielt fest, die Beschwerdeführerin dürfe den Abschluss des Verfahrens in der
Schweiz abwarten, zumal sie vorläufig in der Schweiz aufgenommen worden sei.
J. Mit
Zwischenverfügung vom 14. August 2018 stufte die Instruktionsrichterin die Beschwerde als aussichtslos
ein, wies das Gesuch um Gewährung der unentgeltlichen Prozessführung und um Beiordnung eines
amtlichen Rechtsbeistands ab und forderte die Beschwerdeführerin auf, einen Kostenvorschuss zu bezahlen.
K. Am
29. August 2018 bezahlte die Beschwerdeführerin fristgerecht den verlangten Kostenvorschuss ein.
L. Mit
Eingabe vom 29. August 2018 wies die Beschwerdeführerin darauf hin, dass sie beabsichtige, in Kürze
eine Beschwerdeergänzung einzureichen und bat das Gericht mit dem Erlass eines Urteils zuzuwarten.
M. Am
5. September 2018 teilte die Beschwerdeführerin mit, dass sie beim Ambulatorium für Folter-
und Kriegsopfer des psychiatrischen Universitätsspitals G._______ einen Termin mit einer spezialisierten
Psychiaterin habe und beabsichtige, einen detaillierten Arztbericht einzureichen, welcher jedoch noch
nicht fertig gestellt worden sei, weshalb sie erneut das Gericht bat, mit dem Erlass des Urteils zuzuwarten.
N. Am
10. September 2018 reichte die Beschwerdeführerin ein Schreiben der Klinik für Konsiliarpsychiatrie
und Psychosomatik des Universitätsspitals G._______ ein, gemäss welchem sie am 13. September
2018 ein erstes Gespräch in der Klinik habe.
O. Mit
Instruktionsverfügung vom 11. September 2018 wurde der Beschwerdeführerin Gelegenheit geboten,
innert Frist den in Aussicht gestellten detaillierten Arztbericht einzureichen.
P. Am
8. Oktober 2018 reichte die Beschwerdeführerin fristgerecht einen Bericht des Ambulatoriums für
Folter- und Kriegsopfer, datierend vom 3. Oktober 2018, ein. Aus dem Bericht geht im Wesentlichen hervor,
dass die Beschwerdeführerin nach wiederholter Vergewaltigung Depersonalisationssymptome und eine
Bewusstseinseinengung, hinweisend auf eine akute Belastungsreaktion mit peri-traumatischer Dissoziation
(unwillkürliche Abspaltung des Bewusstseins und Verminderung der Aufmerksamkeit gegenüber der
Umwelt als Reaktion auf Stressüberflutung) beschreibe. Sie habe nachfolgend eine PTBS entwickelt
mit den Kernsymptomen in Form von belastendem Wiedererleben, negativen Veränderungen von Stimmung
und Kognitionen, vegetativer Überregung und Vermeidungssymptomen. Im Bericht wird ferner darauf
hingewiesen, dass - ohne die beschriebenen Erfahrungen hinsichtlich ihres Wahrheitsgehalts überprüfen
zu können - sich die subjektiven Angaben und objektiven Beobachtungen klinisch widerspruchsfrei
mit den geltend gemachten traumatischen Erfahrungen vereinbaren liessen. Des Weiteren wird festgehalten,
dass sie sich als Folge einer Panikattacke im Rahmen der PTBS und der psychosozialen Belastung durch
Wohnortswechsel vom (...) 2018 bis (...) 2018 in einer stationären Krisenintervention aufgehalten
habe.
Im Begleitschreiben wies die Rechtvertreterin darauf hin, dass die Diagnose
auch zu den Aussagen
der Beschwerdeführerin während der Anhörung passe. Sie habe beispielsweise gesagt, sie
habe ihren ganzen Körper nicht mehr gefühlt, sie habe die Kontrolle verloren und habe nicht
mehr gewusst, wer sie sei und was ihr passiere. Sie habe auch gesagt, sie sei dort nicht mehr sich selbst
gewesen und habe ihren Kopf nicht an der richtigen Stelle gehabt. Die Diagnose erkläre das Aussageverhalten
und die teilweise vorhandenen Lücken in ihrer Erinnerung. Es sei zudem auch ein Hinweis auf die
Ursache, weshalb sie nicht mit den Mitinsassinnen gesprochen habe.
Q. In
seiner Vernehmlassung vom 15. November 2018 hielt das SEM fest, die Beschwerdeschrift enthalte keine
neuen erheblichen Tatsachen oder Beweismittel, welche eine Änderung seines Standpunktes rechtfertigen
könnten. Das SEM halte an seiner Einschätzung fest, dass die geltend gemachte Verfolgung im
Heimatstaat nicht glaubhaft geworden sei. Das SEM verkenne dabei nicht, dass die Beschwerdeführerin
offenkundig an psychischen Problemen leide, rechne diese jedoch einem anderen Kontext zu. In Bezug auf
den eingereichten Arztbericht sei festzuhalten, dass das medizinische Fachpersonal nicht verpflichtet
sei, die Angaben eines Patienten auf deren Glaubhaftigkeit zu prüfen. Ausserdem falle auf, dass
in dem Arztbericht vermerkt sei, die Beschwerdeführerin habe bis anhin keine Partnerschaft gehabt,
was ihren Angaben im Asylverfahren, sie habe eine Beziehung mit einem Ninja-Kämpfer geführt,
widerspreche.
