Bundesverwaltungsgericht
Tribunal administratif fédéral
Tribunale amministrativo federale
Tribunal administrativ federal

Abteilung III
C-1048/2006
{T 0/2}

Urteil vom 21. Juli 2010

Besetzung
Richterin Marianne Teuscher (Vorsitz), Richter Antonio Imoberdorf, Richterin Ruth Beutler,
Gerichtsschreiber Daniel Brand.

Parteien
D._______,
Beschwerdeführerin,

gegen

Bundesamt für Migration (BFM),
Quellenweg 6, 3003 Bern,
Vorinstanz.

Gegenstand
Anerkennung der Staatenlosigkeit.

Sachverhalt:

A.
Die am 25. März 1973 in P._______ (Nepal) geborene und dort in einem sogenannten "Tibetan Refugee Camp" aufgewachsene Beschwerdeführerin reiste erstmals am 7. Oktober 2005 mit einem nepalesischen Reisedokument ("Travel Document Nepal") sowie einem gültigen Visum in die Schweiz ein. Nach der Eheschliessung mit einem Schweizer Bürger am 16. Juni 2006 wurde ihr von der zuständigen Migrationsbehörde eine Jahresaufenthaltsbewilligung erteilt, welche seither regelmässig verlängert wurde.

B.
Am 12. September 2006 stellte das BFM der Beschwerdeführerin einen bis zum 11. September 2011 gültigen "Pass für eine ausländische Person" aus, in welchem unter der Rubrik "Nationalität" Nepal aufgeführt war. In der Folge ersuchte sie die Vorinstanz um Änderung ihrer Personalien im automatisierten Personenregistratursystem AUPER2 respektive um Neuausstellung eines schweizerischen Ersatzreisedokumentes, da sie aufgrund ihrer tibetischen Herkunft staatenlos sei und die nepalesische Staatsbürgerschaft nicht besitze.

C.
Mit Schreiben vom 2. Oktober 2006 hielt die Vorinstanz einleitend fest, die Voraussetzungen der Staatenlosigkeit seien in einem selbständigen Verfahren zu prüfen. Im Weitern wies sie darauf hin, dass die Zugehörigkeit Tibets zur Volksrepublik China umstritten sei. Während die tibetische Regierung im Exil konsequent die Auffassung vertrete, Tibet sei seit dem Einmarsch Chinas in den Jahren 1949/50 in den damals unabhängigen Staat illegal besetzt, bestehe die Volksrepublik China darauf, dass ihre Beziehungen zu Tibet rein innenpolitischer Natur seien, da Tibet seit Jahrhunderten integraler Bestandteil Chinas gewesen und bis heute geblieben sei. Die Schweiz anerkenne den chinesischen Alleinvertretungsanspruch über Tibet und teile auch die Auffassung der meisten Staaten der internationalen Gemeinschaft, wonach Tibet als autonome Region im Range einer Provinz ein integraler Bestandteil der Volksrepublik China sei. Aus diesem Grunde beabsichtige das BFM, die Personaldaten entsprechend abzuändern und als Nationalität China (Volksrepublik), als Geburtsort P._______ (Nepal) und als ethnische Herkunft Tibet anzuführen.
Im Rahmen des rechtlichen Gehörs wurde der Beschwerdeführerin Gelegenheit eingeräumt, sich zu diesen Ausführungen schriftlich zu äussern.

D.
Am 30. Oktober 2006 beantragte die Beschwerdeführerin bei der Vorinstanz formell die Anerkennung der Staatenlosigkeit sowie die Änderung der Personalien und des Geburtsortes im AUPER2. Zur Begründung brachte sie im Wesentlichen vor, sie sei Tibeterin ("Tibetan Refugee"), in P._______ (Nepal) geboren und staatenlos. Sie sei nie in China und den von diesem Staat besetzten tibetischen Gebieten gewesen, noch verfüge sie über chinesische Ausweispapiere. Wie ihre Eltern besitze sie weder die nepalesische Staatsangehörigkeit, noch irgend ein Dokument der chinesischen Besatzungs- bzw. Kolonialmacht, welches sie als chinesische Staatsangehörige bezeichnen würde.

