Bundesverwaltungsgericht
Tribunal administratif fédéral
Tribunale amministrativo
federale
Tribunal administrativ federal
Abteilung III
C-1048/2006{T 0/2}
Urteil
vom 21. Juli 2010
Besetzung
Richterin Marianne Teuscher (Vorsitz), Richter Antonio Imoberdorf,
Richterin Ruth Beutler,
Gerichtsschreiber Daniel Brand.
Parteien
D._______,
Beschwerdeführerin,
gegen
Bundesamt
für Migration (BFM),
Quellenweg 6, 3003 Bern,
Vorinstanz.
Gegenstand
Anerkennung
der Staatenlosigkeit.
Sachverhalt:
A.
Die am 25. März 1973 in P._______
(Nepal) geborene und dort in einem sogenannten "Tibetan Refugee Camp" aufgewachsene Beschwerdeführerin
reiste erstmals am 7. Oktober 2005 mit einem nepalesischen Reisedokument ("Travel Document Nepal")
sowie einem gültigen Visum in die Schweiz ein. Nach der Eheschliessung mit einem Schweizer Bürger
am 16. Juni 2006 wurde ihr von der zuständigen Migrationsbehörde eine Jahresaufenthaltsbewilligung
erteilt, welche seither regelmässig verlängert wurde.
B.
Am 12. September 2006
stellte das BFM der Beschwerdeführerin einen bis zum 11. September 2011 gültigen "Pass
für eine ausländische Person" aus, in welchem unter der Rubrik "Nationalität"
Nepal aufgeführt war. In der Folge ersuchte sie die Vorinstanz um Änderung ihrer Personalien
im automatisierten Personenregistratursystem AUPER2 respektive um Neuausstellung eines schweizerischen
Ersatzreisedokumentes, da sie aufgrund ihrer tibetischen Herkunft staatenlos sei und die nepalesische
Staatsbürgerschaft nicht besitze.
C.
Mit Schreiben vom 2. Oktober 2006 hielt die
Vorinstanz einleitend fest, die Voraussetzungen der Staatenlosigkeit seien in einem selbständigen
Verfahren zu prüfen. Im Weitern wies sie darauf hin, dass die Zugehörigkeit Tibets zur Volksrepublik
China umstritten sei. Während die tibetische Regierung im Exil konsequent die Auffassung vertrete,
Tibet sei seit dem Einmarsch Chinas in den Jahren 1949/50 in den damals unabhängigen Staat illegal
besetzt, bestehe die Volksrepublik China darauf, dass ihre Beziehungen zu Tibet rein innenpolitischer
Natur seien, da Tibet seit Jahrhunderten integraler Bestandteil Chinas gewesen und bis heute geblieben
sei. Die Schweiz anerkenne den chinesischen Alleinvertretungsanspruch über Tibet und teile auch
die Auffassung der meisten Staaten der internationalen Gemeinschaft, wonach Tibet als autonome Region
im Range einer Provinz ein integraler Bestandteil der Volksrepublik China sei. Aus diesem Grunde beabsichtige
das BFM, die Personaldaten entsprechend abzuändern und als Nationalität China (Volksrepublik),
als Geburtsort P._______ (Nepal) und als ethnische Herkunft Tibet anzuführen.
Im Rahmen des
rechtlichen Gehörs wurde der Beschwerdeführerin Gelegenheit eingeräumt, sich zu diesen
Ausführungen schriftlich zu äussern.
D.
Am 30. Oktober 2006 beantragte die
Beschwerdeführerin bei der Vorinstanz formell die Anerkennung der Staatenlosigkeit sowie die Änderung
der Personalien und des Geburtsortes im AUPER2. Zur Begründung brachte sie im Wesentlichen vor,
sie sei Tibeterin ("Tibetan Refugee"), in P._______ (Nepal) geboren und staatenlos. Sie sei
nie in China und den von diesem Staat besetzten tibetischen Gebieten gewesen, noch verfüge sie über
chinesische Ausweispapiere. Wie ihre Eltern besitze sie weder die nepalesische Staatsangehörigkeit,
noch irgend ein Dokument der chinesischen Besatzungs- bzw. Kolonialmacht, welches sie als chinesische
Staatsangehörige bezeichnen würde.
E.