R. Mit
Replik vom 3. Dezember 2018 monierte die Beschwerdeführerin, dass das SEM den psychischen Zustand
im Hinblick auf dessen Einfluss auf ihr Aussageverhalten und bei der Glaubhaftigkeitsprüfung in
seiner Verfügung nicht berücksichtigt habe. Es lasse sich überdies nicht erklären,
warum die Vorinstanz zunächst in der Verfügung die sexuellen Übergriffe an sich für
unglaubhaft gehalten habe, in der Vernehmlassung dann nur den Kontext der Übergriffe als nicht glaubwürdig
eingestuft habe. Die im eingereichten Arztbericht gestellte Diagnose erkläre die vermeintlichen
Widersprüche in den Aussagen beziehungsweise die Tatsache, dass sie sich an gewisse Dinge nicht
habe erinnern können. Im Weiteren sei es natürlich korrekt, dass das medizinische Personal
nicht verpflichtet sei, die Angaben einer Patientin auf ihre Glaubhaftigkeit hin zu überprüfen.
Das Ambulatorium habe aber festgehalten, dass sich die subjektiven Angaben der Beschwerdeführerin
und die objektiven Beobachtungen klinisch widerspruchsfrei mit den geltend gemachten traumatischen Erfahrungen
vereinbaren liessen. Der eingereichte Arztbericht sei als Parteigutachten im Sinne von Art. 12 Bst. c
VwVG zu betrachten. Zudem sei auf das Urteil BVGE 2015/11 zu verweisen, in welchem das Bundesverwaltungsgericht
festgehalten habe, dass sich zwar aus der Diagnose einer PTBS nicht auf die Ursache einer Traumatisierung
schliessen lasse, aber gleichwohl die Einschätzung eines Facharztes in Bezug auf die Plausibilität
von Vorkommnissen oder Ereignissen, welche als Ursache für die PTBS in Betracht kommen, ein Indiz
bilde, welches bei der Beurteilung der Glaubhaftigkeit von Verfolgungsvorbringen zu berücksichtigen
sei. Abschliessend sei darauf hinzuweisen, dass eine Partnerschaft umgangssprachlich mehr als nur eine
Liebesbeziehung sei und auf eine lange und gefestigte Beziehung hinweise. Bei der kurzen Beziehung mit
dem Ninja-Kämpfer habe es sich nicht um eine Partnerschaft gehandelt, weshalb hier kein Widerspruch
auszumachen sei.
S. Mit
Instruktionsverfügung vom 28. Mai 2020 informierte die Instruktionsrichterin die Beschwerdeführerin,
dass das Gericht beabsichtige, das vorliegende Verfahren in Kürze abzuschliessen und bot der Beschwerdeführerin
Gelegenheit, allfällige letzte ergänzende Ausführungen einzureichen. Gleichzeitig wurde
sie aufgefordert, einen aktuellen ärztlichen Bericht zu den Akten zu reichen.
T. Am
22. Juni 2020 wurde ein ärztlicher Bericht, datiert auf den 18. Juni 2020, sowie eine Erklärung
betreffend Entbindung von der ärztlichen Schweigepflicht zu den Akten gereicht. Aus dem Bericht
der behandelnden Therapeutin Dr. phil. H._______ geht hervor, dass die Beschwerdeführerin nach wie
vor an einer PTBS leide. Sie habe sogenannte flash backs, Schlafstörungen und Konzentrationsschwierigkeiten
und leide an häufigen Kopfschmerzen. Die Psychotherapie werde in Abständen von drei bis vier
Wochen weitergeführt.
Das Bundesverwaltungsgericht zieht in Erwägung:
1.
1.1 Gemäss
Art. 31 VGG beurteilt das Bundesverwaltungsgericht Beschwerden gegen Verfügungen nach Art. 5
VwVG. Das SEM gehört zu den Behörden nach Art. 33 VGG und ist daher eine Vorinstanz des
Bundesverwaltungsgerichts. Eine das Sachgebiet betreffende Ausnahme im Sinne von Art. 32 VGG liegt
nicht vor. Das Bundesverwaltungsgericht ist daher zuständig für die Beurteilung der vorliegenden
Beschwerde und entscheidet auf dem Gebiet des Asyls endgültig, ausser bei Vorliegen eines Auslieferungsersuchens
des Staates, vor welchem die beschwerdeführende Person Schutz sucht (Art. 105 AsylG; Art. 83
Bst. d Ziff. 1 BGG). Eine solche Ausnahme im Sinne von Art. 83 Bst. d Ziff. 1
BGG liegt nicht vor, weshalb das Bundesverwaltungsgericht endgültig entscheidet.
1.2 Am
1. März 2019 ist die Teilrevision (AS 2016 3101) des Asylgesetzes vom 26. Juni 1998 (AsylG)
in Kraft getreten. Für das vorliegende Verfahren gilt das bisherige Recht (vgl. Abs. 1 der
Übergangsbestimmungen zur Änderung des AsylG vom 25. September 2015).
1.3 Das
Verfahren richtet sich nach dem VwVG, soweit das VGG und das AsylG nichts anderes bestimmen (Art. 37
VGG und Art. 6 AsylG).
1.4 Die
Beschwerde ist frist- und formgerecht eingereicht worden. Die Beschwerdeführerin hat am Verfahren
vor der Vorinstanz teilgenommen, ist durch die angefochtene Verfügung besonders berührt und
hat ein schutzwürdiges Interesse an deren Aufhebung beziehungsweise Änderung; sie ist daher
zur Einreichung der Beschwerde legitimiert (Art. 105 und aArt. 108 Abs. 1 AsylG; Art. 48
Abs. 1 sowie Art. 52 Abs. 1 VwVG). Auf die Beschwerde ist einzutreten.
2. Die
Kognition des Bundesverwaltungsgerichts und die zulässigen Rügen richten sich im Asylbereich
nach Art. 106 Abs. 1 AsylG, im Bereich des Ausländerrechts nach Art. 49 VwVG (vgl.
BVGE 2014/26 E. 5).
3.