E.
Mit Verfügung vom 2. November 2006 gab die Vorinstanz dem Gesuch der Beschwerdeführerin um Anerkennung der Staatenlosigkeit nicht statt mit der Begründung, wie die offizielle Schweiz, welche Tibet als Teil der Volksrepublik China anerkenne, gehe auch das BFM davon aus, dass es sich bei den Bewohnern des ehemaligen Gebiets von Tibet bzw. deren Nachfahren um chinesische Staatsbürger handle. Mit der Annektierung Tibets durch die Volksrepublik China seien die Eltern der Beschwerdeführerin chinesische Staatsbürger geworden. Gemäss den gesetzlichen Bestimmungen der Volksrepublik China seien auch im Ausland geborene Kinder chinesische Staatsangehörige, sofern mindestens ein Elternteil chinesischer Staatsangehöriger sei und nicht mindestens ein Elternteil im Ausland sesshaft sei und das Kind kraft Geburt eine ausländische Staatsangehörigkeit erworben habe. Da die beiden letztgenannten Bedingungen nicht kumulativ erfüllt seien, sei die Beschwerdeführerin als chinesische Staatsangehörige und nicht als staatenlos zu betrachten.
Allerdings sei bekannt, dass die chinesische Vertretung in der Schweiz Gesuche um Ausstellung von Pässen nur entgegen nehme, wenn die chinesische Herkunft eines Gesuchstellers oder einer Gesuchstellerin dokumentiert sei. Dem Umstand, dass ein solcher Nachweis für in Nepal oder anderswo ausserhalb Chinas geborene Tibeter oft unmöglich zu erbringen sei, sei insofern Rechnung getragen worden, als der Beschwerdeführerin - da schriftenlos - ein schweizerisches Ersatzreisepapier ausgestellt werde. Nachdem die Beschwerdeführerin nach eigenen Angaben in Nepal geboren sei und dort während Jahrzehnten gelebt habe, stelle sich allenfalls die Frage, ob sie gegebenenfalls die nepalesische Staatsangehörigkeit erlangen könnte. Nicht Gegenstand dieses Verfahrens sei hingegen die Frage der Rechtmässigkeit der Datenänderung im AUPER2.

F.
Mit Rechtsmitteleingabe vom 30. November 2006 beantragt die Beschwerdeführerin die Aufhebung der angefochtenen Verfügung und die Feststellung ihrer Staatenlosigkeit; eventualiter sei die vorinstanzliche Verfügung aufzuheben und die Sache dem BFM zur Feststellung ihrer Staatenlosigkeit zurückzuweisen. Zur Begründung bringt die Beschwerdeführerin im Wesentlichen vor, sie sei von den nepalesischen Behörden seit ihrer Geburt als Tibeterin und Flüchtling ("refugee") und nicht als Chinesin anerkannt worden. Wie ihre Eltern besitze sie keine chinesischen Ausweise und Dokumente und sei in China nicht registriert. Sie spreche kein Chinesisch und habe keine Beziehung zur chinesischen Kultur und Gesellschaft und insbesondere auch nicht zu chinesischen Behörden und Organen. Da die gewaltsame Annektierung und weiter bestehende Okkupation Tibets durch China gegen das Völkerrecht und die Menschenrechte verstosse, könnten ihre Vorfahren und damit auch sie nie chinesische Staatsangehörige geworden sein; vielmehr sei ihnen die tibetische Staatsangehörigkeit nicht entzogen worden. Aufgrund des Grundrechts, Tibeterin zu sein, könne sie nicht gezwungen werden, die nepalesische Staatsangehörigkeit, und damit eine andere Nationalität, anzunehmen.