Mit Verfügung vom 2. November 2006
gab die Vorinstanz dem Gesuch der Beschwerdeführerin um Anerkennung der Staatenlosigkeit nicht statt
mit der Begründung, wie die offizielle Schweiz, welche Tibet als Teil der Volksrepublik China anerkenne,
gehe auch das BFM davon aus, dass es sich bei den Bewohnern des ehemaligen Gebiets von Tibet bzw. deren
Nachfahren um chinesische Staatsbürger handle. Mit der Annektierung Tibets durch die Volksrepublik
China seien die Eltern der Beschwerdeführerin chinesische Staatsbürger geworden. Gemäss
den gesetzlichen Bestimmungen der Volksrepublik China seien auch im Ausland geborene Kinder chinesische
Staatsangehörige, sofern mindestens ein Elternteil chinesischer Staatsangehöriger sei und nicht
mindestens ein Elternteil im Ausland sesshaft sei und das Kind kraft Geburt eine ausländische Staatsangehörigkeit
erworben habe. Da die beiden letztgenannten Bedingungen nicht kumulativ erfüllt seien, sei die Beschwerdeführerin
als chinesische Staatsangehörige und nicht als staatenlos zu betrachten.
Allerdings sei bekannt,
dass die chinesische Vertretung in der Schweiz Gesuche um Ausstellung von Pässen nur entgegen nehme,
wenn die chinesische Herkunft eines Gesuchstellers oder einer Gesuchstellerin dokumentiert sei. Dem Umstand,
dass ein solcher Nachweis für in Nepal oder anderswo ausserhalb Chinas geborene Tibeter oft unmöglich
zu erbringen sei, sei insofern Rechnung getragen worden, als der Beschwerdeführerin - da schriftenlos
- ein schweizerisches Ersatzreisepapier ausgestellt werde. Nachdem die Beschwerdeführerin nach eigenen
Angaben in Nepal geboren sei und dort während Jahrzehnten gelebt habe, stelle sich allenfalls die
Frage, ob sie gegebenenfalls die nepalesische Staatsangehörigkeit erlangen könnte. Nicht Gegenstand
dieses Verfahrens sei hingegen die Frage der Rechtmässigkeit der Datenänderung im AUPER2.
F.
Mit
Rechtsmitteleingabe vom 30. November 2006 beantragt die Beschwerdeführerin die Aufhebung der angefochtenen
Verfügung und die Feststellung ihrer Staatenlosigkeit; eventualiter sei die vorinstanzliche Verfügung
aufzuheben und die Sache dem BFM zur Feststellung ihrer Staatenlosigkeit zurückzuweisen. Zur Begründung
bringt die Beschwerdeführerin im Wesentlichen vor, sie sei von den nepalesischen Behörden seit
ihrer Geburt als Tibeterin und Flüchtling ("refugee") und nicht als Chinesin anerkannt
worden. Wie ihre Eltern besitze sie keine chinesischen Ausweise und Dokumente und sei in China nicht
registriert. Sie spreche kein Chinesisch und habe keine Beziehung zur chinesischen Kultur und Gesellschaft
und insbesondere auch nicht zu chinesischen Behörden und Organen. Da die gewaltsame Annektierung
und weiter bestehende Okkupation Tibets durch China gegen das Völkerrecht und die Menschenrechte
verstosse, könnten ihre Vorfahren und damit auch sie nie chinesische Staatsangehörige geworden
sein; vielmehr sei ihnen die tibetische Staatsangehörigkeit nicht entzogen worden. Aufgrund des
Grundrechts, Tibeterin zu sein, könne sie nicht gezwungen werden, die nepalesische Staatsangehörigkeit,
und damit eine andere Nationalität, anzunehmen.
G.
Die Vorinstanz schliesst in ihrer
Vernehmlassung vom 21. März 2007 auf Abweisung der Beschwerde und bringt ergänzend vor, es
treffe zwar zu, dass die nepalesischen Behörden die Beschwerdeführerin offiziell nicht als
nepalesische oder chinesische Staatsangehörige, sondern als "Tibet-Flüchtling" betrachteten.
Entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerin liege jedoch in casu keine formelle Anerkennung der
Staatenlosigkeit im Sinne von Art. 1 Ziff. 1 des Übereinkommens vom 28. September 1954 über
die Rechtsstellung der Staatenlosen (im Folgenden: Staatenlosen-Übereinkommen,
SR 0.142.40) vor,
habe doch Nepal weder das fragliche Übereinkommen noch die Flüchtlingskonvention unterzeichnet.