3.1 Gemäss
Art. 2 Abs. 1 AsylG gewährt die Schweiz Flüchtlingen grundsätzlich Asyl. Flüchtlinge
sind Personen, die in ihrem Heimatstaat oder im Land, in dem sie zuletzt wohnten, wegen ihrer Rasse,
Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen ihrer
politischen Anschauungen ernsthaften Nachteilen ausgesetzt sind oder begründete Furcht haben, solchen
Nachteilen ausgesetzt zu werden (Art. 3 Abs. 1 AsylG). Als ernsthafte Nachteile gelten namentlich
die Gefährdung des Leibes, des Lebens oder der Freiheit sowie Massnahmen, die einen unerträglichen
psychischen Druck bewirken; den frauenspezifischen Fluchtgründen ist Rechnung zu tragen (Art. 3
Abs. 2 AsylG).
3.2 Wer
um Asyl nachsucht, muss die Flüchtlingseigenschaft nachweisen oder zumindest glaubhaft machen. Die
Flüchtlingseigenschaft ist glaubhaft gemacht, wenn die Behörde ihr Vorhandensein mit überwiegender
Wahrscheinlichkeit für gegeben hält (Art. 7 Abs. 1 und 2 AsylG). Glaubhaftmachung
bedeutet im Gegensatz zum strikten Beweis ein reduziertes Beweismass und lässt durchaus Raum für
gewisse Einwände und Zweifel an den Vorbringen. Eine Behauptung gilt bereits als glaubhaft gemacht,
wenn das Gericht von ihrer Wahrheit nicht völlig überzeugt ist, sie aber überwiegend für
wahr hält, obwohl nicht alle Zweifel beseitigt sind. Demgegenüber reicht es für die Glaubhaftmachung
nicht aus, wenn der Inhalt der Vorbringen zwar möglich ist, aber in Würdigung der gesamten
Aspekte wesentliche und überwiegende Umstände gegen die vorgebrachte Sachverhaltsdarstellung
sprechen. Entscheidend ist im Sinne einer Gesamtwürdigung, ob die Gründe, die für eine
Richtigkeit der Sachverhaltsdarstellung sprechen, überwiegen oder nicht; dabei ist auf eine objektivierte
Sichtweise abzustellen (BVGE 2015/3 E. 6.5.1). Unglaubhaft sind insbesondere Vorbringen, die in
wesentlichen Punkten zu wenig begründet oder in sich widersprüchlich sind, den Tatsachen nicht
entsprechen oder massgeblich auf gefälschte oder verfälschte Beweismittel abgestützt werden
(Art. 7 Abs. 3 AsylG).
3.3 Die
Glaubhaftigkeit von Aussagen asylsuchender Personen kann im Rahmen eines inhaltsorientierten Ansatzes
aufgrund sogenannter Realkennzeichen beurteilt werden. Die Realkennzeichen ermöglichen eine Differenzierung
zwischen erlebnisbasierten und erfundenen respektive verfälschten Aussagen. Je mehr Realkennzeichen
eine Aussage enthält, desto grösser ist die Wahrscheinlichkeit, dass die Aussage auf eigenem
Erleben beruht. Dabei sind immer die Fähigkeiten der aussagenden Person und die Komplexität
des vorgebrachten Geschehens zu berücksichtigen. Zu den Realkennzeichen gehören insbesondere
die logische Konsistenz, die ungeordnete, aber inhaltlich letztlich stimmige Darstellung, der quantitative
Detailreichtum, raum-zeitliche Verknüpfungen, die Wiedergabe von Gesprächen, ausgefallene Einzelheiten,
spontane Verbesserungen der eigenen Aussagen, das Eingeständnis von Erinnerungslücken sowie
die Schilderung von Interaktionen, Komplikationen, Nebensächlichkeiten, unverstandenen Handlungselementen
und eigenen psychischen Vorgängen (vgl. Angelika Birck, Traumatisierte
Flüchtlinge, Wie glaubhaft sind ihre Aussagen?, Heidelberg 2002, S. 82 ff. und S. 139 ff.;
Revital Ludewig/Daphna Tavor/Sonja Baumer, Wie können aussagepsychologische
Erkenntnisse Richtern, Staatsanwälten und Anwälten helfen?, in: AJP 11/2011, S. 1423 ff.;
vgl. auch BGE 129 I 49 E. 5 sowie BVGE 2015/3 E. 6.5.1; 2013/11 E. 5.1 und 2012/5
E. 2.2, jeweils m.w.H.).
4. In
Beachtung dieser Grundsätze und nach Durchsicht der Akten kommt das Bundesverwaltungsgericht zum
Schluss, dass es sich den vorinstanzlichen Erwägungen in Bezug auf die Glaubhaftigkeit der Vorbringen
aus folgenden Überlegungen nicht anschliessen kann:
4.1 Das
SEM führt in seiner Verfügung zunächst aus, die Beschwerdeführerin habe sich zu den
angeblichen Hintergründen ihrer Verhaftung durch die Soldaten widersprüchlich geäussert.
Sie habe einerseits angegeben, die Soldaten hätten von ihr den Aufenthaltsort der Ninjas wissen
wollen. Andererseits habe sie gesagt, dass Ziel der Soldaten sei es nicht gewesen, den Aufenthaltsort
der Ninjas zu erfahren, zumal sie diesbezüglich bereits alle Informationen gehabt hätten, sondern
sie hätten sie misshandeln und die Wut an ihr auslassen wollen (Verfügung vom 29. Juni 2018
E.II.1.).