G.
Die Vorinstanz schliesst in ihrer Vernehmlassung vom 21. März 2007 auf Abweisung der Beschwerde und bringt ergänzend vor, es treffe zwar zu, dass die nepalesischen Behörden die Beschwerdeführerin offiziell nicht als nepalesische oder chinesische Staatsangehörige, sondern als "Tibet-Flüchtling" betrachteten. Entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerin liege jedoch in casu keine formelle Anerkennung der Staatenlosigkeit im Sinne von Art. 1 Ziff. 1 des Übereinkommens vom 28. September 1954 über die Rechtsstellung der Staatenlosen (im Folgenden: Staatenlosen-Übereinkommen, SR 0.142.40) vor, habe doch Nepal weder das fragliche Übereinkommen noch die Flüchtlingskonvention unterzeichnet.
Aufgrund des neuen, auf Ende November 2006 in Kraft getretenen nepalesischen Bürgerrechtsgesetzes ("Citizenship Act") müsse es für die Beschwerdeführerin, welche sich bis zu ihrer Übersiedlung in die Schweiz ununterbrochen als "Tibet-Flüchtling" in Nepal aufgehalten habe, als unwahrscheinlich angesehen werden, die nepalesische Staatsbürgerschaft zu erlangen. Diese Personengruppe könne gemäss gesicherten Kenntnissen des BFM die erforderlichen Dokumente für die Erlangung der nepalesischen Staatsbürgerschaft nicht beschaffen, weil Flüchtlinge in Nepal weder Land besitzen noch pachten könnten. Vom Ausland her sei es nicht möglich, ein Gesuch um Einbürgerung zu stellen.
Bezüglich der Staatsangehörigkeit der Beschwerdeführerin verweist die Vorinstanz auf die Rechtsprechung der vormaligen Schweizerischen Asylrekurskommission (ARK) - als Vorgängerorganisation des Bundesverwaltungsgerichts - in EMARK 2005 Nr. 1 (Entscheidungen und Mitteilungen der ARK [EMARK]), wonach auf eine chinesische Staatsbürgerschaft geschlossen werde, wenn im Einzelfall - wie in casu - erstellt sei, dass ein Gesuchsteller tibetischer Ethnie sei. Dies gelte selbst dann, wenn Anhaltspunkte dafür vorlägen, dass der Betreffende in der exil-tibetischen Gemeinde in Nepal oder Indien gelebt habe, könne doch in der Regel nicht davon ausgegangen werden, Exil-Tibeter würden in diesen Ländern die jeweilige Staatsangehörigkeit erwerben. Ohne triftige Anhaltspunkte könne eine andere als die chinesische Staatsbürgerschaft weder als erwiesen noch überhaupt als wahrscheinlich erachtet werden.

H.
Mit Replik vom 16. August 2007 hält die Beschwerdeführerin an ihren Anträgen und deren Begründung vollumfänglich fest.

I.
In einer weiteren Eingabe vom 8. Februar 2008 weist die Beschwerdeführerin unter anderem darauf hin, dass infolge Fehlens eines "fehlerfreien" Passes Auslandreisen (Besuch der Eltern in Nepal, Ausflüge über die Grenze) zurzeit kaum bzw. nicht geplant werden könnten.

J.
Nachdem der Beschwerdeführerin Gelegenheit zu ergänzenden Bemerkungen geboten worden ist, hält sie in ihrer Eingabe vom 27. Mai 2010 unter anderem fest, sie habe - zum ersten Mal nach ihrer Heirat - im Februar/März 2009 ihre Eltern, Verwandten und Freunde in Nepal besucht, wobei sie den am 12. September 2006 vom BFM ausgestellten "Pass für eine ausländische Person", ergänzt mit einem Visum der Botschaft Nepals in Genf, benutzt habe. Bei der Ausreise sei sie seitens des Kontrollbeamten im Flughafen Kathmandu zurückgehalten und zu ihrer Staatsangehörigkeit befragt worden. Mit dem Verweis auf den gültigen Pass, das Visum der Botschaft Nepals sowie die internationalen Übereinkommen habe man sie doch noch passieren lassen. Infolge der instabilen politischen Lage sei jedoch das Risiko, als Tibeterin mit der Nationalität "Volksrepublik China" anlässlich eines nächsten Besuches ihrer Familie in Nepal nach China abgeschoben bzw. ausgeschafft zu werden, nicht auszuschliessen. Die Beschwerdeführerin betont, dass im vorliegenden Fall eine rechtliche und nicht politische Überprüfung respektive Feststellung der durch die Vorinstanz zugeordneten Staatsangehörigkeit verlangt werde.