Aufgrund
des neuen, auf Ende November 2006 in Kraft getretenen nepalesischen Bürgerrechtsgesetzes ("Citizenship
Act") müsse es für die Beschwerdeführerin, welche sich bis zu ihrer Übersiedlung
in die Schweiz ununterbrochen als "Tibet-Flüchtling" in Nepal aufgehalten habe, als unwahrscheinlich
angesehen werden, die nepalesische Staatsbürgerschaft zu erlangen. Diese Personengruppe könne
gemäss gesicherten Kenntnissen des BFM die erforderlichen Dokumente für die Erlangung der nepalesischen
Staatsbürgerschaft nicht beschaffen, weil Flüchtlinge in Nepal weder Land besitzen noch pachten
könnten. Vom Ausland her sei es nicht möglich, ein Gesuch um Einbürgerung zu stellen.
Bezüglich
der Staatsangehörigkeit der Beschwerdeführerin verweist die Vorinstanz auf die Rechtsprechung
der vormaligen Schweizerischen Asylrekurskommission (ARK) - als Vorgängerorganisation des Bundesverwaltungsgerichts
- in
EMARK 2005 Nr. 1 (Entscheidungen und Mitteilungen der ARK [EMARK]), wonach auf eine chinesische
Staatsbürgerschaft geschlossen werde, wenn im Einzelfall - wie in casu - erstellt sei, dass ein
Gesuchsteller tibetischer Ethnie sei. Dies gelte selbst dann, wenn Anhaltspunkte dafür vorlägen,
dass der Betreffende in der exil-tibetischen Gemeinde in Nepal oder Indien gelebt habe, könne doch
in der Regel nicht davon ausgegangen werden, Exil-Tibeter würden in diesen Ländern die jeweilige
Staatsangehörigkeit erwerben. Ohne triftige Anhaltspunkte könne eine andere als die chinesische
Staatsbürgerschaft weder als erwiesen noch überhaupt als wahrscheinlich erachtet werden.
H.
Mit
Replik vom 16. August 2007 hält die Beschwerdeführerin an ihren Anträgen und deren Begründung
vollumfänglich fest.
I.
In einer weiteren Eingabe vom 8. Februar 2008 weist die
Beschwerdeführerin unter anderem darauf hin, dass infolge Fehlens eines "fehlerfreien"
Passes Auslandreisen (Besuch der Eltern in Nepal, Ausflüge über die Grenze) zurzeit kaum bzw.
nicht geplant werden könnten.
J.
Nachdem der Beschwerdeführerin Gelegenheit
zu ergänzenden Bemerkungen geboten worden ist, hält sie in ihrer Eingabe vom 27. Mai 2010 unter
anderem fest, sie habe - zum ersten Mal nach ihrer Heirat - im Februar/März 2009 ihre Eltern, Verwandten
und Freunde in Nepal besucht, wobei sie den am 12. September 2006 vom BFM ausgestellten "Pass für
eine ausländische Person", ergänzt mit einem Visum der Botschaft Nepals in Genf, benutzt
habe. Bei der Ausreise sei sie seitens des Kontrollbeamten im Flughafen Kathmandu zurückgehalten
und zu ihrer Staatsangehörigkeit befragt worden. Mit dem Verweis auf den gültigen Pass, das
Visum der Botschaft Nepals sowie die internationalen Übereinkommen habe man sie doch noch passieren
lassen. Infolge der instabilen politischen Lage sei jedoch das Risiko, als Tibeterin mit der Nationalität
"Volksrepublik China" anlässlich eines nächsten Besuches ihrer Familie in Nepal nach
China abgeschoben bzw. ausgeschafft zu werden, nicht auszuschliessen. Die Beschwerdeführerin betont,
dass im vorliegenden Fall eine rechtliche und nicht politische Überprüfung respektive Feststellung
der durch die Vorinstanz zugeordneten Staatsangehörigkeit verlangt werde.
K.
Auf
den weiteren Akteninhalt wird, soweit rechtserheblich, in den Erwägungen eingegangen.
Das
Bundesverwaltungsgericht zieht in Erwägung:
1.
1.1 Gemäss Art. 31
des Verwaltungsgerichtsgesetzes
vom 17. Juni 2005 (VGG,
SR 173.32) beurteilt das Bundesverwaltungsgericht - unter Vorbehalt der in Art.
32
VGG genannten Ausnahmen - Beschwerden gegen Verfügungen nach Art. 5
des Bundesgesetzes vom 20.