In Anbetracht der an beiden Befragungen übereinstimmenden umfangreichen Ausführungen der
Beschwerdeführerin fällt dieser vom SEM hervorgehobene Widerspruch einerseits nicht derart
ins Gewicht, dass man daraus die Unglaubhaftigkeit der Inhaftierung ableiten könnte. Andererseits
fällt nach Durchsicht der Protokolle auf, dass es sich dabei nicht um einen erheblichen Widerspruch
handelt. Die Beschwerdeführerin hat an beiden Befragungen angegeben, die Soldaten hätten den
Aufenthaltsort der Ninjas wissen wollen und sie hätten die inhaftierten Frauen der Ninjas zerstören
wollen (SEM Akten A28, F80; A31, F21, F41). Sie hat auch an beiden Befragungen übereinstimmend ausgeführt,
dass sie zugegeben habe, dass ein Ninja ihr Freund gewesen sei und sie ihm Essen in den Wald gebracht
habe (SEM Akten A28, F80; A31, F21). Die übereinstimmenden Aussagen hat das SEM in seiner Glaubhaftigkeitsprüfung
nicht erwähnt, sondern lediglich hervorgehoben, dass die Beschwerdeführerin zu einem späteren
Zeitpunkt angegeben habe, das Ziel sei es nicht gewesen, den Ort zu erfahren, sondern sie zu misshandeln
(SEM Akte A31, F110). Die Beschwerdeführerin hat sich bei dieser Aussage darauf bezogen, dass sie
bereit gewesen wäre, den Soldaten anzugeben, wo sie die Nahurngsmittel für die Ninjas jeweils
deponiert habe, dieser Ort habe die Soldaten indes nicht interessiert (a.a.O.). Darin einen entscheidenden
Widerspruch zu sehen, erscheint zu überspitzt. Vielmehr lassen ihre Aussagen darauf schliessen,
dass die Soldaten die Frauen der Ninjas festgenommen haben, um einerseits den Aufenthaltsort der Männer
zu erfahren, aber andererseits auch, um sie zu misshandeln und einzuschüchtern. Die Beschwerdeführerin
führte aus, man habe ihr gesagt, man werde die Frauen der Ninjas töten. Man bleibe nur eine
Woche dort (in Haft), danach werde man getötet (SEM Akten A28, F80; A31, F75). Da die Soldaten die
Ninjas nicht hätten finden können, hätten sie es an den Frauen ausgelassen (SEM Akte A31,
F44). Der vom SEM ausgemachte Widerspruch vermag somit insgesamt nicht zu überzeugen.
4.2 Des
Weiteren führt die Vorinstanz aus, die Beschwerdeführerin habe zu den zentralen Punkten der
Vorbringen durchwegs stereotype und pauschale Aussagen gemacht, insbesondere zum Ablauf der Tage während
der Inhaftierung und zu den Personen, welche sie vergewaltigt hätten. In Bezug auf den Tagesablauf
der Inhaftierung hat die Beschwerdeführerin tatsächlich eher knappe Aussagen gemacht, sie wurde
jedoch zum Tagesablauf auch nicht ausführlich befragt (SEM Akte A31, F36). Immerhin beschrieb sie
jedoch den Raum, in welchem sie festgehalten worden sei, und hat angegeben, es sei erstickend gewesen.
Sie habe jeweils nur Brot und Ingwer und manchmal auch nur eine Flasche Wasser für den gesamten
Tag erhalten (SEM Akte A31, F29ff.). Inwiefern es sich dabei um stereotype Aussagen handeln sollte, erschliesst
sich nicht.
Daneben hat das SEM nicht erwähnt, dass sich in den übrigen Aussagen der Beschwerdeführerin
mehrere Realkennzeichen und insbesondere ein quantitativer Detailreichtum befinden. In der Beschwerde
wurde zu Recht darauf hingewiesen, dass die Beschwerdeführerin zum Ablauf der Inhaftierung an beiden
Befragungen detaillierte Angaben gemacht hat. Sie gab an, dass der Mann der Freundin, bei welcher sie
zu jener Zeit wieder gewohnt habe, die Tür geöffnet habe und sie selbst sich im Wohnzimmer
befunden habe, da sie dort geschlafen habe (SEM Akten A28, F80; A31, F21-F26). Sie erwähnte auch
weitere Nebensächlichkeiten, wie, dass sie bei der Verhaftung lediglich ihr Telefon mitgenommen
habe (SEM Akte A31, F21). Später bezog sie sich nochmals darauf und gab an, dass sie bei der Ankunft
im Kommissariat einer Leibesvisitation unterzogen worden sei und man ihr dabei das Telefon abgenommen
habe (a.a.O., F27, F40). Bereits an der Erstbefragung gab sie an, dass man ihr das Telefon abgenommen
habe (SEM Akte A28, F80). Sie beschrieb auch an einigen Stellen ihre Gefühle und gab an, sie sei
während der Autofahrt ins Kommissariat nicht in der Lage gewesen, mit den Soldaten zu sprechen,
da sie am ganzen Körper gezittert und Angst gehabt habe. Sie habe sich zum ersten Mal in einem Polizeiauto
befunden (SEM Akte A31, F25). Das Gericht teilt die Einschätzung nicht, dass sie durchwegs stereotype
und pauschale Aussagen gemacht hat, auch wenn einzelne Abläufe vage geblieben sein mögen.
4.3 Das
SEM hält der Beschwerdeführerin ferner vor, dass sie nicht habe angeben können, ob sie
immer von derselben Person oder von verschiedenen Personen vergewaltigt worden sei. Sie habe ausweichende
und pauschale Antworten gegeben und es wäre zu erwarten gewesen, dass sie konkrete Angaben zu den
Vergewaltigungen hätte machen können. Die Beschwerdeführerin moniert zu Recht, dass sich
das SEM diesbezüglich nicht mit ihrem psychischen Zustand und der bereits aus den Berichten des
Ambulatoriums feststellbaren PTBS auseinandergesetzt hat. Aus den dem SEM zu Beginn des Asylverfahrens
vorgelegen Berichten geht hervor, dass die Beschwerdeführerin beim Erzählen der traumatischen
Ereignisse (gegenüber dem Arzt) eine deutliche affektive Beteiligung, Intrusionen und eine Tendenz
zur Dissoziation zeige (SEM Akte A19). Die Ausführungen des SEM, es wäre zu erwarten gewesen,
dass die Beschwerdeführerin im Zusammenhang mit den Vergewaltigungen Angaben zu Umrissen der Statur,
zu Körpergerüchen und der individuellen Verhaltens- und Vorgehensweise des Täters hätte
machen können, da man sich bei solchen Übergriffen sehr nahe komme, sind vor diesem Hintergrund
umso mehr unangemessen.