K.
Auf den weiteren Akteninhalt wird, soweit rechtserheblich, in den Erwägungen eingegangen.

Das Bundesverwaltungsgericht zieht in Erwägung:

1.
1.1 Gemäss Art. 31 des Verwaltungsgerichtsgesetzes vom 17. Juni 2005 (VGG, SR 173.32) beurteilt das Bundesverwaltungsgericht - unter Vorbehalt der in Art. 32 VGG genannten Ausnahmen - Beschwerden gegen Verfügungen nach Art. 5 des Bundesgesetzes vom 20. Dezember 1968 über das Verwaltungsverfahren (VwVG, SR 172.021), welche von einer in Art. 33 VGG aufgeführten Behörde erlassen wurden. Darunter fallen u.a. Verfügungen des BFM betreffend Anerkennung der Staatenlosigkeit (vgl. Art. 14 Abs. 3 der Organisationsverordnung für das Eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement vom 17. November 1999 [OV-EJPD, SR 172.213.1]).

1.2 Das Bundesverwaltungsgericht übernimmt die Beurteilung der beim Inkrafttreten des Verwaltungsgerichtsgesetzes am 1. Januar 2007 bei Eidgenössischen Rekurs- oder Schiedskommissionen oder bei Beschwerdediensten der Departemente hängigen Rechtsmittel. Für die Beurteilung gilt das neue Verfahrensrecht (Art. 53 Abs. 2 VGG).

1.3 Gemäss Art. 37 VGG richtet sich das Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht nach dem VwVG, soweit das Gesetz nichts anderes bestimmt.

1.4 Die Beschwerdeführerin ist gemäss Art. 48 Abs. 1 VwVG zur Beschwerde legitimiert. Auf die frist- und formgerecht eingereichte Beschwerde ist einzutreten (Art. 50 und 52 VwVG).
2. Mit Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht kann die Verletzung von Bundesrecht einschliesslich Überschreitung oder Missbrauch des Ermessens, die unrichtige oder unvollständige Feststellung des rechtserheblichen Sachverhaltes sowie, wenn nicht eine kantonale Behörde als Beschwerdeinstanz verfügt hat, die Unangemessenheit gerügt werden (Art. 49 VwVG). Das Bundesverwaltungsgericht wendet im Beschwerdeverfahren das Bundesrecht von Amtes wegen an. Es ist gemäss Art. 62 Abs. 4 VwVG an die Begründung der Begehren nicht gebunden und kann die Beschwerde auch aus anderen als den geltend gemachten Gründen gutheissen oder abweisen. Massgebend ist grundsätzlich die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt seines Entscheides (vgl. E. 1.2 des in BGE 129 II 215 teilweise publizierten Urteils 2A.451/2002 vom 28. März 2003).

3.
3.1
Gemäss Art. 1 Ziff. 1 des Staatenlosen-Übereinkommens ist eine Person staatenlos im Sinne dieses Übereinkommens, die kein Staat aufgrund seiner Gesetzgebung als seine Staatsangehörige betrachtet. Staatenlosigkeit bedeutet nach dieser Begriffsumschreibung das Fehlen der rechtlichen Zugehörigkeit zu einem Staate (YVONNE BURCKHARDT-ERNE, Die Rechtsstellung der Staatenlosen im Völkerrecht und Schweizerischen Landesrecht, Diss. Bern 1977, S. 1 mit Hinweisen auf die Doktrin). Von dieser rechtlichen ist die in Art. 24 Abs. 1 in fine des vom Bundesrat auf den 1. Januar 1989 in Kraft gesetzten Bundesgesetzes vom 18. Dezember 1987 über das Internationale Privatrecht (IPRG, SR 291) umschriebene faktische Staatenlosigkeit (Botschaft zum IPR-Gesetz vom 10. November 1982, BBl 1983 I 324) zu unterscheiden. Dabei handelt es sich um Personen, die zwar formell noch eine Staatsangehörigkeit besitzen, deren Heimatstaat sie aber faktisch nicht mehr anerkennt und sich weigert, ihnen Schutz zu gewähren (BURCKHARDT-ERNE, a.a.O., S. 2). Desgleichen liegt eine tatsächliche Staatenlosigkeit vor bei Schriftenlosigkeit oder bei Abbruch der Beziehungen mit dem früheren Heimatstaat ohne formelle Ausbürgerung (BGE 98 Ib 83; vgl. auch BURCKHARDT-ERNE, a.a.O., S. 2). Massgebend ist im vorliegenden Fall jedoch einzig die rechtliche Staatenlosigkeit. Denn mit dem von der Bundesversammlung am 27. April 1972 genehmigten und am 1. Oktober 1972 in Kraft getretenen Staatenlosen-Übereinkommen wurde eine rechtliche Besserstellung nur den "de iure" Staatenlosen gewährt (siehe Botschaft betreffend die Genehmigung des Übereinkommens über die Rechtsstellung der Staatenlosen, BBl 1971 II 424 ff.; BURCKHARDT-ERNE, a.a.O., S. 154, sowie Urteil des Bundesgerichts 2A.65/1996 vom 3. Oktober 1996 [auszugsweise publiziert in VPB 61.74 E. 3a und 3b, 2C_763/2008 vom 26. März 2009 E. 2 und 3.2; Urteil des Bundesverwaltungsgerichts C-5327/2007 vom 4. August 2009 E. 3.1 mit weiteren Hinweisen).