Dezember 1968 über das Verwaltungsverfahren (VwVG,
SR 172.021), welche von einer in Art. 33
VGG
aufgeführten Behörde erlassen wurden. Darunter fallen u.a. Verfügungen des BFM betreffend
Anerkennung der Staatenlosigkeit (vgl. Art. 14 Abs. 3
der Organisationsverordnung für das Eidgenössische
Justiz- und Polizeidepartement vom 17. November 1999 [OV-EJPD,
SR 172.213.1]).
1.2 Das Bundesverwaltungsgericht
übernimmt die Beurteilung der beim Inkrafttreten des Verwaltungsgerichtsgesetzes am 1. Januar 2007
bei Eidgenössischen Rekurs- oder Schiedskommissionen oder bei Beschwerdediensten der Departemente
hängigen Rechtsmittel. Für die Beurteilung gilt das neue Verfahrensrecht (Art. 53 Abs. 2
VGG).
1.3
Gemäss Art. 37
VGG richtet sich das Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht nach dem VwVG, soweit
das Gesetz nichts anderes bestimmt.
1.4 Die Beschwerdeführerin ist gemäss Art.
48 Abs. 1
VwVG zur Beschwerde legitimiert. Auf die frist- und formgerecht eingereichte Beschwerde ist
einzutreten (Art. 50
und 52
VwVG).
2. Mit Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht kann die Verletzung
von Bundesrecht einschliesslich Überschreitung oder Missbrauch des Ermessens, die unrichtige oder
unvollständige Feststellung des rechtserheblichen Sachverhaltes sowie, wenn nicht eine kantonale
Behörde als Beschwerdeinstanz verfügt hat, die Unangemessenheit gerügt werden (Art. 49
VwVG). Das Bundesverwaltungsgericht wendet im Beschwerdeverfahren das Bundesrecht von Amtes wegen an.
Es ist gemäss Art. 62 Abs. 4
VwVG an die Begründung der Begehren nicht gebunden und kann die
Beschwerde auch aus anderen als den geltend gemachten Gründen gutheissen oder abweisen. Massgebend
ist grundsätzlich die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt seines Entscheides (vgl. E. 1.2 des in
BGE
129 II 215 teilweise publizierten Urteils
2A.451/2002 vom 28. März 2003).
3.
3.1
Gemäss
Art. 1 Ziff. 1 des Staatenlosen-Übereinkommens ist eine Person staatenlos im Sinne dieses Übereinkommens,
die kein Staat aufgrund seiner Gesetzgebung als seine Staatsangehörige betrachtet. Staatenlosigkeit
bedeutet nach dieser Begriffsumschreibung das Fehlen der rechtlichen Zugehörigkeit zu einem Staate
(YVONNE BURCKHARDT-ERNE, Die Rechtsstellung der Staatenlosen im Völkerrecht und Schweizerischen
Landesrecht, Diss. Bern 1977, S. 1 mit Hinweisen auf die Doktrin). Von dieser rechtlichen ist die in
Art. 24 Abs. 1
in fine des vom Bundesrat auf den 1. Januar 1989 in Kraft gesetzten Bundesgesetzes vom
18. Dezember 1987 über das Internationale Privatrecht (IPRG,
SR 291) umschriebene faktische Staatenlosigkeit
(Botschaft zum IPR-Gesetz vom 10. November 1982,
BBl 1983 I 324) zu unterscheiden. Dabei handelt es sich
um Personen, die zwar formell noch eine Staatsangehörigkeit besitzen, deren Heimatstaat sie aber
faktisch nicht mehr anerkennt und sich weigert, ihnen Schutz zu gewähren (BURCKHARDT-ERNE, a.a.O.,
S. 2). Desgleichen liegt eine tatsächliche Staatenlosigkeit vor bei Schriftenlosigkeit oder bei
Abbruch der Beziehungen mit dem früheren Heimatstaat ohne formelle Ausbürgerung (BGE
98 Ib
83; vgl. auch BURCKHARDT-ERNE, a.a.O., S. 2). Massgebend ist im vorliegenden Fall jedoch einzig die rechtliche
Staatenlosigkeit. Denn mit dem von der Bundesversammlung am 27. April 1972 genehmigten und am 1. Oktober
1972 in Kraft getretenen Staatenlosen-Übereinkommen wurde eine rechtliche Besserstellung nur den
"de iure" Staatenlosen gewährt (siehe Botschaft betreffend die Genehmigung des Übereinkommens
über die Rechtsstellung der Staatenlosen,
BBl 1971 II 424 ff.; BURCKHARDT-ERNE, a.a.O., S. 154,
sowie Urteil des Bundesgerichts
2A.65/1996 vom 3. Oktober 1996 [auszugsweise publiziert in
VPB 61.74
E. 3a und 3b,
2C_763/2008 vom 26. März 2009 E. 2 und 3.2; Urteil des Bundesverwaltungsgerichts
C-5327/2007
vom 4. August 2009 E. 3.1 mit weiteren Hinweisen).