Bei der Prüfung der Glaubhaftigkeit der Vorbringen ist der von fachlich qualifizierter Seite
festgestellten Traumatisierung angemessen Rechnung zu tragen. Aus dem auf Beschwerdestufe eingereichten
Bericht des Ambulatoriums für Folter- und Kriegsopfer vom 3. Oktober 2018 geht hervor, dass die
Beschwerdeführerin an einer PTBS (ICD-10: F43.1) leide und ihr ein Antidepressivum verschrieben
worden sei. Sie leide an einem Trauma nach wiederholter Vergewaltigung. Des Weiteren wird in dem Bericht
festgehalten, dass sie Depersonalisationssymptome und eine Bewusstseinseinengung, hinweisend auf eine
akute Belastungsreaktion mit peritraumatischer Dissoziation (unwillkürliche Abspaltung des Bewusstseins
und Verminderung der Aufmerksamkeit gegenüber der Umwelt als Reaktion auf Stressüberflutung)
beschreibe. Im Bericht wird ferner darauf hingewiesen, dass ohne die beschriebenen Erfahrungen hinsichtlich
ihres Wahrheitsgehalts überprüfen zu können, sich die subjektiven Angaben und objektiven
Beobachtungen klinisch widerspruchsfrei mit den geltend gemachten traumatischen Erfahrungen vereinbaren
liessen. Gegenüber den Ärzten hat die Beschwerdeführerin die Hintergründe der traumatischen
Erlebnisse beziehungsweise der Vergewaltigungen ausführlich und mit den Angaben im Asylverfahren
übereinstimmend beschrieben, was ein gewichtiges Element für die Glaubhaftigkeit der Vorbringen
darstellt. Der Bericht des Ambulatoriums für Folter- und Kriegsopfer wurde basierend auf fünf
Gesprächen mit der Beschwerdeführerin verfasst. Mit dem SEM ist zwar festzuhalten, dass ärztliches
Personal von seinem Auftrag her nicht verpflichtet ist, Aussagen auf seine Glaubhaftigkeit zu prüfen.
Ein Arztbericht gibt lediglich über einen Befund Auskunft, kann jedoch keinen Beweis für das
geltend gemachte traumatisierende Ereignis bilden (vgl. BVGE 2015/11 E. 7.2.1 und 7.2.2). Die ärztlichen
Unterlagen und die Aussagen gegenüber einem Arzt können jedoch als Indiz für die Glaubhaftigkeit
der Vorbringen beigezogen werden. In dem Bericht wird einerseits festgehalten, dass sich die subjektiven
Angaben und objektiven Beobachtungen mit den geltend gemachten traumatischen Ereignissen aus klinischer
Sicht vereinbaren lassen. Andererseits wird beschrieben, dass die Beschwerdeführerin eine peritraumatische
Dissoziation aufweist, was vorliegend die vom SEM vorgehaltenen unkonkreten Angaben zu den Vergewaltigungen
erklären kann. Die Beschwerdeführerin hat diesbezüglich zu Recht darauf hingewiesen, dass
das SEM die psychischen Probleme in seiner Verfügung nicht gewürdigt beziehungsweise bei der
Prüfung der Glaubhaftigkeit der Vorbringen nicht berücksichtigt hat. Gemäss dem aktuellen
Arztbericht vom 18. Juni 2020 leide die Beschwerdeführerin auch heute noch an den Folgen des traumatischen
Erlebnisses und an einer PTBS und sie ist nach wie vor in psychotherapeutischer Behandlung. Es kann anhand
der Aktenlage somit durchaus angenommen werden, dass die Traumatisierung der Beschwerdeführerin
Einfluss auf ihr Aussageverhalten gehabt hat. Es ist bekannt, dass Opfer von sexueller Gewalt in der
Regel Mühe haben, umfassend über das Erlebte zu sprechen. Der Grund dafür liegt im oft
vorkommenden Vermeidungsverhalten hinsichtlich Gedanken, Gefühlen und Gesprächen mit Bezug
auf die traumatischen Erlebnisse. Dies kann dazu führen, dass man sich an wesentliche Aspekte nicht
zu erinnern vermag (vgl. EMARK 2003 Nr. 17, E. 4b). Aus den Befragungsprotokollen geht an diversen
Stellen hervor, dass es für die Beschwerdeführerin schwierig war, über das Erlebte zu
sprechen (bspw. SEM Akten A31, Anmerkung der Rechtsvertretung auf S. 4 und F77f., 81; A28, F10, F81,
F97f.). Nach dem Gesagten lassen sich aus den Äusserungen der Beschwerdeführerin zu dem sexuellen
Missbrauch keine Unglaubhaftigkeitselemente ableiten.
4.4 Andererseits
ergeben sich aus den Aussagen der Beschwerdeführerin auch einige Ungereimtheiten. So überrascht
die Angabe, dass sie sich in Haft nicht mit den anderen Frauen ausgetauscht habe (SEM Akte A31, F46f.,
F72-F74). Das SEM hat diesbezüglich in der Verfügung zu Recht aufgeführt, dass zu erwarten
gewesen wäre, dass sich die inhaftierten Frauen, welche dasselbe Schicksal geteilt haben, ausgetauscht
hätten. Es erstaunt, dass die drei Frauen während den sechs Tagen in Haft zu keinem Zeitpunkt
miteinander gesprochen haben sollen und sich beispielsweise Trost zugesprochen oder die Hintergründe
der jeweils anderen Frauen zu erfahren versucht hätten. Die Ausführungen in der Beschwerde,
dass es eine schambehaftete Situation gewesen sei und die Beschwerdeführerin nicht von sich aus
die anderen beiden Frauen habe ansprechen wollen, kann als mögliche Erklärung dienen, auch
wenn sie nicht restlos überzeugt.