3.2 Gemäss gefestigter Rechtsprechung fallen Personen, die ihre Staatsbürgerschaft freiwillig aufgegeben haben (Verlust der Staatsangehörigkeit auf Antrag) oder sich ohne triftige Gründe weigern, diese wieder zu erwerben, obwohl sie die Möglichkeit dazu hätten, nicht unter das Staatenlosen-Übereinkommen (vgl. Urteil des Bundesgerichts 2C_763/2008 vom 26. März 2009 E. 3.2 mit diversen Hinweisen). Andernfalls würde der Rechtsstatus der Staatenlosigkeit den ihr im Übereinkommen zugedachten Auffang- und Schutzcharakter verlieren und würde zu einer Sache der persönlichen Präferenz. Damit würden die Staatenlosen gegenüber den Flüchtlingen, deren Status sich nicht nach dem Willen der Betroffenen richtet, sondern nach den tatsächlichen Verhältnissen in deren Heimatland beurteilt wird, besser gestellt. Dies hingegen kann nicht Sinn und Zweck des fraglichen Überkommens sein, zumal die Völkergemeinschaft seit langem versucht, die Zahl der Staatenlosen in der Welt zu reduzieren. Das Staatenlosen-Übereinkommen wurde nicht geschaffen, damit Einzelne sich nach Belieben eine privilegierte Rechtsstellung erwirken können. Es dient in erster Linie der Hilfe gegenüber Menschen, die ohne ihr Zutun in eine Notlage geraten sind (Urteile des Bundesgerichts 2C_1/2008 vom 28. Februar 2008 E. 3.2 mit Hinweisen).

4.
4.1
Die Beschwerdeführerin bezeichnet sich als staatenlos und macht in diesem Zusammenhang geltend, sie sei als "Tibetan Refugee" in Nepal geboren und nie in China und den von diesem Staat besetzten tibetischen Gebieten gewesen. Wie ihre Eltern besitze sie keine chinesischen Ausweise und Dokumente und sei in China nicht registriert. Sie spreche kein Chinesisch und habe keine Beziehung zur chinesischen Kultur und Gesellschaft und insbesondere auch nicht zu chinesischen Behörden und Organen. Da die gewaltsame Annektierung und weiter bestehende Besetzung Tibets durch China gegen das Völkerrecht und die Menschenrechte verstosse, könnten ihre Vorfahren und damit auch sie nie chinesische Staatsangehörige geworden sein, zumal ihnen die tibetische Staatsangehörigkeit nicht entzogen worden sei. Zudem sei sie von den nepalesischen Behörden seit ihrer Geburt als Tibeterin und Flüchtling ("refugee") und nicht als Chinesin anerkannt worden.

4.2 Aus dem Umstand, dass die nepalesischen Behörden sie offenbar weder als nepalesische noch als chinesische Staatsangehörige, sondern als "Tibet-Flüchtling" betrachtet hatten, vermag die Beschwerdeführerin nichts zu ihren Gunsten abzuleiten. Wie die Vorinstanz in ihrer Vernehmlassung zu Recht festgehalten hat, liegt in casu schon deshalb keine formelle Anerkennung der Staatenlosigkeit im Sinne von Art. 1 Ziff. 1 des Staatenlosen-Übereinkommens vor, weil Nepal weder das fragliche Übereinkommen noch die Flüchtlingskonvention unterzeichnet hat. Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin führt auch das Fehlen jeglicher chinesischer Ausweise und Dokumente bzw. die Nichtregistrierung in China nicht zwangsläufig zum Verlust der ursprünglichen Staatsangehörigkeit respektive zur Staatenlosigkeit (vgl. Urteil des Bundesverwaltungsgerichts C-1042/2006 vom 9. September 2008 E. 3.1 mit Hinweisen).