3.2 Gemäss gefestigter Rechtsprechung
fallen Personen, die ihre Staatsbürgerschaft freiwillig aufgegeben haben (Verlust der Staatsangehörigkeit
auf Antrag) oder sich ohne triftige Gründe weigern, diese wieder zu erwerben, obwohl sie die Möglichkeit
dazu hätten, nicht unter das Staatenlosen-Übereinkommen (vgl. Urteil des Bundesgerichts
2C_763/2008
vom 26. März 2009 E. 3.2 mit diversen Hinweisen). Andernfalls würde der Rechtsstatus der Staatenlosigkeit
den ihr im Übereinkommen zugedachten Auffang- und Schutzcharakter verlieren und würde zu einer
Sache der persönlichen Präferenz. Damit würden die Staatenlosen gegenüber den Flüchtlingen,
deren Status sich nicht nach dem Willen der Betroffenen richtet, sondern nach den tatsächlichen
Verhältnissen in deren Heimatland beurteilt wird, besser gestellt. Dies hingegen kann nicht Sinn
und Zweck des fraglichen Überkommens sein, zumal die Völkergemeinschaft seit langem versucht,
die Zahl der Staatenlosen in der Welt zu reduzieren. Das Staatenlosen-Übereinkommen wurde nicht
geschaffen, damit Einzelne sich nach Belieben eine privilegierte Rechtsstellung erwirken können.
Es dient in erster Linie der Hilfe gegenüber Menschen, die ohne ihr Zutun in eine Notlage geraten
sind (Urteile des Bundesgerichts
2C_1/2008 vom 28. Februar 2008 E. 3.2 mit Hinweisen).
4.
4.1
Die
Beschwerdeführerin bezeichnet sich als staatenlos und macht in diesem Zusammenhang geltend, sie
sei als "Tibetan Refugee" in Nepal geboren und nie in China und den von diesem Staat besetzten
tibetischen Gebieten gewesen. Wie ihre Eltern besitze sie keine chinesischen Ausweise und Dokumente und
sei in China nicht registriert. Sie spreche kein Chinesisch und habe keine Beziehung zur chinesischen
Kultur und Gesellschaft und insbesondere auch nicht zu chinesischen Behörden und Organen. Da die
gewaltsame Annektierung und weiter bestehende Besetzung Tibets durch China gegen das Völkerrecht
und die Menschenrechte verstosse, könnten ihre Vorfahren und damit auch sie nie chinesische Staatsangehörige
geworden sein, zumal ihnen die tibetische Staatsangehörigkeit nicht entzogen worden sei. Zudem sei
sie von den nepalesischen Behörden seit ihrer Geburt als Tibeterin und Flüchtling ("refugee")
und nicht als Chinesin anerkannt worden.
4.2 Aus dem Umstand, dass die nepalesischen Behörden
sie offenbar weder als nepalesische noch als chinesische Staatsangehörige, sondern als "Tibet-Flüchtling"
betrachtet hatten, vermag die Beschwerdeführerin nichts zu ihren Gunsten abzuleiten. Wie die Vorinstanz
in ihrer Vernehmlassung zu Recht festgehalten hat, liegt in casu schon deshalb keine formelle Anerkennung
der Staatenlosigkeit im Sinne von Art. 1 Ziff. 1
des Staatenlosen-Übereinkommens vor, weil Nepal
weder das fragliche Übereinkommen noch die Flüchtlingskonvention unterzeichnet hat. Entgegen
der Auffassung der Beschwerdeführerin führt auch das Fehlen jeglicher chinesischer Ausweise
und Dokumente bzw. die Nichtregistrierung in China nicht zwangsläufig zum Verlust der ursprünglichen
Staatsangehörigkeit respektive zur Staatenlosigkeit (vgl. Urteil des Bundesverwaltungsgerichts
C-1042/2006
vom 9. September 2008 E. 3.1 mit Hinweisen).