4.5
4.5.1 Des
Weiteren erscheint es tatsächlich seltsam, dass - wie vom SEM in der angefochtenen Verfügung
ausgeführt - die Beschwerdeführerin keine ungefähre Angabe der Geldsumme, welche
sie dem Soldaten gegeben habe, der ihr zur Flucht verholfen habe, hat machen können (SEM Akte A31,
F59ff.). Die Begründung der Beschwerdeführerin, dass die Soldaten nicht von Beginn an einen
Sold erhalten würden und sie darum gewusst habe, dass er das Geld annehmen werde, leuchtet nicht
gänzlich ein. Es wäre nichtsdestotrotz zu erwarten gewesen, dass der Soldat zumindest eine
ungefähre Angabe der in Aussicht gestellten Geldsumme hätte haben wollen angesichts der Risiken,
welche er mit der Freilassung einer Gefangenen auf sich genommen hat.
4.5.2 Ihre
übrigen Aussagen zur Flucht lassen ihre Darstellung indes nicht gesamthaft unglaubhaft erscheinen.
In den Ausführungen der Beschwerdeführerin sind zahlreiche Realkennzeichen ersichtlich. Beispielsweise
hat sie wiederholt angegeben, sie habe den Soldaten gebeten, sie zum Markt zu fahren, da sie sich dort
habe orientieren und das Haus der Freundin finden könne (SEM Akte A31, F48, F53). Daneben berichtet
sie auch weitere Nebensächlichkeiten, wie, dass sie den Soldaten an den Kleidern gezogen habe (SEM
Akten A31, F48; A28, F80). Daneben gab sie wiederholt an, sie habe sich an jenem Tag schmutzig gefühlt
und habe schlecht gerochen (SEM Akten A31, F48; A28, F80). Auch in ihren darauffolgenden Erzählungen
bezieht sie sich darauf, dass sie gestunken habe (SEM Akte A28, F80, A31, F61) und gibt an, wann sie
sich das erste Mal wieder habe waschen können (SEM Akte A31, F62).
4.5.3 Die
darauffolgende Flucht von Kongo Brazzaville über den Fluss nach Kongo Kinshasa konnte die Beschwerdeführerin
äusserst detailliert und erlebnisgeprägt wiedergeben. Dabei gab sie ausgefallene Einzelheiten
an, wie, dass sie bei der Überfahrt über den Fluss Blutungen gehabt habe und die Frau des Fluchthelfers
ihr traditionelle Bäder gemacht habe (SEM Akte A31, F62f.). Bereits an der Erstbefragung führte
sie aus, die Frau des Mannes, welcher sie über den Fluss gebracht und zu sich nach Hause genommen
habe, habe eine traditionelle Behandlung für sie gemacht mit traditionellen Massagen. Die Frau habe
Bananenpflanzen erwärmt und sie damit eingerieben, danach habe diese ihren Körper damit abgeklopft.
Sie habe ihr auch Kräuter-Tees gemacht und habe versucht, sie mit Singen und anderen Dingen abzulenken.
Sie habe dabei jedoch immer Tränen in den Augen gehabt, da sie die Stimme ihrer Mutter gehört
habe (SEM Akte A28, F80). Insgesamt ergibt sich aus ihren Erzählungen ein erlebnisgeprägtes
Bild ihrer Flucht.
4.5.4 Einzig
die Aussage der Beschwerdeführerin, sie habe ihre Schwester nicht mehr kontaktieren können,
leuchtet nicht ein. Zunächst gab sie an, sie habe - als sie sich in F._______ bei der Schwester
des Fluchthelfers befunden habe - ihre Schwester kontaktiert (SEM Akte A31, F91). Später führte
sie hingegen aus, sie habe nach ihrer Ankunft in Europa ihre Schwester nicht kontaktieren können,
da sie keine Telefonnummer der Schwester gehabt habe (a.a.O., F93, F100ff.). Demgegenüber gab sie
jedoch auch Einzelheiten in Bezug auf die Kontaktaufnahme mit der Schwester an, welche wiederum für
die Glaubhaftigkeit ihrer Aussagen sprechen. Sie erklärte bereits an der Erstbefragung, dass sie
mehrmals die Nummer der Schwester habe wählen müssen, bis sie die richtige Nummer eingegeben
habe (SEM Akte A28, F80). Sie habe eigentlich die Nummer der Schwester gekannt, aber angesichts des Erlebten
habe sie mehrere Versuche benötigt, bis sie die richtige Nummer eingetippt habe (a.a.O., F104).
In der Anhörung wiederholte sie diesen Sachverhalt (SEM Akte A31, F91). Des Weiteren gab sie auch
an beiden Befragungen übereinstimmend an, dass sie zum Zeitpunkt des Anrufs sehr emotional gewesen
sei und geweint habe, weshalb sie sich nicht in der Lage gesehen habe, mit ihrer Schwester persönlich
zu sprechen und ihr das Erlebte zu schildern (SEM Akten A28, F80; A31, F99f.)