4.3 Die Möglichkeit, allenfalls die nepalesische Staatsangehörigkeit zu erlangen, dürfte für die Beschwerdeführerin mit dem Ende November 2006 in Kraft getretenen neuen Bürgerrechtsgesetz ("Nepal Citizenship Act", 2006) dahingefallen sein. Demnach können Personen, welche sich - wie die Beschwerdeführerin - als "Tibet-Flüchtling" in Nepal aufgehalten haben, die erforderlichen Dokumente zur Erlangung der nepalesischen Staatsbürgerschaft nicht beschaffen, weil sie als Flüchtlinge weder Land besitzen noch pachten können. Ausserdem könnte nach dieser Gesetzgebung ein Begehren um Einbürgerung ohnehin nur in Nepal selbst gestellt werden.

5.
Gemäss der Aktenlage ist die Beschwerdeführerin tibetischer Ethnie. Die Zugehörigkeit Tibets zur Volksrepublik China ist allerdings umstritten. Da der Staat Tibet seit der Annektierung durch die Volksrepublik China heute nicht mehr existiert, stellt sich die Frage nach der Staatsangehörigkeit der Einwohner bzw. deren Nachfahren des ehemaligen Tibets. Während die tibetische Regierung im Exil konsequent die Auffassung vertritt, Tibet sei seit dem Einmarsch Chinas in den Jahren 1949/50 in den damals unabhängigen Staat illegal besetzt, besteht die Volksrepublik China darauf, dass ihre Beziehungen zu Tibet rein innenpolitischer Natur seien, da Tibet seit Jahrhunderten integraler Bestandteil Chinas gewesen und bis heute geblieben sei. Die Schweiz anerkennt den chinesischen Alleinvertretungsanspruch über Tibet und sie teilt auch die Auffassung der meisten Staaten der internationalen Gemeinschaft, wonach Tibet als autonome Region im Rang einer Provinz ein integraler Bestandteil der Volksrepublik China ist (vgl. Bericht der Aussenpolitischen Kommissionen des Nationalrates vom 4. April 2004 und des Ständerates vom 7. September 2004 zur Petition Schweizer Tibet-Organisationen, zitiert in EMARK 2006 Nr. 1 E. 4.4). Wie das BFM zu Recht festgestellt hat, handelt es sich demnach bei den Bewohnern des Gebiets von Tibet respektive deren Nachfahren, unter Vorbehalt des Staatsangehörigkeitsgesetzes der Volksrepublik China vom 10. September 1980 ("Nationality Law of the People's Republic of China", zu finden im Internet unter: www.china.org.cn/english/LivinginChina/184710.htm), um chinesische Staatsbürger. Zur Frage der Staatsangehörigkeit von im Exil lebenden Tibetern hat die ARK in EMARK 2005 Nr. 1 festgehalten, dass auch bei diesen Gesuchstellern tibetischer Ethnie vorab auf eine chinesische Staatsangehörigkeit zu schliessen sei.

6.
6.1 Gemäss Art. 1 des Staatenlosen-Übereinkommens ist, wie erwähnt, eine Person dann staatenlos, wenn kein Staat sie - aufgrund seiner Gesetzgebung - als seinen Angehörigen betrachtet. Ausschlaggebend sind deshalb allein die gesetzlichen Bestimmungen des jeweiligen Staates, welche festlegen, unter welchen Voraussetzungen jemand Staatsangehöriger dieses Staates ist.
Das BFM verweist in diesem Zusammenhang auf Art. 5 des Staatsangehörigkeitsgesetzes der Volksrepublik China vom 10. September 1980, wonach eine im Ausland geborene Person die chinesische Staatsangehörigkeit besitzt, sofern mindestens ein Elternteil chinesischer Staatsbürger ist. Dies trifft hingegen nicht zu für ein Kind, bei welchem mindestens ein Elternteil im Ausland sesshaft ist und welches mit der Geburt eine ausländische Staatsangehörigkeit erworben hat, da das chinesische Recht doppelte Staatsangehörigkeit verbietet (vgl. Art. 3 des fraglichen Staatsangehörigkeitsgesetzes; BERGMANN/FERID, Internationales Ehe- und Kindschaftsrecht, Volksrepublik China, 1999).