4.3 Die Möglichkeit, allenfalls die nepalesische
Staatsangehörigkeit zu erlangen, dürfte für die Beschwerdeführerin mit dem Ende November
2006 in Kraft getretenen neuen Bürgerrechtsgesetz ("Nepal Citizenship Act", 2006) dahingefallen
sein. Demnach können Personen, welche sich - wie die Beschwerdeführerin - als "Tibet-Flüchtling"
in Nepal aufgehalten haben, die erforderlichen Dokumente zur Erlangung der nepalesischen Staatsbürgerschaft
nicht beschaffen, weil sie als Flüchtlinge weder Land besitzen noch pachten können. Ausserdem
könnte nach dieser Gesetzgebung ein Begehren um Einbürgerung ohnehin nur in Nepal selbst gestellt
werden.
5.
Gemäss der Aktenlage ist die Beschwerdeführerin tibetischer Ethnie.
Die Zugehörigkeit Tibets zur Volksrepublik China ist allerdings umstritten. Da der Staat Tibet seit
der Annektierung durch die Volksrepublik China heute nicht mehr existiert, stellt sich die Frage nach
der Staatsangehörigkeit der Einwohner bzw. deren Nachfahren des ehemaligen Tibets. Während
die tibetische Regierung im Exil konsequent die Auffassung vertritt, Tibet sei seit dem Einmarsch Chinas
in den Jahren 1949/50 in den damals unabhängigen Staat illegal besetzt, besteht die Volksrepublik
China darauf, dass ihre Beziehungen zu Tibet rein innenpolitischer Natur seien, da Tibet seit Jahrhunderten
integraler Bestandteil Chinas gewesen und bis heute geblieben sei. Die Schweiz anerkennt den chinesischen
Alleinvertretungsanspruch über Tibet und sie teilt auch die Auffassung der meisten Staaten der internationalen
Gemeinschaft, wonach Tibet als autonome Region im Rang einer Provinz ein integraler Bestandteil der Volksrepublik
China ist (vgl. Bericht der Aussenpolitischen Kommissionen des Nationalrates vom 4. April 2004 und des
Ständerates vom 7. September 2004 zur Petition Schweizer Tibet-Organisationen, zitiert in
EMARK
2006 Nr. 1 E. 4.4). Wie das BFM zu Recht festgestellt hat, handelt es sich demnach bei den Bewohnern
des Gebiets von Tibet respektive deren Nachfahren, unter Vorbehalt des Staatsangehörigkeitsgesetzes
der Volksrepublik China vom 10. September 1980 ("Nationality Law of the People's Republic of China",
zu finden im Internet unter: www.china.org.cn/english/LivinginChina/184710.htm), um chinesische Staatsbürger.
Zur Frage der Staatsangehörigkeit von im Exil lebenden Tibetern hat die ARK in
EMARK 2005 Nr. 1
festgehalten, dass auch bei diesen Gesuchstellern tibetischer Ethnie vorab auf eine chinesische Staatsangehörigkeit
zu schliessen sei.
6.
6.1 Gemäss Art. 1 des Staatenlosen-Übereinkommens ist,
wie erwähnt, eine Person dann staatenlos, wenn kein Staat sie - aufgrund seiner Gesetzgebung - als
seinen Angehörigen betrachtet. Ausschlaggebend sind deshalb allein die gesetzlichen Bestimmungen
des jeweiligen Staates, welche festlegen, unter welchen Voraussetzungen jemand Staatsangehöriger
dieses Staates ist.
Das BFM verweist in diesem Zusammenhang auf Art. 5 des Staatsangehörigkeitsgesetzes
der Volksrepublik China vom 10. September 1980, wonach eine im Ausland geborene Person die chinesische
Staatsangehörigkeit besitzt, sofern mindestens ein Elternteil chinesischer Staatsbürger ist.
Dies trifft hingegen nicht zu für ein Kind, bei welchem mindestens ein Elternteil im Ausland sesshaft
ist und welches mit der Geburt eine ausländische Staatsangehörigkeit erworben hat, da das chinesische
Recht doppelte Staatsangehörigkeit verbietet (vgl. Art. 3 des fraglichen Staatsangehörigkeitsgesetzes;
BERGMANN/FERID, Internationales Ehe- und Kindschaftsrecht, Volksrepublik China, 1999).