4.6 Nach
den obigen Erwägungen kann festgestellt werden, dass die Aussagen der Beschwerdeführerin mehrheitlich
substantiiert ausgefallen sind, einige ihrer Aussagen jedoch unplausibel erscheinen. Bei einer Gesamtbetrachtung
des Aussageverhaltens der Beschwerdeführerin fällt gleichwohl grundsätzlich auf, dass
kein Bruch in ihrem Erzählstil erfolgte. Beispielsweise berichtet sie über ihr anfängliches
Leben in D._______ und über die dortigen Unruhen ab April 2016 in einer ähnlichen Erzähldichte
wie über die Inhaftierung und die Flucht nach Kongo Kinshasa (SEM Akte A28, F80). Der Strukturvergleich
kann somit als ein weiteres Element, welches für die Glaubhaftigkeit der Vorbringen spricht, herangezogen
werden.
4.7 Hinzukommend
erscheinen die Aussagen der Beschwerdeführerin auch im länderspezifischen Kontext nachvollziehbar.
Im Zuge der Präsidentschaftswahlen vom März 2016 ist es in der Pool-Region ab April 2016 zu
Konflikten zwischen dem Staat und den sogenannten Ninja-Rebellen gekommen. Es habe militärische
Operationen in der Region gegeben, da die Ninja-Rebellen sich in den Wäldern von Pool versteckt
hätten. Es wird auch von Gewalt gegen Frauen und durch die UNO dokumentierte Vergewaltigungen im
Zeitraum zwischen April und September 2017 berichtet (The new humanitarian, Updated: Congo-Brazzaville's
hidden war, 18. Juni 2018, https://www.thenewhumanitarian.org/special-report/2018/06/18/updated-congo-brazzaville-s-hidden-war,
abgerufen am 8. Juli 2020). Die Vorbringen der Beschwerdeführerin betten sich somit in die damalige
Konfliktsituation in D._______ plausibel ein.
4.8 Insgesamt
ist festzustellen, dass die Vorinstanz in ihrer Beurteilung der Glaubhaftigkeit keine sorgfältige
Abwägung aller Elemente, welche für oder gegen die Glaubhaftigkeit der Vorbringen der Beschwerdeführerin
sprechen, vorgenommen hat. Das Gericht kommt nach den obigen Erwägungen zum Schluss, dass -
insbesondere auch unter Berücksichtigung des Arztberichtes des Ambulatoriums für Folter- und
Kriegsopfer - insgesamt die positiven Elemente überwiegen, auch wenn einige der Aussagen mit
Zweifeln behaftet bleiben und wenig nachvollziehbar erscheinen. Im Rahmen einer Gesamtwürdigung
ist jedoch mit überwiegender Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass die Beschwerdeführerin
von kongolesischen Soldaten inhaftiert und vergewaltigt worden ist und sie in der Folge Kongo Brazzaville
verlassen hat.
5. Im
Folgenden bleibt zu prüfen, ob die als überwiegend glaubhaft befundenen Vorbringen, namentlich
die sexuellen Übergriffe durch die Soldaten und die Inhaftierung, flüchtlingsrechtlich relevant
im Sinne des Asylgesetzes sind.
5.1 Die
Flüchtlingseigenschaft gemäss Art. 3 AsylG erfüllt eine asylsuchende Person nach Lehre
und Rechtsprechung dann, wenn sie Nachteile von bestimmter Intensität erlitten hat beziehungsweise
mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit und in absehbarer Zukunft begründeterweise befürchten muss,
welche ihr gezielt und aufgrund bestimmter Verfolgungsmotive durch Organe des Heimatstaates oder durch
nichtstaatliche Akteure zu-gefügt worden sind beziehungsweise zugefügt zu werden drohen (vgl.
BVGE 2008/4 E. 5.2 S. 37).
Ausgangspunkt für die Beurteilung der Flüchtlingseigenschaft ist die Frage nach der im
Zeitpunkt der Ausreise vorhandenen Verfolgung oder begründeten Furcht vor einer solchen. Die Situation
im Zeitpunkt des Asylentscheids ist jedoch im Rahmen der Prüfung nach der Aktualität der Verfolgungsfurcht
ebenfalls wesentlich. Veränderungen der objektiven Situation im Heimatstaat zwischen Ausreise und
Asylentscheid sind deshalb zugunsten und zulasten der das Asylgesuch stellenden Person zu berücksichtigen
(vgl. zum Ganzen BVGE 2011/51 E. 6.1, 2011/50 E. 3.1.1 und 3.1.2, jeweils m.w.H.).
5.2 Die
Beschwerdeführerin hat glaubhaft gemacht, dass sie vom Militär ihres Heimatstaates inhaftiert
und mehrfach von Soldaten vergewaltigt worden ist, bevor ihr die Flucht gelang; danach habe sie das Heimatland
unmittelbar verlassen. Ihr wurden somit von staatlichen Organen erhebliche Nachteile im Sinne des Art.
3 AsylG zugefügt. Ein sachlicher und zeitlicher Kausalzusammenhang zwischen der erlittenen Verfolgung
und der Flucht ist gegeben. Die erlittenen Benachteiligungen weisen ausserdem ein asylrelevantes Motiv
auf. Die Übergriffe waren politisch motiviert und hatten im Sinne einer Reflexverfolgung zum Zweck,
Informationen über die Ninja-Kämpfer zu erhalten beziehungsweise diese zu einer Rückkehr
aus dem Wald durch Nahrungsentzug zu zwingen. Schliesslich bestand angesichts der Tatsache, dass die
Beschwerdeführerin Verfolgung seitens staatlicher Kräfte erlebt hat, auch keine innerstaatliche
Fluchtalternative. Demnach ist davon auszugehen, dass die Beschwerdeführerin im Zeitpunkt ihrer
Ausreise einer asylrelevanten Verfolgung ausgesetzt war.
5.3 Praxisgemäss
besteht die Regelvermutung, dass von erlittener, mit der Ausreise in Kausalzusammenhang stehender Vorverfolgung
ohne weiteres auf das Bestehen einer begründeten Furcht vor weiterer, zukünftiger Verfolgung
zu schliessen ist (vgl. BVGE 2009/51 E. 4.2.5 m.w.H.). Vorliegend besteht kein Grund, von dieser
Regelvermutung abzuweichen, zumal sich die Situation im Heimatland der Beschwerdeführerin seit ihrer
Ausreise nicht in einem entscheidrelevanten Ausmass verändert respektive verbessert hat.