6.2 Aufgrund der Akten ergeben sich keinerlei Hinweise für die Annahme, wonach die Beschwerdeführerin bei Geburt oder in der Zwischenzeit eine andere (namentlich die nepalesische) Staatsangehörigkeit erlangt hätte. Demzufolge ist sie nicht unbekannter Staatsangehörigkeit, sondern - aufgrund ihrer Abstammung - als Staatsangehörige der Volksrepublik China zu betrachten. Die Vorinstanz hat die Beschwerdeführerin daher zu Recht nicht als staatenlos im Sinne von Art. 1 des fraglichen Übereinkommens bezeichnet. Nicht ersichtlich ist, inwiefern dadurch - wie von der Beschwerdeführerin behauptet - völker- oder landesrechtliche Bestimmungen verletzt worden wären. Ungeachtet dessen steht ihr als Ehegattin eines Schweizer Bürgers in Kürze die Möglichkeit offen, bei den zuständigen Behörden in der Schweiz ein Gesuch um erleichterte Einbürgerung zu stellen (vgl. Art. 27 des Bundesgesetzes über Erwerb und Verlust des Schweizer Bürgerrechts [BüG, SR 141.0].
Soweit die Beschwerdeführerin befürchtet, als Tibeterin mit der "Nationalität China" unter Umständen anlässlich eines nächsten Besuches bei ihrer Familie in Nepal nach China abgeschoben bzw. ausgeschafft zu werden, verkennt sie, dass schweizerische Ersatzreisepapiere, namentlich der "Pass für eine ausländische Person" gemäss Art. 3 der Verordnung vom 20. Januar 2010 über die Ausstellung von Reisedokumenten für ausländische Personen (RDV, SR 143.5), ohnehin nicht vor Auslieferung schützen und dem Inhaber oder der Inhaberin auch keinen Anspruch auf diplomatischen oder konsularischen Schutz der Schweiz verschaffen könnten (vgl. Urteil des Bundesgerichts 2A.176/2004 vom 30. August 2004 E. 2.5).

7.
Aus diesen Darlegungen folgt, dass die angefochtene Verfügung Bundesrecht nicht verletzt. Der rechtserhebliche Sachverhalt wurde richtig und vollständig festgestellt, und die Vorinstanz hat das ihr zustehende Ermessen pflichtgemäss und zutreffend gehandhabt (vgl. Art. 49 VwVG). Die Beschwerde ist demzufolge abzuweisen.

8.
Dem Ausgang des Verfahrens entsprechend wird die unterliegende Beschwerdeführerin kostenpflichtig (Art. 63 Abs. 1 VwVG). Die Verfahrenskosten sind auf Fr. 800.- festzusetzen (Art. 1 ff. des Reglements vom 21. Februar 2008 über die Kosten und Entschädigungen vor dem Bundesverwaltungsgericht [VGKE, SR 173.320.2]).

Dispositiv Seite 13

Demnach erkennt das Bundesverwaltungsgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2.
Die Verfahrenskosten von Fr. 800.- werden der Beschwerdeführerin auferlegt. Sie werden mit dem am 16. Juli 2007 geleisteten Kostenvorschuss verrechnet.

3.
Dieses Urteil geht an:
die Beschwerdeführerin (Gerichtsurkunde)
die Vorinstanz (gegen Empfangsbestätigung; Akten Ref-Nr. N [...] zurück)
den Migrationsdienst des Kantons Bern
die Migrationsbehörde der Stadt Bern

Die vorsitzende Richterin: Der Gerichtsschreiber:

Marianne Teuscher Daniel Brand

Rechtsmittelbelehrung:
Gegen diesen Entscheid kann innert 30 Tagen nach Eröffnung beim Bundesgericht, 1000 Lausanne 14, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten geführt werden (Art. 82 ff., 90 ff. und 100 des Bundesgerichtsgesetzes vom 17. Juni 2005 [BGG, SR 173.110]). Die Rechtsschrift ist in einer Amtssprache abzufassen und hat die Begehren, deren Begründung mit Angabe der Beweismittel und die Unterschrift zu enthalten. Der angefochtene Entscheid und die Beweismittel sind, soweit sie die beschwerdeführende Partei in Händen hat, beizulegen (vgl. Art. 42 BGG).

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