6.2
Aufgrund der Akten ergeben sich keinerlei Hinweise für die Annahme, wonach die Beschwerdeführerin
bei Geburt oder in der Zwischenzeit eine andere (namentlich die nepalesische) Staatsangehörigkeit
erlangt hätte. Demzufolge ist sie nicht unbekannter Staatsangehörigkeit, sondern - aufgrund
ihrer Abstammung - als Staatsangehörige der Volksrepublik China zu betrachten. Die Vorinstanz hat
die Beschwerdeführerin daher zu Recht nicht als staatenlos im Sinne von Art. 1 des fraglichen Übereinkommens
bezeichnet. Nicht ersichtlich ist, inwiefern dadurch - wie von der Beschwerdeführerin behauptet
- völker- oder landesrechtliche Bestimmungen verletzt worden wären. Ungeachtet dessen steht
ihr als Ehegattin eines Schweizer Bürgers in Kürze die Möglichkeit offen, bei den zuständigen
Behörden in der Schweiz ein Gesuch um erleichterte Einbürgerung zu stellen (vgl. Art. 27
des
Bundesgesetzes über Erwerb und Verlust des Schweizer Bürgerrechts [BüG,
SR 141.0].
Soweit
die Beschwerdeführerin befürchtet, als Tibeterin mit der "Nationalität China"
unter Umständen anlässlich eines nächsten Besuches bei ihrer Familie in Nepal nach China
abgeschoben bzw. ausgeschafft zu werden, verkennt sie, dass schweizerische Ersatzreisepapiere, namentlich
der "Pass für eine ausländische Person" gemäss Art. 3
der Verordnung vom 20.
Januar 2010 über die Ausstellung von Reisedokumenten für ausländische Personen (RDV,
SR
143.5), ohnehin nicht vor Auslieferung schützen und dem Inhaber oder der Inhaberin auch keinen Anspruch
auf diplomatischen oder konsularischen Schutz der Schweiz verschaffen könnten (vgl. Urteil des Bundesgerichts
2A.176/2004 vom 30. August 2004 E. 2.5).
7.
Aus diesen Darlegungen folgt, dass die angefochtene
Verfügung Bundesrecht nicht verletzt. Der rechtserhebliche Sachverhalt wurde richtig und vollständig
festgestellt, und die Vorinstanz hat das ihr zustehende Ermessen pflichtgemäss und zutreffend gehandhabt
(vgl. Art. 49
VwVG). Die Beschwerde ist demzufolge abzuweisen.
8.
Dem Ausgang des Verfahrens
entsprechend wird die unterliegende Beschwerdeführerin kostenpflichtig (Art. 63 Abs. 1
VwVG). Die
Verfahrenskosten sind auf Fr. 800.- festzusetzen (Art. 1 ff
. des Reglements vom 21. Februar 2008 über
die Kosten und Entschädigungen vor dem Bundesverwaltungsgericht [VGKE,
SR 173.320.2]).
Dispositiv
Seite 13
Demnach erkennt das Bundesverwaltungsgericht:
1.
Die Beschwerde wird
abgewiesen.
2.
Die Verfahrenskosten von Fr. 800.- werden der Beschwerdeführerin
auferlegt. Sie werden mit dem am 16. Juli 2007 geleisteten Kostenvorschuss verrechnet.
3.
Dieses
Urteil geht an:
die Beschwerdeführerin (Gerichtsurkunde)
die Vorinstanz (gegen Empfangsbestätigung;
Akten Ref-Nr. N [...] zurück)
den Migrationsdienst des Kantons Bern
die Migrationsbehörde
der Stadt Bern
Die vorsitzende Richterin: Der Gerichtsschreiber:
Marianne
Teuscher Daniel Brand
Rechtsmittelbelehrung:
Gegen diesen Entscheid kann
innert 30 Tagen nach Eröffnung beim Bundesgericht, 1000 Lausanne 14, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen
Angelegenheiten geführt werden (Art. 82 ff
., 90 ff. und 100 des Bundesgerichtsgesetzes vom 17. Juni
2005 [
BGG,
SR 173.110]). Die Rechtsschrift ist in einer Amtssprache abzufassen und hat die Begehren,
deren Begründung mit Angabe der Beweismittel und die Unterschrift zu enthalten. Der angefochtene
Entscheid und die Beweismittel sind, soweit sie die beschwerdeführende Partei in Händen hat,
beizulegen (vgl. Art. 42
BGG).
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