5.4 Zusammenfassend
erfüllt die Beschwerdeführerin die Voraussetzungen der Flüchtlingseigenschaft nach Art.
3 AsylG. Aus den Akten ergeben sich keine Anhaltspunkte für eine Asylunwürdigkeit im Sinne
von Art. 53 AsylG. Der Beschwerdeführerin ist somit Asyl zu gewähren.
6. Die
Beschwerde ist demnach gutzuheissen und die angefochtene Verfügung vom 29. Juni 2018 ist aufzuheben.
Die Beschwerdeführerin ist gestützt auf Art. 3 AsylG als Flüchtling anzuerkennen und das
SEM ist anzuweisen, ihr Asyl zu gewähren.
7.
7.1 Bei
diesem Ausgang des Verfahrens sind keine Kosten zu erheben (Art. 63 Abs. 1 und 2 VwVG). Der
am 29. August 2018 geleistet Kostenvorschuss in der Höhe von Fr. 750. - ist der Beschwerdeführerin
zurückzuerstatten.
7.2 Der
vertretenen Beschwerdeführerin ist angesichts ihres Obsiegens in Anwendung von Art. 64 VwVG
und Art. 7 Abs. 1 des Reglements vom 21. Februar 2008 über die Kosten und Entschädigungen
vor dem Bundesverwaltungsgericht (VGKE, SR 173.320.2) eine Entschädigung für die ihr notwendigerweise
erwachsenen Parteikosten zuzusprechen.
Es wurde keine Kostennote eingereicht. Der notwendige Vertretungsaufwand lässt sich aufgrund
der Aktenlage zuverlässig abschätzen, weshalb auf die Einholung einer Honorarnote verzichtet
werden kann (Art. 14 Abs. 2 in fine VGKE). Gestützt auf die in Betracht zu ziehenden Bemessungsfaktoren
sowie der Entschädigungspraxis in vergleichbaren Fällen (Art. 9 -13 VGKE) ist der
Beschwerdeführerin zulasten der Vorinstanz eine Parteientschädigung von insgesamt Fr. 1900.-
(inkl. Auslagen) zuzusprechen. Das SEM ist anzuweisen, der Beschwerdeführerin diesen Betrag zu entrichten.
(Dispositiv nächste Seite)
Demnach erkennt das Bundesverwaltungsgericht:
1. Die
Beschwerde wird gutgeheissen.
2. Die
Verfügung vom 29. Juni 2018 wird aufgehoben Die Beschwerdeführerin wird als Flüchtling
anerkannt und das SEM ist anzuweisen, ihr Asyl zu gewähren
3. Es
werden keine Verfahrenskosten erhoben.
4. Der
am 29. August 2018 geleistet Kostenvorschuss in der Höhe von
Fr. 750.- wird der Beschwerdeführerin rückerstattet.
5. Das
SEM wird angewiesen, der Beschwerdeführerin für das Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht
eine Parteientschädigung von insgesamt Fr. 1900.- auszurichten.
6. Dieses
Urteil geht an die Beschwerdeführerin, das SEM und die zuständige kantonale Behörde.
Die vorsitzende Richterin:
|
Die Gerichtsschreiberin:
|
|
|
Christa Luterbacher
|
Tina Zumbühl
|
Versand:
|
Wichtiger Hinweis: Die Liste der vorgeschlagenen Entscheide wird automatisch, ohne jegliche intellektuelle Bearbeitung, generiert. |
neffe
akte
schutzmassnahme
entscheid
person
bundesverwaltungsgericht
vorinstanz
verfahren
tag
heimatstaat
ort
frage
angehöriger der armee
asylgesuch
stelle
grund
festnahme
frau
verhalten
erhaltung
gewalt
verordnung
aussicht
politik
rahm
beweis
sachverhalt
region
sache
leben
kanton
beweismittel
aufenthalt
zukunft
flüchtlingseigenschaft
termin
europa
anmerkung
zelle
durchschnitt
tod
untersuchungshaft
mann
angabe(allgemein)
vergewaltigung
falsche angabe
pauschale
arztbericht
lediger
asylrecht
erheblichkeit
flucht
posttraumatische belastungsstörung
asylverfahren
ausführung
anhörung oder verhör
beurteilung(allgemein)
geschwister
arzt
frankreich
medizin
indiz
zweifel
wald
gewicht
staat
berichtigung(allgemein)
diagnose
replik
name
bezogener
maler
angemessenheit
sanktion
ausreise
mutter
wahrheit
freiheit
familie
report
verfassung
uno
zahl
geld
erfahrung
patient
weiler
reisepapier
wirkung
operation
besteller
strafrecht
wissen
richterliche behörde
schweiz
aufenthaltsort
kriegsopfer
kongo(kinshasa)
richtigkeit
folterverbot
stichtag
begünstigung(gabe)
überprüfungsbefugnis
flüchtling
fluss
kongo(brazzaville)
erleichterter beweis
begründung des entscheids
examinator
objektiv
berechnung
abklärung(allgemein)
prozessvertretung
staatssekretariat(eda)
kostenvorschuss
telefon
beschwerdeantwort
kenntnis
parteientschädigung
schweizer bürgerrecht
bundesrecht
norm
subjektiv
schweizerisches recht
kommunikation
körperliche integrität
ware
verhältnis zwischen
verhandlung(allgemein)
gefangener
kongruenz
international
betroffene person
vertrag
treffen
sinngehalt
anwesenheit
achtung
leumund
zweck(allgemein)
planungsziel
änderung(allgemein)
revision(raumplan)
opfer
kopie |
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